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Romulus und Pyronekdan reden aneinander vorbei.
Dafür vergebene Note: 10
Diese Kurzgeschichte ist Nicole Schuster gewidmet, die in ihrem unermüdlichen Einsatz eine Brücke zwischen dem Autismus und der restlichen Welt zu bauen jede Unterstützung verdient.
Ich hoffe, daß auch diese Kurzgeschichte etwas dazu beitragen kann.
Pyronekdan war so in seine Arbeit vertieft, daß er gar nicht hörte, daß jemand an die Bürotür klopfte. Romulus öffnete schließlich auch ohne noch länger auf eine Antwort zu warten. Als er der Zauberer ihn bemerkte legte dieser hastig ein Buch zur Seite, und öffnete schnell eine der zahlreichen Akten auf seinem Schreibtisch.
"Guten Morgen Pyronekdan", grüßte ihn der Werwolf. "Die meisten Mitarbeiter halten die Akten wenigstens richtig herum, an denen sie angeblich arbeiten, wenn sie bei einer zusätzlichen Pause erwischt werden."
"Guten Morgen Romulus", grüßte der Zauberer den Abteilungsleiter zurück, und drehte die Akte schnell um.
"Ich habe hier einen weiteren Raub, der sich gestern ereigneten. Wieder wurde eine alte Frau mit einer Armbrust bedroht. Bist du mit den anderen schon weitergekommen, oder hat dich diese Buch so sehr gefesselt, daß es dir keine Zeit mehr für deine Arbeit läßt?"
Der Werwolf legte die neue Akten auf den schon übervollen Schreibtisch, und beugte sich dann so darüber, daß der den Titel des Buches lesen konnte, das der Zauberer gerade aus der Hand gelegt hatte.
Es hieß "Ein guter Tag ist ein Tag mit Wildschwein".
"Wird in der Unsichtbaren Universität in letzter Zeit nicht mehr genug für das leibliche Wohl gesorgt, daß du dich jetzt mit Kochbüchern beschäftigst?", fragte der Werwolf irritiert.
"Es ist kein Kochbuch", antwortete Pyronekdan, der sich immer noch fragte, wieso Romulus glaubte, daß er gefesselt sei, obwohl er doch durch keinen Strick behindert wurde. "Es behandelt die besonderen Fähigkeiten, und Probleme von Zauberern."
Der Abteilungsleiter zog die Augenbrauen hoch, da ihn das Buch zu interessieren begann, wartete aber vergeblich, daß Pyronekdan weiter über den Inhalt berichtete. Er erinnerte sich daran, daß der Zauberer schon immer Probleme damit hatte, Mimik und Gestik zu verstehen, zu mindest reagierte er meist nicht so darauf, wie man es erwarten sollte.
"Handelt es vielleicht auch von den Problemen, die manche Zauberer damit haben, Andeutungen von Personen zu verstehen, die manchmal verzweifelt versuchen mit ihnen Kontakt aufzunehmen?"
Daraufhin blickte Pyronekdan erstaunt auf.
"Ja, ganau!", woher wußtest du das?"
"Wenn das Buch gut ist, wird es vielleicht darin stehen. Von wem wurde es denn geschrieben?"
"Von Licone Restusch, einer Studentin an der Unsichtbaren Universität."
Rumulus zog erneut die Augenbrauen nach oben, ließ sie aber wieder sinken, als er über die Sinnlosigkeit dieser Mimik gegenüber dem Zauberer nachdachte.
"Ich wußte gar nicht, daß auch Frauen an der Universität zugelassen sind", sagte er schließlich.
"Seit es ein paar Frauen geschafft haben, sich als Männer verkleidet einzuschreiben, sieht man das jetzt etwas lockerer. Schließlich ist auch keiner der Zauberer bereit, alle Studenten einer Leibesvisitation zu unterziehen. Die meisten Zauberer gehen sowieso davon aus, daß die Studentinnen es nicht schaffen Zauberinnen zu werden."
"Du scheinst aber anderer Ansicht zu sein, sonst würdest Du über das Buch wohl nicht deine Arbeit vergessen."
Der Abteilungsleiter hoffte, daß wenigstens diese Anspielung bis zu dem Zauberer durchdringen würde, wurde aber wieder enttäuscht.
"Sie erklärt in ihrem Buch viele Dinge, die mir bis jetzt ein Rätsel waren", meinte Pyronekdan.
"Welche denn zum Beispiel?", fragte der Werwolf zurück, der langsam neugierig auf den Inhalt wurde, da er vielleicht tatsächlich Antworten darauf enthalten konnte, warum sich Zauberer so merkwürdig benahmen.
"Zum Beispiel war mir nicht klar, wie vielfältig Menschen kommunizieren können, ohne ein Wort zu sagen."
"Wenn Du das nicht verstehst, wie konntest Du dann so viele Fälle lösen?", fragte sich Romulus mehr sich selbst, als den Zauberer, und war von dessen Antwort deshalb auch überrascht.
"Zauberer achten viel mehr auf Kleinigkeiten, und lassen sich nicht so leicht von einer Spur abbringen."
"Aber was nützt das, wenn sie die Gefühle des Täters nicht verstehen?"
"Es reicht doch, das Motiv zu kennen. Gefühle können auch vorgetäuscht werden."
"Das Motiv in bei den Raubüberfällen, die sich auf deinem Schreibtisch türmen ist jedenfalls unübersehbar, und trotzdem haben wir den Täter immer noch nicht festnehmen können. Um nicht in den Verdacht zu kommen, daß wir nichts unternehmen, haben wir in der Wache schon wieder eine Sammlung durchgeführt, um wenigstens auf diese Weise den Opfern zu helfen."
Romulus war erleichtert endlich wieder die Arbeit etwas in den Vordergrund rücken zu können, aber enttäuscht darüber, daß der strenge Blick zu seinem Kontakter wieder ohne Wirkung geblieben war. Statt zu seinem Geldbeutel, um ebenfalls etwas für die Opfer zu spenden, griff der Zauberer zu der neuen Akte, und öffnete sie.
Romulus war solche Unterbrechungen im Gespräch mit Pyronekdan, die an eine Unverschämtheit grenzten inzwischen gewohnt. Vielleicht sollte auch er einmal das Buch dieser Licone Restusch lesen, um dahinter zu kommen, was in dem Zauberer in solchen Momenten vorging.
"Wieder wurde das Opfer durch ein Armbrust der Marke Starkimarm Nr. 7 bedroht?", fragte der Zauberer ohne die Akte zu senken.
Gerade wollte der Abteilungsleiter darauf antworten, warum Pyronekdan das frage, wo er es doch gerade gelesen hatte, als dieser weiter sprach.
"Wie kommt es eigentlich, daß diese alten Damen die Waffe so genau beschreiben können, obwohl sie praktisch unter Schock stehen?"
Romulus wartete diesmal etwas länger, da er richtig vermutete, daß auch diese Frage nicht an ihn gestellt worden war.
"Woher hatten sie das ganze Geld, daß ihnen gestohlen worden war, und warum trugen sie es bei einem Spaziergang mit sich herum."
"Auch die Beschreibung des Täters stimmt sehr genau überein, obwohl es sehr dunkel war, und der Täter maskiert."
"Alle Opfer wohnen in der gleichen Straße, wurden aber an völlig verschiedenen Stellen überfallen."
Langsam verstand der Abteilungsleiter, die Vorgehensweise des Zauberers. Er dachte über Dinge nach, die für andere selbstverständlich waren. Und er ließ sich bei seiner Arbeit tatsächlich von nichts ablenken. Nicht einmal von der Gegenwart seines Vorgesetzten, den er jetzt schon fünf Minuten warten ließ. Vielleicht brauchte Pyronekdan sogar jemanden, der ihm zuhört, damit er richtig arbeiten konnte. Und langsam dämmerte es ihm, daß er bei den Raubüberfällen über etwas wichtiges nicht nachgedacht hatte. Nämlich über die angeblichen Opfer. Statt dessen hatte er ein genaues Täterbild erstellen, und alle verfügbaren Wächter nach diesem suchen lassen.
"Glaubst du wirklich, daß die alten Damen die Taten nur vorgetäuscht haben, um sich durch die Sammlungen zu bereichern, und auf ihre alten Tage noch etwas Aufmerksamkeit zu bekommen?", hörte er sich plötzlich fragen.
"Wie bist du denn darauf gekommen?", fragte der Zauberer erstaunt zurück, der daran überhaupt nicht gedacht hatte, sondern nur die Details betrachtete.
"Das erkläre ich dir später", meinte der Abteilungsleiter. "Ich habe ein paar Hausdurchsuchungen durchzuführen. Vielleicht hat ja eine der reizenden Damen ein Waffe, die genau zu der Beschreibung paßt."
"Das wäre wirklich ein Zufall", meinte der Zauberer, diesmal nicht zu sich selbst, doch es war niemand mehr da, der ihm zuhörte.
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