Bisher hat keiner bewertet.
Steifegehen gehört zum Vektorenleben. Und manchmal kommt es zu aufregenden Szenen. Na ja. Oder so halt.
Dafür vergebene Note: 9
Ich schlenderte durch die Gassen der Tollen Schwestern. Rea hatte mich ausnahmsweise allein los geschickt, weil sie zu einer Konferenz der Abteilungsleiter musste und sie es immer noch nicht geschafft hatte, mich irgendwie in den Dienstplan einzuarbeiten. Wofür ich sehr dankbar war, denn so hatte ich mehr Freiheiten meinen Dienst zu gestalten als die Kollegen, die in das enge Korsett des Plans eingebunden waren.
Wie gesagt, ich schlenderte durch die Tollen Schwestern und fühlte mich an diesem vorsommerlich warmen Oktotag sehr wohl. Mein Kilt wedelte um meine Knie, den Harnisch hatte ich gegen ein bequemeres Lederwams eingetauscht und im Rucksack befanden sich ein paar belegte Brote und ein Stück Apfelkuchen von Oloff. Irgendwo wollte ich es mir entweder in einer kleinen Kneipe oder an einem Brunnen bequem machen und Mittagspause machen.
Vor seiner Konditorei in der Schmunzelgasse stand Herr Borgis und verwickelte mich in ein Gespräch. Er ist ja ein ganz netter Kerl, aber ich mag sein Gebäck nicht, das er mir immer wieder aufdrängen will. Ich meine, er meint es ja gut und er will es mir ja auch immer schenken, aber mir ist das Zeug einfach zu süß. Ich habe ihn mal gefragt, ob er auch mal was mit frischem Obst zubereiten würde. Da hat er mich total erstaunt angesehen und gesagt, dass er auf die Idee noch nicht gekommen wäre. Komisch, oder? Naja, heute war sein Glückstag und ich steckte mir gerade eine Tüte mit schwerem Marzipangebäck in den Rucksack, wobei ich dachte, dass Miriel das Zeug vielleicht mögen würde, als auf einmal seine Frau entsetzlich laut zu schreien begann.
Das Mittagessen war wohl fertig. Wir verabschiedeten uns von einander und ich ging meine Runde weiter.
Plötzlich lief ein Mann auf mich zu und rief, wie froh er wäre mich zu sehen. Ein anderer Mann verfolgte ihn mit einem blitzenden Messer in der Hand. Der ohne Messer war der Metzger Schlossmann, der schon lange versuchte, von mir das Rezept für original llamedischen Schafsmagen zu bekommen. Ich hatte ihm versprochen, dass ich mir das Rezept von meiner Mutter zuschicken lasse. Vor ein paar Tagen hatte ich es ihm gebracht und er wollte mich an seinen ersten Versuchen teilhaben lassen. Als der Mann mit dem Messer angestürzt kam, hob Schlossmann die Hand und rief erschrocken etwas wie "O Nein! Ich hab' mein Messer schon wieder liegen lassen! Irgendwann lasse ich noch mal meinen Kopf liegen." Den anderen Mann hatte ich auch schon kennen gelernt. Er war Scherenschleifer und Kesselflicker und behandelte nebenbei auch noch die Krallen der Haustiere der Leute in den Tollen Schwestern. Ein gewisser Tolliver oder so. Er gab Schlossmann lachend das Messer und meinte, er müsse schnell zurück, weil noch Kunden auf ihn warten würden. Auf jeden Fall musste ich jetzt auch noch einen gefüllten Schafsmagen in den Rucksack stopfen, der allmählich voll wurde. Die Leute hier in den Tollen Schwestern waren einfach nett. Naja, die meisten eben.
Die Schmunzelgasse mündet in den Grinseweg und dort gibt es ein kleines Straßencafé. Der Besitzer, ein Herr Corgis, hat einen breiten Troll engagiert, der einerseits den Gästen auf Wunsch Schatten spendet und andererseits verhindert, dass sich hier der Straßenmob über die draußen Sitzenden lustig macht. Ich trinke dort gerne eine Tasse Tee oder wenn es so warm ist wie heute auch mal eine Limonade. Der Wirt verspricht hoch und heilig und bei allen Göttern, dass er das Wasser direkt aus der Sto-Ebene holen lässt und kein Ankhwasser dafür verwendet. Nun ja, er braucht gar nicht so zu schwören, der Kerl. Mit Ankhwasser würde seine Limonade ganz bestimmt nicht so gut schmecken. Und er hat auch nichts dagegen, dass ich mein Mittagessen bei ihm verzehre. Naja, und so habe ich eben da gesessen und Limonade getrunken und mein Brot gegessen, das von dem Gebäck und dem Schafsmagen schon ganz schön zerdrückt war. Den zerkrümelten Apfelkuchen wollte ich später irgendwo anders essen. Chrysoberyl, der grüne Troll des Cafés, war mir bereitwillig aus der Sonne getreten und so saß ich da und genoss mein Mittagessen, als plötzlich ein lautes Krachen ertönte. Die anderen Gäste sprangen erschrocken auf und sahen entsetzt die Staubwolke, die auf sie zu raste. Ich packte schnell meinen Rucksack und verschloss ihn. Dann trank ich den letzten Schluck Limonade und versteckte mich hinter Chrysoberyl, der teilnahmslos dastand. Die Staubwolke brauste heran, aber hinter dem breiten Troll war ich ziemlich gut geschützt. Naja, so ein Hausabriss kann eben schon ganz schön staubig sein. Komisch nur, dass die Leute alle die Ankündigung nicht gelesen hatten. Aber gut, das muss ich zugeben: Wenn es plötzlich kracht, dann erschrickt man schon.
Nachdem sich der Staub gelegt hatte, bin ich weitergegangen. An der Abbruchstelle war ein gutes Dutzend Trolle damit beschäftigt, die Trümmer zu zerkleinern und auf Ochsenkarren zu laden. Einige Mütter mit kleinen Jungen standen an den Absperrungen und konnten ihre Kleinen gar nicht von der Baustelle lösen. Ein kleiner Ankh-Morporkianer krähte fröhlich und hielt ein Pappbilderbuch in der Hand, in dem verschiedene Trolle bei der Arbeit abgebildet waren. "Guck ma! Dolle T'olle mach alles putt!"
Ich ging weiter auf meinem Rundgang durch die Tollen Schwestern und kam zum Mittwärtigen Tor. Dort herrschte rege Aufregung, denn vor dem Tor hatte sich eine Schar Barbaren eingefunden, die die Stadt erobern wollten. Lord Vetinaris Sekretär stand beim Anführer der Barbaren und versuchte ihm klar zu machen, dass es für Brandschatzen und Plündern Gebühren zu zahlen galt. Der Barbar machte einen vollkommen verwirrten Eindruck und nahm dankbar die Einladung auf einen Drink in der Geflickten Trommel an. Ich musste grinsen, denn damit war klar, wie die Sache ausgehen würde. Immerhin hatte ich einmal einen Studienausflug dahin unternommen und wusste, dass ein paar Barbaren dort in etwa so harmlos waren wie Kleinkinder. Am Morgen würden sie mit Brummschädel und ziemlich nackt neben oder auf dem Ankh aufwachen und sich fragen, was eigentlich passiert war.
Ich nickten den Kollegen am Tor freundlich zu und beendete meinen Rundgang. Zurück im Wachhaus schrieb ich meinen Bericht über den ereignislosen Tag und ging nach Hause um noch ein wenig Whisky zu brauen.
Ich habe mir überlegt diese Geschichte außer Konkurrenz einzureichen. Sie gibt ja wirklich nicht viel her, das gebe ich gerne zu. Aber ich habe mich dann doch dagegen entschlossen. Sie ist eine Hommage an den Schreibstil der frühen Wache. Es soll keine Parodie sein, also ich will mich damit also nicht über den Stil mokieren! Ich kann jedem nur empfehlen, sich mal durch die ganz alten Geschichten zu lesen. Es lohnt sich.
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