Adios, Werwolf! Teil 1

Bisher hat keiner bewertet.

von Gefreiter Ruppert ag LochMoloch (SEALS)
Online seit 17. 05. 2008
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Werwölfe sind auch nur Menschen. Aber macht nie den Fehler zu denken, Werwölfe seien Menschen!

Dafür vergebene Note: 13

Wäre dies ein Film, so würden wir nun ein atemberaubendes Zoom durch das doch recht große Weltall auf einen hellen Punkt erleben. Der Punkt entpuppte sich als ... Na ja, ihr wisst schon. Schildkröte, Elefanten, Scheibe und so weiter.
Eine leicht metallen klingende Stimme beglückte uns dazu mit einigen historischen, kosmischen und philosophischen Details. Und natürlich endete die Reise mit einem atemberaubenden Sturz in die Häuserschluchten Ankh-Morporks.

Aber dies ist kein Film.
Dies ist die Geschichte eines Mannes, dessen Schicksal es ist ausgestoßen zu sein. Sein Leben lang versucht er Recht zu schaffen und sieht doch immer nur Scheitern als Ergebnis.
Auch ist es die Geschichte eines Mannes der noch nicht lange in der Stadt lebt und dessen Wege noch nicht geprägt sind.
Und es ist natürlich auch die Geschichte von ... ach was soll's? Lest doch einfach selber.

***


Vor ihm lag Ankh-Morpork. Der Kunstturm der Unsichtbaren Universität hatte schon lange wie ein Strich am Horizont auf die Stadt hingewiesen. Nun lag sie vor ihm. Ein großer schwarzer Fleck inmitten grün-grauer Felder. Es wirkte ein wenig wie Hautkrebs auf einer Zombiehaut. Er schüttelte sich.
"Wir sind da."
Die Person [1] zu der er gesprochen hatte saß teilnahmslos auf einem Maulesel und reagierte nicht. Ihre Hände waren an den Sattelknauf gefesselt.
"Es hat lange gedauert, aber wir sind da," Der Mann, der auf einem braunen Pferd saß klang so als könne er es fast nicht glauben. Dann trieb er das Pferd an und der Maulesel, mit einer Leine an den Sattel des Pferdes gebunden, trabte hinterher.

Als sie die Stadt erreichten war es schon dunkel. Durch das Verrätertor hindurch ritten sie geradewegs in die Schatten hinein.
Vier Männer tauchten aus der Dunkelheit vor ihnen auf. Geräusche verrieten, dass noch einige mehr in den Seitengassen lauerten.
"Guten Abend, die Herren. Das ist aber nett, dass ihr uns die Pferde bringt."
Der Anführer der Bande lachte rauh und seine Kumpane fielen ein.
Der Mann auf dem Pferd schlug seinen Mantel zurück und beugte sich zum Anführer hinab. Blitzschnell packte er ihn am Hals und hob ihn scheinbar mühelos zu sich hinauf. Der Dieb krallte sich an die Hand die ihn hielt und röchelte. Dann sah er die Augen des Reiters und erschrak noch mehr. Sie glühten matt schwefelgelb.
"Verschwindet oder ihr werdet sterben." Die Stimme war vollkommen emotionslos und das machte sie um so erschreckender.
Der Dieb nickte und bemerkte, dass er sich vor lauter Angst in die Hose gemacht hatte.
Seine Bande hatte Schwerter gezückt, war aber unsicher was sie machen sollte als ihr Anführer zu Boden geworfen wurde.
"Nichts wie weg hier", brachte er heiser hervor und verschwand in der Dunkelheit. Seine Leute folgten ihm.
"Schattenratten", murmelte der Reiter verächtlich und ritt wieder an. Sein gefesselter Begleiter hatte sich nicht geregt.

***


Der Gefreite Ruppert ag LochMoloch saß am Tresen im Wachhaus in der Kröselstraße. Er hatte seine Ausbildung gerade beendet aber noch keine Antwort auf seine Bewerbung von SEALS erhalten. Bis zu seiner Versetzung sollte er weiter Dienst in GRUND schieben. Allerdings war er von den Ausbildungseinheiten befreit.
Es war spät am Abend und Ruppert war allein im Haus. Hauptmann Llanddcairfyn und Lance-Korporal Kleinaxt hatten eine Nachtübung für alle Rekruten angesetzt. Feldwebel Feinstich war vor wenigen Minuten zu einer dringenden Besprechung der Abteilungsleiter gerufen worden.
"Du haft ja genug Tauben, wenn ef fu Fwierigkeiten kommt. Aber waf foll fon paffieren?", hatte sie beim Abschied noch gesagt. Und sie hatte ja recht, was sollte schon passieren. Ruppert holte sich einen Kaffee aus der Kantine, froh, dass der Kaffeedaemon wieder an seinem Platz stand. [2]
Vor ihm lag die Ankh-Morpork-Times. Seit ein paar Wochen hatte sie eine Rätselseite. Ruppert mochte vor allen Dingen die Zahlenrätsel aus dem Achatenen Reich. Heute waren wieder besonders knifflige dabei, von denen das Gerücht ging, sie seien von Leonardo da Quirm, dem verschwundenen Genie, ausgetüftelt worden. [3] Er war so vertieft in das Rätsel, dass er gar nicht bemerkte, dass die Tür geöffnet wurde. Erst als sich jemand räusperte sah er auf.

Vor ihm standen zwei Personen. Die größere der beiden sagte: "Ist Feldwebel Feinstich da?"
Ruppert schüttelte den Kopf. "Nein, Herr, leider nicht. Aber kann ich dir vielleicht helfen."
Er bemerkte nervös, dass die andere Person gefesselt war. "Warum ist diese Person gefesselt?"
"Welcher Offizier ist anwesend?"
"Niemand. Ich bin alleine."
Sein Gegenüber wirkte erstaunt. "Das ist ungewöhnlich." Er sah nachdenklich auf seinen Gefangenen.
"Nun, Herr, das mag sein, aber ich möchte dich doch bitten ..."
"Ich bin Hauptgefreiter Ruppert von Himmelfleck und ich habe hier eine gemordet habende Person, die viele Menschen in der Stadt umgebracht hat."
"von Himmelfleck? Aber, der ist doch verschwunden und ..." Er unterbrach sich und dachte, dass er offenbar nicht endgültig verschwunden war.
"Ich musste die Person verfolgen. Es ging nicht anders. Mag sein, dass es gegen die Regeln war, aber das wird sich schon wieder einrenken. Kommandeur Ohnedurst wird dafür Verständnis haben.
Nun gut, wenn kein Offizier da ist, dann sperr sie in eine der Zellen und wir warten bis morgen früh. Dann bringe ich sie zum Pseudopolisplatz."
"Ja, ähm, da gibt es ein kleines Problem", stammelte LochMoloch.
von Himmelfleck sah ihn fragend an.
"Nun, zum einen kann ich nicht einfach jemanden einsperren ..."
"Na hör mal, immerhin habe ich sie festgenommen. Und hier ...", er zog unter seinem Hemd etwas hervor, "... hier ist meine Dienstmarke, falls du zweifeln solltest."
"... und zum anderen muss ich dich verhaften, wenn du Ruppert von Himmelfleck bist."

***


Feldwebel Feinstich saß im Büro des Kommandeurs und rutschte unruhig auf ihrem Sessel hin und her.
"Was ist los, Rogi?", wollte Breguyar wissen.
"Ich habe nur einen Mann in der Kröfelstrafe, der dort Dienft hat. Alle anderen find weg wegen der Nachtübung."
"Ach, was soll schon passieren? Er kann ja eine Taube schicken."
"Daf fage ich mir ja auch. Ich bin trotfdem unruhig."

***


Ruppert sah den jüngeren Mann ungläubig an. Dann begriff er.
"Die Verhandlung? Sie haben mich also verurteilt." Er seufzte und sah sehr unglücklich aus. "Und du willst mich jetzt festnehmen? Du allein?"
Der Gefreite sah ihn fest an. "Ich muss es und ich glaube nicht, dass du dich widersetzen wirst."
"Ach, und warum glaubst du das?" Rupperts Stimme klang ehrlich neugierig.
"Ich bin einer Wächterin begegnet, einer Hauptgefreiten. Den Namen habe ich vergessen. Aber sie hält sehr viel von dir und hat mich ziemlich zusammengestaucht als ich das gesagt habe was alle hier sagen."
"Und was sagen alle? Nein, sag nichts! Sie sagen ich bin ein Mörder und habe mich verdrückt, damit ich nicht bestraft werde. Stimmt's?"
"Nun ja, vielleicht sagen das nicht alle, aber ich habe es nur so gehört. Tut mir leid."
Der Werwolf rieb sich das schlecht rasierte Kinn, dass es nur so knisterte.
"Kathi. Es muss Kathi gewesen sein. Richtig? Hauptgefreite Kathiopeja:"
"Was ... ja, genau."
Ruppert lächelte beim Gedanken daran, dass wenigstens ein Mensch zu ihm gehalten hatte. "Du weißt, dass du mich nicht festhalten kannst wenn ich das nicht will?"
"Das ist mir schon klar aber ..."
"Gut, dann schlage ich dir etwas vor. Ein Abkommen ...", er zögerte einen Moment, "... unter Kollegen."
"Und das wäre - Herr Kollege?"
"Du sperrst jetzt diese Person ein. Dann setzten wir uns gemütlich in die Kantine und ich erzähle dir ihre Geschichte. Irgendwann wird der Feldwebel schon wieder zurück kommen."

Und so geschah es.


***


In einem Universum, dessen Größe unendlich ist und das dennoch stetig wächst, in einem Universum, dessen Größe unendlich ist und das dennoch nur Teil des noch unendlicheren Multiversums ist kann nichts unmöglich sein. Auch nicht eine Welt wie die Scheibenwelt. Auch keine Geschichte aus der Scheibenwelt. Deshalb ist das Folgende auch geschehen oder wird geschehen. Genau so. Und nicht anders. Deshalb ist es auch die volle Wahrheit ...


***


Rückblende: "Danke, dass du gekommen bist!", der alte Mann strahlte seinen Besucher an und schloss dann erschöpft die Augen. "Es ist gut zu wissen, dass man nicht alleine ist, auch wenn es einem schlecht geht." Er lächelte zufrieden und glücklich. Sein Besucher drückte ihm sanft die Hand und zog ein Stilett aus seinem Ärmel.
"Das ist doch selbstverständlich, Karl, dafür bin ich da", mit einer fließenden Bewegung stieß er das spitze Messer in das Herz des vor ihm liegenden Mannes. "Dafür bin ich doch da", murmelte er, klebte ein kleines Pflaster auf den fast nicht sichtbaren Einstich und verließ leise die Wohnung.



***


Hauptgefreiter Ruppert von Himmelfleck klopfte an die Tür des Okkultismusexpertenbüros. Als er Feldwebel Harmonies "Herein" hörte öffnete er und grinste seine Vorgesetzte breit an. Er war heute zum ersten Mal nach seiner Verwundung im Tempel des Bel Shamharoth wieder zur Arbeit erschienen und hatte sich darauf gefreut Laiza wieder zu sehen [4]. Aber sie starrte ihn an als würde sie etwas Unangenehmes sehen und sein Lächeln verblasste.
"Ähm, Guten Morgen, Laiza ...", begann er und verstummte.
"Hauptge... Ruppert, also mit dir hätte ich nicht gerechnet." Sie sah wirklich nicht so aus als würde sie sich freuen ihn zu sehen. Natürlich hatte er nicht erwartet, dass alles so war wie vorher, aber damit hätte er nicht gerechnet.
"Na gut, Laiza, wollen wir drüber reden?"
"Worüber?", fragte sie mit kalter Stimme, aus der Ruppert aber dennoch ein leises Beben heraus zu hören glaubte.
"Über den Vorwurf, der gegen mich erhoben wurde."
"Darüber brauchen wir nicht zu reden. Das ist Sache von Intörnal Affairs."
"Aber, Laiza, darum geht es ..."
"Hauptgefreiter, wir sind hier um zu Arbeiten. Nicht um zu schwätzen."
Er starrte sie an bis sie den Blick abwandte und wieder zu Schreiben begann. Nach fünf Minuten gab er auf und verließ leise das Büro.
Als sie die Tür ins Schloss fallen hörte sah Harmonie auf und flüsterte: "O Mann, Ruppert, was hast du nur angestellt?"

***


Am Vormittag dieses Tages saß Ruppert in der Bibliothek des Tempels des Gottes Paluksé und studierte alte Handschriften. Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht die Tempel der Stadt zu besuchen um sich mit den verschiedenen Kulten vertraut zu machen. Heute kam ihm das zugute, denn er hatte keine große Lust sich im Wachhaus aufzuhalten.
Der Bibliothekar des Tempels, Bruder Blinzel, hatte sich sehr hilfsbereit gezeigt und ihm eifrig alles vorgelegt was der Hauptgefreite verlangt hatte. Nun kam er mit einem Tablett in den Händen herein und stellte es auf dem Nachbartisch ab. "Herr Wächter", Bruder Blinzels Dialekt verriet es kaum, aber sein Aussehen machte deutlich, dass er aus dem Achatenen Reich stammte, "Der Weise hat gesagt 'Du sollst lesen und dabei deinen Tee nicht vergessen, damit die Gehirnströme nicht vertrocknen'." Sein melodiöser Singsang gefiel Ruppert immer mehr je länger er ihm zuhörte. Er tönte ständig durch die Bibliothek, da der Mönch zu Selbstgesprächen neigte aber es war kein störendes Geräusch, eher wie ein sprudelnder Bach in einer Sommerwiese. Er legte die alte Schriftrolle nieder, die er gerade versucht hatte zu entziffern, und setzte sich zu Blinzel an den anderen Tisch.
"Es ist sehr interessant hier in der Bibliothek. All die vielen Werke über Medizin und Heilung. Aber am faszinierendsten finde ich die Schriften über den Gott, dem ihr dient."
"O ja, der große und heilige Paluksé ist ein wahrhaft freundlicher Gott. Er verlangt von seinen Dienern nur, dass sie ihm voller Freude dienen, indem sie die Kranken und Beladenen besuchen und heilen. Ehre sei ihm, dem großen und heiligen Paluksé." Der kleine Mann mit der gelben Haut sagte dies voller freudiger Ehrerbietung und unterschied sich damit von vielen großspurigen oder auch kriecherischen Satrapen, Priestern und Mönchen oder wie sich die Kuttenträger auch immer nannten. Ruppert genoss das Studium in der altehrwürdigen Bibliothek des Paluksé-Tempels, dessen größter Teil dem großen Hospital vorbehalten blieb, in dem die Mönchen sich um die vielen Kranken kümmerten, die Tag für Tag an die Tür klopften bzw. für die an die Tür geklopft wurde. [5]

***


Der Tempel des Gottes Oibong
Oibong ist ein sehr mysteriöser Gott, der Gott, der vermutlich die wenigsten Anhänger auf der ganzen Scheibenwelt hat. Der Tempel steht am Ende der langen Straße und hat ein Tor das die meisten Menschen nur seitwärts gehend durchschreiten können. Zudem ist es nur etwa eineinhalb Meter hoch. Ist das Tor allerdings durchschritten erwartet den Besucher ein lichter Innenhof mit prächtigen Wandmosaiken mit den Darstellungen der Taten des Gottes Oibong, der sich offenbar darauf beschränkt, seinen Gläubigen ein dickes Brett vor den Kopf zu hauen. Dies mag der Grund für seine geringe Anhängerschar sein. Der Tempel wird von einem Kuratorium bekennender Nicht-Oibongisten gepflegt, das unter der Leitung von Frau Evadne Kuchen steht.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: Ein lautes Niesen erschütterte den mageren Körper der alten Frau. Sie schniefte und schnaubte in ihr schon ziemlich steifes Taschentuch. "Ach ja, früher, als der verrückte Lord Schnappüber noch lebte, da war ich noch richtig gesund, aber man wird halt älter und dann macht der Körper nicht mehr so richtig mit." Sie begann zu weinen und schluchzte.
"Aber, Organie, wir werden alle älter. Das gehört zum Leben. Und ist es nicht besser krank zu leben als tot zu sein?"
"Du hast ja recht, wie schön, dass du immer wieder nach mir siehst. Das ist mir ein großer Trost."
Der Mann drehte sich um und griff nach einem Glas Wasser. "Hier, trink einen Schluck Wasser."
Nach wenigen Minuten stand er auf und sah auf die tote Frau hinab. Dann öffnete er die Tür und verschwand in der Dunkelheit.


***


Als Ruppert die Bibliothek verließ tat er das bedauernd, in dem sicheren Wissen so schnell nicht wieder hierher zu kommen. Ein nicht sehr großer Mann kam ihm entgegen - es war der Abt des Klosters, seine Ehrwürden Kor Adlon.
"Nun, Herr von Himmelfleck, konnte unser Bruder Blinzel dir helfen?"
"Aber ja, Ehrwürden, er war mehr als freundlich. Ich habe sehr viel über euren Gott gelernt und auch über die Geschichte eures Ordens."
"Eine sehr friedliche Geschichte, möchte ich sagen", erwiderte lächelnd der Abt.
"O ja, im Vergleich zu den meisten anderen Religionen ist die von Paluksé sehr friedlich. Nur die Revisionistenkämpfe vor 50 Jahren machen da eine kleine Ausnahme."
Adlon machte ein grimmiges Gesicht. "Ja, damals wurden die wahren Gläubigen von Fanatikern verfolgt und ermordet. Ich wollte, dass wir die Geschichte endlich vergessen könnten. Immer wenn uns jemand nicht mag kommt er mit dieser alten Geschichte an. Dabei war alles ... Ach was soll's. Hast du eigentlich schon unser Krankenhaus besichtigt? Wir sind stolz auf viele sehr modernen Einrichtungen - allen Anfeindungen zum Trotz."
Ruppert nahm dieses Angebot dankend an und wurde durch eine Seitenpforte in den Teil des Tempels geführt, der der Behandlung der Kranken vorbehalten war.
"Du weißt, dass wir unsere Patienten kostenlos behandeln. Nur wer es sich leisten kann wird um eine Spende gebeten. Mitunter", der Abt schmunzelte, "auch etwas nachdrücklich. Wir haben da eine Vereinbarung mit der Bettlergilde, die so ihre, na ja - Schuld bei uns abarbeitet."
Ruppert musste lachen. Er hatte davon gehört, dass vor den Häusern in den besseren Vierteln der Stadt ab und zu Bettlerscharen auftauchten und sich lautstark über den Geiz im Allgemeinen und bei gewissen Bewohnern im Besonderen ausließen.
"Und das hilft? Ich habe eigentlich gelernt, dass in dieser Stadt nichts wichtiger ist als Auf-dem-Geld-hocken."
"Es hilft, Herr von Himmelfleck, es hilft. Aber hier: Unsere neue Abteilung für sedimentäre Medizin." Er öffnete eine sehr hohe Tür aus der ein kühler Luftstrom wehte. Im Halbdunkel dahinter konnte man große, verwitterte Gestalten erkennen, die teilweise standen, teilweise lagen. Um sie herum wuselten Mönche mit grünen Schürzen über der weißen Kutte.
"Hier haben wir Bruder Basalt-mit-rosa-Sprenkeln. Er hatte einen Unfall und Teile seines Oberarms sind abgesplittert. Bruder Brian transplantiert gerade frisch behauenen Basalt in die Bruchstelle hinein. Das Ganze wird mit trollaktivem Lehm eingepasst und in ein paar Wochen sieht man nichts mehr - wenn auch die schönen rosa Sprenkel an dieser Stelle leider nicht zu sehen sein werden, denn wir haben keinen passenden Basalt gefunden."
"Das nicht schlimm sein, Trollinnen werden mögen Narbe." brummelte der Troll freundlich.
"Ihr behandelt alle Spezies, die in der Stadt leben?", fragte Ruppert interessiert.
"Wir sind bemüht, aber wir haben doch auch sehr starke Lücken, zum Beispiel in der Behandlung gewisser magischer Wesen wie zum Beispiel Werwölfen."
Ruppert sah ihn scharf an und der Abt lachte. "Ich habe das sofort erkannt, der Geist meines Gottes macht scharfe Augen. Wenn du also einmal Probleme haben solltest, die kein anderer Arzt heilen kann, dann komm nur vertrauensvoll zu uns."
Ruppert verzog schmerzhaft sein Gesicht. "Ich habe tatsächlich eine Narbe, die schlecht verheilt, aber da ist ärztliche Kunst vergebens. Und ich bin schon in bestmöglicher Behandlung. Es ist eine durch Silber verursachte Verletzung. Das dauert."
Ruppert dachte an den Mordanschlag auf ihn zurück, der ihm in letzter Konsequenz ein Verfahren von Intörnal Affärs eingebrachte hatte und ihm nun der Ausschluss aus der Wache drohte.

***


Der Tempel der Göttin (oder des Gottes?) Tatootsie
In den Hoffnungsquellen, ganz in der Nähe des Haufens steht der Tempel dieser weitgehend unbekannten Göttin (oder des Gottes?). Tatootsies Anhänger sind Männer oder Frauen, die darum beten Frauen oder Männer zu werden. Wenngleich nicht bekannt ist, dass sie (oder er?) auch nur ein einziges Mal einen derartig radikalen Eingriff vorgenommen hätte (außer beim einäugigen Piraten Schwarzbart [6], da handelte es sich jedoch um ein tragisches Versehen und seitdem ist Tatootsie derart verunsichert, dass sie (oder er?) sich nicht traut tatsächlich eine Verwandlung zu bewirken).
Der Tempel besticht durch seine durchgängig im imperialen Stil Ankh-Morporks gestaltete Fassade mit vielen zierlichen Türmchen und marmorverkleideten Wänden. Durch die recht geringe Anhängerschar der Göttin bedingt ist der Tempel zur Zeit ein wenig heruntergekommen. Eine Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger, die es sich zum Ziel gemacht haben die wenigen erhaltenen imperialen Bauwerke der Stadt zu erhalten, versucht das Geld für den Erhalt zusammenzubringen. Weitere Informationen erteilt Frau Evadne Kuchen (Adresse im Anhang).
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: "Mami hat gesagt, dass ich nie wieder richtig laufen kann." Das kleine Mädchen, das zusammengesunken in einem fahrbaren Stuhl saß, verkündete diese niederschmetternde Tatsache mit vollkommen ausdrucksloser Stimme. Der Mann sah sie mit Tränen in den Augen an und umarmte sie zärtlich. Das Mädchen legte seine Arme um seinen Hals und drückte ihn voller Vertrauen ganz fest an sich. Mit geübten Griff fand er eine ganz bestimmte Stelle und drückte einmal kräftig zu. Dann ließ er den leblosen Körper in den Stuhl sinken und ging leise weinend aus dem Zimmer.


***


Die verdeckte Ermittlerin Lilli Baum stand in der Kantine des Wachhauses am Pseudopolisplatz und rührte sich nicht. Wer sie aufmerksam beobachtet hätte, würde gesehen haben, dass sie leise schwankte. Ihre Augen waren geschlossen und sie schlief ganz offensichtlich. Die Tür öffnete sich und der RUM-Abteilungsleiter betrat die Kantine.
"Hier bist du also, Obergefreite Baum! Ich suche dich schon überall." von Grauhaars Stimme klang gleichzeitig verärgert und resigniert. "Ich habe einen Fall für dich."
Lilli schwankte weiter, doch aus der leichten Brise schien ein frischer Wind geworden zu sein, denn das Schwanken war nun deutlich sichtbar.
"Obergefreite ich rede mit dir!", bellte der Feldwebel nun sichtlich verärgert.
Lilli schwankte weiter. Die steife Brise hatte sich zu einem leichten Sturm entwickelt und einige der anwesenden Wächter schauten gespannt ob es Lilli Baum wohl umwerfen würde.
Romulus von Grauhaar stellte sich nun ganz dicht vor die schlafende Obergefreite und holte tief Luft.
"Aaaachtung! Stillgestanden!", brüllte er so laut er nur konnte gegen die schwankende Gestalt.
Abrupt hörte Lilli auf zu schwanken, stand erst schräg und nach einer kleinen Weile senkrecht vor ihrem Abteilungsleiter und öffnete dann langsam die Augen. Als sie erkannte wer vor ihr stand überlegte sie kurz und salutierte dann.
Leises Gelächter erklang aus den Reihen der anwesenden Wächter und der Feldwebel sah sich ärgerlich um. Natürlich sahen alle unschuldig in ihre Kaffeetassen.
"Obergefreite, in fünf Minuten erwarte ich dich in meinem Büro. Verstanden?"
Lilli nickte und salutierte erneut.
"Was mag er nur von mir wollen.", dachte sie, "Und warum war er nur so wütend? Naja, typisch Mensch." Als Baum stand man da einfach drüber. Was hatte er gesagt. Sie sollte zu ihm kommen? Lilli machte sich auf den Weg und stand eine viertel Stunde später vor der Tür Grauhaars.

***


Ruppert stand vor dem Stadtplan Ankh-Morporks und tauschte ein weißes gegen ein grünes Fähnchen aus. Er hatte das Büro leer vorgefunden als er zurück gekommen war.
Jetzt öffnete sich die Tür und Harmonie kam herein. Sie sah ihn und trat neben ihn.
"Hast einen neuen Tempel studiert.", stellte sie in betont neutralem Tonfall fest, "einen freundlichen wie es aussieht."
Sie rückte näher an die Karte und sah hin. "Ah! Paluksé, ja, das ist wirklich ein Netter. Wen willst du als nächstes beehren?"
Ruppert sah sie nachdenklich an und diesmal wich sie seinem Blick nicht aus.
"Ich dachte an Les-Gut."
Laiza lächelte, "Die Les-Gutianer sind merkwürdige Leute. Sie halten ihren Gott für den Mächtigsten des Multiversums."
Ruppert grinste sie verhalten an und meinte etwas abschätzig: "Glauben das nicht alle Götteranhänger? Na egal, ich bin gespannt was es mit diesem Gott auf sich hat."
Er kannte sie gut genug um das Geschehene noch einmal direkt anzusprechen.
"Bald hast du die Hälfte geschafft", Laiza sah, dass der Anteil der weißen Fähnchen ziemlich zusammengeschrumpft war. Die roten Fähnchen, die die Ruppert unsympathischen Tempel und Orden anzeigten überwogen bei weitem. Einige wenige grüne Fähnchen zeigten ziemlich deutlich was Ruppert von den Göttern hielt. "Nein, nein, das zeigt viel mehr was ich von den Anhängern dieser Götter halte." [7]
Auf dem Gang waren schnelle Schritte zu hören und ein Rekrut riss die Tür auf. "Die Okkulti..."
Laizas kalte Stimme unterbrach den Rekruten, einen großen und untersetzen Mann mit hellem braunem Haar. "Rekrut, was fällt dir ein einfach derartig in mein Büro zu stürmen. Hast du schon mal etwas von Anklopfen gehört? Raus mit dir!"
Der Mann sah sie erschrocken an und verließ so schnell das Büro wie er hereingekommen war. Laiza blinzelte Ruppert zu, als ein leises Klopfen an der Tür erklang.
"Herein!", rief sie und die Tür öffnete sich. Der Rekrut trat verlegen ein und begann: "Die Okkulti...". Offenbar hatte er seinen schlechten Tag erwischt, denn Laiza unterbrach ihn schon wieder. Ruppert stand da und bedauerte den armen Kerl - zumindest ein bisschen.
"Rekrut, hast du nicht gelernt wie man einen Vorgesetzten ordentlich grüßt und wie du Meldung zu erstatten hast?"
"Aber, Mä'am, ähm, Feldwebel, ja ... doch - Entschuldigung." Er drehte um und wollte wieder nach draußen gehen aber Laiza hielt ihn zurück. "Lass den Unfug, und sag jetzt ordentlich was du zu sagen hast."
Der Rekrut, dessen Gesicht puterrot angelaufen war, salutierte zackig. "Rekrut Darius Sonnenblick, Mä'am, Sir ... ähm. Feldwebel von Grauhaar bittet die Okkultismusexperten sich umgehend bei ihm einzufinden."
Laiza lächelte ihn an. "... einzufinden? Na gut. Ruppert, dann wollen wir mal sehen was er von uns will. Oder hast du was Besseres vor?" Der Werwolf schüttelte den Kopf und folgte Laiza und dem Rekruten aus dem Büro. Draußen verabschiedete sich Sonnenblick höflich und lief schnell die Treppe hinunter. Die beiden SUSIs folgten ihm langsamer und gingen gemächlich in den ersten Stock hinunter. Von unten hörten sie - sehr - langsame Schritte die Treppe hinaufstapfen.
Laiza klopfte an die Tür des RUM-Abteilungsleiters und nach Grauhaars Brummen traten sie und Ruppert in das Büro.
"Ach, da bist du ja, Laiza, setzt euch.", der Feldwebel wies auf einen Stuhl. Er nickte Ruppert grüßend zu.
"Ich habe einen Fall, der uns schon seit Wochen beschäftigt. Und ich will ehrlich sein, Laiza, wir kommen nicht voran. In der Stadt geschehen Morde, die nicht wie Morde aussehen. Die Opfer verbindet nur eins: Sie sind alt, gebrechlich, krank oder mehreres davon und in aller Regel hat niemand etwas davon, dass sie tot sind. Unsere Ermittler treten auf der Stelle, aber sie haben etwas entdeckt, was alle gemeinsam haben ..." Ein langsames, lautes und monotones Klopfen unterbrach ihn. Tock ... Tock ...Tock ... Tock ... "Herein!" ... Tock ... Tock ... Tock ... "Jetzt komm schon rein!", rief Grauhaar. Tock ... Tock ...Tock ... Tock ...
"Soll ich ...?", Ruppert zeigte zur Tür und setzte sich auch gleich in Bewegung.
"Ja, mach nur.", brummelte es hinter ihm.
Ruppert öffnete die Tür und staunte nicht schlecht, als eine stämmige Wächterin weiterhin die Hand rhythmisch in der Luft bewegte. Dann schien sie etwas zu bemerken und öffnete die Augen. Sie sah den hochgewachsenen Mann mit den Rangabzeichen eines Hauptgefreiten und salutierte erst einmal.
Ruppert sah sie fragend an, aber sie schob ihn wortlos zur Seite und stellte sich vor den Schreibtisch wo sie wieder salutierte.
Grauhaar seufzte. "Das ist Lilli Baum, sie ist verdeckte Ermittlerin und soll mit euch zusammen arbeiten. Lilli, das sind Feldwebel Harmonie und ihr Kollege von Himmelfleck."
Lilli salutierte vor den beiden und kramte eine Kiste aus einem Beutel.
"Hey, das wird aber auch Zeit. Ich bin doch kein Papagei, dem du einfach das Licht ausmachst.", schimpfte eine Stimme aus der Kiste. Lilli schüttelte sie leicht und die Stimme verstummte. Dann tippte sie auf der Oberfläche der Kiste herum und wieder erklang es aus der Kiste: "Immer diese Konventionen, ich weiss schon ... Sie ist sehr erfreut euch kennen zu lernen und wünscht euch viele frische grüne Triebe und so weiter."
Lilli nickte bestätigend.
"Ist sie stumm?", fragte Laiza den Feldwebel - so wie es immer geschieht, wenn über Menschen mit Behinderung gesprochen wird, gerade so als wären sie nicht anwesend.
"Nein, sie ist nicht stumm!", kam die Stimme aus der Box. "Sie trägt ihre Stimme eben außerhalb des Körpers. Was dagegen, Große?"
Grauhaar überlegte kurz ob er sich bei der Klatschianischen Fremdenlegion bewerben sollte, beschloss aber vernünftigerweise darauf zu verzichten.
"Fakt ist: Das, was allen, wirklich allen Opfern gemein ist: Sie trugen alle einen Anhänger, der als Symbol des Gottes Pakloppse oder so ähnlich identifiziert wurde. Das ist auch der Grund, warum wir euch Okkultismusexperten dazu holen." Mit diesen Worten händigte er Laiza einen dicken Aktenstapel aus und wandte sich an die verdeckte Ermittlerin. "Solange du an diesem Fall arbeitest wirst du deine Anweisungen von Feldwebel Harmonie und dem Hauptgefreiten erhalten und sie ausführen. Hast du das verstanden?"
Lilli salutierte.
"Gut, dann kannst du schon mal gehen, am besten rauf ins Okkultismusbüro. Abtreten!"
Lilli blieb stehen.
"Abtreten, habe ich gesagt, worauf wartest du?"
Lilli klopfte wieder auf ihrer Kiste herum und die kichernde Stimme sagte nach einem Weilchen: "Ich warte auf Anweisungen von Feldwebel Harmonie."

***


Der Tempel des Gottes Les-Gut
In der Teekuchenstraße Nr. 165 findet man diesen Tempel. Von Außen wirkt er wie alle anderen Mietshäuser in dieser Gegend. Wer aber den Tempel betritt (Öffnungszeiten für Nichtgläubige: Oktotags von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, bitte Schuhe ausziehen und an der Garderobe abgeben) wird glauben in einer großen Bibliothek gelandet zu sein. In allen Räumen des großen Baus stehen Regale, Truhen, Tische, Stellagen voller Bücher. Bücher liegen auf den Stühlen, stapeln sich auf dem Boden und sogar in den Fensteröffnungen, so dass nur dämmriges Licht hereindringt. Eines haben alle Bücher gemeinsam: Schlägt man sie auf, findet man nur unbeschriebene Seiten. Dennoch wird behauptet, dass kein Buch dem anderen gleicht. Jeder Einband ist verschieden gestaltet. Leder, Pergament, Elfenbein, Holz, Pappe, Papier ... alles ist zu finden. Selbstverständlich haben die Bücher (bis auf eine noch zu erwähnende Ausnahme) auch keine Titel. Die Anhänger des Gottes Les-Gut erwarten, dass ihr Gott eines Tages, wenn er denn endlich erscheint[7a], all sein Wissen auf die vorbereiteten Seiten projizieren wird. Ein reformierter Zweig der Gläubigen hat einen kleinen Raum in der Nähe des Abortes. Die Bücher dort unterscheiden sich durch ihre zielorientierten Einbände. Denn die reformierten Les-Gutianer haben bereits die wichtigsten Titel auf die Bücher geschrieben um ihrem Gott zu helfen die richtigen Prioritäten zu setzen.[9]
Bemerkenswert ist der große Raum inmitten des Tempels. Hier werden Tag und Nacht bedruckte Seiten aus bedauernswerten Büchern herausgerissen und dem Feuer übergeben. Ein schauerlicher Anblick, oder wie es die Putzfrau des Tempels, Frau Evadne Kuchen, ausdrückt "Die feine Asche liegt einfach ü-ber-all."
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: "... und wie soll ich nun Weiterleben? Meine Hand ist weg und damit auch mein Job. Glaubst du allen Ernstes, dass irgendeiner hier in der Stadt einen Krüppel wie mich einstellen wird?" Der Mann, der blass auf dem Sofa lag war wütend. Wütend über die Welt, die ihm die Hand genommen hatte, wütend auf Ankh-Morpork, weil er wusste, dass ihm ein sehr schweres Leben bevorstand und wütend auch über sich selbst, weil er insgeheim wusste, dass er anderen in derselben Situation auch nicht geholfen und bestenfalls über sie gespottet hätte - ja es auch getan hatte. Er würde bald wieder gesund sein, aber noch war er schwach und musste sich oft hinlegen. Sein Besucher redete mitfühlend auf ihn ein und die wütende und verängstigte Mine des Mannes wurde weich als er endlich einschlief.
"Hab keine Angst mein Freund, du wirst keine Probleme mehr haben.", flüsterte der Mann leise und nachdenklich. Dann nahm er ein Kissen und drückte es fest auf das Gesicht des Schlafenden.


***


Drei Tage später

"... und kommigen so zu dem Ärghebnis, dasse ein Serienmörder in der Stadt umherig irret, der Leute umbringen thut, die wo Anhänger von dem Gott Paluksé sind oder waren."
Laiza legte die letzte Akte beiseite und schüttelte sich. Noch schlimmer als diese Morde waren Rechtschreibung und Sprachvermögen mancher Wächter. Auch Ruppert hatte die Akten gelesen und saß nun hinter seinem Schreibtisch und sah Lilli Baum an. Die stand ganz still neben Laizas Tisch und beobachtete intensiv die Fleischfressende Pflanze, die Laiza aus für Ruppert unerfindlichen Gründen hegte und pflegte. Ob sie irgendetwas von dem was gesagt worden war mitbekommen hatte, konnte er nicht beurteilen.
"Gibt es so etwas wie eine Rivalität zwischen den Paluksé-Anhängern und einem anderen Orden oder Kult?", fragte er Laiza. Sie zuckte nur mit den Schultern und sagte: "Du hast dich doch dort umgesehen und bist der Experte für diesen Gott."
"Ja, mag sein, aber darüber habe ich nichts gelesen und gehört. Wer würde auch so dumm sein es sich mit den besten Heilern der Stadt zu verderben? Sie stehen unter dem Schutz fast aller Gilden, sogar die Assassinen, so habe ich zumindest gehört, nehmen keine Aufträge an, wenn das Opfer ein Mönch oder eine Schwester des Ordens ist."
"Was ist mit all den Blut- und Fleischgöttern, die ständig Menschenopfer verlangen?"
"Nein, auch ein Priester, der den ganzen Tag im Blut seiner Opfer watet, ist froh wenn er einen Heiler für seine Zahnschmerzen findet."
"Gutes Argument. Also kein Ansatzpunkt?"
"Kein Ansatzpunkt."
"Hmmm ....!"
"Hmmm ...?"
In die ratlose Stille klopfte es kurz an die Tür und Lance-Korporal Narrator betrat schwungvoll das Büro. Er knallte Ruppert und Laiza ein paar frische Akten auf den Tisch und ließ sich in den Stuhl vor Laizas Schreibtisch fallen. "So, hier habe ich die vollständigen Berichte über die untersuchten Todesfälle. Also, wenn ihr meine Meinung hören wollt ... ich glaube, das ist nur die Spitze des Eisbergs. Ich meine, es ist immer ein Fremdverschulden vorhanden, aber so geschickt gemacht, dass es nur auffällt wenn man genau hinsieht. Und es waren immer sehr kranke Leute die gestorben sind. Das nimmt man eben so hin. Ich meine, dass sie plötzlich tot sind."
Ruppert blätterte die Papiere schnell durch. "Stich ins Herz, Gift, Ersticken ... was ist das hier, Vulkanischer Todesgriff?"
Jack stand auf und packte Rupperts Nacken. "Hier sind ein paar Stellen in deinem Genick, wenn ich da mit der richtigen Stärke zudrücke fällst du um und bist tot." Er griff fest zu und Ruppert zuckte zusammen. "Natürlich müsste ich wirklich genau spüren wo die Stellen sind. Ich könnte sie finden, wenn ich die Haut abziehen würde; wer das einfach so kann, der ist unglaublich ... gut."
"Ein Arzt?", fragte Laiza ungläubig.
"Es könnte ein Arzt sein, ja."

***


Lilli Baum hatte versucht sich mit der Pflanze auf dem Schreibtisch des fremden Korporals anzufreunden, aber sie wurde ignoriert. "Na gut", dachte sie, "es ist ja nur eine dumme kleine stinkende Pflanze aus dem Wie-Wunderland. Als Baum brauche ich mich nicht mit ihr abzugeben." Sie wandte sich den Menschen im Raum zu und versuchte zu verstehen was sie gesagt hatten. Irgendetwas von ermordeten kranken Leuten. "Warum die Aufregung? Keiner von denen hier regt sich auf wenn Bäume einfach so umgehauen werden. Es sind doch kranke Menschen gewesen, der nächste Sturm hätte sie doch bestimmt ohnehin umgeblasen. Es ist einfach ungerecht. Alle dürfen Bäume ermorden, aber wehe einer bringt ein paar Menschen um. Es sind doch sowieso so viele.

"Obergefreite Baum!", Laizas Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie salutierte und holte vorsorglich den Kasten mit Horatius hervor.
"Feldwebel von Grauhaar hat dich uns als verdeckte Ermittlerin zugeteilt. Das entspricht zwar nicht unserer Arbeitsweise, aber vielleicht kannst du uns von Nutzen sein. Scheinbar hat der Fall irgendetwas mit dem Paluksé-Tempel zu tun. Als verdeckte Ermittlerin wirst du als dort versuchen herauszufinden ob die Mönche etwas mit den Todesfällen zu tun haben. Verstanden?"
Lilli hatte nichts verstanden aber sie salutierte - das konnte nie schaden.
Der dicke Mann kam zu ihr. "Ich könnte mir vorstellen dich als Patientin einzuschleusen. Und wenn ich dich als Freundin ausgebe, dann könnte ich dich besuchen und du könntest mir berichten was du herausgefunden hast, OK?"
Lilli sah ihn an und salutierte.
"Na gut, ich interpretiere das mal als 'Verstanden'."
Ruppert wandte sich an den Korporal. "Laiza, ich bringe Lilli gleich in den Tempel. Du weißt ja, dass wir seit zwei Tagen Vollmond haben und ich die Nächte ich erst mal ausfalle."
Laiza nickte zustimmend und mitfühlend. Für sie war die periodische Verwandlung Rupperts so etwas wie eine ständig wiederkehrende Migräne. Vollkommen nervig aber unvermeidbar.
"Ja, mach das, du kannst ja dann ein wenig in der Stadt herumstromern. Vielleicht bekommst du als Wolf etwas mit."
Ruppert war nicht begeistert, stimmte aber zu.
Lilli hatte dem Gespräch verwirrt gelauscht. Verwandeln? Wolf? Dieser Himmelschreck war auch ein Werwolf?
Sie sah Ruppert misstrauisch an und dachte "Ein Werwolf? Werwölfe sind Hunde und Hunde pinkeln an Bäume. Ich bin ein Baum ..."
Sie klopfte auf Horatius Zuhause herum. Aus der Kiste kam lautes Prusten und dann Horatius bebende Stimme: "Sie fragt ob er stubenrein ist."

***


Der Tempel des dreibeinigen Schemels
Der Hide Park ist eine der grünen Lungen von Ankh-Morpork. Der große See scheint nicht vom Ankh gespeist zu sein, denn das Wasser darin ist klar und sauber. Am randwärtigen Ufer des Sees steht eine kleine und schmucklose Pagode, in deren Inneren ein dreibeiniger Schemel aus Marmor steht. In früheren Zeiten, so vermutet die frühgeschichtliche Gesellschaft von Ankh-Morpork[10], stand ein großer Tempel eines damals mächtigen aber heute längst vergessenen Gottes an dieser Stelle. Die kleine Pagode sei demzufolge nur der letzte Rest des ehemals großen Komplexes. Im Laufe der Zeit haben es sich Anhänger diverser Götter zur Angewohnheit gemacht hier ihren Gottesdienst abzuhalten. Zumindest so lange, bis sie einen Raum im Tempel der Geringeren Götter (siehe dort) zugeteilt bekommen. Ein Monatsplaner, der in einem Kasten neben dem Tempel ausgehängt ist weist auf die verschiedenen Kulte hin. Meist sind wesentlich mehr Zuschauer als Anhänger dort zu finden.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: Lautes Kinderlachen kam aus dem Haus. Der Mann stockte und ließ die Hand wieder sinken, die er erhoben hatte um an die Tür zu klopfen. Es war Besuch da? Nun, dann würde er später wieder kommen. Wenn sie alleine war.


***


"Ich denke, wir werden Lilli tatsächlich als Patientin im Tempel unterbringen.", meinte Laiza nachdenklich.
Ruppert nickte zustimmend. "Aber was für eine Krankheit soll sie haben? Ich meine wenn sie merken, dass sie gesund ist, werfen die sie doch glatt wieder raus."
Lilli stand daneben und ärgerte sich, dass ihre beiden zeitweiligen Vorgesetzten über sie redeten wie über einen Gegenstand. Wie über einen ... Baum? Nein, Bäume waren keine Gegenstände sondern ... Bäume. Sie holte Horatius heraus und tippte wütend auf der Scheibe herum. "Ich binne nich krank!", krähte der Daemon aus der Büchse.
Ruppert sah sie erstaunt an und grinste dann. "Das ist's! Wir geben dich als Näherin aus, die ihre Stimme verloren hat." Laiza sah erst Lilli und dann Ruppert an und rieb sich die Nase. "Na ja, warum eigentlich nicht. Wenigstens wird sie nicht aus der Rolle fallen und plötzlich geheilt werden. Und wenn doch ...", jetzt grinste sie auch, "bekommen wir von Romulus einen Orden."
"Gut, dann versuchen wir es. Lilli, komm bitte mit zur Boucherie. Die werden dir dort ein paar Klamotten ausleihen können, denke ich mir. Aber deinen Horatius ..." "Ich heiße Günther!" "... musst du hier lassen. In dem Hospital sind Kommunikationsdaemonen verboten weil sie die Daemonen, mit denen die Ärzte arbeiten, stören könnten."
Lilli verzichtete darauf zu erklären, dass sie Horatius ohnehin nicht mit zu einem Einsatz nehmen würde und folgte dem hochgewachsenen Okkultismusexperten.

In der Boucherie angekommen standen Ruppert und Lilli vor einem Problem. Die meisten Näherinnen waren, bei allen Größenunterschieden, sehr schlank, eher birkenhaft. Lilli hingegen erinnerte eher an eine, nein keine Eiche, vielleicht ... eine oft geschnittene Korbweide. An ein Ausleihen war gar nicht zu denken. An Lilli hätten die Kleider wie eine Wurstpelle ausgesehen (oder, besser gesagt wie Platanenrinde). Ruppert wurde ungeduldig. Es war schon später Nachmittag und in wenigen Stunden würde der Mond aufgehen.
"Ach, was soll's? Komm mit." Er packte Lilli an der Schulter verließ das Bordell und Wachhaus.

Vor einem Kostümverleih blieb Ruppert stehen. "Hier werden wir was Passendes finden."
Lilli sah ihn an und schüttelte den Kopf. Dann drehte sie sich um und ging zurück zum Wachhaus. Ruppert folgte ihr verwirrt. Am Wachetresen bedeutete sie ihm zu warten und verschwand im Keller. Nach einer guten halben Stunde kam sie wieder nach oben und Ruppert sah eine perfekte Näherin vor sich stehen. [11]

***


Ruppert und Lilli betraten den Bereich des Tempels, wo freundliche Anhänger Paluksés die Kranken empfingen und sie zu den Ärzten führten. "Gelobt sei der große und freundliche Paluksé.", sagte eine hübsche Frau deren widerspenstiges rotes Haar unter einer knallgelben Haube hervor drängte.
"Ähm, ja, das sei er wohl.", erwiderte Ruppert irritiert und erinnerte sich dann wieder an die korrekte Antwort. "Danket Paluksé; denn er ist freundlich, seine Gnade währet ewiglich und er wandelt die Krankheit in das wahre Leben."
"Was kann der Tempel für euch tun?"
"Meine, ähm, Freundin ist plötzlich stumm. Sie redet nicht mehr. Nicht mit mir und auch sonst mit niemandem. Ich weiss einfach nicht was geschehen ist und sie selber weiss es auch nicht. Zumindest schüttelt sie immer den Kopf wenn ich sie frage."
Mitleidig musterte die Helferin Lilli, die unbeweglich neben Ruppert stand. "Ein Schock vielleicht? Oder etwas Falsches gegessen?"
Ruppert zuckte nur mit den Schultern.
"Bitte schreib alles hier auf diesen Erfassungsbogen, damit die Ärzte möglichst viele Informationen bekommen." Sie musterte Lilli, die in ihrem Näherinnenkleid seltsam deplaziert wirkte.
"Name: Laetricia Tannengrün, Wohnhaft: Springstraße 21, Beruf: Näherin ..., Krankheit: Plötzliche Stummheit."
Die junge Frau sah ihm beim Schreiben über die Schulter und wurde knallrot. "Sie ist Näherin?"
"Ja. Warum?"
"Und du bist ihr ... Freund?"
"Ja, was man eben so Freund nennt." Ruppert war etwas irritiert.
"Aber sie arbeitet ... sie muss ... sie ...", sie stockte.
"Näherin ist ein ehrenwerter Beruf. Kein Grund schockiert zu sein."
Sie schob ihr Kinn hervor, stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihn an. "Ach nein, ist es nicht? Hast du schon mit Näherinnen gesprochen, die krank und elend hier ankommen weil sie nicht mehr können? Weißt du wie die Näherinnen leben, die nicht die vornehmen und reichen Kunden haben, die jede Nacht vier oder fünf oder noch mehr Männer bedienen müssen um zu überleben? Nenne mir zehn Näherinnen in der Stadt die ihren Job freiwillig machen! Selbst bei euch in der Wache sind mehr Leute freiwillig dabei als in der Näherinnengilde. Ehrenwerter Beruf, ha! Schau dir an wie die anderen Frauen sie verächtlich anstarren, wie sie Männer sie angaffen und sabbern bei der Vorstellung was sie für ein paar Cent oder Dollar haben können. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass nur weil sie eine Gilde haben alles in Ordnung ist? O ja, Springstraße 21, Boucherie Rouge, edel, edel - und was kommt danach? Wenn sie nicht mehr jung und knackig sind und für die besseren Herren interessant? Ha?" Sie schnappte sich den Zettel, drehte Ruppert den Rücken zu und nahm Lillis Hand. "Komm mit, meine Liebe, ich bringe dich gleich zu Doktor Treponema.
Ruppert war beeindruckt und wollte keinen falschen Eindruck hinterlassen. Er lief den beiden Frauen hinterher. "Moment mal, bitte, sag mir deinen Namen."
"Loretta Franziska von Stubbnitz!", kam stolz und kalt die Antwort.
"Ich bin Ruppert von Himmelfleck. Ich bin wirklich ein ... Freund", fast hätte er Kollege gesagt, "von ... Laetricia. Kein Kunde. Ehrlich nicht. Ich wollte dir nur sagen ... was du gesagt hast ... du hast vollkommen recht. Das, ja das wollte ich nur sagen."
Ihr kalter Blick wurde etwas freundlicher und sie nickte ihm zu. "Trotzdem gehen wir jetzt zum Doktor und da kannst du nicht mit. Vielen Dank."
"Ich komme dich besuchen, Tricia!", rief er Lilli zu. "Und Frau von Stubbnitz, wenn ich fragen darf: Ab wann hast du Feierabend?"
Sie wurde tatsächlich etwas rot und sagte leise "Ich bin fast jeden Tag bis sechs Uhr Abends hier, Herr von Himmelfleck."
"Sag doch Ruppert", bat Ruppert.
"Ruppert." Sie lächelte und verschwand dann mit Lilli hinter einem Vorhang, der den Empfangsbereich des Tempels von dem Hospitalbereich trennte.
"Loretta ...", flüsterte er. "Loretta Franziska."

***



Das Armesünderkapellchen am Verrätertor
Eines der schönsten sakralen Bauwerke der Stadt ist ohne Zweifel diese kleine Kapelle, die direkt in die Stadtmauer eingelassen ist. In ihr dienen Mönche in brauner Kutte. Sie verehren, wie sie sagen, den wahren und einzigen Gott und versuchen unermüdlich durch Fasten und Beten den Sündenpfuhl Ankh-Morpork vor dem Untergang zu bewahren. Selbst viele Spötter sind der festen Überzeugung, dass die Stadt nur noch wegen dieser Mönche existiert, denn die Götter sollen von ihrem vorbildlichen Lebenswandel so sehr beeindruckt sein, dass sie alle hoffen, sie irgendwann zu ihren eigenen Anhängern zu machen. So kommt es in der kleinen Kapelle nahezu täglich zu Manifestationen der großen Götter von Würdentracht. Was aber die Mönche in ihrer Verehrung des einen und wahren Gottes nicht abhält. Die Kapelle ist außerhalb der göttlichen Manifestationszeiten rund um die Uhr geöffnet. Besucher finden dort neben kostbaren Bildern und wertvollen Statuen auch ein Andenkenlädchen in dem Meditations-Ikonographien und heißer Tee verkauft werden.
Noch vor den täglichen Manifestationen ist das größte Wunder dieses Ortes, dass sich Frau Evadne Kuchen noch nie hier hat blicken lassen.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: "Nein, bitte nicht! Ich weiß warum du gekommen bist. Bitte lass mich leben!" Die Stimme der jungen Frau war voller Angst. "Du hast mir versprochen mir zu helfen und jetzt willst du mich töten, wie all die anderen. Warum nur? Warum?" Sie begann hemmungslos zu schluchzen und zitterte am ganzen Leib.
Der Besucher trat auf sie zu und setzte sich zu ihr auf den Boden. Sanft streichelte er ihre Hand und dann über ihre Wangen.
"Aber ich will dir doch helfen. Nur deshalb bin ich hier." Er sah liebvoll in ihr von Säure zerfressenes Gesicht aus dem die blinden Augen blicklos in die Welt starrten ohne etwas anderes zu sehen als dichten grauen Nebel."
Und so konnte sie auch nicht sehen wie er eine dünne Schnur aus der Tasche zog und sie zwischen seinen Händen spannte. Als sie die Berührung an ihrem Hals spürte wollte sie schreien. Aber es war zu spät.
"Mein armes, liebes Kind, niemals hättest du so leben können."
Mit einem leise verwehenden Seufzer verließ er das Zimmer und verlor sich in den nächtlichen Straßen Ankh-Morporks.


***


Als Ruppert den Tempel verließ spürte er ein vertraute Ziehen und Zerren in seinem Körper. Die ersten Anzeichen, dass er sich in seine Wolfsgestalt verwandeln würde. Er hatte zuviel Zeit gebraucht um Lilli zu verkleiden und in den Tempel zu bringen. Er begann zu laufen. Zum Glück lag der Tempel direkt am Apothekergarten und damit nicht allzu weit vom Pseudopolisplatz entfernt. Dichte Wolken hingen am Himmel und er spürte wie sich sein Körper zu verändern begann so sehr er sich auch bemühte es unter Kontrolle zu behalten. Fast hätte er es geschafft. Doch plötzlich rissen die Wolken auf und der volle Mond strahlte hell über Ankh-Morpork. Ruppert schaffte es gerade noch mit seinen haarigen Händen, die schon begonnen hatten sich in Pfoten zu verwandeln, den Harnisch zu lösen. Klappernd fiel das Teil auf den Boden, keine zehn Meter vom Eingang des Wachhauses entfernt. Ein enttäuschtes Heulen entrang sich seiner Kehle. Der wachhabende Rekrut, Locurian von Bushbibap, kam herausgelaufen und sah einen großen Hund, der sich aus der Uniform eines Wächters kämpfte und dabei schauderlich heulte. Er zog sein Schwert, blieb aber sicherheitshalber am Treppenabsatz stehen.
"Was ist denn hier los?", kam eine Stimme von unten.
Der Rekrut nahm Haltung an und sah starr geradeaus. Er wusste genau wem diese Stimme gehörte.
"Da ist ein Hund in einer Uniform, Feldwebel, Sir."
"Guter Junge, gut beobachtet. Und was heißt das?"
"Ich weiss es nicht, Sir.", der Rekrut begann zu beben, starrte aber immer noch gebannt auf den Hund der sich mit den Pfoten das Hemd vom Körper zu streifen versuchte. "Vielleicht, vielleicht ein Fluch, Sir? Der einen Wächter in einen Hund verwandelt hat?"
Feldwebel Tut'Wee M'Laut grinste unter seinen Binden und blinzelte dankbar zum Vollmond hoch.
"Rekrut, du sammelst die Uniform ein und bringst sie zu Korporal Harmonie. Sie wird dann Bescheid wissen. Ich kümmere mich um den Hund."
Mit diesen Worten kletterte er die Treppen herunter und stellte sich so neben Ruppert, dass dieser ihn nicht sehen konnte. Als der sich von den letzten Kleidungsstücken befreit hatte, machte Rib einen Satz und sprang dem Wolf in den Nacken, wo er sich mit aller Kraft an den Haaren festhielt. Locurian von Bushbibap sah mit offenem Mund zu und war voller Bewunderung für die kleinste Mumie der Scheibenwelt, die sich einfach so auf einen vielfach größeren Gegner warf.

In Rupperts Verstand richtete sich der Wolf ein und schickte den Menschen in die Auszeit.
Wütend kämpfte er sich aus dem Netz in dem er gefangen saß. Befriedigt vernahm er das Reißen von Stoff und plötzlich war er frei. Nur noch ein Stück Metall hing um seinen Hals, aber darum konnte er sich später kümmern, denn auf einmal spürte er eine kleine Last im Nacken und eine Stimme brüllte laut "Jippijeh" in seine Ohren. Der Wolf blieb stocksteif stehen und begann dann sich im Kreis zu drehen, schneller und immer schneller, aber das einzige das er damit erreichte war, dass sich das Ziehen an den Haaren verstärkte. Er wälzte sich am Boden, aber Rib sprang rechtzeitig ab und hüpfte an seinen zuschnappenden Fängen vorbei. Und immer wieder in den Nacken, wenn der Wolf wieder auf allen Vieren stand.
Der Wolf war verwirrt. So etwas hatte er noch nie erlebt. Der Geruch der winzigen Gestalt kam ihm bekannt vor aber vor lauter Zorn konnte er nicht klar denken. Der Mensch in ihm sah zu und amüsierte sich köstlich, denn einerseits mochte er den Wolf nicht sonderlich und zum anderen war er sich sicher, dass letztlich Rib den Kürzeren ziehen würde - und den mochte er auch nicht sonderlich.
Mittlerweile waren einige Wächter aus dem Wachhaus gekommen und sahen dem Kampf, (oder dem Spiel?) der beiden zu. Einige ahnten, dass es sich bei dem Hund um Ruppert handeln könnte, die meisten waren aber völlig ahnungslos und überlegten wie sie ihrem Vorgesetzten helfen konnten. Schon wurden die ersten Schwerter gezückt und Armbrüste gespannt als Laiza die Treppe herunter gelaufen kam. Mit einem Blick erfasste sie die Situation.
"Steckt die Waffen weg! Das ist Ruppert."
Der Wolf wurde immer zorniger, zugleich aber auch unsicherer weil er das Wesen auf seiner Schulter nicht loswerden konnte. Der Mensch beschloss einzugreifen. Er hatte in der Menge, die sich mittlerweile um den Kampfplatz versammelt hatte, Schnapper entdeckt. Mit seinem üblichen Bauchladen mit heißen Würstchen und Senf. Langsam übernahm der Mensch einen Teil der Kontrolle über den Körper und der Wolf beruhigte sich ein wenig. Ruppert hatte einmal eine Werwölfin sagen gehört, dass in ihr immer auch ein Hund sei, der auf ein starkes Herrchen hören wollte. Ruppert hatte nachgedacht und erkannt, dass das stimmte. Allerdings hatte er dem Hund in sich beigebracht, dass er selbst das Herrchen war.[12]
Ruhig aber mit bebenden Flanken stand der große Wolf da und hechelte. Dann sprang er unversehens in die Menge, direkt auf Schnapper zu und riss ihm mit dem Maul den großen Senftopf von seinem Bauchladen. Klirrend zerbrach das billige Tongefäß und Ruppert wälzte sich darin. Rib war rechtzeitig abgesprungen und wartet darauf, dass sich der Wolf wieder auf alle Viere stellte. Als das geschah hüpfte er wie ein Gummiball auf den Nacken und griff in die Haare. Ruppert rannte zurück zu den Wächtern und ließ einen jammernden Schnapper zurück, der die Überbleibsel des Senfes in ein anderes Gefäß zu kratzen versuchte. Mit einem scharfen Ruck blieb Ruppert stehen und senkte den Kopf. Rib konnte sich an dem glitschigen Fell nicht festhalten und wurde in die Menge der Wächter geschleudert und rollte direkt vor Laizas Füße. Dann stellte er sich hin und rief zu seiner ehemaligen Schülerin "Das wollte ich schon immer mal machen!" Und Laiza wusste, dass er strahlte, auch wenn sie es nicht sehen konnte.

***


Der große Om-Tempel
Om, der angestammte Gott der Omnianer, ist zweifellos einer der mächtigsten Götter der Scheibenwelt. Umso erstaunlicher ist es, dass seine Kirche bei Drucklegung dieses Führers in 158 Teile gespalten ist und nahezu wöchentlich eine neue Gruppierung sich selbst zur "Wahren Kirche Oms" ernennt. Die bekannte Religionsexpertin E. Kuchen ist stolz darauf in allen diesen Kirchen Mitglied zu sein. Der Tempel wird von allen Gruppen genutzt. Es ist sehr sinnvoll sich vor einer Besichtigung des Tempels den Belegungsplan anzuschauen, da die ultraorthodoxen Reform-Omnianer gerne Besuchern die Möglichkeit geben die klassische Form der Exquisition persönlich kennen zu lernen. Die Architektur ist an den Tempel in Kom angelehnt, wenn auch bei Weitem ganz so bombastisch und riesig wie dieser. Da eine Beschreibung den Rahmen dieses kleinen Führers sprengen würde, verweisen die Herausgeber auf das grundlegende Werk "Einfach göttlich" mit der Beschreibung des großen Tempels.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: Er sah auf den toten Mann hinab. Er hatte sich gewehrt, wollte einfach nicht verstehen, dass sein Leben keinen Sinn mehr hatte. Er hasste solches Unverständnis und empfand zum ersten mal leichte Befriedigung über den Tod eines Menschen.


***


Lilli ließ sich von der Frau in ein Untersuchungszimmer führen.
"Bitte warte hier einen Moment, der Heiler wird sofort kommen." Loretta lächelte Lilli noch einmal an und ging wieder zurück zu ihrem Empfangsplatz.
Hinter den Türen eines Glasschrankes befanden sich viele seltsame Geräte, die ihr instinktiv Unbehagen einflößten. Eine Liege und ein Stuhl mit merkwürdigen Halterungen und Stützen waren ansonsten zusammen mit zwei Hockern das ganze Inventar des Raumes. An den Wänden hingen anatomische Zeichnungen von Menschen, Zwergen und anderen Wesen.
Ein Vorhang wurde zur Seite gezogen und ein Paluksérianer trat ein. "Gelobt sei der große und freundliche Paluksé. Ich bin Bruder Treponema." grüßte er Lilli.
"...", antwortete die verdeckte Ermittlerin.
Erstaunt blickte der Mönch sie an. Er war schon älter, bestimmt Anfang siebzig, und klein und drahtig gebaut. Aber seine hellen Augen blitzten vor wacher Intelligenz und sein Blick war voller Wärme. Er nahm sich den Empfangsbogen zur Hand und las ihn durch.
"Aha! Sprache verloren. Ganz plötzlich." Nachdenklich sah er sie an und begann allerlei gelehrte Fragen zu stellen, die Lilli entweder mit einem Kopfschütteln oder Nicken beantwortete oder einfach ignorierte. Sie setzte sich auf seine Anweisung hin auf den Stuhl und er sah sich sehr ausführlich ihren Hals an. Er klopfte mit einem Holzhämmerchen auf ihrem Rücken und der Brust herum und machte sachkundige Bemerkungen wie "Ah ja" oder "HmHmHm". Lilli begann sich unbehaglich zu fühlen. Könnte es sein, dass der fremde Mann da, der sich Doktor nannte, irgendetwas an ihr fand? Sie dachte besorgt daran, dass sie es mit der Vorsorge gegen Pilze und Stammfäule nicht so ernst genommen hatte.
"Ja, also, Fräulein Tannengrün, ich denke, wir werden dich noch etwas genauer untersuchen müssen. Ich werde dich nun zu einem Bett führen und bitte dich dort vorerst einmal auszuruhen." Er führte sie in einen großen und hohen Saal, an dessen Frontseite ein riesiges Gemälde mit den Heilungstaten des Gottes hing. Viele Betten standen dort, jeweils durch Vorhänge voneinander getrennt. Treponema flüsterte mit einer Nonne des Ordens, die in dieselben Farben und Stoffe gekleidet war wie der Mönch. Dann verabschiedete er sich von Lilli. Die Nonne führte sie zu einem freien Bett und brachte ihr aus einer großen Truhe ein langes Nachthemd. Nachdem Lilli sich umgezogen hatte, nahm die Schwester ihre Kleidung und schloss sie in einen kleinen Schrank, der an der Seite des Bettes stand. "Merk dir bitte die Nummer der Kammer, wenn du einmal etwas herumlaufen möchtest. Wenn du noch Fragen hast, sag es mir bitte." Erst jetzt fiel Lilli ein, dass sie in ihrem Kleid auch Bleistift und Zettel stecken hatte. Sie deutet auf den Schrank.
"Keine Sorge, deine Sachen sind sicher weggeschlossen. Du bekommst sie zurück, wenn du als geheilt entlassen wirst." Lillis Wedeln missachtend drehte sich die Nonne um und ging zu einer der anderen Patientinnen.[13]

***


Die kleine Villa des Cefalu
An der Zupfenstraße, in einer kleinen Grünanlage liegt die Villa des Cefalu. Von hohem Gebüsch umgeben fällt sie kaum auf. Nur ein kleiner, halb zugewachsener Weg führt zu dem stark verfallenen Gebäude. Cefalu, ein Gott sexueller Abartigkeiten und Verehrung kerkerdimensionaler Mächte, hatte eine sehr kleine Anhängerschar, deren Hohepriester der heute weitgehend nur noch mit einem Kartenspiel in Erinnerung gebrachte Aleister Krählich war. Unter dem verrückten Lord Winder (der hier ausnahmsweise einmal die ungeteilte Zustimmung aller Stadtbewohner genoss) wurde der Orden aufgelöst und in das Wie-Wunder-Land verbannt. Ob Cefalu heute noch verehrt wird entzieht sich der Kenntnis der Autoren. Die Villa ist ziemlich zerfallen und an ihr sind bestenfalls noch einige Wandgemälde interessant, die Krählich selber gemalt haben soll. Besucher mit schwachen Nerven sollten auf einen Besuch verzichten. Die Vorsitzende des "Bundes gegen den Missbrauch unschuldiger Tiere"
[14]hat sich zum Ziel gesetzt diese Gemälde zu zerstören.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Rückblende: Diesmal war es gründlich daneben gegangen. Nicht nur, dass die Alte uneinsichtig gewesen war. Sie wollte weiter leben um ihre Enkel aufwachsen sehen zu können. Dabei war sie so krank, das sie bald gar nichts mehr sehen und hören könnte. Aber schreien konnte sie immer noch sehr gut. Und diese dumme Tochter war auch gleich in das Zimmer gestürzt, hatte sich auf ihn geworfen und ihm das Messer aus der Hand reißen wollen. Nun würden die Enkel der Alten eben ohne Großmutter und Mutter aufwachsen. Uneinsichtiges Pack. In seine Augen trat ein fanatisches Funkeln als er das Zimmer betrachtete, an dessen weißen Wänden rote Streifen herab liefen. Dann drehte er sich um und verließ das Haus so unauffällig wie er es betreten hatte.


***


Ruppert trabte vom Pseudopolisplatz zurück zum Tempel. Er hatte nun wieder vollkommen die geistige Kontrolle über seinen Körper zurückgewonnen und beschloss ein wenig in der Umgebung des Tempels herum zu schnüffeln. Es waren sehr interessante Gerüche, die ihm begegneten, erregende, appetitanregende, neugierig machende - aber nichts was ihm helfen konnte einen Mörder zu finden. Weil ihm nichts mehr einfiel beschloss er die Nacht interessanter zu nutzen und lief zu den Haufen. In Vollmondnächten trafen sich dort immer einige der Werwölfe der Stadt um gemeinsam zu jagen und bei Bedarf den Mond anzuheulen. Auch heute Nacht waren wieder drei andere Werwölfe dort. Ruppert war der einzige Werwolf der Stadtwache, der an dieser Zusammenkunft teilnahm. Die anderen werwölfischen Wächter hatten sich hier noch nicht blicken lassen. Es war eine anonyme Runde, er hatte noch keinen der anderen bewusst in seiner menschlichen Gestalt getroffen.

Rückblende - 30 Monate vorher

Vollmond über einer fremden Stadt. Der Werwolf, der seit wenigen Wochen in der Stadt lebte und sich in den Randbezirken der Schatten eine unauffällige Unterkunft gesucht hatte, spürte das vertraute Ziehen und Zerren des Mondes. Er lag nackt in seinem Zimmer auf dem Bett und wartete auf die Verwandlung. Es begann an den Händen und im Gesicht. Er spürte wie sich die Finger zusammen krümmten und kürzer wurden, wie sich sein Gesicht veränderte, schmaler und länger wurde, wie der Kiefer wuchs und sich die Zähne neu anordneten und scharf und spitz wurden. Auch die Beine veränderten sich, wurden kürzer und veränderten ihre Lage. Am ganzen Körper wuchs Fell und schneller als der ganze Vorgang beschrieben werden kann, war die Verwandlung abgeschlossen. Er sprang auf alle Viere und verließ es ungesehen von seiner Vermieterin und den Mitbewohnern das Haus.
Was für die menschliche Nase nur der Gestank einer schmutzigen Stadt war wurde für die Nase des Wolfes zu einer aufregenden Mischung wilder und teilweise unbekannter Gerüche. Fast in Ekstase über diese immense Vielfalt neuer Eindrücke rannte der Werwolf durch die Straßen der Schatten. Wo immer er vorbeikam drückten sich Menschen und Zwerge an die Häuserwände um ihm auszuweichen. Auch wenn die wenigsten nur im Entferntesten ahnten, dass da ein Werwolf an ihnen vorbeilief, so war doch ein großer Hund, der mit schweflig gelb leuchtenden Augen in den Straßen unterwegs war etwas, dem man besser nicht in die Quere kam.
Mit einem Mal blieb er stehen und lauschte. Aus der Ferne erklang ein vertraute Heulen: Werwölfe! Es gab noch mehr Werwölfe in der Stadt. Er erstarrte. Hatten sie ihn doch noch gefunden? Er zögerte und lief dann entschlossen auf das Heulen zu, er musste sich vergewissern wer das war.
Das Heulen kam von einer großen Freifläche am Rand der Stadt. Er näherte sich vorsichtig und schlich sich gegen den Wind auf drei Gestalten zu, die im Kreis auf einem Hügel saßen und den vollen Mond anheulten.
Er schnupperte, aber er nahm keinen vertrauten Geruch wahr und entspannte ein wenig. Vorsichtig verließ er seine Deckung und ging steifbeinig auf das Trio zu, das sein Geheul abrupt einstellte.
Nach einer Weile jagten vier große Wölfe über die Haufen.


***


Am nächsten Morgen fühlte sich Ruppert ziemlich müde. Langsam trottete er auf das Wachhaus zu und lief die Stufen zum Vorraum hinauf. Die wachhabenden Rekruten waren wohl informiert worden, dass in und nach Vollmondnächten große Hunde etwas Normales waren und sahen ihm nur neugierig hinterher als er die Treppen zu den oberen Geschossen hinauflief. Die Tür zum Okkultismusbüro stand einen Spalt weit offen. Laiza hatte sie nur angelehnt als sie Feierabend gemacht hatte. Ruppert schmunzelte innerlich und zwängte die Tür mit seinem Körper auf. Seine Kleidung lag auf dem Schreibtisch. Er nahm seine Menschengestalt an, zog seine Uniform an und setzte sich an den Schreibtisch. Er schrieb einen kurzen Bericht der ereignislosen Nacht für Laiza und legte ihn auf ihren Schreibtisch. Er überlegte sich kurz ein Bett in einem der Schlafsäle im Keller zu benutzen, zog es aber dann doch vor nach Hause zu gehen um erst einmal ein ausgiebiges Bad zu nehmen, denn er war schmutzig und stank nach Senf. Die Idee, einen kleinen Umweg zu machen und zu schauen wie es Lilli ging, verwarf er wieder und ging direkt in seine kleine Wohnung in der Teekuchenstraße 5. Das Bad lockte ihn. Und Loretta würde so früh auch noch nicht im Tempel sein. Loretta ...

***


Lilli strich in ihrem weißen Nachthemd durch den großen Saal. Ab und zu versuchte eine der Patientinnen ein Gespräch mit ihr anzufangen. Lilli hörte zwar aufmerksam zu, konnte als Antwort aber nur ein paar vage Gesten machen. Sie sah, dass viele Mönche des Ordens mit den Patientinnen sprachen. Sie hörte zu und erkannte, dass es darum ging sie zu Anhängern des Heilgottes zu machen. Lilli war mit dem Konzept "Götter" vertraut, denn sie hatte einen merkwürdigen Gott namens Les-Gut kennengelernt. Zwar nahm sie ihn nicht sonderlich ernst, aber in gewisser Hinsicht glaubte sie an ihn. Wobei sich der Glaube darauf beschränkte seine Existenz anzuerkennen. Die meisten Patientinnen schienen bereit sich von den Mönchen anwerben zu lassen und ließen sich einen Anhänger um den Hals hängen, der das Symbol des Gottes, einen Wurm, der sich um den Stiel eines Apfels wand, darstellte. Nach einer Weile stellte sich Lilli neben ein Fenster, durch das heller Sonnenschein in den Saal drang. Sie beschloss ein wenig Energie zu tanken ... und schlief ein.
"Frau Tannengrün, hallo, Frau Tannengrün, geht es dir gut?" Der Doktor, der sie bereits untersucht hatte stand neben ihr und sah sie besorgt an. Lilli lächelte ihn beruhigen an (zumindest hoffte sie, dass es beruhigend aussah). Er nahm sie an die Hand und zog sie in das Untersuchungszimmer. Eine Nonne trat ein und begrüßte Lilli.
"Du bist also Frau Tannengrün, die nicht mehr spricht?"
Lilli nickte.
"Ja, das ist sie. Frau Tannengrün, ich stelle dir hiermit Schwester Britta vor. Sie ist eine Heilerin, die sich mit speziellen Krankheiten und Blockaden des Geistes beschäftigt. Da ich nichts finden konnte, hoffe ich, dass sie dir helfen kann." Mit diesen Worten verließ Doktor Treponema das Zimmer.
Die Nonne setzte sich auf einen Stuhl und bat auch Lilli sich zu setzen. "Du kannst dich auch gerne dort auf die Couch legen."
Lilli musterte sie misstrauisch. Sie dachte an die Gespräche mit den Püschologen in der Wache und hegte den Verdacht, dass diese Britta auch nichts anderes war. Trotzdem legte sie sich gehorsam auf die Couch.
"Lass uns mit deiner Kindheit beginnen. Hast du als Kind viel erzählt?"
Lilli erinnerte sich an die Baumschule. Ja doch, es gab immer viel zu erzählen. Von den aufregenden Gefühlen beim Wechsel der Windrichtung, von der täglichen Veränderung des Sonneneinfallswinkels, von Raupenbefall und ähnlichen Dingen. Sie nickte lebhaft und die Nonne machte eine Bemerkung auf ihren Notizblock und stellte viele weitere Fragen.
"Hat dir irgendjemand das Sprechen verboten? Oder hast du so wenig Möglichkeiten zu sprechen, dass du nicht mehr reden willst?"
Die verdeckte Ermittlerin überlegte ernsthaft. 'Nein, verboten hat es mir niemand. Aber mit wem sollte ich mich hier unterhalten? Es gibt so wenige Bäume und die städtischen Gewächse sind alle so verdammt arrogant und reden nicht mit einem einfachen Baum vom Lande.'
Lilli traten die Tränen in die Augen, was die Heilerin veranlasste eine weitere Notiz zu machen.
Nach ziemlich vielen Fragen meinte Schwester Britta: "So, ich glaube, das war es jetzt. Ich bringe dich nun in dein Bett und melde mich morgen wieder."
Beim Hinausgehen stibitzte Lilli in einem unbeobachteten Moment einen Schreibblock und einen Stift.

***


Die Bar des Batida de Kokko
An heißen Sommertagen ein Anziehungspunkt nicht nur für Gläubige. In einem kleinen Garten in der Zwiebelgasse steht ein kleiner Pavillon aus Muschelkalk, verziert mit roten und rosa Korallen. Sobald es Abend wird, beginnen die Anhänger dieses lebenslustigen Gottes mit der rituellen Zubereitung von Mixgetränken und deren missionarische Verteilung an zufällig Anwesende, die den wahren Gott Batida de Kokko noch nicht kennengelernt haben. Rhythmische Musik auf stählernen Fässern und gutgebaute Priesterinnen und Priester mit viel Wenig an schaffen eine fröhliche Atmosphäre inmitten der tristen Umgebung der Altstadt.
Warum die Anhängerschaft nicht explodiert ist ein Rätsel. Wir fragten eine Passantin nach ihrer Meinung: "Frau Kuchen, warum hat dieser Gott wohl so wenig Anhänger in der Stadt?" Die Antwort war einleuchtend: "Nun ja, wer nimmt schon einen Gott ernst, dessen Attribute Cocktailkirschen und bunte Papierschirmchen sind?"
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


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Am frühen Nachmittag wachte Ruppert auf. Er hatte gut geschlafen und machte sich in seiner Küche im ersten Stock ein kräftiges Mittagessen.
Er wollte erst wieder die Uniform anziehen. Er hatte sich inzwischen daran gewöhnt, auch wenn er sie als Okkultismusexperte eigentlich nicht tragen musste. Dann ließ er sie aber im Schrank hängen und suchte sich Zivilkleidung heraus. Eine dunkelbraune Hose, dazu ein cremefarbenes Hemd und eine schwarze Lederjacke. Das einzige Zugeständnis an seine Dienstgewohnheiten war die Dienstmarke um den Hals und die beiden Messer in den Stiefeln.
Dann brach er zum Paluksé-Tempel auf. Im Kühnen Weg kaufte er zwei Blumensträuße und betrat dann mit unerwartet lautem Herzklopfen den Tempel. Wie er es erhofft hatte war Loretta da und stand wieder an der Aufnahme. Sonst war niemand in der kleinen Empfangshalle.
"Hallo, Loretta, ich darf doch Loretta sagen?"
Sie blickte von ihren Unterlagen auf und erkannte ihn. Leicht errötend sagte sie: "Hallo, Ruppert. Ja, natürlich darfst du." Sie lächelte ihn an. "Willst du deine Freundin besuchen?"
"Ja. O, nein, sie ist nicht meine Freundin, nun ja, schon, aber eben nur eine Freundin, nicht meine Freundin, ich meine ... also ... du weißt schon was ich meine ...", verhaspelte er sich und sah ihr tief in die Augen. 'Grün mit goldenen Sprenkeln' wie er feststellte. Wenn sie lächelte erschienen drei Grübchen in ihren Mundwinkeln. Zwei rechts, eines links. 'Einfach bezaubernd', ging ihm durch den Kopf. 'Und die niedliche Stupsnase' ... sein Herzschlag beschleunigte sich noch mehr und er spürte wie er ebenfalls errötete.
Mit leicht zitternden Händen nahm er einen der beiden Sträuße, eindeutig den schöneren, und legte ihn vor Loretta auf die Theke. "Der ... Den habe ich für dich mitgebracht, weil ... damit du nicht denkst ... wegen Gestern, also umdass, ähm, ich hab das nie so gesehen wie du gesagt hast, aber du hast natürlich vollkommen recht. Und ich habe ... also ... nie ..." Er verstummte und spürte wie sein Kopf glühte.
Loretta sah ihn amüsiert an und lachte dann. "Ach, Ruppert, du bist einfach süß." Sie steckte ihr Gesicht in dem großen Strauß und atmete tief den süßen Duft ein. "Danke schön! Das ist lieb von dir."
Er fasste sich ein Herz. "Magst du heute Abend essen?"[15]
"Du meinst mit dir zusammen?", sie sah in nachdenklich an, dann lächelte sie wieder. "Gerne. Besuch du erst deine Freundin", sie zwinkerte ihm zu, "dann können wir gehen. Es ist vielleicht etwas früh zum Abendessen, aber wir könnten ein wenig im Hide Park spazieren gehen. Ich sage schnell einer der Schwestern Bescheid, dass ich heute früher gehe. Laetricia ist in dem großen Saal, gleich die zweite Tür an der rechten Seite."
Ruppert dankte ihr und ging zu der bezeichneten Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und winkte Loretta zu. Dann betrat er den Saal.
Eine Schwester kam auf ihn zu und er bat sie ihn zu Lilli zu bringen. Die lag in ihrem Bett und schrieb langsam auf dem Block.
"Hallo, Li... Laetricia, wie geht es dir?"
Er reichte ihr den Blumenstrauß. Lilli sah ihn finster an. Warum brachte er ihr Blumenleichen? Sie waren doch hier nicht auf dem Friedhof. Sie ignorierte die Blumen und stand auf.
"Ihr könnt gerne in den Garten hinausgehen.", die Schwester wies auf eine breite Glastür an der Frontseite des Saales. "Es ist herrlicher Sonnenschein draußen."
Die beiden Wächter gingen in den Garten, in dem sonst niemand zu sehen war.
"Nun, konntest du etwas herausfinden?", wollte Ruppert wissen.
Lilli drückte ihm den Block in die Hand und Ruppert las: 'Ähs giehbetet hihr ville Menche uhnt Nohnen dhie woo ale ghesuntig machigen. Uhnt shie wholiken ale zhu nhäuen Ahnhänghereren mhachehn vhon ihrighem Ghot.'
Ruppert stöhnte. Irgendjemand musste Lilli bei Gelegenheit von ihren überfließenden "Hs" trennen. Und ihr überhaupt so etwas wie eine Rechtschreibung beibringen.
"Und sonst hast du nichts herausgefunden?"
Lilli griff nach dem Block und schrieb langsam aber stetig: 'Dhie ghlaubhighen iche bhine khrankh. Bihne iche khrankh?'
Ruppert schüttelte energisch den Kopf. "Nein, Lilli, du bist hier nur als verdeckte Ermittlerin. Aber wenn sie glauben, dass du krank bist, dann machst du deine Arbeit sehr gut."
Lilli war nicht sonderlich überzeugt aber doch etwas beruhigter. Nach all den vielen Fragen hatte sie tatsächlich begonnen sich zu fragen ob sie nicht tatsächlich krank sein könnte.

***


Nachdenklich verließ Ruppert den großen Saal. Viel konnte er mit Lillis Notizen nicht anfangen. Gut, die Paluksianer heilten die Menschen und versuchten sie zu ihrem Gott zu bekehren. Aus Dankbarkeit und vielleicht auch aus Aberglauben nahmen die meisten Leute die Anhänger oder Amulette an, die ihnen die Mönche anboten. Anstandshalber nahmen sie vielleicht auch an dem einen oder anderen Gottesdienst teil. Aber die Menschen von Ankh-Morpork waren nicht bereit für einen uneigennützigen Gott wie Paluksé. Insofern trugen viele Menschen - und vermutlich auch Zwerge und Trolle und was-auch-immer - diese Anhänger, waren aber keine Anhänger ... Gläubige. Hatte das also wirklich etwas mit den Morden zu tun?

Loretta stand vor dem Tresen. Sie hatte ihre schlichte Schwesterntracht abgelegt und trug eine weiße Bluse mit vielen kleinen roten Punkten zu einem knapp knielangen Rock aus bunt bedrucktem Stoff. Dazu knöchelhohe Schuhe aus hellrotem Leder mit flachen Absätzen. Ihr rotes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Ruppert musste schlucken und spürte wie sein Herz wieder schneller schlug. Es war wohl unleugbar. Er hatte sich verliebt.

Vom Tempel war es nicht weit zum Hide Park. Um diese Tageszeit waren viele Menschen im Park unterwegs. Einige lizenzierte Diebe erkannten Ruppert und machten einen weiten Bogen um ihn herum. Es war bekannt, dass er sich den Gepflogenheiten der Stadt in dieser Hinsicht nicht angepasst hatte. Wer ihn bestehlen wollte musste Glück haben. Aber bisher hatte kein Gildenmitglied so viel Glück gehabt. Zumindest war keiner im Besitz der Beute geblieben und einige gebrochene Finger verliehen Rupperts Unwillen bestohlen zu werden einen gewissen Nachdruck.
In einem kleinen Café am Ufer des Sees bestellte Ruppert Kaffee und Kuchen. Loretta zog Tee vor, aber beim Kuchen hatte sie den gleichen Geschmack wie Ruppert. Am liebsten von jeder Sorte ein Stück.
Ruppert stützte sein Kinn auf die verschränkten Hände und sah Loretta an. Sie machte es ihm nach und die beiden blickten sich lange in die Augen. Sie war sehr ernst als sie sagte: "Ruppert, ich habe Angst vor dem was hier gerade geschieht."
Er schüttelte den Kopf. "Angst? Nein, ich habe keine Angst, aber ich habe so etwas noch nie erlebt."
"Noch nie?"
"Nein, Loretta, noch nie. Niemals."
"Wie kann das sein, wir kennen uns doch gar nicht richtig. Und dann ...", auch sie schüttelte den Kopf.
"Loretta, ich kann nichts anderes sagen als 'Ich liebe dich'. Vom ersten Augenblick an habe ich gewusst, dass du etwas ganz Besonderes für mich bist."
Ruppert griff über den Tisch und nahm Lorettas zitternde Hände.
"Ruppert, ich ... bitte, ich bin ganz durcheinander. Als du gestern das mit den Näherinnen gesagt hast, das sein ein ehrenwerter Beruf, weißt du, da war ich weniger empört als ... enttäuscht. Dabei kannte ich dich doch gar nicht. Aber ich war enttäuscht von dir, kannst du dir das vorstellen? Ich wollte nicht, dass du so bist wie die anderen. ... Du hältst mich fest."
Ruppert lächelte, "Aber nur weil du es willst. Du kannst dich jederzeit frei machen - wenn du willst."
Sie zog ihre Hände aus seinen und legte sie sofort wieder hinein. "Das habe ich mir immer gewünscht. Gehalten werden. Ganz fest gehalten. Aber nicht festgehalten."
"Lass uns gehen."
Ruppert winkte dem Kellner und bezahlte. Dann gingen die beiden Hand in Hand um den See herum. Vor dem kleinen Tempel des dreibeinigen Schemels sahen sie kurz einer Zeremonie der Neutren des beidseitigen Glubs zu.
Sie setzten sich auf eine Bank am Ufer und sahen auf das Wasser. Die Zeremonie hinter ihnen verlief weiter. Sie verstanden zwar nicht worum es dabei ging (am Aushang hieß es dass sie den Koratz des kleinen Glibs feierten), aber die Choräle, die aus dem Tempel erklangen passten zu der nachdenklich verliebten Stimmung der beiden.
"Loretta, ich muss dir noch etwas sagen. Etwas über mich." Ruppert spürte wie er einen trockenen Mund bekam. Sie sah ihn erwartungsvoll an. "Ich bin ..." er spürte wie sein Herz einen Moment stockte. "Ich bin kein Mensch. Nicht nur ein Mensch. Ich bin ..:"
"Ein Werwolf, ich weiß", sagte sie ganz ruhig.
"Aber ... woher ... es stört dich nicht?"
Sie lehnte sich an ihn und sah auf den See hinaus. Er legte seinen Arm um sie. "Nein, es stört mich nicht. Vielleicht noch nicht, vielleicht auch niemals, das wird die Zeit weisen. Ich mag ja nur eine ehrenamtliche Helferin im Tempel sein, aber ohne ein Gespür für Menschen hätten mich die Brüder dort nie angenommen. Oder - wie es Kor Adlon sagte - in den Spitzhornbergen wäre ich vielleicht zu einer Hexe geworden. Ich habe es sofort gespürt als ich dich gesehen habe."
Ruppert seufzte erleichtert auf und drückte sie fester an sich. Still saßen die beiden auf der Bank und genossen das Beieinandersein. Langsam wurde es dämmrig. Plötzlich schreckte Ruppert auf. "Ich muss sofort gehen, Loretta, wenn der Vollmond aufgeht verwandle ich mich. Verflixt, wie konnte ich das vergessen?" Er sah sie an und lächelte: "Na gut, ich weiss wie ich es vergessen konnte."
"Was passiert wenn du dich verwandelst? Ich meine, du wirst doch nicht zu Bestie?" Sie sah ihn etwas ängstlich an.
"Nein, keine Angst, ich bleibe ich wenn ich das will, aber ich muss aus der Kleidung heraus und ich mag es nicht so sehr, wenn ich mich in der Öffentlichkeit verwandle. Für die meisten ist die Verwandlung ein erschreckender Anblick."
"Komm mit zu mir. Ich wohne in der Myrtenstraße. Das ist nicht weit von hier."
Die beiden standen auf und liefen schnell aus dem Park auf die Unvergleichliche Straße. Durch eine schmalere Straße gelangten sie zu dem großen Haus, in dem Loretta eine Wohnung gemietet hatte.
"Komm herein, Ruppert, wie lange wird es noch dauern?"
"Es ist noch etwas Zeit, vielleicht eine halbe Stunde. Darf ich ... bei dir bleiben heute Nacht?" Er grinste sie an. "Eine Decke auf dem Boden würde mir schon genügen."
Loretta sah ihn unsicher an, dann nickte sie zögernd. "Gut ... doch, es ist gut, dass ich gleich von Anfang an verstehe was mit dir geschieht." Sie ging in ein anderes Zimmer und holte eine Wolldecke, die sie auf dem Boden ausbreitete.
"Gut so?"
"Ja, perfekt. Ich mag es übrigens, wenn ich hinter den Ohren gekrault werde."
Sie stemmte die Arme in die Seiten und sah ihn gespielt empört an. "Du bist ja ganz schön dreist, mein Lieber." Den fiel sie ihm um den Hals und flüsterte: "Ich habe trotzdem Angst."
"Die brauchst du nicht zu haben, liebe, liebe, liebe Loretta."
Ruppert zog seine Jacke aus und hängte sie über einen Stuhl. "Ich muss mich jetzt ausziehen. Ich weiß, dass die Menschen ein Nacktheitstabu haben. Wenn es dich stört, dann dreh' dich besser um oder geh' kurz in einen anderen Raum."
Sie sah ihn an und wurde rot. "Ich geh mal Tee kochen. Magst du auch etwas?"
"Ja, eine Schüssel mit Wasser wäre nicht schlecht." Er zwinkerte ihr zu.
Loretta ging in die Küche. Als sie zurück kam, waren Rupperts Kleider ordentlich auf dem Stuhl gestapelt und auf der Wolldecke lag ein großer brauner Wolf und sah sie aus großen gelben Augen an.

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Der Altar des Nass-Wet
Einer der kuriosesten Tempel in Ankh-Morpork ist eines der Wachhäuser der Stadtwache.
Der, im Moment nicht sehr mächtige, Regengott Nass-Wet wurde der Legende nach beschworen, um ein Feuer im Wachgebäude zu löschen. Bekam als Dank einen kleinen Altar in der Wache, wo ihm einmal in der Woche 1 Flasche Soda geopfert wird.
Was beweist, dass auch Götter dem Glauben unterliegen, dem Irrglauben. Anhänger hat Nass-Wet keine, er existiert nur, weil einige wenige Menschen wissen, dass er existiert.
Man hat schon länger nichts mehr von ihm gehört. Frau Evadne Kuchen ist seit längerem darum bemüht die Schirmherrschaft über diesen Altar zur erringen. Eine Besichtigung ist nicht möglich.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork" sowie dem Wache-Archiv


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Die junge Frau am Empfangstresen grüßte ihn ehrerbietig. Eine der vielen freiwilligen Helferinnen aber an den Namen konnte er sich nicht erinnern. Egal. Sie war gesund. Fröhlich pfeifend verließ er den Tempel. Er hatte heute Nacht noch einen weiten Weg vor sich. Bis zum Wassertor musste er heute gehen um den Patienten zu besuchen. Ein ganz besonderer Fall.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand ihn gesehen hatte, klopfte er an das Tor des Stalls in dem der Patient hauste und auf die barsche Frage wer verdammt um diese Zeit noch anklopfe sagte er seinen Namen. Nach einem kurzen Moment wurde die Tür aufgerissen und ein Troll stand vor ihm, groß und mit rosa Sprenkeln übersät.


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Ruhige Atemzüge aus dem Nachbarzimmer verrieten Ruppert, dass Loretta eingeschlafen war. Er stand von der Wolldecke auf und streckte sich, dann lief er leise hinüber, legte sich vor das Bett und schlief ebenfalls ein. Als am frühen Morgen der Mond unterging spürte er ein Kribbeln in seinem Körper und wusste, dass er sich nun wieder in seine menschliche Gestalt verwandeln konnte. Sie schlief noch immer tief und fest. Er verwandelte sich und stand auf. Dann zögerte er kurz und legte sich dann vorsichtig neben Loretta auf die Bettkante. Das Holz des Bettrahmens drückte sich in seine Seite aber er beachtet die kleine Unbequemlichkeit nicht. Wie schön sie war, wie friedlich sie schlief, sogar ihr gelegentliches leises Schnarchen klang nett in seinen Ohren. Sonnenlicht leckte in das Schlafzimmer und wärmte Rupperts Rücken, kroch über seinen Körper und schien schließlich in Lorettas Gesicht. Sie zog die Nase kraus und öffnete verschlafen die Augen. Sie erschrak als sie Ruppert so nah bei sich liegen sah, dann bemerkte sie, dass er sorgfältig darauf geachtet hatte die Bettdecke zwischen sich und ihr zu belassen. Sie kicherte leise. "Hey, Ruppi, frierst Du nicht?"
Er küsste sie zärtlich.
"Doch, es ist eisig kalt." Er schwindelte ausgesprochen dreist, denn es war Hochsommer in Ankh-Morpork.
"Du Armer, dann komm doch lieber unter die Decke."

***


Ruppert betrat am späten Vormittag das Wachhaus und eilte gleich in sein Büro, wo Laiza schon an ihrem Schreibtisch saß und über eine Akte gebeugt war. Sie sah erstaunt, dass er keine Uniform trug, sondern relativ elegant in Zivilkleidung erschienen war. Er begrüßte sie, schien aber mit seinen Gedanken woanders zu sein.
"Guten Morgen, Ruppert, sind dir die Uniformen ausgegangen?"
"Wie - was? Ach, so, die Uniform ... ich habe den blöden Harnisch und überhaupt diese Uniform satt. Sie hat keinen Sinn und engt mich doch nur ein. Also lass ich sie weg. Ich muss sie ja nicht tragen."
Der Korporal schob ihm die Akte zu. "Eine neue Leiche. Diesmal ein Troll, was für Jack eine ganz schöne Herausforderung bedeutet. Heute morgen frisch eingeliefert. Er untersucht ihn unten im Karrenstall. Wollen wir runtergehen?"
Die beiden gingen die Treppe hinab und über den Hof zum Stall. Jack stand davor und sah sehr verwundert aus.
"Hast du etwas gefunden?", wollte Laiza wissen.
"Ich bin mir nicht ganz sicher ob es Mord war und wenn ob es derselbe Mörder war, denn dieser Troll war offenbar kerngesund. Er hatte nur recht frische Behandlungsspuren am Arm aber er trug den Anhänger. Gestorben ist er an einer Überdosis ziemlich über verschnittener Platte. Rib ist dabei zu untersuchen womit es verschnitten wurde. Vielleicht kommen wir so an den Dealer heran."
Ruppert hatte aufgehorcht als Jack von der Wunde am Arm sprach.
"Ist es ein großer Basalttroll mit rosa Sprenkeln?"
"Woher weißt du das"
"Dann ist er es? Er war vor ein paar Tagen noch in Behandlung im Paluksé-Tempel. Das passt nicht in das Schema der Morde. Ihm wurde etwas in den Arm eingebaut, aber die Mönche sagten es würde gut heilen. Nur die Farbe würde nicht mehr stimmen. Wir sollten seinen Arzt fragen, einen Bruder ... ich hab den Namen vergessen, aber das sollte ja kein Problem sein."
Laiza sah ihn nachdenklich an und meinte dann: "Kannst du an der Leiche vielleicht riechen wer sich an ihm zu schaffen gemacht hat?"
Ruppert nickte langsam und ging in den Schuppen. Nach einer Weile kam er heraus und zählte auf. "Also, Jacks Geruch ist ganz deutlich, dann der von Bushbibap und noch einem Rekruten aus der Kröselstraße. Die haben ihn vermutlich hierhergebracht?" Er sah Jack fragend an, der bestätigend nickte. "Und dann ist da noch ein Geruch, der mich an den von Jack erinnert, nein, nicht an Jacks Geruch, sondern mehr an seinen 'Dienstduft'. So riecht er wenn er sein Arbeitszimmer hügienisch macht."
"Nach Desinfektionsmittel?"
"Genau. Alle Ärzte verwenden es, nicht wahr? Und es verdeckt jeden Eigengeruch. Ob Absicht oder Zufall, unser Mörder verdeckt so seinen eigenen Geruch."
"Kannst du denn diesen Geruch nicht verfolgen?"
"Nein, vielleicht wenn ich kurz nachdem er wegging anfinge ihm zu folgen."
"Also wieder eine Spur die uns nicht weiter bringt?"
"Ich befürchte ja."
"Also bitten wir von Grauhaar jemanden los zu schicken um diesen Trolldoktor zu verhören."

***


Am Nachmittag hatte sich Ruppert mit Loretta verabredet. Zuerst würde er Lilli aufsuchen und danach hatte er sich frei genommen. Laiza hatte ihn zwar merkwürdig angesehen und etwas von "... stecken mitten in einem Fall ..." gemurmelt, sonst aber nichts eingewendet.

Am Empfangstresen saß diesmal eine andere Frau. Ruppert grüßte freundlich und ging in den Krankensaal. Lilli stand neben einem Fenster in der Sonne und sah ihn an. Er winkte ihr zu aber sie reagierte nicht. Ruppert ging zu ihr.
"Hallo, Tricia."
Keine Reaktion.
"Haaaallo!"
Keine Reaktion. Er streckte seine Hand aus und rüttelte an ihrer Schulter. Sie machte die Augen zu und wachte auf. Als sie Ruppert erkannte reichte sie ihm den Notizblock. 'Iche whil hiehr raus'
Der Werwolf bemerkte, dass sie jetzt auch einen Palukséanhänger trug.
"Was ist denn passiert?"
Lilli machte Gesten und verzog das Gesicht.
Sie zeigt auf sich.
"Du?"
Sie machte mit zwei Fingern die Bewegung von laufenden Beinen.
"Gehen?"
Sie nickte heftig.
"Du willst hier raus?"
Erneutes heftiges Nicken.
Ruppert seufzte.
"Ja, das hast du schon aufgeschrieben. Ich sag dir was: Du bleibst heute Nacht noch hier. Morgen Vormittag hole ich dich ab. So lange hältst du schon noch durch. Irgendwas wirst du doch hier herausfinden können. Und wenn nicht, dann leg dich halt ins Bett und tu so als ob du schläfst. Vielleicht hörst du dann irgendwas."
Lilli schüttelte energisch den Kopf.
"Das ist ein Befehl!"
Das Kopfschütteln hörte abrupt auf und Lilli marschierte zu ihrem Bett und legte sich hin. Ruppert sah, dass sie die Augen fest zugekniffen hatte und wusste, dass er von ihr nichts mehr erfahren würde.

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Loretta saß auf der Bank am See und erwartete ihn bereits. Als sie ihn sah stand sie auf und lief ihm entgegen und in seine weit geöffneten Arme. Ein Dieb wollte die Gelegenheit nutzen und ihre Tasche leeren, aber ein Kollege zog ihn auf die Seite. "Bist du verrückt?", zischelte er, "Das ist doch dieser verdammte Werwolf von der Wache."
Loretta und Ruppert besuchten die Kunstgalerie der Stadt und hörten amüsiert einem trollischen Führer zu, der ein sehr klares Verständnis von Kunst hatte: "... das sein Bild von Frau, ich glaube der Künstler nicht wusste, wie man malt ein richtiges Lächeln, aber der Rahmen sicher den einen oder anderen Blick wert ist ..."[16]
Ruppert hatte aber hauptsächlich nur Augen für Loretta und Loretta genoss die Aufmerksamkeit, die ihr Ruppert entgegenbrachte.

Am Abend, beide hatten sich zu Hause fein gemacht, führte Ruppert Loretta in den Hahnen-Club, eines der eleganteren Speiselokale der Stadt, am Rande des Henne-und-Küken-Feldes. [17]
"Erzähl mir von deiner Arbeit", bat Loretta.
"Was soll ich erzählen. Ich bin Okkultismusexperte und versuche mich zurzeit auf die Orden und Kulte hier in der Stadt zu spezialisieren. Ich habe schon dutzende Tempel besucht und viele, na ja, sagen wir mal praktizierende Anhänger, kennen gelernt. Die wenigsten sind so nett und freundlich wie die Paluksérianer und ihr Abt Kor Adlon."
"Ach ja, der Arme."
"Wieso, ist etwas passiert?"
"Ja, er hat sich heute Morgen den Arm gebrochen."
"Wie ist das denn passiert?"
Loretta zuckte mit den Achseln. "Ich weiß es nicht. Ich habe es nur von einer Freundin gehört." Sie kicherte. "Er soll sehr ungeduldig als Patient sein, habe ich gehört. Aber lenk bitte nicht ab und erzähl mir mehr von deiner Arbeit und von deinen spannenden Abenteuern." Sie himmelte ihn gespielt mit großen Augen an und musste schließlich selber lachen.
"Ach, das Meiste ist Routine, viel Schreibkram, viele Anfragen, viel Studieren, viel Lesen. Den Wirt hier, Herrn Ogg, habe ich bei einer der spannenderen Sachen kennengelernt. Ich stelle ihn dir vor."
Ogg kam nämlich gerade an den Tisch. Ruppert stand auf und machte die beiden miteinander bekannt.
"Jeremiah, Loretta ist ganz gespannt darauf, dass du ihr von unserem kleinen Abenteuer erzählst. Wenn du etwas Zeit hast, setz dich zu uns."
Ogg sah sich um und weil an diesem Abend nur wenige Gäste da waren setzte er sich mit einem strahlenden Lächeln an den Tisch und begann zu erzählen ...

Am nächsten Morgen wachte Ruppert mit brummendem Schädel auf. Es war spät geworden im Hahnen-Club, denn Jeremiah hatte nicht aufgehört zu erzählen und Loretta war vollkommen hingerissen gewesen. Jetzt lag sie neben ihm und schlief noch fest. Ruppert stand leise auf, zog sich an und ging die Treppe hinunter in seine Küche. Sie waren spät in der Nacht in seine Wohnung in die Teekuchenstraße gegangen, weil sie ein gutes Stück näher am Hahnen-Club lag als Lorettas Wohnung. Ruppert heizte den Herd an, setzte Wasser auf und ging dann noch ein Stockwerk weiter nach unten zum Bad. Nach einigen Kannen kalten Wassers über den Kopf geschüttet waren die Kopfschmerzen verschwunden. Dann verließ er seine Wohnung und besorgte beim nächsten Bäcker frisches Brot und Brötchen, machte einen kleinen Besuch beim Metzger und Obsthändler und kehrte mit vollen Taschen nach Hause zurück. In der Küche kochte das Wasser bereits und er goss eine Kanne Kaffee und eine mit Tee auf. Als er noch überlegte ob er Loretta wecken sollte, kam ihre leicht verschlafene Stimme von oben. "Ruppi, was machst du so früh schon auf, komm her und nimm mich noch ein bisschen in den Arm." Lächelnd lief er nach oben.

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Ein fröhlich pfeifender Okkultismusexperte betrat am frühen Vormittag das Wachhaus am Pseudopolisplatz.
"Guten Morgen, Guten Morgen!", rief er den beiden wachhabenden Rekruten zu.
Die sahen ihn verdutzt an und grüßten dann eher förmlich zurück.
"Hallo, Kathi, alte Freundin, wie geht's heut' Morgen?" Er griff nach der Knallpulverexpertin, die ihm in der ersten Etage entgegenkam und wirbelte sie im Kreis herum. Bevor sie sich entschieden hatte ob sie lachen oder schimpfen sollte, war er schon im zweiten Stock verschwunden und betrat schwungvoll sein Büro.
"Guten Mo...!" Niemand war da.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann den kleinen Berg Post zu bearbeiten.
Laiza betrat eine gute Stunde später das Büro und sah ihn vor sich hinpfeifend am Schreibtisch sitzen. Sie sah übernächtigt und müde aus.
"Auch mal wieder da, Himmelfleck?"
Aber Ruppert hatte nicht vor sich die gute Laune verderben zu lassen. Sollte sie doch grantig sein.
"Jawohl, gnädige Frau Chäfin. Mit Verlaub, du siehst ziemlich malad aus."
Laiza plumpste in ihren Schreibtischstuhl. "Ja, so fühle ich mich auch."
"Soll ich dir einen Tee kochen oder aus der Kantine holen?"
Laiza sah ihn verblüfft an. Das hatte er ihr noch nie angeboten. "Was ist denn mit dir los? Bist du verliebt?" Sie musste lachen.
Ruppert stand auf und salutierte in der vollkommen übertriebenen Art, die sie als seine GRUND-Ausbilderin gehasst hatte. "Jawoll, Mä'am, ich bin verliebt, flix-flux-flax-florian!"
Laiza freute sich für ihren Kollegen, der ihr immer wie ein einsamer Wolf vorgekommen war. Gleichzeitig spürte sie selbst wieder den Schmerz ... Aber sie konnte ihn ertragen, das hatte sie inzwischen gelernt.
"Das ist schön für dich. Aber mal davon abgesehen, was macht unser Fall mit den merkwürdigen Morden? Grauhaar stichelt schon und sie wollen den Fall wieder übernehmen. Hat diese Baum etwas herausgefunden?"
"Nein. Lilli scheint nicht gerade eine Leuchte zu sein. Das einzige was sie bemerkt hat ist, dass die Kranken zu Paluksé bekehrt werden sollen und mehr oder weniger alle zumindest so einen Anhänger annehmen, wie ihn auch die Ermordeten getragen haben. Ich wollte sie heute abziehen. Vielleicht kann sie woanders nützlicher sein - wenn ich auch beim besten Willen nicht weiss wo."
"Vielleicht ist der Tempel ja auch eine Sackgasse. Erzähl mir mehr von diesen Leuten."
"Ich lese dir erst mal etwas vor:"
Ruppert kramte ein zerlesenes Bändchen aus seiner Jackentasche.

Der Tempel des Paluksé
Palukse ist ein Gott des Heilens. Der große Tempel in Ankh-Morpork in der Salisstraße am Apothekergarten widmet sich daher auch vor allem der Heilung der Kranken. Viele der Mönche und Nonnen, die in zwei getrennten Konventen neben dem Tempel leben, sind ausgebildete Ärzte oder Pfleger. Sie sehen ihre Aufgabe darin durch Heilungen von Krankheiten die Wesen, die sie heilen, zu ihrem Gott bekehren.
Der Tempel ist ein zweigeschossiger Bau, mit zwei großen Sälen, in den die Kranken liegen, einem großen Saal im zweiten Stock, in dem die Gottesdienst abgehalten werden sowie vielen kleinen Kammern und Räumen, die der Diagnose und Therapie dienen.
Die beiden Krankensäle sind an ihrer Frontseite mit monumentalen Gemälden geschmückt, die die Taten des Gottes zeigen. Der große Gottesdienstsaal ist prächtig mit Gemälden, goldenen Säulen mit dicken Engelchen und anderen Verzierungen ausgestattet. Eine Besichtigung ist jederzeit möglich.
Die anschließenden Konvente, die auch eine große Bibliothek hauptsächlich mit Werken über Heilkunde beherbergen, können nicht besichtigt werden.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


"Die Geschichte des Ordens ist ziemlich unspektakulär. Paluksé ist vor etwa dreihundert Jahren einem wandernden Arzt erschienen und hat ihm ein Buch diktiert. Im Gegensatz zu den meisten anderen Göttern verzichtete Paluksé darauf Regeln und Gebote zu diktieren. Er beschränkte sich darauf Heilrezepte und sonstiges Arztwissen zu verkünden. Dieser Arzt, ein Mann aus Sto Helit, gründete den Orden und erließ die entsprechenden Regeln, die alles in allem sehr maßvoll sind. Vor etwa 50 Jahren gab es so eine Art Teilung und das ganze wurde ziemlich hässlich. Es kam wohl zu Blutvergießen, aber die Sache war nach ein paar Wochen beigelegt. Mehr kann ich dir jetzt auch nicht sagen."
"Das mit der Teilung interessiert mich. Worum ging es dabei?"
"Keine Ahnung. Meinst du es ist wichtig?"
Laiza wiegte den Kopf. "In diesem Stadium der Ermittlung kann alles wichtig sein. Finde es bitte heraus."

***


Bruder Blinzel betrachtete den hochgewachsenen Wächter nachdenklich.
"Herr von Himmelfleck, es ist leider nicht möglich dir zu helfen."
"Warum nicht? Dürfen die entsprechenden Berichte nicht gelesen werden?"
"Es gibt keine Berichte. Damals wurden alle Aufzeichnungen vernichtet. Alle schämten sich wohl für die schlimmen Dinge, die geschehen waren, Herr."
"Was für schlimme Dinge?"
"Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Vielleicht weiss es einer der alten Mönche im Konvent. Einige waren schon damals in der Stadt. Aber sie werden nicht darüber reden wollen."
"Egal, wen könnte ich fragen?"
"Lass mich überlegen. Bruder Kori ist sehr alt. Und natürlich unser Abt."
"Ist der Abt nicht krank? Ich möchte ihn nicht stören. Wo finde ich Bruder Kori?"
"Er ist bestimmt im Garten bei den Kräutern. Er war früher unser Kräutermeister."
Der Bibliothekar führte Ruppert aus dem Tempel heraus in den gegenüber liegenden Apotheker-Garten. Dort war ein großes Stück von einer Mauer abgetrennt, deren Tor offen stand.
"Bruder Kori, das ist der Wächter Ruppert von Himmelfleck. Leider kann ich ihm nicht helfen, bitte versuche du es."
Dann verneigte er sich lächelnd zuerst vor dem alten Mönch, dann vor Ruppert und ließ die beiden allein im Garten.
Der alte Mönch war ein großer, ausgemergelt wirkender Mann, der gebeugt ging. Er stützte sich auf einen gedrechselten Stock aus Rotbaumholz.
Als er Ruppert ansah bemerkte dieser hellwache Augen in einem faltigen und gütigen Gesicht.
"Wie kann ich dir helfen, Freund?"
"Es ...", Ruppert unterbrach sich und fragte ungläubig: "Du hast Wolfskraut in deinem Garten?"
"Oh, ein Kenner! Ja, es ist mir gelungen dieses Kraut fern seiner Heimat zu kultivieren. Tatsächlich ist es eine Liebhaberei, denn es hat keinerlei Heilwirkung."
Ruppert verschluckte sich und musste husten. Wolfskraut, das nur an einigen wenigen Stellen in Überwald wuchs[18], war ein wunderbares Heilkraut bei Verletzungen die mit silbernen Waffen zugefügt wurden. Nur sehr reiche Werwölfe konnten es sich leisten einen kleinen Vorrat an getrockneten Kräutern zu besitzen. Und hier blühte ein ganzes Beet davon. Er zögerte - sollte er dem Mönch davon erzählen?
"Nuuuun, so ganz ohne Heilwirkung ist es nicht.", begann er langsam. "Genau genommen hat es eine enorme Heilwirkung. Bei Werwölfen zumindest."
Kori sah ihn ungläubig an. "Wie soll ein Heilkraut bei Werwölfen wirken. Sie verfügen doch über eine enorme Selbstheilungskraft."
"Aber sie haben eine Schwäche. Silber kann sie verletzen und töten."
Ruppert zog aus seinem linken Stiefel seinen Silberdolch.
"Ich zum Beispiel bin ein Werwolf."
Kori nickte lächelnd.
"Dies ist ein Dolch aus Silber. Durch seine Weichheit nicht sehr nützlich im Nahkampf, es sei denn der Gegner ist auch ein Werwolf."
Jetzt sah der Mönch ernster aus.
"Darf ich?" Ruppert nahm ein paar Blätter in die Hand und riss sie ab als der Mönch nickte. Dann setzte er das Messer an den kleinen Finger seiner linken Hand.
"Nein!", rief der Mönch erschrocken aber Ruppert zog das Messer über den Finger.
Es war kein tiefer Schnitt. Genau genommen wurde die Haut nur eingeritzt, aber Ruppert musste an sich halten um nicht zu schreien. Für ihn fühlte es sich an als wäre ein glühendes Eisen tief in seinen Finger eingedrungen. Ein Brennen, dass sich heiß anfühlte aber gleichzeitig auch glühend kalt. Er ließ den Dolch fallen und presste schnell den Saft aus den Pflanzenblättern auf die kleine Wunde. Kori sah fasziniert zu als sich der Riss in der Haut schloss, verblasste und schließlich nicht mehr zu sehen war.
"Das ist unglaublich", sagte er verblüfft. "Und ich dachte immer das sei ein nutzloses Kraut und habe es aus reinem Interesse versucht hier anzubauen." Er schüttelte den Kopf. "Kannst du mir mehr darüber erzählen?" Der alte Mann nahm Ruppert am Arm und zog ihn zu einer Bank, die von einem großen Baum beschattet wurde.[19]
Nach einer guten Stunde verebbte das Gespräch allmählich und Ruppert versuchte nun seinerseits die Informationen zu erhalten wegen denen er eigentlich gekommen war.
"Kori, ich würde das Gespräch gerne einmal fortsetzen. Aber jetzt bin ich eigentlich dienstlich hier um ein paar Informationen von dir zu bekommen. Der Bibliothekar[20] meinte, dass du mir etwas über die Zeit vor fünfzig Jahren erzählen könntest. Als es zur Spaltung des Ordens kam."
Kori rümpfte die Nase. "Wir reden nicht gerne darüber. Es war eine schlimme Zeit und wir alle waren wie ausgewechselt." Nachdenklich sah er ins Leere. Und er erinnerte sich.

Rückblende - ca. 50 Jahre vorher
"Ich gehe dahin, um diesen Pfuhl der Verderbtheit und der Sünde zu bekehren. Ihre vom Herrn abgewandten Geister vor all dem Bösen und dem Irrglauben zu befreien, der sie verwirrt und quält. Ihnen als leuchtendes Vorbild zur Seite zu stehen und sie als erhabener Schäfer zurück in die Herde der Gläubigen und zurück in die Wertegemeinschaft zu geleiten." [21]
Der junge Mann, der dies mit inbrünstiger Überzeugung gesagt hatte lehnte sich erschöpft an die Wand und sah in die glühenden Gesichter seiner Freunde. Sie alle waren in die Ordenstracht der Paluksérianer gekleidet. Sie waren jung, fast alles Männer, nur eine Frau. Und sie hatten erkannt was die Alten sich nicht zu erkennen trauten. Paluksé war kein weichlicher Gott, der Heilung als laue Abendgabe schenkte.
Sie begannen zu skandieren "Würdig! Würdig! Würdig!"
Einer sprang auf, ein kleiner Mann mit leuchtend blondem Haar. "Lasst uns nach Ankh-Morpork aufbrechen und dort die wahre Lehre verkünden."


"Ich war dabei als es begann. Ja, ich war dabei. Damals lebten im hier Tempel fast einhundert Mönche und Nonnen. Sie waren Heilerinnen und Heiler und sie pflegten Menschen aus allen Schichten. Nichtmenschen gab es damals kaum in der Stadt. Wer hatte schon einen Zwerg gesehen? Trolle schienen für viele ein Ammenmärchen zu sein. Und dann kamen etwa ein Dutzend junger Novizen in den Tempel. Sie wurden freundlich aufgenommen aber es stellte sich bald heraus, dass sie gefährliche Gedanken hegten.

Rückblende - ca. 50 Jahre vorher
Während des Abendessens, an dem nach Möglichkeit alle Brüder und Schwestern teilnahmen, war es üblich aus dem Buch des Paluksé vorzulesen. An diesem Abend war es Dalk Roon der zum Lektorendienst bestimmt war. Er begann zu lesen.
"Höret die Worte des großen Paluksé. Ich bin Paluksé, ich heile wo andere verletzen. Ich-bin-der-heilt. Wo ich wirke ist Heilung. Und Heilung ist dort wo ich wirke. Ich bin ein gnädiger Gott, ich zürne nicht den Ungläubigen. Ich bin ein wahrer Gott, nichts ist mir unmöglich. Ich bin ein eifriger Gott, nichts kann mich ermüden. Ich bin ein gerechter Gott, ich heile nicht wo Heilung unwürdig ist. Ich bin ein liebender Gott. Ich liebe alle Wesen seien sie auf der Erde, seien sie unter der Erde oder seien sie Erde."
Mit einem lauten Knall schlug er das Buch zu und alle Anwesenden sahen erstaunt zum Lesepult auf.
"Ihr habt es gehört. Paluksé, gelobt sei sein Name, ist ein gerechter Gott. Er heilt die er liebt und der heilt nicht die Unwürdigen. Er hat uns die Aufgabe erteilt in seinem Namen und mit seinem Wissen zu heilen. Und das tun wir. Aber erfüllen wir unsere ganze Pflicht? Nein, das tun wir nicht! Wir sind lau und schlapp. Wen wir nicht heilen können, der geht nach Hause. Sogar noch mit unserem Segen."
Den letzten Satz hatte er voller Verachtung gesprochen.
"Dabei sagt der große Gott ganz klar, dass diejenigen, die nicht geheilt werden unwürdig sind. Unwürdig!" Er spuckte das letzte Wort geradezu aus.
"Und so ist es unsere Pflicht den Willen des Gottes zu erkennen. Wer nicht geheilt wird ist unwürdig. Es ist nicht gerecht, dass er leben darf. Wen wir also nicht heilen können ... den müssen wir töten! Leben darf nur der Würdige!"
"Würdig! Würdig! Würdig!" Seine Freunde waren aufgesprungen und reckten die Fäuste. Der alte Abt stand auf und ging schwer auf seinen Stab gestützt zum Rednerpult. Dort schlug er mit so viel Kraft, wie sie ihm niemand mehr zugetraut hätte, den unseligen Dalk Roon zu Boden.
"Blasphemie!", rief er aus und das waren seine letzten Worte, denn die Anhänger Roons stürzten sich auf ihn und die Frau, eine wahre Furie, stach ihn mit ihrem Fischmesser nieder.


"Mit ihrem Fischmesser! Stell dir das vor. So viel Hass und so viel Überzeugung."
Kori schüttelte traurig den Kopf.
"Der Abt war tot und Roon war von dem Schlag, der ihn mit dem schweren Stab auf den Schädel getroffen hatte so schwer verletzt, dass niemand ihm eine Überlebenschance gab.
Ich will es kurz machen. Die jungen Leute wurden eingesperrt, konnten sich befreien und schlichen sich in die Krankensäle, wo sie Todkranke erstachen. Als die anderen das mitbekamen liefen alle hinzu und es entbrannte ein Kampf, bei dem alle Anhänger der gefährlichen Gedanken ums Leben kamen und mit ihnen viele Mönche und Nonnen. Dalk Roon - als Einziger - überlebte.
Ich war dabei. Es war schlimm. Wir schämten uns so sehr, dass fast alle ihre Bündel packten und aus der Stadt gingen. Es dauerte viele Jahre bis der Tempel wieder seiner Aufgabe nachkommen konnte.
Und alles nur weil diese armen Novizen eine Zeile aus dem Buch falsch auslegten."
In Rupperts Hinterkopf klingelte etwas. Etwas, das der alte Mönch ihm erzählt hatte war wichtig gewesen, aber er kam nicht darauf was es gewesen war.

Die beiden Männer saßen noch lange schweigend nebeneinander. Dann begleitete Ruppert den Alten ins Kloster und ging nachdenklich zurück ins Büro. In seiner Tasche steckte ein Bündel Wolfskraut, das ihm Kori geschenkt hatte und mit dem er seine noch immer schmerzenden Wunden aus dem Kampf im Bel-Shamharoth-Tempel behandeln wollte.

***


"... und das ist die Geschichte der Spaltung." Ruppert lächelte ironisch. "Vielleicht die kürzeste Spaltung der Geschichte aller Kirchen. Und bestimmt nicht einmal die blutigste."
Laiza nickte nachdenklich und kitzelte mit ihrem Stift die fleischfressende Pflanze auf ihrem Schreibtisch. "Das erklärt doch einiges, nicht wahr, Ruppi?"
Ihr Kollege nickte zustimmend. "Ja, entweder gibt es wieder eine Spaltung im Orden oder jemand will, dass es so aussieht."
"Das heißt auch, dass wir Lilli noch dort lassen müssen. Sie soll endlich aktiv werden und nicht nur in der Ecke stehen und schlafen. Sag ihr das."
"Lilli! Großer Schöpfer, die habe ich ganz vergessen. Ich hatte ihr doch versprochen sie heute heraus zu holen." Er schlug sich mit der Hand vor den Kopf und sprang auf. "Bis später, Laiza!"

***


Der Tempel der Deschawü
Deschawü ist die Göttin des immer wiederkehrenden Erinnerns und gilt als Schutzgöttin geschickter Handwerker ohne eigene Ideen. Zu den Anbetungsrufen der Gläubigen gehören die Worte "Das hab ich schon mal gesehen" und "Das kommt mir aber bekannt vor" und "Wo haben wir uns schon einmal gesehen?". Im Pantheon der Götter der Scheibenwelt erntet sie häufig Irritation, denn ihre göttliche Ausstrahlung verwirrt auch die anderen Götter.
Der Tempel liegt vor den Toren der Stadt an der Straße nach Sto Helit. Eine Beschreibung erübrigt sich, denn wer den Tempel besucht kommt aus den bereits erwähnten Anbetungsrufen nicht heraus.
Es ist üblich, dass Reisende die zum ersten Mal in die Stadt kommen dort ein kleines Opfer ablegen. Diejenigen, denen es gelingt die Stadt wieder zu verlassen, vergessen normalerweise nicht ein viel größeres Opfer zu hinterlegen. Trotzdem zieht es bekanntlich die meisten Besucher immer wieder nach Ankh-Morpork. Der in den letzten Jahren zunehmende Zuwandererstrom hat die Priesterschaft dazu bewogen auch an den anderen Straßen kleinere Tempel zu errichten.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Am Empfangsschalter stand Loretta und die beiden lächelten sich an.
"Hast du solche Sehnsucht nach mir?", flüsterte sie.
Ruppert lachte leise und erwiderte: "Ich habe immer Sehnsucht nach dir, kleine Welpe, aber eigentlich bin ich hier um meine ... um Laetricia zu besuchen. Dich zu sehen macht die Sache allerdings noch schöner."
"Dann geh hinein. Ich habe hier ohnehin viel zu tun." Sie deutete auf die kleine Schlange, die hinter Ruppert stand.
Der verliebte Werwolf nickte ihr lächelnd zu und betrat den großen Krankensaal. Lilli stand neben einer der Schwestern und half eifrig mit ein Bett unter dem Körper der Patientin neu zu beziehen.
Ruppert ging auf sie zu und berührte sie sanft am Arm. Sie sah ihn an und kramte sofort ihren Schreibblock heraus und deutete auf den Text vom Vortag: 'Iche whil hiehr raus'.
"Komm bitte mit in den Garten."
Lilli folgt ihm langsam. In einer schattigen Ecke saßen ein paar alte Frauen und spielten Karten.[22]
Die beiden Wächter stellten sich an andere Ende des Gartens, in die pralle Sonne, und Ruppert sagte: "Also, ich weiss, dass ich gesagt habe, dass ich dich heute hier heraushole, aber es hat neue Erkenntnisse gegeben. Wir sind nun ziemlich Sicher dass eine oder mehrere Personen aus dem Tempel etwas mit den Morden zu tun haben. Du musst noch hierbleiben. Und du musst endlich aktiver werden. Hast du mich verstanden?"
Lilli sah ihren zeitweiligen Vorgesetzten ausdruckslos an.
'Dieser ... Borkenkäfer [23]... hat mich angelogen. Jetzt muss ich noch länger hierbleiben. Und was heißt hier aktiver werden? Ich wechsle das Fenster je nach Sonnenstand. Und ich habe schon einige interessante neue Sachen gelernt. Was kann ich dafür, dass hier niemand ermordet wurde?'
"Lilli, es tut mir sehr leid, aber ich kann dich noch nicht herausholen. Versuche herauszubekommen ob in letzter Zeit Leute entlassen wurden, die unheilbar waren oder mit starken Verkrüppelungen entlassen wurden. Irgendwo muss es doch eine Stelle geben wo die Krankenakten aufbewahrt werden. Ich kann nicht offiziell anfragen, denn sonst würden wir den Täter warnen."
Die verdeckte Ermittlerin nickte widerwillig und schrieb etwas auf den Block. 'Heute Nacht'.
Ruppert war sehr über den Eifer erstaunt und noch viel mehr über die korrekte Rechtschraipunk.
"Ich habe mir von DOG einen Miniaturikonographen ausgeliehen. Benutze ihn um die Dokumente zu ikonographieren."

***


Der Tempel des Paluksé war rund um die Uhr geöffnet. Zwar war es für gewöhnlich in der Nacht ruhiger (die Opfer der Nacht wurden selten vor dem Frühstück eingeliefert) aber immer mussten Kranke versorgt werden und auch eine Notaufnahme war immer besetzt.
Zwei Stunden nach Mitternacht wurde es sehr ruhig auf der Krankenstation. Lilli stand leise auf und spähte nach der Nachtschwester, die an einem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes saß. Ihr Kopf war auf die Tischplatte gesunken und sie schnarchte friedlich vor sich hin. Die verdeckte Ermittlerin schlich sich leise zur Eingangstür des Saals und blickte durch einen Spalt. Am Empfang saß ein Novize des Ordens und las aufmerksam in einem dicken Buch. Mitunter notierte er sich etwas in ein Heft, das neben ihm auf dem Tresen lag.
Lilli schlich sich in den Trakt mit den Behandlungsräumen und begann im Licht einer Kerze die Räume zu durchsuchen. Einmal liefen einige Personen schnell an dem Raum vorbei in dem sie gerade arbeitet und sie blies schnell die Kerze aus. Leise Rufe ließen sie ahnen, dass ein Notfall eingeliefert worden war. Als es wieder ruhiger geworden war, schlich sie in den nächsten Raum und sah eine ganze Wand voller Akten. Sie öffnete eine und stöhnte als sie sah, dass es eine Krankenakte war. Hier mussten tausende Akten liegen. Wie sollte sie nur irgendetwas herausfinden?
Wahllos griff sie einige Papierbündel heraus und stellte schnell eine Systematik fest. Die blauen Aktenordner enthielten Akten über Patienten die geheilt wurden[24], es gab roten Aktenordner die von Patienten berichteten, die mehr oder weniger nicht geheilt wurden und es gab weiße Ordner über im Hospital Verstorbene.
Sie griff in den Ausschnitt ihres Nachthemdes und holte die kleine Metallkiste heraus, die sie von Ruppert bekommen hatte. Sie öffnete den Schieber und deutete auf ein Dokument das vor ihr auf dem Schreibtisch lag.
Nach wenigen Sekunden ertönte leise Stimme kam aus dem Kasten: "Bingo!"
Lilli runzelte die Stirn. Was sollte das jetzt bedeuten? Sie deutete noch mal auf das Dokument und das Stimmchen sagte: Bingo! Ich mach dich darauf aufmerksam, dass ich nicht viel Papier bei mir habe. Aber ich bemale gern alles mit demselben Bild."
Also schien Bingo eine Bestätigung zu sein, dass die Aufnahme gemacht war. Sie öffnete die nächste Akte und etliche Bingos später verkündete der kleine Daemon in der Kiste. "Ich habe kein Papier mehr. Bitte öffne Schubfach (Abb. 3) und entnehme die fertigen Ikonographien. Danach neues Papier in Schubfach (Abb. 4) einlegen und 2 Gramm Salami in Schubfach (Abb. 1) stecken." [25]
Die verdeckte Ermittlerin hängte sich das Kästchen wieder um den Hals und schlich zurück in ihr Bett. Niemand hatte sie bemerkt. Zumindest war sie sich da sicher.

***


Nach dem Besuch bei Lilli hatte Ruppert nachgefragt ob er den Abt besuchen konnte aber es war ihm verwehrt worden. Der Abt wolle keinen Besuch und er, Ruppert, möge doch in ein paar Tagen wieder vorbeikommen.
Also ging er gemächlich zurück zum Wachhaus und verbrachte die Zeit bis zum Feierabend in seinem Büro.

Spät in der Nacht, als er in seinem Bett lag, dachte er nach. Über Loretta vor allem. Aber auch über seinen bevorstehenden Prozess. Das Misstrauen, dass die Kollegen gegen ihn entwickelt hatten nahm er sehr deutlich wahr. Aber seitdem er Loretta kannte war ihm das egal. Er kannte sie jetzt gerade drei Tage und konnte sich ein Leben ohne sie schon nicht mehr vorstellen. Sie hatte für diesen Abend eine Verabredung mit einer Freundin gehabt, die sie nicht absagen konnte. Er würde sie erst morgen Abend wieder sehen.
... Morgen Abend ... Loretta ...
Ruppert schlief ein.

***


Am nächsten Morgen ging Ruppert direkt von seiner Wohnung zum Tempel. Er war sehr gespannt ob Lilli etwas erreicht hatte. Allerdings war er sich sicher, dass sie die Nacht geschlafen hatte und sonst nichts.
Am Empfang saß ein schläfrig aussehender Novize, der ihn freundlich begrüßte. Als er hörte, dass Ruppert eine Patientin besuchen wollte zögerte er und meinte, dass eigentlich erst nach dem Frühstück die Besuchszeit begann, aber Ruppert ließ ihn einfach stehen und ging in den großen Schlafsaal. Lilli stand wie so oft an einem Fenster und sah hinaus. Als sie den Kollegen herein kommen kam, ging sie auf ihn zu und zeigte ihm sofort den Zettel. Ruppert rollte die Augen und fragte sie: "Hast Du etwas entdeckt?"

Stolz gab Lilli Ruppert ein Päckchen in dem der Ikonograph steckte. Sie nickte heftig.
"Du hast Bilder gemacht? Von Dokumenten?
Nicken
"Von nützlichen Dokumenten?"
Nicken
"Na gut, dann gehe ich jetzt mal."
Starrer Blick und empörtes Armrudern.
"... und rede mit dem Arzt. Ich denke in einer Stunde sind wir wieder in der Wache."
Erleichtertes und heftiges Kopfnicken.

Der Heiler Treponema saß schon in seinem Büro als Ruppert hereinkam.
"Guten Morgen."
"Gelobt sei der große und freundliche Paluksé", erwiderte der Mönch den Gruß mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
"Ach ja - ähm ... er ist freundlich, seine Gnade währet ewiglich und er verwandelt die Krankheit. Oder so. Entschuldige bitte."
"Höflichkeit, mein junger Freund, ist etwas sehr Wichtiges. Aber ich gebe zu, dass man sie auch übertreiben kann. Was kann ich für dich tun?"
Ruppert, der wieder in Zivil unterwegs war, erzählte, dass er der Freund von Laetricia Tannengrün sei und sie mit nach Hause nehmen wolle, da ihr offenbar auch hier nicht geholfen werden könne.
Der Arzt suchte die entsprechende Akte heraus und überflog sie. Dann nickte er zustimmend. "Deine Freundin ist tatsächlich gesund. Nur, dass sie eben nicht spricht. Unsere Diagnose ist etwas vage, aber wir vermuten, dass ihr Beruf sie verändert hat, aus einem redseligen Menschen einen schweigenden gemacht hat. Wenn du tatsächlich ihr Freund bist", er musterte Rupperts farbenfrohe Kleidung skeptisch, "und nicht ihr Arbeitgeber, dann hilf ihr einen anderen Beruf zu finden."
"Ja, ich glaube du hast recht. Dieser Beruf ist tatsächlich nicht das Wahre für sie." Ruppert nickte weise.
"Gut, hier nimm bitte diesen Bogen und gib ihn der Krankenschwester im Saal. Sie wird alles für Frau Tannengrüns Entlassung vorbereiten. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss noch arbeiten."
Ruppert stand auf und verneigte sich leicht. "Vielen Dank für deine Hilfe. Ich werde mich erkenntlich zeigen."
Der Arzt nickte abwesend und bekam schon nicht mehr mit, dass der Wächter sein Zimmer verließ.
Nach einer Weile bemerkte er, dass die Akte von Lilli noch immer auf dem Schreibtisch lag. Er zögerte kurz und steckte sie dann in einen roten Ordner.

***


Als die beiden Wächter am Pseudopolisplatz ankamen machten die Rekruten am Empfang große Augen. Lilli, die das geliehene Kleid anhatte und Ruppert in seiner dandyhaft bunten Kleidung ignorierten sie und gingen die Treppe nach oben.
Im ersten Stock ging Lilli ohne Ruppert weiter zu beachten direkt in ihr Büro. Ophelia saß an ihrem Lieblingsplatz gegenüber der Eingangstür und sah erstaunt auf als eine stämmige junge Frau in knappem Kleid durch die Tür kam. Dann erkannte sie Lilli und grinste.

Ruppert ging noch eine Etage höher und betrat das Büro. Laiza war nicht da, hatte aber einen Zettel auf seinen Schreibtisch gelegt: "Bin gegen Mittag zurück, Ärger im Tempel des Solala."
Ruppert öffnete den Ikonographen und holte die Bilder heraus. Sie waren winzig aber gestochen scharf. Mit einer starken Lupe, die ihm DOG als Zubehör ausgehändigt hatte, las er die Akten. Lilli hatte nur jeweils die erste Seite ikonographiert, auf der Name, Adresse und der Grund für die Entlassung aufgeführt waren. Der Werwolf war überrascht, dass sie offenbar nachgedacht hatte und beschloss sich von ihrer trägen Art nicht mehr täuschen zu lassen. Offenbar war sie viel intelligenter als er gedacht hatte.
Er begann die Daten in eine Liste zu übertragen und stieß bald auf einen bekannten Namen. Biegmich Kreuzgut, ein Schreiner, der durch einen Unfall die rechte Hand verloren hatte. Er war erstickt worden. Seine Vermieterin hatte ihn mit blau angelaufenem Gesicht gefunden.
Noch drei weitere Namen konnte er mit Morden in Verbindung bringen. Aber insgesamt waren es noch über fünfzig Ikonograpien, die mit keinem Mord in Verbindung standen. Zumindest mit keinem bekannten Mord.
Als Korporal Harmonie das Büro betrat, hatte Ruppert die Beine auf dem Schreibtisch liegen und schien zu schlafen. Sie sah ihn missmutig an. Während sie arbeitete machte der Kerl sich einen ruhigen Lenz. Und überhaupt ... wie konnte er nur so ruhig sein, so unmenschlich ruhig. Sie seufzte - er war eben kein Mensch.
"Hallo, Laiza!" Ruppert öffnete die Augen und sah sie an.
"Ruppert." Sie setzte sich an ihren Schreibtisch. "Was gibt es Neues?"
"Lilli hat heute Nacht Akten kopiert. Ich habe jetzt über fünfzig Namen, die überprüft werden müssen. Vier Ermordete habe ich schon darunter gefunden. Es ist jetzt sicher, dass wir auf der richtigen Spur sind. Irgendjemand aus dem Tempel begeht Morde an Patienten die nicht geheilt entlassen wurden. Und ich befürchte stark, dass es etwas mit der Spaltung der Paluksé-Anhänger zu tun hat."
"Ja, ich glaube du hast recht. Bring die Liste zu Grauhaar. Er soll die Namen darauf überprüfen lassen. Dann sehen wir weiter."
"Könntest du nicht ... ich meine, du weißt schon, er hat mich so komisch angesehen."
"Ruppert, stell dich nicht so an. Er ist ein liebenswürdiger und netter ... Werwolf." Sie lachte.
Der Okkultismusexperte stand widerwillig auf und ging zur Tür. "Wie du meinst. Dann werde ich den Menschenfreund eben aufsuchen."

Ruppert klopfte kräftig an die Bürotür und auf das geschnarrte "Herein" betrat er das Büro. Der Feldwebel saß an seinem Schreibtisch. "Was gibt's?"
Ruppert legte ihm die Liste mit den Namen und Adressen auf den Tisch.
"Diese Leute sind als nicht geheilt aus dem Tempel des Paluksé entlassen worden. Vier davon sind ermordet worden. Die anderen müssten überprüft werden."
Grauhaar sah sich die Liste an und schüttelte dann den Kopf. "Ich habe nicht genug Leute zur Verfügung. Geh damit zu Feldwebel Feinstich und leih dir ein paar Rekruten aus."
Damit reichte er Ruppert den Bogen zurück. Er zögerte einen Moment. "Gute Arbeit, von Himmelfleck." Ruppert war über diese Freundlichkeit irritiert. [26]
"Die Namen haben wir der Gefreiten Baum zu verdanken."
Jetzt sah der Feldwebel sehr erstaunt aus und murmelte nur "Na so was."

***


Rogi Feinstich las sich die Liste aufmerksam durch. Dann sah er den Okkultismusexperten an. "Du willft, daff ich Rekruten lof ficke um die Namen fu überprüfen?"
"Feldwebel Grauhaar bittet darum." entgegnete Ruppert.
"Na, von mir auf. Geh in den Aufenthalfraum und fnapp dir fekf Rekruten. Fie follen in Feiergruppen die Adreffen abklappern. Waf macht eigentlich deine Wunde?"
Ruppert hatte aus dem Wolfkraut eine Salbe gerührt und aufgetragen. Danach war der Heilungsprozess so verlaufen wie er bei einer Werwolfsverletzung normalerweise verlief: Schnell! Rogi stand aus und betrachtete die Narbe auf der Wange des Werwolfs.
"Daf ift erftaunlich. Die ift ja faft verheilt!"
Ruppert zögerte kurz, erzählte ihr aber dann von seiner Entdeckung im Klostergarten. Rogi war beeindruckt, denn sie kannte Wolfskraut bisher nur aus Geschichten, die von Igor zu Igor erzählt wurden.
"Mit diefem Bruder werde ich mich mal unterhalten", meinte sie abschließend und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.
Ruppert salutierte und verließ das Büro ihr Büro.
Im Aufenthaltsraum saßen und standen etliche Rekrutinnen und Rekruten. Bei dem Gedanken, der Zukunft der Wache gegenüber zu stehen, musste er grinsen. Dann räusperte er sich.
"Aaaachtung!" Er beobachtete welche Rekruten schnell reagierten und welche transusig wirkten. Einige standen stramm, andere sahen nur erstaunt in seine Richtung. "Ich brauche sechs Leute für eine Ermittlung. Bevorzugt Freiwillige." An der mangelnden Begeisterung merkte er, dass die Truppe keineswegs dumm war. "Na gut, also dann seid ihr alle Freiwillige und ich wähle sechs aus."
Ein Werwolf, zwei Zwerge und vier Menschen marschierten aus dem Wachhaus in der Kröselstraße. Ruppert hatte die Rekruten in Zweiergruppen eingeteilt und ihnen jeweils einen Teil der Adressen zugeteilt.
"Also, ihr wisst Bescheid. Ich erwarte bis morgen Abend eure Berichte in meinem Büro."
Die Rekruten salutierten und gingen in die verschiedenen Richtungen in die Stadt hinein.

***


Der Nachmittag verlief quälend langsam. Ruppert hatte den Schreibkram in seinem Büro aufgearbeitet und grübelte über den Fall nach. Wie sollte er dem Mörder auf die Schliche kommen. Allmählich zweifelte er daran, dass dies noch eine Aufgabe für die Okkultismusexperten war. Und er merkte immer mehr, dass seinem Drang alle möglichen Fälle zu lösen eine entsprechende Ausbildung fehlte. Bei diesem Gedanken wurde ihm wieder wohler. Denn er würde nicht mehr lange bei der Wache sein. Was sollte also die Grübelei wenn das Leben doch so schön sein konnte.
Als Laiza - wie so oft etwas mürrisch dreinschauend - das Büro betrat saß Ruppert mit geschlossenen Augen am Tisch und lächelte verträumt. Die Beine hatte er auf dem Schreibtisch liegen und er summte eine Melodie.
Laiza grinste und rüttelte an seinem Fuß. "He, Obergefreiter, aufwachen."
"Ich habe nicht geschlafen."
"Du hast aber auch nicht gearbeitet."
"Keine Arbeit mehr da. Alles erledigt."
"Dann lies und bilde dich fort."
"Wozu denn?" Ruppert öffnete die Augen und sah Laiza ernst an. "Ich werde nicht mehr lange bei der Wache sein. Ich werde die Stadt verlassen. Mit Loretta. Und endlich die Vergangenheit hinter mir lassen."
Laiza schluckte. Sie kannte Ruppert seit fast zwei Jahren und hatte eigentlich die ganze Zeit mit ihm zusammen gearbeitet. Zuerst als Ausbilderin bei GRUND, als er ihr tierisch auf die Nerven gegangen war. Danach die Zeit als Okkultismusexperte, in der sie sich nach und nach an seine ruhige und meist besonnene Art gewöhnt hatte. Zum ersten Mal merkte sie, dass sie den Werwolf mochte.
Sie sagte aber nur: "Du musst wissen was für dich am Besten ist."

***


Der Fall dümpelte vor sich hin. Die Ermittlungen der Rekruten hatten ergeben, dass von den mehr als fünfzig entlassenen Patienten acht in der Zwischenzeit gestorben waren. Aber niemandem war etwas an den Toten aufgefallen. Die Abteilungsleiter setzten sich zusammen und berieten ob sie eine Warnung an alle nicht geheilten Entlassenen verteilen sollten, aber sie beschlossen die endgültige Entscheidung dem Patrizier zu überlassen. Der Kommandeur hatte sich in den Palast begeben, aber Vetinari hatte es abgelehnt um eine Panik zu vermeiden. Stattdessen sollten die Wächter verstärkt auf Mönche achten die in der Stadt unterwegs waren.
Drei Wochen lang geschah nichts.

***


Der Körper der Frau war mit Ausschlägen bedeckt, die teilweise nässten und eiterten. Er sah sie an und versuchte zu lächeln, aber es viel ihm zunehmend schwerer den "lieben" Mönch zu spielen. Schweigend ging er zum Kamin und suchte sich einen Scheit heraus. Dann schlug er zu. Und schlug zu. Und schlug ... schlug ... schlug ...


***


In dieser Zeit hatten Ruppert und Loretta einander immer mehr und mehr kennen gelernt, entdeckt, dass sie viele Vorlieben teilten, sie vieles nicht mochten, was der andere auch nicht mochte. Bei einem Thema allerdings gab es keine Übereinstimmung. Es war eines ihrer nachmittäglichen Treffen im Hide Park. Die Sonne strahlte vom Himmel und die beiden saßen auf einer Bank am Tempel des dreibeinigen Schemels.
"Das ist doch sinnlose Zeitverschwendung. Dieses Herumlaufen in Gesellschaft. Ich bin viel lieber mit dir allein zusammen."
"Du grober Klotz, du, es macht Spaß und man hat endlich mal einen Grund sich nett anzuziehen und unter die Leute zu gehen." [27]
Sie stemmte die Hände in die Seiten und funkelte ihn an.
"Duhu, Loretta, war dass jetzt unser erster Streit?"
Sie gab ihm einen Kuß. "Nein, den heben wir uns auf."
"Bis nach der Hochzeit?"
Sei sah ihn ernst und fast ängstlich an.
"Loretta, ich weiss nicht was passiert ist. Aber es ist nun mal passiert. Und deshalb ..." Ruppert nahm ihre Hände, "... willst du meine Frau werden?"
"Gib mir bitte etwas Bedenkzeit."
Ruppert nickte. "Soviel du brauchst."
Sie löste ihre Hände aus seinen und ging einmal um ihn herum. Dann umarmte sie ihn und sagte: "Ja!"
Aus dem Tempel lief behänd eine Gruppe junger Menschen heraus, die in bunte Gewänder gekleidet waren. Die Frauen mit dunkelbrauner Hautfarbe hatten langes, schwarzes Haar, das unter einem buntbedruckten Kopftuch hervorquoll, trugen lange, fließende Kleider und hatten Ketten aus hellklingenden Glöckchen um die Fußgelenke gebunden. Sie waren barfuß. Die jungen Männer trugen weite Pluderhosen und weiße Hemden. Darüber bunte Westen. Sie hatten keine Kopfbedeckung, das kurzgeschnittene schwarze Haar glänzte in der Sonne. Ihre Handgelenke waren mit goldenen Armbändern und Ketten geschmückt. Aus dem Tempel erklang nun aufpeitschende Musik von Saiteninstrumenten, Trommeln und Oboen. Die jungen Leute nahmen den Rhythmus auf und begannen zu tanzen. Erst langsam, dann immer schneller und begeisterter. Ruppert und Loretta sahen eng aneinandergelehnt zu. Plötzlich sprangen ein Mann und eine Frau aus den Reihen der Tanzenden, fassten die beiden an den Händen und zogen sie mit in den Tanz. Ruppert wollte sich erst wehren, konnte aber gegen das fröhliche Lachen der jungen Frau nicht ankommen. Zuerst etwas steif, dann immer ungehemmter zum Schluss lachend tanzte er den ihm vollkommen unbekannten Tanz mit. Er sah Loretta wirbeln, fasste sie einmal um die Hüfte und schwang sie herum, bis er sie an den nächsten Mann weiter gab und selber eine neue Partnerin bekam.
Als die Musik endete war Ruppert wie erlöst und fühlte sich froh und leicht wie seit langer, langer Zeit nicht mehr. Loretta kam zu ihm und umarmte ihn. "Verstehst du jetzt, warum ich so gerne tanze, mein Lieber?", flüsterte sie ihm ins Ohr und er konnte nicht anders als sie zu umfassen und lostanzen als die Musik wieder einsetzte.[28]

***


Der Tempel des Solala
Solala ist der Gott des Mittelmaßes. Ursprünglich im Wie-Wunderland beheimatet, hat sich sein Kult über die ganze Scheibenwelt ausgedehnt. Um die Architektur des Tempels in Ankh-Morpork zu verstehen, bietet es sich an einen Auszug aus dem Buch Solala zu zitieren:
"Und ihr sollet bauen meinen Tempel in der großen Stadt. Und ihr sollet ihn nicht bauen in der Mitten und auch nicht bauen am Rande der Stadt. Und er soll hoch sein wie zehn Trolle und breit wie zwanzig Trolle und lang wie sechzig. Aber nehmet nicht den größten Troll und nehmet auch nicht derer Kleinsten. Und ihr sollet nicht malen den Tempel weiß und ihr sollet nicht malen den Tempel schwarz." Der Tempel in der Attermützenstraße ist ein quaderförmiges Bauwerk, dessen graue Farbe nicht von der schmutzigen Luft kommt, sondern bewusst gewählt wurde.
Die Tempelgemeinde ist starken Wanderungen unterlegen, weil sich nur wenige Menschen dauerhaft mit dem Mittelmaß begnügen. Ein Problem, das Solala schon in der Frühzeit hatte.
Auszug aus dem Buch Solala: "Und als Solala sah, dass die Menschen entweder zum Guten strebten oder zum Bösen, da wurde Solala zornig auf seine Weise. Und Solala sprach: Ich will mein Volk ausrotten, damit es lernt meinen Weg zu gehen. Und Solala schickte keine Sintflut und er schickte keine Dürre, sondern er schickte langanhaltenden Landregen mit sonnigen Abschnitten."
Wen wundert's, dass die Gläubigen abwandern zu Bel Shamharoth oder Om oder ... Nur wer sich von einem dieser Götter abwendet landet häufig für eine gewisse Zeit, sozusagen zur Erholung, bei Solala.
Auszug aus "Tempel und heilige Stätten in der Stadt Ankh-Morpork"


***


Als Ruppert, wie in den letzten Wochen immer zu spät, in seinem Büro auftauchte, deutet Laiza auf einen Bericht auf sagte aufgeregt: "Der Mörder hat wieder zugeschlagen!"
"Welcher Mörder ... unser Todesmönch?"
"... unser Todesmönch. Vermutlich ja. Aber diesmal war er wirklich scheußlich."
"... wurde mit vielen Schlägen (mindestens dreißig) mit einem kantigen Holzscheit ermordet. Das Opfer wurde entlassen, da die Ärzte festgestellt hatten ... Was? Der Ausschlag würde von selber abheilen und sie müsste nur ein paar Wochen abwarten? Aber ... War das wirklich unser Mörder?"
Sie zuckte nur mit den Achseln. "Vielleicht findet Jack was heraus. Er hat die Leiche auf dem Tisch liegen."
Ruppert stand auf. "Ich geh mal rüber. Vielleicht ist er ja schon fertig."
Der Gerichtsmediziner, Lance-Korporal Narrator, war noch nicht fertig und sah unwillig auf als sich die Tür öffnete. "Was willst Du denn hier?"
"Leiche gucken."
"Wieso, hast du Hunger?"
Der Werwolf ignorierte ihn und kam näher. "Darf ich?", ohne eine Antwort abzuwarten begann er an der Leiche zu schnuppern.
Werwölfe und Blut, das ist immer eine unangenehme Mischung. In seiner Menschengestalt hatte sich Ruppert ganz gut unter Kontrolle, aber dennoch erregte ihn der Blutgeruch und er begann unbewusst zu knurren. Jack stieß ihn von dem Edelstahltisch fort und stellte sich vor die Leiche. Er beobachtete den Okkultismusexperten, der den Kopf schüttelte als wolle er Wasser aus seinen Haaren schütteln. Dann atmete er tief durch. "Entschuldige, Jack, aber das musste sein. An der Leiche klebt derselbe Desinfektionsgeruch wie an dem toten Troll. Ich denke, wir haben es mit dem gleichen Mörder zu tun."
Der Gerichtsmediziner hob ratlos die Schultern. "Jeder wurde anders umgebracht. Aber keiner so sinnlos brutal. Das würde gegen deine Theorie sprechen. Die anderen Morde waren unauffällig, teilweise sehr elegant."
"Elegant ... hübsch gesagt, aber ich weiss schon was du meinst."
"Na, dann kannst du ja wieder verschwinden", knurrte der Gerichtsmediziner in seiner üblich mürrischen Art.

***


Er saß mit fiebrig glänzenden Augen über den Krankenakten der vergangenen Tage. Laetricia Tannengrün, unheilbar stumm. In seinem Unterbewusstsein regten sich Gedanken, dass Stummheit ja nicht unbedingt ein unwürdiges Leben bedeutete. Aber er war längst über die Stimme in seinem Inneren hinaus gewachsen. Er wusste Bescheid. Er wusste was Paluksé von ihm verlangte. Er wusste es, er allein, niemand sonst konnte die Stimme Gottes hören. Er verlangte von ihm all die zu töten, die der Gott gezeichnet hatte, alle die, die nicht von seinem Gott geheilt wurden mussten sterben. Er schauderte in seinem Wahn. Alle mussten sterben ... Alle!


***


Lilli Baum, die noch immer SUSI zugeteilt war, langweilte sich. Seit über drei Wochen hatte sie keinen Auftrag mehr erhalten. Offenbar hatte man sie vergessen. Nun macht Langeweile einem Baum normalerweise nichts aus, für Bäume war Langeweile gewissermaßen der Inbegriff von Lebensgefühl. Sie begann sich deshalb ernsthaft zu fragen ob sie krank war.
Nach Feierabend beschloss sie diese merkwürdigen Leute aufzusuchen, die sie so ausführlich untersucht hatten. Sie zog sich wieder das Tarnkleid an und ging zum Tempel. Die hübsche Rothaarige saß am Empfang, die so oft mit dem dicken Werwolf getuschelt hatte. Sie erkannte sie sofort wieder.
"Hallo, Frau Tannengrün. Wie geht es dir?"
Lilli breitete die Arme aus und zuckte mit den Achseln.
"Du redest immer noch nicht?"
Lilli schüttelte den Kopf.
"Möchtest du noch einmal untersucht werden?"
Lilli zögerte.
Ein kleiner, achatener Mönch kam vorbei und legte einen Zettel auf den Tresen. "Bitte gib das unserem verehrten Abt. Ich habe noch eine kleine Besorgung in der Stadt zu machen."
Loretta lächelte den Mönch an und nickte. "Gerne, Bruder Blinzel."
"Vielleicht solltest du dich einmal mit unserem Abt unterhalten ... na ja, ich meine, vielleicht kann er dich untersuchen. Oft zeigt ihm unser Gott einen Weg zur Heilung, den andere nicht sehen." Sie nahm die Zettel und griff nach Lillis Hand. "Komm, ich bringe dich zu ihm."

***


"Sie sind mir auf der Spur. Laetricia Tannengrün, von wegen Näherin." Seine vorsichtigen Nachforschungen hatten ergeben, dass im Boucherie Rouge eine solche Dame nicht arbeitete. Und nun war sie schon wieder im Tempel. Ob sie etwas mit der Unordnung im Büro zu tun gehabt hatte? Immerhin war sie am nächsten Tag verschwunden. Sehr verdächtig. Er würde sich um sie kümmern. Und um ihren Freund, den er natürlich sofort erkannt hatte. Der auch herumgeschnüffelt hatte. Diese Tannengrün war doch nur ein Lockvogel. Und sie war das leichtere Opfer. Er begann zu kichern und konnte gar nicht mehr aufhören.


***


"Gelobt sei der große und freundliche Paluksé, Ehrwürden." Mit dieser Floskel begrüßte Loretta den Abt und verneigte sich leicht.
"Danket Paluksé; denn er ist freundlich, seine Gnade währet ewiglich und er wandelt die Krankheit in das wahre Leben. Was kann ich für euch tun?" Neugierig sah er auf Lilli.
"Nun ja, diese junge Frau, Laetricia Tannengrün, war Patientin bei uns ..."
"Ich erinnere mich", murmelte der Abt.
"... und leider konnte sie nicht von ihrer Stummheit geheilt werden. Nun ist sie wieder gekommen und ich dachte, ich dachte, na ja, vielleicht könntest du ihr helfen. Paluksé wirkt stark in dir."
Der Abt faltete die Hände und sah Lilli ernst an. "Aber wie soll ich mir ihr reden?"
Sie holte ihren Sprechkasten heraus und tippte darauf herum. Günther quakte fröhlich: "Ich bin auch noch da, euer Erwürgigkeit. Und ich soll sagen, dass sich Lilli ganz besonders geehrt fühlt, dass ihr sie empfangt."

***


Er hatte sie gefragt. In aller Freundschaft hatte er sie gefragt. Als sie aus dem Büro kam. Aber hatte sie geantwortet? Nein! Dabei wusste sie es bestimmt. Hing immer mit dem Wächter herum. Warum hatte sie ihm auch nicht geantwortet? Sie wusste es doch bestimmt. Ganz bestimmt. Wächterliebchen! Wollte ihm bestimmt nachspionieren. Aber nicht mir ihm, nein, nicht mir ihm. Er hatte sie gefragt. In aller Freundschaft ...


***


Ruppert saß müde in der Kantine und hatte einen großen Becher Kaffee vor sich stehen. Die Gespräche der anderen Wächter fluteten um ihn herum, aber er hörte sie gar nicht sondern hing seinen Gedanken nach. Der Kommandeur hatte ihn heute endlich wegen der Sache mit Graumann verhört. Aber egal wie die Sache ausging, er würde den Dienst in der Wache quittieren und mit Loretta die Stadt verlassen - wenn sie einverstanden war. Sto-Helit kam nicht in Frage, dort könnten ihn einige Menschen erkennen, aber vielleicht Quirm oder sogar Gennua. Egal wohin, Hauptsache raus aus dieser Stadt und weg von der Wache. Er lächelte verträumt. Endlich Frieden finden, endlich glücklich sein. Auf dem Tisch lag ein Blatt Papier. Er hatte sich als Dichter versucht und ein Liebesgedicht geschrieben.

Jetzt bist du da, dann bist du dort.
Jetzt bist du nah, dann bist du fort.
Kannst du's fassen? Und über eine Zeit
gehen wir beide in die Ewigkeit
dahin-dorthin. Und was blieb? ...
Komm, schließ die Augen, und hab mich lieb! [29]


Heute Abend würde er es ihr ins Ohr flüstern. Ein Schaudern glitt über seinen Rücken. Irgendwie klang es düster. Aber er verscheuchte diesen Gedanken schnell.

Als Jack Narrator den Raum betrat nahm Ruppert ihn erst gar nicht wahr. Der Mediziner holte sich eine Tasse Tee und ließ sich auf einen Stuhl an Rupperts Tisch fallen.
"Hey, Ruppert, dein Mörder hat wieder zugeschlagen, das Opfer liegt bei Avalania auf dem Tisch. Hübsche Rothaarige, wirklich schade." Ruppert sah ihn an.
"Sie wurde erdrosselt im Tempel gefunden. Offenbar eine der Mitarbeiterinnen. He, was ...?"
Ruppert war so heftig aufgesprungen, dass sein Stuhl umgefallen und der Tisch zur Seite geschleudert worden war. Die Tassen zerschellten auf dem Fußboden und Jack sah dem großen Okkultismusexperten mit offenem Mund hinterher, der aus der Kantine stürmte.
Er rannte die Treppe hinauf und riss voller Angst vor dem was ihn erwartete die Tür zur Pathologie auf. Es musste nicht sein, nur ein Zufall, nein, es konnte nicht, nein, Nein, NEIN! ... aber dann stand Ruppert vor dem Stahltisch in der Pathologie und sah auf die Frau hinab die er über alles geliebt hatte.

Hinter ihm stürmte Jack in den Raum, der wie erstarrt stehen blieb als er Rupperts Gesichtsausdruck sah und er bemerkte zu seinem Erschrecken, dass die Augen Rupperts schwefelgelb wurden, sah wie sich die Hände des Werwolfs verkrampften. Er verstand nicht was los war, aber er erkannte, dass Ruppert in einem gefährlichen Zustand war und nach seiner Erfahrung kurz vor dem Ausrasten stand.
"Was ist los, Ruppert? Kanntest du sie?"
Doch er bekam keine Antwort. Jack wurde unbehaglich zumute und er verließ vorsichtig den Raum. Ruppert beachtete ihn gar nicht. Auch als die Tür von außen abgeschlossen wurde reagierte er nicht. Er zögerte kurz und griff nach der Dienstmarke, die wie immer an einem Lederband um seinen Hals hing. Mit einem Ruck riss er sie ab und warf sie achtlos beiseite. Dann begann er an Lorettas totem Körper zu riechen.

Jack rannte die Treppe hinauf und stürzte in Laizas Büro. "Ruppert rastet aus. Wir haben ein neues Opfer gefunden, und er rastet aus. Ich hab ihn eingeschlossen. Was sollen wir machen?"
Laiza sah erschrocken von ihrem Schreibtisch auf. "... wir machen? Was heißt, er rastet aus?"
"Schwefelgelbe Augen, ignoriert mich... du weißt schon."
" Was ist denn da los?" Laiza stand auf und ging schnell zur Tür. "Ich versuche mit ihm zu reden. Vielleicht hört er auf mich.
Die beiden liefen die Treppe herunter aber es war zu spät. Sie hörten noch ein Krachen und Splittern. Jack schloss mit zitternden Händen die Tür zur Pathologie auf und sie sahen fassungslos auf die Maueröffnung, hinter der der Flaschenzug hing, mit dem das "Arbeitsmaterial" der Gerichtsmediziner hinauf gehievt wurde. Die hölzerne Tür war zersplittert und von Ruppert keine Spur.

***


Ruppert sprang aus dem ersten Stock in den Innenhof des Wachhauses.
Der Mörder hatte einen Fehler gemacht. Ruppert wusste jetzt wer es war. In seinem umnebelten Gehirn spukte nur noch der Geruch des Mannes, der Loretta umgebracht hatte. Er würde ihn finden und zerfleischen. Ganz langsam, Stück für Stück. Er heulte laut auf. Einige Rekruten, die den Eselskarren warteten, sahen erschrocken wie er an ihnen vorbei aus dem Tor lief und dabei furchterregende Geräusche von sich gab.

Völlig unbeherrscht rannte Ruppert über den Pseudopolisplatz und zu den Apothekergärten, wo der Tempel stand. Er sprang in die Stufen zum Tor hoch und rannte durch den großen Krankensaal in den Teil des Tempels, der von den Mönchen und Schwestern bewohnt war. Er rannte dabei Patienten, Ärzte und Pfleger über den Haufen ohne das überhaupt wahrzunehmen. Der Geruch des Mannes wurde immer intensiver bis er nur noch durch eine Tür von ihm getrennt war.

"Warum?"
Der Abt saß an seinem Schreibtisch und sah erschrocken auf als Ruppert die Tür aufriss und ihn anbrüllte. Er wich in seinem Stuhl zurück so weit es ging und stotterte: "I-i-ich weiß nicht - weiß nicht ..."
Ruppert packte ihn an seiner Kutte und zerrte ihn hinter dem Schreibtisch hervor.
"Warum ... hast ... DU ... sie ... umgebracht?"
"Ich habe niemanden ..."
"Du lügst!"
"Nein! Ich war es nicht, ich ... ich ... er ... Paluksé."
Ruppert hatte den alten Mann am Hals gepackt und hob ihn langsam hoch. Verzweifelt packte der Abt die Hände des Werwolfs, aber seine Kraft reichte nicht aus den Griff zu brechen.
Mehrere Mönche stürzten in das Zimmer und warfen sich auf Ruppert, der den Abt loslassen musste. Schwer atmend sank Kor Adlon zu Boden. Ruppert hatte sich noch soweit unter Kontrolle, dass er die Mönche nicht einfach beiseite fegte. In seinem Unterbewusstsein wusste er, dass es gute Menschen waren. Zwar nur Menschen aber immerhin gute und nützliche Menschen.
"Er ist ein Mörder und ich werde es euch beweisen"; sagte er heiser zu den Männern die ihn festhielten. Aber die Mönche hörten nicht und zerrten weiter an ihm um ihn zu Boden zu ringen. Andere kümmerten sich um ihren Abt.
In dieses Durcheinander platzte der Bibliothekar des Klosters. Er sah zuerst nur die Mönchstraube am Ruppert hängen und rief erschrocken aus: "Um Paluksés Willen! Herr von Himmelfleck, was ist passiert?"
"Sag deinen Brüdern sie sollen mich loslassen."
"Er wollte den Abt töten", rief einer der Mönche die an Rupperts Arm hingen.
Jetzt sah Blinzel auch Kor Adlon auf dem Boden sitzen.
"Aber, aber, was ist passiert?", stammelte er noch einmal hilflos.
"Kor Adlon ist ein Mörder!", brüllte Ruppert verzweifelt. "Er hat sie alle ermordet!"

Jetzt kamen einige Wächter in den Tempel gerannt. Vorneweg Laiza Harmonie, dicht gefolgt von Romulus von Grauhaar, selbst Werwolf und einer der wenigen in der Wache, die mit Ruppert zur Not fertig werden konnten. Jack Narrator kam keuchend hinterher. Der Troll Scoglio war noch auf der Brücke über den Ankh. Er konnte nicht mit den Menschen Schritt halten.
"Im Namen der Wache!", keuchte Laiza, "Was ist hier los?"
Ein Stimmenwirrwar antwortete ihr.
"Ruhe!", von Grauhaar schritt auf Ruppert zu und setzte ihm das Schwert an die Brust. "Alle raus hier.
"Nein, nicht der Abt! Laiza, der Abt ist der Mörder! Lass ihn nicht entkommen!" Rupperts Stimme schnappte beinahe über.
Zornig murmelten die Mönche aber sie verließen gehorsam das Zimmer. Nur Bruder Blinzel blieb zurück und der Abt wurde von Jack höflich aber bestimmt am Weggehen gehindert.
"So, nun möchten wir hören was hier los war", forderte Laiza Ruppert auf. In die Tür schob sich die riesige Gestalt von Scoglio und füllte sie vollkommen aus.
"Dieser Wahnsinnige stürmte in mein Büro und behauptet einfach ich sei ein Mörder!", empörte sich Kor Adlon. "Er muss verrückt geworden sein, ein Fall für die Heiler des Geistes. Ich ..."
"Er war es, sein Geruch klebte an Loretta! Lasst mich los, ich mache ihn fertig!" Ruppert heulte, aber Romulus und eine Hand von Scoglio hielten ihn immer noch fest.
"Erkennt ihr es denn nicht! Das ist nicht Kor Adlon, das ist Dalk Roon, der Anführer der revisionistischen Mönche!"
Der Abt fuhr erschrocken zurück. "Woher weißt du das?"
"Es stimmt also!", sagte Ruppert höhnisch. "Ein Anagramm, kindisch, geradezu lächerlich. Und niemand hat es bemerkt! Ich auch nicht. Götter, wie dumm bin ich gewesen, hätte ich es früher erkannt, dann wäre Loretta noch am Leben." Wütend und verzweifelt versuchte er sich loszureißen, aber er hatte keine Chance."
"Ja, ich war Dalk Roon, aber ich bin kein Mörder, ich ..."
"Lüg nicht! Wie haftet dein elender Gestank an Loretta?" brüllte Ruppert.
"Loretta? Loretta von Stubbnitz? Das kann nicht ... Ich war es nicht, wirklich ich schwöre es. Sie kam zu mir. Sie war sich unsicher. Sie hat mich um Rat gefragt ... wegen dir. Sie war sich unsicher ob, ob ... " Er brach ab. Tränen liefen über sein Gesicht.
Ruppert wand sich in dem festen Griff seiner Kollegen. "Und dann hast du sie umgebracht, du Schwein!"
Der weinende Abt sah Ruppert an. "Ich verstehe nun warum du mich für den Mörder hältst. Alles spricht gegen mich. Aber ... Sie hat mich beim Abschied umarmt und fest gedrückt. Und dann ist sie gegangen. Ich schwöre dir, ich habe sie nicht umgebracht."

Laiza sah zwischen den beiden hin und her. Sie neigte dazu ihrem Kollegen zu glauben, hatte allerdings auch erheblichen Zweifel an seiner Zurechnungsfähigkeit. Aber immerhin hatte der Abt zugegeben ehemals einer der Revisionisten gewesen zu sein. Sie seufzte und beschloss erst einmal beide in eine Zelle im Wachhaus unterzubringen.

***


Sie würde kommen. Alleine. Das wusste er. Er hatte es im Blut. Als er ihr den Zettel zugesteckt hatte "Bei der großen Eiche im Hide-Park" wusste er, dass sie angebissen hatte. Er hatte es ihr angesehen.


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Lilli hörte hektisches Treppengetrappel und die schweren Schritte eines Trolls. Sie streckte neugierig den Kopf durch die Tür aber natürlich war da schon niemand mehr zu sehen. Sie seufzte leise und fragte sich warum alles immer so schnell ging. In der Baumschule hatte sie gelernt, dass ein jegliches seine Zeit hatte. Eine Zeit zu wachsen und eine Zeit zu blühen. Eine Zeit Früchte zu tragen und eine Zeit die Blätter abzuwerfen[30]. Aber hier in der Stadt gab es nur Hektik und Eile.
Langsam und stetigen Schrittes verließ sie ihr Büro und verließ das Wachhaus. Sie hatte eine Verabredung mit einem der Mönche. Freundlicherweise im Hide-Park. Das Gespräch mit dem Abt war wieder einmal sehr einseitig gewesen. Auf viele Fragen hatte sie Horatius [31] nicht antworten lassen können und so war sie leicht verwirrt wieder gegangen. Allerdings, wie sie sich selbst eingestand, nicht verwirrter als der alte Mönch zu sein schien. Am Empfangstresen hatte derselbe Mönch gestanden, der vorher einen Zettel auf den Tisch gelegt hatte. Er hatte sie freundlich angelächelt...

***


Sie hatten den Abt geschnappt. Den alten Narren. Den Verräter. Er wusste dass er die Stadt verlassen musste. Aber SIE würde er noch töten. Gleich. Im Park. Voller Vorfreude rieb er sich die Hände. Wie gut, dass sie stumm war. Ein böses Grinsen voller Vorfreude kroch auf sein Gesicht.


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Laiza stand vor einem Problem. Wie sollte sie ihren tobenden Kollegen ins Wachhaus bringen. Sie wollte ihn nicht wie einen tollwütigen Hund von Scoglio abschleppen lassen, andererseits auch nicht in Ketten legen wie einen Schwerverbrecher.
Sie holte eine Taube aus ihrer Tasche und schrieb eine Anforderung nach dem Eselkarren darauf. Dann warf sie den Vogel in die Luft. Schon nach zehn Minuten kam der Karren angerumpelt. Ein zwergischer Rekrut steuerte ihn. Ein schwacher Geruch von Pulver Nummer eins ging von ihm aus.
"Ruppert, wir werden den Abt jetzt in eine Zelle bringen und einsperren. Hörst du? Wir werden den Fall untersuchen und wenn er schuldig ist, dann wird er bestraft. Hast du mich verstanden?"
von Himmelfleck nickte unmerklich.
"Versprichst du mir, dass du nicht versuchst ihn umzubringen?"
Er schüttelte den Kopf.
Laiza seufzte. "Na gut, Jack, gib mir bitte die Handschellen. Nein, nicht die, die schweren."
Sie legte sie Ruppert an, der sie finster ansah.
"Ruppi, ich kann dich ja verstehen, aber es muss sein."
Er sah sie an und sie glaubte Verachtung in seinem Blick zu sehen.
"Wir haben verschiedene Vorstellungen von Freundschaft. Wäre ich an deiner Stelle und du an meiner - ich würde dir sofort helfen den Mistkerl zu bestrafen."
Laiza schauderte aber Romulus legte seine Hand auf ihre Schulter. "Du musst ihn verstehen. In seinen Augen gehören wir zu seinem Clan. Wir sind sein Clan. Im Moment verraten wir ihn alle. Wie auch immer das ausgeht, ich fürchte wir werden ihn verlieren."
von Grauhaar kam der Wahrheit sehr nahe. Aber vor allem fühlte er sich von Laiza im Stich gelassen, einer der ganz wenigen Menschen von denen er glaubte ihnen vertrauen zu können.

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Lilli hatte den Hide-Park betreten und hielt nach der großen Eiche Ausschau wie sie es ausgemacht hatten. Es gab viele Eichen im Park, aber ziemlich am Rand ragte ein Baum über alle anderen hinaus. Um den Stamm hatte sich viel Unterholz angesiedelt, aber Lilli entdeckte einen kleinen Trampelpfad, dem sie auch ohne Zögern folgte. Nach wenigen Metern hatte sie den Stamm erreicht. Sie war als erste gekommen. Sie lehnte sich an den Stamm und genoss die Ruhe die von ihm ausging. Sie war froh, dass sie Günter in der Wache gelassen hatte, so wie es der Mönch auf seinen Zettel geschrieben hatte.
Nach einer Weile hörte sie leise Schritte im trockenen Laub rascheln.

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Sie war gekommen und sie war allein gekommen. Nun endlich würde er seine letzte Tat in der Stadt vollbringen und sich dann dem Rest der Scheibenwelt widmen.


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Im Grauhaars Büro hatten sich alle an der Ermittlung Beteiligten versammelt. Das heisst, Ruppert war nicht da, er saß gefesselt und von einem Troll bewacht in einer Zelle im Keller. Und Lilli war nicht auffindbar gewesen. Sie hatte das Wachhaus vor einer guten Stunde verlassen, hatten die Rekruten am Eingang gesagt.
"Das gefällt mir nicht. Jetzt wo wir endlich den Fall gelöst haben, fehlt ausgerechnet die Beteiligte von RUM.", brummte der Feldwebel ungehalten.[32]
"Das ist doch egal, so viel hat sie sowieso nicht gemacht", meinte Harmonie. Das brachte ihr einen eisigen Blick des RUM-Abteilungsleiters ein.
"Trotzdem will ich sie dabei haben", beharrte der Feldwebel.
Laiza hatte Kopfschmerzen. Außerdem ging ihr Rupperts Blick nicht mehr aus dem Sinn. Abrupt stand sie auf. "Ich schreibe meinen Bericht. Wenn die Obergefreite wieder auftaucht lass mich rufen."
"Aber ..:"
Die Tür knallte zu.

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Der Mönch kam lächelnd auf Lilli zu. Ihr fiel plötzlich ein, dass sie die Uniform anhatte, aber ihn schien das nicht zu überraschen.
"Wie schön, dass du gekommen bist", begrüßte er sie mit einer leichten Verbeugung.
Er stellte die kleine Tasche, die er bei sich trug, auf den Boden und öffnete sie. Lilli konnte nicht sehen was er darin suchte. Dann drehte sich der Mann blitzschnell um und hieb mit einem langen Skalpell nach ihr.
Lilli schrie laut, wenn auch unartikuliert[33] auf.
"Aber, aber, du hast ja deine Stimme wieder", stammelte der Mönch. "Der große Palukse hat dich geheilt." Er ließ das Skalpell fallen das eine klaffende Wunde über Lillis Bauch gezogen hatte. Sie starrte darauf und kippte um. Mit zitternden Händen riss der Mönch Streifen aus seiner Kutte und verband den Schnitt, der die Bauchwand glücklicherweise nicht ganz geöffnet hatte.[34]

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Ruppert lief zornig in seiner Zelle auf und ab. Seine Gedanken kreisten um Loretta, die zwei Stockwerke über ihm in der Pathologie lag und um Kor Adlon, der zwei Zellen neben ihm saß. Laiza war kurz dagewesen um mit ihm zu reden aber er hatte sie ignoriert. Mit beiden Händen umfasste der Werwolf die Gitterstäbe der Tür und rüttelte wütend daran. Der ihm unbekannte Troll sah besorgt wie sich die Stäbe verzogen.
"Du nicht sollen Tür kaputtmachen." Er überlegte wie er seiner Aussage mehr Gewicht verleihen sollte. "Sonst du müssen Tür bezahlen."
Ruppert ließ los und verwandelte sich in seine Wolfsgestalt. Dann begann er zu heulen.

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Laiza brütete über ihrem Bericht. Die Schlussfolgerungen die Ruppert gezogen hatte schienen ihr zwar logisch zu sein aber sie war noch lange nicht überzeugt.
Als aus dem Keller Geheul erklang stellten sich ihr die Nackenhärchen auf. Sie legte die Hände über die Ohren und dachte angestrengt über den Fall nach.
Auch Romulus von Grauhaar saß in seinem Büro als das Geheul begann. Dieser verdammte Kerl. Und diese verdammte Baum. Und überhaupt: Verdammter Job!

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Der Mönch sah auf die bewusstlose Lilli hinab. Er hatte sie fachmännisch verbunden und wusste nicht was er nun tun sollte. Er hatte einen schrecklichen Fehler gemacht. Er hatte einen Menschen verletzt, den sein Gott geheilt hatte. Auch wenn sie eine Verräterin war, Paluksé hatte sie geheilt. Dann durfte er sie nicht töten.
"O großer Gott, was soll ich nur tun?", stöhnte er.
Schließlich nahm er seine Tasche und verließ das Dickicht um die Eiche. Die Wächterin ließ er liegen. Er hatte mit ihr nichts mehr zu tun. In einer Stunde fuhr eine Postkutsche nach Sto Helit. Er hatte eine Fahrkarte für diese Kutsche und wenn er erst einmal die Stadt verlassen hatte, dann konnte ihm nichts mehr geschehen. Lächelnd und nach allen Seiten freundlich grüßend ging Bruder Blinzel durch den Park und schlenderte ganz gemächlich zum Postamt.

***


Als die Gefreite Baum aufwachte wusste sie zuerst nicht wo sie war. Sie fühlte sich fast wie zuhause in dem Dickicht und neben der großen Eiche. Dann fiel ihr wieder ein, dass dieser kleine Mönch sie angegriffen hatte. Sie versuchte Schmerzen zu empfinden aber da war nichts. Sie fühlt nach ihrem Bauch und spürte den Verband, den ihr der Mönch angelegt hatte. Lilli war verwirrt. Sie versuchte aufzustehen, aber da regte sich plötzlich der Schmerz. Auf allen Vieren ging es etwas besser und so kroch sie über den Trampelpfad aus dem Gebüsch heraus. Mit aller Willenskraft schaffte sie es auf den nächsten Weg, wo sie zusammenbrach. Ein Händchen haltendes Paar kam auf sie zu und stolperte fast über Lilli. Die Frau schrie erschrocken auf als sie die Wächterin mit der zerschlitzten und blutverkrusteten Uniform sah. Der Mann fackelte nicht lange und griff in Lillis Taschen und suchte ihren Geldbeutel. Er schrieb eine Quittung und steckte sie ihr in die Hand.
"Aber Elmer, das kannst du doch nicht machen", sagte die Frau erschrocken.
"Warum nicht? Ich habe ihr doch eine Quittung gegeben."
"Aber sie ist verletzt und sie ist eine Wächterin."
Elmer sah nachdenklich auf Lilli. Dann nickte er. "Du hast recht, Bunny. Wenn wir sie einfach liegen lassen könnten wir Ärger bekommen. Bleib du bei ihr, ich suche einen anderen Wächter oder so was."
Die junge Frau kniete sich neben Lilli. "Bleib liegen, wir holen Hilfe."
Lilli nickte und schloss die Augen.

***


Feldwebel von Grauhaars Tür wurde aufgerissen und einer der wachhabenden Rekruten salutierte hastig: "Sör, da wurde gerade eine von deinen Leuten abgegeben. Verletzt und ohne Bewusstsein, Sör."
Romulus sprang auf und lief die Treppe hinunter. Auf dem Boden vor dem Tresen lag Lilli mit einem blutigen Verband um den Bauch. Zwei Wächter hatten sich neben sie gekniet und untersuchten sie. Eine davon war Rogi Feinstich, die in solchen Fällen immer gerne zu Hilfe gerufen wurde und die glücklicherweise gerade anwesend war.
"Was ist geschehen? Wie geht es ihr?"
"Fie lebt, aber ich muff fie genauer unterfuchen um etwaf genaueref fu fagen. Bringt fie vorfichtig in den Keller."
Die beiden Tresenrekruten hoben Lilli auf und trugen sie vorsichtig nach unten. Feinstich folgte ihnen.
Der Abteilungsleiter von RUM stand vor dem Tresen und wusste erst einmal nicht so recht was er machen sollte.
Ein Mann kam die Treppe hinauf. "So", schnaufte er, "jetzt habe ich richtig geparkt. Wo kann ich meine Belohnung abholen, Mann, ey?"
"Belohnung wofür?", fragte der Feldwebel irritiert.
"Ey, Mann, ich hab' eine von euren Leuten hier abgegeben. War ganz schön angestochen. Muss geblutet haben wie ein Schwein. Das kann ich genau sagen, denn mein Vater, der wo Bauer war, hat zum Schneevaterfest immer eine Sau geschlachtet. Und ..."
"Du hat also die Obergefreite Baum hierher gebracht?", unterbrach MeckDwarf den Mann.
"Wenn das arme Mädel so heißt, das mit dem Schlitz im Bauch, ja."
"Bitte komm in mein Büro. Ich möchte da mehr von dir erfahren. Ja, und eine Belohnung sollst du auch bekommen."

***


Am nächsten Nachmittag:
Laiza stand vor Rupperts Zelle.
"Mach die Tür bitte auf", bat sie den noch immer wachhabenden Troll.
Als Ruppert sie sah, wandte er sich ab.
"Ruppert, falls es dich interessiert. Gefreite Baum ist gestern schwer verletzt worden. Und wenn es dich weiter interessiert: Alles deutet darauf hin, dass sie von unserem Mörder angegriffen wurde. Kor Adlon ist tatsächlich unschuldig."
Ruppert schien sie nicht zu hören.
Sie wartete auf eine Antwort, die aber nicht kam. Resigniert drehte Laiza sich um.
"Wer soll es dann gewesen sein?", erklang seine monotone Stimme.
"Lilli hat ihn uns sehr genau beschrieben. Es war der Bibliothekar des Klosters, Bruder Blinzel. Den du ja kennst, nicht wahr?"
Der Werwolf seufzte tief. "Wo ist er?"
"Er ist verschwunden. Wir suchen ihn, aber er wird wohl die Stadt verlassen haben. Wir ermitteln noch. Ich wollte nur, dass du es weißt."
Ihre Stimme klang hart und gekränkt.
"Blinzel, der nette, höfliche, zuvorkommende Blinzel? Das kann ich nicht glauben." Ruppert setzte sich auf.
"Passt es dir nicht in den Kram, deine Meinung ändern zu müssen?", fuhr ihn Laiza heftig an. "Du Idiot! Merkst du denn nicht, dass du dich verrannt hast? Und dass du die paar Freunde, die du hier vielleicht hast, verlierst?"
Er senkte den Kopf. "Vielleicht hast du recht. Vielleicht nicht." Seine Stimme sank zu einem Flüstern. "Ich kann immer nur an Loretta denken. Weißt du überhaupt wie das ist, den Menschen zu verlieren, der einem das Wichtigste im Leben ist?"
Sie starrte ihn nur an und dachte zurück an Überwald. Dann drehte sie sich abrupt um und verließ wortlos die Zelle. Ja, sie konnte Ruppert verstehen und trotzdem würde sie ihn am liebsten mit Tritten traktieren.
"Dieser verdammte Idiot, dieser Mistkerl ...", fluchend ging sie die Treppen nach oben in Grauhaars Büro. Wieder knallte die Tür. Der sah sie an und fragte nur: "Na, war wohl kein gutes Gespräch?"

***


Zwei Wochen später

Hinter dem Tempel des Paluksé lag der Friedhof der Mönche und Schwestern. Es war früh an einem sonnigen Morgen und die Vögel schmetterten aus Leibeskräften ihre Lieder in den Tag. Ein heftiger Wind hatte in der Nacht allen Nebel und einen großen Teil des Gestanks aus der Stadt geblasen, so dass der Duft der vielen Blumen über den Gräbern lag.
Vor dem neuen Grab stand Ruppert und starrte auf die einfache Holztafel mit der Aufschrift "Loretta Franziska von Stubbnitz" ohne sie eigentlich wahrzunehmen. Tränen rannen über sein Gesicht.
Hinter ihm knirschten Schritte im Kies des Weges und verstummten dann. Ruppert musste sich nicht umdrehen um zu wissen wer dort stand und leise knarrte.
Die beiden Wächter standen sehr lange schweigend dort. Dann nahm Lilli Rupperts Hand, deutet mit der anderen auf das Grab und schüttelte traurig den Kopf. Sie hielt seine Hand fest und wollte ihn vom Grab fortziehen, doch Ruppert rührte sich nicht vom Fleck.
Er sah Lilli traurig an.
"Nein, Lilli, ich komme nicht mit. Ich muss Blinzel finden. Sag ...", er überlegte kurz, "sag Sillybos bitte, dass ich gehen muss. Sag Laiza von mir 'Auf Wiedersehen'. Und sag ihr, dass es mir leid tut. Sie hat recht gehabt. Mit allem was sie gesagt hat. Vollkommen recht."
Er löste sanft seine Hand aus der ihren und nickte ihr traurig zu. Dann ging er mit langsamen Schritten und gesenktem Kopf über den weißen Kies zum Ausgang des Friedhofs.

***


Ruppert von Himmelfleck schwieg lange und Ruppert ag LochMoloch wagte es kaum zu atmen um den einsamen Werwolf nicht zu stören.
In diese Stille erklang laut das Knarren der Eingangstür. LochMoloch stand auf und ging leise hinaus. Vor ihm stand Rogi Feinstich.
"Ah, Ruppert, ift allef in Ordnung?".
"Nein, Mä'am."
"Warum flüfterft du, Mann?", wollte der Feldwebel wissen.
"Weil ..."
"Weil er nicht weiss wie er dir meine Anwesenheit erklären soll, Feldwebel."
Rogi starrte Himmelfleck an, der hinter ag LochMoloch in der Tür erschienen war. Dann seufzte sie.
"Waf maft du denn hier, ich dachte, ich meine ich habe gedacht, daff du längft wieder in Überwald bift."
"Ich habe den Klostermörder verhaftet und zurück gebracht."
"Und defhalb bift du verfwunden", sagte Rogi nachdenklich.
"Ich habe gehofft, dass Kommandeur Ohnedurst dafür Verständnis haben würde."
"Er ift nicht mehr Kommandeur. Fein Nachfolger ist Argahaft Breguyar."
"Ach? Na ja, ist ja auch egal. Immerhin hat mir der Kleine hier verraten, dass ich entlassen bin."
"Auch, daff du einen Termin beim Patrifier haft?"
"Ja, das auch. Und? Willst du mich jetzt einsperren?"
"Laifa hat mir erfählt waf er dir angetan hat. Und du haft ihn tatfächlich lebendig furück gebracht?"
"Ja. Ich wollte beweisen, dass ich kein kalt- oder wie-auch-immer-blütiger Mörder bin." Er zuckte mit den Schultern. "Und letztlich wird er ja ohnehin aufgehängt."
Der Feldwebel rang mit sich.
"Ef ift fwar gegen jede Vorfrift dich nicht eifufperren. Aber du wirft noch heute zu Vetinari gehen. Der Gefreite hier wird dich begleiten. Mehr liegt nicht in meiner Hand."

[1] Diese zugegebenermaßen ungenaue Beschreibung soll die Spannung in der folgenden Geschichte erhöhen

[2] Das hat etwas mit der Ausbildungs-LIVE zu tun.

[3] Womit nicht angedeutet werden soll, dass Leonardo ein Achatener ist.

[4] s. Single Lästige Vergangenheit http://www.stadtwache.net/phps/zeigemission.php?art=S&nummer=1160

[5] Und natürlich auch um den unlizensierten Dieb mit dem seltsamen Namen Lacky Langfinger. Nachdem sie ihn von der Tür entfernt hatten an die er geklopft worden war.

[6] Schwarzbart beendete seine Karriere als Frau mit Vollbart auf einem Rummelplatz in den wüsten Weiten der Sto-Ebene. So führte Tatootsies Irrtum wenigstens zu einer Art grausamer Gerechtigkeit.

[7] Upps, Ruppert kann mich hören?

[7a] - verdammt und zugenäht noch mal -

[9] also zum Beispiel:
"Wie werde ich reich und glücklich"
"Fit und schlank in 16 Tagen"
"Warum Männer Schwerter tragen und Frauen gerne ihren Sumpfdrachen streicheln"
"Sorge dich nicht nur - Bebe!"

[10] unter der Leitung von Frau Evadne Kuchen

[11] An Ruppert war die Existenz des RUM-Fundus bisher vollkommen vorbei gegangen.

[12] Da der Satz missverstanden werden könnte: Ruppert der Mensch war das Herrchen von Ruppert dem Hund.

[13] Selbstverständlich lagen nur Patientinnen in diesem Saal. Die Paluksérianer gelten als sehr sittenstreng. Zwergische Patientinnen hingegen galten generell als Männer.

[14] Gegen den Missbrauch schuldiger Tiere hat Frau Kuchen selbstverständlich nichts einzuwenden

[15] Ja ja, ich weiss, das ist geklaut

[16] Das ist alles nur geklaut, das ist alles gar nicht meines. Ahu Aha!

[17] Eine genauere Beschreibung des Lokals findet sich ganz am Anfang der Single "Nimm etwas Milch von der Kuh"

[18] Genaugenommen da, wo es niemand fand, der es vernichtete. Gegen dieses Kraut war ein Plantozid, eine gezielte Ausrottung im Gange. Denn wer wollte schon Werwölfen ein Mittel gegen Silber gönnen?

[19] Da für die meisten Nicht-Werwölfe das folgende Gespräch uninteressant sein wird, wird es aus dieser Version der Geschichte entfernt. Interessierte können sich in dem demnächst erscheinenden Buch von Bruder Kori "Magische Geschöpfe und ihre Pflege" [35]über Anbau und Anwendung des Wolfskrautes informieren.

[20] Natürlich nicht der Bibliothekar

[21] copyright by Goldie Kleinaxt

[22] "Ich hab eine Große Zwiebel!"
"Nein, hast du nicht, Erma Hinterbock, dir fehlt ein kleiner Stinker und außerdem hast du eine Karte in den Ausschnitt geschoben."
"Hab ich nicht, ich hab' mir nur ein wenig Luft zugefächelte.
"Ach ja, lass mal sehen."
"Hände weg Irma Ohnei, willst mir wohl an den Busen grapschen"
"Ha, als wenn es da was zu grapschen gäbe."
... eben ein kleines Freundschaftsspiel unter Frauen. Die Heiler konnten die blauen Flecken und Platzwunden schnell und problemlos behandeln.

[23] 'Mistkerl' ist für Bäume keine Beleidigung, eher die Verheißung auf eine gute Mahlzeit.

[24] Mit einem kleinen Notizzettel, der einen mehr oder weniger hohen Betrag aufwies.

[25] Über die korrekte Aussprache von Abb. lässt sich vermutlich streiten.

[26] Der Gute steigert sich da in was rein, will mir scheinen.

[27] Diese Diskussion findet in Varianten auf allen Planeten mit intelligentem Leben (und auf einigen anderen auch) des Multiversums statt. Lediglich auf dem Planeten Husoldis in einer der 7. Paralleldimensionen hatte sich der männliche Teil der Husolditen durchgesetzt und das Tanzen per Gesetz verboten. Dazu mochte beigetragen haben, dass die Husolditen mit ihren 23 Geschlechtern sich niemals darauf einigen konnten wer führt und wer geführt wird. Die dadurch hervorgerufenen Kämpfe der Geschlechter zählen zu den grausamsten Kapiteln intelligenter Geschichte im Multiversum.

[28] Auf besonderen Wunsch - zumindest hab ich das so interpretiert, Ophelia. ;-)

[29] Christian Morgenstern, "Schauder"

[30] Mit Ausnahme des Ersten alles Künste die sie leider nicht beherrschte [36]

[31] "Ich heiße Günter!"

[32] Das heißt also, dass nur Grauhaar und Laiza anwesend waren.

[33] Ich sollte darauf hinweisen, dass es eigentlich nicht Lillis Art war sich Schmerz anmerken zu lassen. Sie fürchtete nämlich einen floralen Reputationsverlust; da Bäume nicht in der Lage sind, Schmerz zu empfinden, darf sie auch keine Schmerzen haben. Ihr Schmerzlaut ist daher ein Hinweis auf eine sehr schmerzhafte Verletzung.

[34] Sprich: Es quollen keine Kapillaren oder Wurzelfäden heraus.

[35] Register Nummer 5481/X-A III im Tempelbereich der reformierten Les-Gutianer

[36] Sie hatte versucht im Herbst die Kleider abzuwerfen aber es war ihr doch zu kalt geworden.

Kritik ist immer erwünscht



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Feedback:

Von Lilli Baum

03.06.2008 13:12

Ich mag die Single. Und das nicht nur, weil mein Charakter so eine große Rolle darin hat. Die ganzen Beschreibungen der verschiedenen Gottheiten und Tempel sind toll, ich werde den einen oder anderen mit Sicherheit aufgreifen, also vergiss nicht, Archiveinträge zu schreiben. Ein paar Fußnoten zuviel; bzw. zu viele mit unterschiedlichen Konzept. Aber eine gut geschriebene und spannende Geschichte. Schade, dass du sie nicht mehr als Ruppi I veröffentlichen konntest, der hinzugefügte Erzählrahmen war zwar schlüssig, aber passte irgendwie nicht ganz. Und es störte, dass du "Rückblick:" geschrieben hast. Aber das ist ja eh nur eine Kleinigkeit.

Von Kannichgut Zwiebel

03.06.2008 14:40

Na da hat sich das Warten doch gelohnt! 8) Grats!

Von Ophelia Ziegenberger

03.06.2008 20:53

:) Ich bin leider nicht zum Lesen der Single gekommen aber eine so gute Wertung UND zusätzlich noch ein Bronzeribbon sagt schon viel aus. Da auch Kannich keinen Extra-Thread deswegen aufgemacht hat, schließe ich mich hier einfach mal an, mit meinen Glückwünschen: Allerherzlichsten! :)

Von Magane

04.06.2008 11:18

Mir hat die Struktur ausgesprochen gut gefallen, grad der Wechsel zwischen rechts und links, den unterschiedlichen Perspektiven, die Tempelsache, fein...



Alles in allem :daumenhoch:



Bei dem Wort "Rückblende" muss ich mich Lilli anschließen, das stört etwas, aber das ist auch das einzige.

Von Ruppert ag LochMoloch

04.06.2008 16:09

Ich hab' mich wahnisnnig gefreut, dass die Geschichte so gut ankam. Vielen Dank!



Zur Rückblende: Ich habe irgendwann bemerkt, dass ein Teil der Morde in der Vergangenheit passierte und dann irgendwann in der Gegenwart geschahen. Deshalb habe ich vor die alten Morde die "Rückblende" gesetzt. Um Verwirrungen zu vermeiden. War aber scheinbar keine so gute Idee ... :wink:



Und, Ophelia: Für Dich ist extra eine kleiner Abschnitt in die Geschichte aufgenommen worden. Es ist der Absatz vor Fußnote 28 :D



Ja, Lilli, der Erzählrahmen ist aufgesetzt, aber der war auch nur ein Schnellschuß (an dem ich aber auch ein Weilchen herumgedoktert habe). Dank Kannich sind euch immerhin etwa ein halbes Dutzend Vorbemerkungen erspart geblieben (na ja, genau waren es glaube ich 3). ;)

Im Nachhinein ist es gut, dass die Geschichte erst von Ruppert II eingestellt wurde - so habe ich doch wenigstens was vom Ribbon :)

Von Ophelia Ziegenberger

04.06.2008 16:31

:D Hehehe... liest sich wie ein Bollywood, diese Stelle. Ich bin zwar gerade nicht sicher, auf welche "Bitte" oder Anspielung Du dich beziehst aber ein Schuss Bollywood schadet nie! ;)

Von Ruppert ag LochMoloch

04.06.2008 17:08

Ich weiss es auch nicht mehr, aber du musst in irgendeinem Forum so was mal erwähnt haben. :D

Von Ophelia Ziegenberger

04.06.2008 17:33

:D Ah, dann hatte ich das doch richtig interpretiert. Klasse... Dankeschön! *knickst*

Von Ruppert ag LochMoloch

05.06.2008 16:47

Es war mir ein Vergnügen, Mä'am [i]*macht einen Kratzfuß*[/i]

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