Eifersucht im Nähstübchen

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von Chief-Korporal Valdimier van Varwald (FROG)
Online seit 01. 04. 2008
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Eine Nacht bei den FROGs

Dafür vergebene Note: 11

Langsam glitt Schemo durch das dunkle Wasser. Es bedurfter keiner Hast um sein Opfer noch einzuholen, denn es wusste nichts von der drohenden Gefahr. Schemo galt nicht umsonst als Schrecken der Meere. Wann immer andere seinen Namen aussprachen, dann war es in tiefster Erfurcht und der ständigen Angst, seinem unstillbaren Hunger zum Opfer zu fallen. Es gab nur wenige, die eine Begegnung mit ihm überlebt haben. Doch ihr Verstand war von seinem Anblick so vergiftet, dass sie nur noch von den schrecklichen orangenen Schuppen und den grässlichen großen weißen Augen stammelten. Doch dieses Glück würde er seinem nächsten Opfer nicht gewähren. Seine letzte Mahlzeit lag schon etwas zurück und der Hunger würde keine Ausnahme erlauben. Nun lag nur noch ein kleiner Abstand zwischen ihn und seiner Beute. Gierig öffnete er sein Maul. Als wollten sie den dramatischen Effekt unterstreichen blitzten seine spitzen Zähne auf und durchdrangen so für einen Bruchteil einer Sekunde das trübe Gewässer. Vielleicht, war es das was sein Opfer dazu brachte seinen Kopf in seine Richtung zu drehen, oder es war die drohende Präsenz, die es irgendwie gespürt hatte. Viele seine Opfer, die ihn vor ihrem Ende sahen verfielen in eine Starre der Angst, die es ihnen unmöglich machte vor ihm zu fliehen, doch bei diesem hier war es anders. Hastig preschte es vor ihm davon, doch Schemo hatte damit gerechnet. Sofort nahm er die Verfolgung auf. Sein Opfer versuchte alle Tricks um zu entkommen. Es schlug Haken und schwamm durch unebenes Gelände, in der Hoffnung einen Platz zum verstecken zu erspähen, doch es brachte ihm nichts. Während das Wasser an ihnen vorbeizischte näherte sich der Jäger unaufhaltsam Stück für Stück. Erneut riss er sein Maul auf und schnappte zu. Er erwischte nur die Schwanzflosse seines Opfers, doch damit läutete er das nahende Ende seiner Beute ein. Unfähig sich weiter zu Bewegung trieb sie vor ihm her, die Augen dem Ende entgegenblickend und um Gnade flehend. Doch dafür interessierte sich Schemo nicht. Er riss sein Maul auf und als er zuschnappte war das Leben seines Opfers endgültig zu einem Ende gekommen.

"Ach verdammt!!"
Resigniert lies Schlumpi Wurzelbach die Schultern hängen. Anfangs hatte es so gut ausgesehen, doch ausgerechnet in der letzten Runde hatte es ihn erwischt. Doch die Geste der Resignation hielt nicht lange an. Schon nach kurzer Zeit verschwand sein betrübter Gesichtsausdruck und machte damit neuem Elan platz.
"Komm, noch eine Runde."
Stefan Mann, der ihm gegenüber saß, ließ sich nicht lange bitten.
"Na gut, aber ich glaube nicht, dass du eine Chance hast", erwiderte der FROG siegessicher.
"Das wollen wir ja sehen. Diesmal kriege ich dich wirklich."
Den Fakt, dass er die letzten fünf Partien Fischverfolgung aufgrund von Würfelpech verloren hatte, ignorierte Schlumpi gekonnt. Seiner Meinung nach, musste das Glück irgendwann auch ihm hold sein. Und solange sie nicht um Geld spielten, konnte er es ja noch oft genug versuchen. Schnell sortierten sie die Fischförmigen Figuren und stellten sie auf das blaue Spielbrett, welches mit seinen bunten Zeichnungen einen großen See darstellen sollte.
"Wenn du ihn nicht irgendwann gewinnen lässt Stefan, werdet ihr noch bis zum Schichtwechsel da sitzen", rief unterdessen Valdimier van Varwald.
Der Vampir und stellvertretender Abteilungsleiter der freiwilligen Retter ohne Gnade hatte es sich auf einem Stuhl, etwas abseits der beiden Wächter, gemütlich gemacht und blätterte in einem Buch. Seine Füße ruhten ausgestreckt auf einer Rückenlehne, deren Stuhl er sich entsprechend zurechtgerückt hatte. Außer den drei befanden sich noch Sayadia Trovloff, Mindorah Giandorrrh und Norti Rabenpelz in dem Aufenthaltsraum der FROG's. Jeder hatte sich seiner oder ihrer Beschäftigung zugewandt, mit der man die drohende Langeweile am besten bekämpfte. Wenn man die Wahl zwischen den beiden Schichten hatte, entschied sich fast jeder immer führ die Frühschicht, die morgens begann und Abends zu Ende ging. Der erste große Vorteil war, dass viel mehr Wächter im Wachhaus anzutreffen waren, mit denen man mal ein kurzes Schwätzchen halten konnte. Sicher, jede Abteilung hatte ihre Notbesetzung, aber wenn man das rege Treiben des Tages mit der Nacht verglich, herrschte nun auf den Fluren schon fast gespenstische Stille. Der zweite Nachteil der Nachtschicht, war die schon angesprochene Langeweile, die sich schnell breit machen konnte. Wenn am Tag das Leben auf den Strassen der Stadt seinen Weg nahm, war die Wahrscheinlichkeit einfach größer, dass etwas passieren konnte. Für einen Außenstehenden klang es sicher komisch, aber es war wohl einer der Gründe, warum FROG bei einigen Wächtern den Ruf der angeberischen Eingreifgruppe hatte, die sich die Finger nach jedem erdenklichen Abenteuer leckten. Doch in der Mannschaft gab es niemanden, der morgens in der Hoffnung aufstand, dass er sich heute endlich in die Flugbahn eines Bolzen werfen durfte. So heroisch wie es auch klang, brachte diese Tat meistens den Nachteil mit sich, dass man nicht mehr am Leben war, um die verdiente Anerkennung zu bekommen. Jedem war klar, dass der nächste Einsatz der letzte sein konnte, doch wenn alle Waffen auf Hochglanz poliert wurden, jeglicher Papierkram erledigt [1] und sonst keine Übungen auf den Plan standen, dann konnte es schon mal passieren, dass man auf etwas Abwechslung hoffte.
Doch wenn die Abwechslung auf sich warten ließ, musste man eben zu anderen Mitteln greifen, um sich die Zeit zu vertreiben. So machte sich Schlumpi weiter daran, endlich eine Partie gegen Stefan zu gewinnen, während Valdimier weiter in seinem Buch, bei dem es sich eher um einen billigen Groschenroman mit einer klischeebeladenen Geschichte um eine Achate Triade handelte, blätterte. Sayadia, die still an einem der Tische saß, studierte ebenfalls ein Buch, doch bei ihr war es keine Unterhaltungslektüre sondern ein Ratgeber über die Püschologie des menschlichen Geistes. Der Zwerg Norti Rabenpelz hatte es sich auf seinem Stuhl besonders gemütlich gemacht, und seinen Helm über das Gesicht gezogen. Ein leises Schnarchen war darunter zu vernehmen. Ein Umstand, der unter normalen Umständen zu einem gehörigen Vortrag zum Thema schlafen im Dienst, mit sich gebracht hätte, doch Valdimier ließ mal Gnade vor Recht walten, da zur Zeit eh nichts zu erledigen war und er so zumindest sicher war, dass der angehende Knallpulverexperte nicht wieder auf die Idee kam, irgendwelche neuen experimentellen Bomben zu basteln. Mindorah, die letzte FROG, die sich mit den anderen die Nachtschicht teilte, befand sich gerade im Taubenschlag des Wachhauses und fütterte die Tauben. Das alles entsprach im Großen und Ganzen dem Ablauf einer typischen FROG Nachtschicht. Es änderte sich auch nicht, als man Reggie aus dem Rohrpostsystem rufen hörte.
"Hey ihr Hohlköpfe. Hier ist was für euch!!"
Kurz darauf schoss auch schon der Postbehälter quer durch den Raum. Mit einem lauten Knall donnerte er gegen die gegenüberliegende Wand und blieb nach einigen Drehungen auf dem Boden liegen. Kurz darauf folgte ein weiterer Knall, als Norti vor Schreck mit seinem Stuhl nach hinten umgefallen war.
"Also dafür, dass ihr die ganz Harten sein sollt, ist es mit eurer Reaktion aber nicht sehr weit hergeholt." Mit einem dicken Grinsen auf dem Gesicht, schaute Reggie aus der Rohröffnung. "Ich möchte ja nicht wissen wie..."
Weiter kam er nicht, denn der plötzliche Rückzug, um sich aus der Flugbahn des herannahenden Buches zu bewegen, benötigte seine volle Aufmerksamkeit.
"Verdammter Dämon", fluchte Valdimier, als er aufstand um sich sein Buch wiederzuholen. "Irgendwann drehe ich ihm noch den Hals um."
"Hehe, komm doch, komm doch", tönte es aus dem Rohr, doch der Vampir achtete schon nicht mehr darauf. Er warf einen kurzen Blick zu Norti, um sich zu vergewissern, dass mit dem Zwerg alles in Ordnung war, doch der angehende Knallpulverexperte rappelte sich gerade wieder auf. Währenddessen eilte Sayadia zu dem Behälter und fischte kurz darauf den sich darin befindenden Zettel heraus. Eine Nachricht zu dieser späten Stunde ließ nur zwei Möglichkeiten zu. Entweder hatte sich der Abteilungsleiter, der vor kurzen auch noch Kommandeur der Wache geworden war, wieder mal irgendeinen Test für die Truppe einfallen lassen, oder es gab wirklich einen Vorfall, der die Aufmerksamkeit der Frösche erforderte.

Das Dumme war nur, dass man erst später erfuhr, was von beiden jetzt eigentlich der Fall war.

***


Der mit dem plötzlichen Aufbruch verbundenen Hektik folgt oftmals eine weitere Phase, die man als FROG nutze, um sich auf den bevorstehenden Einsatz vorzubereiten. Ruhepause war vielleicht das falsche Wort. Zum einen versuchte man schon eine erste kurze Besprechung durchzuführen, viel gravierender war aber der Umstand, dass man zur gleichen Zeit mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Strassen von Ankh-Morpork schoss.
"Und wir wissen nur, dass es sich wohl um eine Geiselnahme handelt?"
Wie immer wenn man mit Schusi, dem roten Rennesel der FROG's, unterwegs war, hatte man einige Mühe gegen den Fahrtwind anzukommen.
"Ja, me... wi..sen wi.. icht."
Valdimier hatte zusätzlich noch das Problem, dass er als Fahrer des Karrens sich nicht so drehen konnte, um wenigstens etwas windgeschützt zu sprechen. Bei dem halsbrecherischen Tempo, welches der Esel vorlegte, sollte man doch tunlichst drauf achten den Blick nicht von der Strasse zu nehmen. Es gab Tage an denen man sich öfters fragte, wie es die FROG's bis heute geschafft hatten, dafür zu sorgen, dass noch kein Fußgänger Schusi zum Opfer gefallen, oder der Karren an einer Hauswand zerschellt war.
"Dann müssen wir wohl warten, bis wir da sind."
Es war nichts neues für die FROG's, erst im letzten Moment zu erfahren, was denn nun überhaupt los war. Man konnte sich glücklich schätzen, wenn man vorher schon überhaupt ein paar Informationen über die nahende Aufgabe bekam. In den meisten Fällen war die Fahrt zum Einsatzort eine Karrenfahrt ins Ungewisse. Es konnte sich um eine 50 jährige alte Oma handeln, die sich mit der Armbrust ihres Enkels in der eigenen Wohnung verschanzt hatte und die restlichen Anwesenden des allwöchentlichen Kaffeeklatsches als Geiseln hielt, weil sie sicher war, dass sich die ganze Stadt gegen sie verschworen hatte und sie tot sehen wollte, um an das Erbe zu kommen. Doch es konnte aber auch die drei ausgebüchsten Gauner sein, die gerade den größten Coup ihres Lebens durchziehen wollten und der ganze bis aufs penibelste geplante Einbruch wegen eines kleinen Planungsfehlers in einer Geiselname endete. Die Erfahrungen, die die letzten Jahre so mit sich gebracht hatten, bläuten den FROG's schnell eine der goldensten Regeln des Überlebens ein.

Erwarte das Unerwartete

Dies war etwas, an das sich jeder Wächter halten sollte, wenn er seinen Dienst antrat. Doch wenn man hauptsächlich nur gerufen wurde, wenn die Situation schon kurz vor dem eskalieren stand und eine gewaltfreie Lösung nicht mehr möglich schien, dann sollte man sich diese Regel besonders zu Herzen nehmen.

***


"Hey Leute, jetzt macht doch mal Platz!!"
Heute war eine der Nächte, an der Valdimier überlegte, die Bremskarotte erst dann auszuwerfen, wenn sie wirklich erst an ihrem Einsatzort angekommen waren. Sollten die Schaulustigen doch alle sehen, wie sie rechtzeitig zur Seite sprangen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Verhalten noch ziemliche Probleme mit sich bringen konnte, hielt ihn immer wieder auf neue davon ab. So kroch der Karren gerade durch die Menschenmenge, die sich in der Nähe des Einsatzortes versammelt hatte. Zwei Kollegen, die man anhand der Uniform als Wächter von SEALS erkannte, versuchten die Schaulustigen zurückzuhalten. Sofort nachdem der Karren endlich sein Ziel erreicht hatte und zum stillstand gekommen war, nahmen sich die FROG's ihre Ausrüstung und kletterten von der Ladefläche. Das Gebäude, vor dem sie standen, sah auf den ersten Blick wie eine gewöhnliche Taverne aus, doch der leicht rötliche Lichtschein, der durch vorhangverhängten Fenster schimmerte, und der Fakt, dass die Taverne den Namen Tuttifrutti trug, ließ auf ein etwas anderes Etablissement schließen.
"Greift da etwa ein Kunde zu drastischen Mitteln, um sich vor der Näherinnenrechnung zu drücken?", fragte Stefan.
Die Antwort bekam er von Damien G. Bleicht, ebenfalls Wächter der SEALS, der in diesem Moment aus dem Gebäude kam.
"Es wäre schön, wenn es so einfach wäre", erklärte der junge Wächter. "Die Sache ist etwas komplizierter. Ein Mann hat sich mit einer Näherin und ihrem Kunden in ihrem Arbeitszimmer eingesperrt und bedroht die beiden jetzt mit einem Messer."
"Aha, und warum tut er das?", fragte Valdimier.
"Na ja, das ist gerade das Interessante an der ganzen Geschichte. Der Typ mit dem Messer ist der Ehemann der Näherin. So wie es aussieht, hatte er keine Ahnung von dem, was seine Frau so trieb. Als er sie hier dann zur Rede stellte, kam es natürlich zum Streit und im Laufe dessen sind wir gerufen worden."
"Und ich dachte schon, sie wären rein zufällig gerade hier gewesen", erklang es aus der Gruppe der FROG's.
"Als wir dann hier angekommen sind, ist der Ehemann wohl vollends durchgedreht und hockt nun mit den anderen beiden auf dem Zimmer."
Es war nicht zu überhören, dass Damien nicht sehr erfreut über die Stichelei war. Doch der SEAL war in seiner Ausübung als Szennenkenner schon lange genug im Dienst gewesen, als das ihn so etwas aus der Ruhe bringen konnte.
"Hmmm, also haben wir hier nicht nur eine Geiselnahme, sondern auch noch einen Fall von drohender Selbstjustiz."
"Danach sieht es aus."
"Das ist nicht gut. Auf welchen Zimmer hat er sich denn verschanzt?"
"Im zweiten Stock. Von der Strasse aus ist es das zweite Fenster auf der linken Seite."
"Ok danke." Valdimier gab Stefan ein kurzes Zeichen, der sich sogleich daran machte, mit seiner Spezialarmbrust auf die andere Straßenseite zu gelangen. Dort würde er versuchen sich Zugang zu dem Gebäude gegenüber des Etablissements zu verschaffen. Zwar würde er erst vorerst die Aufgaben des Spähers übernehmen, doch im Ernstfall konnte ein Triffinsziel oft die letzte Rettung sein.
"So, und wir schauen uns die Sache mal etwasgenauer an."
Mit diesen Worten eilten die restlichen Wächter in das Nähstübchen. Wie in jedem Gebäude, in dem Näherinnen der Ausübungen ihres Berufes nachgingen, dominierten rottöne die Innenausstattung. Die Wände, die Möbel, selbst der Teppich auf dem Boden. Alles war in rote gehalten. Was etwas Abwechslung in die farbliche Auswahl brachte, waren die Kleidungsstücke, der Damen, die sich in der Eingangshalle versammelt hatten. Ihren Beruf entsprechend, war da allerdings nicht viel zu sehen und so war es hauptsächlich Haut, die zum vorschein kam. Valdimier, der sich in der Nähe von Näherinnen immer etwas unwohl fühlte, versuchte sich fest auf andere Sachen zu konzentrieren, um sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Er spürte die Blicke der leichten Mädchen auf sich ruhen, begleitet von leisen Getuschel und Gekicher. Es hatte ganz den Anschein, dass sich niemand großartig Sorgen um die Sicherheit ihrer Kollegin machte.
"Sayadia?"
Möglichst ohne einen Blick auf die leicht bekleideten Damen zu werfen, drehte sich der Vampir zu seiner Kollegin um, die mit einem kurzen "Ja" antwortet.
"Du gehst mit Schlumpi schon mal noch oben und versuchst mit dem Typ Kontakt aufzunehmen. Das übliche Püschogespräch eben."
Während die Püschologin ohne zu zögern die Treppe hoch eilte, murmelte der leichte Armbrustschütze noch etwas, dass wie "Sollte nicht jemand die Eingangshalle bewachen", klang. Doch auch er machte sich kurz darauf auf den Weg, um seiner Kollegin zur Seite zu stehen. Zwar hatte die Püschologin wie jeder FROG den Grundkurs im Waffenumgang absolviert, aber sollte der wütende Ehemann auf irgendwelche dummen Gedanken kommen und plötzlich aus dem Zimmer stürmen, war es doch besser, wenn jemand da war, der schnell und präzise schießen konnte. Nachdem die beiden verschwunden waren, wandte sich Valdimier wieder an Damien.
"Wer hat denn in diesem Haus hier das Sagen?"
Noch bevor der SEAL etwas sagen konnte, erklang eine weibliche Stimme hinter dem Vampir.
"Das habe ich."
Valdimier hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wieder der typische Chef oder die Chefin eines Näherinnen Etablissements auszusehen hatte. Doch als er die Dame das erste mal sah, wusste er, dass sie seine möglichen Vorstellungen nicht bestätigt hätte.
"Gestatten Sie? Mein Name ist Ursunella Honigtopf."
Frau Honigtopf war einen Kopf kleiner als Valdimier. Das erste was ihm auffiel, war ihre hochgesteckte dunkelblonde Frisur, die auf ihrem Kopf thronte. Ihr leicht pummeliges Gesicht hatte kleiner Anzeichen einer übertriebenen Auftragung von Schminke. Doch für das größte Auffallen dürfte ihre Figur sorgen. Valdimier würde nicht so weit gehen und sie fett nennen. Mollig traf es eher. Wie die anderen Damen in dem Haus, trug sie ein schwarzes Kleidungsstück, was mehr wert darauf legte, ihren Körper zur Schau zu stellen, als ihn zu verdecken. Dabei kam eine besondere Betonung ihrer großen Oberweite zuteil.
"Glauben Sie mir Herr Wächter. Es gibt viele Kunden, die mögen ein paar Extrapfunde."
Seine Blicken waren wohl nicht unbeobachtet geblieben.
"Ähm... ja." Valdimier nahm sich vor, dies nicht das Hauptthema des Gespräches werden zu lassen. "Sehr erfreut sie kenne zu lernen, Frau Honigtopf."
Zögernd reichte er der Dame die Hand, die sie mit einem leichten kichern annahm.
"Was genau können Sie uns denn über die Situation erzählen. Wenn die Informationen meines Kollegen stimmen, dann ist es der Ehemann einer Ihrer Angestellten, der da oben nun zwei Menschen als Geiseln hält?"
"Ja genau", bestätigte die Betreiberin des Hauses mit einem Kopfnicken. "Das ganze überraschte mich etwas. Annemarie hatte mir erzählt, dass ihr Mann davon wüsste, aber kein Problem damit hätte, dass es neben ihm noch andere Männer gab."
"Hmm, also wenn die Frau während ihrer Arbeit gerne im Bett liegt, hätte sie sich doch eher einen Job als Matratzentester suchen können. Dagegen hätte ihr Mann sicher nichts sagen können."
"Das mag sein Schätzchen", warf Frau Honigtopf ein. "Aber glaub mir. Das ist nicht das, was ihr am meisten Spaß macht."
"Verstehe." Valdimier versuchte das Schätzchen zu ignorieren und warf einen kurzen Blick zu seiner Kollegin, damit sie das gleiche tat. "Das lässt darauf schließen, dass Sie den Ehemann auch noch nie zuvor gesehen haben?"
Erneut antwortete ihm die Frau mit einem kurzen Kopfnicken.
"Wie würden Sie ihn denn einschätzen? Meinen Sie, dass er seiner Frau oder dem Kunden etwas antun könnte?"
"Das kann ich Ihnen beim besten Willen leider nicht sagen, Herr Wächter. Aber eins weiß ich sicher. Er war außer sich vor Zorn."
Diesmal war es Valdimier, der bedächtig nickte. Sobald Emotionen mit ins Spiel kamen, wurde die Sache gleich wesentlich schwieriger. Sie ließen alle Beteiligten in ihren Handlungen unberechenbar werden. Es machte nicht mal einen großen Unterschied, um welche Art es sich dabei handelte. Ob es Wut, Trauer, Liebe oder sogar Angst war. Sie schaltete jegliches logische Denken im Geist ab und ließ ihn rein intuitiv handeln. In den meisten Fällen war es aber genau die gegenteilige Richtung derer, die die Vernunft einschlagen würde.
"Also gut. Ich würde sagen, wir gehen jetzt lieber auch mal nach oben. Frau Honigtopf, befinden sich in dem Stockwerk noch irgendwelche andere Angestellte von Ihnen?"
Bevor sie antwortete, ließ die Frau ihren Blick über die anwesenden Näherinnen gleiten. Es war unnötig zu erwähnen, dass Valdimier ihren Blick nicht folgte.
"Nein, es sind alle hier, Herr Wächter."
"Gut, normalerweise wüssten wir das Gebäude bei so einer Situation evakuieren, um die Gefahr für Unbeteiligte so gering wie möglich zu halten." Er zögerte etwas. "Doch... ähm, in Ihren Fall würden wir damit womöglich einen Tumult auf der Strasse auslösen. Deswegen bitte ich Sie, sich alle so lange hier unten aufzuhalten, bis die ganze Angelegenheit erledigt ist."
"Ganz wie Sie wollen, Herr Wächter. Bitte sorgen Sie nur dafür, dass Annemarie nichts geschieht. Sie ist doch so ein nettes Ding."
"Wir werden unser besten geben Ma'am. Ich würde Sie aber noch bitten, dem Gefreiten Norti Rabenpelz hier eine genaue Beschreibung des Zimmers zu geben, in denen sich die Personen befinden. Eine Skizze wäre am besten. Falls wir schnell handeln müssen, wäre es gut zu wissen, wie es in dem Zimmer aussieht."
"Natürlich, Herr Wächter."
Kurz darauf eilten Valdimier und Mindorah auch schon die Treppe hinauf. Damien blieb zurück, um seinen Kollegen draußen beim zurückhalten der Schaulustigen zu helfen.

***


Je weiter der Einsatz voranschritt, desto größer wurde auch immer die eigene Anspannung. Es war eine gewöhnliche stressbedingte Reaktion des Körpers. Den Unterschied machte nur das Wie und Wann, wenn es um die Auswirkungen ging. Für einen FROG war es besonders wichtig, richtig mit der Anspannung und dem Stress umgehen zu können. Vielen Außenstehenden war es nicht bewusst, doch es meistens war es nicht das eigen Leben, das auf dem Spiel stand, sondern das eines anderen. Wenn man zum Beispiel Auge in Auge einem Verbrecher gegenüberstand, der jemanden gerade ein Messer an die Kehle setzte, konnte unüberlegtes handeln schnell dazu führen, dass das Opfer die Begegnung nicht überlebte. Umso ärgerlicher war es, dass es in diversen Kreisen der Wache immer noch gerne spöttisch behauptet wurde, dass nur richtige Haudegen bei FROG aufgenommen wurden. Das letzte was die Abteilung brauchte, waren Wächter, die so sehr von sicher überzeugt waren, dass sie sich todesmutig in einem Raum in einem Raum voller Verbrecher warfen, weil sie es angeblich mit allem und jeden aufnehmen konnten. Die Realität sah dann so aus, dass man selbst oder jemand unschuldiges auf dem Friedhof hinter dem Tempel der geringen Götter landete. Nur mit genauer Planung und konzentrierten Vorgehen bestand eine Chance, die ganze Sache unblutig zu beenden. Doch das musste unter dem Fittichen der bekannten goldesten Regel geschehen. Die beste Planung brachte nichts, wenn man nicht auf plötzliche Ereignisse reagieren konnte. Die Geiselnahme in dem Etablissement der käuflichen Zuneigung machte da auch keine Ausnahme. Zwar war noch nicht die Hölle ausgebrochen, doch sie bei dem betroffenen Zimmer ankamen, wo schon ihre Kollegen auf sie warteten, wussten Valdimier und die anderen Wächter, dass die Situation sich doch etwas von einer normalen Geiselnahme unterschied.

"Hören Sie, warum öffnen Sie nicht einfach die Tür und wir reden über alles in Ruhe."
Mit den Rücken gegen die Wand gelehnt stand Sayadia neben der Tür und versuchte mit den Personen im inneren des Zimmers zu kommunizieren. Doch dies schien sich schwierige als erwartet herauszustellen. Als sie die anderen FROG's die Treppe hochkommen sah, verdrehte sie die Augen und ließ einen Finger an ihrer Schläfe entlang kreisen.
"Wie sieht es aus?", fragte Valdimier Schlumpi leise, der sich neben Sayadia positioniert hatte und die Tür im Auge behielt.
"Also so wie es aussieht, befinden sich die Näherin und ihr Mann gerade in einem handfesten Ehestreit und der unglückliche Kunde, mit dem die Dame gerade beschäftigt war, ist dabei zwischen die Fronten geraten."
"Aber verletzt scheint niemand zu sein", flüsterte Sayadia. "Jedenfalls noch nicht."
Aus dem Zimmer war ein Stimmengemisch zu hören, welches alles andere als freundlich klang.
"Verdammt Norbert, versteh es doch endlich", brüllte eine weibliche Stimme. "Es bedeutet mir absolut nichts. Und was beschwerst du dich eigentlich? Ich bringe doch jeden Tag neues Geld mit nach Hause, oder? Darüber hast du dich niemals beschwert."
"Ich soll mich nicht beschweren?", erwiderte eine männliche Stimme. "Ich soll einfach tatenlos rum sitzen, während du mit anderen Männern in die Kiste springst. Nein danke meine Liebe, dass kannst du dir getrost abschminken. Wie konntest du mir bloß erzählen, dass ich dein Seelenverwandter sei, wenn du es hier mit anderen treibst?! Das ganze war wohl nur eine sinnlose Worthülse gewesen, oder wie?!"
"Was ist denn eine Worthülse?", fragte Sayadia leise die Anderen.
"Keine Ahnung", erwiderte Schlumpi. "Ist es ein schlechtes Zeichen, wenn ein Geiselnehmer anfängt mit Fremdwörtern um sich zu werfen?"
Die Püschologin zuckte mit den Schultern. In ihren Lehrbüchern gab es kein Kapitel, wo solch ein Verhalten zur Ansprache kam. Währenddessen mischte sich eine dritte Stimme in das Gespräch im inneren des Zimmers ein. Sie war auch männlicher Natur, doch im vergleich mit der des Ehemannes war ein deutlicher Anteil Verzweiflung herauszuhören.
"Hey, woher soll ich den wissen, dass das deine Frau ist und du nicht weißt, was sie hier so treibt? Ich wollte doch einfach nur etwas Spaß haben, und dafür habe ich auch bezahlt."
"Halt dein Maul du kleiner Drecksack", wurde er sofort von dem Mann namens Norbert angebrüllt. "Sonst steche ich dich gleich ab."
"Jetzt beruhigen Sie sich erstmal." Sayadia versuchte erneut sich etwas Gehör zu verschaffen. "Dann kann man sich sicher über alles unterhalten."
"Ich glaube das Risiko sollten wir nicht eingehen", erklärte Valdimier mit leiser Stimme und wandte sich an Mindorah. "In dem Nachbarzimmer befindet sich sicher auch ein Fenster. Schau mal nach, ob Stefan schon eine Stellung gefunden hat und frag ihn, ob er einen freien Blick in das Zimmer hat."
"Wird gemacht."
Sofort verschwand die Kommunikationsexpertin in dem Nachbarzimmer. Sie würde mit Stefan entweder per Taube oder Handzeichen in Verbindung treten. Bei einem freien Blick in das Zimmer würde der Triffinsziel den Befehl bekommen nach eigenem Ermessen zu schießen. Immerhin wäre er dann der Einzige, der sehen konnte, was sich darin abspielte. Aber solange die Ereignisse in dem Raum für sie nicht einsehbar waren, mussten sie mit dem vorlieb nehmen, was ihnen zu Verfügung stand.
"Was meinst du?" Diese Frage galt Sayadia. "Wie stabil ist die Püsche des Mannes?"
"Ich würde es mal so ausdrücken, dass sie auf der hohen Kante steht, Valdimier. Aber ist nicht der einzige, der mir Sorgen macht. Seine Frau steigert sich auch immer mehr in die Sache hinein, und das kann auch noch böse enden. Nachher verliert sie noch die Nerven und versucht irgendetwas." Die Frau rieb sich nachdenklich am Kinn. "Beide reagieren jedenfalls nicht auf unsere Versuche, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und der Kunde ist wohl zu verängstigt, um mit uns zu reden."
"Wir sollten die Sache also möglichst schnell beenden?"
Sayadia nickte wortlos.
"Also gut, dann planen wir die Stürmung."
In der Wache war es wichtig, sich immer und überall auf seinen Kollegen verlassen zu können. Die Einschätzung der Püschologin war genug für Valdimier um weiteres Vorgehen zu beschließen.
"Ok, ich würde folgendes vorschlagen. Wir kommen von zwei Seiten. Schlumpi, du gehst durch die Tür, du ich durch das Fenster. Somit sollten wir sie überraschen. Ok?"
Schlumpi nickte bestätigend. Den Gegner in die Zange zu nehmen war eine typische Eingreiftaktik, die den größten Erfolg versprach.
"Gut, wir warten jetzt nur noch auf Norti, der uns hoffentlich eine Skizze des Raumes mitbringt."
"Ich vermute mal, dass sich auf jeden Fall ein großes Bett in de Zimmer befinden wird", erwiderte der leichte Armbrustschütze mit einem grinsen auf dem Gesicht.
Kurze Zeit später hörte man auch schon lautes Gepolter, als Norti die Treppe heraufgestürmt kam. Valdimier kam in den Sinn, dass es nicht gerade die beste Idee gewesen war, einen Zwerg mit dieser Aufgabe betreut zu haben, aber auf der anderen Seite musste jeder in der Gruppe die gleiche Leistung bringen. Doch für jemanden, dessen Spezies nicht gerade wegen langen Beine bekannt ist, verhielt sich der Knallpulverexperte in Ausbildung sehr fitt.
Mit einem kurzen "Hier" überreichte der Zwerg ein Blatt Papier, auf dem Frau Honigtopf eine knappe Skizze des Raums angefertigt hatte. Wie zu erwarten, war das größte Möbelstück in dem Zimmer das Bett. Von der Zimmertür aus gesehen, stand es an der Ostwand des Zimmer, mit einem dazugehörigen Nachttischchen, und ragte weit in den Raum hinein. Auf der Nordseite neben dem Fenster stand etwas, dass wie ein Tisch aussah und dem Bett gegenüber standen zwei Möbelstücke, die Frau Honigtopf als Kommoden beschriftet hatte.
"Ok, ich denke wir können davon ausgehen, dass die beiden Streitenden nicht auf dem Bett liegen. Also werden sie sich wahrscheinlich hier in der freien Gegend bei den Kommoden aufhalten. Ich nehme an, dass die Tür abgeschlossen ist, Sayadia?"
"Ist sie", antwortet die Püschologin.
"OK. Vielleicht haben wir Glück und Stefan kann uns genaueres über den Standort der Personen sagen. Norti, ich möchte, dass du das Schloss und nur das Schloss mit etwas Pulver Nummer 1 aufsprengst. Der Knall sollte die drei drinnen noch zusätzlich ablenken."
Auf dem Gesicht des Zwerges war die Freude des bevorstehenden Sprengeinsatzes sichtlich zu erkennen. Sogar so sehr, dass Valdimier es für besser hielt, seine Anordnung noch einmal mit Nachdruck zu wiederholen.
"Denke daran. Nur das Schloss!! Ich möchte kein großes Loch in der Tür, kein Loch in der Wand, wo sich jetzt noch die Tür befindet und ich möchte nicht, dass sich mit dem Knall die ganze Situation in Rauch auflöst. Hast du das verstanden?"
"Ja, Sir!!"
Norti wusste, dass seine Experimente nicht immer auf große Gegenliebe gestoßen waren. Aus diesem Grund ließ er die Belehrung auch anstandslos über sich ergehen.
"Gut, Sayadia? Wie sieht es drinnen aus?"
"Sie streiten immer noch. "
"OK. Schlumpi, sobald das Schloss gesprengt ist, weißt du, was zu tun ist?"
"Natürlich."
"Gut, ich werde mich über dem Fenster positionieren und den Knall als Startsignal nehmen. Irgendwelche Fragen?"
Gebannt schaute er in die Gruppe, doch keiner meldete sich. Jeder wusste, was seine Aufgabe war und was er zu tun hatte. Im selben Moment kam Mindorah aus dem Nachbarzimmer zurück, in ihrer Hand hielt sie einen kleinen Zettel.
"Stefan hat zwar einen günstigen Posten gefunden, aber der Vorhang des Fenster ist zugezogen."
Valdimier fluchte leise. Das bedeutete, dass sie keine Ahnung hatten, wo sich wer in dem Zimmer aufhielt. Das machte die Erstürmung eines Zimmers noch gefährlicher. Doch ihnen blieb keine andere Möglichkeit.
"Also fangen wir an. Norti, in einer Minute sprengst du das Schloss auf. Viel Erfolg."
Mit diesen Worten verschwand der Vampir in dem Nachbarzimmer. Durch das Fenster dort konnte er hinausfliegen und sich über dem betroffenen Fenster festklammern.
Norti fing sogleich an, das Türschloss mit einer kleinen Ladung Pulver Nummer 1 zu versehen.
"Und damit sprengst du auch wirklich nur das Schloss auf?", flüsterte Schlumpi misstrauisch. "Ich habe keine Lust gleich in Stücke gerissen zu werden."
"Jaja, keine Sorge. Vertrau mir einfach."
"Bei allen Respekt, aber wenn man das bei dir zu blauäugig tut, wird man irgendwann in Stücke gerissen."
Norti quittierte den Vorwurf mit dem schneiden einer Grimasse. Wieso verstand es so gut wie niemand, dass jede große Entwicklung nur mit ein paar Fehlschlägen erkauft werden konnte. Dies war nun eben auch der Fall, wenn man Sprengstoff arbeitete.
"Ich kann dich beruhigen, Schlumpi. Die Ladung ist gerade mal groß genug, um das Schloss aufzusprengen. Verletzen wird sie einen nur, wenn man direkt an der Tür steht. Aber das hast du ja nicht vor, oder?"
"Natürlich nicht."
"Dann hast du auch nichts zu befürchten."

Die Zeit kurz vor der Durchführung des Zugriffs war die Zeit der größten Anspannung. Auch wenn es nur eine knappe Minute war, die sie bis zum entzünden der Lunte warten mussten, hatte gerade Schlumpi das Gefühl, dass es sich um Stunden handelte. In Gedanken spielte er die verschiedensten Abläufe der Stürmung immer wieder au neue durch. Was würde passieren, wenn die Ablenkung nicht groß genug war und der Ehemann sofort mit dem Messer auf jemanden losging? Genauso gut konnte aber auch der Kunde vollends in Panik geraten und den ganzen Einsatz in Gefahr bringen. Die Stürmung eines Zimmers würde nur wenige Sekunden dauern, aber in solch einer kurzen Zeit konnte so vieles passieren. Doch als Norti die Lunte der Schlossladung entzündete schob der Armbrustschütze alle Gedanken beiseite. Einen Blick nach vorne und schnelle Reaktion war alles war ihm jetzt noch helfen konnte. Er kniff die Augen zusammen als die Flamme kurz davor stand die Ladung zu entzünden. Kurz darauf erfolgte der Knall. Er spürte eine leichte Druckwelle gegen seinen Körper schlagen, doch als er die Augen öffnete und nach vorne stürmte sah er aus den Augenwinkeln, dass es wirklich nur ein kleines Loch in der Tür entstanden war, wo sich vorher noch das Schloss befand. Aus dem Inneren des Zimmer erklang ein überraschter Schrei. Dem Klang nach zu urteilen gehörte er der Frau. Doch auch dieser rückte für den FROG in den Hintergrund. Mit einem wuchtigen Tritt ließ er die Tür in das Zimmer schwingen. Zur gleichen Zeit erklang ein lautes klirren und als Schlumpi einen freien Blick in den Raum hatte, stand Valdimier auch schon im selbigen. Sofort realisierte er die zwei Personen die sich vor dem Bett befanden, während eine dritte sich noch in dem Bett befand. Es war eindeutig, dass es sich bei einen der zwei Personen vor dem Bett um den wütenden Ehemann handelte. Zum einen hatte er das Messer in der Hand und außerdem war er der einzige, der noch alle Klamotten anzuhaben schien.
"Stadtwache! Lassen Sie das Messer fallen und nehmen Sie die Hände hoch!!", brüllten die beiden Armbrustschützen auf einmal.
In solch einer Situation gab es zwei Reaktionen, die am häufigsten eintraten. Entweder ließ der Betroffene in seiner Überraschung nach einem kurzen Zögern die Waffe fallen, oder er versuchte etwas ganz dummes. Zweites führte immer dazu, dass die Wächter von ihrer Waffe gebrauch machen mussten, was dann für den Täter sehr schmerzhaft werden konnte. Doch so weit kam es in diesem Fall nicht. Völlig perplex starrte der Mann erst Schlumpi und dann Valdimier an, die sich ihm langsam mit vorgehaltener Waffe näherten. Wie bei vielen Menschen, denen eine Waffe vor die Nase gehalten wird, riss er reflexartig die Hände nach oben.
"Was zur Hölle wollen Sie hier? Was soll denn dieser Aufmarsch?"
"Wir wollen, dass Sie das Messer fallen lassen", erwiderte Valdimier.
Ohne Widerspruch öffnete der Mann die Hand und mit einem leisen *TSCHUK* bohrte sich das Messer verdächtig nahe neben seinem Fuß, in den Boden.
Nun schien auch der Mann auf dem Bett zu realisieren, was gerade geschah.
"Um Himmelwillen, endlich werde ich gerettet!!" Das es sich bei ihm um den Besucher handelte, stand außer Frage. Allein der Fakt, dass er keine Klamotten mehr anhatte, war Hinweis genug. "Das war das letzte mal, dass ich diesen Laden besuche. Hätte ich mich doch bloß für Frau Honigtopf entschieden! Bei ihr weiß ich, dass da kein durchgeknallter Ehemann plötzlich ins Zimmer gestürmt kommt."
"Ziehen Sie sich lieber erstmal etwas an", erwiderte Schlumpi, während er stattdessen den Mann in Schach hielt, der von Valdimier gerade Handfesseln angelegt bekam. Man spürte regelrecht, wie sich die Situation entspannte. "Vielleicht hat die Dame ja nachher noch etwas Zeit für Sie. Nachdem was hier passiert ist, stehen Ihnen sicher ein paar Gratisstunden als Entschädigung zu."
"Nein danke, ich habe von dem Vergnügen hier erstmal die Schnauze gestrichen voll." Mit diesen Worten rollte sich der Mann vom Bett und raffte seine Klamotten zusammen. "Ich sehe zu, dass ich Land gewinne."
"Nicht so hastig", erwiderte Valdimier. "Sie werden nachher noch eine Aussage machen müssen."
Man merkte, dass der genötigte Kunde davon nicht sehr begeistert war. Vielleicht hatte er ja auch eine Ehefrau, die zuhause auf ihn wartete, und keine Ahnung davon hatte wo sich ihr Mann gerade rum trieb. Doch das sollte die Wächter nicht weiter kümmern. Annemarie, die Näherin, die sich die ganze Zeit mit im Zimmer befunden hatte, und wohl Auslöser der ganzen Sache gewesen war, bedurfte jetzt genauerer Aufmerksamkeit. Sie hatte sich an den Rand des Bettes gesetzt und weinte hingebungsvoll. Sie schien nicht einmal zu realisieren, dass sich ihre Bekleidung auch sehr in Grenzen hielt.
"Mindoarh, kannst du dich bitte um Annemarie kümmern? Die ganze Sache war wohl etwas zu viel für sie geworden."
Während die Wächterin sich um die junge Frau kümmerte, durchsuchte Valdimier den betrogenen Ehemann nach weiteren Waffen, doch er hatte keine bei sich. Der Mann leistete keinerlei Widerstand. Die ganze Situation schien nun auch über ihn zusammengebrochen zu sein. Denn außer einem sich dauernd wiederholenden Murmeln, war von ihm sonst nichts mehr zu hören.
"Ich kann einfach nicht glauben, dass ich das die ganze Zeit nicht gemerkt habe."

Es änderte sich auch nicht, als man ihn abführte.

***


"Ach verdammt. Nicht schon wieder!! Komm noch eine Runde."
"Stefan, ich bitte dich inständig. Lass ihn doch endlich eine Runde gewinnen!! Ich bezahle dich auch dafür!!"
Norti brachte das zur Aussprache, was alle anderen im Bereitschaftsraum dachten. Es dürften nicht mehr viele Minuten bis zum Eintreffen der ersten FROG's der Tagschicht sein, aber zumindest diese wollte man in Ruhe verbringen. Doch auch diese Bemerkung verklang bei Schlumpi ungehört. Auffordernd starrte er den Triffinsziel auf der anderen Seite des Tisches an. Dieser Siegeswille hatte auch dafür gesorgt, dass er sehr zum Leidwesen seiner Kollegen, nicht mehr mitzählte, wie viele Runden er jetzt schon am Stück verloren hatte. Die restlichen Wächter im Raum fragten sich, warum sie sich nicht mehr Zeit mit der Nachbearbeitung des Einsatzes gelassen hatten. Der betrogene Ehemann war in einer Zelle eingesperrt worden, während die Damen des "Tuttifrutti" sich um seine Frau kümmern wollten. Der Kunde, und sogleich Zeuge des ganzen Zwischenfalls, wurde von SEALS entgegengenommen, damit er seine Zeugenaussage machen konnte. FROG hatte mit den folgenden Angelegenheiten nicht mehr viel zu tun. Zwar hatte sich Frau Honigtopf noch hingebungsvoll bei ihnen über die Beschädigungen an ihrem Haus beschwärt, doch damit konnte sich auch jemand anderes beschäftigen. So war nach kurzer Zeit wieder der normale Trott in den Bereitschaftsraum eingekehrt, mit dem die Nachtschicht auch begonnen hatte. Zur allgemeinen Überraschung war der Zwischenfall in dem Näherinnen Etablissement der einzige Einsatz in der Nacht gewesen. Umso sehnlicher sehnte man sich allgemein nach dem nahenden Dienstschluss, um endlich Schlumpis momentanen unbrechbaren Siegeswillen zu entkommen. Die Erleichterung, die sich breit machte, als Araghast Breguyar mit einem ersten Teil der Tagschicht den Raum betrat, war fast mit den Händen zu greifen. Umso eiliger hatte man es dann auch, denn Schichtwechsel hinter sich zu bringen.
"Na, was hat die Nacht so mit sich gebracht?", fragte der Abteilungsleiter seinen Vertreter.
"Nicht viel", antwortete Valdimier knapp. "Eine Geiselnahme in einem Nähstübchen, weil der Mann einer Näherin nichts über den Beruf seiner Frau wusste."
"Hmm, das war alles?"
"Japp, das wars."
"Hmm, das dürften wir sicher zu toppen wissen."
Mit Sicherheit konnte man es nicht sagen, aber bei einer Stadt wie Ankh-Morpork war alles möglich. Aber darauf vorbereiten konnte man sich niemals vollends. Denn wenn es etwas gab, woran man sich immer halten musste, war die goldenste Regel der FROG's.

Erwarte das Unerwartete

[1] Dies geschieht entweder durch richtiges Abarbeiten, oder durch eine schnelle Entsorgung in den nächsten Kamin

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Daemon Llanddcairfyn

01.05.2008 11:12

Mir gefielen die introspektiven Einsichten des Erzählers (Oder waren es Valdimiers Gedanken?- wer weiß), die sich mit dne FROGs beschäftigten, besonders gut.

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2008 11:12

Die Geschichte ist unkompliziert und ordentlich aufgebaut. Sie zeigt den regulären Ablauf eines FROG-Einsatzes auf und stellt dabei einige der Kollegen dieser Abteilung näher vor. Besonders gut gefiel mir die Betonung darauf, wie besonnen ein FROG entgegen seinem Ruf sein muss, um weder für die Personen in Not, noch für seine Kollegen oder sich selbst, zu einer Gefahr zu werden. Dem entgegen versprüht die Single allerdings auch keinen besonderen Charme, selbst die angestrebte Spannung während des Einsatzes bleibt aufgrund der überproportional vielen und langen Monologe des Erzählers ein wenig auf der Strecke. Der einleitende Absatz war paradoxerweise noch am spannendsten, obgleich er überflüssig war und nichts mit dem eigentlichen Plot gemein hatte. Die hervorgehobene Prämisse irritierte mich ein wenig, da sie ohne logische Folge blieb - ich hätte eine inhaltliche Entsprechung in der Single erwartet, wenn sie schon derart betont wurde, konnte aber keine Überraschung und nichts Unerwartetes im Geschichtenverlauf erkennen. Die Pokalworte jedoch tauchten alle, auch in der richtig angewandten Form, auf. Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalforderungen gut erfüllt.

Von Ettark Bergig

01.05.2008 11:12

Hmm eine sehr solide Geschichte, aber irgendwie... nichts wirklich neues...

Von Ruppert ag LochMoloch

01.05.2008 11:12

Ich fand, dass die Geschichte ein gute Beschreibung der Abteilungs"psychologie" und der Vorurteile mit denen FROGS zu leben haben rüber gebracht hat. Der Fall wurde sehr lebendig und überzeugend beschrieben. Aber mich haben ein wenig die öfter mal falsche Groß- und Kleinschreibung sowie Flüchtigkeitsfehler wie verschluckte Wortenden oder so gestört. Irgendwie hätte da noch mal wer drüberschauen sollen.Als Pokalmission hat mir die Geschichte gut gefallen.

Von Ruppert ag LochMoloch

02.05.2008 16:13

Nur ganz nebenbei: Da diese Geschichte die einzige war, die mich als [b]Pokalmission [/b]überzeugen konnte, war sie für mich die Nummer 1 in der Pokalwertung. :daumenhoch:

Da sieht man mal, wie unterschiedlich (oder um es provozierend zu sagen: unkritisch) die Pokalmissionen als solche gelesen werden. Aber dazu hatte ich ja neulich schon mal was geschrieben.

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