Die Rüschenprinzessin (Teil 1)

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von Obergefreiter Schlumpi Wurzelbach (FROG)
Online seit 22. 03. 2008
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Personenschutz ist das alltägliche Brot eines Frosches. Dabei muss man schonmal mit Leuten zusammenarbeiten die man nicht mag und auch der Prinzipial ist oftmals anders als vermutet. Wenn dieser nochdazu von einer Sekte gejagt wird kommt man schonmal ins Schwitzen....

Dafür vergebene Note: 9

Stolz fuhren seine Finger das neue Abzeichen an seiner Schulter entlang.
Hab ichs also geschafft. dachte Schlumpi Wurzelbach stolz und öffnete schwungvoll die Tür zum FROG-Gemeinschaftsraum. Sein Auftritt mit stolzgeschwellter Brust wurde ihm vom Kaffeedämon verdorben, der eben in diesem Augenblick einen Strahl brauner Plörre quer durch den Raum würgte. Ein Sprung zur Seite rettete die frischgewaschene Uniform. Im Flur wurde ein Priester der göttlichen Japs[1], welcher gerade auf dem Weg zum Okkultismusbüro war, vom Kaffee getroffen. Eine Entschuldigung murmelnd schloss Schlumpi die Tür.
"Da bist du ja endlich, Obergefreiter. Wir warten schon seit gut 10 Minuten." blaffte der Kommandeur.
"Tut mir leid Härr!"
"Setzen Wurzelbach!"
Den frischbeförderten Gefreiten Schimmlersohn und Rabenpelz zuzwinkernd fläzte sich Schlumpi in einen Stuhl.
"Wie ich gerade ausführte, bevor Wurzelbach uns unterbrochen hat, befindet sich Prinzessin Lilli bereits auf dem Weg nach Ankh-Morpork. Da es in ihrem Königreich gewisse Unstimmigkeiten gibt ist mit einem Anschlag
zu rechnen. Der Patrizier wünscht, dass wir uns darum kümmern. Dazu müssen wir mit der Palastwache zusammenarbeiten." Ob dieser Vorstellung nicht sonderlich begeistert wirkend zogen sich Araghasts Brauen zusammen und er kramte in dem vor ihm liegenden Ordner. "Irgendwo hier hatte ich eine Ikonographie. Ach, sei`s drum. Das Personenschutzthiem besteht aus Kanndra, Wurzelbach und Schimmlersohn. Die Prinzessin trifft um 11 Uhr am Palast ein. Seht zu, dass ihr um 10 da seid, damit ihr euch noch mit den Palastwächtern absprechen könnt."
"Ayeaye, Sör!"
Die drei Genannten standen auf und verließen den Raum.
"Jetzt zu euch anderen. Die Jungs und Mädels von SEALS haben ..."
Kamillus schloss die Tür.
"Auf gehts. Und am Palast überlasst ihr mir gefälligst das Reden." Kanndras Blick streifte kurz Kamillus und verharrte bei Schlumpi, der sie unschuldig anlächelte.

Die Sonne drang zum erstenmal seit Tagen durch die dichte Wolkendecke die über Ankh-Morpork hing. Erfreut wandte Schlumpi sein Gesicht den Sonnenstrahlen zu. Genießerisch seufzte er als die Sonne seine Nase kitzelte und schloss die Augen.
Wenige Meter entfernt stand Kanndra und diskutierte mit den Palastwächtern, welche die Wächter mit arroganter Hochnäsigkeit empfangen hatten.
Endlich schienen sie zu einer Einigung zu kommen und der Fähnrich kam zu seinen Untergebenen hinüber, die sich auf eine kleine Mauer gesetzt hatten.
"Sie erlauben uns die Gemächer des Gastes zu inspizieren. Arrogantes Pack!" zischte Kanndra.
"Ganz ruhig Scheff." versuchte der Obergefreite seine ehemalige Abteilungsleiterin zu beruhigen.
Der gereizte Blick den Kanndra ihm zuwarf ließ ihn schlucken und er verwünschte insgeheim sein loses Mundwerk.
Kamillus grinste und trottete hinter den beiden anderen Wächtern in den Palast.

"Die Gemächer der Prinzessin sind hier." Ein Palastwächter öffnete eine Tür in einem Flügel des Palastes und stolzierte davon.
Missmutig blickte Kanndra ihm hinterher und grummelte etwas von Solderhöhung, wo man sich schon mit sowelchen abgeben müsste.
Interessiert blickten sich derweilen die beiden Gefreiten in den Gemächern um.
"Hier gehen also unsere Steuergelder hin." murmelte Kamillus und betrachtete das riesige Himmelbett.
Andächtig begutachtete Schlumpi derweilen die Minibar.
"Guck dir das mal an Kami! Die haben hier echten randwärtigen Drehscheibenwein! Der muss ein Vermögen gekostet haben."
Interessiert kam der Zwerg näher, da durchschnitt Kanndras Stimme den Raum.
"Genug geglotzt ihr beiden! Die Prinzessin wird gleich ankommen. Ich hoffe ihr habt euch einen Überblick über die gesamte Suite verschafft, nicht nur über den Inhalt der Minibar."
Betreten stellte Schlumpi die Flasche zurück und nahm sich vor, sich in Zukunft professioneller zu verhalten.
"Also los, guckt euch schnell um!" scheuchte Kanndra und Kamillus und Schlumpi gingen schnell durch die Räume, inspizierten die Fenster und klopften die Wände nach Geheimgängen ab.

Rumpelnd fuhr die Kutsche vor dem Patritzierpalast vor. Vetinari blinzelte im Sonnenlicht und setzte dann sein kühles, staatsmännisches Lächeln auf.
Klirrend nahmen die Palastwächter Haltung an. Die Wächter warfen ihnen spöttische Blicke zu und wandten ihre Blicke dann auf die Kutsche.
Der Schlag wurde von einem livrierten Diener geöffnet und eine kleine Leiter ausgeklappt.
Gespannt wartete Schlumpi. Niemand verließ die Kutsche.
Dann begann Vetinari neben ihm zu sprechen.
"Es ist mir ein Vergnügen eure Bekanntschaft zu machen, Prinzessin Lilli."
Verdutzt blicke der Obergefreite zum Patrizier hinüber. Dieser hatte sich auf ein Knie niedergelassen und sprach mit einer Gnomin, die vor ihm stand.
Die Prinzessin habe ich mir irgendwie...größer vorgestellt. schoss es Schlumpi durch den Kopf als er die 15 Zentimeter hohe, mit Rüschenkleidern bekleidete und einen Rüschensonnenschirm haltende Gnomin betrachtete.
Affektiert lächelnd reckte die Prinzessin eine Hand in die Höhe und Vetinari versuchte einen Kuss auf die Hand zu hauchen, was ihm mit einiger Mühe sogar gelang.
"Lasst mich euch nach drinnen geleiten, Verehrteste."
Prinzessin Lilli klatschte einmal in die Hände und ein Palastwächter beugte sich hinab um sie in eine kleine Sänfte steigen zu lassen, die an seinem Arm befestigt war.
"Bewegt euch." zischte Kanndra und Kamillus und Schlumpi setzten sich in Bewegung und schlossen sich der kuriosen Prozession an. In einem großen Saal angelangt postierten sie sich in der Nähe des kleinen Thrones der Prinzessin, welchen man auf die Tischplatte eines festlich gedeckten Tisches abgestellt hatte.
Beim Anblick der Köstlichkeiten lief Schlumpi das Wasser im Mund zusammen.
"Nehmt doch einen kleinen Imbiss mit mir ein, Gnädigste."
Der Patrizier gab sich gekonnt charmant.
Aufmerksam beobachteten die FROGs die Anwesenden und versuchten einen möglichen Meuchelmörder zu erkennen.
"Hat jemand vorher ihr Essen untersucht?" flüsterte Schlumpi Kanndra zu.
Der Fähnrich wurde bleich.
Schlumpi schnellte nach vorne und wollte der Prinzessin schon die Gabel aus der Hand schlagen, als der Patrizier ihm einen Blick zuwarf. Der junge Wächter prallte zurück, als wäre er gegen eine Wand gerannt.
"Ich vergaß euch eure Leibwache für euren Aufenthalt hier vorzustellen." sagte Vetinari und lächelte der Gnomin zu.
"Dies sind Fähnrich Kanndra Mambosamba, der überaus eifrige" Vetinari ließ seine Zähne aufblitzen "Obergefreite Schlumpi Wurzelbach und der Gefreite Kamillus Schimmlersohn. Sie gehören zu einer Spezialeinheit unserer Stadtwache und sind sehr besorgt um euer Wohlergehen."
Hastig verbeugte sich Schlumpi und wollte dazu ansetzen die Prinzessin vor dem Essen zu warnen als ihm Kanndra auf den Fuß trat.
"Es ist mir eine Ehre euch kennenzulernen, Prinzessin." säuselte sie.
Hoheitlich neigte Lilli den Kopf und wandte sich wieder ihrem Essen zu.
"Ähm.." Bevor Schlumpi noch etwas weiteres sagen konnte hatte Kanndra seinen Arm gegriffen und zerrte ihn lächelnd und in alle Richtungen nickend in eine Ecke des Saals.
"Was soll das,Kanndra?" fragte der Obergefreite irritiert.
"Merkst du`s noch? Vetinari muss ihr Essen vorher überprüft haben. Er kann es sich nicht leisten, dass seine Gäste bei einem offiziellen Empfang vergiftet werden."
"Aber ist es nicht eigentlich unser Tschob so etwas zu überprüfen?"
"Hast du nicht seinen Blick gesehen?"

Schlumpis Kopf sackte nach vorne auf seine Brust und er begann zu schnarchen. Kamillus rammte ihm einen Ellenbogen in die Seite.
Der Obergefreite fuhr hoch und blickte sich wild um.
"Bin hellwach! Hellwach bin ich, jawoll!"
"Sah aber garnicht danach aus, Obergefreiter." schmunzelte Kamillus.
"Ach, halt die Klappe Kami. Ich wollte nur sehen wie du reagierst." zwinkerte er ihm zu.
Die Prinzessin hatte das Essen gut überstanden und auch auf dem darauf folgenden Kammerkonzert war nichts gesehen. Jetzt saßen Kamillus und Schlumpi vor ihrer Schlafzimmertür, während Kanndra losgegangen war um Tee und Kaffee zu organisieren.
"Na, wie gefällt es dir bisher bei uns?" erkundigte sich Schlumpi bei dem neuen Späher.
"Gut, aber ich dachte..."
Ein klirrendes Geräusch aus dem Schlafzimmer ließ sie aufhorchen.
Schlumpi riss seine Armbrust aus dem Halfter und bedeutete Kamillus die Tür zu öffnen.
Dieser sprang vor und drehte den Türknauf.
"Abgeschlossen!"
"Scheiße! Ok, dann hilft nur eins..."
Der Obergefreite drückte sich von der gegenüberliegenden Wand ab und rannte gegen die Tür. Das Schloss gab nach und Schlumpi stürzte ins Zimmer. Geschickt rollte er sich über die Schulter ab und kam mit angelegter Armbrust in eine kniende Position. Kamillus lugte durch die Tür.
Prinzessin Lilli stand neben einem verbrochenen Wasserkrug und starrte die Wächter an.
Schlumpi wurde rot und steckte seine Armbrust weg.
"Verzeihen sie bitte die Störung, Prinzessin. Das ist mir sehr peinlich. Ich werde jemanden schicken der sich um die Scherben kümmert."
Mit offenem Mund nickte die Prinzessin. Dann wurde sie rot und begann zu schreien.
"Was haben sie sich nur gedacht, hier so einfach reinzuplatzen! Eine Frechheit ist das! Was ist das hier für eine Stadt? Sind die den alle inkompetent? Erst ist die Suppe nur lauwarm, dann haben sie keine türkisfarbene Seife mit Tomatenaroma und jetzt das hier!"
"Wurzelbach!"
Mit hängenden Schultern drehte sich Schlumpi zur Tür, in der Kanndra stand, ein Tablett mit Keksen und eine Kanne Tee in den Händen.
"Was geht hier vor?" verlangte sie zu wissen.
"Also, das war so...."
"Setzen sie dieses Gespräch gefälligst draußen fort! Das wird ein Nachspiel haben!" entrüstet stolzierte die Gnomin zu einer Strickleiter hinüber und begann in das Hochbett zu klettern.
Eilig verließ Schlumpi den Raum und schloss die Tür so gut es ging hinter sich.
"Nochmal, was sollte die Aktion schon wieder?" schnauzte Kanndra.
"Da drinnen war ein Geräusch..." begann Schlumpi.
"..wir dachten ein Fenster wäre gesplittert." fiel Kamillus ein.
Kanndra winkte weitere Erklärungsversuche ab.
"Ich bin sicher ihr habt nach bestem Wissen gehandelt. Sowas kann jedem mal passieren."
Erleichtert, dass der Fähnrich ihnen soviel Verständniss entgegenbrachte, entspannten sich die Gefreiten etwas.
"Was nicht heißen soll, dass uns die Prinzessin nicht noch gewaltigen Ärger deswegen machen wird."
Die beiden Wächter verkrampften sich bei dem Gedanken daran wieder.
"Aber das ist erst morgen. Tee? Kekse?" lenkte Kanndra sie ab.

Einige Stunden später war die Müdigkeit so groß geworden, dass sie beschlossen hatten, dass zwei schlafen durften, während der dritte wachte.
Kamillus hatte sich in seinen Umhang eingerollt und auf den Boden gelegt, während Kanndra auf dem Stuhl döste.
Schlumpi machte gerade Liegestützen um sich zu beschäftigen, als er erneut ein Splittern aus dem Zimmer der Prinzessin vernahm.
"Fähnrich?" vorsichtig rüttelte Schlumpi Kanndra am Arm.
Grunzend dreht Kanndra sich weg.
"Fähnrich!"
"Ach, was ist den los?"
Miesepetrig guckend richtete sich Kanndra auf.
"Ich habe wieder was gehört."
"Dann geh nachgucken. Aber sei bloß leise, hörst du?"
Vorsichtig öffnete Schlumpi die Tür. Im Licht, das vom Flur hereinschien, konnte er nichts komisches entdecken.
Gerade wollte er die Tür schonwieder schliessen, als sein Blick auf einen Gegenstand am Boden fiel.
Leise schlich er näher.
Ein Stein, der mit einem Fetzen Papier umwickelt war, lag auf dem Boden. Schlumpi hob ihn auf und blickte zum Fenster. Ein Quadrat der in Blei gefassten kleinen Scheiben war zerbrochen.
Leise ging er wieder zur Tür und schloss sie hinter sich. Dann wickelte er das Papier vom Stein und reichte es Kanndra.
"Das hat gerade wer durchs Fenster geworfen."
Interessiert begann der Fähnrich zu lesen.
"Faszinierend."
Gedankenverloren tippte sie mit den Fingerspitzen aneinander.
"Was ist faszinierend,Fähnrich?" erkundigte sich Kamillus, der gerade seine zerstrubbelten Haare unter seinem Helm verbarg.
"Da hat jemand eine Nachricht an 'die dreckigen kleinen Aufpasser der Rüschenschlampe' geschickt."
"Wie meinen?" verwirrt trat der Späher i.A. näher.
"Damit sind wir gemeint."
"Oh."
"Das gefällt mir nicht."
"Mir auch nicht." mischte sich Schlumpi ein. "Wir sollten was unternehmen."
"Und was, Obergefreiter?"
"Öhm, ja. Wir könnten gucken...wer es auf die Prinzessin abgesehen hat?" fragte er hoffnungsvoll.
"Das kann ich dir ganz genau sagen. Jeder männliche Gnom zwischen 15 und 55." zwitscherte es aus einem Spalt in der Tür der Prinzessin.
Kanndra verdrehte die Augen und wandte sich dann mit einem Lächeln der Prinzessin zu.
"Es geht um eine etwas ernstere Angelegenheit."
"Achso. Ich gehe wieder ins Bett." Die Gnomin gähnte theatralisch und schloss die Tür wieder.
Fassungslos starrten sich die Wächter an.

Die letzten Nebelfetzen wabberten durch die engen Gassen der Schatten und drängten sich aneinander. An einem solchen Ort möchte nichtmal eine Nebelschwade alleine sein.
Quietschend öffnete sich eine Tür und eine Gestalt in einem schwarzen und bedrohlichem Kaputzenmantel schlich sich heraus.
"Öl entlich mal die Türangeln! Das ist ja grauenhaft!" quäkte eine Stimme von drinnen.
Die Schultern der Gestalt senkten sich resignierend.
"Ja, Mutter."
"Und mach die Tür zu!"
"Ja, Mutter!"
Der Kaputzenmantelträger schloss die Tür und huschte dann an den Hauswänden entlang durch die Straßen in Richtung Palast.
Eben war die letzte Nachricht eingetroffen. Es wurde Zeit zu handeln.

"...und dann hat sie sich einfach wieder hingelegt." beendete Schlumpi seinen Bericht von den Ereignissen der letzten Nacht. Lustlos stocherte er mit seinem Holzlöffel in dem Brei herum, der in der Wachenkantine hofnungsvoll als Haferschleim angeprisen worden war.
Glum Steinstiefel rieb sich die Augen.
"Ich habe auch was erlebt heute Nacht. Also, ich war gerade als Strassenlaterne verkleidet..."
"Strassenlaterne?" unterbrach ihn Schlumpi perplex.
"Strassenlaterne." unbeeindruckt fuhr der DOG-Huskey mit seinem Bericht fort.
"...im Bereich der Universität unterwegs."
"Als Strassenlaterne?"
"Jetzt komm mal von dem Strassenlaternentrip runter. Ungewöhnliche Ermittlungen erfordern ungewöhnliche Ermittlungsmethoden. Wie gesagt, als ich gerade so an der UU vorbeiging öffnete sich plötzlich ein Fenster und...."

Ein Stockwerk höher beendete Fähnrich Kanndra ebenfalls ihren Bericht. Kommandeur Breyugar lehnte sich zurück und tippte mit seinen Fingerspitzen aneinander. Diese Geste hatte er sich von Vetinari abgeschaut.
"Du denkst das 3 Wächter nicht genug sind um für die Sicherheit der Prinzessin zu garantieren?"
"Selbst wenn die ganze Wache sie bewachen würde, von einer Garantie kann keine Rede sein. Aber ich bin dafür, dass wir das Personal für diesen Einsatz vergrößern.
Wurzelbach und Schimmlersohn würde ich eine Doppelschicht aufbrummen und sie gleich zur Verstärkung von Valdimier und Stefan hinschicken. Ansonsten können wir nur hoffen, dass die Prinzessin bald wieder abreist."
"Warum Kanndra? Was macht dich plötzlich so besorgt?"
Wortlos legte Kanndra das Stück Papier und den Stein auf den Tisch.
Bregs griff nach dem Zettel und begann zu lesen. Ab und zu schnaubte er abfälllig.
"Für mich sieht das nach einem ganz gewöhnlichen Drohbrief aus."
"Guck dir mal die Rückseite an."
Der Abteilungsleiter drehte den Zettel um und erbleichte.
"Was, bei den Kerkerdimensionen, soll das den?"
"Ich hab`s dir ja gesagt. Kriege ich die ganze Wache?" fragte Kanndra ironisch.
"Wir schaffen sie aus der Stadt."
"Was?" Mit dieser Reaktion hätte Kanndra nicht gerechnet.
"Die FROGs sollen sich zu einer Beratung treffen. Valdimier und Stefan natürlich ausgenommen."
Kanndra salutierte und eilte aus dem Raum.

"...und dann hat mir diese blöde Katze noch ihre Krallen ins Bein geschlagen und die Frau ist mit ihrem Schirm auf mich losgegangen...." führte Glum seine Geschichte aus.
"Wurzelbach! Antreten im Bereitschaftsraum! Und suchen sie Schimmlersohn und Rabenpelz!"
Kanndra rauschte wieder aus der Kantine.
"Viel Spass." grinste Glum.
Schlumpi blickte starr vor sich hin. Er hatte sich so dadrauf gefreut nach diesem ekeligen, blöden, zermatschten Haferschleim ins Bett zu gehen und ein paar Stunden zu schlafen und was jetzt?
Mit einem wütenden Aufschrei nahm er die Schale und warf sie quer durch den Raum auf einen Wagen mit schmutzigem Geschirr. Klirrend fiel eine Tasse herunter. Ohne sich darum zu kümmern stiefelte er zornig aus dem Raum, schon nach den Gefreiten Rabenpelz und Schimmlersohn brüllend.
Verwundert guckte Glum ihm nach. Normalerweise verlor Schlumpi seine Haltung nicht so einfach. Muss wohl echt eine anstrengende Nacht gewesen sein. dachte er und ging schulterzuckend in Richtung Kaffeedämon.

Kamillus und Schlumpi waren auf ihren Stühlen im Bereitschaftsraum zusammengesunken, während Norti grinsend und hellwach neben ihnen saß und Araghasts Schilderung der Situation lauschte.
"...auf der Rückseite dieses Zettels befindet sich das Zeichen der Sekte von Hicke-Hacke. Völlig wirre, religöse Fanatiker, die einen Dämon des selbstklebenden Notizzettels verehren. Total durch die Burschen. Und gemeingefährlich. Wichtig ist jetzt nur, dass wir die Prinzessin heile aus Ankh-Morpork raus und in ihr Königreich bringen. Dazu ist es erforderlich, dass wir ganz unauffällig und ...."
Ein Pochen an der Tür unterbrach sie.
"Was ist den nun schon wieder?"
Der Hauptgefreite Zwiebel öffnete die Tür und reichte Araghast eine Klackernachricht.
"Danke, Kannich. Wegtreten."
Einen Augenblick stierte Bregs auf den Zettel, dann:
"Ausrücken! Zum Palast! Aber alle! Valdimier und Stefan sind angegriffen worden! Es gibt Tote!"
Ein Ruck ging durch die versammelten Wächter und blitzschnell war der Raum leer, die Frogs rannten die Treppe runter und brüllten sich gegenseitig Anweisungen zu.
Trotz der ganzen Verwirrung hielt bereits zwei Minuten später ein Wagen voller kampfbereiter FROGs vor dem Patrizierpalast.
Ein paar Palastwachen versuchten (mehr oder weniger erfolgreich) die Schaulustigen zurückzuhalten.
Unter gehörigem Ellenbogeneinsatz bahnten sich die FROGs einen Weg durch die Menge.
Vor dem Portal kam ihnen Stefan entgegen, der gerade eine Mullbinde um seinen blutenden Oberarm schlang.
"Gib her." mischte sich Sayadia ein und nahm ihm die Mullbinde ab.
"Was ist los, Stefan?" erkundigte sich Araghast.
"Wo ist Valdimier?" fragte Kanndra.
"Valdimier ist drinnen. Ihm gehts gut. Mir überigens auch, danke der Nachfrage." er wandte sich dem Kommandeur zu.
"So ein irrer Spinner hat sich in den Palast geschlichen, Sör. Er hat versucht die Prinzessin mit einem Sektkühler zu erschlagen. Einen Palastwächter, der dazwischenkam, hat er mit einer Vorlegegabel erstochen. Der Chiefkorporal musste ihn erschiessen, sonst hätte er die Prinzessin echt erledigt."
"Ist gut Stefan. Sayadia, kümmer dich um ihn."
"Geht klar, Boss."
"FROGs, mir nach." Entschlossen schritt Araghast durch das Eingangsportal.
Zwei Palastwächter kamen auf ihn zu.
"Zutritt für Unbefugte verboten!"
"Seit ihr blind oder was?" fauchte Bregs.
"Lasst den Kommandeur durch, Jungs!"
Ein Hauptmann der Garde schritt auf die Wächter zu.
"Tut mir leid. Wir sind alle etwas angespannt. Hier entlang."
Der Hauptmann führte sie durch einige Gänge zu einem Saal, in dem alles für ein Frühstück angerichtet war.
Beim Anblick des Buffets lief Schlumpi das Wasser im Munde zusammen. Der Anblick der beiden Toten liess ihn seinen Appetit jedoch schnell vergessen. Valdimier stand neben dem Buffet und redete beruhigend auf die Prinzessin ein. Diese war völlig aufgelöst und hatte rotgeweinte Augen.
"Ich will hier weg." hörten die Wächter sie schluchzen.
"Wir bringen sie ins Wachhaus, da sollte es sicherer sein." beurteilte der Kommandeur schnell die Lage.
"Wurzelbach, Schimmlersohn und Rabenpelz, sie organisieren eine Kutsche. Und beeilen sie sich etwas! Die anderen bleiben hier und passen auf die Prinzessin auf!"
"Los gehts." murmelte Schlumpi und rannte gefolgt von den beiden Zwergen aus dem Raum.
Vor dem Palast hatte sich die Menschenmenge mittlerweile verdoppelt und die drei Wächter kamen nur durch kräftiges Drücken und Schieben sowie exzessivem Ellenbogeneinsatz weiter.
"Wo sollen wir eine Kutsche herkriegen?" rief Kamillus von weiter hinten.
"Mir nach! Ich kenne da jemanden von früher."
Nachdem sie aus der Menschenmenge herausgekommen waren ging es schneller voran und Schlumpi führte seine Kollegen in die Kaufmannsstrasse. Dort steuerte er zielstrebig auf einen kleinen Hinterhof zu, von dem ein Geruch nach Pferdeäpfeln und Stroh kam.
"Ich kenne den Besitzer von früher." informierte er seine Freunde.
Ein Fluchen drang aus einem Stall.
"Ah, das hört sich doch ganz nach Pott an. Ihr habt gleich das Vergnügen einige der schnellsten Pferde der Scheibenwelt zu sehen."
Im Stall herrschte eine schummerige Dunkelheit. Ein wenig Sonne fiel durch schadhafte Stellen im Dach herein. Das Zwielicht war erfüllt von scharrenden Pferdehufen und Schnauben.
"Pott, ich weiss, dass du hier bist!" rief Schlumpi.
Die beiden Zwerge fühlten sich sichtlich unwohl in ihrer Haut und wären am liebsten aus dem Stall gegangen, doch ihr Stolz liess es nicht zu.
"Schlumpi?"
Ein alter Mann mit einer Pfeife im Mundwinkel kam aus einer Pferdebox und wischte sich Dung von der Kleidung.
"Bin gerade am Ausmisten, mein Jung. Was kann der alte Pott für dich tun?"
"Ich brauche eine Kutsche. Und zwar so schnell wie möglich. Wieviel würde das kosten?"
"Kosten, Kosten...für meinen guten, alten Freund Schlumpi...zehn Ankh-Morporkdollar die Stunde."
Norti keuchte auf.
"Zehn Dollar? Das ist Wucher! Blanker Wucher!"
"Ganz ruhig Gefreiter. Ich regel das hier. Wartet mal kurz draussen."
Grummelnd, aber insgeheim froh den Stall verlassen zu dürfen, gingen die Zwerge nach draussen.
Wenige Minuten später wurde die zweiflügelige Stalltür ganz geöffnet und Schlumpi lenkte eine vierspännige Kutsche auf den Hinterhof.
"Alles einsteigen."
"Du hast eine Kutsche für zehn Dollar gemietet? Was sagt der Kommandeur wohl dazu?"
"Nicht gemietet, nur geliehen. Was ist jetzt? Wollt ihr laufen?"
Eilig sprangen die beiden Wächter auf und Schlumpi trieb die Tiere an.
"Pass mir bloß auf das Gespann auf! Sonst kannst du was erleben!" schrie ihnen Pott noch nach, da waren sie schon um die Ecke und beschleunigten.

Die FROGs im Palast hatten Prinzessin Lilli derweilen in die Vorhalle bugsiert und warteten auf die Kutsche.
Bregs Nerven lagen mittlerweile etwas blank und seine Augen suchten ständig die gegenüberliegenden Hausdächer nach einem Scharfschützen ab.
"Wenn wir gleich rausgehen deckt ihr die Prinzessin mit euren Körper, dass ist wohl jedem klar, oder?"
Stumm nickten die Frösche.
"Die Garde soll den Platz räumen." wies sie Valdimier an und dieser machte sich auf die Suche nach einem Verantwortlichen.
Tatsächlich gelang es der Palastgarde den Platz vor dem Palast von den weniger hartnäckigen Gaffern zu befreien, der richtige Ankh-Morporker Urmob liess sich jedoch nicht einmal von einem Drachen aus der Ruhe bringen. Was waren da schon ein paar Hellebarden und böse Blicke?
Die Kutsche die jetzt auf den Platz steuerte bewegte sie dazu ,schleichend langsam und mit fortwährenden Blicken über die Schulter zum Palast, eine Gasse für den Wagen zu machen.
Schlumpi winkte vom Kutschbock und Norti grinste vom Dach der Kutsche herab.
"Dann mal los!" Bregs nahm die Prinzessin auf den Arm und eilte nach draussen. Die überigen Wächter scharten sich mit gezogenen Waffen um sie.
Fast im selben Augenblick, als der Kommandeur seinen Fuß auf die erste Treppenstufe setzte, begannen Bolzen zu fliegen. Die erste Salve war zu hoch gezielt und traf das Eingangsportal.
"Schnell!"
Zu einem dichten Knäul geballt stolperten sie die restlichen Stufen hinunter.
Kamillus riss den Kutschenschlag auf und nahm Bregs die Prinzessin ab.
Stefan Mann, der hinterherspringen wollte, wurde von einem Bolzen in die Schulter getroffen und fiel Bregs in die Arme.
"Fahrt los! Zum Wachhaus!" brüllte dieser und Schlumpi liess die Zügel knallen.
Die Pferde beschleunigten aus dem Stand ins Galopp und Schlumpi wurde fast vom Kutschbock geschleudert.
Die anderen Wächter suchten Deckung vor den Bolzen und wollten das Feuer erwiedern, doch sie sahen keine Gegner und es flogen auch keine Geschosse mehr in ihre Richtung. Die unsichtbaren Schützen konzentrierten sich auf die Kutsche, die das Aussehen eines rollenden Igels bekam. Norti`s Helm wurde mehrmals getroffen und er kauerte sich, die Hände an den schmerzenden Kopf gepresst, zusammen.
Auch Schlumpi wurde getroffen. Einige Bolzen bohrten sich in seine Brust und er dankte den Göttern für seinen Brustharnisch, der die Wucht der Geschosse bremste. Trotzdem rann ihm warmes Blut über die Brust.
Als sie auf die Messingbrücke einbogen begann ihm schwarz vor den Augen zu werden. Der Blutverlust machte sich bemerkbar.
Norti kam zu ihm auf den Kutschbock geklettert.
"Alles in Ordnung, Schlumpi?"
Wortlos drückte dieser ihm die Zügel in die Hand und glitt langsam zur Seite.
Norti packte ihn bevor er von der Kutsche fallen konnte und hielt seinen Freund mit einer Hand fest, während er mit der anderen die Zügel führte.

Der Kommandeur hatte einen Ochsenkarren requiriert und rollte gerade mit dem Rest seiner Einheit auf den Hof des Wachhauses.
Glum Steinstiefel winkte ihnen von einem Fenster im ersten Stock zu.
"Rogi ist hier! Bringt eure Verletzten hoch!"
Araghast winkte zurück, zum Zeichen das er verstanden hatte und hakte dann zusammen mit Valdimier Stefan unter.
"Ich will Posten überall ums Wachhaus. Nimm dir auch ein paar von den SEALS." unterrichtete er Kanndra.
Von drinnen erklang ein Schmerzensschrei.
"Rogi ist wohl voll in ihrem Element."

Schlumpis Hände verkrampften sich um den Rand des Tisches auf dem er lag. Die Igorina blickte ihn vorwurfsvoll an.
"Ftell dif nift fo an, Obergefreiter! Du bift felber fuld wenn du kein Fmerfmittel willft!"
Glum schüttelte verständnislos mit dem Kopf.
"Du und deine Prinzipien, Schlumpi. Jetzt nimm das Schmerzmittel endlich! Wir wissen, dass du ein harter Kerl bist. Jetzt nimm es endlich!"
Schlumpi versuchte trotzig zu gucken.[2]
"Ich will das nicht!"
Rogi seufzte und fädelte einen neuen Faden ein.

Einige Stunden später
"...Posten sind ums ganze Gebäude verteilt. Da kommt niemand durch." beendete Kanndra ihren Bericht.
Araghast nickte.
"Wie geht`s den Verletzten?"
"Der Gefreite Rabenpelz ist schon wieder fit, hat nur einen leichten Brummschädel. Stefan Mann wird wohl für ein paar Tage ausfallen, aber Rogi meint es bleiben keine Schäden zurück. Schlumpi Wurzelbach meint selbst er wäre topfit. Ich glaube der will nur raus aus dem Wachhaus. Rogi ist mit einer Flasche Schmerzmittel hinter ihm her. Aus irgendeinem Grund weigert er sich das Zeug zu schlucken."
Der Kommandeur hob eine Braue.
"Ich weiss auch nicht was der hat. Naja, wenn er meint ihm gehts wieder gut soll er das beweisen würd ich sagen." meldete sich Valdimier zu Wort.
"Gut, ich habe einen Plan entwickelt. Wir müssen davon ausgehen, dass das Wachhaus und die Boucherie beobachtet werden. Es muss uns unbedingt gelingen die Prinzessin hier rauszuschmuggeln. Wir kommen wohl nicht umhin mit der Palastgarde zusammenzuarbeiten."
Kanndra verzog das Gesicht.
"Also, hört mal zu..."

In der Abenddämmerung versammelte sich ein gutes Dutzend Wächter vor dem Wachhaus. Sie trugen alle große Umhängetaschen. Dann teilten sie sich in Paare und zogen durch die Strassen. Einige gingen in den Palast und kamen wenige Sekunden später von Palastwächtern mit Umhängetaschen gefolgt wieder hinaus.
Zwei Mietkutschen fuhren vor dem Wachhaus vor und donnerten bald darauf durch die Stadttore.
Am Hafen legten zwei kleine Kähne ab.
Bregs beobachtete alles von seinem Bürofenster aus.
"Jetzt können wir wohl nur die Daumen drücken, dass das funktioniert."
[1] Göttin der verschluckten Kleinteile

[2] Was mit einem tränenverschmierten Gesicht und während einem Rotz aus dem Nasenloch hängt denkbar schwierig ist




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