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Ein einfacher SEALS-Fall
Dafür vergebene Note: 10
Fu Lang bereitete die Bürsten vor, während er auf seinen Herren wartete. Er war bereits das zwölfte Jahr Kammerdiener bei dem alten Knacker, der sich in letzter Zeit äußerst eigenartig benahm. Er ließ sich seit einem knappen Jahr das Haar nicht mehr kürzen, sprach immer öfter Kauderwelsch und Pflege... nun, das war den Götter sei Dank Fu Langs Aufgabe, daher ließ sie nicht zu wünschen übrig. Und doch roch der alte Mann immer stärker nach Verwesung. Besorgt blickte Fu zum Spiegel. Sein Gesicht - umrahmt von schwarzen langen Haaren mit einzelnen angegrauten Strähnen - blickte ebenso besorgt zurück Es war nicht Vampirismus, das hätte er bemerkt. Aber die üblichen Symptome eines Zombies hatte sein Herr auch noch nicht gezeigt. Zumindest wäre Fu nicht aufgefallen, dass einzelne Körperteile herumgelegen wären. Müde setzte er sich auf einen der Schemel und sah mit leerem Blick ins Feuer. Acht Jahre waren sie schon in Ankh Morpork, aber bis vor kurzem hatte sich die kleine Delegation aus seinem Land kaum eingelebt. Bis vor einem Jahr eben. Fu Lang war nicht dumm, er glaubte nicht an Zufälle. Irgendetwas hatte seinen Meister verändert. Und eben dies hatte dafür gesorgt, dass sie in dieser dreckigen Stadt langsam bekannter wurden.
"Morgen...", schnarrte eine Stimme hinter ihm und er sprang erschrocken auf, um sofort in das Gesicht seines Herrn zu blicken, "In einer Woche, mein lieber Fu, wird jeder unser Wappen kennen. Dann wird unser Land endlich den Ruhm ernten, den es verdient hat. Großvaters Name wird in ganz Ankh Morpork - ach, auf der ganzen Scheibe - in aller Munde sein. Im wahrsten Sinne des Wortes."
Das war die längste Aussage des alten Mannes seit seiner Veränderung. Der Kammerdiener nahm wortlos die Bürste und nahm sich vor, noch heute Nacht einen Freund aufzusuchen.
"Das Königleich Tipi", Chi legte einen Finger auf die Karte die vor den Wächtern lag, "liegt dlehwälts etwas außelhalb des Achatenischen Leiches. Es ist ein sehl, sehl kleines Königleich, kaum del Lede welt eigentlich. Ihl König heißt PaPa FuTang und ist del Bludel des hiesigen Botschaftels, MaMa FuTang. Diesel wiedelum ist die Ulsache unseles delzeitigen Ploblemes."
"Das da nun wäre?", fragte Rea mit etwas Ungeduld in der Stimme. Sie interessierte sich derzeit eher mäßig für ausländische Politik, es gab Wichtigeres zu tun.
"Bier", erwiderte Humph MeckDwarf, der in Zivil erschienen war - abgerissene Hosen und ein löchriges Hemd, das stark nach Alkohol roch.
"Bier?", sie musterte ihn von oben bis unten und schnüffelte lautstark, "Mag sein, dass das dein Problem ist, Hauptmann, aber das macht es nicht zur Wache-Sache."
Humph verdrehte die Augen: "Schön formuliert, Oberfeldwebel. Steht das in irgendeiner deiner witzigen Büchlein hier?"
Rea wurde rot und schlug ihre Hand auf das Buch, das gerade vor ihr lag. Humph hob beschwichtigend die Arme: "Bevor du mir irgendetwas erklären willst: Die Brauereigilde liegt mir seit Tagen in den Ohren, dass irgendjemand den Schenken billigstes Bier anbietet."
"Es gibt eine Brauereigilde? Woher kommen eigentlich diese ganzen Gilden?", fragte die SEALS-Abteilungsleiterin mit erhobenen Augenbrauen.
"Keine Ahnung. Manchmal glaube ich, dass es eine Organisation gibt, die sich nur damit beschäftigt neue Gilden zu erfinden", Humph zuckte mit den Schultern, "Ich warte noch auf die offizielle Ankündigung der Gilde der Gilden."
"Aber dann ist es DOG-Sache und nicht SEALS-Sache", versetzte der Oberfeldwebel und machte Anstalten, sich wieder hinzusetzen.
"Durchaus im Bereich des Möglichen, aber streng genommen liegt noch keine Verletzung des Gildenrechts vor. Es wurde Selbst-Gebrautes angeboten, aber bisher hat es noch keiner zu sehen bekommen."
"Wohl eher zu schmecken", schaltete sich Kannichgut nun ein, der sich bisher schmunzelnd zurück gehalten hatte. Die dicke Luft zwischen den beiden Abteilungsleitern war mittlerweile schon vom Fernen zu spüren und überraschte wirklich keinen mehr.
"Ihr SEALS habt ein feines Sprachgefühl, nicht wahr? Oder liegt das an deiner Spezialisierung", der Sarkasmus und des Hauptmanns Stimme war schwer zu überhören.
"Also geht es möglicherweise um Betrug", erwiderte Rea, bevor Kannichgut etwas sagen konnte und setzte sich endlich, "Und das wäre..."
"Euer Problem, richtig. Die jammernde Brauereigilde ist meine, die Sache eure. Gut erkannt", Humph warf eine sehr dünne Akte auf ihren Schreibtisch, "Da steht alles drin, was uns bisher bekannt ist. Nicht viel, ich weiß, die Burschen sind gerissen. Aber Chi hat anscheinend eine Spur, dem scheinen sie regelrecht zuzulaufen." Der Hauptmann blickte nicht zum Achatenen, der betont ruhig darauf wartete, dass seine Vorgesetzte ihn zum Weiterreden aufforderte.
Rea seufzte: "Nun gut. Aber du musst bei der Besprechung nicht dabei sein, wenn es unsere Sache ist, nicht wahr?"
Humph nickte: "Sei nur so gut und schick mir eine Kopie des Berichtes, damit ich die Brauereigilde beruhigen kann."
Die SEALS-Chefin nickte und wartete grußlos ab, bis der Hauptmann das Büro verlassen hatte. Dann fuhr sie fort: "Also was haben wir?"
Chi sah abwechselnd zu seinen beiden Vorgesetzten und machte bei seinen Ausführungen weiter: "Gesteln kam mein Infolmant aus del tipinesichen Botschaft zu mil und bat mich um ein Gespläch. Es ging dalum, dass sich del tipinesische Botschaftel seit einem knappen Jahl eigenaltig velhält."
Die beiden Vorgesetzten sahen sich verständnislos an, bevor Kannichgut die Frage stellte: "Wieso genau soll das mit dem Bierproblem zu tun haben."
"Tipi ist in unselen Bleitengladen bekannt dafül, dass sie aus Gelste ein Gesöff elschaffen. Es ist keine alte Tladition und begann elst vol kulzem. Das Königleich ging damit banklott. Sie nennen es PaPaLo. Del Elste, del dieses Biel blaute wal..."
"PaPa FuTang?", Rea sah skeptisch an dem Gefreiten hinab, wo Emily scheinbar müde baumelte.
"...dessen Vatel. PaPaLo FuTang."
"Das macht sie noch unkreativer als ich annahm", meinte die Abteilungsleiterin schelmisch, "Aber nur aus der Tatsache heraus, dass ein alter König aus einem Königreich von dem bisher kaum jemand gehört hat, ein ekelhaftes Bier erfunden hat, heißt das doch nicht, dass es wirklich etwas mit diesem Betrug zu tun hat."
"Andererseits ist es ein Indiz, dem nachgegangen werden sollte", meinte Kannichgut nachdenklich.
"Es könnte genauso gut Zufall sein. Was heißt überhaupt 'eigenartig verhält'?"
"El zieht sich immel mehl zulück, achtet nicht mehl auf sein Aussehen, el liecht wie eine Leiche", Chi zuckte mit den Schultern, "Abel an ihm sind laut meinem Infolmanten keine Anzeichen eines Untoten-Daseins zu elkennen. Außeldem... meinte el gesteln, dass - ich zitiele sinngemäß - 'del Name meines Gloßvatels in allel Munde sein wild'."
"Das deutet durchaus auf ein Getränk hin", nickte Kannichgut.
"Wir kommen heute offensichtlich nicht aus blöden Wortspielchen raus", erwiderte Rea trocken und kratzte sich an der Stirn, "Und wie kommen wir da rein?"
"Sie hat also angebissen?"
"Sie wird der Einladung selbst nachgehen. Der Gefreite... Machwas wird sie dabei begleiten."
"Gut. Sie dürfte der richtige Lockvogel sein für diese Aktion. Er hat angeblich ein Faible für Mädchen wie sie."
"Mädchen wie sie?"
"Sie ist... speziell. Wie auch immer, du weißt was du zu tun hast?"
"Natürlich, wir haben das oft genug besprochen. Ich bin aber nicht sicher, ob wir sie dieser Gefahr wirklich aussetzen können. Er ist wirklich gefährlich. Sie wäre nicht die Erste, die er mit einem Fingerschnippen zerbrochen hat."
"Es ist ein Risiko, aber kein großes. Ich mach mir keine Sorgen um sie. Außerdem... bist du ja immer in ihrer Nähe. Du wirst doch mit ihm fertig?"
"...... Mit Sicherheit wage ich das nicht zu sagen."
"Mir reicht, wenn du nicht nein sagst. Und jetzt ist es für Skrupel sowieso zu spät. Die Steine sind in Bewegung."
"Ein Maskenball?", Michael Machwas schien der Gedanke nicht zu begeistern, "Mit albernen Roben und... Masken?"
"Ich denke, dass ist das, was das Wort MASKENball aussagen soll, Gefreiter", erwiderte Rea, während sie in einer Kiste kramte, in dem verschiedene Accesoires verstaut waren.
"Und Sie sind sichel, dass sie selbst diesel Einladung nachkommen wollen, Ma'am? Emily und ich könnten..."
"Emily ist kein echter Mensch, Gefreiter Petto", versetzte sie leicht genervt, "Sie kann nicht auf einen Ball gehen."
Chi sah leicht betroffen zu seiner Puppe, die aus irgendeiner Tasche ein Messer stibitzt zu haben schien. Er nahm es ihr beiläufig aus den Händen und steckte es weg, bevor es der Oberfeldwebel bemerken konnte. Auch Emily schien nciht begeistert zu sein, als Ding gesehen zu werden. Michael wich indessen etwas zurück.
"Ich verstehe noch immer nicht, warum gerade ich zu dem Maskenball mitkommen muss. Ich habe keinerlei Erfahrung in verdeckten Ermittlungen."
"Zwei Worte: Dienstältester. Vektor.", sie sah auf, "Im Grunde genommen einziger Vektor, der nicht in Ausbildung ist, wenn man mich mal außen vor lässt. Und was lernen wir Vektoren als Erstes?"
"'Nur ein dummer Vektor geht alleine auf Streife'", zitierte Michael artig.
"Richtig. Und das gilt auch für sonstige Ermittlungen." Rea langte wieder in die Kiste und holte etwas Goldenes heraus, das sie vors Gesicht hielt. Es war eine Maske, die an den Rändern mit glitzernden Steinen besetzt war und eine weiße Feder zwischen den Augen stecken hatte. "Beeindruckend, was DOG so alles im Fundus hat. Die hier dürfte ziemlich gut zu diesem güldenen Kleid passen, das mir eine der Näherinnen leiht." Dass dieses Kleid ein wenig umgenäht werden musste, verschwieg die Wächterin.
"Del Hauptmann meinte, el hätte beleits eine Toga fül den Gefleiten gefunden. El blingt sie spätel volbei."
"Eine Toga??", Michael sah bestürzt zu seiner Vorgesetzten, die nur mit den Schultern zuckte.
"Das ist offensichtlich so Sitte. Das Kleid, das ich trage verhüllt auch nicht sonderlich viel, wenn dich das beruhigt"
"Nicht wirklich", murmelte der Vektor leise und kraulte sichtlich nervös den Nacken seines Hundes.
"Gehen wir noch einmal die Fakten durch, die Hauptmann MeckDwarf uns gebracht hat" Rea setzte die Maske ab und setzte sich zu ihrem Schreibtisch, wo sie die Akte aufschlug.
"Darf ich das persönlich übernehmen", erschallte eine Stimme von der Tür aus, wo der Humph in voller DOG-Uniform stand und lässig gegen den Türstock lehnte. Er hatte weißen Stoff über den Arm gelegt. Chi nahm an, dass das Michaels Toga war. Reas Züge verloren an Sanftheit, ihr Lächeln schwand etwas.
"Wenn du wünschst, Hauptmann."
Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich ungefragt gegen ihren Schreibtisch, sodass er mit dem Rücken zu ihr stand: "Du kennst sie ja, die Beiden sind es, die eingeweiht werden müssen, richtig?" Bevor sie irgendetwas erwidern konnte, fuhr er fort. "Seit ungefähr einem Jahr wird den Schenken immer wieder ein billigeres Bier versprochen, ohne Gerstensteuer, wie die Brauereigilde sie einzieht - mit jedem gezapften Getränk. Bisher hat keiner etwas von diesen Bieren gesehen. Sie sollen in Flaschen abgefüllt sein. Die Schankwirte wurden immer auf ein besonderes Fest vertröstet."
"Der Maskenball", sprach Rea hinter ihm die Vermutung aus.
"Anzunehmen. Wir wissen nicht, was dort passieren wird und wann, aber sämtliche Schankwirte werden da sein. Daher haben wir auch die Einladung der ihr nachgeht."
"Wir können entweder von Betrug oder Schmuggel ausgehen", schaltete sich Rea nun ein und stand endlich auf, um an Humph vorbei zu gehen. Sie verschränkte ihre Hände hinterm Rücken und sprach weiter: "Bisher sind nämlich keine Karren aus dem Königreich Tipi angekündigt. William hat sich heute deswegen erkundigt. Wenn also Bier hier herein gelangt ist, dann nicht auf legalem Weg." Sie blickte zu Humph zurück, der die Arme ebenfalls hinter sich verschränkt hatte und etwas verkniffen an dem Schreibtisch lehnte.
"Und wenn kein Bier ankam, dann wurden die Schankwirte betrogen", schloss Michael, "Die Frage ist, warum er sie dann zu einem Ball einlädt."
"Man kann davon ausgehen, dass del Botschaftel nicht alleine handelt", erwiderte Chi, während er Emily auf einen Schemel setzte, "El hat sich seit längelem eigenaltig velhalten und scheint lelativ plötzlich einen gewissen Ehlgeiz entwickelt zu haben, was das angeht."
"So wie ich das gehört habe, kann das genauso gut eine Alterserscheinung sein", Michael zuckte mit den Schultern, "Ich meine, jeder wird wunderlich im Alter."
"Das ist für den Fall selbst aber auch nicht primär wichtig", meinte Rea und blickte zu Humph, "Hab ich was vergessen?"
"Nichts aktenmäßiges, denke ich". Er richtete sich auf und schritt zu ihr. "Aber das wirst du vielleicht brauchen." Der Hauptmann streckte den Arm aus und hielt der Wächterin etwas entgegen. Sie nahm es und rieb es zwischen den Fingern.
"Was ist das", fragte sie und musterte es. Es war fleischfarben und hatte einen auffälligen Hügel.
"Brustwarzenimitat", erwiderte der Hauptmann knapp, "Die Schankwirtin, deren Einladung du hast hat zwei sehr... ausgeprägte Exemplare. Du solltest die Dinger aufkleben, hier hast du das zweite." Er warf es ihr zu und ging zur Tür.
"Was habt ihr bei DOG eigentlich noch alles", fragte Rea und ließ aus Schock den Mund offen stehen.
"Die Originale dazu.", sagte Humph und verließ den Raum.
Der Spiegelsaal des Anwesens war riesig. Rea fragte sich insgeheim sofort, ob das Haus nur aus dem Saal bestand, wenn sie bedachte, wie klein das Anwesen von außen gewirkt hatte. Erst nach dem anfänglichen Staunen wurde ihr gewahr, dass es größtenteils die Spiegel waren, die diesen Eindruck vermittelten. Ansonsten wäre dieser Saal ein kleines, muffiges Zimmerchen, in dem eine große Gesellschaft kaum Platz haben könnte. Auf dem dritten Blick wurde ihr auch sofort klar, dass Humph weit übertrieben hatte. Sie hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, wie alle Schankwirte Ankh Morporks auf einen Ball zu finden wären. Die Realität zeigte, dass größtenteils die Wirte der näheren Umgebung anwesend waren. Schlecht recherchiert, Herr Hauptmann, dachte sie mit ein wenig Schadenfreude und konnte sich unter der Maske das Lächeln kaum verkneifen. Soviel zu dem arroganten Gehabe, auch er machte Fehler. Ansonsten schien aber alles richtig zu sein. Die Gäste hatten alle ähnliche Kleidung an wie die Wächter, nur die Masken unterschieden sich. Das dafür teilweise eklatant. Aber was sich definitiv am meisten bei diesem Ball abzeichnete, war die Diskrepanz zwischen der Tatsache, dass solche Ereignisse eine feine Gesellschaft verlangten und derjenigen, dass das hier alles nun einmal abgehalfterte Wirte waren. Natürlich waren nicht alle Schenkenbesitzer ausnahmslos Schweine, aber der Großteil von ihnen zeigte deutlich, dass sie keine Ahnung hatte, wie man sich benahm. Und sei es nur die Tatsache, dass sie sich mehrmals zwischen den Beinen kratzten, um sich danach in der Nase zu bohren. Zugegeben, nach Kratzen war Rea derzeit auch zumute. Diese verdammten Imitate juckten wie wahnsinnig und die Stelle, an der sie sich befanden war nun mal nicht gerade die bequemste. Entgegen ihrer Gewohnheit hatte die Wächterin diesmal keine Unterröcke an. Eigentlich nur deswegen, weil das Kleid das gar nicht erlaubte. Es war schon jetzt etwas zu eng und schnürte viel zu sehr ein. Sie blickte zu Michael, der ebenfalls aussah, als würde er sich unwohl fühlen. Auch wenn das schwer zu sagen war, ohne seon Gesicht zu sehen, aber seine Körpersprache sprach eigentlich für sich.
"Hör dich mal um", flüsterte sie ihrem Kollegen zu und ging langsam in die Mitte des Saales, während sie aus den Augenwinkeln den Gefreiten beobachtete, der zielstrebig das Buffet anvisierte. Typisch, dachte sie bei sich, als plötzlich alle Kerzen gleichzeitig auszugehen schienen. Rea hatte erwartet, jetzt erschrockene Stimmen zu hören, die aufgeregt herum plapperten, aber stattdessen ging das Licht sofort wieder an und ein Mann mit blendend weißen Zähnen stand direkt vor ihr und lächelte sie gewinnend an. Sie spürte, wie ihr Gesicht richtig heiß wurde und lächelte zurück.
Michael hatte seine Vorgesetzte nicht mehr beachtet und nahm sich gerade ein Brötchen, als eine dickliche Frau ihn ansprach. Sie begann sofort über ihr Geschäft zu reden, was den Vektor nicht wirklich interessierte. Er versuchte das Gespräch auf das neue Bier zu lenken scheiterte aber kläglich an ihrer "Als ich 18 war, hat mein Vater alles aufgebaut"-Geschichte. Dabei hatte der Wächter seine Kollegin völlig aus den Augen verloren.
Ein anderes Augenpaar war indes nur auf die junge Frau gerichtet und hatte mit einem kurzen Schock bemerkt, dass sich ein etwa ein Meter neunzig großer Mann vor ihr materialisiert hatte. Niemand schien es aufgefallen zu sein und Chi war sich ziemlich sicher, dass er wusste warum. Wesen wie dieser Mann waren Meister darin, unbemerkt zu bleiben. Man musste wissen, wonach man suchte, um ihn zu bemerken. Der alte Achatene hätte ihn auch nicht bemerkt, wenn er nicht genau gewusst hätte, dass er auftauchen würde. Der Mann hatte schlohweißes Haar, ein jugendliches Gesicht und trug im Gegensatz zu der restlichen Gesellschaft einen langen Mantel, darunter ein schwarzes Rüschenhemd und eine schwarze Hose. Es war typisch für sie, einem gängigen Klischee entsprechen zu müssen - sie liebten es im Mittelpunkt zu stehen. Zumindest für einen - ihrem Opfer. Und offensichtlich hatte er sich sein Opfer ausgesucht. Der Oberfeldwebel stand völlig in seinem Bann. Was zu erwarten gewesen war. Man nannte sie in seiner Heimat die 'Verstandjäger'. Es waren Vampire, die nicht nach Blut sondern nach dem Verstand einer Person gierten. Je interessanter der Geist einer Person war, desto mehr wollte der Jäger sie. Chi erschauderte bei dem Gedanken sie Vampire zu nennen. Es gab nicht mehr viele von ihnen und sie waren weit mächtiger als ein einfacher Vampir. Umso schwieriger war Chis Aufgabe. Noch dazu, weil er allein war. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten hatte er keine seiner Puppen dabei. Er fühlte sich wahnsinnig allein und hatte sich seit Stunden zusammen reißen müssen, nicht aus innerer Unruhe die Szenerie zu verlassen. Das schwächte ihn und das war ihm durchaus bewusst. Und doch konnte er den Oberfeldwebel nicht ihrem Schicksal überlassen. Zumal sie bereits von ihm aus den Saal geführt wurde.
Fu Lang blickte ungläubig auf die Flasche vor ihm. Er hatte es wirklich geschafft. Der Botschafter hatte eine Fuhr des Familienbiers verkauft. Es war eines der größten Träume des ganzen Königreichs gewesen und MaMa FuTang hatte es irgendwie ermöglicht. Und doch stimmte etwas nicht. Fu drehte die Flasche und musterte das Wappen von Tipi: Die königliche Unke auf gelbem Grund. Dieses Gesöff war ungenießbar, jeder Tipinese wusste das! Nicht, dass jedes ankh-morporkianische Bier eine Delikatesse wäre, aber das hier war Spülwasser. Mit ein bisschen Gerste. Vielleicht. Kein vernünftiger Mensch würde das freiwillig trinken, geschweige denn kaufen. Nicht einmal Ankh-Morporkianer. Fu dachte darüber nach, was ihm Chi erzählt hatte. Verstandjäger hatte er sie genannt. Angeblich machte er seine Opfer damit gefügig, indem sie ihnen ihren größten Traum versprachen. Fragte sich nur, warum dieser Jäger den Traum auch wirklich erfüllte. Seufzend blickte er aus dem Fenster. Natürlich freute er sich für sein Land, aber irgendwas daran war einfach falsch. Müde rieb er sich die Augen, als er sah, wie ein Mann mitten in der Gasse stehen blieb und die Arme zur Seite hob. Fu schaute die Gasse entlang und sah in dem schummrigen Laternenlicht eine junge Frau wie hypnotisiert in die Richtung des Mannes spazieren, dahinter sah er eine ihm bekannte Gestalt.
Chi hatte befürchtet, dass der Hauptmann sich ebenfalls entgegen stellen würde. Er behauptete zwar immer, dass Opfer notwendig waren, aber wenn man sich mit ihm länger beschäftigte, war klar, dass er sich um die Leute sorgte, mit denen er arbeitete. Die SEALS-Abteilungsleiterin stellte hierbei keinen Unterschied dar. Allerdings hatte der DOG-Wächter sich damit wohl überschätzt. Kaum war der Jäger in seiner Nähe taumelte er nach hinten und zeigte keinerlei Anzeichen einer Gegenwehr, als der Mann ihn aus dem Weg schleuderte. Der Achatene wusste, dass er nun eingreifen musste. Er sprang los und traf hart in den Rücken des Jägers, der nach vorn stolperte, aber nicht fiel. Sofort schlug Chi wieder zu, aber seine Hand wurde mit einer Leichtigkeit aufgefangen, die dem alten Vampir ein Gefühl wieder brachte, dass er seit Jahrhunderten nicht mehr gespürt hatte. Pure Angst.
"Euer Plan hat nicht geklappt, Vampir", die Stimme erschallte direkt in seinem Kopf. Sie war zischend, nicht laut, aber bedrohlich, "Der Mensch und du seid noch nicht bereit für eine solche Aufgabe. Aber es war schlau, mir eine Hexe anzubieten, das gebe ich zu."
Chi brachte kein Wort heraus. Bilder begannen vor seinen Augen zu tanzen.
"Spür meine Macht, alter Mann", konnte er noch hören. Dann war es hell.
Chi sah sich um. Er war zuhause, auf seinem Feld. Gerade war er auf dem Weg in sein Haus und er sah, wie die Tür offen war. Es war seltsam vertraut, obwohl seine Frau normal nie die Tür offen ließ. Eine morporkianische Gewohnheit, wie sie ihm anvertraut hatte. Das Königreich da unten schien weit gefährlicher zu sein als hier. Er betrat das Haus und spürte sofort, dass etwas falsch war. Vertraut falsch, wie er etwas befremdet feststellte. Er trat in die Küche ein und sah vor sich ein Blutbad.
"Emily", kam es ihm schockiert über die Lippen und er erblickte einen Arm hinter dem Herd schwach hoch greifen, "EMILY!" Dann wurde es dunkel um ihn.
Er erwachte in derselben Gasse wieder, in der er eben noch gewesen war. Ein Blick nach links verriet ihm, dass Oberfeldwebel Dubiata wohlauf war, auch wenn sie offensichtlich keine Ahnung hatte, wo sie war. Gegen eine Laterne gelehnt saß Humph MeckDwarf nach vorne gebeugt da. Offensichtlich war er ohnmächtig, Blut floss aus seiner Nase.
"Alles in Ordnung?", fragte eine Stimme und er blickte hoch. Fu Lang hielt die Hand hin und half ihm auf. "Ich habe getan, wie du gesagt hast." Er öffnete seine andere Hand und zeigte ihm ein paar Pillen. "Du willst aber gar nicht wissen, wie ich ihm das Zeug in den Mund bugsiert hab."
Chi sah seinen Informanten halb entsetzt, halb fasziniert an: "Als ich sagte, Froschpillen würden gegen ihn helfen, meinte ich eigentlich, dass man sie selbst einnimmt, um den Verstand zu vernebeln. Es ist wie... die Milch sauer machen."
Fu erbleichte: "Du meinst..."
"Dass du heute sehr mutig warst, genau. Es hat immerhin funktioniert. Nur tu's nie wieder."
"Ich versteh nicht, was passiert ist.", sagte Rea Dubiata wenig später in ihrem Büro.
"Das ist eine lange Geschichte, Ma'am. Die Kulzfassung ist, dass ein Velstandjägel hintel del Veländelung des Botschaftels steckte."
"Verstandjäger?"
"Das soll er dir später erklären", meinte Humph, während er sich die Schläfen rieb, "Meine Güte, dieses Viech haut ganz schön hin. Ich werd mich mal zurückziehen und die Schmerzen lindern."
"Moment Mal, Hauptmann, warum warst du eigentlich vor Ort?", Rea sah Humph direkt an, dieser drehte sich aber um und öffnete die Tür.
"Ich... wollte wissen, ob du deine Arbeit auch ordentlich erledigst, Oberfeldwebel." Dann schlug er die Tür zu.
Sie blickte ein paar Sekunden skeptisch auf die Tür, dann wendete sie sich an Chi: "Und was ist mit der Bier-Geschichte?"
"Eine Schenke hat das Biel wilklich gekauft. Sie wild wohl Pleite gehen." Der Vampir sah gehetzt und unruhig aus, ein ungewöhnliches Bild. "Sie haben die Lezeptul mitgeblacht und haben es hiel im Geheimen geblaut. Damit haben sie gegen Gilden-Gesetz velstossen und somit..."
"Ist es zu einem DOG-Fall geworden, schon verstanden." Es war Rea anzuhören, dass ihr das nicht passte. "Ich will in dem Bericht alles über diese Sache wissen, Gefreiter, haben wir uns verstanden?"
"Natüllich, Ma'am.", sie sah ihn zum ersten Mal müde. Er sah wirklich alt aus. Daher ließ sie es erst einmal damit bewenden und schickte ihn fort. Sie würde so oder so heute Nacht damit verbringen über das Alles nachzudenken. Vor allem, was Humph damit zu tun gehabt hatte.
Chi verließ langsam das Büro, bevor er sich noch einmal umdrehte: "Achten Sie auf den Heimweg, Ma'am. Sie werden immer beobachtet." Dann verschwand er. Und Rea hatte sehr wohl registriert, dass sein R-Fehler diesmal nicht da gewesen war. Müde lehnte sie sich zurück und blickte noch einmal auf den Schreibtisch, wo etwas auffällig glitzerte. Sie beugte sich mit einer plötzlichen Bewegung nach vorne. Sie hatte richtig gesehen, ein Wurfstern lag offen vor ihr und darunter war ein Zettel, wo Buchstaben aufgeklebt waren.
"Hör auf, dich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen.", las sie. Mehr zum Nachdenken für heute Nacht.
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