This is a story about life, and about death.
Not death with a little d, but Death with a big D, as in 'Death', the Person.
Its a story about life and Death, and how one depends very much on the other.
- Terry Prattchet, Discworld
'Dies ist eine Geschichte über das Leben und über den Tod...'
Mit diesem Satz begann die Lieblingsgeschichte meines Großvaters immer.
Er war ein alter Soldat und erzählte uns Kindern häufig Geschichten über das Leben und Sterben,
wahrscheinlich um die Schrecken des Krieges endlich zu verdauen.
Mein Name ist Patrick Zartbitter und ich komme aus Pseudopolis.
Meine Eltern sind Christian und Roberta Zartbitter, in meiner Heimat berühmte Schokolatiers, wie mein Vater sagen würde.
Kurzum: sie machen Pralinen und Süßigkeiten.
Mein Großvater, der Vater meiner Mutter, die in das Schokoladengeschäft eingeheiratet hatte,
hasste Schokolade. Es verging nie einen Tag, an dem er sich nicht darüber aufregte das meine Mutter ihr Leben, seiner Meinung nach, so sehr verschwendete.
Doch meine Mutter ging regelrecht in ihrer Arbeit auf. Sie verwendete ihre gesamte Energie und Konzentration auf das Erschaffen neuer Kreationen.
Kurzum: Sie war eine Rabenmutter, die nie Zeit für ihre Kinder hatte.
Großgezogen wurden ich und meine Schwester eigentlich nur von meinem Großvater.
Während meine jüngere Schwester Hochachtung vor der Arbeit unserer Eltern empfand,
konnte ich mich nie damit abfinden, eines Tages dieses, im wahrsten Sinne des Wortes,
klebrige Geschäft zu übernehmen.
Doch es gab einen Ausweg.
In unserer Familie gibt es die Tradition, dass der Erstgeborene das volle Erbe bekommt.
Die anderen Geschwister konnten erst Anspruch erheben, wenn der Erbe (in meinem Fall also Ich)
entweder tot, verrückt, verstümmelt, einfach nur dumm oder nicht aufzufinden war.
Also stand mein Beschluss fest: ich wollte weggehen.
Doch wohin? Ich überlegte Nächte lang. Zur Armee? Bauergehilfe werden? Ich wusste es nicht.
Also wandte ich mich in meiner Verzweiflung an meinen Großvater.
Er hörte mir zu und erzählte mir dann von seinen Erlebnissen in der Armee.
Nachdem er seinen Monolog beendet hatte, sah er mich an.
Ich zitterte am ganzen Leib.
'Also die Armee', sagte er zu mir, 'ist wohl nichts für dich. Hmm, lass mich einmal überlegen.'
Während er, mit seiner alten Pfeife im Mund, schweigend nachdachte, reifte ein Gedanken in mir.
'Ich will den Leuten helfen, die in Not sind. Ich will verhindern können, dass jemand einem anderen schadet.', dachte ich. Ich dachte es wahrscheinlich laut.
Mein Großvater lachte: 'Ja, ich kann mir vorstellen das du das willst. Bist ein guter Junge.'
Plötzlich blitzte es in seinen Augen. 'Ja,', sagte er, 'das ist es! Junge, wie wär's wenn du ein Wächter werden würdest?'
Ich schaute ihn fragend an: 'Ein Wächter? Diese faulen Dicken, die andauern bei uns Schokolade einkaufen?'
Er lächelte. Er lächelte immer wenn er eine Überraschung parat hatte.
'Sie sind zwar Wächter, aber ich habe etwas anderes im Sinn. Nicht überall sind die Wächter solche Nichtsnutze wie bei uns. Junge, du gehst nach Ankh-Morpork! Diese Stadt wird schon einen richtigen Mann aus dir machen!'
Ich habe diese Worte immer noch im Ohr. Und so reiste ich zu der großen Stadt am Ankh, um mich als Wächter zu bewerben. Außer meiner Kleidung hatte ich nur ein Notizblock, einen Bleistift und ein bisschen Geld dabei. Und ein besonderes Geschenk meines Großvaters.
Sein altes Brotmesser. Es ist klappbar und schon so mancher aus dem Hinterhalt angreifende Schurke hatte gespürt, dass dieses Messer nicht nur Brot durchschneiden konnte.
Es heißt 'Butterfliege'. Weil man damit Butter aufs Brot schmieren kann. So jedenfalls die Erklärung meines Großvaters.
Und so kam ich in Ankh-Morpork an und wurde Wächter.....
Nach der komisch anmutenden Vereidigung, die zwar Wert auf Flexibilität legte, dies aber nur in der Theorie schaffte[1], wurden wir zu unserem Ausbilder geführt.
Oder eher zu unserer Ausbilderin.
Feldwebel Rogi Feinstich fühlte sich, dem Zucken in ihrem Gesicht nach zu urteilen als sie sich vorstellte, sichtlich unwohl.
Den erschrockenen Mienen und dem verlegenen Hüsteln zufolge fühlte sich auch der Großteil von uns Rekruten unwohl. Der Grund hierfür war nicht etwa, dass der Feldwebel eine Frau war. Immerhin befinden wir uns in einem aufgeklärten Zeitalter.
Nein, viel mehr wurden wir von einem Gesicht abgeschreckt, das nicht nur zahlreich an Nähten, sondern auch zahlreich an Hautfarben war.
Auch ich war ziemlich geschockt, denn der Feldwebel war der erste Igor, den ich näher kennen lernte.
In Ankh-Morpork ist alles anders.
Dies merkten ich und meine Kameraden auch in unserem Unterricht.
Obwohl unsere Ausbilderin aufgrund ihrer Rasse zumindest exotisch[2] wirkte, war ihr Unterricht das für uns, was für den Anwalt das Plädoyer des Staatsanwaltes ist: stink langweilig.
Zu viele Wörter brachte sie in eigentlich rein praktische Unterrichtseinheiten ein, zu viele Phrasen benutzte sie bei einfachen Angelegenheiten wie 'Bogenschießübungen für den Anfänger' oder 'Wie reinige ich meinen Harnisch richtig?'. Schon bald kam es uns, oder zumindest mir, so vor, als ob sie sich durch diesen Wörterwall vor uns Rekruten schützen wollte.
Doch diese Überlegungen waren total sinnlos.
Warum sollte sich ein Vorgesetzter schon vor seinen Untergebenen schützen wollen?
Der Unterricht verlief dennoch alles in allem ziemlich locker[3],
doch an einen Tag werde ich mich mein Leben lang erinnern.
Es geschah in der Unterrichtsstunde 'Das Verhör, oder wie man einen Verdächtigen zum Reden bringt.', zu deren Zweck wir das Wachhaus am Pseudopolisplatz besuchten.
Während eines wieder nicht Enden wollenden Vortrags vor der Tür des Verhörraums, ließ ich mich dazu hinreißen, einem Rekruten der neben mir stand folgendes herüber zuflüstern:
''Also wenn sie den Verdächtigen ebenso zuschwatzt wie uns, wird er kaum Zeit haben zu gestehn. Das Gehirn wird sich garantiert vorher selbst aufhängen.''
Im nach hinein war das eine sehr dumme Idee. Ich hätte es auch sicher nicht gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass Igors ihr Hörvermögen durch Operationen um ein Vielfaches steigern können.
Ob Operation oder nicht, der Feldwebel hatte mich gehört. Dies wäre vielleicht gar nicht so schlimm gewesen, wenn Ausbilderin Feinstich aus unerklärlichen Gründen nicht eh schon knapp unter dem Entzündungspunkt gewesen wäre.
So wurde ich von wütenden Augen, die sich nicht unbedingt auf einer Höhe befanden, angefunkelt.
''So, der Herr findet das ganfe alfo luftig? Rekrut Fartbitter, vortreten!''
Total parralisiert und erschrocken trat ich aus dem Halbkreis zwei Schritte vor.
''Rekrut Zartbitter, ich habe dich flüstern gehört.'', Rogi lispelte kaum wenn sie wütend war, oder uns etwas einbläuen wollte, ''Was findeft du denn fo witzig an meinem Unterricht? Findeft du ef witzig, wenn ein Mörder gerade ein kleinef Kind umgebracht hat und nur fein Geständnif, oder ein Hinweif auf feiner Auffage, ihn überführen kann? Willft du der Mutter des Kindef erklären, daff wir den Mörder ihrer Tochter auf Mangeln an Beweisen freilaffen mufften? Willst du das?''
An dem Mangel an 'F's in ihrem letzten Satz konnte ich ablesen, dass der Feldwebel die Grenze zu einem Puls von 180 mit hoher Geschwindigkeit überschritten hatte und immer noch beschleunigte.
Ich fühlte mich miserabel in meiner Haut und hörte entsetzt, wie eine Stimme aus reinem Trotz zittrig widersprach.
Es war meine Stimme.
''J.. J.. Ja, ab.. aber ein solcher F.. Fall ist doch sehr un.. unwahrscheinlich.''
''Rekrut Farbitter,'', sprach meine Vorgesetzte leise, '' du bift für heute fertig mit dem Unterricht. Melde dich beim Reinigungfdienft. Du wirft heute diefef Wachhaus solange putzen, BIS ES BLITZT!''
Mein Kopf realisierte, dass es besser war, nicht zu widersprechen, doch mein Körper hinkte den Ereignissen etwas hinterher. Meine Lippen teilten sich wie von selbst:
''A..''
Der Feldwebel zeigte mit dem Finger auf die Tür ins Erdgeschoss und schrie:
''RAUS!''
Ich rannte zur Tür hinaus.
Hämisch Grinsend wurde mir der Weg zur Besenkammer von einer Küchenhilfe gewiesen.
An den Spinnenweben am Besenstiel erkannte ich, dass dieser wohl schon jahrelang nicht benutzt worden war. Und genau so sah der Boden aus.
Doch auch wenn ich einsah, dass ich die Strafe verdient hatte: ich war dennoch sauer.
Jedoch, egal wie fest ich auch auf den Hauptverdächtigen Staub und seinen Kumpanen Dreck eindrosch, ihm machte es kaum etwas aus. Bei der Menge an beidem, beschränkte ich mich schließlich, nach einigen erfolglosen Versuchen den Schmutz wirklich nach draußen zu kehren, darauf, den Dreck gleichmäßig auf dem Boden zu verteilen.
Als ich mich, von Monotonie und schmerzenden Armen geplagt, endlich bis in die Kantine vorgearbeitet hatte, in der meine Mitrekruten, zusammen mit unseren zukünftigen Kollegen und Kolleginnen, gerade zu Mittag aßen, erlebte ich eine Überraschung.
Feldwebel Feinstich saß mit Lance-Korporal Goldi Kleinaxt, ebenfalls Ausbilderin, an einem Tisch und redete auf sie ein. Als sie mich erblickte, winkte sie mich mit ihrer Hand[4] zu sich an den Tisch.
''Rekrut Fartbitter. Da du heute die Unterrichtfftunde leider nur halb mitbekommen haft, habe ich eine Überrafung für dich. Komm mit.'' Mit diesen Worten stand der Feldwebel auf und gedachte mir ihr zu folgen. Ich hielt mich[5] etwas hinter dem Feldwebel, da ich unsere Auseinandersetzung noch gut in Erinnerung hatte.
Während wir durch das Wachhaus gingen, begann Rogi:
''Rekrut, wie ich fon fagte: Da du anfeinend foviel Wert darauf legft, das ganfe in der Praxif fu lernen, habe ich bei einem Kollegen, der heute morgen einen Verdächtigen reinbekommen hat, nachgefragt ob du vielleicht nicht die Vernehmung übernehmen könnteft. Er hat fwar zugeftimmt, jedoch nur unter der Bedingung, daff ich daf Verhör leite und du dich aufs fufauen befränkft. Verftanden?''
''Ja, Ma'am.''
Wir gingen die Treppe in den Keller hinunter, in der ich noch vor ein paar Stunden meinen so dummen Fehler begangen hatte. Vor der Tür des Verhörraums, den unsere Gruppe früher am Tag noch besichtigt hatte, standen nun 3 Wächter. Jeweils einer an jeder Seite der Tür und einer davor. Sie alle hatten rote Uniformen an.
'Verdammt', dachte ich, die Unterrichtsstunde über die Abteilungen noch gut vor meinem geistigen Auge,' R.U.M! Das kann nichts Gutes heißen.'
''Hallo, Feldwebel!'', sagte der Mann, der Vor der Tür stand zu Rogi.
Ich schaute ihn mir genauer an. Blonde Haare, eine fliehende Stirn wie aus einem Bilderbuch und einen Gesichtsausdruck, der komischerweise an ein Walross erinnerte.
''Hallo. Wie ich fehe, ift der Gefangene fon drinnen. Kannf lof gehen?'', fragte sie ihn.
''Ähm, grundlegend, ja. Aber wollen sie es sich nicht noch einmal überlegen?'', antwortete er ihr zögernd.
''Nein. Der Rekrut braucht diefe praktife Erfahrung. Klären fie ihn bitte über den Fall auf.''
Der Mann wandte sich, sichtlich gequält, zu mir um.
''Also Rekrut'', sprach er, '' der Mann da drinnen heißt Fabian Hackdarm, wohnhaft in den Schatten. Er steht unter dringendem Tatverdacht, einen seiner 'Geschäftspartner', Herrn Joschua Schiedschlecht, mit einem Fleischerhaken aufgeschlitzt und dann in ein Zukunftsschweinelager gesteckt zu haben. Wir haben ihn erst nach Tagen gefunden. Zeugen gibt's nur einen und der liegt in der Gerichtsmedizin. Wenn wir Herrn Hackdarm nichts entlocken können, müssen wir ihn wohl oder übel freilassen.''
Mit diesen Worten trat er zurück, Rogi öffnete die Tür und wir betraten den kleinen Raum.
Der Raum war stickig und eng und außer einem porösen Holztisch total Karg.
An dem Holztisch standen zwei Stühle sich gegenüber. Auf einem ließ sich der Feldwebel nieder, auf dem anderen saß der Hauptverdächtige, der seinem Namen alle Ehre machte.
Herr Hackdarm war groß, fett und breitschultrig, so dass es für zwei Ochsen gereicht hätte. Ein Blick in sein Gesicht offenbarte den Metzger in ihm. Er sah so aus, wie jemand, der gerade furchtbar von hinten zusammengeschlagen wurde, sich seinen Angreifer vorstellen würde.
Und wieder hielt ich es für angebracht, ähh, 'präventive Schutzmaßnahmen' zum Allgemeinwohl zu unternehmen: ich presste mich automatisch an die Wand, als mich dieser Klotz von Mann, mit einem wilden Blick, ansah.
Rogi schien das kaum zu interessieren, sie blickte ihn nur starr an.
''Fo.. Herr Hackdarm?''
''Ja? Was wollt ihr eigentlich von mir?'', sprach er rau und drohend aus.
''Kennen fie einen gewiffen Herr Fiedflecht?''
Sein Gesicht blieb unbewegt als er Rogi aus kleinen Schweinsaugen anfunkelte: ''Nie gehört.''
''Wirklich nicht? Letztef Jahr haben fie doch einen längeren Aufenthalt in den Fellen verbracht oder? Einer ihrer Fellkumpanen war eben diefer Herr Fiedflecht. Feitdem wurden fie mehrfach bei Kneipenflägereien zufammen angetroffen und haben, Ohrenfeugen fu Folge, auch damit rumgeprahlt, bald den ganf grofen Coup fu landen. Klingeltf bei ihnen?''
''Ach, den meinen sie. Ja, kenn ich. Aber nur flüchtig. Hab ihn auch schon seit Monaten nicht mehr gesehen.'', probierte er das Gehörte runterzuspielen. Doch selbst ich merkte, dass er nervös wurde.
''Ach, feit Monaten?''
Seine Nervosität wandelte sich sofort zu Aggression um und er schrie fast los als er sagte:
''Ja, verdammt. Das sagte ich doch schon.''
Ich drückte mich noch stärker an die Wand. Rogi schien der Ausbruch kaum zu beeindrucken.
''Wie gehtf ihrer Fwefter eigentlich?''
Er stutzte mit hochrotem Gesicht:
''Hä? Was hat die denn damit zu tun?''
Rogis Augen blitzten, als sie ihn anschaute.
''Fehr viel. Oder haben sie etwa die Flägerei vergeffen, die sie im Vollsuff am Buffettif angefettelt haben? Alf Herr Fiedflecht, Zeugen zu Folge ebenfallf betrunken, grade bei einer hübfen Freundin ihrer Fwefter damit prahlte, wie fie ein fiemlich grofef Verbrechen durchgefogen haben? Alf fie ihn dann verprügelten und fie beide von der Wache abgeholt wurden. Natürlich durften fie beide am nächften Morgen wieder gehen, jedoch hat man Tagf darauf nichtf mehr von ihrem Freund gehört.''
Sie schaute ihm eiskalt in die Augen und flüsterte:
''Wir haben ihn tot, eiskalt in einem Zukunftsschweinelager gefunden.''
Sein Kopf wurde noch roter. Er schaute den Feldwebel an, der Mord stand ihm ins Gesicht geschrieben. Als er aufsprang und schrie, zuckte ich zusammen. Jedoch konnte ich mich nicht rühren. Ich wollte sehen wie es weiterging.
''Ach, das beweißt gar nichts. Ich habe dieses Schwein weder aufgeschlitzt, noch ihm irgendetwas anderes angetan. Und sie, können mir garnichts. Sie mit ihrem fetten Jungen da hinten, der lieber weiter Schokolade fressen sollte, anstatt Wächter zu spielen. Ich verlange einen Anwalt.''
'Fetter Junge'. Plötzlich schien das ganze Geschehen weit weg zu sein. Wie durch einen Nebel hörte ich Rogi reden, während meine ganzen Vorstellungen an mir vorbeiglitten. Wie kann ich verlangen, in der Wache respektiert zu werden, wenn ich schon bei den Verdächtigen kneife? Wie soll ich meinen Kollegen helfen, wenn ich weiter so ängstlich bleibe? Ich war der Verzweiflung nahe.
Rogi lächelte, doch das Geschehen nahm ich wie durch einen Dunstschleier wahr.
''In einem Punkt haben fie Recht. Fie brauchen einen Anwalt. Und fwar einen verdammt guten. Denn ef wurde nirgendf erwähnt, dass er aufgeschlitzt wurde.'' Sie machte eine Pause und schaute ihn lange an. ''Wir haben fie, Hackdarm. Ich wünfe ihnen noch viel Spaf vor Gericht. Rekrut, wir gehen.''
Sie wandte sich um und wollte gehen.
Hackdarm hatte gegen sie verloren. Er wusste es. Mit von Wut rotem Kopf schaute er mich an und flüsterte:
''Tschau ängstlicher Fettsack. Viel Spaß mit der Schokolade.''
Klick...
Rogi war schon fast zur Tür raus als ich mich plötzlich umdrehte und beide Hände auf den Tisch knallte. Hackdarm zuckte zusammen.
Alles war plötzlich klar.
Leise, kaum hörbar sprach ich ihn an:
''Sie haben recht. Ich bin fett. Und ängstlich. Aber vor Leuten wie ihnen, muss ich keine Angst haben. Solche Leute wie sie kenne ich zur genüge. Große Schlägertypen, die beleidigen, aber nicht einstecken können. Hat es Spaß gemacht, ihren Freund mit dem Fleischerhaken aufzuschlitzen? War es schön, durch sein Fleisch zu schneiden, sein Blut zu sehen? Hat es sie so richtig befriedigt? Sie haben nicht gewonnen Hackdarm. Ich kann mich ändern. Ich kann, dünn werden. Sie werden im Gefängnis dahinsiechen. Ich kann mutig werden. Sie werden nie wieder das Tageslicht erblicken. Dafür sorgt die Wache. Und ich, Hackdarm, merken sie sich das gut: bin ein Teil von ihr.''
Ich hörte hinter mir Rogi leise, fast feinfühlend sagen:
''Zartbitter, du kannst nach oben gehen und den anderen Bescheid geben, dass wir in einer halben Stunde wieder zur Kröselstrasse marschieren. Ich erledige das.''
Ich schaute sie an. Ich wollte noch was sagen, aber ich beließ es dabei. Ich musste mich abreagieren, also salutierte ich und ging nach oben.
Doch unten im Keller spielte sich noch mehr ab[6]:
Rogi schaute mir nach. Alles war still. Plötzlich sagte eine raue, aber keineswegs unfreundliche Stimme hinter ihr:
''Ich hoffe ich hab's nicht zu weit getrieben. Scheint ein anständiger Bursche zu sein.''
Rogi dreht sich um und lächelte.
''Nein, ich glaube daf hatte er nötig. Felbftvertrauen dürfte er jetzt haben. Und waf noch wichtiger ift: er wird bei keiner Unterrichtfftunde mehr unaufmerkfam fein. Und da ich kaum glaube, daff er ef lange für fich behalten wird, werden auch die anderen mehr aufpaffen. Danke übrigenf, für die kleine Darbietung.''
Fabian Hackdarm, zweit oberster Fleischer der Metzgergilde und Hobbyschauspieler in der Theatergruppe 'Kurze-Straße Theater' schaute sie lächelnd an.
''Ach, nichts zu danken. Man muss in Übung bleiben. Nur, lange wird er nicht brauchen, um zu bemerken, dass wir ihm eine Farce gespielt haben.''
Sie lachte.
''Daf ift egal. Der Augenblick fählt. Nun ift er auf dem richtigen Weg. Waf machen fie jetft eigentlich?''
''Ich wollte eigentlich in die Küche gehen und beim Kantinencheff etwas wegen der Fleischlieferung nachfragen. Aber ich helfe immer gerne, hatt ja nicht lange gedauert. Ich sollte wohl warten, bis ihr wieder gegangen seit, den wenn der Rekrut mich so sieht, wird er wahrscheinlich die Übung nicht so gut verstehen.''
''Da haben fie wohl recht. Alfo, nochmalf: vielen Dank. Entfuldigen fie mich, aber ich muff noch waf vorbereiten.''
Die beiden verabschiedeten sich.
Als Rogi den Vorraum betrat, blickte ein gutes Dutzend sehr gespannte Gesichter sie an. Dem tuscheln nach zu Urteil hatte sich die kleine Show schon rumgesprochen.
Der Ausflug war vorbei, die Rekruten und Ausbilderinnen gingen wieder zur Kröselstrasse. Unter ihnen ein sehr stiller und nachdenklicher Patrick Zartbitter.
[1] O-Ton Ausbilder: ''Sprecht mir nach: 'Ich, (Name des Rekruten), schwöre feierlich bei (Gottheit des Rekruten), die Gesetze und Verordnungen der Stadt Ankh-Morpork zu wahren...'
[2] Wenn man vorher nichts gegessen hatte.
[3] um nicht zu sagen: einschläfernd locker
[4] aus dieser Entfernung konnte ich keine Details erkennen, also nahm ich an, dass es sich wirklich um ihre Hand handelte.
[5] ''..keines falls ängstlich! Sowas nennt man präventive Vorsichtsmaßnahme!'', ging es mir durch den Kopf
[6] wie ich viel später erfahren sollte
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