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von Hauptgefreite Lady Rattenklein (SUSI)
Online seit 01. 12. 2007
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Sieben mysteriöse Morde und kein Täter. Sieben Morde und kein Motiv. Nur zwei typisch aussehende Löcher in den Hälsen der Opfer. Ankh-Morpork läuft Gefahr das wackelige Gerüst des Vertrauens in die Wache zu verlieren und zusehends Angst vor Vampiren zu gewinnen. Kann SUSI den Massenmord aufklären bevor alles im Chaos endet?

Dafür vergebene Note: 10

"Die Dritte schon." murmelte Oberfeldwebel Sillybos, "Die Dritte Tote in einer Woche. Dasselbe Schema?" richtete er die Frage mit nun erhobenem Kopf an Ruppert von Himmelfleck.
"Ja, Sir. Wieder keine Anzeichen für einen Einbruch. Und der übliche Rest. Wieder unlizenziert natürlich."
"Hat die Laborratte schon herausgefunden, was es mit den Malen auf sich hat?"
"Du meinst Lady Rattenklein, Sir?"
"Wen denn sonst?"
"Nun ja. Äh, nein, meine ich, Sir."
"Na toll." Der Abteilungsleiter SUSI lehnte sich hinter seinem Schreibtisch sitzend nach hinten und legte seinen Kopf zurück. Ein Massenmörder. So etwas hatten sie lange nicht gehabt. Mit auf dem Bauch gefalteten Händen dachte er nach. Was hatten sie bis jetzt? Drei tote Frauen mittleren Alters. Ohne besondere Vermögen. Wieso auch? Es wurde ja nie etwas geklaut. Nie eine einzige Spur eines Einbruches. Geschlossene Tür. Geschlossene Fenster. Merkwürdige Male an den Körpern der Leichen. Tiere? Ein Tier? Oder etwas anderes? Seine Gedanken umkreisten die mysteriösen Todesfälle, die sich in der letzten Woche immer nach dem gleichen Schema in Ankh-Morpork ereigneten. Es sprach sich natürlich herum, nicht nur in der Wache. Zwei Löcher im Hals des Opfers und die Leute machten den Täter zu einer Art Vampir. Er musste handeln, ehe in dieser Stadt etwas ausbrach, was sich in schlimmster Weise gegen die Blutsauger richten könnte.
"Dieser kranke Sohn einer..." begann Silly,
"Hast du was gesagt, Sir?" Ruppert stand immer noch vor seinem Schreibtisch und hatte die behaarten Arme schlaff an seinem ausladenden Körper herunterhängen.
"Du kannst jetzt gehen. Sag Ratti, dass ich die Ergebnisse schnellstmöglich auf meinem Schreibtisch haben will."
"Aber Sir, zu mir sagte sie, dass es verdammt nochmal die Sache der Pathologen sei..."
"Du kannst ihr sagen, dass sie gefälligst mit der Pathologie zusammenzuarbeiten hat. Es kann schließlich gut sein, dass es sich hierbei um eine andere Spezies handelt als um einen Menschen, oder ein menschenähnliches Wesen, nicht wahr? Wegtreten." der Oberfeldwebel widmete sich nun grummelnd seiner Unterlagen. Er war mies gelaunt, der Fall machte ihm zu schaffen.
Nachdem von Himmelfleck sein Büro verlassen hatte, versuchte er abermals, die Dinge zu ordnen.
"Es sind ausschließlich Frauen mittleren Alters." begann er halblaut zu sich selber zu sprechen und stand auf. "Sie liegen tot auf dem Bett. Keine Gewaltspuren, wie Würgemale oder Blutergüsse oder Spuren von einem gewaltsamen Eindringen in die Wohnung. Aber wie kommt der Mörder dann hinein? Und wie zum Teufel hinaus? Die Tür und die Fenster sind immer abgeschlossen, und das von Innen... Verdammt, ich habe nicht die geringste Ahnung wie dieser Mistkerl das anstellt!? Sillybos richtete sich auf und machte ein paar Schritte halb um seinen Schreibtisch herum. Er rieb sich gedankenvoll übers Kinn. Und wieso um alles auf der Welt schickt er selber eine Brieftaube und macht uns noch auf den Mord aufmerksam? Dachte er und griff nach einem zerknüllten Zettel auf seinem Tisch. Er las ihn nun wohl schon zum zehnten Mal, verstrickte sich wieder in den Wirren seiner Überlegungen und grübelte erneut im Kreis. Dann sah er auf das Titelblatt der Ankh-Morpork Times und ihm wurde wieder schlagartig bewusst, welche Wellen dieser Fall in der Zwillingsstadt schlagen könnte. Vampir treibt sein Unwesen war dort in dicken Buchstaben zu lesen. Sillybos machte sich außerdem Gedanken um das Image der Wache. Wenn nicht bald ein Hauch von Aufklärung herbeiwehte, sah er alles in einem Chaos versinken.
Als er endlich von seinem Magen daran erinnert wurde, dass die Mittagszeit schon längst worbei war, beschloss er, erst am nächsten Tag die Ermittlungen fortzuführen. Und am besten Lady Rattenklein endlich mal Feuer unterm Hintern zu machen.

*+++*


Ratti hatte sich gefreut. Jawohl, sie war geradezu entzückt ihr Labor für sich alleine zu haben. Endlich Ruhe. Keine nervigen Rekruten, keine noch nervigeren Vorgesetzten, die ihr ins Handwerk redeten. Und was war nun? Wieder ein Lehrling. Dorion Picus stand vor ihr und blickte sie erwartungsvoll an. Vor ein paar Tagen war er in ihr Heiligtum geplatzt (worden) und jetzt sollte sie, ausgerechnet sie! Ihm etwas beibringen. Nimm ihn unter deine Fittiche, hatte Silly gesagt. Fittiche, ha! Das sie nicht lachte, die Flötentöne würde sie ihm beibringen, sonst nichts.
"Was kannst du denn so?" fragte sie äußerst motiviert.
"Äh was?"
"Das heißt >Äh was, Mäm<" keifte die Lady.
"Ja, Mäm." Picus kniff irritiert, aber nicht verunsichert die Augen zusammen.
"Also", begann Ratti erneut. "Was kannst du?"
Der junge Gefreite sah sie weiterhin fragend an. Aber was die Hauptgefreite verblüffte, war diese Sturheit in dem Blick des Gefreiten, er lies sich nicht einschüchtern. Fast schien es so, als ob er zurückfunkelte. Frechheit! Wenn hier einer mit den Augen funkeln durfte, dann war sie das!
Ratti runzelte die Stirn und wurde überrascht von einem gehauchten Anflug von Sympathie, der sogar bewirkte, dass sie sich sagen hörte:
"Weißt du was? Vergiss den Mist, den du bisher aufgeschnappt hast. Wenn du hier wirklich was lernen willst, musst du Intuition entwickeln. Für alles was du hier tust. Sei es Untersuchungen, seien es richtige oder falsche Chemikalien, die Möglichkeit neuer Verfahren. Sei mutig, aber nicht zu mutig, unbekannte Mischungen auszuprobieren. Und anstatt zu fragen, höre lieber richtig zu. Schau genau hin. Und", sie deutete auf den Schreibblock, den der Rekrut in seinem Eifer bereithielt, "vergiss diesen Müll. So, das waren die ersten Lektionen für heute, jetzt gehen wir nen Kaffee trinken. Komm mit." Die Gnomin schmiss ihre Brille auf den Tisch, hüpfte behände herunter und ging gemütlich zur Tür hinaus, ohne auf ihren Lehrling zu warten. Dieser zuckte mit den Schultern, warf seinen winzigen Block neben die Brille und lief Ratti nach.
Eine Minute später lugte Ruppert durch einen Spalt der Labortür. Er hatte nun wirklich keine große Lust, der alten Lady diese Nachricht von dem Oberfeldwebel zu überbringen und war heilfroh, dass niemand anwesend war. Redlich hatte er sich seine Pause verdient und steuerte geradezu dorthin, wo ihn sein vermeidliche Unglück dann doch erwartete.

*+++*


"Hier ist es. Sehen sie sich das mal bitte an. Schrecklich, nicht wahr?" Die Brünette drehte sich zu ihrem Besucher um. "Sehen sie, dort... hier." Sie deutete auf einen Stuhl, ein schön gearbeitetes Stück. Bezogen mit nachtblauer klatschianischer Seide, die sich prall über die Polsterung auf Sitz und Lehne zog und mit einem großen goldenen Pillendreher bestickt war. Leider war aber im Laufe der Zeit ein Bein gebrochen, das die Besitzerin ausbessern lassen wollte. Als sie nun von ihrem Schmuckstück aufsah und sich gerade wundern wollte, warum dieser vermeintliche Restaurator sich mehr auf sie selbst konzentrierte als auf seine bevorstehende Arbeit, blickte sie in ein Gesicht, das plötzlich wie aus Stein zu sein schien. Seine Augen schauten unverwandt und dunkel in ihre. Leicht zuckten sie als die zweigezackte lange Gabel blitzschnell in ihren Hals drang. Ein erstickter Schrei ließ ihm einen, fast wohligen, Schauer über den Rücken laufen und er hielt sie fest, wartete, bis sich ihre geweiteten Lider schlossen.
Auf dem Bett legte er sie nieder und richtete sich mit einem zufriedenen Gesichtausdruck auf.
"Na also." raunte er in sich hinein, ging zu seiner Tasche und holte die Brieftaube heraus.

Als er das Fenster schloss wandte er sich um, es war Zeit, sich wieder zu verstecken.

*+++*


Charlie Holm beugte sich stirnrunzelnd über die Frauenleiche, während Kathiopeja Fenster und Tür auf Einbruchspuren untersuchte.
Es war eine einfache Wohnung, zwei Zimmer, ein Eingangsflur mit einem dieser typischen Garderobenschränke. Ein Ehebett im Schlafzimmer, welches ein eigenartiges Einrichtungsphänomen allein stehender Frauen war. So als ob jederzeit der Traumprinz hereinschneien könnte und das ganze eine Sekunde später im Bett...
"Ja?" Kathi hatte Holm aus seinen beginnenden Philosophien über Singlefrauen gerissen.
"Ich muss es leider sagen; die Einstichstellen, oder sind es Bisswunden? Sie sind die einzige Spur des Verbrechens. Am Fenster ist nichts, es war geschlossen. Ebenso wie die Tür, sie war von innen verriegelt! Langsam kommt mir das alles auch komisch vor. Wie soll der Mörder hinausgelangt sein? Etwa durch die Wände? Selbst die habe ich abgesucht. Nichts." Mit hilflos ausgebreiteten Händen sah sie ihren Kollegen groß an.
"Naja, Kathi, ich habe diese Frau nicht ermordet. Also schau mich nicht so vorwurfsvoll an. Es bleibt uns nur, so leid mir das tut und so unruhig uns und Ankh-Morpork das alles macht, abzuwarten und jegliche Möglichkeit abzuwägen, wie diese Sache und natürlich die anderen Morde vonstatten gingen. Plus das Warum zu klären." Er wirkte ruhig, aber in Wirklichkeit schauderte er bei dem Gedanken, wieder auf die Strasse zu gehen. Vor ein paar Minuten mussten sie sich regelrecht in die Wohnung flüchten, damit sie nicht mit altem Obst beworfen wurden. Die Leute wurden genauso unruhig wie die Wächter. Langsam machten sich Gerüchte über Anti-Vampirgruppen breit. DOG hatte alle Hände voll zu tun, den täglich einflatternden Infoblättern über neue Vampirjägergilden nachzugehen und die anderen Abteilungen mussten zusehends kleinere Strassenkrawallen auseinander brechen.
"Was bei allen Göttern ist denn hier los? Du meine Güte...! Fr...Frau... Ist sie...?" Die zwei Wächter wirbelten bei diesen Worten herum und sahen einen kleinen, verschreckten Mann in einem schmuddeligen Kittel. Er hielt sich mit aufgerissenen Augen die Hand vor den Mund und wagte es nicht, sich zu rühren. Augenscheinlich war er der Hausmeister von diesem Gebäude, denn in der anderen hielt er einsatzbereit einen Wischmob.
"Ganz ruhig mein Herr, darf ich sie hinausbegleiten? Sie müssen sich das ja nun nicht gerade antun, sie Armer. Kannten sie die Frau gut? Können sie mir etwas berichten, was zu der Aufklärung des Mordes beitragen könnte? Hier entlang bitte." Die Hauptgefreite beförderte den verdutzten Mann plappernd hinaus, sodass Lance-Korporal Holm in Ruhe die Leiche weiter betrachten konnte. Er hoffte, dass seine Kollegen von der Pathologie schon unterwegs waren, um sie abzuholen, denn wenn er ehrlich war, konnte er sich das viele Blut, was aus der Wunde am Hals geflossen war, nicht gerade stundenlang anschauen, geschweige denn dem unterschwelligen süßlich dumpfen Geruch auf Dauer standhalten, ohne umzukippen. Ein Vampir hätte es getrunken, kam ihm der Gedanke in den Sinn...
Die Löcher am Hals waren sehr groß. Fast ein Zentimeter maßen sie. Mit einem Abstand von etwa drei Zentimetern zueinander. Ein Tier? Ein Geisteswesen? Das konnte sich Holm nicht vorstellen. Er war ein Mann der Realität und schaute etwas genauer hin. Waren die Löcher eckig? Übelkeit übermannte ihn und er wandte sich schnell zum Fenster. Ein Pfeifchen würde den grässlichen Geruch von Blut, Urin und Exkrementen verscheuchen, der stets bei Leichenfunden in der Luft hing. Letzte Ausscheidungen aus den erschlaffenden Körperöffnungen...es kam ihm wieder hoch und er entzündete schnell seine Pfeife. Holms Gedanken kreisten. Welches Wesen hat eckige Zähne? Geister haben nicht genug physische Kräfte um Menschen derart umzubringen. Und ein ausgeklügelter Plan eins armen Irren? Aber wie sah der aus? Wie alle anderen kam er einfach zu keinem Ergebnis.
"Ich habe den Mann weggeschickt, er hat nichts mitbekommen und außerdem war er völlig fertig." sagte Kathiopeja als sie wieder das Zimmer betrat. Hinterdrein kamen Jack und Herr Made. um die Leiche in die Gerichtsmedizin zu schaffen, wo sich bereits drei tote Frauen mit exakt demselben Werdegang stapelten.

*+++*


Auch im fünften und sechsten Fall nahmen Frauen mittleren Alters auf die gleiche Weise Abschied. Die durchschnittlich eingerichteten Wohnungen, durchschnittlicher Größe blieben die gleichen, ebenso, wie die geschlossenen Fenster und Türen und die vom Mörder abgeschickten Brieftauben mit den knappen Nachrichten kurzen faktischen Inhalts.
Dieser ausgebuffte Massenmord lies die Köpfe rauchen, die Bürger schaudern und selbst Ratti hatte sich derweil in die Pathologie begeben, um die Wunden der Opfer aus allen möglichen fachlichen Richtungen analysieren zu können.
Sie hatte Proben genommen vom Inneren der großen Löcher und wollte nun Dorion Picus zeigen, wie man herausfand, ob sich Spuren von ungewöhnlichem Material im Gewebe befanden.
"Schau her. Ein Mikro-Ikonograph. Er funktioniert im Prinzip wie ein normaler Ikongraph. Bloß das er alles hundertfach vergrößert, wie du es willst. Das Kerlchen hat ganz schön scharfe Augen und eine gute Lupe. Aber sei vorsichtig, wie haben nur einen. Die Dämonen sind sehr teuer und selten."
Die Lady nahm das nun fertige Bild aus dem Gerät und schaute es konzentriert an. Dann reichte sie es dem Gefreiten und fragte herausfordernd:
"Was siehst du?"
Der Gnom nahm des von seiner Artgenossin entgegen und blickte ehrfürchtig darauf. Er kräuselte den Mund und hielt das Abbild näher an seine Augen.
"Also diese runden Dinger da... Du hast mir gesagt, das sei normal bei Blut, ja? Aber dann sehe ich noch eckige Dinger. Die sehen aus wie zersplitterte Eisblumen oder sowas. Nur nicht durchsichtig, sondern.. Fast schwarz." Picus sah hoch und grinste triumphierend, aber seine Lehrmeisterin war anscheinend noch nicht zufrieden.
"Weiter. Deine Beobachtung ist gut, aber du musst auch darüber nachdenken was es sein könnte. Also los."
"Hm. Was ist dunkel und splittert?" Der Gnom sah sich im Labor um. Pülverchen, Flüssigkeiten und Öle, Schmiermittel und... "Metallspäne!" rief er aufgeregt. "Es könnten Metallspäne sein, von einer Waffe! Also ist es kein Tier mit seinen Zähnen!" mit dem Bild wedelnd hüpfte der Gnom herum.
"Ist ja gut! Hör auf so blöd herumzuschreien. Jede Analyse muss untermauert werden. Hör mir gefälligst zu!" Lady Rattenklein hatte Mühe, Gehör zu finden, doch als Dorion merkte, dass sie immer ruhiger wurde, und damit auch gefährlicher, zwang er sich aufzuhören.
"Was für einen Test würdest du jetzt machen, hm?" fragte die Lady weiter.
Picus überlegte kurz, Speziestests hatten sie vorher schon durchgeführt und damit nur bestätigt, dass die Opfer Menschen waren. "Das Katzenbringersche Nachweisverfahren?"
"Falsch. Wenn du einigermaßen um die Ecke denken könntest, wärst du auf eine abgewandelte Form des Anziehungsverfahrens gekommen. Dann mal los. Ich will Ergebnisse sehen wenn ich wiederkomme." Mit diesen Worten ließ sie den Gefreiten allein. Zwar war sie der Meinung, dass er noch viel lernen musste, aber lernen sollte man manchmal auch alleine, außerdem hatte sie ihm gezeigt, wo die Bücher standen, in denen er alles nachlesen konnte, was nötig war. Sie selber wusste ohnehin schon die Lösung.
Die Hauptgefreite war schon viel zu lange dabei. Manchmal hatte sie das Gefühl, schrullig zu werden. Außerdem machte sich jeder darüber lustig, dass sie für ihr Alter einen ziemlich niedrigen Dienstgrad hatte, aber sie tat ja auch reichlich wenig dafür. Na und? Dachte sie trotzig. Die Erfahrung machts und schließlich konnte sie auch nichts dafür, dass ihre Kollegen so sensibel waren und ihr Grummeleien persönlich nahmen.
Murrend trat sie gegen die Tür des Pathologieraumes, woraufhin sie kurze Zeit später geöffnet wurde.
"Es sind Metallspäne." berichtete sie ohne Umschweife. "Wir haben einen Mörder und kein aus Instinkt handelndes Wesen, Tier, was auch immer. Wir haben einen Mörder mit einer Mordwaffe." Sie liebte das Wort Mord. "Aber es ist ein verflucht intelligenter Mörder, wenn er es anscheinend schafft, durch Wände zu gehen oder die Türen von außen innen zu verschließen. Und es ist ein irrer, kranker Mörder, weil es kein einziges Motiv gibt für seine Taten."
"Wir haben alle Angehörigen befragt, wir haben nach Schuldnern und nach versteckten Reichtümern bei den Frauen geforscht. Nichts." Führte Charlie Holm ihre Ausführungen weiter. "Es muss etwas anderes sein. Wenn er irre wäre, hätten wir ihn schon längst geschnappt." Er seufzte. "Aber selbst seine Handschrift ist stilisiert, das Papier fingerabdruckfrei und die Tauben von einem unbekannten Züchter." Er schritt an den sechs Leichen entlang und ging zu einem kleinen Tisch an der Wand. Von diesem nahm er einen Gegenstand, ohne sich wieder umzudrehen.
"Es könnte ja auch ein Regentrinker sein. Ein armes Würstchen, was keine Hobbies hat und den niemand mag, ein einsames Herz... Was hast du da?" Ratti reckte ihren Hals. Aber als sie der Erkenntnis Herr wurde, was Charlie dort in den Händen hielt, nahm ihr Gesicht schrecklich angeekelte Züge an.
"Tu das bitte nicht, nicht wo ich schon deinen beknackten Hut und deine geschmacklose Kleidung ertragen muss. Oh je...Na schön." Sie hielt sich die Ohren zu und ihr Kollege fing an, schaurig schräg seine Geige zu befiedeln [1]

*+++*


"Ein Schmuckstück, meine Liebe. Aus welcher Zeit stammt es?"
"Oh, dass ist nicht sicher. Aber eins ist klar; es ist gefertigt von dem großen Tapisserie - und Schnitzkünstler Dr. Ecksau. Sehen Sie nur diese feinen Linien und die Schönheit. Die Brillanz, die Ehrfurcht vor der eigenen Kunst!" Ihre Finger wanderten leicht über das Werk. Es war geradezu riesig und zeigte mit monströs scheinender Kraft die Fantasie des Machers; die Büste einer zweiköpfigen Person, ein alter Greis und eine zarte Elfe. Eine aus dem Nichts tauchende Hand hielt eine plastisch aussehende blaue Dose, die wie ein Edelstein geformt, das herannahende Einhorn blendete, was sich skurril am unteren Bildrand wandte und dem Betrachter Verfremdung und gruselige Schauer kredenzten. Der Hintergrund war wie ein Vorhang aus Feuer und zeigte den Makel, vor dem jetzt die Besitzerin und der Malermeister standen. Ein Riss, vermutlich verursacht durch eine unachtsame Bewegung mit dem Schürhacken des darunter liegenden Kamins. Kaum zu sehen und doch eine Beleidigung für den Künstler.
"Ich sehe schon das Malheur..." sagte der Mann mit lang gezogenen Worten. Er richtete den Blick auf die langweilig aussehende Frau und spielte mit seinem Werkzeug in der Hand.
"Das ist aber ein ungewöhnliches Ding zum restaurieren von Bildern." säuselte sie und lächelte naiv.
"Allerdings. Denn es ist auch nicht dazu gedacht." grinste er und sah nun das erste Mal bedrohlich aus. Er hatte die weichen Künstlerzüge verloren und griff nach ihrer Hand.
"Was...?" begann sie und ging einen Schritt zurück, womit sie es ihm so leicht wie nur möglich machte, denn jetzt stand sie genau vor dem großen Bett als er zu stach.
Blubbernd und spritzend schoss das Blut auf die helle Seide der Bezüge und besudelte auch die Kleidung der Sterbenden. Er sah sie an. Sie war die einzige bis jetzt, die wenigstens versuchte zu schreien. Aber es wurde zu einem heiser zischenden Gurgeln und lies hellrote Blasen aus ihrem Mund hervorquellen.
Nun ging der Mann zu seinem üblichen Ritual über. Die Taube, das Fenster, die Tür und schnell zurück in die Dunkelheit.

*+++*


Endlich hörte es auf. Rattis Ohren klingelten und sie wunderte sich tatsächlich, dass die Toten nicht geflüchtet oder zumindest zum Leben erweckt worden waren.
"Wir haben zwei Konstanten vergessen." flüsterte Holm mit geschlossenen Augen, die Geige noch an seinem Kinn.
Ratti lies die Hände sinken. "Und welche?" fragte sie skeptisch.
In dem Augenblick kam Sillybos herein. Einen Zettel in der Hand. Er schaute bestürzt drein und fragte:
"Wie viele noch? Dieses Mal ist es in der Sortiererstrasse passiert. Ich schlage vor, wir gehen sofort hin."
"Und ich schlage vor, wir nehmen einen Vierten mit. Ich weiß eine hervorragende Aufgabe für den Neuen." meldete sich Charlie zu Wort.
"Dorion?" rätselte Ratti, "Was soll er denn da? Ich meine manchmal frage ich selbst mich, was ich an Tatorten soll, aber er. Es ist zu früh dafür."
"Er soll doch nur Schmiere stehen." erklärte Charlie und machte sich auf, um den Gefreiten selber zu holen. Der Abteilungsleiter und die Gnomin zuckten mit den Schultern und folgten ihm kopfschüttelnd.

*+++*


"Du stellst dich einfach hier draußen hin und passt auf, dass keiner reinkommt, verstanden?"
"Ja, Sir." eifrig nickte Dorion Picus mit dem Kopf, er war viel zu aufgeregt, um sich zu wundern, warum er draußen bleiben sollte, also trug er es einfach mit Fassung, dass er als Gnom skurriler Weise die Bewachung des Tatortes auf sich nehmen sollte und stellte sich stramm am Ende des Hausflures auf, um alles im Blick zu haben, während die anderen drei Wächter sich dran machten, möglichst vorsichtig die Tür zu öffnen, um keine Spuren zu zerstören.
Das Bild war wie eh und je und seltsam vertraut, denn es war die siebte Szenerie, die sie diesen Monat so vorgefunden hatten. Blut, wohin man blickte und eine normal eingerichtete Wohnung mit dem obligatorischen Ehebett, der Essecke in der Küche und dem Allzweckschrank im Flur.
Bevor sie an die Spurensuche gingen, hielt Lady Rattenklein Charlie am Hosenbein fest.
"Welche Konstanten, Charlie?" Sie sah sehr ernst aus und zum ersten Mal hatte Holm das Gefühl, dass der Lady auch mal etwas an die Nieren zu gehen schien. Kaum zu glauben. Er kniete sich hin und lies sie auf seine Hand hüpfen. Dann wanderte er durch die Wohnung ins Schlafzimmer, blieb vor dem Kamin stehen und sah sich das Bild an.
"Schau." Er hielt sie an das Gemälde.
"Dichter." forderte die Lady nach hinten über ihre Schulter.
"Nein, meine Liebe, es war ein Maler."
"Ich meinte, du sollst mich dichter heranbringen, du Schlauberger. Deine lustigen Gedanken an Homosome nützen jetzt auch nichts." keifte sie.
"Das heißt Homonyme!" kicherte er, wurde aber wieder ernst, als er Rattis boshaften Gesichtsausdruck sah.
Jetzt sah sie den lichten Kratzer. "Die erste Konstante ist: Jede der sieben Wohnungen hatte mindestens ein antikes oder wertvolles Möbelstück. Es war mal ein Tisch, mal der Stuhl und mal so etwas wie dieses Bild hier."
"Aber was nützt das? Sie wurden nicht geklaut." warf Sillybos ein und sein Kollege drehte sich grinsend zu ihm um.
"Aber beschädigt. Und was tut man, wenn man ein antikes Stück hat, was einem teuer und lieb ist und welches beschädigt ist?"
"Man holt jemanden, der es reparieren kann." murmelte Ratti, "So kam der Dreckskerl in die Wohnung ohne einzubrechen!" rief sie, "Der Restaurator war der Mörder." Sie klatschte mit der Faust in die flache Hand aber dann verfinsterte sich ihre Miene. "Aber das Warum bleibt stehen. Und auch das Wie."
Ein erstickter Laut lies alle drei herumwirbeln. Da stand ein Mann, der gerade im Begriff war, auf die Knie zu sinken. Er flüsterte benommen Gebete und den Namen der Frau;
"Christin...mein Liebling! Bei allem was mir heilig ist." Dann sah er Sillybos an, der ihm zu Hilfe geeilt war und stotterte:
"Tot? Wer...?"
"Sie, mein Lieber." rief Charlie plötzlich außer sich vor Wut und wurde damit so laut, dass Dorion von draußen hereingestürmt kam und so aussah, als sei er auf alles gefasst, um seine Kollegen und natürlich sich selber zu verteidigen.
"Dorion!" Holm schrie immer noch, "Hast du jemanden in diese Wohnung kommen sehen??"
"N.. Nein, Sir." Erschrocken taumelte der junge Wächter nach hinten, "Es tut mir leid..." Ratti legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter.
"Jetzt leuchtet es mir ein, Charlie. Kannst du dich aber bitte zunächst beruhigen? Das ist gerade etwas fehl am Platz." sie grinste und sah zu Ihrem Boss, der dem Mann bereits die Handschellen anlegte, denn auch er hatte verstanden.
"Ich erkenne sie." sagte er mit ruhiger fester Stimme. "Sie sind die zweite Konstante. Ich wette sie arbeiten in einem Kostümladen, und nicht als Restaurator, denn, sich siebenmal so zu verkleiden, dass selbst Wächter sie nicht als einen und denselben Mann erkennen, ist wirklich verblüffend. Hut ab."
"Es tut mir Leid, Sir, ich weiß nicht, wie er in die Wohnung kommen konnte, ohne mir aufzufallen. Ich habe nicht geschlafen, das schwöre ich!" stammelte Dorion noch ganz entsetzt.
"Das konntest du auch gar nicht. Denn der Kerl hatte sich im Kleiderschrank auf dem Flur versteckt. Jedes verfluchte Mal. Ein hermetisch abgeschlossener Raum und damit das fast perfekte Verbrechen." grimmig schaute Ratti zu Holm, der bestätigend nickte.
"Und da hat er gewartet. Als Bruder, als Hausmeister, als Hausarzt auf einem Besuch und und und. Heute waren sie der Liebhaber. Nicht schlecht, aber eine Frage habe ich noch. Wieso diese Morde? Sie haben uns tatsächlich aufs Glatteis geführt. Alle dachten, hier treibt ein Tier oder ein Vampir oder sonst was sein Unwesen. Die ganze Stadt spielt verrückt!"
Der Täter hatte den Kopf gesenkt, begann aber zu sprechen. Fast unhörbar aber grimmig genug um einem einen Schauer über den Rücken zu jagen fing er an:
"Ich bin der vierte und letzte Mitbegründer der Demokratischen Gang[2]. Und der einzige Mörder. Wir hassen die Stadtwache und wir hassen das System von kranken Vorschriften. Lizenzen, ha! Das ich nicht lache!" er rotzte auf den geblümten Teppich und Sillybos sah sich gezwungen ihn unsanft vom Boden hoch zuwuchten.
"Du bist festgenommen Freundchen. Und wenn du dich nicht benimmst, dann kann ich dich auch noch deutlicher festnehmen, wenn du weißt, was ich meine." zischte er dem grinsenden Mörder ins Gesicht. "Oh, und was ist das hier? Sie mal einer an, wolltest wohl noch jemanden auf dem Gewissen haben wie?" SUSIs AL hielt eine lange, zweizackige Gabel hoch, die er glücklicherweise bei der nahen Berührung mit dem Täter gespürt hatte. Es war ein außergewöhnlich langzackiger Nadelheber, den Restauratoren oft benutzten, er wohl eher zur Tarnung.
Obwohl die beiden kaum einen Zentimeter auseinander waren, sprach der Mann ganz ruhig weiter.
"Klunker-Paule, Nasenbruch und Blitzfinger waren Diebe. Aber ich bin der Mörder und ich habe bewiesen, dass man euch ganz schön lange an der Nase herumführen kann. Diesen Plan auszuhecken, hat vielleicht zehn Minuten gebraucht. Und ihr um ihn herauszufinden, eineinhalb Monate. Traurige Bilanz nicht wahr? Das beweist uns, dass ihr genauso schwach seid, wie das System und der Patrizier von Ankh-Morpork. Diesen Beweis für mich zu erbringen war mir Motiv genug, um diese langweiligen Weiber aus dem Weg zu schaffen, für die sich eh kein Mann interessiert. Meint ihr nicht, ich habe damit eher der Welt einen Gefallen getan, und der ganzen Wache noch dazu?" er sprach nicht weiter aber lachte bebend in sich hinein, selbst noch als er abgeführt und später verurteilt wurde.
[1] Holm kann mit seinem Geigenspiel besser nachdenken, siehe Charakterisierung

[2]  Nachzulesen im Archiv


Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.01.2008 15:25

</b><br><br>Es war schön, mal wieder etwas von der Lady zu lesen. Du hast es gut hinbekommen, die Pokalsingle darüber hinaus auch als Ausbildungsbeschreibung zu kredenzen, was mir gut gefiel, weil es nun einmal bei den beschriebenen Tätigkeiten um einen essentiellen Bereich der Abteilungsarbeit geht. Die Idee des versteckten Serienmörders war gut gewählt und auch gut umgesetzt. Sein Motiv war nachvollziehbar, selbst wenn es an den statistisch normalen Wahnsinn Ankh-Morporks grenzte. Wobei letztlich, nach dem LEsen, doch noch zwei Fragen bei mir blieben: Gibt es normalerweise keine Tatortwächter? Oder gehst Du davon aus, dass diese normalerweise eher schludrig ihrer Aufgabe nachgehen und solch einen besonderen Eindringling daher generell übersehen würden? Und zum Anderen: Vielleicht habe ich es nur überlesen... aber in welchem Zusammenhang stand die vorgetäuschte Profession? Der Täter hätte nicht unbedingt Restaurator gewesen sein müssen, um an alleinstehende, langweilige Frauen zu kommen - oder?

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