Ein (fast) ganz normaler Tag im Leben eines Seals-Wächters.
Dafür vergebene Note: 9
Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer. Ich ging zum Kutschenhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, dass es schon viel später war, als ich geglaubt hatte. Ich musste mich sehr beeilen. Der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich den Weg unsicher werden. Ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus. Glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe. Ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg.
Er lächelte und sagte: "Von mir willst du den Weg erfahren?"
"Ja", sagte ich, "da ich ihn selbst nicht finden kann."
"Gib's auf, gib's auf", sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.(F. Kafka: Gib's auf!)
Es deutete darauf hin, dass dieser Polizist ein Seals-Wächter war, da fast jeder zufällig angetroffene Wächter die rote Uniform der Seals trug. Schließlich gingen sie Streife. Dagegen sprach jedoch die Tatsache, dass dieser sich nicht in Ankh-Morporks Straßen auszukennen schien.
Aber er kannte sich aus, denn dieser Schutzmann war Bjorn Bjornson.
"Wieso soll ich es aufgeben?", fragte der Mann.
"Weil die Postkutsche nach Überwald in zwei Minuten abfährt", antwortete Bjorn. "Bis dahin schaffen Sie es nie im Leben bis zum Postamt, nicht mal mit einer Postkutsche. Und die Postkutschen fahren pünktlich."
"Wie kommen Sie darauf, dass ich nach Überwald möchte?", fragte der Mann verblüfft.
"Nun, an Ihrem Akzent erkenne ich, dass Sie aus Überwald kommen. Ihre Koffer sind ziemlich prall gefüllt und außerdem klebt auf dem Koffer, aus dem diese
Tapisserie-Ecke heraushängt, ein Aufkleber mit der Aufschrift 'Ich will Haim!'. Daraus schließe ich, dass Sie nach Überwald emigrieren wollen."
"Was will ich?", fragte der Auswanderer verwirrt. "Immigrieren?"
"Nein, Sie wollen
emigrieren. Auswandern."
Das ist ein weniger schönes Homonym, dachte Bjorn bei sich.
"Ach so. Ja, das hatte ich vor. Aber das werde ich wohl jetzt erst heute Abend machen können."
Und so stapfte Bjorn weiter durch den Matsch, der darauf hinwies, dass in Ankh-Morpork Winter war, in Richtung Postamt, denn dort wurde er gebraucht.
Dort angekommen sah er auch schon andere Seals, und zwar Kannichgut Zwiebel, den jungen Mann mit dem wirren braunen Haar, und Johan Schaaf, der gerade nieste. Sie warteten bereits auf Bjorn, sowie auf William de Morgue, der noch nicht in Sicht war, aber noch zwei Minuten Zeit hatte aufzutauchen.
"Guten Morgen", sagte Bjorn, als er die Gruppe erreichte.
"Hallo", erwiderten die anderen beiden.
Sie hatten bisher noch nicht so viel miteinander zu tun bekommen, deshalb fiel ihnen nicht mehr ein.
Und so sah Bjorn ebenfalls die Straße hinunter, um auf den neuen Verkehrsexperten zu warten.
Und als dieser schließlich kam, begrüßte er seine Kollegen ebenso knapp. Auch William kannte sie noch nicht allzu gut.
Eine Minute später stiegen alle vier in die Kutsche nach Sto Lat ein. Ihre Aufgabe bestand darin, einen unlizensierten Dieb abzuholen und in Ankh-Morpork seiner gerechten Strafe zu überstellen.
Das war so gewesen. Bjorn meinte, es war Yogi Schulterbreit gewesen . Der Vektor hatte den Dieb auf frischer Tat ertappt, als er ein Geschäft in der Sirupstraße ausgeräumt hatte. Es war kein dummer Dieb gewesen, denn er hatte sich eine Fluchtkutsche besorgt und ein Geschäft gewählt, dass ziemlich nah am Stadttor lag. So hatte er dem riesigen Wächter entwischen können, der zu Fuß keine Chance gegen eine Kutsche auf gerader Strecke gehabt hatte.
Doch der Dieb hatte nicht alles bedacht. Sein Ziel war Sto Lat gewesen. Das war sofort klar, als er direkt in den Weg, der nur nach Sto Lat führte, eingebogen war. Und so hatte Yogi gemütlich zum Wachhaus zurückschlendern, einen Kaffee trinken, einen Keks essen können, um dann, frisch gestärkt, einem Kommunikationsexperten gaaaanz langsam zu sagen, er solle eine Nachricht zur Wache in Sto Lat senden, dass ein flüchtiger Verbrecher in einer schwarzen Kutsche mit einem hauptsächlich roten Wappen bald einfahren dürfte, ob sie ihn nicht festnehmen könnten und bis morgen, wenn jemand kommt, um ihn abzuholen, in Gewahrsam nehmen könnten.So kam es, dass Kannichgut, Johan, Bjorn und William nun in dieser Kutsche saßen, die in diesem Moment in Richtung Sto Lat aufbrach.
Während der Fahrt veränderte sich die Landschaft ruckartig, nachdem man die Stadtmauern hinter sich gelassen hatte. Die matschgefüllten Dächer wichen schneebedeckten Kohlfeldern.
In der Kutsche wurde Karten gespielt. Leg-Herrn-Zwiebel-Rein war immer besonders lustig, wenn man es mit Kannichgut spielte. Und so ging die Reise schnell vorbei.
"So, dann zeigt mal, was ihr habt."
Scheint ein schlauer Kerl gewesen zu sein, dieser Dieb, dachte Bjorn.
Von der Sorte gibt's in Ankh-Morpork nicht so viele."Ich hab eine Dreikartenzwiebel."
Es gibt bestimmt einige Firmen in Ankh-Morpork, die ein halbwegs gutes Organisationstalent wie ihn gut gebrauchen könnten."Ich hab nur eine Einfache Zwiebel."
Da fragt man sich, wieso so einer sich mit Einbrüchen über Wasser halten muss."Ich hab was besseres, nämlich ein Oktett. Damit habt ihr nicht gerechnet, was?"
Wenn der als Manager arbeiten würde, der würde Geld scheffeln wie Heu."Aber das geht doch gar nicht. Du kannst nur ein Oktett haben, wenn die Achten wild sind."
Ich werde ihm das auf der Rückfahrt mal sagen."Ach so, ja dann. Und, Bjorn? Was hast du?"
"Hm?"
"Was hast du, Bjorn?"
"Ach so, ich hab ein Royal."
"Damit hast du gewonnen, schon wieder."
Sie kamen auf dem Marktplatz von Sto Lat an. Es war gerade Markttag, daher war er extrem voll.
Ab und zu hörte man die üblichen Marktschreier heraus, die da riefen: "Obst, Obst, frisches Obst!", oder "Gemüse, Gemüse, Gemüse!", aber auch "Kartoffeln, frisch geerntete Kartoffeln!" und ab und an "Schwestern, Schwestern, wo seid ihr?"
Menschen mit riesigen Einkaufskörben wühlten sich zu den Ständen durch oder von ihnen weg. Von irgendwo ertönten Harfen- und
Flötentöne, was Bjorn wunderte. Woher bloß nahmen der Harfenspieler die Ellenbogenfreiheit und der Flötist die Luft nahm, um hier spielen zu können. Da sah er auch schon einen Feldwebel, der sich durch die Menge kämpfte und der den Dieb von draußen heraus in die Kutsche zwängte
[1]. Diesem fiel der
Abschied von jenem Feldwebel offensichtlich nicht schwer. So ging die Reise ziemlich schnell wieder los. Auf der Rückreise spielten sie zu fünft.
Alsbald wurde es wieder matschig und die Postkutsche fuhr mit den Wächtern wieder in Ankh-Morpork ein. Auch das Postamt war schon in Sicht.
Doch als sie am Kutschenhof im Hinterhof des Postamtes ankamen und ausstiegen, kam ihnen ein sehr erschrockener Herr Heuler, der für die Briefmarken zuständig war, entgegen. Als er die Wächter als solche erkannte, rief er: "Schnell, Wachtmeister, ihr müsst uns helfen. Bei uns ist eingebrochen worden. Ich wollte gerade zu unserem Semaphorenturm rüber, aber wenn Sie schon mal hier sind..."
"Wann haben Sie bemerkt, dass bei Ihnen eingebrochen wurde?", fragte Bjorn, sofort bei der Sache einer Ermittlung.
"Gerade eben erst", sagte Stanley Heuler, der völlig durch den Wind zu sein schien.
Jetzt ist die Mittagspause grade vorbei, dachte Bjorn, der die Öffnungszeiten des Postamtes kannte.
Also muss es zwischen halb zwölf und halb zwei passiert sein."Was wurde denn entwendet, Herr Heuler?", fragte Johan.
"Briefmarken!" Stanley Heuler war kurz davor, seinem Namen alle Ehre zu machen. "Ein ganzer Haufen Briefmarken!!"
"Wer hätte denn ein Motiv, die Briefmarken zu stehlen?", überlegte Kannichgut.
"Praktisch jeder", stellte Bjorn fest. "Die Briefmarken sind Ankh-Morporks zweite Währung."
"Hat denn jemand etwas gesehen, Herr Heuler?", fragte Kannichgut weiter nach.
"Fräulein Makkalariat sagt, sie hätte einen Mann gesehen, der... ach, fragen Sie sie am besten selber."
"Das werden wir tun", sagte William, der nach kurzer Unterredung doch das kürzeste Streichholz zog und somit den Gefangen ins Wachhaus bringen musste.
"So ein M-K-Wort war das", empörte sich Fräulein Makkalariat, die hinter ihrem Schalter saß, an dem sie sonst Briefmarken verkaufte oder Briefe entgegennahm, sich die meiste Zeit jedoch über Leute mokierte, die nicht vernünftig mit dem "Posteigentum" umzugehen wussten.
Die drei verbliebenen Wächter steckten die Köpfe zusammen.
"M-K-Wort?", fragte Johan.
"Es gibt irgendwo eine Währung, die so abgekürzt wird", bemerkte Bjorn.
"Eine Waffe gibt es, die so genannt wird", sagte Johan.
"Mietkaution?", rätselte Kannichgut. "Oder Mordkommission?"
"Ein Buch in dem Buch der Omnianer", mutmaßte Bjorn.
"Mistkäfer", warf Kannichgut ein.
"Ja, das klingt sinnvoll", flüsterte Bjorn.
"Gut", sagte Kannichgut nun laut. "Ich notiere mir: Aussehen ähnelte einem
Pillendreher..." Er begann sich dies zu notieren, wurde aber von der Schalterbeamten unterbrochen.
"Nein, halt. Er sah eher aus wie eine Maus. So ein wenig rattig, verstehen Sie?"
"Ah, verstehe." Er wandte sich an die anderen beiden. "Kennt ihr so jemanden?"
"Oh, da gibt es sicher viele Leute, die so aussehen", vermutete Bjorn. "Können Sie uns diesen jemand nicht noch ein wenig näher beschreiben? Größe? Statur? Kleidung?"
"Nun, er war etwa so groß..." Sie hielt eine Hand in die Luft. Kannichgut notierte sich "ca. 175cm". "Er war... kräftig gebaut."
"Meinen Sie dick?"
"Ähm, ja, ein wenig. Und er trug ein k-wort-braunes Jackett."
Die Wächter steckten wieder die Köpfe zusammen.
"K-wort-braun?", flüsterte Kannichgut.
"Kalium", vermutete Bjorn.
"irgendeine Temperatur", flüsterte Johan.
"König im Schach", sagte Bjorn.
"Kotbraun", vermutete Kannichgut. Und laut: "Gut, Sie haben uns sehr weitergeholfen. Wollen Sie uns noch mehr helfen?"
"Aber sicher, die Herren Wächter."
"Könnten Sie dann noch eben mit auf die Wache kommen?", fragte Bjorn.
Die Dreiergruppe kehrte zum Wachhaus zurück zurück und wuchs dort zu einer Vierergruppe heran, da William wieder zu ihnen stieß. Sie liehen sich einen Ikonographiedämon von Susi. Sie hatten vor etwas zu erstellen, das man Fantohm-Bild nannte, auf Grundlage der Aussagen, die ihnen Fräulein Makkalariat schließlich auf der Wache geben würde.
"Ja, also, wie gesagt, der Mann sah... rattig aus-"
"So etwa?", fragte der Koboldkasten und spuckte ein Bild von einer Ratte mit Fell, Schwanz und Pfoten aus.
"Nein, ich meine, sein Gesicht sah ein wenig aus wie das einer Ratte."
"Er braucht konkrete Beschreibungen, Fräulein Makkalariat", sagte Bjorn. "Beschreiben Sie zum Beispiel seine Augen."
"Nun, seine Unterlider waren sehr... ausgeprägt, wenn nicht gar geschwollen. Allgemein waren die Augen klein. Und dunkel, genauer konnte ich es nicht erkennen. Er kratzte sich ständig an der Nasenwurzel, das ist mir aufgefallen. Ich hab mal was darüber gelesen. Ich glaub, das machen ältere Leute, wenn sie sonst eine Brille tragen."
"Guter Hinweis", bemerkte Kannichgut. "Weiter, weiter", forderte er außerdem noch.
"Er hatte graue Haare, spärlich. Und sie waren nach links gekämmt, also von mir aus. Er trug eine Fliege. Seine Wangen waren... wie soll man das sagen... also, sie waren ausgeprägt."
"Meinen Sie etwa so?", fragte William und zeichnete ein halbes Gesicht mit eben jenen Wangen auf einen Papierfetzen.
"Ja, genau so."
William zeigte das Bild dem Dämonen, der sofort wie verrückt weiterkritzelte.
"Weiter. Erinnern Sie sich noch an seine Ohren?", fragte Bjorn nach.
"Na ja, wie Ohren eben sind. Ein bisschen größer vielleicht."
"Sonst noch was?", fragte Johan.
"Ja, er hat beim Anblick des Diebesgutes wie irre gelächelt. Dabei waren deutlich seine Schneidezähne zu sehen. Wie bei einer Ratte. Und er hatte Grübchen."
"Sein Gesicht war eher rund oder lang?"
"Viel Stirn. Lang, und auch ein bisschen breit."
"Und die Nase?", piepste es aus dem Kasten.
"Die Nase war... normal. Nicht lang, nicht breit, nicht spitz, nicht platt. Vielleicht ein bisschen runder."
"Vielen Dank. Das reicht", sagte Bjorn. Der Apparat spuckte erneut ein Bild aus.
"Ist er das?", fragte Bjorn und zeigte es ihr.
"Ja, so sah er aus. Ich hoffe doch, dass Sie diesen V-Wort Kerl möglichst schnell finden und uns die Marken zurückgeben."
Die Wächter steckten erneut die Köpfe zusammen.
"Fünf", sagte Johan.
"Peace", sagte William und hob Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand, zu einem V geformt, an.
"Velocitas", mutmaßte Bjorn.
"Was ist das denn?", fragte William verblüfft.
"Ist das ansteckend?", fragte Johan.
"Nein, das heißt Geschwindigkeit", erklärte Bjorn.
"Nun, wahrscheinlich meint sie einfach nur 'Verdammt'", schloss Johan das Gespräch ab.
Nun begannen die Informantenkontakter mit ihrem Werk und suchten ihre Informanten auf, um diesen das Fantohm-Bild zu zeigen. Und es dauerte nicht lange, denn schon am Nachmittag desselben Tages kam Ettark in das Büro, das Bjorn sich mit seinem Freund Onyx teilte.
"Ein
Regentrinker, ich meine ein Wasserspeier, meint ihn zu kennen", sagte der Mit-Gefreite von Bjorn mürrisch. "Möchtest du mit ihm sprechen?"
"Ja, ich glaube schon. Vielen Dank", sagte Bjorn ebenso nicht freundlich
[2] zu Ettark.
"Er heißt Pancko über dem Breiten Weg, und da ist er auch."
Bjorn trommelte die anderen Seals, die mit ihm diesen Fall übernommen hatten, zusammen, und sie machten sich auf den Weg.
Sie fanden auch schnell einen Wasserspeier. Er saß auf einem Wohnhaus.
"Hallo", rief Bjorn ihm zu. "Sind Sie Pancko über dem Breiten Weg?"
"Nein", kam es zurück. "Der sitzt auf der Nummer 79."
"Vielen Dank."
Sie gingen weiter, und schon bald erreichten sie die Hausnummer 79.
Es war ebenfalls ein Wohnhaus. Auf dem Dach saß ebenfalls ein Wasserspeier, der geduldig darauf wartete, dass ihm eine Taube in den offenen Mund flog.
"Hé!", rief Bjorn. "Sie da oben! Sind Sie Herr Pancko?"
"Ia!"
Oh, dachte Bjorn.
Einer mit einem Sperrmaul."Sollen wir hochkommen oder können Sie zu uns herunter?", fragte Kannichgut laut.
"Hih konn(g)e runker", sagte er und begann mit geologischer Geschwindigkeit an der Hausfassade herabzuklettern.
Als er schließlich unten angekommen war, sagte er: "Ehark hak euh cho angeköngik-k. Ech gehk un(g) gen(g) Herrn(g) E-u."
"Um wen?"
"Herrn(g) E-u. N(g)akkhiach E-u."
"Matthias E-u?"
"Chergannk, n(g)ein(g), n(g)ich E-u, chongern(g) E-u. Giecher Lauchchogel auch Chierick."
"Ein Laufvogel aus Viericks?", fragte Johan in die Runde.
"Kiwis", antwortete William, fügte aber hinzu: "Aber das heißt bei ihm nicht E-u."
Es herrschte eine Stille, in der man überlegte, bis Bjorn plötzlich sagte: "Emu! Matthias Emu!"
"Ia", sagte Pancko und nickte wie wild. "Gen(g) n(g)ein(g)e ich. Er ichk Lehrer."
"Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen?", fragte Johan.
"Heuke N(g)orgen(g), ga ichk er in Richkung Kochk-ank gegangen(g)."
"Koch-ank?", wunderte sich William. "Wird da Ankh-Material gekocht? Das kann doch nicht gesund sein."
"N(g)ein(g), gas Kochk-ank", versuchte der Wasserspeier zu erklären. "Ga, cho Grieche cherchick-k chergen(g)."
"Wie, Grieche?" Der Groschen fiel nur pfennigweise. "Das klingt irgendwie ephebianisch."
"Ach so, Briefe", ging Bjorn ein Licht auf.
"Ah, das Postamt", sagte Kannichgut ebenso plötzlich erleuchtet.
"Gen(g)au, gen(g)au", sagte der Wasserspeier und nickte wieder heftig.
"Weißt du, wo er wohnt?", fragte Kannichgut.
"Ia, er honk in(g) ger Helgen(g)chkrache, N(g)un(g)er grei."
"Wo, in der Helgenstraße?", fragte Kannichgut.
"Heldenstraße", berichtigte ihn William.
"Schön, William", bemerkte Johan, der ältere Verkehrsexperte. "Du hast dich schon ein wenig mit den Karten von Ankh-Morpork auseinandergesetzt."
"Ja, das habe ich", sagte der jüngere stolz.
"Gut, dann lasst uns dort hingehen", sagte Kannichgut, und schon machte sich die Gruppe auf den Weg.
Als sie in der Heldenstraße ankamen und Bjorn die Tür vorsichtig öffnen wollte, war sie verschlossen. Sie klopften an, unterließen es aber, "Stadtwache, sofort die Tür öffnen!", zu rufen. Das wäre dumm gewesen.
Eine Frau öffnete kurz darauf. Sie hielt einen Staubwedel in der Hand, mit dem sie anscheinend bis gerade eben den Flur gereinigt hatte. Sie trug obendrein eine Schürze.
"Sind Sie Frau Emu?", fragte Bjorn freundlich.
"Ja, das bin ich", sagte sie. Dann sah sie die Uniformen. "Was hat mein Mann diesmal wieder angestellt?", sagte sie so nüchtern, als hätte sie diese Frage schon hunderte Male gestellt.
"Er steht in dem dringenden Verdacht, Briefmarken aus dem Postamt gestohlen zu haben", berichtete Johan Schaaf. "Wir sind hier, um das zu überprüfen."
"Kommen Sie rein, kommen Sie rein", sagte die Frau.
Die Wächter traten in den Flur. Im Haus roch es nach Braunen-Inseln-Toast.
"Wollen Sie etwas essen?"
"Nein" sagte William und fügte erklärend hinzu: "Wir sind nämlich im Dienst, und da dürfen wir keine Geschenke annehmen."
Aus der Küche hörte man plötzlich eine Stimme. "Was hat du denn diesmal Schönes vor zu
kredenzen, Schatz?"
"Ist das Ihr Mann?", fragte Bjorn mit gedämpfter Stimme.
"Ja, das ist er. Ach, er ist immer so nett zu mir, aber nur, damit ich ihn nicht verpfeife. Es ist Braune-Inseln-Toast, Schatz", sagte sie etwas lauter mit dem Kopf der Küche zugewandt.
Bjorn fragte sie leise: "Hat die Küche noch weitere Ausgänge, abgesehen von diesem in den Flur?"
"Ja, zwei", antwortete diese ebenso leise. "Einen ins Wohnzimmer, das ist das Zimmer da, und einen nach draußen."
Bjorn ging ins Wohnzimmer, William nach draußen und Kannichgut und Johan gingen durch den Flur in die Küche.
Bjorn hörte den gedämpften Stimmen durch die Tür zu.
"Stadtwache", ertönte Kannichgut. "Sie sind verhaftet."
"Oh, verdammt, die Polizei", war Herr Emu zu hören. "Schnell weg."
Bjorn hörte Schritte. Sie kamen auf ihn zu.
Die Tür schwang auf. "Halt, Poli...", begann Bjorn, als er auch schon über den Haufen gelaufen wurde.
Herr Emu kam durch das Laufen über Bjorn ins stolpern, fiel aber nicht hin und war gerade dabei wegzulaufen, als Bjorn es schaffte, sich auf den Bauch zu drehen. Er streckte die Arme aus und bekam grade noch die Fußgelenke Herrn Emus zu fassen. Dieser fiel daraufhin lang zu Boden, und als er mit dem Gesicht voran auf dem Parkettboden aufschlug, kniff sogar Bjorn die Augen aufgrund des matschigen Geräusches, dass Herr Emu von sich gab, zusammen.
Bjorn stand auf und besah sich den halb bewusstlosen Herrn Emu. Seine Nase blutete, schien aber nicht gebrochen oder sonst irgendetwas zu sein. Darum band Bjorn ihm die Arme auf dem Rücken zusammen, richtete ihn auf und ging wieder in die Küche. Dort standen die anderen und sahen Herrn Emus blutige Nase.
"Was ist passiert?", fragte Kannichgut.
Bjorn schilderte es ihm.
"Na, dann ist ja alles gut", sagte der von draußen hereinkommende William. Er wirkte ein wenig niedergeschlagen. "Schade nur, dass er nicht nach draußen gerannt ist. Jetzt hatte ich gar nichts zu tun."
Kurz darauf im selben Haus waren die Wächter auf der Suche nach dem Diebesgut. Schließlich fand William es in einer der Schubladen im Schlafzimmerschrank. Sie brachten Herrn Emu zum Wachhaus, um in der Gegenüberstellung herauszufinden, ob auch keine Verwechslung vorlag und es wirklich der Dieb von diesem Morgen war.
"Ja, das ist der S-Wort Kerl."
"S-Wort?"
"Schwefel?"
"Sekunde?"
"Strecke?"
"Nein, 'Scheiße'."
"Hey, wer hat das gesagt", rief Fräulein Makkalariat plötzlich. "Ich will das Wort hier nicht noch einmal hören, ist das klar?"
"Ja, Fräulein Makkalariat", ertönte es im Chor, sowohl von den vier Wächtern, als auch von Herrn Emu.
Und danach brachte Bjorn die Briefmarken zurück zum Postamt.
Als er dort ankam, ertönte eine bekannte Stimme. "Hallo, Herr Schutzmann"
"Oh, hallo." Bjorn sah sich zu dem Sprecher um. "Helfen Sie meinem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge. Woher kenne ich Sie?"
"Nun, Sie haben mir doch heute Morgen geholfen, als ich zum Bahnhof wollte und bemerkte, dass' schon viel später war, als ich dachte. Wissen Sie noch?"
"Ach, ja, Sie sind der "Ich will Haim!"-Mann."
"Woher kennen Sie sich eigentlich so gut mit den Fahrplänen aus?"
"Nun, dafür gibt es eine einfache Erklärung: Ich bin ein Seal."
[3].
[1] Es war nicht eng in der Kutsche, es war eher sehr eng draußen.
[2] "Nicht freundlich" ist nicht gleichbedeutend mit "unfreundlich", es kann auch "neutral" bedeuten.
[3] PF
[4]:Nach Dienstschluss trafen sich William, Bjorn, Kannichgut und Johan im Eimer und plauderten noch eine Zeit lang bei einem Getränk. Danach gingen sie nach Hause, um für den nächsten Tag ausgeschlafen zu sein.
[4] post fabulam - nach der Geschichte
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