Der Tod der Mandalei Steinstiefel

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von Wächter Glum Steinstiefel (GRUND)
Online seit 23. 10. 2007
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Der erste Besuch in Ankh Morpork endete für die Steinstiefels in einer Tragödie...

Dafür vergebene Note: 10

Vorwort des Autors:
In dieser Geschichte wird parallel zum Hauptgeschehen der Verlauf einer Gerichtsverhandlung wiedergegeben. Für das bessere Verständnis ist zu empfehlen, diesen Teil separat zu lesen, da er nicht direkt Bezug auf das aktuelle Geschehen nimmt.

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"Die Nachricht traf die Bewohner Ankh Morporks wie ein Schock. Ausgerechnet in der Nacht vor Silvester, in der Häuser und Straßen lichtergeschmückt sind und die Schneevater-Gestalten in Kaufhäusern und dunklen Gassen die Kinder erfreuen, wurde eine wehrlose Zwergin kaltblütig ermordet. Die Abgeordnete Mandalei Steinstiefel hatte für den Besuch in Ankh Morpork extra ihre Waffen von zwei Paradeträgern tragen lassen, einem Troll und einem Menschen, die unter den Namen Schutt und Schacher bekannt sind, weiterhin in Begleitung eines Zwerges namens Bonvarn Steinstiefel, ihrem Vater. Nach dem Einzug der Stollen5-Vereinigung, den die Zwergin anführte besuchten die Abgeordneten ein Lokal. Mandalei Steinstiefel konnte nicht wissen, dass dies ihre Henkersmahlzeit sein würde. Der weitere Zug führte nicht in den Palast, sondern in einen Hinterhof. Was dann folgte kann man nur als regelrechte Exekution bezeichnen: Mandalei wurde hinter einige Kisten geführt. Dann folgten drei Einschläge. Mit einer Axt aus nächster Nähe auf eine wehrlose Zwergin. Ob sie etwas von ihrem Schicksal geahnt hat? Ob sie um Gnade gebettelt hat?

Bekannt wurde nur, was einer der Killer danach gesagt haben soll: >>Die kleine Rattenfresserin wird mir nicht mehr auf die Nerven gehen.<<
Die Mörder gingen dann in das nahe gelegene Kaufhaus. Der Troll Schutt erzählte einem Wächter, dass die Abgeordnete den Abort aufsuchen wollte und dann plötzlich verschwunden sei.
Aber der Feldwebel, der die Untersuchung leitete, ließ sich nicht lange in die Irre führen: Nach 12 Stunden Vernehmung brach der Mensch (Schacher) zusammen, dann gestand auch Schutt. Und Schacher nannte auch den Auftraggeber: Bonvarn Steinstiefel- der Vater. Auf die Frage nah den Gründen sagte Schacher: >>Dass er sie loswerden wollte, dass er nicht zum Vater geboren sei.<<

Nur eine halbe Stunde brauchte der Feldwebel, dann hatte er auch das Geständnis des Vaters. Und neben dem Hass auf das eigene Kind kam noch ein weiteres Motiv ans Licht: Eine Auszahlung über 500 Ankh Morpork-Dollar, die der Vater beim Tod der Tochter erhält.
Das Entsetzen über diesen Fall des geldgierigen und eiskalten Vaters war und ist in Ankh Morpork groß.
Die eigene Familie ist schockiert, dass es soweit gekommen ist. Allerdings war Bonvarn schon früher aufgefallen als vergnügungssüchtiger Mann, der trank und sein Kind schlug. Seine Schwester beschrieb ihn als kaltes Gefühlsmonster. Sein eigener Vater sagte vor Gericht: >>Wenn er je ein neues Kind erwartet, dann wird er es wieder töten.<<
Das Urteil der Geschworenen fiel klar aus:
>>Schuldig in allen Punkten.<<
Die Hinrichtung soll per Gift-Injektion erfolgen.


Glum legte die zwanzig Jahre alte Ausgabe der Ankh Morpork-Times zurück und erinnerte sich...

~*~*~*~


Ein Zwerg verließ den Gerichtssaal und verzog keine Miene. Soeben hatte er seine Mutter und seinen Großvater zugleich verloren. Sein Vater war bereits vor etlichen Jahren bei einem Tunneleinsturz verunglückt und nun war der Zwerg vollkommen auf sich gestellt. Nun ja, fast. Er hatte noch immer seine Großmutter. Sie war zwar 677 Jahre alt und somit nicht mehr ganz beisammen, aber Briefe lesen und schreiben, das konnte sie noch. Mandalei Steinstiefel war bereits seit über hundert Jahren die Vorsitzende der Stollen5-Vereinigung gewesen, einer der größten Bergbaugesellschaften der Scheibenwelt und drittgrößten Exportgesellschaft von Roherzen. Über lange Zeit hinweg gehörten der Vereinigung bloß vier Mienen an, aber unter ihrer Führung gesellte sich die fünfte dazu, die den entscheidenden Erfolg einbrachte und den Steinstiefels ihren guten Ruf bescherte.
Gormon Steinstiefel war sein Vater gewesen und hatte Mandalei über alles geliebt.
Sein Unfall stürzte die Familie in tiefe Depressionen, die Mandalei jedoch als erste wieder zu überwinden wusste und mit ihrem starken Charakter ein Beispiel für alle war.
Sie hatte ihren Sohn in diese stinkende Stadt mitgenommen und nun hatte dieses dreckige Nest seinen Dank gezeigt. Nein. Halt. Es war sein Großvater gewesen, nicht die Stadt, obwohl auch diese garantiert nicht unschuldig war.
Er seufzte, aber behielt die Fassung.
Immerhin wurden Zwerge mehrere hundert Jahre alt und waren nicht großartig an Verluste gewöhnt. Und wenn dann einer geschah, dann musste man ihn verschmerzen und sich ablenken.

1.Es gab kein Indizien-Beweis dafür, dass Mandaleis Vater den Mord in Auftrag gegeben hat.

Glum wanderte durch die Straßen, während es, wie bereits seit Tagen, schneite.[1]
Die Dächer bogen sich unter der Last der weißen Decken [2] und einige Kinder bewarfen das Haus einer alten Frau mit Schneebällen, die mit ihrem Gehstock im Fenster stand und einen Eimer tätschelte, aus dessen oberem Rand etwas Undefinierbares herauslugte.
Genau genommen gab es außer den Geständnissen nichts, was die Tat wirklich belegt hätte.
Ein Wächter klammerte sich in der eisigen Kälte an sein Dienstschwert und wippte hin und her, während ihm kleine Eiszapfen aus der Nase und vom Kinn fielen. Wächter müsste man sein...
Bloß ein Geständnis...

2. Schacher könnte ein Motiv gehabt haben, um Bonvarn als Auftraggeber zu beschuldigen: Schutt war sein einziger Freund gewesen und er hasste es, wenn Schutt mit anderen gut auskam, auch wenn es Zwerge waren, weil er dann keine Rolle mehr spielte. Bei ihm wurde Schutts Axt von der Wache gefunden. Laut dem Troll soll er zugeschlagen haben. Und er hatte gedroht: >>Wenn ich untergehe, nehme ich dich und diesen Zwerg mit.<<

"Du kommst schon wieder zu spät."
Glum wandte sich um und sah auf die Treppe nach oben.
Fango Faltblatt, der Wirt des Lokales, in dem der Zwerg abgestiegen war, stapfte auf ihn zu und hob eine Laterne an. "Und schon wieder muss ich mich mit Frau Graupengrau auseinandersetzen. Du weißt doch, wie leicht ihr Schlaf ist. Was hast du gemacht?"
Glum trottete die Treppe hoch und murmelte einige erklärende Worte, wodurch der Wirt bedrückt neben ihm herlief und mit gesenktem Kopf die Türen für ihn aufschloss.
"Und wie geht es dir?" ,fragte Fango, mit dem Kopf halb in der Tür.
Glum lies sich ins Bett fallen und war eingeschlafen, bevor er die Matratze berührte.
Der Wirt schloss die Tür und schlich den Gang hinunter, als von weiter hinten im Flur eine Frau mit Haarnetz und rosa Bademantel entrüstet ein Kissen nach ihm warf und Ruhe verlangte. "Jetzt ist es aber genug, Frau Graupengrau! Es gibt Gäste, die schlafen wollen!"

3.Schutt war psychisch gestört, traumatisiert durch Beteiligung am Leben in den Schatten, wo er seine Kindheit verbrachte. Er hatte mindestens einen kleinen unbewaffneten Jungen erschlagen. Und er könnte -auch ohne Auftrag- ein ausreichendes Motiv gehabt haben.
Kurz vor dem Mord an Mandalei erfuhr er, dass Bonvarn ihn abschreiben wollte, da er sich nicht weiterhin mit einem Troll blicken lassen konnte.
Nach der Aussage von Schacher soll Schutt Mandalei erschlagen haben. Danach hat Schutt gesagt >> Die kleine Rattenfresserin wird mir nicht mehr auf die Nerven gehen.<<
Der Troll hatte erklärt, Bonvarn habe mit dem Mord nichts zu tun und er hatte sich sogar mit einem Brief (aus seiner eigenen Todeszelle) an den Zwerg mit einem Zitat entschuldigt:
>>Auf das du recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst in deinen Taten.<<
Es ist nicht geklärt, ob Schutt oder Schacher die tödlichen Hiebe auf Mandalei ausgeführt haben.<<


Der Zwerg stand erst auf, als die Sonne wieder aufging, wusch sich und zog frische Kleidung an. Verflucht noch eins. Gestern hatte er noch im Gerichtssaal gesessen und vor nicht einmal zwei Wochen hatte Mandalei noch gelebt. Andere Gedanken. Andere Gedanken.
Er schlenderte die Treppe hinunter und zog die Türe auf, die ihm zunächst widerstrebte, dann jedoch nachgab.
"NEEIIIN!"
Fango und ein weiterer Gast des Heißkalten Tropfens schmissen sich gegen das Holz und hielten den Zwerg davon ab die Türe ganz zu öffnen. "Wir haben vorhin...," schnaufte er: "...zwei Stunden damit verbracht den Schnee wieder rauszuschaufeln und die verdammten Riegel wieder davor zu kriegen...wir sind eingeschneit, Herr Steinstiefel." ,ergänzte er auf Glums fragende Blicke hin.
Der Zwerg ging zum nächsten Fenster und schielte zwischen dem Holzverschlag hindurch, der sicherheitshalber vor das Fenster genagelt worden war. Was er sah war Schnee. Und davon viel. Er stöhnte.
"Japp ich weis. Wer will Frühstück?"
"Könnten wir nicht durch den oberen Stock? Oder durch den Kamin?"
Fango schüttelte den Kopf. Vorhin haben wir es noch versucht, aber dann hat es geknallt und eine kleine Lawine hat uns und den Rest des Viertels überspült. Ich wette das war wieder die Alchimistengilde, Herr Steinstiefel."
"Nenn mich bitte bloß Glum, Herr Faltblatt."
"Fango für dich Glum."
"Meinethalben."
Er setzte sich und sah die Treppe hinauf, als Frau Graupengrau hinunter stapfte.
"Was gibt's?" ,gähnte sie.
"Wasser gibt's. Und davon viel. Allerdings kaltes. Du kannst es löffeln, wenn du magst." ,sagte Glum und seufzte laut.
"Iih, bäh! Nein danke. Ich geh mal kurz vor die Türe, jaaahh?"
"Fango warf sich ein Spültuch über die Schulter.
"Jetzt bin ich ja mal gespannt."
Es gab nichts, außer Geständnisse. Und diese nicht einmal schriftlich...

4.Von Bonvarns angeblichem Geständnis gab es kein schriftliches Protokoll und keine weiteren Zeugen. Auf die Frage nach den ursprünglichen Gesprächsnotizen sagte der untersuchende Feldwebel, er habe sie weggeworfen. Einziger Beleg für das Geständnis war die Aussage des Feldwebels und sein im Nachhinein, drei Tage nach der Vernehmung, angefertigtes Erinnerungsprotokoll- ohne Unterschrift von Bonvarn Steinstiefel

Der Wirt hatte Frau Graupengrau nicht vor dem Schnee gewarnt und sich über das Gesicht des schwierigen Gastes derart amüsiert, dass es ihm sogar die Mühe des Schneeschippens wehrt wahr. Daraus ergaben sich eine frierende Frau, ein bibbernder Wirt, ein erkälteter Gast und ein sich schüttelnder Zwerg.
"Das ist gar nicht lusch-lusch-sch-tihig!"
"Gesundheit." wünschte Fango seinem nächtlichen Alptraum und Glum musste sich abwenden.
Der Gast, Kerbe hieß er, kramte hinter dem Tresen eine Pfanne, mehrere Eier und einen Laib Brot hervor. "So. Wer will frühstücken?"
"Wohin sollte der Dampf bitte schön entweichen?" ,fragte der Wirt. "Der Kamin steckt voller Schnee."
Frau Graupengrau kreischte. "Dann geht uns also die Luft aus?"
"Prinzipiell schon, aber im Augenblick sind einige Wächter dabei mit kleinen Feuern und Schaufeln einen Weg zu den verschütteten Gebäuden frei zu wühlen. Ich hab's vorhin gehört, als ich auf dem Dachboden war." Fango schüttelte den Kopf. "Sie haben sich gegenseitig zugerufen, wo denn jetzt welches Gebäude wäre."
Glum blickte verdrießlich drein, als er sagte: "Ist das nicht ein wenig extrem? Ich meine es schneit bereits seit über einer Woche durch und dann gibt es genug Schnee, um mit einem Knall eine Lawine auszulösen?"
"Es war wohl mehr eine Explosion, Herr Steinstiefel." ,ächzte Kerbe und schwang die Pfanne herum, sodass er beinahe Herrn Bruchbein damit traf, der, um die Runde zu vervollständigen, soeben die Treppe hinunter geflogen kam und sich nun den Hintern rieb.
"Wer hat das verfluchte Wasser da oben verschüttet?" ,fluchte er und sah in die Runde.
"Ist da oben Wasser?" Glum war schockiert und freudig zugleich.
Wenn es nass war, dann bedeutete das Schneeschmelze. Das war gut. Wenn es jedoch zu viel davon gab würden sie hier ertrinken. Das war schlecht.

5.In 25 Fällen sollen nach Aussage von einem namentlich nicht genannten Obergefreiten die von dem Feldwebel vorgelegten Geständnisse von Gerichten verworfen worden sein, weil sie offensichtlich manipuliert waren. In dem Feldwebelschen Bezirk wurden - von anderen Offizieren - fünf Unschuldige mit frisierten Geständnissen als Mörder verhaftet. Sie kamen erst frei, als man die wirklichen Täter festnahm.

Gemütlich schmatzend saßen sie alle an dem großen Tisch in der Mitte.
Fango hatte noch eilig seinen Speck geopfert, als Kerbe beinahe die lose Diele entdeckt hatte, in der er das aufbewahrte, was er seinen Gäste als 'Steak Rustikal' andrehte.
"So lobe ich mir das doch." ,stöhnte Frau Graupengrau auf und hielt sich den Bauch.
Glum schweifte ab...
Was passiert eigentlich mit der Welt, wenn wir ausgestorben sind? Kann man das jetzt schon testamentarisch verfügen? Man könnte sie zum universalen Denkmal erklären, lediglich ein in Gold gefasstes Schild an den Randesgrenzen weißt auf unsere glorreiche Vergangenheit hin: 'Die Scheibenwelt, nach einigen unglücklich verlaufenen Kriegen schwer verwundet, erlag in diesem Jahrtausend ihrem langen Leiden. Sie entschlief friedlich im Kreise ihrer selbst.'
Also wenn alle dann mal tot sind, dann will ich auch nicht mehr. Die Welt stirbt. Der Letzte macht das Licht aus.
"Glum?"
"Hm?"
"Ähm, ich wollte wissen, ob du nicht doch noch Speck haben willst."
Der Zwerg gähnte. "Nein, danke. Ich bin Vegetarier."
"Also bitte." ,zuckte Kerbe mit den Schultern und belud sich unter den giftigen Blicken von Fango den Teller.

6.Zur Zeit des Falles Steinstiefel kandidierte der Feldwebel für den Posten des Abteilungsleiters. Durch die schnelle Überführung des 'Monster-Vaters' mittels des von ihm aus dem Gedächtnis niedergeschriebenen angeblichen Geständnisses wurde er zum Liebling seiner Vorgesetzten und gewann die Wahl.

"Himmelnochundeins! Gebt Ruhe!" ,beklagte sich der Wirt. "Ich versuche hier zu zählen."
Er hatte seine Einnahmen vor sich ausgebreitet und einige Papiere flogen auf dem Boden herum. "Wie soll ich denn da auch nur eins und eins zusammenkriegen? Ich hasse diese Zählerei."
Kerbe, Herr Buchbein, Frau Graupengrau und Glum blickten ihn empört an.
Sie spielten seit ungefähr einer halben Stunde 'Troll zwicke mich nicht' und Kerbe hatte soeben aufgeschrieen, weil sein Fingerhut schon wieder herausgeschmissen worden war.
Alle murmelten ein kollektives: "'tschuldigung." Und wandten sich wieder dem Spiel zu.
"Also ich meine ja, dass jetzt du erst einmal aussetzen muss." ,sagte Kerbe an Herrn Bruchbeins Adresse.
"Ganz deine Meinung. Dann darf ich aber zweimal würfeln!"
"Nein. Wo steht das?" ,sagte Frau Graupengrau.
Herr Bruchbein zuckte zusammen. "Soviel ich weis auf Seite 19."
"Wo ist die Spielanleitung?" Frau Graupengrau kramte in der Schachtel.
Fango schüttelte den Kopf und sah wieder auf seine Notizen. Dämliche Rechnerei.
Glum wusste, dass er als Zwerg nicht viel Trauer empfinden sollte, aber ein Gefühl aus seiner Magengegend flüsterte ihm immer wieder zu, dass dies einfach bloß falsch sei.
"Aha!"
Der Zwerg schreckte hoch, als Frau Graupengrau triumphierend die Anleitung in die Höhe hielt, Seite 19 aufgeschlagen.
"Hier steht,..." ,rief sie: "'Wenn ein Spieler seinigen Fingerhut verliert musse er zurück zum Start und dort mindigstens eine Sechs würfeln, ansonstigen ist der Zug ungültig. Es gibt gar kein Aussetzen."
Doch, gibt es. Ich bin vorhin über Glums Fingerhut gegangen und habe danach sein zweites Feld erwischt. Er...ego: Kann ich Kerbe rausschmeißen!" ,widersprach Herr Bruchbein.
"Aber dann hätte ich doch schon zweimal im gleichen Zug gewonnen." ,warf der Zwerg ein. "Immerhin hatte ich einen Fünfer-Pasch. Und damit kann man alles schmeißen."
"1-2-3-4. Haha. Kerbe fliegt raus." ,freute sich Frau Graupengrau und rollte die Würfel hinüber zu Glum, der sie finster blickend annahm.
Kerbe ächzte, als er an Herrn Bruchbein gewandt sagte: "Holst du mir bitte ein Glas Wasser?"

7.Der dem Feldwebel vorgesetzte Hauptmann hatte Beweismittel zu Bonvarn Steinstiefels Gunsten zurückgewiesen: psychiatrische Gutachten, einen Lügendetektor-Test und freundliche Beurteilungen von weitern Komiteemitgliedern. Auch die Aussage von Schutt, dass Bonvarn nichts mit dem Mord zu tun habe, fand keine Beachtung.

Wir sterben aus. Die Welt ohne Bewohner, wir ohne uns. Irgendwie klingt das schon erschreckend und wenn man sich das vor seinem geistigen Auge vorstellt, erfüllt einen diese Vorstellung schon mit etwas Trauer. Warum sterben wir nicht schon in fünf Minuten aus?
Ja, die Scheibenwelt stirbt aus. Also die Männer. Und die Frauen auch. Das wiederum macht die Sache auch so kompliziert; würden nur die Männer aussterben, könnten die Frauen wenigstens noch Kinder gebären und der Fortbestand wäre sichergestellt. Aber so...
Glum riss sich von diesen Gedanken los und trat hinaus in den Gang, um sich nicht noch selbst zur Verzweiflung zu bringen. Vorhin hatte es einen Tumult gegeben, weil Kerbe Herrn Bruchbeins Fingerhüte verstellt hatte, als dieser das Wasser geholt hatte. Fango hatte im Anschluss geschrieen, Kerbe noch lauter, dann hatte Fango Wasser ins Gesicht bekommen und alle hatten sich beeilt auf ihre Zimmer zu kommen. Mittlerweile musste es Abend sein und so langsam fanden sie sich wieder mit beruhigten Gemütern in der Wirtsstube ein.
Der Zwerg schlitterte den Gang entlang und warf dabei immer wieder besorgte Blicke zur Decke. Überall tropfte es herunter, aber noch immer war das ganze Haus verschüttet, doch hier und dort konnte man wenn es still war fernem Getrappel lauschen.
Er betrat die Wirtsstube und stieß beinahe in Herrn Bruchbein hinein.
"Bimmel, Bommel...Bing-Bing..." ,summte er vor sich hin, während Wasser in die von ihm verteilten Töpfe und Pfannen tropfte.
Der Zwerg griff nach einem vollen Becher und trank einen Schluck, spuckte ihm jedoch gleich wieder aus.
"Bääh!"
"Nein, Bong."
"Häh?"
"Bing-Bang-Bing-Bong. Die Stelle aus "88 Zauberer"...na da, wo die Erzdämonen ausbrechen..."
Glum verdrehte die Augen und setzte sich.
Leider in Nässe.
Mittlerweile schien die halbe Einrichtung unter Wasser zu stehen, was ein gutes Zeichen war, da die Schmelzfeuer anscheinend ihre Wirkung taten. Ein Stockwerk weiter oben stöhnte jemand, dann folgte ein dumpfes Pochen und anschließend ein hässliches Krachen und Bersten.

8.Der Leiter der für die Gefängnisse zuständigen Psychiatrie, Dr. G.Bein,
der Bonvarn zu begutachten hatte, sagte über ihn:>>Es ist sehr schwierig eine Gruppe von Beobachtern 14 Monate lang, 24 Stunden am Tag hinters Licht zu führen.<< Das ganze Team hätte schließlich an Bonvarns Unschuld geglaubt >>und es war ein Schock, als er verurteilt wurde.<<


Ein Zwerg und drei Menschen streckten die Köpfe aus den Türen bzw. um die Ecken und hielten angespannt den Atem an.
Ein Teil der Decke war soeben eingestürzt und hatte den Wirt unter sich begraben.
Nichts war zu hören.
"Herr Faltblatt? Fango?" ,sagte Glum laut.
Etwas ächzte und ein Brett fiel zur Seite, doch dann hatte Frau Graupengrau die Idee ihres Lebens.
"Verdammt noch mal!" ,rief sie plötzlich und stampfte auf, woraufhin es spritzte.
"Was ist das hier für ein Saftladen? Ich will meine Ruhe, verdammt. Könntest du endlich..."
Eine Faust stieß aus dem mitsamt dem Gebälk heruntergekommenen Schnee hervor und fuchtelte in der Luft herum, dabei zur Gästin drohend.
Erleichtert griffen Kerbe und Glum nach dem Arm und zogen den bibbernden Gastwirt aus seiner Misere. "Du..." ,klapperte Fango mit den Zähnen an Frau Graupengraus Adresse, wurde jedoch sogleich wieder unterbrochen von Kerbe.
"Lass es gut sein. Wir sollten unsere sieben Sachen einsammeln und uns ab jetzt erst einmal nur noch unten aufhalten, wenn das Dach schon einbricht."
Alle lauschten in die Stille.
Fernes Stapfen und Fluchen war mehr oder weniger deutlich zu vernehmen, doch noch immer ein gutes Stück über ihnen.
Oder hinter ihnen.
"Das hier könnte noch ein bis zwei Tage dauern." ,meinte Herr Bruchbein und begann leise zu pfeifen, diesmal sehr motivierend die Melodie von 'Der Tod ist Tod'.
Was sollte das hier alles?
Eine Abgeordnete starb, vom eigenen Vater ermordet, dann wurden Häuser von einer Lawine mitten in der Stadt überschwemmt und nun standen sie bis zu den Knöcheln im Wasser.
Lohnte es sich überhaupt noch zu leben?

9.Die Aussagen von Mildred Seinstiefel, Bonvarns Schwester, vor Gericht waren sehr negativ. Sie beschrieb ihren Bruder als kaltes Gefühlsmonster.
Diese Aussagen könnten jedoch dadurch relativiert werden, dass Mildred in ihrer Jugend selbst die >>Unartige<< gewesen sein soll, die rebellierte, zankte und Geld stahl. Vielleicht eine spätere Rache an dem großen Bruder, der von der Mutter als >>gutes Vorbild<< hingestellt wurde?


"Hauptmann. Hier drüben. Auf ein Wort bitte."
Ein Obergefreiter winkte nach seinem Vorgesetzten und stapfte über den Schnee.
"Was gibt es denn?" ,murrte der Offizier und schlang sich den Schal enger um die Schultern.
"Obwohl es durch und durch schneit,..." ,begann der Obergefreite und wurde abgewunken.
Der Hauptmann deutete in die Runde und sagte dabei: "Ich sehe es, ja. Die Feuer gehen immer wieder aus. Wir werden ohnehin bald mit den Schaufeln arbeiten müssen, sonst wird das Chaos noch größer."
Der Obergefreite nickte pflichtbewusst.
"Eigentlich wollte ich bloß Bescheid geben, Sir, dass dahinten, wo der "Heißkalte Tropfen" sein sollte, vorhin eine Menge Schnee eingesackt ist und es eventuell..."
Der Hauptmann pfiff nach einigen Wächtern.
"Mist, verdammter. Ist das kalt. Wir graben jetzt an dieser äh, dieser...Stelle weiter. Habt ihr Schaufeln? Ah, gut, gut. Nun Obergefreiter? Wo ist diese strategisch wichtige Einsackung?"
Der Hauptmann war seinerzeit beim Militär gewesen und hatte sich den Kasernenjargon nie wirklich abgewöhnen können.
"Kein Problem, Sir. Was hast..."
"Wir werden von unten vorstoßen und dann einen Tunnel...äh ich meine von oben, woher auch sonst, und dann jedenfalls eine Röhre...Stuss. Einen Gang meine ich, in den Schnee treiben und versuchen die verschneiten Bürger aus ihren Häusern zu bekommen. Brillianter Schachzug. Hauptgefreiter?" Er rief nach jemandem, der im Schneetreiben auf ihn zugerutscht kam.
"Ja?" ,erwiderte eine dumpfe Stimme.
"Lauf zur Wache und hol mir eine Karte und einen Kakao."
Der Obergefreite unternahm noch einen Versuch. "Könnten wir nicht auch...?"
"Was denn Obergefreiter?"
"Naja ich meine ja bloß...."
"Nur zu."
"Graben wir doch..."
"Beeilung. Ich will ihn siedend." ,rief der Hauptmann dem Hauptgefreiten hinterher, woraufhin der Obergefreite es aufgab und sich eine Schaufel griff.

Der Wirt saß in die einzige trockene Decke gewickelt in der Wirtsstube auf einem der Tische. Sie hatten alle zusammenschieben müssen, da sie inzwischen bis zu den Knöcheln im Wasser standen und hatten alles Essbare in Kisten verstaut, die sie auf diverse Stühle gerettet hatten.
Der Inhalt der unter der losen Diele gelegen hatte schwamm nun gemächlich im Raum herum und Kerbe warf einen verdrießlichen Blick darauf.
"Dafür hast du Zwei Cent pro Teller verlangt? Das ist unverschämt!"
Der nasse Wirt schnupfte und Glum versuchte mit den anderen eine Art provisorisches 'Dach' zu errichten.
"Ich meine die Schnäbel sollten mir ja nichts ausmachen,..." ,murrte Kerbe weiter: "...aber die Klauen hätten mich gestört. Immerhin sind sie nicht so leicht zu entfernen..."
"Jetzt ist es ja gut, Mensch. Hast du sie jemals bemerkt?"
"Was war bitte dann die Terrine mit Brocken?"
Fango zog es diplomatischerweise vor zu niesen.
Der Zwerg geriet in arge Probleme.
"Zieh hoch...hoch!" ,kommandierte Frau Graupengrau und hielt dabei zwei Stangen mit Stoff am Ende in die Höhe, wodurch sie nichts mehr sehen konnte.
Glum torkelte durch die Nässe und schwenkte dabei wild mit seinen Stangen herum, sodass Herr Bruchbein von ihm mitgezogen wurde.
"Wie soll ich denn...pfauhiii..."
Mit einem satten 'Smak' landete er im Wasser und riss die Stoffplane mit sich, wodurch Kerbe an den Kopf gestoßen wurde und ihm nachfolgte.

10.Auch Hornard Steinstiefel, Bonvarns Vater hatte im Gericht gegen ihn ausgesagt und ihm sogar einen neuen Kindermord zugetraut. Könnte es eine Rolle gespielt haben, dass Bonvarn nach der Trennung bei dem seiner Mutter blieb, während Mildred später zum Vater kam?
Hornard Steinstiefel hatte später seine Aussage vor Gericht bereut und den Feldwebel als Lügner bezeichnet.


Bibbernd und stöhnend saßen die Verschütteten auf den Tischen und starrten in den Schein der letzten Kerze.
"So endet also alles, ja?" ,warf Frau Graupengrau in die Runde und erntete viel sagende Blicke.
"Wisst ihr, was mich so richtig nervt?"
"Was Glum?" ,fragte sie.
"Das seit drei Wochen mein Leben nur noch den Bach runter geht. Warum knipsen sie uns nicht einfach das Licht aus?"
Herr Bruchbein schüttelte den Kopf und beobachtete, wie ein letzter Rauchfaden sich von dem restlichen Wachs in die Höhe wand. Es war stockdunkel in der Wirtsstube.
"Hört ihr das?" ,fragte er und ein Platschen kündete davon, dass er aufgestanden war.
Alle lauschten.
"Hauptmann? Wir sind fast durch. Der Widersta..."
Es polterte und eine lautere Stimme ließ sich vernehmen.
"Fabelhaft, Obergefreiter. Ich sagte siedend, himmelnocheins."
Es krachte.
Nun standen alle auf und tasteten sich in das obere Stockwerk vor.
"Ist da wer?" ,rief die Stimme noch lauter.

11.Die Auszahlung für Mandalei, die als Hauptmotiv des Mordauftrages galt, wurde nicht von Bonvarn Steinstiefel selbst festgelegt. Es handelte sich um eine von Bonvans Vater Hornard erbrachte Absicherung, da er laut Aussage bereits um dessen Wesen Bescheid wusste.

Mitten in der Nacht verließ ein Reiter Ankh Morpork.
Es war eine verrückte Stadt, doch Glum wusste, dass er noch einmal wiederkehren würde. Ganz bestimmt sogar. Noch war die Sache nicht geklärt. Konnte sie denn noch zu einer Lösung kommen?
Es ist nicht übertrieben, wenn man demnach die heutige Welt als ein Siechengebiet bezeichnet. Allerdings wie wir sterben, ist zweifelsohne unwürdig. Denn das Sterben ist naturgemäß etwas Intimes, da will man unter sich sein, umringt von seinen Liebsten. Aber nein, die Götter lassen immer noch haufenweise Ermittler, Offiziere und Detektive überall rumschnüffeln. Sensationsgeilheit in Ehren, aber das ist schon mehr als nur ein bisschen pietätlos.
Während er der dreckigen Stadt den Rücken kehrte konnte jemand, der zufällig an ihm vorbeikam ein leises Schluchzen vernehmen.

~*~*~*~


Und nun war er ein Wächter geworden. Himmel hilf, warum bloß?
"Angetreten zum Morgentraining, Rekruten." ,flötete eine muntere Goldie Kleinaxt und schlenderte gemütlich zwischen den Bettreihen ihrer hoffnungslosen Fälle herum.
Coccinellas Frösche machten einen Heidenlärm, als die Zwergin an ihnen vorbeikam und hüpften aufgeregt in dem Terraquarium herum. Glum wälzte sich stöhnend im Bett herum und schlug die Decke weg. Warum?

~*~*~*~


"So sollte es nicht sein!"
"MÖGLICH."
"Es ist schon traurig, zu sehen, wie die Welt funktioniert. Funktioniert sie denn?"
"DAS KOMMT AUF DEN BLICKWINKEL AN! IM PRINZIP IST EINE FUNKTION GRUNDSÄTLICH VORHANDEN: DOCH WAS WÜRDEST DU SAGEN?"
Mandalei Steinstiefels verblassender Schemen wandte sich von Tod ab und blickte auf ihren Leichnam hinab.
"Grausig ist so etwas!"
Sie blickte den Schatten nach, die sich schnell entfernten.
"Wird man sie schnappen?"
ICH BIN MIR BEINAHE SICHER. DOCH WER KANN DAS SCHON KLAR SAGEN?"
Mandalei Steinstiefel zuckte mit den Schultern und verblasste mit einem letzten Seufzen auf den Lippen.
[1] Es handelte sich um ein Spiel der Götter: Offler hatte leider zum dritten mal einen Pasch gewürfelt und die Folge war eine Runde in der Ecke zu stehen. Da die Götter allerdings im Nachhinein die Regeln geändert hatten, weinte er nun zornige Krokodilstränen[3].

[2] Und das taten sie wirklich!

[3] Was er allerdings nie zugeben würde.




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Feedback:

Von Kannichgut Zwiebel

05.11.2007 16:27

</b><br><br>Ich fand die Einstreuung der Gerichtsverhandlung sehr unglücklich.<br><br>Tod redet übrigens nicht in Anführungszeichen. Und Ausrufezeichen benutzt er vermutlich auch ziemlich selten. Seine eigenwillige Großbuchstabenschrift bekommt man mit HTML hin:<br><span style="font-variant:small-caps">Das kommt auf den Blickwinkel an.</span><br><br><br><b>

Von Valdimier van Varwald

05.11.2007 16:27

</b><br><br>Eine sehr nette Geschichte. Zwar hätten die Vorgänge im Gasthaus, für meinen Geschmack, noch etwas dramatischer verlaufen können, aber sonst hast du den Rest sehr stimmungsvoll rübergebracht.<br><br>Das nächste mal noch einen richtigen Fall und einem Ribbon steht nichts im Wege.

Von Glum Steinstiefel

05.11.2007 19:08

Doch sehr unterschiedliche Bewertungen, aber ich bin natürlich immer dankbar für ehrliche Kritik. Noch ehrlicher: Ich habe auch gar nicht mehr erwartet... :flenn: :cry: :wink:

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