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Für Rekruten (erste Mission):
Postenwache am großen Stadttor. Ist es üblich, dass Neuankömmlinge in der Stadt gleich überfallen werden? Jetzt regnet es auch noch. Na toll!
Dafür vergebene Note: 11
Junggemüse am Zwiebeltor
Der Autor bekennt sich hiermit dazu, sich eventuell etwas zu eng an die Vorlage gehalten zu haben.
Ferner fügt er hinzu, dass es dem Leser überlassen ist, den ersten Absatz als eine Art Einleitung zu sehen oder eben nicht.
Fast sämtliche Straßennamen und Schauplätze sind der Karte der Glorreichen Republik der Sirupminenstraße entnommen, die in "Die Nachtwächter" enthalten ist. Aus diesem Buch stammt auch der Auszug aus der Ankh-Morporkianischen Nationalhymne.
Regen. Man sah ihn nur im Schein der Laternen, die das kleine Wachstübchen am Ende der Ulmenstraße erhellten. Er trommelte gegen die kleinen runden Fenster und floss unter dem Türrahmen durch. Draußen gingen gebeugte Gestalten vorbei oder drängten sich im Windschatten des Zwiebeltores aneinander. Ein Wächter saß auf einer Kiste vor der Wachstube, er wölbte seine Hand um einen schwach glimmenden Zigarettenstengel. Das Wasser drang langsam durch seinen alten Regenmantel, und auch von unten wurde es ungemütlich: Die Kanalisation lief über, und ein schleichendes Nässegefühl machte sich an seinen Füßen breit.
Der Tag hatte gut begonnen für Helmi Bernstein: Als er sich im Wachhaus meldete, hörte er keine dümmlichen Bemerkungen über seinen (zugegebenermaßen eher femininen) Namen. Er beeindruckte seine Ausbilderin, die Lance-Korporal Goldie Kleinaxt, mit seiner Redegewandtheit, als er Amalie Willichnicht davon überzeugte, dass Herr Schnapper ein Recht darauf hätte, seine Würstchen ohne Serviette zu verkaufen.
Dann zeichnete sich bereits das Tor zum Paradies am Horizont ab: Wachdienst am Zwiebeltor. In Helmis Kopf schwirrten Bilder von glorreichen Verhaftungen und riskanten Verfolgungsjagden umher. Kurz darauf folgte die Ernüchterung.
Auch wenn er klein (an zwergischen Maßstäben gemessen) und schmächtig war, fehlte es ihm nicht an anderen, eher weniger physischen Tugenden. Er war couragiert, belesen und höflich, aber eher zurückhaltend und nicht eben mit einem Selbstbewusstsein gesegnet, dass einen veranlassen konnte dem Vorgesetzten bei einer Strafpredigt zu widersprechen. Trotz alldem hatte er durchaus die Fantasie, um sich einen guten ersten Arbeitstag vorzustellen.
Allerdings hatte er in dieser Fantasie nicht mit dem Zwiebeltor gerechnet. Es war das am wenigsten benutzte Tor von Ankh-Morpork (da es praktisch keine Stadtmauer mehr gab, konnte man schließlich genauso einfach durch die Gassen gehen, die in die Stadt hineinführten), da der meiste Handel mit den anderen Ländern am Runden Meer über Seeimporte abgewickelt wurde (das Zwiebeltor zeigte in Richtung Gennua). Tagsüber kamen und gingen hauptsächlich die ärmeren Leute, die in Richtung der Morpork-Berge unterwegs waren, einem ärmlichen Mittelgebirge, in dem es mittlerweile etliche Geisterstädte gab, weil die Bewohner den Ruf der Zivilisation vernommen hatten.
Helmi sah viele Leute, ärmlich gekleidet, selbst an Maßstäben der nahen Schatten gemessen. Und so verging der Tag. Mehrmals kamen verschiedene Angehörige der GRUND-Abteilung, um nach dem Rechten zu sehen.
Kleinaxt, eine stämmige Zwergin, führte Helmi und zwei weitere Rekruten in die Geheimnisse des Wacheschiebens ein : Ihrer Meinung nach ging es darum, "Präsänts auf der Straße zu zeigen", um die aufrichtigen Bürger der Stadt von Entscheidungen abzuhalten, die sie später bereuen würden.
Sie setzte eine grimmige Miene auf, lehnte sich betont lässig an die Mauer und starrte die Vorbeigehenden finster an. Als die Rekruten ihrem Beispiel folgten, gab die Lance-Korporal auf und teilte ihnen in einem müden Tonfall mit, dass sie noch nicht viele Wächter ausgebildet hatte, bei denen dieser Teil der Ausbildung kollektive Lachanfälle bei der Bevölkerung ausgelöst hatte. "Ich lege euch freundlichst ans Herz, euch bei der Narrengilde zu bewerben. Wie ich hörte, werden dort gerade ein paar ernstere Clowns gesucht. Ihr wisst schon, weiße Gesichter und so..." fügte sie hinzu.
Sie versprach, später noch einmal vorbeizuschauen, nun müsse sie erstmal dem Abteilungsleiter ihre Aufwartung machen und ihm mitteilen, wie gut sich die neuen Rekruten machten. Dann seufzte sie vielsagend und ging davon.
Der Nachmittag verging erfrischend ereignislos.
Zwieback, eine Gnom-Rekrutin, brachte ihm "Leg-Herrn-Zwiebel-rein" bei, ein Kartenspiel, bei dem Helmi erst 50 Cent gewann und dann 3 Dollar und 78 Cent verlor. Es erschien ihm merkwürdig, dass die Gnomin immer dann mindestens eine Doppelzwiebel hatte, wenn er höchstens einen lächerlichen Zweier in der Hand hielt und optimistisch den Einsatz erhöht hatte. Wenn der Spieß dagegen umgedreht war, hielt sie den Einsatz so tief wie möglich oder passte.
Der dritte im Wachstübchen anwesende Wächter, ein gutaussehender junger Mann namens Arton Fuerdikatz, betrachtete ihr Spiel mit einer Art verachtendem Desinteresse. Nach einer Weile zog er sich nach draußen zurück, um im Schutz des Tores die eine oder andere Zigarette zu rauchen
(Was niemand wusste: Arton war Nichtraucher! Denn in Wirklichkeit übte er fast die ganze Zeit, grimmig zu gucken, aber einem Mann mit dem Gesicht eines Engels fällt das schwer).Mittlerweile marschierte der kleine Uhrdämon, der für die Schichteinteilung zuständig war, langsam auf Mitternacht zu.
Helmi hatte mittlerweile sogar den Bleistift, den er während intensiver Suche nach Wertgegenständen in seiner Hosentasche zutage gefördert hatte, an Zwieback verloren, als die Gnomin plötzlich ihre Karten hinwarf, auf den Tisch sprang und rief: "Verflucht, wann hatten wir das letzte Mal was zu futtern? Auf, Herr Zwerg!" Sie warf sich in die Position eines triumphierenden Feldherren und fing an, mit tiefer Stimme zu rezitieren:"Avch, wenn der letzte Feind erschlagen sei, wenn die letzte Bastion falle, ist das Streben des Mannes gerichtigt avf das Wohlseyn seyner Nächsten, welches herbeygef..."
"Etwa um sechs, hm?"unterbrach sie Arton, der mittlerweile seinen Posten wieder verlassen hatte (weil er feststellen musste, dass seine Bemühungen absolut erfolglos blieben). Nachdem einvernehmlich der Beschluss gefasst wurde, eine außerdienstliche Mahlzeit einzunehmen ("Was ja durchaus nicht verboten ist, alles total legal, ich denke da brauchen wir uns wirklich keine Sorgen zu machen. Was siehst du mich so an?!") , ging es um die Frage, wer sich nach draußen in den Regen wagen sollte.
Nur wenig später verließ ein missmutiger Helmi die Wachstube, den Regenmantel eng um sich geschlungen. Zwieback hatte sich entschieden, ihren Kollegen von ihrem soeben erspielten Geld "ne Runde zu schmeißen!". Die Proteste seinerseits hatten sich auf ein halbherziges "Aber es regnet draußen..." beschränkt. Also drückte man Helmi das Geld und seinen Mantel in die Hand und schob ihn zur Tür raus.
So verließ er die Wachstube mit dem hehren Auftrag, seinen Kollegen eine klatschianische Pizza zu besorgen. Auf dem Weg begegnete er nur wenigen Passanten, dunkle Schatten vor noch dunklerer Kulisse. Der Regen hatte noch zugenommen, dazu kam eine beklemmende Szenerie: Im kalten Licht, das die spärlich gesäten Straßenlaternen auf den Weg warfen, wühlten Hunde in Müllhaufen. Zwielichtige Gestalten bewegten sich geduckt von einer dunklen Ecke zur nächsten. Dazu kam das Wetter. In ein silbriges Licht getaucht fielen Myriaden von Tropfen vom Himmel und beschränkten die Sicht auf ein Minimum. Der Zwerg verfluchte die Welt im Allgemeinen und seine Kollegen im Besonderen und stolperte wütend in Richtung Fünf Wege.
Helmi kannte den Weg genau. Vom Zwiebeltor ging es übers Nilpferd in die Quirmstraße. An ihrem Ende überquerte er die Billige Straße. Wenn er sich dann über die Leichte Straße dem Ankh näherte, kam er, kurz nach der Kreuzung Wilkommenseife/Leichte Straße/Ankertaugasse an einer kleinen klatschianischen Pizzeria vorbei.
Sie war ein echtes Urgestein im Geschäft und stand dort mindestens schon seit der Zeit der Glorreichen Volksrepublik der Sirupminenstraße.
An den damaligen Ereignissen war Helmi nicht unbeteiligt gewesen, auch wenn er eine eher passive Rolle gespielt hatte. Damals verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Postkarten, die hauptsächlich von Analphabeten in Auftrag gegeben wurden (von denen es in Ankh-Morpork bekanntlich genug gab). Zu jener Zeit fand das Leben der Ankh-Morporkianischen Zwerge noch sehr unauffällig statt, obwohl sich bereits die ersten Zwergengeschäfte etabliert hatten. Während der Revolution hatte Helmi zum erstenmal die Oberwelt betreten. Er lebte mit höflicher Zurückhaltung in einer Wohngemeinschaft mit anderen Zwergen, bis Lord Schnappüber an die Macht kam. Die meisten Zwerge (bis auf die sehr konservativ eingestellten) wurden im Strudel der folgenden Ereignisse an die Oberfläche Ankh-Morporks gespült. Die Rolle, die die Wächtertruppe während der Revolution gespielt hatte, weckte tiefe Bewunderung in Helmi, aber da die Institution der Wache noch nicht modern genug eingestellt war, um einem Zwerg Arbeit zu bieten, verlor er seinen Wunsch für lange Zeit aus den Augen.
Dann wurde Havelock Vetinari Patrizier, und alles änderte sich. Man begegnete Zwergen und Trollen mit höflichem Respekt (zumindest nach außen hin), und der zwergische Geschäftssinn erwachte in der ganzen Stadt. Wenn sogar die Damen käuflicher Zuneigung eine Gilde haben können, warum kann dann ein Zwerg in Ankh-Morpork nicht seinen gewohnten Neigungen nachgehen?
So dachten viele Zwerge in der großen Stadt, und weil es dort keine Bergwerke gab, stieg man stattdessen auf das zweitwichtigste Gewerbe in der Zwergenwelt um: Metallbearbeitung. Bald beherrschten die Zwerge die gesamte Juweliersbranche, und auch der Export von "Original zwergengefertigten Waffen (mäid in Änkh-Morporck)" florierte. Die größten und besten Armeen der Scheibe kauften bei Zwergen aus Ankh-Morpork, was sich auch im einheimischen Liedgut niederschlug. Als Beispiel nehme man nur die Ankh-Morporkianische Nationalhymne:
"Uns gehören eure Helme,
eure Waffen für den Krieg,
uns gehören eure Führer,
drum gehört uns auch der Sieg!"
Helmi wanderte gedankenverloren durch die Rennerei. Er hatte beschlossen, den längeren Weg zurück zum Zwiebeltor zu nehmen, da dieser viel heller und auch trockener war, wenn man von einer Markise zur nächsten hastete. Trotz seines Regenmantels klebten ihm die Haare triefnass am Kopf, und er hatte dem Pizzabäcker extra eine Zeitung abgekauft, mit der er die drei dampfenden Teigfladen bedeckte, um sie vor dem Regen zu schützen. Er wollte gerade in die Grubengasse abbiegen, als er aus einem der noch dunkleren Schatten ein verdächtiges Geräusch vernahm.
Er ging schneller und drehte sich nicht um, denn ein Leben nahe der Schatten hatte ihn gelehrt, keinen Stimmen zu vertrauen, die aus engen Gassen kamen.
Dann schrie eine Frau. Der zwergeneigene Sinn für Gerechtigkeit meldete sich und Helmi machte auf dem Absatz kehrt. Sein Selbsterhaltungstrieb mischte sich plötzlich ein und rang mit dem kleinen Wächter in ihm. Der Zwerg schlug sich mit der flachen Hand auf den Helm. "Oooh, was mach ich hier bloß?" grummelte er in seinen Bart hinein. "Ich könnte in einer warmen, trockenen Wachstube sitzen und mit den anderen Karten spielen!"
In spontaner Unentschlossenheit setzte Helmi erst einen Fuß vor, dann drehte er sich um, ging kurz in die andere Richtung, wechselte den Kurs und bewegte sich im Laufschritt auf den Ort des Geschehens zu.
Plötzlich löste sich einer der Schatten, stolperte rückwärts aus der Gasse und fiel mit dem Hinterkopf aufs Kopfsteinpflaster.
Helmi gelang es gerade noch, dass seine Hose nicht noch nasser wurde, er machte einen Satz zurück und rief mit stockender Stimme:"Ha-Halt! Hier spricht die Wache!"
Es war kein sehr guter Spruch, aber wenn man ihn richtig aussprach, kleidete man sich in eine Aura von Charisma. Doch nicht Helmi. Er war in etwa so charismatisch und gefährlich wie ein geworfenes Wattebäuschchen, was sich auch in seiner Art niederschlug, Verdächtige anzuschreien. Obendrein fiel ihm siedend heiß ein, dass ihm für eine etwaige Verhaftung drei Pizzen zur Verfügung standen.
Der Schatten, der eben die Gasse verlassen hatte, begann zu wimmern und kroch zitternd in Helmis Richtung. Der Rekrut erkannte die vagen Umrisse einer Frau (sie unterschieden sich zwar nicht sehr von denen eines Mannes, doch zwei eindeutige Beulen halfen Helmi bei der Identifizierung). Sie hatte langes, tropfnasses Haar und trug... sehr wenig. Eine Näherin, schoss es dem Zwerg durch den Kopf.
Nun löste sich ein zweiter Schatten aus der Gasse, weitaus bedächtiger und gefasster. Die Näherin versuchte derweil schluchzend, sich hinter dem Wächterzwerg zu verstecken. Im fahlen Licht der letzten Straßenlaterne erkannte Helmi einen riesenhaften Mann, gekleidet in einen knöchellangen Regenmantel. Er verbarg sein Gesicht im Schatten eines schwarzen Schlapphutes und begann, langsam um das durchnässte Duo -den Zwerg und die Näherin- herumzuschleichen, was Helmi in die Kategorie "Subtile Anzeichen von Angriffslust gepaart mit einer nicht unbeträchtlichen Menge an Siegesgewissheit" einordnete. Er mobilisierte seinen letzten Rest Tapferkeit und holte seine hölzerne Rekrutendienstmarke hervor.
"Sie sind verhaftet!" Es klang nicht sonderlich überzeugend, aber es war besser als nichts.
"Oh?" Helmis Gegenüber sprach mit einer rauen, melodischen Stimme. "Hm... Was machen wir denn da?" Der Mann kratzte sich am Kinn (es klang wie Schmirgelpapier auf Granit) und verschränkte die Arme, als würde er an einer Frage über fortgeschrittene Astrophysik grübeln. "Oh, ich weiß. Ahm... Alissa?"
Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung, spürte, wie man ihm seinen Helm vom Kopf riss - ein Pochen ertönte, und er sackte langsam in sich zusammen. Bevor ihm endgültig schwarz vor Augen wurde, hörte er noch, wie jemand sagte: "Astreiner Schlag! Hätt ich nicht besser hingekriegt..."
Helmi Bernstein erwachte im in einer dunklen Gasse. Das passierte oft, denn er war nicht eben trinkfest. Doch es geschah zum ersten Mal, dass er mit dem Gesicht in einer klatschianischen Pizza "Grün-Weiß-Rot" mit extra Nieren und Brokkoli das Bewusstsein wiedererlangte.
Sein Gehirn hatte schon kurz nach seinem Erwachen den Dienst quittiert, sodass er schnaufend die Pizza beiseite schob und noch einige Minuten in der Horizontalen verharrte. An seinem Hinterkopf pulsierte eine dicke, von geronnenem Blut umrandete Beule. Er zuckte vor Schmerz zusammen, als er mit den Fingern darüberfuhr. Noch immer war er von pechschwarzer Dunkelheit umgeben, doch Zwerge verfügen über sehr flexible Augen, zumindest was Dunkelheit angeht, und so dauerte es nicht lange, bis Helmi einen Berg aus Müll als solchen identifizieren konnte. Er bemerkte einen Pfahl, der hoch aus dem Abfall aufragte, und hob langsam den Kopf, darauf bedacht, keine plötzlichen Bewegungen zu machen. Trotzdem protestierte sein Hinterkopf mit stechendem Schmerz, als er mit zugekniffenen Augen versuchte, die Aufschrift des mit Moos bewachsenen Schildes zu entziffern. "S haler W g" las er. Aus seinem Unterbewusstsein empfing er eine Nachricht mit der metaphorischen Aufschrift "Dringend!": "Schaler Weg = Die Schatten(!) = Mach dich ja aus dem Staub, Junge!"
Trotz zunehmender Schmerzen richtete er sich langsam auf. Sein Kopf pulsierte, aber aus reiner Gewohnheit holte er seine Brieftasche hervor, und er fand dort nicht: Eine Ikonographie seiner Eltern, ein Stück gelbe Kreide, 1 Dollar und 54 Cent Wechselgeld und eine Quittung der Diebesgilde über den Diebstahl des Vorangegangenen. In der Ferne heulte eine Eule. Der mentale Stadtplan des Zwergs teilte ihm mit, dass es einen geübten Sprinter etwa eine bis eineinhalb Minuten kosten würde, im Dauerlauf bis zur Ulmenstraße zu... Eine Eule?!
Helmi wischte sich den letzen Rest der Pizza von der Wange. Das unangenehme Gefühl, von Blicken durchbohrt zu werden machte sich in ihm breit. So unauffällig wie möglich drehte er den Kopf und warf einen Blick über die Schulter. Aus kleinen Seitengassen kamen sie: Dunkle Silhouetten, die sich immer wieder hektisch umsahen. Wenn sich in der Mitte der Gasse zwei oder mehr trafen, steckten sie die Köpfe zusammen und schlugen dann einen anderen Kurs ein, um sich wieder geduckt und humpelnd langsam dem Zwerg zu nähern.
Helmi erstarrte zur Salzsäule.
"Benötigst du Hilfe, Herr?" fragte ein kleiner, gebeugter Schatten. Seine Stimme war glatt wie Öl.
"Nein, nein, danke, wirklich nicht!"
"Bleibt doch noch ein wenig... Ich würde mich geehrt fühlen, dich meinen Freunden vorstellen zu dürfen."
Als sich Helmi wie in Trance umdrehte, bot sich ihm der erfrischende Anblick einer dunklen Gasse mit Licht am Ende! Einem uralten Instinkt folgend, beschleunigte er aus dem Stand heraus auf seine Höchstgeschwindigkeit (Zwerge sind aufgrund ihrer kurzen Beine auf lange Distanz nicht zu gebrauchen, aber da sie verhältnismäßig muskulös sind, ist es kein Problem für sie, einen Menschen im Sprint zu überholen. Natürlich spielt dabei auch noch die Trägheit der Masse eine nicht unerhebliche Rolle, aber so ist es viel simpler).
Vor ihm flog förmlich ein großer Schatten hinter einem Müllberg hervor und warf sich in Positur. Doch in schweren Zeiten kann ein Zwergenhelm aus Eisen (für den die unlizensierten Diebe offenbar keine Verwendung hatten) eine große Stütze sein. Voller Adrenalin warf sich Helmi mit dem Kopf voran in den Unterleib des Gegners, und Sekundenbruchteile später war der Weg frei, nach links, nach links, rechts, Mülltonne ausweichen und nicht nach hinten sehen!
"Zwieback?! Arton! Wo seid iiihr?!"
So hatte sich Helmi Bernstein seinen ersten Arbeitstag wirklich nicht vorgestellt.
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