Im Wachhaus in der Kröselstraße herrschte Nachtruhe. Im Schlafsaal war nichts als das Schnarchen der Rekruten zu hören, abgesehen von einem gelegentlichen Husten. William de Morgue, frisch gebackener Rekrut der Stadtwache von Ankh-Morpork, jedoch konnte nicht schlafen. Er wälzte sich von einer Stohmattenseite auf die nächste, drehte sich auf den Rücken oder sogar auf den Bauch - vergebens. Schon die ganze Nacht fanden immer wieder einige Strohhalme den Weg durch die dünne Stoffmatte und scheuerten ihm die Haut wund. Und dazu dieser süßliche Geruch von gärenden Pflanzenresten...
William schauderte und versuchte an etwas anderes zu denken als seine neue, spatanische Schlafstätte. Langsam richtete er sich in der Dunkelheit auf und sah sich um. Außer ihm befanden sich rund zwei Dutzend Rekruten im Schlafsaal der Kröselstraße, größtenteils Menschen, allerdings gab es da auch ein paar Ausnahmen. So schlief auf der anderen Seite des Saals ein Troll namens Onyx, außerdem befanden sich mehrere Zwerge, ein Kobold, zwei Vampire und eine ihm bisher völlig unbekannte Spezies namens Werhamsta im Raum. Ein ziemlich bunter Haufen für eine Truppe, bei der Ordnung und Disziplin herrschen sollte, dachte William bei sich. Er hat zwar de facto nichts gegen andere Spezies, allerdings kam er mit ihnen auch nicht sonderlich gut klar. Wahrscheinlich kam es seinen persönlichen Vorurteilen in diesem Moment auch zugute, dass sowohl Onyx als auch Friedrich Armstark, der Zwerg, durch eine grauenhafte Kulisse aus Schnarch- und Schniefgeräuschen es schafften, William von Schlafen abzuhalten. Verzweifelt ließ er sich wieder auf sein unbequemes Nachtlager sinken und drehte sich zur Seite. Das würde eine weitere dieser unangenehmen Nächte werden. Er musste diese Ausbildung schnell hinter sich bringen, dann konnte er bald wieder in einem richtigen Bett schlafen. Ein richtiges Bett! Was würde er jetzt dafür geben! Er stellte sich sein weiches Himmelbett im Haus seines Onkels vor, die Kissen, die aus Wolken gemacht zu sein schienen, die wunderbar warme, mollige Decke, dazu der Geruch von Kaffee am Morgen....
Mit diesen Gedanken dämmerte er ins Reich der Träume....
Eines Morgens war er wie immer kurz nach dem Mittagsmahl aufgestanden. In seinem seidenen, bestickten Morgenmantel war er im Anwesen seines Onkels umher gelaufen, hatte ein paar unglückliche Diener zusammen gestaucht und war gerade dabei, sich seinen täglichen Schattenfechtübungen zu widmen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Verschwitzt hatte William seinen imaginären Degen beiseite gelegt und "Herein" gerufen. Ein Diener seines Oheims kam herein und überbrachte ihm die Nachricht, dass er bei diesem erscheinen solle, in angemessener Kleidung, und so schnell wie möglich.
Als der Bote wieder verschwunden war, hatte sich William Gedanken gemacht. Hatte er irgendetwas angestellt? War er zu grob mit dem Personal umgegangen? Oder ging es um dieses neue Zimmermädchen, sie war doch nicht etwa....
Panisch streifte William seinen Morgenmantel ab und wandte sich dem ordentlichen Stapel zusammengelegter Wäsche zu, die wie jeden Morgen auf einem Stuhl neben der breiten Tür für ihn bereit lag. Eine seidene Unterhose, ein Untergewand aus feinster Wolle, darüber eine dunkelblaue, mit goldenen Sternen bestickte Tunika, schließlich noch eine schwarze Hose aus Leder. Als er damit fertig war, sich anzukleiden, schlüpfte er in seinen braunen Wildlederstiefel und atmete tief durch. Er betrachtete sich in dem mannshohen Spiegel, der gegenüber aufgestellt war. Er sah sich selbst, einen relativ gut aussehenden, wenn auch blassen jungen Mann von 17 Jahren, mit rabenschwarzem, kurzem, leicht gelocktem Haar und grauen Augen. Er fuhr sich kurz über die Wangen und das Kinn und stellte fest, dass er eine Rasur nötig hatte. Er schritt also langsam zum Spiegel. Geschickt griff er nach einem Stuhl, auf den er mit einigem Kraftaufwand eine gefüllte Waschschüssel hievte. Dann ging er zu seinem großen Kleiderschrank, kramte kurz in den Schubladen und fand sein Rasiermesser und Seife. Er drehte sich um, stellte sich vor dem Spiegel auf und machte sich ans Werk
Minuten später stand William vor der Salontür. Ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn, ein Kloß saß ihm im Hals. Was sein Onkel, Gunther de Morgue, wohl von ihm wollte? Es könnte auch nur etwas harmloses sein, vielleicht eine Nachricht von seinen Eltern, oder eine weitere dieser endlosen Strafpredigten zum Umgang mit dem Personal. Ein letztes Mal fuhr er mit dem Hand über seine Haare, um sie zu glätten, dann trat er ein.
Der Salon war ein Raum, wie er nicht typischer für ein Adelsgeschlecht sein konnte. Der Fußboden bestand aus verschiedenfarbigen Steinplatten, die in einem Schachbrettmuster angeordnet waren und schon einen ziemlich zerschlissenen Eindruck machten. Großflächig bedeckt wurde er von alten, mittlerweile ebenfalls vom Zahn der Zeit mitgenommenen Teppichen, die überall im Raum verteilt waren. Die Wand zu seiner linken Seite war bis auf Hüfthöhe getäfelt und beherbergte außerdem einen steinernen Kamin, darüber befanden sich Unmengen von Porträts seiner Ahnen und Urahnen sowie diverse Jagdtrophäen. Auf der rechten Seite waren normalerweise die mannshohen Fenster zu sehen, durch die Licht in den Raum fiel, die jetzt aber hinter angestaubten schweren Gardinen verschwunden waren. Die Rückwand schließlich war kaum auszumachen; sie verbarg sich hinter einem großen, an der Wand befestigten und stets auf Hochglanz polierten Spiegel sowie hinter diversen Wandteppichen. Im Kamin auf der linken Seite des Raumes prasselte trotz der frühen Morgenstunde und der warmen Jahreszeit draußen ein Feuer. Die Mitte des Raumes wurde von einem großen, thronähnlichen Sessel sowie einem Sofa und einer handvoll gepolsterten Stühlen beherrscht. Durch die zugezogenen Vorhänge und das flackernde Feuer war der Großteil des Raumes in Dunkelheit getaucht, nur direkt in der Nähe des Feuers konnte das Licht sich behaupten.
"William, mein Junge, komm näher", dröhnte die voluminöse Stimme seines ebenso voluminösen Onkels aus dem Sessel hervor. William zuckte kurz zusammen, näherte sich dem Sessel und verneigte sich.
"Ihr habt nach mir geschickt, mein Onkel?", murmelte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
"Richtig, mein Junge. Es geht um deine Zukunft!", tönte es aus den Tiefen des Sessels hervor.
"Wie du weißt", fuhr Lord de Morgue fort, "ist es die Pflicht eines jeden Bürgers, sein Land zu verteidigen...." William stöhnte innerlich auf. Was folgen würde, kannte er nur zu gut: eine endlose Litanei seines Onkels, wobei in jedem Satz mindestens eins der Wörter Ehre, Loyalität, Pflicht, Tradition, Aufopferung oder Ruhm vor kam. Alles sollte schließlich darauf hinauslaufen, dass William de Morgue endlich einen Platz auf einer Militärschule bekommen sollte, um endlich zum Offizier ausgebildet werden zu können. Denn so wollte es die Tradition; soweit William wusste, waren die de Morgues schon immer Offiziere und Soldaten gewesen, bis in jede kleinste Verästelung ihres Stammbaumes. Abgesehen vielleicht von Großonkel Frederick de Morgue, der Schafwolle aus den Spitzhornbergen importierte und damit seine Kettenhemdmanufaktur belieferte. Oder Christopher de Morgue, ein Cousin vierten Grades, der sein ganzes Geld an ein Militärwaisenhaus spendete und seitdem Mitglied der Bettlergilde war....Nagut, zugegeben, irgendetwas hatten alle mit Militär zu tun. Das musste wohl einfach in der Familie liegen, oder auch in der Erziehung. Das Offiziersein wurde William ja auch quasi schon in Form eines Plüschsoldaten mit in die Wiege gelegt. William fand die ganze4 Vorstellung entzückend, auch wenn es hieß, den Luxus hier in der Stadt aufzugeben und auf eine Anstellung irgendwo auf der Scheibe zu hoffen. Irgendwo, wo man mit Strategien wie denen von General Tacticus noch Kriege gewinnen konnte.
William bemerkte, wie seine Gedanken abschweiften und versuchte, konzentriert zuzuhören. Eine Stimme voll Pathos betete ihm weiterhin die Wichtigkeit von Tradition vor, während William selbst sich in sein Bett zurückwünschte. Aus lauter Verzweiflung zählte er zum wahrscheinlich hundertsten Mal die Geweihenden an den Trophäen an der Wand, als plötzlich Stille im Raum einkehrte. William merkte, dass er nicht aufgepasst hatte, und fühlte die ganze Aufmerksamkeit seines Onkels auf sich ruhen. Er wusste, dass irgendetwas von ihm erwartet wurde, ein Kommentar, Zustimmung, Ablehnung, ein Kommentar. Er entschied sich für die Zustimmung." Natürlich, Onkel, ich bin da ganz eurer Meinung!"
Das Gesicht von Gunther de Morgue hellte sich auf. "Ich bin wirklich sehr froh, dass wir beide da einer Meinung sind, mein lieber William", tönte seine Stimme durch den Salon. "Ich hatte schon befürchtet, du würdest unbedingt an die Akademie gehen wollen, wie alle anderen de Morgues vor dir auch. Aber ich sage dir, bei der Stadtwache liegt die Zukunft. Ein Offizier der Stadtwache hat quasi einen direkte Verbindung zum Patrizier! Du wirst groß werden, größer als alle anderen de Morgues mit ihren verrückten Schlachtplänen und ihrem Soldatentum. Ich sage, die Zukunft der de Morgues liegt in der Stadt!" Er grinste William an, mit Augen voller Stolz. William schluckte.
Er wollte auf die Akademie. Wirklich. Es fiel ihm auf, dass noch nie etwas anderes für ihn in Frage gekommen war, dass seine Zukunft immer auf Jahre hinweg klar vorbestimmt war und er sich um nichts zu kümmern brauchte. Und jetzt das. Stadtwache, pah! Er hatte diese Idioten gesehen, komische Leute mit zerbeulten Rüstungen, die in der Stadt herum rannten und angeblich für Ordnung sorgen sollten. Er konnte sich besseres vorstellen! Doch als er wieder in das erwartungsvoll-stolze Gesicht seines Onkels blickte, wurde ihm klar, dass es bereits zu spät war. Gunther würde keine Widerworte mehr dulden, das Urteil war klar, sein Weg entschieden.
"Alle Rekruten antreten, fofort!" Die Stimme der GRUND-Abteilungsleiterin schallte durch das Wachhaus in der Kröselstraße. Lustlos stand William von seinem Bett auf, streckte sich kurz, schlüpfte in die eigenhändig blank polierte Rüstung und schlurfte dann mit hängenden Schultern in die Eingangshalle, wo sich schon viele andere Rekruten versammelt hatten. Niedergeschlagen betrachtete er die vielen Gesichter hier. Mit einigen Ausnahmen war er fast der Rekrut, der sich schon am längsten bei GRUND befand. Viele Rekruten waren nach erfolgreicher Ausbildung schon befördert worden. Ettark zum Beispiel, dieser hochnäsige Bergiger, oder auch Mina, die Vampirin, mit der er einen Außeneinsatz bei Frau Willichnicht hatte, und diesen unangenehmen Vorfall. Sein Gesicht verzerrte sich, als er daran denken musste, und seine Gedanken wanderten an die frisch verheilte Wunde an seinem linken Bein, die ihm das Wurfmesser eines lizenzierten Diebes beigebracht hatte. Rogi Feinstich hatte ihn zwar mühelos wieder zusammen nähen können, doch schmerzfrei belasten konnte er sein linkes Bein immer noch nicht. Er hasste es, durch die Gegend humpeln zu müssen wie ein halber Igor, aber ihm blieb ja wohl nichts weiter übrig.
Endlich waren alle Rekruten erschienen und hatten sich in einer Doppelreihe aufgestellt, während Rogi und Magane gegenüber gewartet hatten. Rogi hob die Stimme:"Fo, endlich alle da. Hat ja ganf fön lange gedauert, daf werden wir auf jeden Fall noch mal üben." Sie richtete einen kurzen tadelnden Blick an alle Rekruten, und fuhr dann fort. "Heute fteht etwaf auf dem Programm, waf für einige vielleicht ein alter Hut ift, für andere jedoch eine völlig neue Heraufforderung." Sie machte eine bedeutungsvolle Pause .William wusste, was jetzt kommen würde. Es ging um die Ausbildungseinheit Schwertkampf. Und es würde seine dritte werden. Gut, er war kein herausragender Schwertkämpfer, aber doch auch vor den Übungsstunden nicht unbedingt schlecht gewesen. Er merkte, wie Wut in ihm aufstieg. Er war, im Gegensatz zu wahrscheinlich allen Anwesenden, nicht freiwillig hier, er musste diesen Job machen. Und doch schien sich seine Ausbildung hinzuziehen. Es schien fast so, als würde man ihm Steine in den Weg legen! Unauffällig ballte er die Fäuste. Das konnte man nicht mit ihm machen, nicht mit William de Morgue. Niemand durfte das! Niemand würde ihm auf seinem Weg zum Offizier im Weg stehen! Plötzlich wandte der Rekrut neben ihm unauffällig den Kopf zu und sah ihn mit großen, ein wenig ängstlichen Augen an. William fragte sich kurz, wieso, als er feststellte, dass er wohl ziemlich laut mit den Zähnen geknirscht haben musste. Er schüttelte kurz seinen Kopf, um all diese Gedanken wieder an ihren rechten Platz in seiner mentalen Hinterstube zu bringen. Als er mit einiger Anstrengung versuchte, die Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen zu richten, fand er sich in seiner Annahme bestätigt; Rogi gab gerade das Kommando, zum Übungsplatz aufzubrechen. Für die meisten Rekruten dürfte es das erste Mal, sein, dass sie ein Schwert in der Hand halten durften, dachte William bei sich. Nicht verwunderlich also, dass sich an der Tür eine Traube aus Rekruten bildete. Im aufkommenden Chaos schüttelte Rogi verzweifelt den Kopf. William näherte sich seiner Schäffin und salutierte. "Mä'äm, ich habe eine Frage"
Rogi wandte ihren Kopf zu William und schürzte die Lippen. Zwischen den beiden bestand ein gespanntes Verhältnis. William konnte sich sowieso kaum mit dem Gedanken anfreunden, herumkommandiert zu werden. Und schon gar nicht von einem Igor, einem Geschöpf, das zum Dienen, nicht zum Befehlen, existierte. Und am allerwenigsten von einer Frau, einem Wesen, das nur dazu existierte, um...naja, zumindest nichts Sinnvolles, wahrscheinlich. Das ließ ihn an ihrer Kompetenz als Ausbildungsleiterin zweifeln. Und William konnte es sich nicht verkneifen, das ständig durchblicken zu lassen, was ihn seiner Vorgesetzten gegenüber unausstehlich machte. Anders sah es aus, als Hauptmann Daemon noch die GRUND-Leitung innehatte. DAS war doch ein richtiger Offizier gewesen, ein Hauptmann aus dem Buche. Gut, er hatte sich bis zum Schluss Williams Namen nicht merken können und schien immer leicht abwesend, aber das lag wahrscheinlich daran, dass Hauptmänner sowieso den Großteil der Zeit mental in anderen Sphären verbrachten. Wenn er endlich aus GRUND raus war, würde er Hauptmann Daemon in seine jetzige Abteilung folgen, zu den SEALS. William hatte gehört, dass sie dort einen neuen Verkehrsexperten gebrauchen konnten; Reiten war sowieso schon immer einer seiner Stärken gewesen.
Anders als zum Beispiel Gelassenheit...
"Ja, Rekrut, waf gibt ef?", fragte sie mit einem Anflug leiser Ironie.
"Es geht um meine Ausbildung, Mä'äm. Und um die Dauer derselben", antwortete William betont ruhig.
Rogi hob kurz ihre buschige Augenbraue. "Gut, dann morgen früh, nach der erften Lektion in meinem Büro."
William starrte sie an. Sie versetzte ihn einfach! Ohne Angabe eines Grundes!
"Nein, jetzt. Es ist wichtig, Mä'äm", stocherte er weiter.
"Rekrut, waf wichtig ift, beftimme immer noch ich, und jetft rauf auf den Übungfplatf mit dir. Wegtreten!", donnerte sie.
Wütend und enttäuscht hob er zu einer erneuten Antwort an, beherrschte sich aber gerade noch, als er den wütenden Blick der Igorina sah. Voller Frustration salutierte er absichtlich locker, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte den anderen Rekruten hinterher. Ja, dachte William grimmig, jetzt eine Runde Schwertkampf. Seine Augen fingen an zu leuchten.
William klopfte an die Tür die Tür der Ausbildungsleiterin. Von drinnen ertönte ein kurzes Poltern, dann erklang Rogis Stimme, gedämpft durch die schwere Holztür.
"Herein!" William öffnete die Tür, trat ein, salutierte kurz und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. "Guten Morgen, Mä'äm!", begrüßte er seine Schäffin, die hinter ihrem Schreibtisch saß und
"Ah, du bift ef, Rekrut. Fetf dich. Wie kann ich dir helfen?", fragte sie, während sie ihn mit ihren zwei unterschiedlichen Augen eingehend musterte. William lachte innerlich spöttisch auf. Du weißt genau, warum ich hier bin, dachte er bei sich.
"Es geht um meine Ausbildung, Mä'äm. Ich bin jetzt schon fast ein halbes Jahr hier! Ich kenne kaum noch Rekruten, weil nahezu alle, die gerade bei GRUND sind, nach mir zur Wache kamen. Ich habe an allen Lektionen teilgenommen, an meisten mittlerweile sogar mehrmals. Ich kann alles, was ein Wächter können muss, ich kann mit dem Schwert umgehen, reiten, ich weiß wie man Leute verhört, was auch immer!" William spürte das bekannte Gefühl eines sich anbahnenden Wutausbruchs. Es gefiel ihm. "Also", fuhr er fort, indem er die Stimme hob, "warum in Ios Namen bin ich immer noch bei GRUND?! Sie wissen genau, dass ich nicht mal freiwillig hier bin! Was soll das Ganze also?" Er ließ ein verächtliches Schnauben hören.
"Da wir gerade von deinen Fähigkeiten fprechen, Rekrut, ef mag fein, daf du wirklich ein guter Fwertkämpfer bift, aber fieh daf nächste Mal bitte davon ab, die Übungfpuppen fu Fägemehl verarbeiten fu wollen. Die Koften dafür werden dir vom nächften Fold abgefogen. Haft du mich verftanden, Rekrut?", fragte sie ruhig. William nickte unter Anstrengung. "Ja, Mä'äm!"
Rogi öffnete eine Schublade und zog nach einigem Blättern seine Akte hervor. Sie blätterte kurz und richtete dann einen ernsten Blick auf William. "Rekrut de Morgue, du bift immer noch bei GRUND und haft fon eine Verwarnung von IA wegen Körperverletfung sowie eine Befwerde vom Kommandeur wegen falfer Betitelung, waf dir längerfriftig vielleicht fogar mehr Ärger verfaffen könnte als die fache mit IA. Und ich rede jetft nicht einmal von den vielen kleineren Befwerden, die hier in hübfer Regelmäfigkeit sowohl von Aufbilderin Magane alf auch von den Rekruten eintreffen. Du haft ein Problem damit, Befehle fu befolgen. Du bekommft ftändig Wutaufbrüche. Um ganf ehrlich fu sein, Rekrut, ich glaube nicht, daff du für die Wächterlaufbahn geeignet bift."
William starrte sie einen Moment mit großen Augen an. "Wie bitte, Mä'äm? Heißt das, sie wollen mich raus schmeißen?"
Rogi räusperte sich. "Daf bedeutet bifher nur, daff ich deinetwegen in der letften Woche fon fo oft ein Entlaffungfantrag zwifen den Fingern gehabt habe, daff er mittlerweile schon ganf zerknittert ift." Sie machte eine Pause, um dem Rekruten die Möglichkeit zu geben, seine Situation einzuschätzen.
William schnürte es den Hals zu. Das konnte nicht, das durfte nicht passieren! Zugegeben, er mochte die Wache nicht sonderlich, aber noch viel weniger behagte ihm die Vorstellung, zu seinem Onkel zurückzukehren und ihm die ganze Sache zu erklären. Er würde ausgelacht werden, als Schande der Familie dastehen...Und das alles nur, weil er ihn nicht an der Akademie hat studieren lassen! Schon wieder kochte er, doch diesmal spürte er, dass das vielleicht im Moment nicht angebracht war. Er atmete tief durch und zwang seine Gedanken zurück in den Raum. Er stellte fest, dass seine Hände den Stuhlsitz umklammerten und ihm langsam der Schweiß den Rücken hinunter lief. Seine Wut auf seine Schäffin war wie weggeblasen und hatte einem anderen, viel unangenehmeren Gefühl Platz gemacht: der Furcht. Er fasste einen Entschluss, auch wenn er ihm nicht gefiel.
"Mä'äm, ich....ich weiß nicht, ob..." Er atmete kurz durch, dann fuhr er mit deutlicher Stimme fort. "Mä'äm, wenn es eine Aufgabe gibt, die ich übernehmen kann, um GRUND zu verlassen, dann geben sie mir eine!"
Stille legte sich wie ein schwerer Vorhang über die Szenerie. Rogi hatte die feinen Nuancen in seiner Stimme gehört. Das war keine einfache Bitte eines Rekruten an seine Ausbildungsleiterin. Es war ein Flehen, ein Betteln. Und zugleich ein Befehl.
Lange schauten sich die beiden regungslos an. Schließlich kam Rogi eine Idee. Sie seufzte, öffnete erneut eine Schublade und entnahm ihr zwei Papierbögen. Sie fing an, einige Worte zu kritzeln, überlegte kurz, setzte noch etwas hinzu und steckte das gefaltete Blatt Papier schließlich in einen Umschlag, den sie William überreichte. Dieser schaute sie fragend an.
"Alfo fön, wenn du ef fo willst. Hier drin find deine Inftruktionen. Du wirft allef befolgen, was auf diefem Fettel fteht, ift daf klar, Rekrut?"
Rasch nahm William den Umschlag entgegen, sprang auf die Füße und salutierte zackig, wobei er die Hacken so heftig zusammenschlug, dass es knallte. "Jawohl, Mä'äm, ich habe verstanden."
"Viel Glück, Rekrut. Wegtreten!"
William machte auf dem Absatz kehrt und humpelte eilig zur Tür hinaus, die er hinter sich zuschlug. Rogi lehnte sich hinter ihrem Schreibtisch zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte auf die Tür. Sie wusste genau, was hinter dem uralten Holz ihrer Bürotür passierte. Das Knistern eines sich öffnenden Umschlags drang gedämpft unter der Tür durch, dicht gefolgt von einem kurzen Moment der Stille. Das nächste Geräusch bestand aus einem urschreiartigen Protestlaut, der sich durch das ganze Wachhaus in der Kröselstraße ausbreitete. Rogi konnte förmlich spüren, wie Wellen des Zorns von außen gegen die Tür preschten, in Gischt aufgingen und sich langsam wieder zurückzogen, nur um kurz darauf erneut mit voller Wucht den Eingang des Ausbilderbüros zu treffen. Ebenso deutlich meinte sie eine Hand zu spüren, die sich blitzschnell von außen auf die Türklinke legte und dort sekundenlang verharrte, bevor sie sich langsam zurückzog und sich samt dem dazugehörigen Körper entfernte.
Rogi konnte sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen. "Braver Rekrut, ganf brav..."
William war nicht sauer. William war auch nicht wütend. William tobte innerlich.
Sofort, nachdem er aus dem Büro der Ausbildungsleiterin gehumpelt war, hatte er den Umschlag geöffnet. Doch was er gelesen hatte, versetzte ihn über alle Maßen in Rage!
Rekrut, dein Befehl lautet folgendermaßen: gehe zum Lebensmittelhändler in der Zimperlich-Gasse und erwerbe folgende Dinge : 5 Brote, 1 Laib Käse, 1 Schinken, 1 kleines Fass Butter.
Zu Transportzwecken darfst du den GRUND-Ausbildungskarren benutzen. Das Geld wird dir später aus der Wachekasse erstattet.
Anschließend wirst du am heutigen Abend der gesamten Ausbildungsabteilung ihr Abendmahl servieren.
Gez. Rogi Feinstich, GRUND-Ausbildungsleiterin
Er sollte einkaufen gehen.
EINKAUFEN! Für das Abendbrot de Rekruten! Und nicht nur das, er sollte es auch zubereiten und servieren! Er, William de Morgue, zukünftiger Lord de Morgue, sollte die Aufgaben eines gewöhnlichen Dieners wahrnehmen! Es war einfach unfassbar, diese Dreistigkeit!
Doch er wusste, er würde sich beugen müssen. Mit kochendem Blut hatte er davon abgesehen, ins Büro seiner Ausbildungsleiterin zu stürmen und ihr den Zettel mit einem derben Kommentar auf den Tisch zu klatschen. Er wusste, es war seine einzige Chance, aus GRUND herauszukommen. Und das machte ihn wütend auf sich selber. Hätte ich Gunther nur widersprochen, wäre ich zur Akademie gekommen, dann hätte ich diesen ...diesen....Unfug hier nicht mitmachen müssen!
Wütend hatte er den Ochsen vor den Karren gespannt und war zur angegeben Adresse gefahren. Der Händler hatte ihm, als er William als einen Adligen erkannte, einen völlig überteuerten Preis gemacht. Daraufhin drohte William, die Gelegenheit zum Aggressionsabbau freudig wahrnehmend, ihn eigenhändig an den Ohren an die Wand zu nageln, wenn er nicht sofort seine unverschämten Betrügereien lassen würde.
William musste lächeln, als er sich an das verängstigte Gesicht des Ladeninhabers erinnerte, den dünnen Schweißfilm auf seiner fahlen Haut, seine Lippen, die irgendetwas von einer Beschwerde stammelten. Wahrscheinlich mein einziger Lichtblick heute, dachte William verbittert.
Und nun war er auf dem Weg zurück zur Kröselstraße. Die Zügel des Ochsenkarrens hielt er fest in der Hand, während er versuchte, den Karren durch den allnachmittaglichen Verkehr in den Straßen von Ankh-Morpork zu lenken. Noch immer kochte befand sich sein Blut in Wallung, auch wenn er sich an dem Händler ein wenig abreagiert hatte. Er wusste, was als nächstes auf ihn zukam. Küchendienst! Was für eine erniedrigende Arbeit! Ich werde mich beim Kommandeur persönlich beschweren! Er zuckte zusammen, als ihm das Bild des Kommandanten der Stadtwache vor dem inneren Auge erschien. Gut, vielleicht war das keine so gute Idee. Vielleicht sollte ich...
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als irgendetwas mit einem lauten Krachen hinten auf dem Wagen aufschlug. William wirbelte herum und sah ein vertrautes Gesicht. Es gehörte zu einem kleinen, leicht dicklichen Mann mit vor Anstrengung gerötetem Gesicht, der anscheinend hinter seinem Karren hergelaufen und dann hinten aufgesprungen war.
"Herr Feder", bemerkte William trocken, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt und den Karren an den Straßenrand gelenkt hatte. Karl Feder war ein wenig erfolgreiches Mitglied der Diebesgilde. William kannte ihn von einem Außeneinsatz; Herr Feder und ein Freund von ihm aus der Assassinengilde hatten versucht, sie während des Dienstes auszurauben. Daraufhin war es zu einem Handgemenge gekommen, und William war von Herrn Feder mit einem Wurfdolch am Bein verwundet worden, was ihm erstens dieses gottverdammte Humpeln und zweitens noch eine IA-Verwarnung wegen Körperverletzung(!) verschafft hatte. Dabei war es doch William gewesen, dessen Körper verletzt wurde!
Herr Feder stand auf der Ladefläche des Karrens und schaute ihn mit gierigen Augen an. William konnte sehen, dass sein Arm immer noch verbunden war. Er hatte auch einige Verletzungen abbekommen; Williams Mitrekruten Mina und Fantine hatten wohl in ihrer Bemühungen zur Selbstverteidigung etwas übertrieben. Und er wollte sich dafür rächen, das konnte William klar in seinen Augen sehen.
Ohne ein Wort zu sagen, kramte der Dieb kurz in seinen Taschen. Mit einem breiten Grinsen streckte er William schließlich seine Diebeslizenz entgegen. "Da isser ja wieder, der feine Schnösel! Hab schon gedacht, ich find dich gar nicht mehr. Dann zeig mal, was du so dabei hast, los!"
William hätte vor Ungerechtigkeit losheulen können, wäre ihm nicht eher nach schreien zumute gewesen. In seinem Kopf öffnete sich eine Tür. Die Tür, die er sonst immer mit Mühe wieder verschließen musste, war ihm jetzt willkommen. Hass durchströmte seinen Körper, Wut, Ärger. Er spürte das Blut in seinen Adern fließen, hörte es in seinen Ohren rauschen. Ein Adrenalinstoß peitschte durch seinen ganzen Körper Er spannte seinen Körper an. Er visierte den Dieb an. Er war bereit, loszuspringen. Er wollte verletzen, Schmerz verursachen, möglichst viel Schmerz. Es war ihm egal, wenn das Konsequenzen hatte. Er wollte diesem arroganten rachsüchtigen Weichling das Gehirn aus dem Kopf prügeln, mit bloßen Händen!
In seinem Kopf meldete sich eine Stimme, wortlos. Sie versuchte, den Dämonen in ihm zurückzuhalten, sie beschwor, sie bettelte. Vergebens. Und als alle Anstrengungen vergebens schienen, fiel der Stimme etwas ein. Sie hatte eine Idee. Sie ging einen Kompromiss ein.
Williams Wut verflog schlagartig. Seine Muskeln schmerzten vor Anspannung, sein Kopf fühlte sich merkwürdig hohl an, er war immer noch aufgeputscht, aber er hatte einen Plan.
Er sah Karl Feder in die Augen, lächelte überheblich und lehnte sich auf dem Karrensitz zurück. "Gut, nimm dir, was du brauchst, mach ruhig", sagte er langsam. Der Dieb, der den Ausdruck der Rage in Williams Gesicht wahrgenommen hatte, kam langsam näher. Er hatte Respekt vor diesem verrückten Schnösel, er war wahnsinnig! Wahnsinnig!! Mit zittriger Stimme sagte er :"Äh...gib mir deinen Geldbeutel, sofort! Bitte", setzte er hinzu und biss sich auf die Zunge. Das ist ja die Höhe, dass ich diesen Verrückten um etwas bitte! Karl, was ist bloß aus dir geworden, wenn du nicht einmal mehr richtig stehlen kannst?
Ohne sein Gegenüber aus den Augen zu lassen, griff William mit der linken Hand nach seinem Geldbeutel, der an seinem Gürtel befestigt war, und löste ihn. Den unsicheren, gierigen Blick starr auf das Geld gerichtet, leckte sich der Dieb nervös die Lippen. Als Herr Feder schließlich nach dem Beutel greifen wollte, der sich ihm appetitlich in Williams offener Handfläche präsentierte, zuckte Williams Arm zurück und sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an. "Moment, warte mal kurz", er schien zu überlegen, "wenn ich mich richtig erinnere, war das gar nicht mein Geld. Stimmt ja, das gehört der Stadtwache, mein Fehler, tut mir leid." Und mit einem wissenden Grinsen befestigte er den Geldbeutel wieder an seinem Gürtel.
Der Dieb war völlig aus der Fassung. "Was?! Du verarschst mich doch! Das ist deiner, ich hab dich doch letztens schon mit dem Ding rumlaufen sehn! Also her damit, sonst werd ich böse!" Er schnaubte wütend. William hob bedauernd die Schultern und meinte entschuldigend: "Wie gesagt, das Geld gehört alles der Stadtwache. Ich sollte ein paar Einkäufe machen. Glaub mir ruhig. Ich würde dir ja gerne was geben, aber mir sind die Hände gebunden." Das entsprach natürlich nicht wirklich der Wahrheit, aber darum ging es nicht. Das Gesicht des Rekruten nahm einen gehässigen Ausdruck an. Die Botschaft an Herrn Feder war deutlich: Du bist Mitglied der Diebesgilde. Du darfst von allen Leuten klauen, außer von denen, die bereit sind, ihr Geld freiwillig zu spenden. Und die Stadtwache spendet auch regelmäßig Beträge an die Diebesgilde, das wusste William. Wenn ich also die Wahrheit sage, dann bringt dir dieser Diebstahl jede Menge Ärger ein, mehr, als du dir vorstellen kannst. Das willst du nicht riskieren, oder? Oder??
Die beiden starrten sich sekundenlang an. Schließlich senkte Herr Feder seinen Kopf und seufzte. "Hmm, na gut", murmelte er, " dann nehme ich mir halt einfach was aus dem Sack da!" Er deutete auf den großen Sack aus Leinen, in dem William die Lebensmittel verstaut hatte und der sich während der Fahrt auf der Ladefläche befunden hatte. William schüttelte Mitleid heuchelnd den Kopf. "Ich muss dir leider mitteilen, dass auch der Inhalt dieses Sackes der Stadtwache gehört, ebenso wie der Sack an sich. Das gleiche gilt übrigens auch für meine gesamte Ausrüstung", er deutete auf seinen glänzenden Harnisch," und natürlich auch für den Karren, von dem Ochsen mal ganz zu schweigen. Wie du siehst", sagte er und breitete seine Arme aus, " gibt es hier nichts für dich zu holen." Williams Blick sagte wiederum etwas anderes. Du kannst jetzt auf der Stelle verschwinden, oder du kannst mich physisch davon überzeugen, dass das Geld nicht der Wache gehört. Und ich überlege immer noch, was davon mir besser gefallen würde.
Ein mutiger Mann wäre zu William gegangen und hätte sich den Beutel einfach genommen. Ein vernünftiger Mann hätte Williams Aussagen geprüft und festgestellt, dass er nur blufft.
Ein Mann wie Herr Feder stand einfach nur da, rang mit sich selber, und verlor den Kampf. Er ließ die Schultern sinken, warf William einen Blick zu, der bestimmt als böse gedacht war, und deutete mit dem Finger auf William."Du arrogantes Stück! Du Schnösel! Ich krieg dich dran, verlass dich drauf, irgendwann wird ich dich ausrauben! Jawohl!" Damit sprang er vom Wagen und trottete davon, ohne sich noch einmal umzudrehen. William grinste triumphierend. Abschaum, dachte er bei sich, da hat man schon nur die Chance, Dieb zu werden, und dann vermasselt man das auch noch so. Blutiger Anfänger! Du musst schon eher aufstehen, wenn du gegen William de Morgue antreten willst. "Oder du legst dich erst gar nicht schlafen", flüsterte er grimmig.
William griff zu den Zügeln und wollte sich gerade wieder in das Gedränge in der Straße einordnen, als er einen Schemen in einer kleinen Gasse neben ihm sah. Als er seine Aufmerksamkeit darauf fokussierte, war er verschwunden. Wer auch immer das gewesen war, William hatte das ungute Gefühl, beobachtet worden zu sein. Und wenn er sich nicht ganz täuschte, hatte sein Beschatter eine grüne Uniform getragen...
"Ah, danke föhn, Rekrut, fehr gut. Du bift für heute entlaffen." Rogi wandte sich ihrem Teller zu und begann, an ihrem belegten Brot zu kauen. William, der ihr sowie allen anderen Rekruten und den beiden Ausbildern das Abendbrot serviert hatte, begab sich erleichtert in die Küche und zog die einstmals weiße, in den Jahren jedoch ziemlich verdreckt und vergilbt gewordene Schürze aus und hängte sie an den dafür vorgesehenen Haken an der Wand. Eigentlich war es gar nicht so schlimm gewesen, sagte er sich immer wieder. Abgesehen von der Arbeit, natürlich. Und dem Gelächter der anderen Rekruten. Und der Genugtuung in den Augen der Ausbilder und der Ausbildungsleiterin. Obwohl, selbst die Arbeit war irgendwie...befriedigend gewesen, auf eine sehr archaische Art und Weise. Ja, er wollte jetzt Brot schneiden, er brauchte das jetzt! Er starrte auf die zwei verbliebenen Brotlaibe auf dem Küchentisch. Dann zog er sein Schwert, hob es über den Kopf, nur um danach die Klinge auf das Brot hinuntersausen zu lassen und in zwei Teile zu teilen. Ja, das war gut! So befreiend! Und noch eine Scheibe! Zack! Und Zack! Verbissen hackte er mit seinem Dienstschwert auf den Laib Brot ein. Zugegeben, die Scheiben waren sehr unregelmäßig, doch wen kümmerte das schon? Zumindest waren sie nicht sehr viel schlimmer als sonst immer.
Er wurde von Rogis Stimme unterbrochen. "Meine Güte, Rekrut, waf fur Hölle treibft du hier?" Sie starrte mit einem verwirrten Blick abwechselnd auf William, das Schwert und und den Berg aus duzenden Brotscheiben. William ließ sein Schwert sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn ab. Er schaute sie mit großen Augen an. "Ich schneide Brot, Mä'äm. Wie soll ich das denn sonst bitte machen?" Doch die Igorina war schon an ihm vorbei gelaufen, hatte zielsicher eine Schublade geöffnet und dreht sich um. In jeder Hand hielt sie ein großes Messer. Sie funkelte ihn mit ihren beiden Augen an. William wich ängstlich zurück.
[1] "Weift du überhaupt nichtf? Daf find Meffer fum Brot-und Finkenfneiden. Eigentlich wollte ich dir fagen, daff du den Tfob gegen meine Erwartungen ganf gut gemeiftert haft, aber ich glaube, ich muff mein Urteil noch einmal überprüfen. Und wie du Herrn Feder hereingelegt haft, war auch nicht fehr nett!" William erwachte aus sseiner Starre und sprang von da aus direkt hoch auf die Barrikaden. Er hatte es gewusst. Rogi hatte ihn beobachten lassen, von einem FROG-Späher. Und das band sie ihm so einfach auf die Nase. Frechheit! "Ich wurde beobachtet, bespitzelt. Von FROG, ich hab ihn gesehen, diesen Waldemar von Silberfang. Was soll das Ganze?", frage er gereizt. Rogi legte die Messer beiseite und verschränkte die Arme, während sie sich gegen einen Schrank lehnte. "Eine Übung, Rekrut. Für dich und für ihn. Er ift Fpäher in Aufbildung, und da ich dich fowiefo wiffen wollte, waf du wieder allef anftellft, habe ich ihn gebeten, diefen Tfob fu übernehmen. Waf dich angeht, du hatteft heute eine wichtige Lektion in Fachen Gehorfam und Anti-Aggrefion. Du folltest auch wiffen, daff Herr Feder nicht ganf fufällig heute auf dich geftofen ift. Ich bin nicht hundertprotfentig fufrieden mit dir, aber trotfdem muss ich dir mitteilen, daff deine Aufbildung hiermit fuende ift. Pack deine Fachen fufammen, Rekrut."
William hatte gar nicht mehr zugehört. Auch Herr Feder war auf ihn angesetzt gewesen? Hatten sich jetzt alle gegen ihn verschworen? Und diese Igorina vor ihm hatte auch noch die Frechheit, ihm das alles an den Kopf zu knallen! Unglaublich!
Rogi bemerkte, dass William nicht reagierte. Sie sah ihn fragend an."Ift noch etwaf, Rekrut? Noch eine Frage?"
William sah ihr langsam in die Augen. Er wollte ihr so viel an den Kopf werfen, sie inkompetent schimpfen, so verbittert war er, dass er in allem anscheinend nur eine kleine Figur, nur ein kleiner Rekrut war, den man herumschubsen durfte. Doch erneut entschied er sich anders.
"Ja, Mä'äm. Darf ich bitte weiter Brot schneiden?"
Rogi seufzte, warf die Hände in die Luft und verließ verwirrt die Küche. Mit glänzenden Augen drehte sich William um. Zack! Und Zack! Und mit jedem Hieb wurde die Welt ein klein wenig besser für William de Morgue.
[1] Bei vollem Bewusstsein zu beobachten, wie sich ein Igor mit zwei großen werkzeugähnlichen Messern nähert, ist etwas, was man nicht unbedingt erleben muss. Es ist wirklich unangenehm.
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