Die Konserven- Verschwörung

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von Gefreite Mimosa (RUM)
Online seit 22. 08. 2007
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Seltsame Explosionen erschüttern die Stadt; die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Mimosa hat hingegen noch viel größere Probleme: Wie soll sie nur die Ausbildung zur verdeckten Ermittlerin bestehen, ohne zugeben zu müssen, dass sie weder lesen noch schreiben kann?

Dafür vergebene Note: 11

G.R.u.N.D.

"Rechts, rechts, rechts links rechts!"
Gehorsam trottete Mimosa hinter Rogi und den vor ihr exerzierenden Rekruten her. Das Wetter entsprach genau ihrer Stimmung. Es war trübe, der Himmel grau- regnerisch und wolkenverhangen. In ihrer Kapuze drehte sich Streicher um die eigene Achse und schlief dann vermutlich weiter, der Glückliche, während sie hier stupide durch Ankh-Morporks Straßen strampelte. Nur wenige Bürger waren unterwegs; sie wirkten wie graue, gesichtslose Schatten, die durch die Straßen huschten.
"Rechts links rechts"
Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen und ließ ihre Arme baumeln. War ja nicht gerade ein besonders anspruchsvoller Teil der Ausbildung. Ein weiterer grauer Schatten schlüpfte aus einer der Seitengassen, rempelte sie an, nuschelte etwas Unverständliches und wollte sich aus dem Staub machen. Unwillkürlich streckte Mimosa ihr Bein aus, trat dem Möchtegerntaschendieb in die Kniekehle und zog ihm ihren Geldbeutel aus seinen Fingern.
"Rekrutin Mimofa!"
"Dieser Bürger ist gestürzt, Määm!"
Mimosa half dem verhinderten Dieb auf die Beine, warf ihm noch einen warnenden Blick aus flammend roten Augen zu- der Mann zuckte sichtlich zusammen- und hastete dann hinter ihren Kameraden her.
Doch sie konnte sich nicht mehr auf die ach so simple Aufgabe konzentrieren. Schleicher quiekte leise in ihrer Kapuze und bewegte sich unruhig im Schlaf, als wüsste er was sie quälte. In ihrer Unachtsamkeit trat sie der vor ihr laufenden Rekrutin in die Hacken [1].
"Pass doch auf", knutterte Mohrtischa. Mimosa murmelte etwas Unverbindliches.
Hatte er sie erkannt?
Unwahrscheinlich.
Hoffentlich.
Schließlich hatte sie damals noch ganz anders ausgesehen, und sie war noch viel jünger gewesen. Außerdem war es schon eine ganze Weile her, dass sie zu Knut Klingelings Bande gehört hatte...

flashback

Zitternd presste sie sich in die Ecke, wimmerte leise vor sich hin, während Tränen helle Spuren auf schlammverschmierte Wangen malten. Regen platschte auf nackte Füße, die keinen Platz fanden unter dem lächerlich schmalen Dachrand, unter dem sie hockte, eingeklemmt zwischen Hausecke und einem leckendem Regenfass. Sie hatte die Beine so weit wie möglich angezogen, ihre Arme umschlangen ihre Knie, während sie blicklos in den Regen starrte. Gelegentlich waberte ein Passant im Zwielicht vorbei; ein grauer, gesichtsloser Schatten, der einer weiteren verlorenen Seele keine Beachtung schenkte.
Verloren.
Allein.
Kalt.
Nass.
Regen.
Doch wenn sie die Augen schloss, konnte sie noch immer das flackernde Feuer sehen, hörte das Knacken und Knistern, das Prasseln der Flammen und roch den beißenden fetten Qualm, der wie eine schwarze Wand vor ihr stand und dennoch das grell brennende Licht nicht zu verdecken wusste.

Sie war aufgewacht, mitten in der Nacht, denn sie hatte geträumt, geträumt von namenloser finsterster Schwärze, in die sie eintauchte und die sie zu ersticken drohte- aufgewacht in einer Welt aus Feuer.
Sie stieg aus dem Bett, sich keiner Gefahr bewusst, sich in einer Fortsetzung ihres Traumes wähnend- bis die gierigen Flammenzungen begannen an ihren nackten Füßen zu lecken. Schmerz ließ sie zurückspringen. Dann folgte Entsetzten. Voller Angst wandte sie sich in Richtung der Tür, die jedoch bereits lichterloh in Flammen stand. Das Feuer trieb sie an die gegenüber liegende Wand. Rücklings kroch sie an der Mauer entlang, ihr ganzes Sein hatte sich völlig auf das Entkommen vor den Flammen reduziert. Nichts anderes spielte mehr eine Rolle. Endlich stieß sie an den Fensterrahmen.
Sie wusste nicht, wie lange sie vor dem Scheiterhaufen stand, der einmal ihr Zuhause gewesen war. Kurz nachdem sie rauchverschmiert und mit Brandblasen übersät kopfüber auf das Pflaster gefallen war, kam die Golem- Feuerwehr und bemühte sich, den Feuer Einhalt zu gebieten. Doch sie konnten es nicht löschen, sondern nur noch verhindern, dass es auch die Nachbarhäuser fraß. Außer ihr hatte niemand das Gebäude verlassen.
Um sie herum entstand Getuschel. Jemand fasste sie an der Schulter, wollte sie wegführen, doch sie schüttelte die fremde Hand ab. Sie musste noch auf ihre Eltern warten. Sie durfte nicht mit Fremden mitgehen. Das hatten ihre Eltern immer gesagt. Also sagte sie es auch.
"Ich darf nicht mit Fremden mitgehen. Ich muss noch auf meine Eltern warten."
Die Hand berührte sie wieder an der Schulter. Diesmal drehte sie sich um und sah hoch. Sie reichte dem fremden Mann noch nicht mal an die Hüfte heran. Er lächelte sanft, doch seine Augen blickten traurig.
"Deine Eltern werden nicht mehr kommen, Kleines."
Und als sie begriff, dass er die Wahrheit sagte, rannte sie los.

Sie saß lange in der Ecke in irgendeiner ihr unbekannten Straße- die Zeit hatte ihre Bedeutung verloren. Der Regen hatte zu spät eingesetzt, um noch irgendetwas zu retten. Plötzlich wurde die dunkle Ecke noch ein wenig dunkler, als sie ein Mann vor ihren Unterschlupf hockte.
"Huh, was haben wir denn da, eh? Ganz allein hier?"
Sie blieb stumm.
"Das is` aber nicht`n guter Platz für `ne junge Dame, eh?"
Er streckte die Hand aus, aber sie drehte den Kopf weg. Er lachte leise.
"Ne kleine Mimose, was? Und so dunkle Haut. Bisschen Handtuchkopf?"
Sie verstand nicht. Sie wollte nur, dass er ging. Sie war so müde.
"Na komm. Der olle Knut kennt`n besseres Plätzchen!"
Diesmal ließ sie sich widerstandslos anfassen und hochziehen. Sie war zu erschöpft und zu ausgelaugt gewesen, um sich noch irgendetwas zu widersetzten. So hatte sie Knut Klingeling getroffen- und ihren Namen erhalten.

flashback Ende

R.U.M

Mimosa strich sanft über ihre neue Uniform- schwarz und dunkelrot- und bewunderte den Stoff. Noch nie im Leben hatte sie so hochwertige Kleidung getragen, geschweige denn besessen. Die GRUND- Ausstattung war bestenfalls ein Sammelsurium, zusammengestellt aus den Überbleibseln unzähliger Vorgängergenerationen, und in ihrer Zeit vor der Wache hatte sie ihre Kleidung aus dem Müll und von unbeaufsichtigten Wäscheleinen requiriert. Hauptsache, es war unauffällig und wärmte.
Aber diese Uniform gehörte wirklich ihr. Hart und ehrlich erworben. Auch diese Kleidung war unauffällig geschnitten, aber sauber vernäht, warm, weich und ließ großen Bewegungsspielraum. Und das Beste: Sie hatte eine Kapuze, gedacht um das Gesicht zu verbergen, doch nun diente sie als Schleichers Aussichtsposten.
Sie polierte noch mal ihre niegelnagelneue Dienstmarke mit dem Ärmel, verglich das Zeichen an der Tür mit dem Zeichen auf dem Zettel, das der neue AL ihr gegeben hatte (ein Kreis mit einem geschwungenen Strich nach oben) und klopfte an die Tür.
Nichts passierte.
Sie wartete.
Nach fünf Minuten passierte immer noch nichts.
Also klopfte sie erneut.
Beharrliches Schweigen.
Der AL Romulus von Grauhaar hatte doch gemeint, ihre Ausbilderin wäre im Haus?
Nächster Versuch.
Eine freundlich lächelnde Wächterin von FROG öffnete die Tür.
Mimosa hob irritiert die Augenbrauen. Hatte sie sich in der Tür geirrt? Sie überprüfte noch mal das Zeichen. Nein, das war richtig.
"Äh, entschuldige, ich suche Lilli Baum von RUM".
Die junge Frau lächelte weiter und deutete mit der Hand in das Büro. Dankbar trat Mimosa ein- nur um festzustellen, dass sie und die FROG die einzig Anwesenden waren.
"Sie sind Lilli Baum? Aber ich dachte..."
Die Gefreite deutete immer noch lächelnd auf den applizierten Frosch auf ihrer Uniform. Mimosa gab auf.
"Ja, unsere Lilli ist nicht von der gesprächigen Sorte."
Erschrocken fuhr sie herum. Wen hatte sie übersehen? Erst jetzt bemerkte sie die Kaffeemaschine - und den Kaffeedämonen, der pfeiferauchend auf ihr saß. Sie wich ein paar Schritte zurück.
Auch das noch! Ein Dämon!
Das Viech quittierte ihr Zögern mit einem schiefen Grinsen, das sein Gesicht glatt in zwei Hälften schnitt.
Unterdessen stupste Lilli sie in den Rücken. Als Mimosa sich umdrehte, drückte Lilli ihr eine Karte in die Hand. Mimosa starrte auf das ihr vollkommen unverständliche Gekritzel. Lilli verdrehte die Augen, nahm ihr die Karte wieder ab, drehte sie andersrum und hielt sie ihr wieder vor die Augen. Aus Mimosas Sicht der Dinge hatte sich dadurch keine große Verbesserung eingestellt.
Lilli zeigte noch einmal demonstrativ auf die Karte, dann auf sich selbst. Mimosa konnte nur hilflos mit den Schultern zucken.
Lilli nahm beide Hände zur Hilfe, zeigte auf sich selbst, malte dann einen großen Kreis in die Luft und fuhr mit den Händen nach unten.
Mittlerweile war sich Mimosa sicher im falschen Zimmer gelandet zu sein. War das hier irgend so ein Püschologen-Quatsch?
Der Dämon kicherte währenddessen hörbar vergnügt vor sich hin.
Mimosa verlor die Geduld. "Können Sie mir nicht einfach sagen, wie..."
"Du hast wohl nicht zugehört", unterbrach sie der Dämon. "Lilli redet nicht. Sie ist ein Baum!"
"Ein..." Mimosa starrte ihn ungläubig an. Dann machte es in ihrem Kopf Klick.
"Ah, verstehe. Das hier ist die inoffizielle RUM- Begrüßung, stimmt's? Einmal die neue Kollegin verarschen. Okay, ich hab`s kapiert, wir haben alle gelacht, ihr könnt jetzt rauskommen!"
Der Dämon prustete los. Lilli schlug die Hand vor die Stirn, ging zu ihrem Schreibtisch, hob einen gläsernen Kasten auf und tippte scheinbar wahllos auf der Oberfläche herum. Sechs kleine Krallen erschienen am Rand des Kastens, gefolgt von zwei Hörnern, einem zerknautschtem Gesicht und dem Rest eines weiteren Dämons.
"Hrr-hrr-hrr-hrr-chrrm. Ich bin ein Baum. Und ich bin Günter. Hör bloß nicht auf das Schild!"
"Du bist auch ein Baum?"
Mimosa verlor langsam auch die letzten Reste ihres Überblicks.
"NEIN! Sie ist der Baum. Ich bin ein S.P.R.E.C.H.- Dämon!"
Hochzufrieden mit dieser Aussage, ließ sich der Dämon auf dem Kistenrand nieder und baumelte mit den Beinen.
"Ignorier bloß diesen Spinner dort drüben! Dem hat der Kaffeedampf jeglichen Funken Intelligenz erstickt!"
"Du musst es ja wissen", schnaubte Paul, "kennst ja noch nicht mal deinen Namen- Horatius!"

Lilli schien das Gezanke der Dämonen gewöhnt zu sein, denn sie hämmerte unbeeindruckt ob der in der Luft herumschwirrenden Beleidigungen weiter auf der Glasplatte herum:
"Lilli meint -warte, welcher Buchstabe war das? Ach, ja- Lilli hat demnächst einen längeren Einsatz, also werden wir beide wohl -he, wieso wir? Du bist hier der Ausbilder! Das ist ja mal wieder typisch! Immer muss ich die ganze Arbeit machen!"
Der Dämon schnaubte entrüstet, während Lilli Mimosa leicht abwesend anlächelte.
"Immer auf die Kleinen. Lilli wird `ne Weile nicht hier sein, und deshalb soll ich für den theoretischen Teil der Ausbildung herhalten."
Mimosa grinste missmutig. Ausgerechnet ein Dämon sollte sie ausbilden!
Lilli lächelte ihr aufmunternd zu und tippte wieder auf den Kasten.
"Sollst morgen um dieselbe Zeit wieder kommen", meinte Horatius/der SPRECH- Dämon/ was-auch-immer und widmete sich erneut voller Inbrunst dem zwar verbalen, aber nichtsdestotrotz kaum weniger heftig Kleinkrieg zwischen ihm und dem Kaffeedämonen.

Mimosa schlich hängenden Hauptes in das Büro, dass sie -Io sei`s gedankt!- mehr oder weniger allein bewohnte. Thymian Pech hatte sie noch nicht kennen gelernt, und Pyronekdan ließ sich eh kaum blicken, da er einen eigenen Raum in der UU bewohnte. Außer zwei unausgeräumten Kartons ließ nichts darauf schließen, dass sie nicht die einzige Insassin dieses Büros war. Und auch mit ihr als (neue) Dauernutzerin strahlte der Raum soviel Wohnlichkeit aus wie eine Verhörzelle.
Mimosa setzte sich an den Schreibtisch und stützte die Hände auf den Kopf. Natürlich hatte sie gewusst, dass ihr kleines "Geheimnis" nicht ewig geheim bliebe, aber sie hatte gehofft, zumindest etwas mehr Zeit zu haben. . .
Schleicher kletterte auf ihre Schulter und zwackte sie ins Ohr. Gedankenverloren hob sie ihn auf ihren Schoß und kraulte seinen Kopf. "Du hast auch keinen brauchbaren Vorschlag, oder?"
"Mhhh, lesen lernen?"
"Sehr witzig. Und das am besten in 24 Stunden, oder was?"
Streicher spitzte die Ohren und rümpfte die Nase, das Rattenäquivalent eines Schulterzuckens.
"Menschenprobleme. Wir Ratten teilen uns Botschaften anders mit."
Mimosa verzog angewidert das Gesicht.
"Komm mir ja nicht mit solchen Ideen. Ich kann mir genau vorstellen, wie der AL darauf reagiert!"
"Der ist doch ein Werwolf, oder? Also so was wie ein Hund. Die machen das genau so!" protestierte Schleicher.
Plötzlich klopfte es an der Tür und bevor Mimosa reagieren konnte, schneite Anna Orientierungslos herein, der zweite Neuzugang der RUM- Abteilung.
"Der AL hat mir `ne Nachricht für. . . Du bist ja ganz allein? Mit wem hast du denn gesprochen?"
"Mit niemandem", winkte Mimosa schnell ab. Schleicher biss ihr beleidigt in den Finger.
Anna legte ein Blatt Papier auf Pyronekdans Pappkarton und wandte sich zum Gehen. Plötzlich hatte Mimosa eine Idee.
"Du, Anna. . . Kannst du mir vielleicht bei einem kleinen Problem helfen?"
"Klar. Worum geht's denn?"
"Ähm."
Mimosa biss sich verlegen auf die Lippen.
"Ich. . . Weißt du, meine Ausbilderin, Lilli Baum, die spricht nicht. . . "
"Von der hab ich schon gehört", unterbrach sie Anna, "glaubt sie wirklich ein Baum zu sein?"
"Scheint so. Jedenfalls schreibt sie immer alles auf so kleine Zettel, und sie hat da diesen SPRECH- Dämon, dass mit dem Dämon ist natürlich soweit okay, aber die Zettel, na ja. . . "
Hilfesuchend sah sie Anna an. Die wurde aus dem Gestammel nicht recht schlau.
"Was ist mit dem Zetteln? Hat sie so eine Sauklaue?"
"Ich kann es nicht lesen", murmelte Mimosa zaghaft.
"Frag sie doch einfach, ob sie nicht ein bisschen deutlicher schreiben kann!"
"Nein, ich meine, ich kann es generell und überhaupt nicht lesen!"
"Du kannst nicht lesen?"
"Nicht wirklich".
Verlegenes Schweigen.
"Könntest du es mir bitte beibringen?"

2 Wochen später

Hätte ein Intendant der Scheibe Mimosa jetzt gesehen, hätte er sie vom Fleck weg engagiert. Sie bot ein Bild absoluter und härtester Anstrengung. Ihre verschwitzten Haare klebten ihr wirr in der Stirn; die Augen zusammengekniffen, die Zunge zwischen zusammengebissenen Zähnen, versuchte sie krampfhaft die Hieroglyphen zu kopieren, die auf dem Blatt Papier vor ihr standen. Schleicher saß neben dem Blatt, knackte zufrieden Erdnüsse und bombardierte sie gelegentlich mit den Schalen, wenn sie nicht hinguckte. Mittlerweile war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sich die ganze Arbeit überhaupt lohnte. Sie konnte zwar mittlerweile ihren eigenen Namen, Schleicher, Anna Orientierungslos und Lilli Baum aus dem Gedächtnis heraus schreiben - zumindest konnte man die Namen mit einigem guten Willen als solche identifizieren- aber sie hatte kaum den Eindruck, wesentliche Fortschritte zu erzielen.
"Der Bauch vom B muss in die andere Richtung".
Sie korrigierte den Buchstaben. Eine Erdnussschale traf sie an der Stirn.
"Jetzt reicht`s aber!" fauchte sie genervt. Schleicher verzog sich vorsichtshalber unter den Tisch.
"Ganz ruhig", versuchte Anna sie zu beruhigen und legte ihr eine Hand auf den Arm. Angesichts Mimosas momentaner Gemütsverfassung war das ungefähr vergleichbar mit dem Risiko eines Hochseilartisten, über ein 30 Meter hoch gespanntes brennendes Hanfseil zu laufen.
"Wir sollten für heute aufhören. Deine Augen sind schon ganz rot- ich meine, noch röter als sonst."
Mimosas Schultern sackten nach unten.
"Das krieg ich nie hin!"
"Doch, du machst das ganz gut, ehrlich!" versuchte Anna sie zu ermutigen. Sie war keine gute Lügnerin.
"Man kann nicht in nur zwei Wochen lesen und schreiben lernen! Das dauert eben ein bisschen."
Mimosa konnte ihr kaum sagen, dass Schleicher schon nach drei Tagen alle gedruckten Zeichen unterscheiden konnte und nun jeden Abend Mimosa die Akten, Fallbeispiele, Verkleidungstipps, Fahndungsbriefe und was Lillis Dämon sonst auch immer ausbuddelte, vorlas.
Als sie ihn darauf ansprach, meinte er lakonisch: "Schon mal versucht dich in einem unterirdischen Tunnelnetzwerk zurechtzufinden, und zwar anhand tausender unterschiedlicher Gerüche, Abnutzungsspuren an den Gängen und leicht verschiedenen Steinmustern? Dagegen ist das hier ein Klacks. Sind schließlich nur 26 Zeichen."
Ausgebootet von `ner Ratte, dachte Mimosa, das darf ich wirklich niemandem erzählen!

Spät am Abend schlich sie mit hängenden Schultern nach Hause. Sie hatte ein kleines, billiges Zimmer in der Nähe der Kröselstraße gefunden -keine Haustiere, kein Männerbesuch, kein Kochen auf dem Zimmer, eine Kerze pro Woche und KEIN LÄRM!- und den größten Teil des neuen Solds erstmal in warme Klamotten und ein paar Decken investiert.
Der heutige Tag war wirklich anstrengend gewesen. Zwei Stunden Belehrungen vom Dämon, da Lillis verdeckte Ermittlung ziemlich lange dauerte und sie nur sehr selten im Wachhaus vorbeikam, um Mimosa Anweisungen zu geben oder ihr kleine Prüfungen zu stellen, zwei Stunden Schreibunterricht mit Anna, halbe Stunde Mittagspause (in der Kantine gab es Eintopf, den Schleichers feine Nase als "eindeutig schon dreimal gegessen" identifizierte, was ihn aber keineswegs daran hinderte, es genüsslich zu verspeisen), in der sie Schleicher vor einem Zwerg retten musste, der schon die Ketchupflasche in der Hand gehalten hatte. Danach drei Stunden Nahkampftraining unter verschärften Bedingungen (auf rutschigem Boden, nur mit einem abgebrochenen Stuhlbein bewaffnet, gegen drei Gegner), wobei sie zwar ihre Frustration abbauen konnte, aber auch ordentlich Prügel einsteckte, zwei Stunden im Fundus Verkleidungen raussuchen, die ihr der Dämon diktierte und noch einmal zwei Stunden Schreibunterricht. Mimosa musste ehrlich zugeben, dass sie Annas Geduld bewunderte. Sie selbst empfand sich als hoffnungslosen Fall.
Zu allem Überfluss hatte es auch noch drei Anschläge auf die Alchimistengilde gegeben. An sich ein Fall für DOG und SUSI, denn die Anschläge waren in Form von Explosionen erfolgt, aber die Oberhäupter der Alchimistengilde hatten hoch und heilig geschworen, dass heute niemand mit irgendwelchen Pulvern experimentiert hatte- schließlich wäre die Einweihung des neuen Gebäudes erst morgen gewesen.
Wahrscheinlich hatte es ein übereifriger Alchimistenschüler nur nicht anwarten können und wollte das neue Gebäude als erster in die Luft jagen, aber die Wache musste der Sache trotzdem nachgehen. Und da es Verletzte gegeben hatte und auch ein paar Beutel mit Pulver Nummer 2 abhanden gekommen waren, wurde RUM ebenfalls verständigt.
Pulver Nummer 2. Die regten sich wirklich auf nur wegen so ein bisschen Knallpulver. Es gab wohl wirklich Schlimmeres. . .

flashback- ca. 1 Monat vor Wacheeintritt

Es war mal wieder einer dieser wirklich üblen Tage. Es musste einer dieser wirklich allerübelsten Tage sein, denn sonst wäre sie nicht so bescheuert, ausgerechnet im Müll der UU nach Essbarem zu suchen. Aber sie konnte es sich in ihrer jetzigen Situation nicht leisten, wählerisch zu sein. Bis vor kurzem war sie - für ein Straßenkind in Ankh-Morpork- noch relativ gut versorgt gewesen, dank Knut Klingeling und seinen Männern, aber dann-
Mimosa wollte nicht daran denken. Knut hatte sie gefunden, ihr sicherlich das Leben gerettet, als er sich um sie kümmerte, er hatte ihr Kleidung und Essen gegeben- und so etwas wie ein Zuhause.
Für Knut war es kein Akt reiner Gnade gewesen, das war ihr klar. Das Leben einer unlizensierten Diebesbande in Ankh-Morpork, und sei es auch in den Schatten, war für gewöhnlich sehr kurz und hatte ein sehr schmerzvolles Ende- mitunter auf dem Dach der Diebesgilde, aufgehängt am Wetterhahn. Für die Männer war ein kleines, zierliches, und vor allem unauffälliges Mädchen Gold wert gewesen, konnte sie sich doch durch jede noch so schmale Lücke, jedes noch so enge Fenster zwängen und die Türen öffnen.
Doch dann war sie viel zu schnell gewachsen, aus dem kleinen Mädchen wurde eine hochgewachsene junge Frau, und die Blicke der Männer änderten sich.
Sicher, sie war nicht so naiv zu glauben, dass die Männer, wenn sie gelegentlich mit einer "Näherin" verschwanden, ein Loch in der Hose gestopft haben wollten. Aber das Knut. . .
Sie schüttelte energisch den Kopf, wollte nicht daran denken.
War sie allein? Nervös schaute sie sich immer wieder hastig um. Natürlich suchten sie nach ihr, und wenn sie sie fanden-
Sie schaute hoch zu den sie umgebenden Gebäuden. Sie könnte ihnen die Arbeit eigentlich auch abnehmen. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit, bis sie sie erwischten, und dann. . . Gnade hatte sie keine zu erwarten, schließlich hatte sie ihrem Anführer ein Messer in den fetten Wanst gerammt, diesem Mistkerl.
Und erwischen würden sie sie, sie war einfach zu auffällig. Zu auffällig für eine Ankh-Morporkianerin, ihr klatschianisches Erbe zeigte sich deutlich in ihrer Größe, ihrer hageren, sehnigen Gestalt, ihren langen, fast schwarzen Haaren, den haselnussfarbenen Augen und dem dunklem Teint. Zudem war sie fast bis auf die Knochen abgemagert, und ihr nervöses, gehetztes Verhalten musste einfach auffallen.
Bitte, bitte, bitte, betete sie im Stillen zu jedem Gott, der gerade zuhören sollte, laß mich schnell etwas zu essen finde, damit ich wieder in mein Versteck kann .
Sie drehte eine weitere Dose um, in der Hoffnung auf ein paar Lebensmittelreste. Die Dose war vielversprechend schwer, doch- in ihr hockte eine junge Ratte.
"Hey", zischte Mimosa wütend, "dass war mein Abendessen!"
Die Ratte quiekte verängstigt und versuchte sich in der Dose zu verkriechen. Mimosa schätzte sie auf vielleicht drei Monate. Kaum was dran, aber besser als gar nichts. Mimosa zog die Ratte am Schwanz aus der Dose.
"Nimm`s nicht persönlich, aber besser ich als du!"
Mit der anderen Hand griff sie nach einer weiteren, diesmal sogar noch verschlossenen Dose, die schwer in ihrer Hand lag. Mimosa grinste zufrieden und schüttelte die Dose testend- und die Welt wurde schlagartig weiß.
"Hey, alles in Ordnung?"
Diese Stimme. . . woher kannte sie nur diese Stimme? Eine Hand schüttelte sie. Mühsam schlug sie die Augen auf. Jedes Lid schien Tonnen zu wiegen. Grelles Licht blendete sie. Seltsam. In Ankh-Morpork war es doch immer etwas diesig? Endlich konnte sie wieder etwas erkennen- und sah direkt in Frerks Gesicht. Entsetzt schoss sie auf.
Frerk sah immer noch so aus wie vor vier Wochen, vor dem ganzen Ärger. Er schaute sie verärgert an.
"Bin ich so`n schlimmer Anblick?"
Mimosa sah ihn verwirrt an.
"Nein, du. . . "
Sie stellte fest, dass sie mit der rechten Hand immer noch die mittlerweile bewusstlose Ratte umklammert hielt. Mit der rechten Hand, die immer dunkelbraun gewesen war- und jetzt unter der Schmutzschicht weiß schimmerte.
Frerk hatte mittlerweile sein Messer gezogen und hielt es schützend vor sich.
"Klasse, auch das noch. Ein Vampir!"
Instinktiv fuhr sie herum- und Frerk nutzte die günstige Gelegenheit sich abzusetzen.
Mimosa schaute ihm vollkommen irritiert hinterher. Warum hatte er sie nicht umgebracht oder wenigstens zu Knut gebracht, als er die Gelegenheit dazu hatte?
Noch mal betrachtete sie ihre rechte Hand- und auch die linke. Beide Arme. Sie zog sogar die Hosenbeine hoch. Ihre ganze Haut hatte sich weiß gefärbt- wie die eines Vampirs. Der Müllhaufen hinter ihr war ein einziges Trümmerfeld. Matsch, Schlamm, Dreck, Zaubertrank- und Essensreste hatten einen Mischmasch gebildet, der die dahinter liegende Wand und die umgebenden Häuser meterhoch einkleisterte.
Nun ja, sie hatte ja schon immer gewusst, dass sie Zauberermüll nicht trauen durfte. Ein Stück zerfetztes Metall lag vor ihr auf dem Boden. Mimosa bückte sich und spiegelte ihr Gesicht. Ihre Haut war genau so weiß wie an Armen und Beinen, ihr vormals langes Haar war größtenteils weggesengt und hatte nur einen verstrubbelten Kurzhaarschnitt übrig gelassen. Außerdem hatten sich ihre Haare feuerrot verfärbt- ebenso wie ihre Augen.
Mimosa besah sich noch lange im Spiegel- und befand, dass sie eigentlich gar nicht so schlecht weggekommen war. Frerk hatte sie nicht erkannt, also würden die anderen es wahrscheinlich auch nicht. Und ihr Abendessen war auch gesichert, schließlich hatte sie noch die Ratte. Die in diesem Moment die Augen öffnete und sie aus feuerroten Augen anstarrte.

flashback Ende

Bei SUSI liefen die Ermittlungen mittlerweile auf Hochtouren. Mittlerweile war nicht nur das Gebäude der Alchimistengilde völlig unerwartet [2] in die Luft geflogen, sondern auch einige Privathäuser- und zwar ausnahmslos solche von wohlhabenden Bürgern, die ihre jährlichen Fair-Sicherungs-Summen bei den jeweiligen Gilden bezahlt hatten.
SEALS und RUM hatten Ermittler losgeschickt, um die Überlebenden beziehungsweise Hinterbliebenen zu befragen, aber gaben ausnahmslos an, dass keine Erpresserbriefe vorangegangen waren und auch niemand ein übermäßiges Interesse daran gehabt haben sollte, die betreffenden Personen aus dem Weg zu räumen.
Feldwebel Tut'Wee M`Laut stand auf einem Labortisch, umrundete seine Probe ein weiteres Mal in einem nur wenige Zentimeter durchmessenden Radius. Er knurrte enttäuscht: Ein weiteres Negativergebnis.
Während die Abteilungsleiter und mittlerweile auch der Kommandeur immer nachdrücklicher auf baldiger Aufklärung bestanden, saß er im Labor und führte einen Test nach dem anderen durch, siebte Häuserreste, verbrannte bereits angekohltes Holz und nahm Gasproben, ließ Werwölfe daran schnuppern und ließ Proben sogar noch einmal absichtlich explodieren- ohne auch nur die kleinste Spur der Substanz zu finden, die für das ganze Chaos verantwortlich war. Gebäude sprengten sich schließlich nicht von selbst in die Luft. Da die Gnumie glaubte, einen schwachen oktarinen Schimmer wahrzunehmen, hatte DOG sogar (überhaus vorsichtig) in der UU nachgefragt, aber die Zauberer meinten nur abschätzig, dass sie a) nichts damit zu tun hätten und dass es b) nicht ihr Problem wäre. Tut'Wee schnaubte verächtlich und bereitete den nächsten Test vor. Er nahm es schon persönlich, dass er aus den Steintrümmern, Staub- und Ascheresten nicht das Geheimnis der Explosionen herauskitzeln konnte.

Mimosa bekam von dem herrschenden Trubel wenig mit. Zwar war die Grundstimmung bei RUM und im Wachhaus allgemein ziemlich gereizt, aber das sie nicht direkt am Fall mitarbeitete, hatte sie auch nur wenig Interesse daran. Sie hatte mit [3] weitaus größeren Problemen zu kämpfen, genauer gesagt mit 21 weitaus größeren Problemen. Die 5 Buchstaben, aus denen ihr Name bestand, beherrschte sie mittlerweile halbwegs- nicht zuletzt auch dank Schleicher, der sich ihrer erbarmt hatte und auch abends mit ihr in dem winzigen Kämmerchen übte, das sie gemietet hatte- zumindest solange wie das Licht reichte. Um gedruckte Texte zu lesen, reichte es jedoch immer noch nicht, und so schlich Mimosa diesen Abend ziemlich bedrückt nach Hause.
Heute hätte ihr kleines Geheimnis beinahe die Runde gemacht, als Ayure Namida sie in der Kantine auf einen Aushang hingewiesen hatte und sie gefragt hatte, was sie davon hielte. Io sei Dank herrschte in der Kantine genug Lärm, dass Schleicher es ihr schnell ins Ohr flüstern konnte, doch sie spürte die Blicke von Ophelia Ziegenberger im Rücken, die aus irgendeinem Grund zu wissen schien, dass Mimosa nicht lesen konnte. Mimosa hoffte nur, dass Anna dichtgehalten hatte.
Und so lief Mimosa verdrossen durch die Stadt, enttäuscht über sich selbst und in Versuchung, den Job in der Wache an den Nagel zu hängen und sich was anderes zu suchen. Sie mied die belebten Straßen, wohl wissend, dass die meisten Diebe aufgrund ihres vampirhaften Äußerem es sich mindestens dreimal überlegen würden sie auszurauben, und bis dahin war sie schon längst weg.
So schlenderte sie ziellos durch die Straßen, bis Schleicher ihr leise ins Ohr flüsterte: "Hältst du das für eine gute Idee?"
Irritiert hielt sie inne und schaute sich zum ersten Mal an diesem Abend bewusst die Umgebung an. Sie befand sich in den Mobilien, in der Gasse, in der sie Schleicher gefunden hatte. In der Ecke hatte sich bereits wieder ein stinkender Müllhaufen aufgetürmt. Von der Explosion, die hier vor etwas mehr als einem halben Jahr stattgefunden hatte, war nichts mehr zu merken.
Misstrauisch beäugte sie den Haufen, dann runzelte sie die Stirn und trat etwas näher heran. Auch jetzt befanden sich zwischen blubbernden Zaubertrankresten und zerfetztem Pergament noch Metallstücke, aber wie Konserven sahen sie nicht aus. Außerdem machte der Haufen insgesamt einen seltsamen Eindruck...
"Jemand hat ihn mehrfach durchwühlt", erklärte Schleicher, der inzwischen auf ihren Kopf geklettert war, um einen besseren Überblick zu erhalten.
"Mmmh?" meinte Mimosa abgelenkt. Auf dem Boden waren dunkle Spuren zu erkennen- frische Spuren, als ob etwas Schweres mehrfach hin- und her bewegt worden war. Dann drangen Schleichers Worte in ihr Bewusstsein.
"Warum sollte irgendjemand darin herumwühlen?"
Schleicher fuhr sich mit beiden Pfoten über den Kopf und rümpfte die Nase.
"Woher soll ich das wissen? Aber lass dir von `nem Experten sagen: In dem Ding hat definitiv jemand rumgewühlt, sonst würde es anders riechen! Die verschiedenen Geruchsschichten sind durchmischt."
Mimosa ging in sicherer Entfernung vom Müllhaufen in die Knie und rieb an den Schlieren. Etwas blieb an ihren Fingern haften. Sie roch daran. Schleicher kommentierte ihre Bemühungen mit einem abfälligen Schnauben. Mimosa verdrehte die Augen und hielt ihre Finger über ihren Kopf, damit er seine Nase einsetzen konnte.
"Holz, Metall und Öl", war seine Expertenmeinung.
"Na toll, "Holz Metall und Öl", DARAUS BESTEHT DIE GANZE STADT!"
"Eichenholz, schon recht alt, mit viel Öl der Marke imprägniert, das man benutzt um Würmer und Fäulnis abzuhalten; Eisen in der Legierung, welche man benutzt um Reifen zu beschlagen, und Schmieröl von der Art, wie es in Lagern von Rädern ist. Besser?"
Mimosa nickte abwesend. "Hier war also jemand mit einem sehr schweren Karren."
"Mit einem gepanzerten Karren", korrigierte Schleicher, "was auch sicher sinnvoll ist, wenn man vorhat da drin zu wühlen."
Mimosa betrachtete den Müllhaufen nachdenklich. Es war zwar ungewöhnlich, aber ging sie nichts an. Andererseits... als Wächter in Ankh-Morpork ging ALLES Ungewöhnliche sie an. Schließlich wurde sie dafür bezahlt [4], Ungewöhnliches zu untersuchen.
"Schleicher? Kannst du noch andere Müllhaufen aufspüren?"
"In dieser Stadt? Mach die Augen zu, streck den Fuß in einer beliebigen Richtung aus, setz ihn auf den Boden und du stehst in einem!"
Mimosa seufzte entnervt. "So einen wie diesen! Und keine langen Diskussionen, mach es einfach, BITTE!"
Die Ratte kicherte leise. "Na also, warum nicht gleich so. Sagen wir, ein Keks pro Müllhaufen, abgemacht?"
Mimosa nickte so abrupt, dass der Nager beinahe von ihrem Kopf rutschte.
Sechs Kekse auf Vertrauensbasis später musste Mimosa sich leider eingestehen, dass sie einer Meldung im Wachhaus höchstwahrscheinlich nicht entgehen konnte. Aber bei Offlers Zähnen, was wollte jemand mit einem riesigen Haufen halb vergammeltem Zauberermüll? Sogar wenn das Zeug noch neu und unkontaminiert war, würde jedes halbwegs vernunftbegabte Lebewesen einen großen Bogen darum schlagen. Mimosa überdachte diesen Gedankengang noch einmal. Halbwegs vernunftbegabte Lebewesen fanden sich in dieser Stadt nicht besonders viele. Sogar nach einviertelwegs vernunftbegabten Lebewesen musste man lange suchen.
Sie schaute sich den verdächtigen Haufen Nummer 7 aus sicherer Entfernung noch einmal genauer an. Er bot dasselbe Bild wie die anderen. Müde ließ sie sich auf das dreckige Pflaster plumpsen und überdachte ihre weiteren Vorgehensmöglichkeiten. Natürlich könnte sie ihrer direkten Vorgesetzten von den durchsuchten Müllhaufen erzählen. Aber Lilli hielt sich im Augenblick gar nicht im Wachhaus auf und sie hatte Mimosa auch nicht gesagt respektive auf eine andere Art und Weise mitgeteilt, wann/ wie/ wo sie wieder zu erreichen war. Und mit dem Dämon setzte sie sich nur soweit auseinander, wie es absolut nötig war. Die nächste Instanz wäre dann wohl die stellvertretende Abteilungsleiterin, Ophelia Ziegenberger. Mimosa konnte sich lebhaft vorstellen, wie sie in Ophelias Büro hineinstolperte und eine Meldung über durchwühlte Müllhaufen abgab, während das gesamte Wachhaus Kopf stand wegen der seltsamen Explosionen. Die Explosionen. . . plötzlich schoss Mimosa hoch. Es war zwar eine völlig verrückte und absolut abwegige Idee, aber vielleicht. . . vielleicht. . .
Schleicher bohrte seine Krallen in ihren Nacken, unwillig darüber, dass sie ihn so abrupt aus seinem Schlummer riss. Mimosa griff in ihre Kapuze, holte die Ratte heraus und setzte sie auf dem Boden ab.
"Schleicher, wurden die Müllhaufen nur einmal durchsucht oder mehrmals?"
"Teils, teils" gähnte der Nager. "Ist das wichtig?"
"Vielleicht", murmelte Mimosa. "Welcher ist am längsten nicht durchwühlt worden?"
"Der in der Nähe der Schwarzkleegasse HE!"
Mimosa rannte los, stoppte abrupt, stolperte, drehte sich um, grinste verlegen, lief zurück, hob Schleicher auf und raste zu besagtem Müllhaufen.
"Und nun?" fragte Schleicher und beäugte die Ansammlung thaumaturgisch verstrahlten Restmülls misstrauisch.
"Sag mir, ob da drin noch geschlossene Konservenbüchsen sind!"
Schleicher sprang auf den Boden und wich sicherheitshalber ein wenig zurück. "Du willst, dass ich da drin herumschnüffele? Bist du irre?"
Mimosa verdrehte die Augen. "Früher hast du das auch gemacht!"
"Früher war ich noch nicht mit einem Verstand gestraft!"
"Ich brauche nur eine einzige, damit SUSI sich das mal angucken kann. Ich kann da doch nicht mit leeren Händen auftauchen."
"Klar, und bei deinem Glück ist die eine Dose `n Blindgänger und du stehst dumm da."
"Stimmt. Fünf oder so wären vermutlich besser."
Streicher schüttelte ungläubig den Kopf.
"Bist du sicher, dass Menschen eine intelligente Spezies sind?"
"Weiß nicht, ist mir auch egal", meinte Mimosa fröhlich und griff nach einem angeknacksten Zauberstab, um damit in den dampfenden Resten herumzustochern. Ihre Neugierde war geweckt und sie wollte der Sache auf den Grund gehen. "Außerdem haben wir`s beim ersten Mal doch auch überlebt."
"Hallo? Seitdem mal in einen Spiegel geguckt?" Trotzdem näherte Schleicher sich wieder dem Müllhaufen und dirigierte Mimosa an eine Stelle nahe der Mauer, wo sie auch tatsächlich auf drei Büchsen stieß, wovon zwei allerdings leer waren und die dritte noch recht neu aussah, was hieß: Sie war nicht nach außen ausgebeult, also wahrscheinlich auch nicht verstrahlt. Als Mimosa sie mit dem Stab anstieß, rollte sie nur zur Seite. Mutiger geworden, hob Mimosa die Dose auf, warf sie mit aller Kraft in die Schwarzkleegasse und sprang schnell hinter eine Hausecke. Klonlklonklonklonklon... Vorsichtig spähte sie um die Ecke. Die Dose war gegen eine Hausmauer gerollt. Entmutigt hob sie die Dose wieder auf und wog sie abschätzend in der Hand. Dann ging sie zurück und verbuddelte die Dose vorsichtig an der Mauer tief im Müll. Mit ein bisschen Glück würde die Dose doch noch verstrahlt werden.
"Schleicher, du bleibst hier!"
"Was?" schreckte die Ratte entsetzt auf.
"Bei diesen Dingern kann man nicht sicher sein, dass sie nachts auf Wanderschaft gehen. Du bleibst hier, behältst die Stelle im Auge und passt auf, ob jemand kommt. Bei den ganzen Ratten hier solltest du nicht auffallen."
"Die ganzen Ratten hier sind genau das Problem. Weißt du, was sie mit einer fremden Ratte machen, die nicht ihren Geruch hat?"
Mimosa grinste. "Tja, sieht so aus als hättest du deinen ersten Job als verdeckter Ermittler noch vor mir!"
"Sehr witzig!"
Mimosa versprach, ihm noch etwas zu fressen vorbeizubringen, was die Ratte mit beleidigtem Schweigen quittierte.

Mimosa drehte sich um und marschierte zurück zum Pseudopolisplatz, um noch ein paar Reste aus der Kantine zu ergattern. Soweit kam sie allerdings gar nicht- sobald sie den Fuß über die Schwelle setzte, hatte sie das Gefühl, in ein Irrenhaus geraten zu sein. Sie kämpfte sich einen Weg durch den Eingangsbereich, in dem es von Wächtern jeder Spezies nur so wimmelte, und entdeckte schließlich ein vertrautes Gesicht, dessen Besitzerin sie auch sogleich heftig heranwinkte.
"Äh, Blümchen, nicht wahr?" fragte Lance-Korporal Magane.
"Mimosa", knurrte sie.
"Alle Wächter sind im Alarmzustand- Wir haben eine Erpressernachricht! Sie fordern eine Millionen Ankh-Morpork- Dollar, oder sie wollen den Patrizierpalast sprengen! Melde dich sofort beim AL!" Und Magane rannte fort und tauchte wieder ins Gewimmel ein. Mimosa zuckte resigniert mit den Schultern und lief zum Büro von Romulus von Grauhaar, der sie allerdings kaum zur Kenntnis nahm. Er sah nicht mal auf, als Mimosa nach dem knappen "`rein" das Zimmer betrat, sondern wühlte hektisch in irgendwelchen Unterlagen.
"Gefreite, raus auf die Straße und sieh zu, ob du irgendetwas Brauchbares aufschnappst. Keine eigenständigen Unternehmungen, erstatte mir im Zweifelsfall sofort Bericht. Du bist in den Schatten aufgewachsen?" Zum ersten Mal schaute er sie an.
"Mmmh. Äh, ja, Sör."
"Dann hör dich dort mal um!" Und er tauchte wieder in die Untiefen der Papierstapel ab.
"Sör, eventuell..."
"Ich brauche Fakten!"
Mimosa interpretierte dies als Entlassung, salutierte und verließ das Büro. Also sicherheitshalber erstmal zu ihrer Ausbilderin. Lilli war allerdings nicht da, nur ihr Sprechdämon hockte in seinem Kasten in ihrem Büro.
"Nee, keine Ahnung, wo sie steckt. Dieser Erpresserbrief hat alle in heillose Aufregung versetzt, und alle verdeckten Ermittler, Informantenkontakter, Szenekenner und weiß Io wer noch alles versuchen herauszufinden, wer dahinter steckt."
"Wie sah der Brief denn aus", fragte Mimosa, schon halb im Gehen begriffen.
"Keine Ahnung, aber diese Spinner haben mit dem Bild einer Glocke unterzeichnet."
Mimosa erstarrte mitten in der Bewegung. Eine Glocke!
Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen, ging hinunter in den Fundus, besorgte sich dreckige, alte Klamotten [5], schmierte sich dunkle Farbe in die Haare, um das leuchtende Rot zu kaschieren, und Dreck ins Gesicht. Als sie in den Spiegel sah, erkannte sie sich kaum wieder, und doch war das Bild vertraut: schwarze Haare, die früher über den Rücken hingen, jetzt kurz und verstrubbelt. Dunkle Haut, voller Schmutz. Etwas größer, etwas vollere Gesichtszüge. Nur die Augenfarbe und besonders der harte Ausdruck in ihnen wollten nicht so recht zu diesem Gesicht passen. Mimosas Hand fuhr zu dem Kurzschwert an ihre Seite. Dieses Mal war sie ausreichend bewaffnet.
Sie lief zurück zu dem Ort, an dem sie Schleicher gelassen hatte, und stopfte ihn unsanft in eine Tasche, ohne auf seine Proteste zu achten. Dann rannte sie los, nutze Seitengassen und Hinterhöfe, tauchte in die Schatten ein und verhielt sich selbst wie einer, als sie durch die dunklen Straßen schlich und schließlich vor der Rückwand eines ganz bestimmten Gebäudes stand. Es war erst ein halbes Jahr her, dass sie zuletzt hier gewesen war, und doch ein ganzes Leben. Mimosa näherte sich geduckt dem Fenster- und lauschte. Dann hob sie Schleicher hoch, der sie mürrisch anstarrte. "Wasn`los?"
"Schhh! Leise! Worüber unterhalten die sich da drin?"
Schleicher lauschte, dann brummelte er: "Da sabbelt ein besoffener Kerl...über die Frauen in Klatsch, das dortige Klima... und was er erst macht, wenn er stinkreich ist!"
Mimosa verharrte kurz, dann nickte sie. "Du bleibst hier draußen."
"Aber..." protestierte die Ratte, doch Mimosa winkte ab. "Hol Hilfe, wenn was schief geht."
"Äh. . . WIE DENN?"
Mimosa achtete nicht auf ihn, sondern drückte an einer bestimmten Stelle gegen den Rahmen des Fensters, wodurch ein kleiner Draht erschien, an dem sie zog und der das Fenster öffnete. Sie erinnerte sich noch genau, dieser Raum wurde als Lager genutzt, während dahinter ein kleines Zimmer lag, dass von einer Kneipe für "private Feiern" genutzt wurde und der inoffizielle Treffpunkt von Kurt Klingelings Bande war.
Es ärgerte sie, als derart unwichtig und vor allem ungefährlich zu gelten, dass man nach ihrem "Ausstieg" noch nicht einmal den Treffpunkt gewechselt hatte. Egal. Sie schob sich vorsichtig an die Trennwand heran und erkannte den Tonfall der Stimme, auch wenn sie die Worte in dem Lärm nicht verstehen konnte. Sie zögerte. Im Grunde verstieß sie gegen ihre Befehle. Für einen kurzen Moment rangen Rachebedürfnis und Vernunft miteinander, und die Vernunft [6] gewann. Leise und vorsichtig schlich sie zurück zum Fenster, doch der narrative Imperativ machte ihr in Form einer Blechschüssel einen Strich durch die Rechnung. Es schepperte angemessen, und im Raum nebenan brach die buchstäbliche Hölle los.
Mimosa hechtete zum Fenster, doch der Mann, der hinter ihr durch die Tür brach, war schneller, warf sich auf sie und drückte sie zu Boden. Mimosa gab jeglichen Widerstand auf und verharrte. Nicht dass sie sich hätte rühren können, Knut wog dreimal so viel wie sie. Andere Personen betraten den Raum, jemand brüllte "Lampe!". Knut leuchtete ihr ins Gesicht. Für einen Moment hatte Mimosa noch Hoffnung, doch Knuts hämisches Grinsen zeigte ihr, dass er sie erkannt hatte. Er richtete sich auf, griff nach ihren Handgelenken und presste sie weiterhin auf den dreckigen Lehmfußboden. Mit einer unwilligen Kopfbewegung scheuchte er die anderen hinaus. "Verschwindet", grunzte er, "wir kennen uns!"
Knut tastete ihren Körper ab, nahm ihr die Waffen weg und hatte die Dienstmarke bald entdeckt. "Das is`n Witz, eh? Weißt du, was man in den Schatten mit Verrätern macht?"
Mimosa antwortete nicht, sondern blieb ruhig liegen und hoffte auf eine günstige Gelegenheit, obwohl sie innerlich vor Angst schlotterte. Knut zückte ein Messer und führte es über Mimosas Wange. Mimosa spürte das kalte Metall, und dann eine warme Spur, die über ihr Gesicht lief. Knut lachte. "Wir beide ham noch was nachzuholen, was?"
Verzweifelt versuchte sie sich zu befreien und tatsächlich schaffte sie es, den rechten Arm frei zu bekommen, doch sofort presste Knut ihr sein Messer an die Kehle. In der verkrümmten Haltung, in der sie dalag, stellte sie ohnehin kein Risiko für sie dar. Aber er wusste nichts von dem Dolch in ihrem rechten Stiefel! Zeit schinden!
"Die Anschläge", keuchte sie, "das warst du!" Zentimeter für Zentimeter schoben sich ihre Finger zum Stiefelschacht.
"Das wisst ihr?" Knut klang überrascht. "Dachte, die Methode wäre idiotensicher. Aber Idioten habta in eurem Verein ja genuch, nich?"
Mimosas Finger berührten den Metallknauf . "Is egal. Ich bekomm meine Million Mäuse, und der Palast wird inne Luft gepustet. Ham schon alles fertich." Allein für seinen selbstgefälligen Ton hätte Mimosa ihn umbringen können.
Auch auf das Risiko hin, eine absolut abgedroschene Phrase zu benutzen ... , dachte Mimosa und presste hervor: "Damit kommst du niemals durch!"
Knut verdrehte genervt die Augen. "Glaubst du?"
Ihre Finger umschlossen den Griff. Und zogen den Dolch langsam hervor. Kurt grinste hämisch und versuchte ihre Brust zu grapschen. Aber sie lag auf dem Bauch und trug mehrere Lagen speckige Kleidung. Seine wulstigen Finger fuhren über ihren Rücken und tasteten nach Verschlüssen und Schnüren. Ihr Körper versteifte sich.
"Bist ja gut eingepackt- ein frühes Schneevatergeschenk!" Er lachte lauthals über seinen eigenen schlechten Witz. Mimosa stand unterdessen der Schweiß auf der Stirn, als sie fast vollkommen eingeklemmt unter ihm lag. Endlich, endlich spürte sie eine Gewichtsverlagerung, als Knut sich aufrichtete und das Messer von ihrer Kehle nahm, um den Stoff zu zertrennen. Für einen kleinen Moment war ihr Oberkörper frei. Ihre Gedanken auf einen einzigen Punkt konzentriert- das nackte Überleben, warf sie sich ungeachtet der Schmerzen herum und stieß mit aller Kraft den Dolch nach oben.
Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Augen und die Zeit verlangsamte sich. Knut sah verständnislos auf die Dolchklinge, die bis zum Heft in seinem Brustkasten steckte. Sein eigenes Messer drang in Mimosas rechte Schulter, doch sie spürte keinen Schmerz. Dann brach sein Blick, er fiel nach vorne und begrub Mimosa unter sich.

Ihr Hals war trocken. Sie versuchte zu schlucken, aber davon wurde es nicht besser. "..." Sie wusste nicht, ob sich ihre Lippen überhaupt bewegt hatten. Sie versuchte die Augen zu öffnen und entschied, dass sich die Mühe nicht lohnte. Geräusche plätscherten bedeutungslos an ihr vorbei, ohne auf dem Weg durch ihr Gehirn einen Sinn zu ergeben. Nach einem endlosen Augenblick wagte sie einen neuen Versuch- und wurde mit dem wenig gesundheitsfördernden Anblick von Rogi Feinstich belohnt.
"Na endlich", sagte diese erleichtert, "ich dachte fon, du wachft gar nicht mehr auf!"
"Ich bin wach?" murmelte sie kläglich. Ihr Körper fühlte sich seltsam an- schwer und gleichzeitig watteartig. Rogi sprach weiter, doch ihre Stimme klang ab und wurde zu einem stetigen Hintergrundsummen. Mimosas Blickfeld engte sich ein, dunkle Punkte erschienen vor ihren Augen, dehnten sich zu Flecken aus und verschmolzen miteinander. Abermals versank sie in Schwärze.
Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, war es schon wesentlich einfacher. Diesmal blickte sie in zwei schwarze Knopfaugen, die sie besorgt musterten. Dann rieb Schleicher seine Nase an ihre. Mimosa lächelte schwach. Im Hintergrund hörte sie ein abfälliges Schnauben- von Rogi; und ein belustigtes Kichern. Mimosa drehte den Kopf zur Seite und sah in ein Gesicht, dass genauso blass war wie ihres.
"Er ist niedlich", meinte die Fremde. Mimosa rumorte in ihrem Gedächtnis nach ihrem Namen, aber sie war sich nicht mal in Bezug auf ihren eigenen sicher. Da es einfacher schien, guckte sie stattdessen Schleicher an, der zusammengerollt auf ihrer Brust lag. Räudiges Fell, angekautes Ohr, spitze Schnauze, kahle Stellen. "Find ich nicht", krächzte sie, was ihr ein beleidigtes Schnauben von Schleicher und neues Gelächter eintrug. Sie sah zur Decke. Das war am einfachsten. "Was... passiert?" fragte sie.
"Du hast es geschafft, dich bei deiner ersten verdeckten Ermittlung selbst außer Gefecht zu setzen, das ist passiert."
Jetzt fiel ihr auch der Name zu dem blassen Gesicht ein. Mina von Nachtschatten. Vampir. Logo. Niemand außer einem Vampir würde Schleicher niedlich finden. Die andere verdeckte Ermittlerin in Ausbildung bequemte sich zu einer längeren Erklärung.
"Schleicher kam vorgestern ins Wachhaus gerast, verbiss sich in Maganes Hose und ist dann solange durch die Gegend geflitzt, bis Magane und ich ihm gefolgt sind. Wir haben dich in den Schatten bewusstlos im Hinterraum einer Schänke gefunden, unter einem dicken Kerl. Der Typ lebte noch, aber er ist auf dem Weg zum Wachhaus gestorben. Du hast es so gerade eben geschafft. Du hast sehr... geblutet."
Mimosa sah, wie Mina das Gesicht verzog. Für den Vampir musste das ziemlich scheußlich gewesen sein. Sie nickte schwach.
"Pa. . . lass?"
"Der Palast? Ach so. Entwarnung." Sie grinste. "Septimus Ebel hat den Tag gerettet. Im Zuge der Ermittlungen haben wir auch die Kanalisation untersucht, und er ist lauthals fluchend wieder rausgekommen, hat ne Blechdose, die bald so groß war wie er selbst, über dem Kopf balanciert, sich lauthals über "Umwältverschmudzung" beschwert und das Ding gegen `ne Wand geschmissen. Die Dose ist explodiert, und der Fall war klar, als er sagte, dass noch mehrere Dutzend davon da unten wären. Sie waren sogar mit Zündschnüren gekoppelt. Die Bande haben wir auch erwischt, aber leider noch nicht den Anführer. Ist aber nur eine Frage der Zeit, alle Tore werden überwacht. Dieser Knut Klingeling hat ein Rendezvous mit der Skorpiongrube."
Mimosa machte eine schwache Handbewegung. "Leiche."
Mina runzelte die Stirn. "Was?"
Mimosa griff unsicher mit der linken Hand nach ihrer bandagierten Schulter. "Leiche. Kerl. Ist Knut."
Von der Anstrengung wurde ihr wieder schwindelig.
"Der Typ, der dich angegriffen hat, ist der Anführer?"
Mimosa nickte mit geschlossenen Augen. Sie hörte ein scharfes Einatmen, dann, wie der Stuhl abrupt zur Seite gestoßen wurde und sich eilige Schritte entfernten. Endlich Ruhe. Sie schlief wieder ein.


Vier Wochen später war Mimosa wieder dienstfähig, zumindest für leichte Tätigkeit im Wachhaus. Die gefangenen Attentäter hatten die Leiche unabhängig voneinander identifiziert, die Verhöre waren abgeschlossen, der Fall konnte zu den Akten gelegt werden und die Hauptakteure auf Seiten der Verbrecher warteten auf ihr individuelles Finale in Form eines Hanfstricks.
Sie sah sich in ihrem Büro um. Ihrem Büro, auch wenn sie es mit anderen Wächtern teilte. Ihr neues Zuhause, sozusagen; besonders jetzt, nachdem sie endlich mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen hatte. Auf ihrem Schreibtisch stand ein Korb, welchen Schleicher gleich in Beschlag genommen hatte, und ein hoher Papierstapel. Sie hatte die Zeit, die sie ans Bett gefesselt war, nicht sinnlos verstreichen lassen. Die Buchstaben schreckten sie nicht mehr, auch wenn Lesen nie eins ihrer bevorzugten Hobbys werden würde. Sie sah aus dem Fenster auf die Dächer von Ankh-Morpork. Gut, das Fenster war verschmutzt und ließ sich nicht mehr öffnen, und die Luft war grau und nebelig, aber es war ihre Stadt, und vielleicht konnte sie tatsächlich ihr altes Leben hinter sich lassen. Sie setzte sich hinter den Schreibtisch und fing an, den Papierkram durchzugehen, langsam, doch zusehends sicherer. Und Schleichers Hilfe zur Identifikation eines Wortes benötigte sie nur noch selten. Sie lächelte.
[1] was aufgrund der Eisenstiefel, die die Hekse trug, für Mimosa wesentlich unangenehmer war als für die Zwergin

[2] im Falle der Alchimistengilde ist es zwar übertrieben, von völlig unerwartet zu sprechen, aber zumindest war es seltsam, dass das Gebäude in die Luft flog, ohne dass sich Alchimisten darin aufhielten, die mit irgendwelchen Chemikalien herumspielten

[3] aus ihrer Sicht

[4] wenn auch sehr schlecht

[5] Marke heruntergekommener Stadtstreicher, Nummer 3

[6] und zu einem nicht unerheblichen Teil auch die Angst




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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

31.08.2007 21:10

</b><br><br>Und wieder hat eine Verdeckte Ermittlerin bei R.U.M. ihre Ausbildung erfolgreich absolviert. ;)<br><br>Die Geschichte erfüllte alle Anforderungen einer Ausbildungssingle. Mimosas Charakter, ihre Vergangenheit und ihre Ängste wurden dem Leser wesentlich näher gebracht, als dies bisher der Fall gewesen war. Auch der Zusammenhang zwischen ihr und Schleicher konnte erklärt werden. Du hast deine Abteilung und vor allem deine direkten Kollegen in einer Art und Weise eingebracht, die ein klassisches Bild zeichneten, mit welchem sich gut identifizieren ließ. Es war schön zu lesen, wie die Abteilung innerhalb des Wachhauses zum Leben erwachte und in die übergeordneten, größeren Ereignisse mit eingebunden war. Der Zufall, dass nun gerade Klingelings Bande für die Anschläge verantwortlich zeichenete und damit eine Konfrontation mit Mimosas Vergangenheit unausweichlich wurde, war natürlich schon etwas wacklig. Doch das einzige, was mir nicht ganz so gut gefiel, waren die erklärenden Zwischenüberschriften. Ich weiß nicht mehr, wer das vor Kurzem gesagt oder geschrieben hatte aber es traf das ganz gut: solche erklärenden Einschübe reißen mich als Leser völlig aus der Geschichte heraus. Vielleicht wäre eine Trennlinie als optische Abgrenzung hilfreicher gewesen. Aber natürlich gibt es für so etwas unterschiedliche Herangehensweisen und das ist ja auch immer Geschmackssache. Eine schöne Single, die neugierig auf mehr macht!<br><br><b>

Von Mina von Nachtschatten

31.08.2007 21:10

</b><br><br>Eine schöne Geschichte, die zwar recht geradlinig im Verlauf war, aber es ging ja auch hauptsächlich um Mimosa. Besonders die Darstellung von Schleicher hat mir gefallen.<br>Die Anteile der Beschreibungen von Mimosas Vergangenheit als auch ihrer Ausbildung hielten sich die Waage, die Notwendigkeit schreiben zu lernen brachte einen ganz neuen Aspekt ein wurde durch den, wie ich finde, recht originellen Grund plausibel gemacht. Du hast deine Kollegen gut eingebracht und das auch abteilungsübergreifend. Insgesamt war deine Geschichte angenehm und flüssig zu lesen.<br>Eine formale Sache noch: die Rückblicke hätte man vielleicht etwas anders kennzeichnen können, sie wörtlich als solche zu benennen passt, zumindest von meinem Gefühl her, irgendwie nicht so ganz in das Gesamtbild.<br><br><b>

Von Stefan Mann

31.08.2007 21:10

</b><br><br>Sehr schln geschrieben. Nur selten kann ich mir nach einer einzigen Geschichte ein so gutes Bild von eineem Charakter machen.<br>Erwarte mit Spannung deinen nächsten Fall.

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