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Wie man aus Altem Neues macht.
Dafür vergebene Note: 12
Zwei Kerzen standen brennend am Arbeitstisch und beleuchtenden den alten, bleichen Mann, der ein Stück Holz vor sich liegen hatte, das er sorgfältig mit einem Schnitzwerkzeug bearbeitete. Seine Hände waren geübt in dieser Arbeit, ein Beobachter hätte sofort bemerkt, dass das der Beruf des Alten sein musste. Eine blond gelockte Puppe saß daneben und hin und wieder antwortete der Mann leise auf ihre stummen Fragen. Holzspäne lagen bereits überall am Tisch und der Achatene drehte den Holzklotz, der langsam eine runde Form annahm vorsichtig um, um die hintere Seite zu bearbeiten.
Er rannte keuchend durch das nächtliche Ankh Morpork. Tin Tin kannte die Stadt leider noch immer nicht so gut, wie er sollte, wodurch er längst die Orientierung verloren hatte. Aber das war nun alles egal, sie folgten ihm und er wusste, wenn sie ihn erwischen würden, war das Heim kommen seine letzte Sorge. Im wahrsten Sinne des Wortes. Nervös blickte er hinter sich, wo er die Verfolger vermutete. Nichts zu sehen, aber er wusste, dass sie nicht auf der Spur waren. Stolpernd bog er um die nächste Ecke
Der alte Mann begutachtete nun den Kopf und begann ein Loch hinein zu bohren. Als er damit fertig war, säuberte er es sorgfältig und schleifte kurz daran, bevor er nachprüfte, ob es auf den kleinen Körper passte. Er nickte lächelnd, nahm den Kopf von der restlichen Puppe und steckte ihn auf ein vorbereitetes Gestell. Dann holte er von einem Regal verschiedenste Tiegel und Pinsel, die er sorgfältig vor sich ausbreitete, öffnete und mit ein wenig Wasser aufgoss. Er mischte mit einem Pinsel und begann, die Farbe behutsam aufzutragen.
Sein Fuß klatschte in eine Pfütze, die sich durch den Regen des Abends gebildet hatte und jetzt im schwachen Licht glänzte, während die Wellen sich wieder zu glätten versuchten. Sein Atem ging immer schwer, ihm ging die Puste aus. Tin Tin zwang sich mit schierer Verzweiflung weiter zu laufen, aber innerlich spürte er, dass er am Ende seiner Kräfte angelangt war. Er hörte überall ihre Schritte, die durch die sonst ruhige NAcht in diesen kleinen Gassen hallten und ihr Stimmen, die ihn immer wieder Verräter nannten und ihn aufforderten stehen zu bleiben und die gerechte Strafe dafür entgegen zu nehmen. Flüsternde stimmen, was ihn noch weit mehr verängstigte. Sie waren nahe, aber ließen ihn laufen. Wieso? Wieder bog er um eine Ecke. Nach knapp einem Meter erkannte er seinen Fehler: Sackgasse. Er versuchte zu stoppen und umzudrehen, doch dabei verhaspelte er sich und stürzte hart zu Boden. Sein Küchenmesser und das Filettiermesser rutschten aus seiner Schürze und glitten sirrend über den Boden, bis ein Fuß ein Messer aufhielt. Tin Tin blickte hoch
Es waren bereits Mund und ein Auge aufgetragen, der Mann arbeitete am akribisch am zweiten Auge, als die Kerzen einmal kurz aufflackerten. Der Alte sah kurz auf und betrachtete die Flammen, die im Wind tanzten. Er legte den Pinsel ab, wischte sich die Hände an einem Tuch ab und trat zu dem kleinen Fenster, um kurz hinaus zu sehen, ob es etwas Interessantes gab. Er verschränkte kurz die Hände hinterm Rücken und beobachtete die Strasse, die sich vor ihm auftat. Dann schloss er es und beeilte sich zurück zum Tisch, um das Auge fertig zu malen. Kritisch musterte er das Ergebnis und besserte ein klein wenig aus, bevor er es trocknen ließ. Der Alte stand auf, blickte in einen großen Schrank mit vielen kleinen Holzkugeln auf Stäben, auf denen Perücken hingen. Er überlegte kurz, nahm dann eine schwarze, glatte Kurzhaarfrisur und trat wieder zum Tisch. Peinlichst gründlich legte er das Haar aus. Mit ruhiger Hand holte er einen Tiegel aus einer weiteren Schublade, stellte sie hin, öffnete sie und tunkte einen dicken Pinsel ein. Dicke Paste hing an dem Pinsel und ließ sich genügsam und ordentlich auf der Rückseite der Perücke auftragen. Vorsichtig nahm er sie wieder hoch und drückte sie an den Kopf fest. Den restlichen Kleister entfernte er wieder mit akribischer Sorgfalt.
Er wurde hart gegen die Wand geschleudert, um sofort von einem weitern Arm aufgefangen zu werden, der ihn gegen die Wand drückte. Sein Kopf schmerzte bereits und er spürte wie Blut aus seinem Mund troff. Er wimmerte, aber wagte es gar nicht, um sein Leben zu betteln. Selbst ein mittelmäßiger Koch eines achatenischen Restaurants hatte einen gewissen Grundstolz. Tin Tin blickte seinen Angreifer trotzig an und spuckte ihm das Blut ins Gesicht. Dieser schrie wütend auf und schlug wieder hart zu, wodurch spürbar und hörbar der Kiefer des Koches brach. Sein Kopf sackte herab und Tin Tin nahm alles nur mehr aus einer Wattewolke im Kopf wahr. Er spürte den Stich nur mehr peripher, als eine leise Stimme ihm "uragirimóno" zuflüsterte. Dann umschloss ihn die Dunkelheit, bevor er eine knochige Gestalt vor sich stehen sah.
Ruhig führte er die Fäden durch die kleinen Löcher, die er in die Puppe gebohrt hatte und knotete ein Ende an ihr fest, das andere Ende an einem Kreuz. Dies wiederholte er, bis er das Kreuz hochhob und sie kurz anspielte. Zufrieden nickte er, trat zum Regal für Neue und hängte sie an einen freien Platz.
"Ihr dürft nie vergessen, dass niemand geopfert werden darf. Das dürft ihr auf keinen Fall zulassen. Wir müssen unsere Informanten so gut schützen wie irgend möglich.", Chi verdrehte unmerklich die Augen. Entweder hatte die junge Frau, die vor ihm stand irgendwann einmal den Spagat nicht geschafft, den sie unaufhörlich predigte. Oder sie war nie wirklich vor der Wahl gestanden, jemanden zu opfern, um den anderen zu retten. Auf jeden Fall war ihr Verhalten in diesem Punkt beinahe schon besessen zu nennen. Chi wusste nicht, wie oft sie den neuen Informantenkontaktern schon eine solche Situation vorgegeben hatte, um zu erfahren, wie diese damit umgehen würden. Auf jeden Fall zu oft. Der Achatene fragte sich verwundert, woher sie diese Fälle hatte. Wahrscheinlich spielte sie sie nachts in ihrem Kopf immer wieder durch. Das würde auch ihren leicht übernächtigten Eindruck erklären. Der Vampir roch, dass Feldwebel Dubiata etwas beschäftigte. Natürlich ging ihn das nicht wirklich etwas an, aber es war lästig, sich zumindest indirekt damit befassen zu müssen. Anette allerdings hörte immer wieder mit glänzenden Augen zu, wie heroisch man als Informantenkontakter zu handeln hatte, um seine Schützlinge zu... schützen. Die Gnomin schien aber mittlerweile ebenso gelangweilt von dem Ganzen wie er. Der einzige, der sich reghaft am Unterricht beteiligte war der Neue, Ettark. Allerdings auf eine mehr als irritierende und störende Weise, wie Chi empfand. Die Worte "Wir in der Assassingilde..." und "falsch" waren offensichtlich sein Standard-Repertoire. Wenn er nur wirklich Recht damit haben würde, wäre es zumindest keine verschwendete Luft. Nicht, dass Chi Luft zum Atmen brauchen würde. Aber es strapazierte die Nerven - und die Laune des Feldwebels wurde dadurch auch selten besser. Eigentlich sollten sie von Cim ausgebildet werden, aber dieser Mann schaffte es doch immer wieder, die Arbeit an die arme Rea abzuwälzen. Außerdem hatte er die Abteilung gewechselt. Nur an Anette schien er einen Narren gefressen zu haben, für diese legte er sich richtig ins Zeug. Chi musste unwillkürlich lächeln. Irgendwie verstand er das auch.
Just in diesem Augenblick öffnete sich die Tür und ein sichtlich übellauniger Cim Bürstenkinn betrat schrittsicher den Raum. Lächelnd trat er auf Anette zu und winkte mit der Hand. Chi war froh, dass Rea in ihrer Litanei unterbrochen worden war und betrachtete den Mann. Er hatte seine Finger aus irgendeinem Grund bandagiert und man sah vereinzelt Blutfleckchen daran kleben.
"Gefreiter Chi Petto, deine Dienste werden an einem Tatort verlangt.", Cim kurz zu dem Vampir hinüber, um sogleich wieder Anette zu bewundern. "Oh... und Chi." Er kam näher und flüsterte ihm zu: "Wie bringe ich die Pflanze dazu, dass sie meine Finger nicht festhält, wenn ich sie füttere? Es ist... nicht sonderlich angenehm, ihn herauszuziehen..." Dabei zeigte er dem Gefreiten die Hand.
Chi lächelte dem Oberfeldwebel freundlich zu: "Sie dülfen nicht ziehen, sondeln den Fingel weitel hineindlücken. Die Zähne haben Widelhaken nach außen, nicht nach innen. Und wenn sie den Fingel fest und tief genug hinein schieben, muss die Pflanze ihn... ausspucken."
"Ah", murmelte Cim, "Interessant." Dann drehte er sich um und blickte zu Rea, die sich irgendwie ignoriert vorkam. Abgesehen davon hatte er sie mitten im Vortrag unterbrochen.
"Wer hat das angeordnet?", fragte sie ruhig, aber der Vampir konnte in ihrer Stimme hören, dass sie noch mieslauniger geworden war.
"Sillybos, Romulus", versetzte er kurz und bündig, drehte sich um und verließ den Raum, ohne auf irgendeine Reaktion zu warten. Chi sah besorgt zu Rea, die sich auf die Lippen gebissen hatte und dem Fähnrich mit blitzenden Augen einen vernichtenden Blick nachwarf. Sie nickte ihm nur kurz zu und schickte kurzerhand alle aus den Raum.
Nur fünf Minuten später hatte sie Chi eingeholt.
"Ich begleite dich. Ich möchte mal wissen, was zwei Abteilungsleiter von einem einfachen Gefreiten wollen.", sie schien sich nur wenig beruhigt zu haben und dominierte sofort das Tempo. Nicht dass Chi es gestört hätte, schnell zu gehen, er bevorzugte nur das gemäßigte Schlendern, das auch innerhalb der Wache für gewöhnlich sehr beliebt war. Aber der Feldwebel schien ihre Energien in ihre Füße fließen zu lassen und dort wollten sie sich offensichtlich auf energischste Weise befreien. Der Gefreite zurrte seine Puppe Emily etwas fester an sich und versuchte Schritt zu halten, ohne in Laufschritt zu verfallen.
Sie kamen so recht schnell zum Tatort. Er war auf typische Weise abgesperrt, mehrere SUSI-Wächter wehrten eine Menschenmenge ab, durch die sich die beiden SEALS durchkämpften. Als sie endlich durch die Absperrung kamen, erblickten sie sogar drei Abteilungsleiter. Humph MeckDwarf stand mit finsterer Miene neben Sillybos und hörte Romulus zu, wie er über den Toten berichtete.
"...war Koch in dem achatenischen Restaurant gleich in der Nähe des Wache-Hauses. Er...", Romulus erspähte die Beiden und nickte, "Auf dich haben wir gewartet, Gefreiter."
"Ist hier eine Abteilungsleiterversammlung, von der ich nichts weiß?", flötete Rea in falsch freundlichem Ton.
"Dann wärst du nicht hier", versetzte Humph grummelnd. Die SEALS-Wächterin zuckte kurz zurück, als wäre sie geschlagen worden, setzte dann aber eine Antwort an.
"Schon gut", der frische gebackene DOG-Abteilungsleiter winkte ab. Chi blickte ihn an. Auch er schien heute überaus üble Laune zu haben, außerdem sah er müde und abgekämpft aus. Irgendwie waren alle heute in mieser Stimmung. Dabei regnete es nicht einmal. Es war kein großartig sonniger Tag, aber es regnete nicht. Der Gefreite sah von Humph zu Rea, die wieder hochrot angelaufen war und roch, dass sie sich als wenn auch nur vorübergehende Abteilungsleiterin nicht für voll genommen fühlte. Schweigen hatte sich zwischen den Wächtern ausgebreitet.
"Walum blaucht ihl mich?", Chi musterte Romulus, der wieder nickte, sich umwandte und den Anderen einen Wink gab.
"Das Opfer scheint irgendetwas mit dir zu tun zu haben.", sagte er, als er um das Haus in eine schattige Gasse bog. In einer Ecke zum Haus lag eine zusammengesunkene Gestalt. Ihr Gesicht war blutig, die Schürze, die sie trug ebenfalls völlig rot. Chi erkannte ihn sofort, Tin Tin hatte für seine Tätigkeit für den Gefreiten teuer bezahlt. Er stellte sich schon auf eine längere Diskussion mit Feldwebel Dubiata ein. Ohne das Gesicht zu verziehen kam er näher. Sillybos hatte sich schon über die Leiche gebeugt, einen Stift gezückt und zeigte auf den Kopf des Toten.
"Wo ist Hegelkant, wenn man ihn mal braucht, was?", der Sarkasmus troff fast aus Humphs Mund, doch der SUSI-Leiter ignorierte die Spitze.
"Er wurde in die Augen gestochen...", hob er an.
"...um anzuzeigen, dass el zuviel gesehen hat..."
"...dann wurde sein Mund zugenäht...", der Stift wanderte von den Augen etwas hinunter.
"...weil el zuviel gesagt hat..."
"Aber zuvor wurde er ins Herz gestochen.", Sillybos zeigte etwas tiefer.
"Um anzuzeigen, dass el sein Helz entehlt hat", Chi blickte zu Rea, die ihn seit der ersten Erklärung neugierig begutachtete, "Tladition". Er zuckte mit den Schultern.
"Alles gut und schön, aber nur, weil er auch Achatene ist, hat das nicht unbedingt etwas mit Gefreiten Petto zu tun, oder irre ich mich?", sie verschränkte die Arme.
"Ja, wenn nicht das wäre", erwiderte der SUSI-Leiter und verschob vorsichtig die Leiche. Unter ihr war verschmiert der Name "Chi Petto" zu lesen.
"Dafür hatte er noch Zeit? Ohne Augen?", Rea hob die Augenbrauen, "Das ist nicht logisch."
"Logisch oder nicht", erwiderte Romulus, der ebenfalls neben der Leiche hockte. Seine Gesichtszüge waren konzentriert und er vermied so gut es ging den Kontakt mit Blut. Chi konnte es nachvollziehen, Blut war für Leute wie sie immer ein gewisses Problem. "Der Name unseres Gefreiten findet sich bei einer Leiche. Und wir sollten herausfinden, warum."
Rea sah zu Chi: "Kennst du ihn?"
Der Vampir nickte kurz: "El wal mein Infolmant."
"Und deswegen musste er sterben", Chi sah flüchtig zu Humph, der diese Worte ohne irgendein Gefühl ausgesprochen hatte, und nickte wiederum. Er konnte die wütenden Blicke seiner Vorgesetzten richtig spüren.
"Dann hast du uns ja eine interessante Geschichte zu erzählen", Romulus erhob sich und zeigte in die ungefähre Richtung des Wachehauses, "Aber nicht hier."
Kurze Zeit später hatten sich die drei Abteilungsleiter, die stellvertretende Abteilungsleiterin der SEALS und Chi Petto in Romulus' Büro. Rea war noch immer stumm, warf aber immer wieder wütende Blicke in die Runde und besonders zu Chi, Romulus saß hinter dem Schreibtisch, während Sillybos es sich auf einen der Stühle bequem gemacht hatte. Humph lehnte müde am Schreibtisch, Chi hatte es bevorzugt zu stehen. Er mochte alt sein, aber als Vampir hatte man solche Probleme wie gebrechliche Knochen nicht.
"Na gut", Humph klatschte einmal laut in die Hände, "Jetzt wo alle da, die eingeladen wurden, da sind. Und auch die, die nicht eingeladen wurden...", er blickte viel sagend zur SEALS-Wächterin, die ihm mit verschränkten Armen gegenüber stand.
"Was hat DOG eigentlich damit zu tun?", unterbrach sie ihn sofort.
"Das ist DOG-Sache.", erwiderte Humph knapp.
"Bitte, hört auf zu streiten, wir haben hier Arbeit zu tun", brummte Romulus, der mittlerweile ebenfalls genervt zu sein schien. Rea verstummte wieder und setzte sich schwungvoll in den nächsten Stuhl. Humph zuckte nur mit den Schultern.
"Also, fang an", sagte der DOG-Leiter und alle sahen mehr oder weniger gespannt zu Chi.
***
Chi stand vor dem achatenischen Restaurant, das von einigen Wächtern besucht wurde. Achatenisches Essen wurde immer beliebter, auch wenn Chi nicht wusste warum. Es war nicht so, als wäre er der heimischen Küche abgeneigt, aber er fand es als nichts Besonderes. Überhaupt wurde Essen überbewertet, aber das ließ sich als Vampir ja leicht behaupten. Wenn man mal von Blut oder Blut-Ersatz absah, aber selbst das war für ihn nur eine Lebensnotwendigkeit. Er wusste nicht einmal mehr, wie normales Essen schmeckte, es war einfach zu lange her, dass er etwas genossen hatte. Aber er war auch nicht zu speisen hier, sondern aus beruflichen Gründen. Er nahm Emilys Schnüre und spazierte langsam in das Etablissement. Es sah aus wie jedes achatenische Restaurant. Heimische Möbel, heimische Dekoration... und herumrennende Achatenen. Eine ebensolche spazierte gerade lächelnd zu ihm und setzte gerade zu einer Frage an, da trottete er bereits mit einem sanftem Lächeln an ihr vorbei und suchte sich einen dieser Tische, die eine heizbare Platte hatten und neben der ein etwas schäbig dreinblickender, junger Koch stand, der mit seinen Messern spielte. Er war höchstens ein Meter sechzig groß und schien sehr gelangweilt zu sein. Sein schwarzes Haar steckte in einer Kochmütze, die Schürze war bereits voller Fleischsaft voll gesogen. Chi sah sich um. Es war wirklich gut besucht, einige Wächter saßen hier herum, einer nickte dem Vampir sogar zu. Er nickte knapp zurück und blickte dann erwartungsvoll zum Koch, der ihn erst jetzt zu bemerken schien.
"Guten Abend, ich bin Tin Tin, ihl heutigel Koch. Ich hoffe, es wild Ihnen munden. Womit kann ich dienen?", selbst diese Worten hörten sich furchtbar gelangweilt an. Chi lächelte, er mochte Menschen, die ihre Arbeit so sehr liebten. Er nahm die Karte und bestellte das erste, was ihm unterkam. Dann sah er zu, wie der Koch seine Arbeit verrichtete. So teilnahmslos wie er auch wirkte und so schäbig er auch aussah, mit den Messern war er ein Künstler. Er verstand es, das Fleisch zu verteilen und die Messerkunststücke waren außerordentlich gelungen. Chi hätte ihm gern länger zugesehen, aber irgendwann war der Koch fertig und breitete das Mahl vor ihm aus. Der Vampir stocherte lange lustlos im Essen herum und merkte, wie sich das Haus langsam leerte. Er wartete noch ein Weilchen, das Fleisch war längst kalt geworden und der Koch bohrte sich bereits gelangweilt in der Nase, während er vorgab sich die Stirn abzuwischen. Selbst als Vampir empfand Chi das als ekelhaft, wenn man bedachte, dass das Fleisch mit derselben Hand angefasst wurde. Das Restaurant war nun bis auf die Beiden fast leer, nur die Empfangsdame stand noch da und blickte hin und wieder erwartend zu ihrem letzten Gast. Das sah Chi als das Zeichen an, wirklich zu gehen, aber vorher drückte er noch dem Koch ein paar Münzen in die Hand - und eine Karte, die diesen zu ihm führen sollte. Er würde den Wink verstehen. Dann stand er auf und verließ den Raum, während die Achatenin "Gute Nacht, Wächtel Petto" nachrief.
***
"Moment, du warst noch Wächter, als du ihn aufgesucht hast?", Rea sah verwirrt zu ihrem Schützling. Sie wusste, dass die Achatenen mittlerweile wussten, woran sie Rang und Namen der Wächter erkennen konnten, sofern die Wächter ihre Uniformen trugen und nicht verkleidet waren. Chi nickte.
"Ich wusste, dass ich zu SEALS als Infolmantenkontaktel wollte und ich dachte, ich fange schon mal an zu üben", er lächelte ihr verschmitzt zu.
"Gutes Selbstvertrauen", meinte Sillybos.
"Das ist sein größtes Problem", brummelte die SEALS-Stellvertreterin kaum hörbar, "Er glaubt, er weiß und kann alles."
"Was ich nicht verstehe", Romulus schaltete sich ins Gespräch ein und beugte sich etwas nach vor, "Warum sollte Tin Tin einfach zu dir kommen, nur weil du ihm eine Karte in die Hand drückst."
"Die Münzen, Söl", erwiderte Chi gelassen, "Es wal eine ganz besondele dabei."
***
Tin Tin hatte die Münze lange gemustert. Die eingravierte Lotusblüte sprach für Schwierigkeiten, das wusste er. Aber warum bekam er sie von einem Wächter? Waren sie auch schon dabei? Er hatte gar keine andere Wahl gehabt, als hier her zu kommen, das hatte er gewusst. Und Chi hatte dies ebenso gewusst. Der Vampir musterte den nervösen Koch, der sich sichtlich unwohl fühlte. Aber das war er gewohnt, die Puppen machten vielen Menschen Angst, auch wenn er nicht wusste warum. Er hatte Emily bewusst im hinteren Raum gelassen, da sie noch immer dazu tendierte, mit Messern zu spielen. Aber ansonsten waren Puppen für gewöhnlich harmlos. Er streichelte über das lockige Haar von Jonas, den er auf dem Schoß hatte und wartete, bis sich der Koch von den Marionetten um sich herum lösen konnte.
"W... Was wollen sie von mir?", fragte der kleine Mann nun. Chi freute sich, dass er den dämlichen Akzent nicht benutzte, damit ließ sich das Gespräch weit angenehmer führen.
"Wenn du mit sie... sie meinst, dann kann ich dich beruhigen, ich gehöre nicht dazu.", der Achatene gegenüber dem alten Vampir entspannte sich fast sofort, "Aber du gehörst dazu." Sofort spannte er sich wieder an und blickte fast beschämt zu Boden. "Keine Angst, ich weiß, du bist nur ein Bote für sie und kein großer Krimineller. Und wenn ich dich verhaften wollte...", er hob Jonas auf das andere Knie, "hätte ich dich gemeldet, nicht wahr? Was aber keinen Sinn machen würde, weil es die notwendigen Stellen in der Wache sowieso wissen." Der Koch sah mittlerweile fast alarmiert drein. Chi fuhr fort.
"Und diese Stellen sind sich sicher, dass du uns helfen könntest."
Der kleine Mann sah sich immer wieder hektisch um, bevor er etwas erwidern konnte, dann atmete er laut ein und versuchte sich zu beruhigen. Chi ließ ihm die Zeit.
"Die Wache... will mich als..."
"Informanten, genau.", beendete der Vampir den Satz, "Und wir sind uns sicher, dass du uns helfen willst."
"Ach? Warum sollte ich?", Tin Tin schien den Mut gefunden zu haben, um Trotz sprechen zu lassen. Chi grinste.
"Weil die Yakuzza deine ganze Familie getötet hat und du sie eigentlich nicht magst und nur aus Angst dort arbeitest."
***
"Die Yakuzza!", Rea zeigte auf Humph, "Deswegen hat DOG etwas damit zu tun."
Der DOG-Leiter sah fast gelangweilt zu ihr: "Genau. So läuft das. Yakuzza - Kriminelle Vereinigung. DOG - Dienststelle für blabla. Gildenangelegenheiten, weißt du? Die Assassinengilde ist nicht begeistert, die Diebesgilde nicht und sämtliche anderen Gilden auch nicht. Nicht-organisiertes organisiertes Verbrechen und so. Schlecht fürs Geschäft. Du bist scharfsinnig."
Romulus sah Humph etwas skeptisch an. Das hatte nicht nur mit DOG zu tun, soviel war sicher. Aber weder Rea noch Sillybos hatten die nötigen Informationen, um das zu wissen. Romulus beschloss nichts dazu zu sagen und sah stattdessen wieder zu Chi.
"Das hat ihn überzeugt?"
Der Vampir nickte: "Das und die Tatsache, dass die Wache eine weitele Geldquelle fül ihn wal. Wedel die Stelle als Koch noch die Botengänge fül die Yakuzza blachten ihm genug. Um genau zu sein welden Boten bei den Yakuzza dadulch bezahlt, dass sie nicht getötet welden. Da ist unsel Geld schon angenehm."
"Aber als einfacher Bote..."
"...wal el kein allzu gloßaltigel Infolmant, das stimmt. Abel man fängt klein an, so heißt es doch."
"Und etwas Information ist besser als keine Information", schloss Sillybos weise, "Woher wusstest du von der Lotusmünze?"
Chi zuckte mit den Schultern: "Tladition. Wil Achatenen lieben Tladitionen. Die Yakuzza hat ihle Methoden seit Jahlhundelten nicht veländelt. Die Zeit fließt, abel wil Achatenen schwimmen gegen den Stlom. Wil plofitielen nul von neuen Methoden."
"Und woher hattest du sie?", fragte seine Vorgesetzte daraufhin.
"DOG.", erwiderte er kurz und bündig.
"Einfach so? Damals war Araghast Abteilungsleiter, oder? Er gibt einfach so Beweismaterial an einen einfachen Wächter, damit wir einen Informanten bei der Yakuzza haben?", sie sah ihren Schützling skeptisch an, aber er war es nicht der antwortete.
"Vielleicht hat Bregs verstanden, dass es einfacher ist, wenn man aus demselben Kulturkreis kommt?", Humph spielte mit einem seiner Wurfsterne, als wollte er anzeigen, dass ihn das Gespräch langweilte.
"Und was ist mit Drei?", Rea durchstach ihn mit ihren Blicken förmlich.
"Drei Hungrige Mäuler? Die war zu dem Zeitpunkt mehr oder weniger schon beurlaubt und hatte sowieso zuviel zu tun. Bregs weiß, was er tut. Mach dir darüber keine Sorgen."
"Es ist auch ziemlich egal, warum er es getan hat.", versuchte Sillybos zu schlichten, "Tatsache ist, dass die Münze von DOG kommt, nicht wahr?"
Sowohl Chi als auch Humph nickten: "Das sagen zumindest die Akten und da wird Bregs wohl kaum lügen."
"Und es hat offensichtlich geklappt", fügte Romulus hinzu.
"Ziemlich gut sogar. Wir haben mehr Informationen aus Tin Tin heraus bekommen, als wir dachten. Ich habe Akten am Schreibtisch liegen, die voll sind mit Erkenntnissen, die wir von ihm bekommen hatten.", Humph klang äußerst zufrieden mit dieser Tatsache, wodurch Romulus ihn wieder skeptisch begutachtete.
Chi nickte wieder: "El hatte sich sogal fül uns hochgealbeitet und kam einel wichtigen Pelson innelhalb del Yakuzza nähel. Leidel... wal das wohl sein glößtel Fehlel. El hatte sich damit auch Feinde gemacht und das ist nie gut in einel solchen Olganisation."
***
"Guten Abend, meine Dame. Womit kann ich herfen? Wir haben sämtriche Puppen für ihre niedriche Tochter hier. Wirrst du eine Puppe, Kreine?", Zehn beugte sich zu der dicklichen Tochter der adeligen Dame herunter, die ihn mit misstrauischen Augen begutachtete.
"Ich denke nicht, dass wir hier einkaufen. Die Puppen sind ja ganz schön, aber nicht ganz das was wir wollen", sie beäugte Zehn, als meinte sie damit ihn, "Nicht wahr, Schötzchen?" Die Kleine hämmerte ihren Fuß gegen das Schienbein Zehns, der erstickt aufschrie. Danach gingen die Beiden heraus. Fluchend stapfte die achatenische Aushilfe wieder hinter den Tresen und setzte sich hin.
"Zehn!", der Ausruf ließ den Jungen wieder hochschrecken, "Zehn, wie oft muss ich dir sagen, dass es ein R-Fehler ist, kein L-Fehler!", Chi Petto blickte etwas genervt auf den jungen Mann und hob tadelnd den Finger, "Es heißt "Altel" nicht "Arter". So funktioniert das. Du musst den Kunden geben, was sie sich erwarten, sonst gehen sie. Wie du siehst." Chi zeigte mit beiden Armen auf die Tür. Just in diesem Augenblick wurde diese aufgestoßen und ein aufgeregter Koch stürmte herein. Der Vampir ließ sofort die Hände fallen und starrte Tin Tin an.
"Ich brauche Hilfe!", stieß dieser aus, doch Chi zeigte auf die junge Aushilfe und hob einen Finger vor den Mund. Dann zeigte er auf die hintere Tür, wohin der Koch sofort stürzte.
"Gut, Zehn, geh jetzt und schließ zu. Wir sehen uns morgen", Chis Ton war befehlend. Dann wandte er sich um und folgte Tin Tin.
"Also, was ist los?", der Vampir nahm Emily das Messer aus der Hand, das sich unberuhigend auf Tin Tin gerichtet hatte.
"Sie suchen nach einem Verräter!", der Koch sah sich nervös um und erblickte die kleine Werkstatt, die nur ein kleines viereckiges Fenster hatte, vor dem die Vorhänge zugezogen waren. Eine halbfertige Puppe lag auf dem Tisch, sie sah aus, als wäre sie zerbrochen. Aufgeregt kramte Tin Tin in seinen Taschen und brachte eine Münze zum Vorschein. Er warf sie Chi Petto zu.
"Da, das ist dieselbe Münze, die du mir gegeben hast. Ich hatte sie vor einer Woche verloren. Dachte ich zumindest. Heute Morgen fand ich sie unter meinem Kopfkissen. Sieh sie dir an!"
Chi beäugte die Münze und drehte sie. Auf der Rückseite, die normalerweise nur ein paar achatenische Zeichen zeigte war eine Wachemarke eingraviert worden.
"Sie wissen es!"
Chi nickte: "Sieht so aus. Aber wie kommt das auf einmal."
Tin Tin lugte durch den Vorhang: "Seit ein paar Wochen, vielleicht Monate, tötet irgendein Wahnsinniger Mitglieder der Yakuzza. Dadurch haben sie alsbald nach undichten Stellen gesucht. Sie haben ein paar Informanten von Gilden gefunden, du willst gar nicht wissen, was sie diesen getan haben. Auf jeden Fall ist die Yakuzza sehr vorsichtig geworden. Und jetzt haben sie mich! Ihr müsst mir helfen!", der Koch fiel in einen Stuhl, der im Raum stand.
Chi seufzte: "Das geht leider nicht."
"Was??", er sprang wieder auf, "Aber... ich habe euch soviel geholfen. Soviel mitgeteilt."
"Denk nach, wie kommen sie auf dich."
Tin Tin beruhigte sich nicht und schnaubte: "Wahrscheinlich dieser Idiot Ram. Er kann mich nicht ausstehen. Er hasst mich seit ich seine Position bei Tonno habe. Er hat schon ewig nach einer Entschuldigung gesucht, mich zu beseitigen. Und jetzt scheint er sie gefunden zu haben." Der Koch zeigte auf die Münze. "Woher auch immer er sie hatte. Bitte, Chi, die Wache muss mir helfen."
"Ich sagte doch, das können wir nicht. Derzeit haben wir absolut nicht die Möglichkeit, dich zu beschützen."
"Dann verhaftet mich!", Tin Tin bewegte sich hin und her.
"Das geht nicht...", Chi seufzte, "Tin Tin, du musst da selbst rauskommen. Mir sind da die Hände gebunden."
"Aber WIESO!", schrie der Koch wütend auf und zog ein Messer.
***
"Ja, WIESO!!!", Rea schrie Chi wütend an, "Wie oft hab ich euch gesagt, dass wir alles... ALLES tun müssen, um einen Informanten zu schützen. WIESO hast du nicht auf mich gehört. Siehst du, was du gemacht hast?"
"Weil wir nicht hätten tun können für ihn.", erwiderte Humph anstatt Chi völlig ruhig.
"Ach, wir hätten nichts tun können? NICHTS tun können? Wofür sind wir da, wenn wir nicht einmal unsere eigenen Informanten schützen können?", sie brauchte nur einen langen Schritt, um vor dem Hauptmann zu stehen, krampfte ihre Hände in Humphs Mantel und drückte ihn gegen den Schreibtisch, "WOFÜR, frag ich dich?"
"Beruhig dich erstmal", erwiderte dieser weiterhin ruhig. Die Skepsis in Romulus wuchs.
"Mä'äm, wil hätten Tin Tin nicht letten können. El wal schon tot, als el die Münze untel dem Kissen fand. Seine einzige Chance bestand dalin, so schnell wie möglich die Stadt zu vellassen."
"Warum?? Wir hätten ihn hier einsperren können.", Romulus stand auf, "Und danach klammheimlich aus der Stadt karren können."
"Sie untelschätzen die Yakuzza, Söl. Dadulch, dass Tin Tin zu mil kam, wussten sie, wel in del Wache sein Kontakt wal."
"Damit müssen wir leben, Chi!", stieß Rea zwischen den Zähnen vor. Noch immer ließ sie Humph, der sie mit einer Mischung aus Langeweile und Mitleid anzustarren schien, nicht los, "Wir haben den Weg gewählt und wir wissen, wie gefährlich unsere Arbeit ist."
"Und er wusste es genauso", sagte Humph leise, "Oder denkst du, er wäre so dumm gewesen, nicht zu wissen, was er tut. Er hat sich sogar für uns tiefer in die Organisation begeben. Verdammt, es war sogar seine Idee! Dabei war er nur ein kleiner Feigling."
Das war für die Hexe zuviel. Ein lauter Knall ertönte und rosa Qualm füllte plötzlich den Raum, man konnte ein lautes Krachen hören und ein erschrockenes Aufstöhnen. Der Rauch verschwand fast ebenso schnell, wie er gekommen waren und die Wächter sahen, dass der Schreibtisch verschwunden war und nur feines Sägemehl am Boden lag, darauf sämtliche Akten, Tassen, Krimskrams und ein sichtlich geschockter Humph. Rea wirkte etwas verstört, bevor sie ihn wieder wütend ansah, dann drehte sie sich zu Chi: "Wir sprechen uns noch!" Danach verließ sie stapfend das Büro und schmetterte die Tür zu.
Kurze Zeit war Stille im Raum, außer einem stöhnenden Humph, der sich langsam aufrichtete.
"Er hatte dich angegriffen, Gefreiter?", es war wieder Romulus, der das Wort ergriff.
Chi nickte: "El konnte mit dem Messel zwal gut umgehen, abel gegen einen Vampil kämpfen wal nicht seine Stälke. Als el das velstand, velschwand el."
"Wann war das?"
"Gesteln."
"Natürlich. Sonst wäre er wohl früher abgehauen. Ich verstehe immer noch nicht, warum wir ihm nicht helfen hätten können."
"Weil sie draußen auf ihn gewartet haben und Chi wusste das!", grummelte Humph, "Das ist die Yakuzza. Und denk doch mal logisch, Romulus, wenn jemand eine Münze unters Kopfkissen stecken kann, warum hat er ihn nicht gleich getötet? Sie wollten erst den Kontakt."
"Was für den Gefreiten Petto Gefahr bedeutet", schaltete sich Sillybos ein.
"So ist das Wächterleben", Humph schnaubte, "Zumindest da hat Rea Recht."
"Und was machen wir dagegen?"
"Wir holen ihn erstmal aus der Schusslinie, was wohl äußerst langweilige Schreibtischarbeit für ihn bedeutet. Währenddessen versuchen wir - und damit mein ich DOG - seinen Namen rein zu waschen. Macht euch keine Sorgen, das wird schon funktionieren. Aber erstmal...", er blickte zu Chi, "werde ich mit Dae reden, dass er dir ungefährliche Arbeiten zuteilt. Wie du das mit deinem Laden regelst ist dir überlassen, wohnen wirst du dort erstmal nicht können. Ich würde das Wachehaus vorschlagen." Chi nickte nur.
Chi öffnete vorsichtig die Tür zu seinem Laden und trat ein. Ein paar seiner Habseligkeiten musste er holen, Emily würde wahnsinnig werden ohne ihn. Er konnte sofort riechen, dass noch jemand anders im Raum war und spannte sich kurz an, bevor er den Geruch identifizieren konnte. Aus der Ecke kam ein Zischen und eine Kerze wurde entzündet.
"Sör", Chi nickte dem dunklen Schemen im Lichtkegel zu.
Humph nickte müde zurück und lehnte sich nach hinten: "Was ist danach passiert." Chi seufzte.
***
Er schritt direkt durch die Küche des Restaurants. Es lag in den Schatten und war weit schäbiger als das fast edle achatenische Etablissement nahe der Wache. Die Köche beachteten ihn gar nicht. Er hatte es erwartet. Mit einem Schwung öffnete er die Kellertür und schritt hinunter, wo ihn ein großer, muskulöser Mann erwartete. Normal würde er ihn einfach erschlagen, aber nichts an dieser Situation war normal. Er nahm schwungvoll die zwei Messer aus seinen Ärmeln und präsentierte sie mit einer demütigen Verbeugung.
"Ich möchte den Oyabun sprechen", sprach er leise, aber bestimmt.
Der Muskelmann nahm die Zierdolche entgegen und verbeugte sich ebenfalls, bevor er den Vorhang hinter sich öffnete. Chi zog seine Schuhe aus und trat ohne weiters Zögern ein. Er ging den langen Gang entlang, bevor er vor einem erhöhten Thron stand. Er kniete sich davor und wartete. Nach ein paar Minuten öffnete sich hinter dem Thron ein Vorhang und ein gut gekleideter, junger Achatene trat ein und setzte sich. Chi neigte seinen Oberkörper nach vor.
"Oyabun."
"Chi", sagte der Anführer leise und hob die Hand, "Sieh mich an."
Chi folgte dem Befehl, sprach aber kein Wort. Einige Minuten Stille hingen in der Luft, dann sprach der Oyabun: "Warum bist du hier?"
"Ein Außenstehender wünscht einen Termin bei Euch, Oyabun."
"Du bist auch ein Außenstehender, oder irre ich mich. Du hast der Yakuzza nicht die Treue geschworen."
"Das ist wahr, Oyabun, aber ich kenne die Gepflogenheiten."
"Offensichtlich", der Anführer sah auf die Dolche, die neben seinem Thron lagen, "Wer will etwas von mir?"
"Ein hoch dekorierter und hochrangiger Wächter will Euch einen Vorschlag machen. Er bietet Informationen über Wache-Aktivitäten."
"Wofür?"
"Die Wache zahlt schlechter, als man ihr nachsagt, Oyabun. Er ist unzufrieden, wo er ist."
"Nur Geld? Sehr enttäuschend."
"Und vielleicht ein paar Gefallen, die er mir noch nicht gesagt hat."
Der Oyabun nickte zufrieden: "Ich werde ihn anhören."
"Ich danke dir, Oyabun."
"Und was mach ich nun mit dir?"
"Die Gepflogenheiten befehlen..."
"Ach, Tradition. Traditionen sind langweilig, findest du nicht?"
Chi musste sich zwingend, nicht schockierend hochzublicken. Das konnte unangenehm werden. Dumme Jugend, immer wollen sie mit der Zeit gehen, bis sie verstehen, wie wichtig die Tradition eigentlich ist. Er schluckte und wartete.
"Sag mir, Chi. Wie geht es Emily?"
***
"Er kennt die Puppe?", fragte Humph erstaunt.
"Nein, nicht die Puppe, Sör. Den Menschen Emily."
Humph hob die Augenbrauen: "Aha. Woher?"
Chi schluckte. Er hatte bemerkt, dass den Hauptmann nicht interessierte, wer Emily war und vor allem, was sie war. Trotzdem war das eine schwere Information, die er nun abzugeben hatte: "Er ist ein Petto."
Der Hauptmann blickte verwundert: "Du bist viel zu alt..."
"Ein Urururururur... Enkel, Sör. Und innerhalb einer Familie gibt man die eigene Geschichte weiter."
"Ich verstehe...", Humph ließ es dabei bewenden, "Es hat sich also wirklich gelohnt, deinen Informanten zu verraten."
"Ich fürchte, Feldwebel Dubiata würde das nicht so sehen, Sör."
Humph schnaubte: "Rea versteht diese Sachen nicht. Man muss manchmal opfern, um etwas Wichtigeres zu bekommen."
Chi nickte: "Ram erweist sich auch als sehr guter Informant, Sör. Der Großteil der Informationen, die Tin Tin nachgeschrieben wurden, waren eigentlich von Ram."
"War ja klar. Dieses Weichei hatte nie den Schneid, uns wirklich wichtige Informationen zu beschaffen.", er erhob sich und schritt zur Hintertür, "Mit Rea wirst du in nächster Zeit nicht viel Spaß haben, fürchte ich."
"Es war schon vorher nicht sehr spaßig, ihre Vorträge zu hören, Sör", Chi zuckte mit den Schultern, "Ich bin neugierig, warum sie diese Probleme hat, also habe ich zumindest etwas zu tun, während ich größtenteils im Wachehaus bin."
Humph nickte und öffnete die Tür.
"Sör?"
"Ja, Gefreiter Petto?", Humph war zur offiziellen Sprache zurückgekehrt und sah nicht zurück.
"Sie sollten vorsichtig sein mit den Yakuzza. Sie sind gefährlich und sind nicht so leicht zerschlagen."
Humph lachte, es klang wie ein Bellen: "Chi, wer, glaubst du, war dieser 'Irre' von dem Tin Tin gesprochen hat? Der, der einige wichtige Yakuzzi getötet hat? Ich bin sicher nicht derjenige der Angst haben muss." Daraufhin verließ er das Haus.
Innerlich müde verstaute Chi die letzten Puppen, die er mitnehmen musste. Sein Blick fiel auf eine kaputte Puppe, deren Teile er für die letzte Marionette benutzt hatte. Ein leises Seufzen entrang ihm. Der Hauptmann hatte Recht: Manchmal musste man für etwas Neues das Alte opfern.
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