Eine Gruppe Jugendlicher überfällt ein Gasthaus. Stefans erste Bewährungsprobe. Wird er sie bestehen?
Dafür vergebene Note: 10
Stefan stand vor dem Büro seines zukünftigen Ausbilders. Heute sollte seine Ausbildung als Triffinsziel beginnen. Nervös sah er noch einmal an sich herab, um zu überprüfen ob er auch nicht verdreckt war. Nach dieser Musterung klopfte er an die Tür.
"Herein", hörte er von hinter der Tür.
Vorsichtig öffnete er die Tür und betrat das Büro seines Ausbilders.
"Gefreiter Mann meldet sich zu Ausbildung, Sör!", sagte Stefan, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, und salutierte.
Der hinter seinem Schreibtisch sitzende Vampir blickte auf und musterte Stefan. Was er sah schien ihm zwar nicht unbedingt zu gefallen, aber zumindest zufrieden zu stellen.
"Du bist der neue Triffinsziel, stimmt's?", fragte der Vampir nach einem kurzen Gruß. Stefan nickte. "Ich habe deine Akte gelesen. Du scheinst ja schon früher Erfahrungen gemacht zu haben, die dir bei deiner Spezialisierung helfen werden. Allerdings musst du hier in der Stadt auf andere Sachen achten als im Wald. Aber um dir das alles beizubringen bin ich ja da." Valdimir stand auf. "Als erstes solltest du die Grundlagen für einen erfolgreichen Triffinsziel lernen. Das bedeutet, du lernst jetzt dich in eine gute Schussposition zu bringen und dich dort zu tarnen. Komm mit."
Stefan folgte seinem Ausbilder aus dem Büro heraus vor das Wachhaus.
Die beiden Wächter standen vor der, das Wachhaus umgebenden, Mauer. Valdimir sah seinen Auszubildenden an. "Um in eine gute Schussposition zu kommen wirst du dich oft auf erhöhte Positionen begeben müssen. Da du aber nur selten genug Zeit haben wirst mit Hausbewohnern darüber zu diskutieren ob du auf ihr Dach darfst musst du lernen wie man, auch ohne durch das Haus zu gehen, auf das Dach des entsprechenden kommt. Deine Aufgabe ist nun diese Mauer zu erklettern. Ärgere dich nicht, falls du es beim ersten mal nicht schaffst. Es ist ziemlich schwer."
Stefan sah sich die Mauer an und nickte seinem Ausbilder kurz zu. Dann trat er an die Mauer heran und suchte ein paar geeignete Stellen um zumindest den ersten Teil der Mauer problemlos hinter sich bringen zu können. Nachdem er einige vertrauenswürdige Stellen gefunden hatte begann er die Wand zu erklimmen. Der Chief-Korporal sah seinem Auszubildenden von unten zu. Die ersten zwei Meter waren aufgrund der vorhergehenden Planung und den starken Armen für Stefan kein Problem, doch dann musste er immer wieder anhalten und sich nach weiteren Ritzen und Löchern im Mauerwerk umsehen. Was ihm von unten noch relativ einfach erschien wurde zu einer immer schwereren Aufgabe. Selbst nachdem er einige Stellen gefunden hatte an denen er sich festhalten und gegen die er die Füße stemmen konnte wurde es nicht besser. Mehr als einmal befand er sich plötzlich an einer Stelle, an der er keinen Weg fand, der weiter nach oben führte. Immer langsamer ging die Kletterei voran und nach einer knappen Viertelstunde und einer erreichten Höhe von nur etwa 4 Metern musste er wieder auf den Boden zurück.
Erschöpft stand er vor seinem Vorgesetzten, der ihn schief lächelnd anblickte.
"Das Grundprinzip hast du schon verstanden", begann der Vampir. "Allerdings ist dein Blick noch nicht geschärft genug. Du hast viele Stellen übersehen, die es dir einfacher gemacht hätten weiterzukommen. Nun ja, machen wir hier später weiter. Als nächstes kümmern wir uns um deine Armbrust. Komm mit."
Ohne auf Stefan zu warten drehte sich Valdimir um und ging wieder in das Wachhaus. Schließlich waren sie wieder im Büro des Leichten Armbrustschützen. Stefan wunderte sich. Wie sollte man sich hier um eine Armbrust kümmern? Doch bevor er eine entsprechende Frage stellen konnte holte sein Ausbilder eine Messlatte hervor und begann Stefans Maße zu nehmen.
"Deine Armbrust muss speziell für dich angefertigt werden, dafür brauche ich ein paar Daten von deinem Körper", erklärte der Leichte Armbrustschütze. "In dieser Zeit wirst du weiter klettern üben und ich werde dich, zumindest theoretisch, mit den Eigenschaften deiner zukünftigen Armbrust vertraut machen. Außerdem bekommst du noch einen Gehilfen. Du hast sicherlich schon einmal von den Zieldämonen gehört, die die Triffinsziel verwenden?" Stefan nickte. "Gut. Du kannst dir deinen morgen in der Waffenkammer abholen." Valdimir setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch und legte die Messlatte weg, nachdem er sich die Daten auf einem kleinen Zettel notiert hatte. "Aber jetzt bringe ich dir erst einmal etwas über die Triffinsziel-Armbrust bei."
Der Rest des Tages war gefüllt mit Erklärungen, wie man die Armbrust richtig behandelt, wie sie funktioniert und was man als Triffinsziel zu beachten hatte.
Am nächsten Morgen stand der Triffinsziel in Ausbildung wieder vor dem Büro seines Ausbilders. Dieser schien jedoch nicht da zu sein, allerdings hing an der verschlossenen Tür ein Zettel für Stefan:
Hol dir deinen Zieldämon in der Waffenkammer ab.
Nächstes Treffen in 4 Tagen.
Übe klettern und halte dich fit.
Gez. V.v.V.Die ungeplante Unterbrechung der Ausbildung schien Stefan nichts auszumachen.
"Immerhin habe ich eine Aufgabe", dachte er bei sich.
Auf dem Weg zur Waffenkammer fragte sich der Gefreite wie sein neuer Kumpan wohl sein würde. Doch da er noch nie mit Dämonen zu tun hatte, zumindest nicht direkt, fand er keine Antwort auf diese Frage.
Als er schließlich an der Waffenkammer ankam wurde er scheinbar schon erwartet, denn kaum stand Stefan an der Tür kam ein Wächter mit einem kleinen Kästchen in der Hand auf ihn zu.
"Bist du Stefan Mann?", fragte der Wächter.
Stefan nickte.
"In dieser Kiste ist dein Zieldämon. Du musst nur noch hier unterschreiben, dann öffne die Kiste irgendwo, wo du alleine bist." Der Wächter wedelte mit einem Blatt Papier vor Stefan herum, und nachdem dieser den Aushändigungsbeleg unterschrieben hatte und das Kästchen entgegengenommen hatte verschwand der Wächter schon wieder in der Waffenkammer.
Die Verwunderung des zukünftigen Triffinsziels wuchs immer weiter. Schließlich begab er sich auf die Toilette, der erste Ort, der ihm einfiel, an dem er mit Sicherheit alleine sein konnte. Dort angekommen betrachtete er sich das Kästchen noch einmal genauer. Er musste es nicht schütteln, denn es schien von alleine zu wackeln. Von innerhalb des Kästchens glaubte Stefan eine leise Stimme zu hören. Neugierig wie der Dämon wohl aussehen würde öffnete Stefan den Deckel einen kleinen Spalt weit. Kaum war ein kleiner Spalt offen zischte etwas hindurch und flog, übelste Verwünschung schreiend, kreuz und quer durch die Toilette. Stefan wusste nicht wie ihm geschah und versuchte nur dem dahinsausenden Etwas auszuweichen, wenn es auf ihn zugeflogen kam. Dieses Chaos endete mit einem gut vernehmbaren "Pflatsch" als das herumzischende Etwas durch die nach unten führende Öffnung der Toilette flog und in dem sich darunter befindlichen Material landete. Nach einem kurzen Moment der Stille fingen die Verwünschungen wieder an und ein kleiner, sehr dreckiger Dämon stieg aus dem Loch.
Stefan, der bisher zu überrascht war um zu reagieren, riss sich zusammen und sah sich das Wesen genauer an. Die Haut, zumindest die im Augenblick sichtbaren Stellen, hatte die Farbe dunklen Eschenholzes und schien sich direkt über den Knochen zu spannen. Das Gesicht schien wie dafür gemacht Missmut und Unwillen auszudrücken. Dies wurde noch verstärkt durch spitze, nach hinten zeigende Ohren, welche dicht am Kopf anlagen. Auf den ersten Blick sah das Wesen wie eine
Ausgeburt der Hölle aus.
Der Gefreite nahm seinen Mut zusammen und sprach den Dämon, der immerhin seit knapp einer Minute ununterbrochen fluchte
[1], an.
"Geht es dir gut?"
Schlagartig hörten die Verwünschungen auf und Stefan wurde von sich zu schmalen Schlitzen verengenden Augen angesehen. "Wer will das wissen?", schnappte der Dämon zurück.
"Mein Name ist Stefan Mann. Und wie heißt du?"
Die Augen des Dämons weiteten sich in schierer Überraschung. Betreten sah er zu Boden, als ob ihm die Antwort auf diese Frage peinlich wäre.
"Bisher wurde ich immer nur 'Zieldämon' genannt", antwortete das kleine Wesen.
"Das ist doch sehr unpraktisch, oder nicht? Außerdem ist das doch sehr unpraktisch, wenn du neben anderen Zieldämonen stehst und jemand will dich ansprechen. Hast du denn keinen Namen?"
Der Dämon stand inzwischen mit offenem Mund da. "Du willst mir wirklich einen Namen geben?", fragte er verwundert. "Nicht einfach nur 'Zieldämon' oder 'Dämon'?"
"Wenn ich darf."
"Aber natürlich darfst du!" Der Zieldämon schien sein Glück nicht fassen zu können.
"Dann nenne ich dich ab heute Hugo. Einverstanden?"
Der Dämon nickte heftig. "Aber natürlich!"
Stefan lächelte. "Dann komm einmal her und lass dich sauber machen, und dann gehen wir trainieren."
Die nächsten paar Tage übten die beiden als Tiehm zu agieren. So konnte Hugo an schwierigen Kletterstellen vorklettern um geeignete Stellen für Stefan zu suchen. Sie lernten sich auch besser kennen, denn egal wohin der Gefreite ging
[2], immer hatte er seinen neuen kleinen Freund dabei.
Nach vier Tagen stand das Zweiergespann vor den Türen des Vize-Chäffs der FROG. Stefan klopfte an und das "Herein" ließ nicht auf sich warten. Der Gefreite trat ein und salutierte. Auch Hugo, der inzwischen fast ständig auf Stefans Schulter saß salutierte. Als der Chief-Korporal den Dämonen auf der Schulter seines Auszubildenden sitzen sah blickte er kurz ein wenig verwundert.
"Es scheint als hättest du dich mit deinem Zieldämon gut arrangiert", begann Valdimir. "Dann könnt ihr ab heute beweisen wie gut er in dem Bereich ist für den er beschworen wurde." Valdimir legte ein Paket auf seinen Schreibtisch. "Deine Armbrust ist gekommen, und als Beweis, dass du noch weisst wie man sie richtig behandelt will ich, dass du sie jetzt bespannst."
Stefan nickte und begann damit die Armbrust auszupacken. Das Holz war in einem hellen Grauton lackiert. Stefan begann damit die Spannvorrichtung aus Hebeln und Flaschenzügen auseinander zu nehmen und die wichtigen Stellen zu ölen. Danach setzte er alles wieder zusammen und befestigte eine Sehne an den dafür vorgesehenen Punkten. Er hakte sie in den Spannmechanismus ein und legte die Armbrust wieder auf den Schreibtisch zurück. Sein Ausbilder lächelte zufrieden.
"Sehr schön. Du scheinst dir alles behalten zu haben was ich dir erklärt habe. Jetzt musst du nur noch lernen damit richtig zu schießen. Du solltest wenn du quer durch den Innenhof schießt direkt ins Schwarze treffen. Eine Zielscheibe kannst du dir in der Waffenkammer holen."
"Danke, Sör!", sagte Stefan, freudig nun endlich seine Schusskünste wieder trainieren zu können.
"Dann darfst du jetzt damit anfangen zu üben. Wegtreten", befahl der Vampir.
Stefan salutierte und verließ schnellen Schrittes das Büro. Die nächsten paar Tage verbrachte er beinahe ausschließlich auf dem Innenhof des Wachhauses. Egal bei welchem Wetter oder zu welcher Uhrzeit versuchte er dort seine Fähigkeiten mit der Armbrust zu verbessern. Sein kleiner Kumpan half ihm dabei und nach einer relativ kurzen Zeit waren sie schon ein eingespieltes Tiehm. Stefan zielte so gut er konnte und Hugo gab ihm durch Handzeichen kleine Korrekturbefehle. Nach ein paar Tagen trafen 9 von 10 Schüssen die Mitte der Zielscheibe.
Etwa eine Woche nachdem Stefan seine Armbrust bekommen hatte wurde er auch in den Bereitschaftsdienst aufgenommen. Trotz seiner nun geringer gewordenen Zeit übte er beständig im Hinterhof des Wachhauses mit seiner Armbrust.
Eines Tages war er wieder dabei die Zielscheibe zu durchlöchern als plötzlich Maximilian R. Schreckt auf ihn zu gerannt kam.
"Komm schnell!", rief der Späher ihm zu. "Wir haben einen Einsatz! Komm sofort in den Bereitschaftsraum!"
Sofort schoss Stefan den gerade aufgelegten Bolzen vor seinen Füßen in den Boden und rannte seinem Kollegen hinterher.
Als sie schließlich im Bereitschaftsraum ankamen hatte sich der größte Rest der Abteilung schon um die Tische versammelt. Als Kanndra sie bemerkte sorgte sie mit einem kurzen Pfiff für Ruhe.
"OK, wie ihr alle inzwischen wisst ist etwas passiert was wir klären sollen. Hier nun die genaueren Informationen. Eine Gruppe Jugendlicher hat sich in einem Gasthaus verbarrikadiert", begann die Abteilungsleiterin die Situation zu erklären. "Wir wissen nicht wie viele es sind und wir wissen nicht wie gut sie ausgerüstet sind. Das Einzige was wir wissen ist, dass sie eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Geiseln in ihrer Gewalt haben. Sie haben einen Großteil der Fenster mit Brettern zugenagelt und nur kleine Gucklöcher offen gelassen durch die sie beobachten können was um das Gasthaus herum passiert. Sie haben alle Vorteile, die sie bekommen konnten ausgenutzt. Es scheint eine schon länger geplante Aktion zu sein. Bis jetzt sind noch keine Forderungen nach außen gedrungen."
Plötzlich raüsperte sich jemand in der Eingangstür des Raumes. Sofort waren alle Blicke dorthin gerichtet. In der Tür stand ein relativ dünner Mann in einem zweckmäßigem Anzug, der einen sehr selbstbewussten Eindruck machte. Kanndra sah ihn mit missmutigem Gesichtsausdruck an.
"Wer sind Sie?", fragte sie den Neuankömmling.
Dieser schien sich nicht beeindrucken zu lassen. "Ich bin der
Gesandte des Patriziers", bekam Kanndra zur Antwort. "Ich wurde meines Wissens nach angekündigt."
"Das stimmt. Ich habe eine Rohrpostnachricht erhalten", sagte die Abteilungsleiterin der FROG. "Was ist denn so wichtig, das man es mir persönlich überreichen muss?"
"Dieser Befehl, gnä' Frau." Mit diesen Worten überreichte der Mann Kanndra eine kleine Rolle Papier welche das Siegel des Patriziers trug. "Nun denn", sprach der Gesandte. "Meine Aufgabe ist erfüllt. Ich wünsche ihnen noch viel Erfolg." Ohne auf eine Verabschiedung zu warten drehte sich der Mann um und ging.
Entnervt brach Kanndra das Siegel auf und las den Text welcher auf dem Blatt stand. Dann wurde sie sehr still. "Uns wurden
Bauernopfer erlaubt."
Sofort breitete sich die Stille auch auf die anderen FROGs aus. Bauernopfer waren Personen, die geopfert wurden um andere zu retten. Die allerletzte Möglichkeit wenn der Gegner eine große Anzahl von Geiseln hatte. Die Späherin zerknüllte das Papier und warf es in einen Mülleimer.
"Denen werden wir es zeigen!", rief sie in den Raum. "Wir sorgen dafür das alle da heil rauskommen, verstanden!?"
"JA, MÄM!!", schrie die gesamte Abteilung wie aus einem Munde.
In kürzester Zeit wurde ein Plan ausgearbeitet. Da man fast keine Informationen über das Innere des Gasthauses hatte, sollten die Späher versuchen durch unbenutzte Gucklöcher in den Fensterbarikaden das Innere auszukundschaften. Die GiGas sollten sich mit Betäubungsbomben eindecken und sich bereit machen sie direkt einsetzen zu können. Nachdem die Späher die erforderlichen Informationen gesammelt hatten sollten sie sich bereit halten Valdimir bei einer möglichen Erstürmung des Hauses zu helfen. Und die Triffinsziels sollten versuchen eine Stelle zu finden, von der sie möglichst viele Fenster im Blick hatten.
Nachdem Kanndra diese Befehle gegeben hatte legte die gesamte Abteilung einen Sprint zum Gasthaus ein, welches in der Kickelburstraße lag. Dort hatten sich schon einige SEALS eingefunden, die versuchten die Zuschauermenge zumindest in einem halbwegs angemessenen Abstand zum Gebäude zu halten.
"Verscheucht endliches dieses
Gesinde!", konnte man Daemon schon von weitem hören. "Was ist an dieser
Formulierung so schwer zu versteh'n?!"
Der Abteilungsleiter der Seals blickte erleichtert drein als er Kanndra auf ihn zu kommen sah.
"Hallo Sör", grüßte Kanndra kurz. "Danke, dass ihr hier die Stellung gehalten habt. Wir werden versuchen alles so schnell wie möglich zu klären." Kaum hatte sie diesen Satz gesprochen begaben sich die meisten FROGs auf Plätze an denen sie nur schwer beschossen werden konnten aber genügend Sicht auf das Gasthaus hatten. Stefan nahm ein Haus auf der anderen Straßenseite in Augenschein und entschied sich dafür auf dessen Dach in Stellung zu gehen. Sofort überquerte er die Straße und begann an dem Haus hoch zu klettern. Das Training machte sich bezahlt, und durch Hugos Hilfe bewegte er sich sehr schnell nach oben. Allerdings schien sein Aufstieg nicht unbemerkt geblieben zu sein. Nur eine Handbreit neben seiner Schulter zersplitterte ein Armbrustbolzen. Geschockt blieb er still an der Wand hängen. Als Hugo sah, dass sein Gefährte sich nicht mehr bewegte kletterte er zu ihm herab und trat ihm gegen die Stirn. Dies weckte immerhin die Aufmerksamkeit des Triffinsziels.
"Wenn du hier weiter herumhängst trifft dich der nächste!", schrie Hugo ihm entgegen. "Also mach, dass du hoch kommst!"
Durch diesen Satz wieder in die Realität zurück befördert kletterte Stefan noch schneller nach oben als vorher. Als er schließlich auf dem Dach ankam saß dort Carisa schon in einer günstigen Schussposition.
"Was sollte das denn?", fragte sie ihn. "Das sagt einem doch schon der
gesunde Verstand, dass man nirgends hochklettert wo jemand auf einen schießen kann."
"Entschuldigung" war das einzige was Stefan entgegnen konnte.
"Du musst dich bei mir nicht entschuldigen", sagte die Wasserspeierin. "Merk es dir nur fürs nächste mal und jetzt such dir einen guten Platz."
Der gute Platz war schnell gefunden. Am Rand des Hauses ragte ein Schornstein nach oben hinter dem man sich gut verstecken konnte und trotzdem fast die gesamte Vorderfront des Hauses im Blick hatte.
Stefan konnte die beiden Späher Maximilian und Waldemar an der Wand des Gasthauses entlang klettern sehen und konnte beobachten wie sie in manche Zimmer einen kurzen Blick warfen um dann schnell wieder weiter zu klettern. Die beiden GiGas Tyros y Graco und Fünf Schwarze Schwerter hatten sich in der Nähe des Einganges positioniert, da dieser sehr zentral lag. Bei ihnen stand Stefans Ausbilder, der Leichte Armbrustschütze Valdimir van Varwald.
Nun begann für Stefan und Carisa die Zeit des Wartens. Bis man ihnen die Erlaubnis für einen Schuss gab oder sie sich eigenmächtig dafür entscheiden müssen, müssen sie bereit sein jederzeit ihre Bolzen loszuschicken.
Nach kurzer Zeit kamen die Späher zurück auf den Boden und gaben ihr Beobachtungen an Kanndra weiter. In fast jedem Zimmer in Richtung der Straße und in vielen Zimmern welche nach hinten zeigten saßen Jugendliche mit schussbereiten Armbrüsten. Allerdings schienen sie größtenteils alleine zu sein. Die Anzahl der Jugendlichen wurde auf etwa 20 Stück geschätzt. Im Speisesaal des Gasthauses, welcher direkt hinter der Eingangstür lag, war eine Gruppe von mindestens 5 Jugendlichen welche die Geiseln bewachten. Auch sie hatten Armbrüste, waren aber zusätzlich noch mit Dolchen bewaffnet. Auf den anderen Zimmern schienen sich keine Geiseln zu befinden.
Nachdem die FROG-Leiterin alle Informationen bekommen hatte dachte sie kurz nach.
"OK, wir wollen das da drinnen niemand getötet wird", begann Kanndra. "Jeder der klettern kann lässt sich drei oder vier Betäubungsbomben geben. Wir werden als erstes die einzelnen Jugendlichen ausschalten. Danach stürmen wir den Speisesaal. Das muss sehr schnell gehen, sonst haben sie Gelegenheit ihre Armbrüste zu benutzen. Verstanden?"
Die anwesenden Wächter nickten und sofort begannen Fünf und Tyros die Bomben zu verteilen. Nachdem alles gleichmäßig aufgeteilt war fing die Aktion an. Die beiden Triffinsziels konnten von ihrer Position zwar nur die Vorderseite des Gebäudes erkennen, aber sie waren sich sicher, dass auf der Rückseite die Befehle des Oberfeldwebels genau so schnell und sauber durchgeführt wurden. Wie Spinnen kletterten die FROGs von einem Fenster zum nächsten, immer nur gerade so lange Halt machend wie es dauerte eine der Bomben durch die Gucklöcher in die Zimmer zu werfen. Innerhalb von nicht mal einer Minute waren die FROGs wieder von der Mauer herunter und hatten ihre Armbrüste bereit um das Haus zu stürmen.
Valdimir warf sich mit Schwung gegen die Eingangstür des Gasthauses. In dem Augenblick in dem er in den Raum trat feuerte er eine seiner Armbrüste ab und sorgte durch einen Schultertreffer dafür, dass sein Ziel die Waffe fallen lies. Direkt hinter ihm drangen die Späher sowie Kanndra in den Raum und feuerten ihre Armbrüste ab. Die vor Schreck still stehenden Jungs boten gute Ziele und so verfehlte keiner der Bolzen sein Ziel. Alle vier anwesenden Jugendlichen wurden mithilfe von Schultertreffern entwaffnet. Doch einer fehlte.
"Wo ist der fünfte hin?", fragte Valdimir in den Raum hinein.
Eine der ehemaligen Geiseln zeigte auf eine nach oben führende Treppe. Sofort lief der Vampir diesen Weg entlang.
"Ich habe eine Geisel!", hörte man plötzlich jemanden rufen. "Wenn auch nur ein einziger Wächter versucht hier herauf zu kommen werde ich sie töten!"
Diese Worte waren nicht nur innerhalb des Hauses zu hören. Auch auf der Straße breitete sich diese Neuigkeit aus. Sogar Stefan und Carisa bekamen die neusten Ereignisse auf ihrer Position mit.
Carisa betrachtete jedes Fenster einzeln, während Stefan beinahe aufgestanden wäre um seinen Kollegen im Gasthaus zu Hilfe zu eilen.
"Bleib liegen!", fauchte ihn Carisa an. "Das hier ist deine Aufgabe! Er sitzt in einem Zimmer im ersten Stock. Das dritte von rechts"
"Das stimmt", bestätigt Hugo. "Ich kann dort ein Auge nach draußen schauen sehen."
"Bleib ganz ruhig, Stefan", sprach die Triffinsziel wieder. "Das hier ist unsere Aufgabe. Wir müssen jederzeit bereit sein zu schießen. An uns kann es liegen ob die Geisel stirbt oder am leben bleibt, verstanden?"
"Ja", antwortete Stefan, und begab sich wieder in eine Schussposition. "Schulterschuss", sagte er zu Hugo.
"Das könnte ein wenig problematisch werden, Cheffe", sagte der Dämon zögernd. Ich weiß nicht welches Auge es ist und wie er hinter der Holzwand steht."
"Stell dir vor er kniet und es ist das rechte Auge"
"Wie du wünscht" Stefans Zieldämon drehte sich um und zeigte ihm, dass er die Armbrust ein kleines Stück nach links und ein noch kleineres Stück nach unten bewegen sollte. Danach kreuzte er die Arme über seinem Kopf um zu zeigen, dass das Ziel genau vor der
Spitze des Armbrustbolzens lag.
"Gib auf!", konnte man Kanndra rufen hören. "Du hast keine Chance! Hier sind mindestens 30 Wächter und du bist ganz alleine!"
"Aber ich habe eine Geisel!" Der antwortende Junge schien von seiner Stimme her nicht älter als 15 zu sein. "Und wenn ihr nicht abhaut werde ich sie töten!"
Kanndra und Valdimir standen vor dem Zimmer, in dem sich der letzte Jugendliche verschanzt hatten und berieten sich flüsternd.
"Wir wissen, dass er ohne Geisel hier hoch gegangen ist", flüsterte Valdimir. "Und wir wissen, dass als unsere Späher hier hereingeschaut hatten keine Geisel in diesem Zimmer war. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort drinnen tatsächlich eine Geisel befindet?"
"Zu groß", antwortete Kanndra flüsternd. "Ich will nicht, dass auch nur eine Person stirbt, dass weist du. Ich will ihnen zeigen, dass man bei einem gut geplanten Einsatz keine Bauernopfer machen muss."
"Wenn ihr nicht sofort abhaut schieße ich!", konnte man aus dem Zimmer hören.
"Ich gehe rein", sagte der Vampir. "Ich glaube nicht, dass er Bolzen mit Weihwasser benutzt." Valdimir zwinkerte seine Chefin zu.
In Kanndras Gesicht arbeitete es. Man konnte sehen, dass ihr der Gedanke nicht behagte eine Geisel in Gefahr zu bringen. Aber sie mussten diesen letzten Jugendlichen auch noch schnappen. Schließlich nickte sie ihrem Stellvertreter zu und trat ein paar Schritte zurück.
Der Vampir begab sich in eine Position aus der er genügend Anlauf nehmen konnte und lief los. Mit einem lauten Krach flog die Tür aus den Angeln und der Leichte Armbrustschütze sah einen einzelnen Jungen vor sich welcher in diesem Augenblick die Armbrust in seine Richtung herumschwenkte.
Hugo sah das Auge am Guckloch verschwinden und bewegte die gekreuzten Arme nach vorne, das Zeichen für "Schieß!". Durch das lange Training angeeignete Reflexe veranlassten Stefans Finger den Abzug der Armbrust zu drücken. Fast zeitgleich lies Carisa ihren Bolzen fliegen.
Valdimir sah in die ängstlichen Augen eines knapp 1,60 großen Jungen der seine kleine Armbrust auf Valdimir richtete, aber nicht abdrücken konnte. Kurz nachdem der Vampir dies alles registrieren konnte brachen zwei Bolzen durch den Bretterverschlag vor dem Fenster. Einer traf den Jungen in die Linke Schulter. Der andere jedoch grub sich gnadenlos in die Brust. Die Augen noch weiter aufreißend sank der Junge in sich zusammen.
Am Abend des nächsten Tages waren die Untersuchungen abgeschlossen. Eine kleine Gang Jugendlicher hatte geprahlt Armbrüste zu haben und wurde von einer anderen Gang herausgefordert eine Geiselnahme vorzutäuschen. Die zweite Gang kam allerdings viel zu spät zum Gasthaus und traute sich nicht den dort anwesenden Wächtern die Wahrheit zu sagen. Jegliche Bewaffnung die man bei den Jugendlichen fand, alle Bolzen sowie einige Dolche, waren absolut ungefährlich und hätten höchstens blaue Flecken verursacht. Der Bolzen, der neben Stefan zersplitterte wurde versehentlich abgeschossen.
Auch in die Akten gingen die letzten Worte des einzigen getöteten Jugendlichen: "Es war doch nur ein Spiel."
[1] Stefan glaubte später keinen einzigen Fluch doppelt gehört zu haben
[2] Außer auf die Toilette
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