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Eine Frau wird vermißt. Kann ein neuer Informant helfen, den Fall zu klären?
Dafür vergebene Note: 8
Jan Usekey wachte auf, und bereute es sofort. Wieder diese Kopfschmerzen am Morgen. Er war neu in der Stadt, und die Luft von Ankh-Morpork schien ihm nicht zu bekommen. Und dabei wohnte er doch schon im Parkweg, die wegen des angrenzenden Hide Parks so gute Luft haben sollte. Aber die Einheimischen, die das behaupteten, kannten wohl nicht die wohltuende Luft des Waldes. Es war noch dunkel, aber draußen schien reger Betrieb zu herrschen. Er schaute durch das kleine Fenster seiner Bleibe, und sah eine kleine Gruppe von Wächtern. Irgendetwas musste passiert sein. Er zog sich an um nachzusehen, als es an seine Tür klopfte.
"Wer ist da?", fragte er in die entsprechende Richtung.
"Korporal Pyronekdan von der Stadtwache", antwortete eine tiefe Stimme. "Kann ich sie kurz sprechen?"
Jan ging zur Tür, und öffnete sie.
"Wie kann ich ...", er zuckte leicht zusammen, als er bemerkte, dass es sich um einen Zauberer handelte.
Er hätte nicht sagen können, woher er das wusste, denn der Wächter trug eine Uniform.
Aber instinktiv spürte er es.
"... ihnen helfen", vollendetet er den Satz, nachdem er sich gefasst hatte.
"Haben sie heute Nacht etwas ungewöhnliches bemerkt", kam dieser gleich zu Sache.
"Nein, ich habe fest geschlafen", erklärte Jan. "Ich bin erst vor zwei Tagen in Ankh-Morpork angekommen, und war gestern den ganzen Tag auf Jobsuche."
"Haben sie etwas gefunden?", fragte Pyronekdan höflich nach.
"Nein, im Moment scheint es keinen Bedarf an Nachrichtturm-Personal zu geben."
"Das kann sich in dieser Stadt schnell ändern", erklärte der Zauberer, und nahm auf einem Stuhl Platz, dem ihm Jan Usekey mit einer Handbewegung angeboten hatte. "Man weiß hier nie, was der neue Tag bringt."
"Was ist denn da draußen passiert?", wollte Herr Usekey wissen, und setzte sich ebenfalls.
"Eine junge Frau wird vermisst, und wurde vermutlich von einem Werwolf überfallen."
"Woher wissen sie das?"
"Wir haben die Abdrücke ihrer Schuhe gefunden, mit etwas Blut darin. Außerdem die Spuren eine Wolfes. Haben sie wirklich nichts gehört? Immerhin war ihr Fenster offen."
"Das ist eine alte Gewohnheit von mir. Ich komme vom Lande, und brauche frische Luft."
"Davon gibt es hier leider recht wenig. Vielleicht sollten sie ihr Fenster nachts doch lieber schließen. Man weiß ja nie."
"Das werde ich tun. Gehört habe ich wirklich nichts. Aber ich könnte mich etwas in der Nachbarschaft umhören, wenn es ihnen hilft. Schließlich kann ich auch besser schlafen, wenn sie den Täter bald finden."
"Das tun wir zwar auch schon, aber wenn sie etwas herausfinden, melden sie sich bei uns. Kennen sie sich denn mit Werwölfen aus?"
"Meinen letzen Job hatte ich in Überwald. Ich bin extra nach Ankh-Morpork gekommen, um nicht mehr so viele Werwölfe um mich zu haben."
"Das nennt man wohl Ironie des Schicksals. Solange sie noch keinen festen Job haben, können sie gerne als Informant für die Wache arbeiten", bot der Zauberer an. "Sie bekommen einen Dollar für jeden brauchbaren Hinweis."
"Wie kann ich sie erreichen?", fragte Jan nach. "Soll ich mit den Informationen zur Wache kommen?"
"Das regeln wir lieber etwas diskreter. Schließlich soll der Verdächtige ja nicht mitbekommen, dass wir ihm auf der Spur sind. Und auch für sie könnte das gesünder sein, falls sich der Verdacht bestätigt."
Der Zauberer dachte darüber nach, welchen toten Briefkasten er verwenden sollte.
"Kennen sie den Gemüsekarren von Frau Leeb? Ihr können sie Nachrichten an uns unauffällig übergeben."
"Ich habe von Frau Gretchen Grün, einer Nachbarin, schon gehört, dass Frau Leeb jeden Tag hier vorbeikommt. Sie ist Vegetarierin, und kauft immer bei der Gemüsefrau ein."
"Jetzt wohl nicht mehr", meinte Pyronekdan, dem es immer noch schwer fiel, in solchen Fällen die richtigen Worte zu finden. "Sie war nämlich das Opfer."
Der Zauberer verabschiedete sich, um sich weiter umzuhören. Erst nachdem er eine Minute vergeblich an die nächste Tür geklopft hatte, bemerkte er, dass Gretchen Grün daran stand.
Informant der Wache, dachte sich Jan. Das war zwar nicht der Job, den er sich erhofft hatte, aber besser als gar nichts. Er versuchte sich den letzten Tag wieder in Erinnerung zu rufen.
Hatte Frau Grün nicht erwähnt, dass ihre Mutter im zweiten Stock wohnte?
Nachdem der Zauberer das Haus verlassen hatte, stieg der frischgebackene Informant die zwei Treppen hoch und klopfte an die Tür von Frau Erna Grün.
"Haben sie noch etwas vergessen", antwortete die Bewohnerin schluchzend, als sie die Tür öffnete. "Oh, sie sind ja gar keiner der Wächter, die ich gerufen hatte. Was wollen sie?"
"Zunächst einmal mein Mitleid aussprechen, Frau Grün", begann Jan. "Der Korporal war auch gerade bei mir, und hat mir von der schrecklichen Tat berichtet. Ich habe ihm versprochen, bei der Aufklärung zu helfen."
"Das ist aber nett von ihnen. Kann ich ihnen eine Tasse Tee anbieten?"
"Machen sie sich keine Umstände. Ich wollte sie nur fragen, ob sie wissen, was ihre Tochter gestern vorhatte, als ..."
"Sie war wohl auf dem Weg zu meiner Mutter, um ihr ein paar Lebensmittel zu bringen", antwortete diese schnell, damit Jan den Satz nicht beenden musste. "Das macht sie jeden Freitag."
"Und wo wohnt ihre Mutter?"
"In der Myrtenstraße 10. Sie heißt Mildried Milchweiß", sagte Erna Grün. "Könnten sie bitte zu ihr gehen, bevor dieser unsensible Wächter ihr die Nachricht überbringt?"
"Dann werde ich mich lieber beeilen", verabschiedete sich Jan Usekey. "Wir werden den Täter schon finden."
Im Hide Park war die Luft tatsächlich etwas besser, als in der Stadt. So war der Weg hindurch nicht nur kürzer, sondern auch angenehmer. Da die meisten Bewohner Ankh Morporks den Park zu so früher Stunde meiden, waren die Spuren des Wolfes gut zu erkennen. Offenbar hatte er nach der Tat auch diesen Weg genommen, denn ab und zu war etwas Blut auf der Spur zu erkennen. Er notierte es, um es der Wache zu melden. Zunächst aber wollte er zu Frau Milchweiß.
Je näher er dem Haus kam, desto beunruhigter war er, denn die Spuren führten ebenfalls dorthin. Am Haus angekommen klopfte er besorgt an die Tür. Selbst auf ein nochmaliges Klopfen bekam er keine Antwort. Kurzentschlossen brach er die Tür auf, und stürmte hinein.
Frau Milchweiß lag in ihrem Bett, und rührte sich nicht. Vorsichtig beugte er sich über sie, um zu sehen, ob sie noch lebte. Leider stellte er fest, dass er nicht vorsichtig genug gewesen war, denn plötzlich bemerkte er ein Knurren hinter sich. Er drehte sich um, und blickte in die Augen des Werwolfs.
In diesem Moment betrat auch Pyronekdan das Zimmer. Er hatte die aufgebrochene Eingangstür bemerkt, und war ins Schlafzimmer gerannt. Der Werwolf drehte sich um, und verwandelte sich zurück in einen Menschen. Nun wurde auch klar, dass es sich um einen weiblichen Werwolf handelte.
"Wer sind sie?", fragte der Zauberer die junge Frau, die sich so gut wie möglich hinter einem Stuhl stellte, und versuchte ihr dabei in die Augen zu sehen.
"Gretchen Grün!", entfuhr es Jan überrascht.
"Was hast du mit meiner Großmutter gemacht?", fragte die angesprochene an Jan gerichtet.
Diese erwachte in diesem Moment, und war nun ebenfalls über die Situation schockiert.
"Was hat das alles zu bedeuten?", fragte sie in die Runde.
Wie sich herausstellte hatte die Großmutter Frau Milchweiß ein Schlafmittel genommen, und war jetzt durch den Lärm geweckt worden. Gretchen Grün hatte am letzten Abend auf dem Weg zu ihr nur etwas Wein verschüttet, da sie nicht bedacht hatte, dass es schon Vollmond war. Weder ihre Mutter noch ihre Großmutter wussten, dass sie seit ein paar Monaten ein Werwolf war, und so hatte sie sich in der Nähe des Hauses bis zum nächsten Tag versteckt.
"Ich glaube, dann werden wir hier nicht mehr gebraucht", meinte der Korporal zu dem neuen Informanten.
"Bekomme ich eine Belohnung?", fragte dieser zurück. "Schließlich habe ich das Opfer gefunden!"
"Nur, dass es gleichzeitig auch der Täter war, und es somit keinen Fall mehr gibt", meinte der Zauberer.
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