Taube für Sie!

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von Wächterin Mina von Nachtschatten (GRUND)
Online seit 14. 04. 2007
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 Außerdem kommt vor: Hamsta

Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht: "Kommunikation - eine Grundlage der Ermittlungsarbeit". Darum sollst du probeweise eine Nachricht an deinen Ausbilder schicken. Dir bleibt die Wahl - Taube oder Turm?

Dafür vergebene Note: 11

Es gibt Aufgaben, die klingen simpel und sind es dann auch tatsächlich. Und es gibt Aufgaben, welche sich auf das "simpel klingen" beschränken, in der Praxis allerdings mit ungeahnten Schwierigkeiten aufwarten. Diese speziellen Unternehmungen sind insofern heimtückisch, da man sich vorher nicht allzu viele Gedanken über sie macht - warum sollte man auch, schließlich gibt es nichts Einfacheres als sie durchzuführen - oder zu sorglos mit ihnen umgeht. Die Erkenntnis, dass dieses Vorgehen falsch war, kommt meist zu spät. Genau dann, wenn die Sache eigentlich schon nicht mehr zu retten ist. Gerade in einer Stadt wie Ankh-Morpork und gerade im Wächterberuf sollte man sich nie dazu hinreißen lassen, etwas nicht mit gebührender Sorgfalt zu behandeln. Erst recht nicht als Rekrut. Allerdings stellt es wohl eine eigene Kunstform dar, die unkomplizierten von den hinterlistigen Aufgaben zu unterscheiden. Doch manche Dinge sind auf den ersten Blick als wirklich harmlos zu erkennen. Ganz im Ernst: Was ist einfacher, als eine Brieftaube abzuschicken?


"Gut, haben wir alles?"
"Mal sehen: Papier, Stifte, Nachrichtenhülsen, zwei Tauben im Käfig, Kescher...ja, das müsste es gewesen sein. Gehen wir."
Die beiden Rekrutinnen, ein Werhamsta und ein Vampir, eilten durch die Gassen zum großen Tor der Stadt. Am Himmel türmten sich schwere grauen Wolken und stellten ein ordentliches Gewitter in Aussicht. Verständlich, dass ihnen daran gelegen war, ihre Aufgabe so schnell wie möglich hinter sich zu bringen um danach trocken in das Wachhaus in der Kröselstraße zurückkehren zu können. Dennoch waren sie guter Dinge, denn was sollte schon schief gehen? Die Aufgabe war klar: eine Taube mit einer Nachricht an Hauptmann Daemon Llanddcairfyn, beziehungsweise, wie in Hamstas Fall, an Feldwebel Rogi Feinstich, schicken und somit den Kommunikationsteil der Grundausbildung zu beenden. Das versprach einfach zu werden. Auf jeden Fall einfacher - und vor allem ungefährlicher - als die Angelegenheit mit der Schwertkampfausbildung vor zwei Tagen... Schon allein bei dem Gedanken daran verzog die Vampirin das Gesicht. Die Sache war für Mina von Nachtschatten nicht gerade erfolgreich verlaufen: Man hatte sie zu besagter Übungsstunde in Zweiergruppen eingeteilt und ihnen zum ersten Mal ein richtiges Schwert in die Hand gedrückt. Abgesehen davon, dass Mina mit dieser Waffe noch immer nicht zurechtkam, war ihr besonderes Pech gewesen, dass ihr Übungspartner Ettark Bergig hieß. Die Künste dessen Schwertarms, unterstützt von seiner brennenden Abneigung gegen Vampire, hatten es ihr nicht gerade einfach gemacht. Um die Wahrheit zu sagen: Ihr hatte sich nicht ein einziges Mal die Gelegenheit geboten, einen Angriff auszuführen. Ein besonders heftiger Schlag hatte ihr schließlich die Waffe aus der Hand geschlagen, der Stahl segelte einige Meter durch die Luft und bohrte sich nur Zentimeter neben Llanddcairfyns Kopf in die Tür des Wachhauses. Danach war die Übungseinheit für sie zu Ende und Mina fast dankbar darüber gewesen. Auch wenn das hieß, dass sie sich mit dem Thema Schwertkampf noch etwas länger würde beschäftigen müssen als die meisten ihrer Mitrekruten...
Heute waren sie wieder zu zweit unterwegs, doch diesmal hieß ihre Begleitung Hamsta und mit dieser war die Arbeit weitaus ungefährlicher als mit Ettark.
Sie erreichten das Stadttor kurz nach der Mittagsstunde. Wesen aller Art drängten in die Stadt hinein - oder aber hinaus, was bei den meisten einer Flucht gleichkam. Ankh-Morpork konnte einen wirklich auf dem Absatz kehrt machen lassen, wenn man solch eine geballte Masse unterschiedlicher Lebensformen, Chaos und Gestank nicht gewohnt war. Doch Mina war froh, hierher gekommen zu sein. Niemand kannte sie und sie musste sich keine gehässigen Kommentare wegen dieser Sache anhören. Ihr war zwar klar, dass irgendwann Fragen in dieser Richtung auftauchen würden, aber man musste es ja nicht darauf anlegen. Ein weiterer positiver Aspekt war, dass sie sich hier weit genug entfernt von Überwald aufhielt und somit weit genug von...den Anderen. Mina weigerte sich hartnäckig in dieser Beziehung das Wort "Familie" zu verwenden.
Ein kleines Stück abseits der Straße fanden Mina und Hamsta ein relativ ruhiges Fleckchen, an welchem sie ihre Ausrüstung abstellen konnten. Diese hatten sie, wie alle Rekruten, von einem Kommunkationsexperten geliehen bekommen, dessen verzweifelter Gesichtsausdruck darauf hatte schließen lassen, dass er mit derartigen Leihgaben bis jetzt noch keine allzu guten Erfahrungen gemacht hatte.
Mina zog einige Blatt Papier sowie zwei Schreibgeräte hervor. Das Problem würde nicht die Nachricht selbst sein - viel schwieriger war es, einen Platz auf dem Papier für sie zu finden. Da dieser Auftrag nur zu Prüfungszwecken diente und nicht die Ansprüche einer offiziellen Taubenpost erfüllte, hatte man darauf verzichtet, den Rekruten unbeschriebenes Papier zur Verfügung zu stellen und die Gelegenheit genutzt, den Altpapierbestand der Wache ein wenig zu reduzieren. Die Seiten waren übersät mit Notizen aller Art und manche davon hatten beim besten Willen nichts mit dem Wacheberuf zu tun und waren bestimmt nicht dazu gedacht, von Außenstehenden gelesen zu werden [1] Doch meistens findet sich früher oder später eine freie Stelle, und so war es auch in diesem Fall. Selbst wenn das bedeutete, dass bis zu diesem Zeitpunkt schon mehrere erfolglose Versuche, die Sache zu Papier zu bringen, den Boden zu Minas Füßen bedeckten: kleine Zettel, auf deren Rückseite doch schon ein anderer Schriftzug gelauert hatte. Allerdings lagen sie nicht alle aus diesem Grund dort.
"Nicht schon wieder!"
Frustriert knirschte Mina mit den Zähnen. Bis zum letzten Wort war alles gut gegangen, fein säuberlich untereinander stand auf dem Zettel in ihrer Hand geschrieben:

"Absender: Mina von Nachtschatten, Rekrutin
Empfänger: Hauptmann Daemon Llanddcairfyn, GRUND-Ausbildungsleiter
Ort: Stadttor, Ankh-Morpork
Betreff: Grundausbildung, Abschnitt Kommunikation

Dies ist die von Ihnen angeforderte Nachricht per Taubenpost zur Überprüfung des Ausbildungsstandes im Schwerpunkt Kommunikatiom."

Hamsta schaute ihr neugierig über die Schulter.
"Was ist denn passiert?"
"Da steht ein "m" und kein "n", ein Bogen zu viel, jetzt kann ich noch einmal anfangen."
"Dann streich es doch einfach durch." Die Stimme ihrer Mitrekrutin klang irritiert.
"Wie soll denn das aussehen? Nein, am Besten ich..."
"Mina!"
Die Vampirin sah auf. Hamsta bedachte sie mit einem schwer zu deutenden Blick und seufzte.
"Streich es durch!", sagte sie dann mit unüberhörbarem Nachdruck in der Stimme, "So eine kleine Korrektur stört niemanden, du bewirbst dich schließlich nicht für die Verwaltungsabteilung!"
Mina warf erneut einen kritischen Blick auf die Nachricht. Vielleicht maß sie der ganzen Sache zu viel Bedeutung zu... Dann schüttelte sie entschlossen den Kopf, Hamsta hatte Recht. Sie legte Papier und Stift beiseite und wandte sich den beiden Tauben zu, welche friedlich in ihrem Transportkorb vor sich hin gurrten. Von der theoretischen Seite aus betrachtet war die Sache denkbar einfach: Die Tauben hatten gelernt, die Nachrichtenhülsen zu akzeptieren, ihnen blieb also nichts weiter zu tun, als diese am Bein des Vogels zu befestigen. Vorsichtig öffnete Mina den Käfig und griff nach der ersten Taube, welche sich auch widerstandslos herausnehmen ließ. Hamsta nahm sie der Vampirin ab und machte sich daran, ihre eigene Nachricht zu verschicken. Auch die zweite Taube bereitete keine Probleme, zumindest nicht bis zu dem Punkt, an dem es galt, die Hülse zu befestigen. Normalerweise streckten die Tauben ihr Bein bereitwillig aus, doch dieses spezielle Exemplar schien an diesem Tag keine Lust auf allzu viel Kooperation zu haben und hielt es stur an den Körper gepresst. Mina seufzte. Der Umgang mit starrköpfigen Tauben hatte nicht zum Theorieteil der Ausbildung gehört. Sie warf einen Blick zu Hamsta hinüber, welche in diesem Augenblick ihre Taube auf den Weg zu Feldwebel Rogi Feinstich schickte. So schwer konnte die Sache doch nicht sein! Vorsichtig griff sie nach dem Bein ihrer Taube und versuchte es nach vorn zu ziehen. Keine Reaktion. Mina verstärkte Griff und Zug mit dem Ergebnis, dass die Taube nach ihr zu hacken begann. Fluchend zog sie die Hand zurück - ein Fehler, denn nun begann der widerspenstige Vogel zu zappeln, befreite seine Flügel und war kurz darauf in die Lüfte entschwunden. Zurück blieben ein paar Federn und eine wütende Rekrutin, welche den Abschluss in diesem Teil ihrer Ausbildung buchstäblich davonfliegen sah. Und wie um die Situation dramatisch zu unterlegen, grollte in diesem Moment der erste Donner von den inzwischen nachtschwarzen Wolken am Himmel. Mina trat frustriert nach den Federn am Boden.
"So ein blödes..."
"Dann versuch es doch einfach noch einmal", versuchte Hamsta sie zu beruhigen. Mina warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. "Und wo soll ich so schnell eine neue Taube hernehmen?", grollte sie, vielleicht etwas zu barsch, schließlich konnte Hamsta nichts für das, was passiert war. Doch das war Mina in diesem Moment herzlich egal. Es war einfach frustrierend, dass sie scheinbar nicht einmal die einfachsten Aufgaben zu bewältigen im Stande war. Als sie den Entschluss gefasst hatte, der Wache beizutreten, hatte sie sich die Angelegenheit entschieden anders vorgestellt. Anstrengend: ja. Eine Menge zu lernen: ihretwegen, einige Rückschläge waren zu erwarten gewesen. Aber das hier wurde langsam einfach lächerlich. Aber ändern konnte Mina an der momentanen Situation auch nichts mehr, jedenfalls nicht, wenn sie weiter hier herumstand und sich ärgerte. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als zum Taubenschlag zurückzukehren und sich einen neuen Vogel zu besorgen. Es bleib nur zu hoffen, dass sie diesmal mehr Glück mit ihrer Taube haben würde...
Hamstas Stimme unterbrach ihre Gedanken:
"Und...wenn du die da nimmst?", fragte sie vorsichtig und deutete mit dem Finger in Richtung des Tores. Mina folgte dem Hinweis und sah eine große Taube auf einem umgedrehten Fass hocken, welche sie neugierig beobachtete. Ihr Ärger verflog schlagartig und ein kleiner Hoffnungsfunke glomm in ihren hellgrauen Augen auf.
"Das wäre allerdings eine Möglichkeit", meinte sie nachdenklich, "solange es eine von unseren ist... Hamsta, hast du einen Keks dabei?"
Eigentlich eine überflüssige Frage, ihre Mitrekrutin hatte IMMER Kekse dabei. Allerdings waren diese normalerweise nicht für Tauben bestimmt. Man sah Hamsta deutlich an, dass ihre Gedanken in eben diese Richtung gingen und sie alles andere als begeistert davon war.
"Komm schon, bitte", sagte Mina mit zuckersüßer Stimme. "Du bekommst dafür eine ganze Schachtel Kekse von mir."
"Zwei Schachteln", entgegnete Hamsta und holte widerwillig ein schon recht zerkrümeltes Stück Backware hervor, "Das ist nämlich mein letzter."
Mina schnappte sich noch den Kescher und so bewaffnet näherte sie sich der Taube, soweit sie es eben wagte ohne befürchten zu müssen, das Tier zu verscheuchen. Sie zerbröselte den Keks und warf ihn der Taube direkt vor den Schnabel. Der Vogel maß sie mit einem abschätzenden Blick und ließ sich dann hoheitsvoll zu Boden gleiten, um die so großzügig verteilte Gabe anzunehmen. Überraschenderweise war der Kescher gar nicht nötig, der Vogel ließ sich problemlos greifen und streckte sogar bereitwillig sein Bein aus.
"Schnell, Hülse und Zettel!"
Hamsta war schon auf dem Weg um die genannten Dinge herbeizuholen. Währenddessen untersuchte Mina den Ring am Bein der Taube.
"Ich denke schon, dass das eine der Tauben der Stadtwache ist. Der Ring ist aus Eisen und außerdem trägt er das Wappen der Stadt und das der Wache." Sie sah zu Hamsta auf, welche gerade den Zettel und die Hülse neben ihr abgelegt hatte.
"Aber weißt du, was "LV-001-ÖZ" bedeutet?"
Hamsta zuckte unsicher mit den Schultern.
"Müsste dort nicht eigentlich ein "SW" für "Stadtwache" stehen?"
"Schon, aber...normale Brieftauben haben kein Wappen der Wache auf ihrem Ring." Mina dachte noch einen kurzen Moment nach und traf dann eine Entscheidung.
"Das wird schon in Ordnung gehen."
Sie steckte den Zettel in die Nachrichtenhülse, befestigte diese am Bein der Taube und erhob sich schließlich mit einem erleichterten Seufzer, als der Vogel abgeflogen war.
"Das hätten wir."
Die beiden Rekrutinnen kehrten zu ihrer Ausrüstung zurück und begannen alles zusammenzupacken. Mina sammelte ihre verstreuten Zettel vom Boden auf, als ihr einer davon besonders ins Auge stach. Darauf stand:

"Absender: Mina von Nachtschatten, Rekrutin
Empfänger: Hauptmann Daemon Llanddcairfyn, GRUND-Ausbildungsleiter
Ort: Stadttor, Ankh-Morpork..."

Minas Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und es bedurfte keines Blickes auf den durchgestrichenen Bogen des letzten Wortes "Kommunikatiom", um ihren Verdacht zu bestätigen.
"Was haben wir dann gerade für einen Zettel verschickt?", fragte sie fassungslos.


Der Regen hatte begonnen, derart heftig auf die Erde niederzuprasseln, als sei er entschlossen, kein Staubkorn auf dem anderen lassen. Doch Minas Stimmung befand sich ohnehin auf einem Tiefpunkt. Schon wieder war ihr so ein dummer Fehler unterlaufen, eine kleine Lappalie, welche alle Mühe vergebens machen konnte. Warum passierte immer ihr so etwas? Sie gab sich Mühe, neigte sogar zur Übertreibung, nur um alles richtig zu machen, und trotzdem kam es in der letzten Zeit häufig zu solchen Patzern. Manchmal beschlich sie das Gefühl, dass irgendjemand entschieden etwas dagegen hatte, dass sie Wächterin wurde.
Sie waren auf dem Weg zurück zum Wachhaus, der immer stärker strömende Regen hatte den Weg vor ihnen aufgeweicht, sodass Mina und Hamsta mittlerweile von oben bis unten schlammbespritzt waren. Doch wenigstens einer der beiden war dieser Umstand vollkommen egal: Mina starrte düster vor sich hin, während sich ihr Vorstellungsvermögen alle erdenkliche Mühe gab, ihr die denkbaren Folgen ihrer Taubenpost möglichst detailgenau zu präsentieren.
"Vielleicht stand ja überhaupt nichts auf dem Zettel", bemühte sich Hamsta sie aufzumuntern. "Warte doch erst einmal ab."
Mina schnaubte. "Und vielleicht war es auch irgendeine Kritzelei, die nicht gerade passend..." Sie brach ab und blieb so abrupt stehen, dass Hamsta noch einige Schritte weiterging bevor sie ihr Zurückbleiben bemerkte.
"Da ist sie..."
Hamsta sah sich irritiert um.
"Wer?"
"LV-001-ÖZ!"
Mina hatte die Taube unter einem Dachfirst erspäht, wo sie offenbar Schutz vor dem Wolkenbruch gesucht hatte. Ein kluges Tier, ohne Frage. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt um über die Intelligenz von Tauben zu spekulieren, viel wichtiger war, ob das Tier sich erneut einfangen lassen würde. Und diesmal hatten sie keinen Keks zur Verfügung. Neben dem Haus, unter dessen Dach sich die Taube niedergelassen hatte, standen mehrere alte Kisten und Fässer, wie geschaffen um hinaufzuklettern. Mina bewegte sich vorsichtig auf den Vogel zu und schickte sich gerade an, mit dem Aufstieg zu beginnen, als eine Stimme sie innehalten ließ:
"Alles in Ordnung, Rekruten?"
Obergefreiter Kannichgut Zwiebel kam um die Ecke gebogen. "Ich wollte nur sichergehen, dass es keine Probleme gibt und sehen wie weit ihr mit eurem Auftrag seid."
Das mochte durchaus ein Grund für seine Anwesenheit sein, doch viel näher lag, dass er nach seiner verliehenen Ausrüstung sehen wollte - er war der Kommunikationsexperte gewesen, welcher diese hatte zur Verfügung stellen müssen.
"Nein...nein, keine nennenswerten Probleme, Sir", meinte Mina schnell.
Jetzt wo sie so kurz vor der Lösung ihres Problems stand, musste ja niemand etwas von diesem Patzer erfahren.
"Schön, schön, schön, dann könnt ihr ja in die Kröselstraße zurückkehren." Obergefreiter Zwiebel ließ seinen Blick über die Straße schweifen. Dann schien plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit zu erregen.
"Schaut mal dort hinauf", sagte er und zeigte auf die Taube unter dem Dachfirst, welche just in diesem Moment ihre Flügel entfaltete, um ihren Flug fortzusetzen. Mina knirschte wütend mit den Zähnen. Hätte sie doch nur einen Moment länger Zeit gehabt!
Zwiebel bemerkte ihre Reaktion jedoch nicht und fuhr fort: "Diese Taube solltet ihr euch merken. Das ist Ölzweig, die persönliche Brieftaube des Patriziers."
Mina brauchte einen Moment bis sie die Tragweite dieser Information ganz erfasst hatte, doch dann überkam sie das Gefühl, als hätte ihr jemand die Faust in den Magen gerammt. Sie spürte förmlich, wie sie noch blasser wurde [2] und musste sich zusammenreißen, damit ihre Stimme nicht zu sehr zitterte, als sie fragte:
"Sind Sie ganz sicher, Sir?"
"Und ob! Wenn ich sie hier unten hätte könnte ich es anhand der einzigartigen Nummer an ihrem Beinring belegen."
"LV-001-ÖZ", flüsterte Mina tonlos.
"Stimmt" Der Obergefreite musterte sie überrascht. "Woher weißt du das?"
"Ich...habe das mal gehört...", erwiderte die Vampirin ausweichend.
Zwiebel ging nicht weiter darauf ein und fuhr sich nachdenklich durch die wirr fallenden braunen Haare.
"Solltet ihr je in den Genuss kommen, einmal im Taubenschlag Dienst zu haben und dieser Vogel bringt eine Nachricht, kann das meistens nichts Gutes bedeuten", meinte er abschließend, "Doch solche Briefe haben höchste Priorität - sie sind schließlich von Lord Vetinari höchstpersönlich. Und nun seht zu, dass ihr in die Kröselstraße zurück kommt."
Er warf einen wehmütigen Blick auf seine, mittlerweile komplett vom Regen durchweichte, Ausrüstung und entfernte sich rasch.
Mina starrte ihm stumm hinterher und ließ sich dann zu Boden sinken. Sie vergrub das Gesicht in den Händen.
"Ich bin erledigt!"
Hamsta legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Vielleicht passiert ja gar nichts..."
Mina lachte freudlos auf.
"Nein, ich habe ja nur die persönliche Brieftaube des mächtigsten Mannes von Ankh-Morpork für eine Rekrutenübung missbraucht und ihm damit was weiß ich für eine Botschaft geschickt. Was sollte da auch passieren?"
Sie strich sich in einer erschöpft wirkenden Bewegung einige Zöpfe aus dem Gesicht.
"Am Besten ich quittiere freiwillig den Dienst und verlasse die Stadt solange ich noch Gelegenheit dazu habe."
"Vielleicht kannst du die Taube ja noch einholen, bevor sie die Nachricht abliefert", versuchte es Hamsta erneut.
Die Vampirin warf ihr einen verständnislosen Blick zu.
"Na ja", meinte Hamsta verlegen, "ich dachte nur...ihr Vampire beherrscht doch diese Fledermaussache..."
Mina stöhnte gequält auf. Das war heute eindeutig nicht ihr Tag! Erst die Taube und jetzt auch noch das. Aber irgendwann hatte es ja kommen müssen und jetzt war sowieso alles egal. Mina holte tief Luft.
"Ja, normalerweise können wir das auch. Aber...ich eben nicht."
Hamsta sah sie verwirrt an.
"Die Sache ist Folgende", fuhr Mina fort, "Ich bin nicht vollständig ein Vampir, eine Ahnin von mir war menschlich und da habe ich so einiges geerbt..."
"Also bist du ein Halbvampir?"
Volltreffer! Genau das war die Stelle, an welcher man Mina von Nachtschatten besser nicht treffen sollte, wollte man sich ihr Wohlwollen erhalten. Und normalerweise zog solch eine Bemerkung einen mittleren Wutanfall nach sich. Und tatsächlich musste Mina kurz fürchten, die Beherrschung zu verlieren, doch ebenso schnell wie sie gekommen war, ebbte die Wut auch wieder ab. Dennoch ließ sich ein leichter Groll nicht ganz verbergen.
"Nein!", erwiderte sie daher unwillig, "Und bitte vermeide in Zukunft dieses Wort! Ich bin zu gut 97% Vampir, da kann ja wohl von "halb" keine Rede sein!" Etwas ruhiger fuhr sie fort: "Dir ist doch sicher schon aufgefallen, dass ich mich von ganz normalen Lebensmitteln ernähre, so wie ihr anderen auch?"
Hamsta nickte nur. Sie schien es nicht zu wagen den Mund aufzumachen, wohl aus Angst, erneut etwas Falsches zu sagen.
"Der Grund ist ganz einfach, dass ich kein Blut vertrage. Und das ist wiederum einer der Gründe für mein Hiersein. Denn meine Familie...die anderen Vampire waren natürlich alles andere als begeistert von diesem Umstand. Doch das ist eine höchst unschöne Geschichte und ich habe wirklich keine Lust ins Detail zu gehen."
Mit diesen Worten stand Mina auf. Hamsta hatte ihr die ganze Zeit über mit großen Augen zugehört und schien jetzt etwas sagen zu wollen, doch Mina ließ sie nicht zu Wort kommen.
"Wir sollten jetzt gehen", meinte sie knapp, "Je eher ich mit Hauptmann Llanddcairfyn spreche, umso schneller wird die ganze Geschichte hoffentlich ausgestanden sein."


Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte. Vielleicht einen Wutausbruch von Seiten des Ausbilders, dass man sie anschrie und zu Strafarbeit verdonnerte oder gleich aus der Wache warf. Nachdem Mina die ganze Sache gebeichtet hatte, starrte sie noch eine Weile auf ihre Stiefelspitzen und wartete auf eine Reaktion von Seiten des Hauptmanns. Doch nichts geschah und so wagte sie es letztendlich vorsichtig aufzusehen. Daemon Llanddcairfyn musterte sie aus zusammengekniffenen Augen.
"Nun, du weißt hoffentlich, dass du normalerweise ganz schön in Schwierigkeiten stecken würdest", brummte er schließlich.
Mina stutzte. Normalerweise? Und warum "würdest"?
Hauptmann Llanddcairfyn schwieg noch einen Moment bevor er fortfuhr: "Die Konsequenzen für die Wache hätten durchaus schwerwiegend sein können, von denen für deine eigene Person und dem mit diesem Vorfall verbundenen bürokratischen Aufwand einmal ganz zu schweigen. Aber wie der Zufall so spielt wurde mir vor wenigen Minuten eine Nachricht zugestellt."
Daemon Llanddcairfyn griff nach einem Stück Papier auf seinem Schreibtisch und reichte es Mina. Zögernd begann diese zu lesen. Auf dem Zettel stand in einer ihr sehr wohl bekannten Handschrift geschrieben:

"Absender: Mina von Nachtschatten, Rekrutin
Empfänger: Hauptmann Daemon Llanddcairfyn, GRUND-Ausbildungsleiter
Ort: Stadttor, Ankh-Morpork
Betreff: Grundausbildung, Abschnitt Kommunikation

Dies ist die von Ihnen angeforderte Nachricht per Taubenpost zur Überprüfung des Ausbildungsstandes im Schwerpunkt Kommmunikation."

Hätte es einen Stuhl für sie gegeben, Mina hätte sich zweifelsohne setzten müssen. Stattdessen stand sie reglos im Büro ihres Ausbilders, während das Regenwasser von ihrer Kleidung lief und eine schnell größer werdende Lache um ihre Stiefel bildete. Dies war ohne Zweifel eine der Nachrichten, welche sie aufgrund der Schreibfehler verworfen hatte.
"Ölzweig ist eine sehr kluge Taube. Man nimmt an, dass sie aufgrund thaumaturgischer Strahlung eine fast menschliche Intelligenz entwickelt hat", fuhr Llanddcairfyn fort, "Sie hat mir diese Nachricht überbracht."
In Minas Kopf drehte sich alles. Der Tag war einfach viel zu schlecht verlaufen, als dass sich alles so einfach auflösen konnte. Doch bevor sie einen klaren Gedanken fassen konnte, geschweige denn eine Antwort formulieren, ergriff der Hauptmann erneut das Wort:
"Nun gut, dann wäre nur noch Folgendes zu regeln: Deine Aufgabe war eine Nachricht an deinen Ausbilder zu schicken. Und theoretisch wurde dieser Auftrag erfüllt. Nichtsdestotrotz würde ich es gut heißen, noch eine Nachricht von dir zu bekommen, diesmal durch eine offizielle Taube der Stadtwache."
Die Vampirin nickte nur, es hatte ihr sprichwörtlich die Sprache verschlagen.
"In Ordnung. Dann kannst du jetzt gehen."
Mina schaffte es irgendwie so etwas wie einen Dank zu stammeln, bevor sie das Büro verließ, immer noch ungläubig, dass sie so glimpflich davongekommen sein sollte. Die zweite Taube würde sie gleich morgen abschicken. Und danach...vielleicht war für ihre Ausbildung ja doch noch nicht alles verloren. Aber wenn das erledigt war, stand für sie eines fest:
Nie wieder Tauben!, dachte Mina, Und erst recht nicht LV-001-ÖZ!



[1] Zumindest nicht für den Fall, dass Autor und Leser einander kannten.

[2] wenn das bei einem Vampir überhaupt noch möglich sein sollte




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Feedback:

Von Ayure Namida

25.04.2007 11:09

</b><br><br>Eine gute Grund-Single :) <br>Dein Schreibstil gefällt mir sehr gut, man hat keinerlei Schwierigkeiten beim lesen. <br>Rund um eine schöne Geschichte - ich bin auf späteres gespannt!<br><br><b>

Von Breda Krulock

25.04.2007 11:09

</b><br><br>Eine sehr schöne Geschichte. <br>Gut geschrieben mit ausreichend Humor und sie ließ sich sehr schön lesen. Der Inhalt war der Länge angemessen.<br>Du nimmst deinen Chara nicht zu ernst, was eine herrlich erfrischende Wirkung hatte. <br>Du lässt Mina Fehler machen, welche sie selbst ironisch kommentiert. Dadurch wirkt sie sehr sympatisch und vor allem real.<br>Kritik: Hab ich nicht. Klar, am Ende war Mutter Zufall wieder der beste Freund des Wächters, aber ist se das nicht immer? Es gibt rein gar nichts, was ich an deiner Geschichte nicht mochte. Du hast einen wundervollen Schreibstil, ich hoffe du bleibst uns lange erhalten, solche Schreiber braucht die Wache!!!<br><br>PS: Immerhin gab es hier keine Zeitreisen, keine explodierenden Häuser, keine Autos!!! Was soll es da zu kritisieren geben ;)<br><br><b>

Von Fünf Schwarze Schwerter

25.04.2007 11:09

</b><br><br>Ganz nett, aber nichts Besonderes...<br><br><b>

Von Harry

25.04.2007 11:09

</b><br><br>Schöne Charakterisierung, guter Stil, nette Einführung und Handlung. Auf geht's :-)<br><br><b>

Von Ophelia Ziegenberger

25.04.2007 11:09

</b><br><br>Sehr schöne GRUND-Single mit allem Drum und Dran. Durch den angenehmen Schreibstil sehr flüssig zu lesen. Die 'Erklärung' für den Austausch der Nachricht ist zwar etwas dürftig, andererseits aber ist die Plotidee so köstlich, dass das wieder wett gemacht ist. Du hast mich bei meiner Neugier gepackt: Welche Nachricht erhielt stattdessen der Patrizier? *g*

Von Ruppert von Himmelfleck

25.04.2007 15:50

Ich kann zu der Geschichte nichts sagen, da ich es leider nicht geschafft habe sie zu lesen.

Aber:

@ Fünf Schwarze Schwerter: Dies ist ein Raum zum Kritisieren.

Lies mal [b]KD: Der Sinn dieses Forums und was nicht hineingehört[/b] :)

Von Araghast Breguyar

25.04.2007 17:00

[quote="Forendämon"]"<b>Von Fünf Schwarze Schwerter</b><br><br>Ganz nett, aber nichts Besonderes...[/quote]

Was verstehst du unter was Besonderem? Explodierende Häuser, Zeitreisen, Mega-Action und Autos? :-P Schöne Geschichten müssen nicht unbedingt spektakulär sein...

Von Daemon Llanddcairfyn

25.04.2007 20:47

Und ab jetzt bitte wieder zur Geschichte :o)

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