Eine Akte über eine tote Näherin landet bei D.O.G. Ehrensache, dass diesem Fall schnellstmöglich und nach besten Wissen und Gewissen nachgegangen wird. Denn kein Fall gleicht dem anderen, oder?
Dafür vergebene Note: 12
Ankh-Morpork. Stadt, Heimat und Feind zugleich. Sie schützt und schadet, schafft und nimmt Leben auf ihre eigene Art und Weise. Liebevoll hilft sie ihren Bewohnern, dem hastigen Leben zu entsagen, die Schwelle zu überschreiten für das ewige Leben im Raum voll unendlichem Nichts. Abermillionen von Seelen zieren den Sternenhimmel, erleuchten ihn hell mit ihrem Strahlen, um den noch Lebenden den Weg zu erleichtern, doch manch so ein Stern leuchtet gar nicht hell. Still und unscheinbar, schwarz im Innern, wartet er auf Erlösung, die unendlichen Qualen nie enden wollend. Gerechte Strafe oder Opfer einer fehlenden Gerechtigkeit. Wer entscheidet, ob wir strahlen dürfen oder nicht? Haben wir unser Schicksal selbst gewählt oder wird uns diese Entscheidung, ohne zu Fragen, abgenommen?
Familienbande
Leise schlich sich Christine zu dem Regal über der Sitzecke und raffte sachte ihren Unterrock, als sie auf die Holzbank stieg. Sie leckte nervös über ihre aufgesprungene Unterlippe, als sie nach dem abgegriffenen Buchrücken langte. Erleichtert ließ sie die Luft aus, als sie es sicher in ihren Händen hielt. Dicht an die Brust gedrückt trug sie es hinüber zu dem alten Ofen. Sie nahm die Decke von dem Stuhl daneben und setzte sich vor die geöffnete Klappe. Die Glut knisterte leise und die junge Frau wärmte ihre Gedanken für einen Augenblick an den glühenden Holzscheiten. Behutsam strich sie sich ihre blonden Haare zurück und wandte den Blick auf das Buch. Erst jetzt, wo die Haare aus dem Gesicht genommen waren, wurde die Schwellung an ihrem Auge sichtbar. Seit sie klein war, war sie geübt darin, ihre Wunden und Verletzungen zu verstecken. Ihr Vater war schon immer sehr impulsiv gewesen. Und sie machte eben oft Fehler. Und wenn Papa nach Stunden ihr Zimmer verließ, wusste sie, dass sie diese Bestrafung verdient hatte.
Sie senkte den Blick und fuhr mit dem Finger über die geöffneten Seiten. Es war das Lieblingsbuch ihrer Schwester gewesen. Isabell gab es ihr eines Nachts, bevor sie von zuhause weglief. Das Buch gab ihr Geborgenheit. Sie kannte es auswendig, die Geschichte über den König, der das junge Mädchen in sein Reich lockte und ihre Seele stahl, um sie zu verführen. Natürlich gab es ein Happy End, das machte das Buch ja so wertvoll für Christine. "Durch unzählige Gefahren und Bedrohungen habe ich meinen Weg hierher erkämpft", sagte sie leise, ohne die Worte abzulesen, "zu dem Schloss hinter der Stadt, um die Seele zurück zu verlangen, die du gestohlen hast! Mein Wille ist stärker als deiner ..." Sie seufzte.
"Ich wünschte, mir würde jemand die Seele stehlen." Dann würde ich vielleicht nicht mehr alles verkehrt machen. Ein Poltern aus dem Zimmer über ihr ließ sie aufschrecken. Wenn er sie hier erwischte, wie sie nachts heimlich las ... Ängstlich drehte sie ihren Kopf wieder dem Ofen zu, in welchem nun eine bläuliche Flamme brannte.
D.O.G. sweet D.O.G.Nur wenige Strahlen sandte die Sonne zu dieser frühen Tageszeit über den Rand der Scheibenwelt. Ganz so, als könne sie sich nicht entscheiden, den Tag zu beginnen oder lieber blau zu machen. Mit einem Seufzer zuckte die Sonne mit ihren imaginären Schultern und zog sich über den Rand.
Die warme Brise streichelte das Gesicht des jungen Mannes und ließ sein blondes Haar flattern, als er sich an der Dachkante des Hauses entlang hangelte. Kurz blinzelte er angesichts der eintretenden Helligkeit, wandte sich dann aber wieder, hochkonzentriert, seiner Arbeit zu. Seine schwarzen Lederhandschuhe gaben ihm den richtigen, festen Griff, der ihn vor einem Absturz bewahrte. Seine Beine hingen frei in der Luft, als er sich mit der Hand eine freche Strähne aus dem Gesicht strich und seinen Blick über die Dächer schweifen ließ. Er dachte an seine Mission, denn das war alles was zählte. Dafür war er hier. Er lächelte, holte Schwung und zog sich mit purer Muskelkraft mühelos von unten an das Flachdach heran. Er befand sich bereits halb oben, als ihn ein Paar Knie davon abhielt, das Dach komplett zu erklimmen.
"Gut, dass du hier bist!", sagte Goldie Kleinaxt, als sie einen Schritt näher trat. "Der Chef will uns sprechen, wir sollen alle in sein Büro kommen. Es scheint einen neuen Fall zu geben, der unsere volle Aufmerksamkeit benötigt."
Warum auch immer, dachte sich die Zwergin und schaute gespannt auf ihren trainierenden Kollegen hinunter. Für sie ein äußerst seltener Anblick. "Es gibt Arbeit!?"
Patrick Nichts lächelte noch immer.
***
Das Stimmengewirr wurde leiser und mischte sich letztendlich mit den Alltagsgeräuschen des Boucherie Rouge, was Araghast mit einem Seufzen dankend zur Kenntnis nahm. Es war nicht so, dass er hier nicht seine Ruhe hätte, ganz im Gegenteil. In seiner vorherigen Abteilung war es sehr unbeständig zugegangen. Die Einsätze kamen stoßweise und erforderten oft nur subtiles Eingreifen oder brachiale Kommandos. Eher selten konnte er dort ermitteln, seine Nase in Angelegenheiten stecken, die ihn entweder rein gar nichts oder eine ganze Menge angingen. Hier bei D.O.G. kamen die Fälle peu-a-peu, ließen ihm und der Mannschaft ausreichend Zeit, einen Fall abzuschließen, eine heiße Schokolade
[1] zu trinken, um sich dann der nächsten Aufgabe zu widmen. Sein Stuhl knarrte gewissenhaft, als er sich zurücklehnte und einen flüchtigen Blick über die Schublade seines Schreibtisches schweifen ließ. Und jetzt?
Fahrig fuhr der Abteilungsleiter mit einem Finger über die Tischplatte.
Die 'Einsatzbesprechung' war anders verlaufen, als er gehofft hatte. Nur knapp die Hälfte der Hunde war anwesend gewesen. Außeneinsätze und Unterstützung in anderen Abteilungen schmälerte die Anzahl an einsatzfähigen Wächtern vor Ort, etwas, was ihn bis vor wenigen Minuten noch wenig bis kaum gestört hatte.
Er hatte ihnen die wenigen Informationen geschildert, welche Hatscha an ihn weitergereicht hatte.
Die Rolle war schlampig zusammengerollt, verkehrt beschriftet und unausreichend verpackt gewesen. Bruder Laudes hatte sie an der TK Anlage empfangen, besser gesagt: gefunden.
Seine Hand war inzwischen von der Tischplatte in Richtung Schublade gewandert. Langsam öffnete und schloss er die Lade, hörte dabei das Rollen der Flasche im Innern.
'Eine tote Näherin", murmelte Bregs vor sich hin, als er die Flasche herausholte und den Korken entnahm. Der liebliche Duft des Whiskeys stieg in seine Nase und er schloss sein Auge. Die Tote wurde im Sitzen aufgefunden, keine Beweise für oder gegen eine natürliche Ursache. 'Eine ermordete Näherin?' Grübelnd saß er mit der geöffneten Flasche unter der Nase alleine in seinem Büro. Ein verärgerter Grunzer entkam seiner Kehle, als es störenderweise an der Tür des 'Drunter und Drüber's klopfte. Einige Augenblicke später stand der Obergefreite Zwiebel vor ihm. Araghast rechnete jeden Augenblick damit, dass der Kopf des Jungen explodieren würde, bei der Masse an Blut, welches in diese Richtung schoss. Es sah ganz danach aus, als seien ihm die frivolen Hausgeister erschienen.
"Sir, ich ... entschuldigen Sie die Störung, aber ich... ähm... hätte da mal 'ne Frage!"
Araghast starrte den merkwürdig ausschauenden Mann einige Sekunden lang still an und für einen kurzen, nur einen sehr kurzen Moment wollte er die Nerven verlieren. Doch er seufzte nur erneut und bereute es, am Morgen das Haus verlassen zu haben.
***
Gespannt schaute der Gefreite Schizzel Schattig hoch zu dem klimpernden Glöckchen überm Türrahmen. Die kleine, hölzerne Kugel am unteren Ende des Fadens fiel mit der Tür zurück in ihre eigentliche Position, als Hatscha nach ihm den Raum betrat. Es roch muffig und die Dielen unter ihren Füßen knarrten leise. Mit einem Nicken deutete sie den noch in der Ausbildung befindlichem Schizzel an, ihr zu folgen.
"Ma'am?" Hatscha seufzte.
"Was ist denn jetzt schon wieder?" Sie musste sich sehr zurück halten, hatte er ihre Nerven auf dem Weg zum Tatort doch schon
etwas strapaziert.
'Warum machen wir dies? Warum machen wir das? Wann darf ich mal jemanden verhaften? Ich muss mal. Ich hab Hunger. Eigentlich mach ich um diese Zeit immer Pause! Warum ist dies ein Auftrag für D.O.G.? ... ' und so weiter und so fort. Natürlich war jeder Welpe willkommen, aber mussten sie immer so enthusiastisch und pflegebedürftig sein? Sie zwang sich zu einem Lächeln und wandte sich dem jungen Burschen zu.
"Ich sag es dir gerne noch einmal", begann sie. "Wir sind hier, weil wir trotz unserer Spezialisierung Alleskönner sind." Unbemerkt wechselte ihre Stimme zu der eines G.R.U.N.D.-Ausbilders. "Wir bei D.O.G. sind stets bereit, auch andere Gefilde zu übernehmen, sobald der, Schrägstrich, die Abteilungsleiter, Schrägstrich, -in dies für Notwendig hält. Dogs sind spezialisierte Allround-Wächter und keine Fachidioten, sind multitaskingfähig und in einem breit gefächerten Bereich einsetzbar." Hatscha bemerkte den nun genervten Blick des Welpen und seufzte erneut. "Und nun sei still, hör' zu und lerne! Und fass ja nichts an!", fügte sie hinzu, als sie durch die karge Wohnung schritt.
An der rechten Wand stand neben einer modrigen Kleiderkiste ein milchiger Standspiegel. Rote Seidentücher hingen darüber und versuchten verzweifelt, dem Raum etwas Flair zu verleihen. Doch die Einsamkeit der restlichen Möbelstücke gab ihnen keine Chance. Dies war nie ein Ort der Freude gewesen, kein Bild hing an den grauen Wänden und die Fenster waren mit Zeitungsresten isoliert worden. Ananda Zwitsch, der diese Wohnung gehörte, war Mitte Dreißig gewesen, alleinstehend und ohne Angehörige in der Stadt. Und all dies zeigte sich in jeder Faser dieses Apartments.
An der gegenüber liegenden Wand stand ein einfaches Bett. Baumwolldecken bedeckten die graue Matratze und auf dem Nachtisch lag eine alte Lesebrille. Ein Glas fehlte. Ansonsten war das Zimmer leer.
Der Gefreite Schattig ging zu dem Bett und zog mit zwei Fingern ein weißes, langes Haar aus der Decke. "Sie hatte Katzen", erklärte Hatscha. "Der Grund, warum man sie fand, war die aus den Angeln gehobene Tür. Sie muss sie fatalerweise geöffnet haben, ansonsten sähen die Schäden anders aus. Ob sie den Täter kannte?" Langsam blätterte die Stellvertreterin in der mitgebrachten Akte. Direkt zu ihren Füßen war der Kreideumriss zusehen. Er ging von dem Boden an die Wand über, so dass man eine aufrecht sitzende Position erkennen konnte. Sie unterdrückte ein Niesen, als sie sich hinab beugte. Die Kreide war bereits am Verbleichen.
"Komisch", murmelte sie. "Wieso fehlt der Bericht von SUSI, wenn sie doch schon hier waren?"
"Korporal? Ich glaub', Sie sollten sich das hier mal kurz ansehen!"
Familienbande
Mit einem Knall schloss sich die Eingangstür der kleinen Parterre-Wohnung, als sich Zelsius Schmaug auf den Weg machte. Er hatte noch einige 'Dinge' zu erledigen und würde sich vorzüglich im 'Roten Pfau' amüsieren. Er hatte kein Problem damit, seine 17-jährige Tochter allein zuhause zu lassen. Sie würde schon nichts anstellen, und falls doch, hatte er eine altbewährte Methode, die immer funktionierte. Mit einem Pfeifen auf den Lippen schlenderte er davon und merkte nicht, dass ihm jemand hinter der dreckigen Gardine seines Zuhauses nachschaute.
"Er macht es schon wieder. Wenn Mama das sehen könnte, dann ..."
"Dann was?"
Ein Mann mit einem breitkremigen Hut trat ins Licht. Sein Mantel knirschte ledrig und seine Kopfbedeckung legte sein Gesicht in dunkle Schatten.
Christine war sich nicht sicher, ob er überhaupt ein Gesicht hatte. Jedes Mal, wenn sie versuchte, Einzelheiten zu erkennen, schien es, als tanze ein blauer Schleier vor ihren Augen. Es erinnerte sie an das Feuer im Ofen vor einigen Tagen. Nur einen Tag bevor ihr der Mann mit dem Hut auf der Straße erschien. Sie wusste, dass er nicht 'real' war. Sie war zwar ungebildet aber nicht dumm. Und er war der erste Mann, der ihr nichts Böses wollte. Er hatte ihr nichts vorenthalten, hatte seinen Namen und seine Herkunft genannt, und warum er jetzt bei ihr war. Christine glaubte nicht an Geister, besonders nicht an welche, die ihr Hilfe anboten, doch sie hatte nur zwei Möglichkeiten gehabt: Es zu akzeptieren, und damit auch ihren wahrscheinlichen Wahnsinn einzusehen, oder sich zu wehren und von allen anderen als wahnsinnig angesehen zu werden.
Christine seufzte, gab ihm jedoch keine Antwort. Stattdessen schaute sie ihrem Vater nach, bis er aus ihrem Blickfeld verschwand.
"Gibt es keinen anderen Weg?" Sie zog die Gardine zu und stützte ihre Arme auf das Fensterbrett. "Gleiches mit gleichem Vergelten ist nicht richtig."
Der Ruck an ihrem Arm kam plötzlich und sie schrie erschrocken auf.
"Schau dir das an!", sagte der Mann und schob ihren Ärmel zurück. Dunkle, blaue Flecken schimmerten auf ihrer blassen Haut, einer neben dem anderen. Das Mädchen drehte den Kopf zur Seite.
"Ich sagte, schau dir das an! Entweder du nimmst meine Hilfe an und wir machen es auf meine Weise oder ich lass dich hier verrecken. Was nicht mehr allzu lange dauern wird, wenn wir ihn nicht stoppen. Versteh' das doch, Christine!"
Der blaue Schleier vor ihren Augen zeigte so etwas wie Sorge, soweit man das überhaupt deuten konnte. Wo seine Finger ihre Haut berührten, stieben kleine, ebenfalls blaue Funken davon.
"Denk an die dreckigen Weibern, mit denen er sich rum treibt. Sie haben es verdient. Sie alle!" fügte er nun noch hinzu.
Sie wusste, dass diese Geschichte nicht wie ihr Buch enden würde. Glückliche Enden sind Prinzessinnen vorenthalten. Sie lachte bitter. "Keinen weißen Schimmel für dich, Christine", sagte sie zu sich selbst. 'Wenn alles klappt, wird ihn die Welt als Monster sterben sehen, etwas, das er wirklich war', dachte sie.
Und der kümmerliche Rest, der sie als Mensch auszeichnete, zog sich in eine Ecke zurück, als sie nickte und somit die rechte Hand des Mannes wurde.
D.O.G. sweet D.O.G.Der Morgen begann früh für die Hauptgefreite Krulock. Nun, im eigentlichen Sinne begann er zur selben Zeit wie immer, doch aus der Sicht der Vampirin war es späte Nacht, also früher Morgen. Also... egal...
Auf jeden Fall war es noch dunkel, als sich Breda ihr Fruchtstückchen aus dem Knochen holte. Dem Alten Trödler, Wirt der Kneipe, war sehr daran gelegen, es den vampirischen Wächtern der Stadtwache recht zu machen, immerhin waren die meisten von ihnen bestechlich. Breda hatte mittlerweile sogar schon ihren eigenen Becher, seit neuestem sogar mit Deckel.
Sie war vorher einige Male in Erklärungsnot gekommen, als sie mit blutbesudelter Uniform zurück ins Boucherie kam. Araghast hatte ihr nicht so recht glauben wollen, dass die rote Flüssigkeit lediglich aus dem Becher geschwappt war.
Durch eine kleine, verschiebbare Klappe im Deckel schlürfte Breda nun an dem Strohhalm, als sie zu dem toten Briefkasten am Drachen-Landeplatz ging. Es war noch niemand auf den Beinen, sie hatte also genug Zeit, um eine geruhsame Runde zu drehen. Bevor sie durch den maroden Torbogen trat, steckte sie ihren Becher zurück in den Gürtelhalter, zog die Kapuze ihres schweren Mantels über den Kopf und nahm die beiden ovalen, gummierten Bretter aus ihrem Rucksack.
Es war eine spezielle Anfertigung für sie gewesen. Ihr ehemaliger Abteilungsleiter Picardo hatte sie für den Dobermann im Labor der Alchemistengilde hergestellt und hatte sogar versucht, ihr den Vorgang der
Vulkanisierung zu erklären. Doch Breda hatte nur abgewinkt und die Dinger dankend entgegen genommen. Mit zwei dünnen, strapazierfähigen Seilen befestigte sie nun die Bretter unter ihren Stiefeln und testete deren Festigkeit.
"Na dann los!", sagte sie und der Kies knirschte leise unter ihrem Schuhwerk, als sie das ehemalige Gebäude betrat. Eine dünne Schicht aus Qualm wogte bereits nach kurzer Zeit über den dicken Fasern ihres Mantels, als sie schnellen Schrittes durch die ruinengleiche Umgebung marschierte. Nach einigen Metern entdeckte sie ihr Ziel und reckte ihren Arm, um nach der Nachricht im Mauerwerk zu greifen. Als sie ihn schließlich mit den Fingerspitzen zu fassen bekam, lösten sich bereits Fetzen ihrer obersten Hautschicht. Sie fauchte und zog den Arm zurück, löschte die kleine Stichflamme und knüllte die Nachricht in ihrer Faust zusammen. Sie verließ den alten Tempel so schnell wie möglich. Sie hasste diese geweihten Orte!
Zurück auf der Sirupstraße lehnte sie sich an eine Steinmauer, um sich zu regenerieren. Sie nahm einen Schluck aus dem Becher und während ihre Hand heilte, las sie die Nachricht. Ihre grünen Augen flogen über die Buchstaben und sie nickte, angesichts der guten Neuigkeiten. Aber irgendwann musste sie Ophelia mal erklären, welche Orte sich besser eigneten, um Neuigkeiten auszutauschen. Wozu gab es schließlich Brieftauben?!
Zufrieden über das Wohlergehen ihrer Kollegin während des Einsatzes, schaute Breda hoch, als sie den Brief wegsteckte. Von nicht allzuweit entfernt erklangen bereits die ersten Glocken des Tages. Ein Zeichen, mit der Arbeit zu beginnen. Flink entzurrte sie ihre Bretter und machte sich auf den Weg, um einen wichtigen Informanten zu treffen.
Sie rannte los und am Patrizierpalast angekommen, bog sie in eine kleine Gasse zwischen den Häusern ein, bis sie vor einer auffällig unscheinbaren Tür stehen blieb. Sie klopfte erst zweimal, dann einmal und dann wieder zweimal an die Tür, woraufhin diese sich einen Spalt öffnete. Eine spitze Nase kam zum Vorschein.
"Da bist du ja! Die Zeit wird knapp!" Der junge Assassine öffnete die Tür. "Also, schieß los!"
"Wir suchen nach stichhaltigen Informationen zu dem Mörder. Jede noch so kleine Information kann von Nutzen sein. Tatwaffe, Namen, Orte." Breda überreichte ein ordentlich zusammengefaltetes Blatt Papier.
"Bis wann hab' ich Zeit?", fragte Patrick und zog den schwarzen Umhang enger um seine Schultern. Darunter zeichneten sich zwei Dolche ab..
"Ungefähr vierzig Minuten. Witwenmacher empfängt heute Besuch. Halte dich, wenn möglich, im oberen Teil des Gebäudes auf."
Der Husky musterte seine Kollegin aufmerksam und verzog seine Brauen.
"Woher weißt du das immer so genau?"
Breda zuckte gewollt lässig mit den Schultern. "Ich hab da so meine Quellen. Pass auf dich auf!" Mit diesen Worten verschwand die Vampirin und der Mann von den Nichtsfjorden machte sich auf den Weg, vorbei an der Küche und der Wäscherei. Die Wände waren allesamt weiß gekalkt und wirkten im Kontrast zum offiziellen Teil der Gilde freundlich. Am Ende des Ganges befand sich eine ebenfalls weiße Tür. Als Patrick hindurch schritt, sah er sich mit großen Augen um. Vor ihm lag die Bibliothek der Gilde. Unmengen von Schriftstücken lagerten hier, angeblich sollte sogar ein großer Teil der Ankh-Morporkianischen Geschichte in diesen Büchern niedergeschrieben sein. Es war das Heiligtum der Gilde. Und Patrick Nichts war mittendrin. Er schaute sich sorgfältig um und schloss erst dann die Tür hinter sich, welche Eins wurde mit der Wand. Auch nach genauerer Untersuchung konnte der Husky auf die Schnelle keine Fuge oder einen Türgriff entdecken. Er musste sich wohl oder übel einen anderen Ausgang suchen.
***
Es war bereits später Nachmittag als Arwan das Boucherie betrat. Keuchend hastete sie die Treppen hoch, die Papiere fest unter ihrem Arm geklemmt. Am Treppensatz des ersten Stockwerks wartete bereits Patrick Nichts auf die Obergefreite und reichte die Hand aus nach den Akten, was Arwan fälschlicherweise missverstand. Bevor der Lance-Korporal reagieren konnte, flogen die Zettel bereits durch die Luft und Arwan landete unsanft vor Patricks Füßen. "Was soll denn das?", fragte er und machte sich kopfschüttelnd daran, die wichtigen Unterlagen aufzusammeln, als Araghast wütend auf den Flur trat.
"Was zum Geier macht ihr da?" Ohne eine Antwort abzuwarten, entriss er dem Jüngeren die Papiere und eilte zurück in sein Büro. Mit einem letzten, augenrollenden Blick auf die junge Frau folgte Nichts dem Halbvampir.
Nachdem alle anwesend waren, breitete sich respektvolles Schweigen aus. Alle Augen lagen auf Breguyar. Gemächlich brachte er die durcheinander gewirbelten Notizen in Ordnung, erst dann fiel sein auffordernder Blick auf seine Stellvertreterin. Diese räusperte sich und legte ein kleines, durchsichtiges Tütchen auf den Tisch.
"Bei der genaueren Untersuchung der Wohnung fanden wir nichts Interessantes, außer diesem kleinen Lehmklumpen." Sie zeigte auf das Tütchen. "Da die Umgebung aus gepflasterten Strassen besteht, hatte der Gefreite Schizzel den Verdacht, dass es sich hierbei um ein Indiz handeln könnte."
"Habt ihr es schon zu den Susen gebracht?", unterbrach Araghast sie harsch. Überrumpelt und peinlich berührt verneinte sie. "Aber", begann Hatscha, "Breda hat sich dafür bereits zur Verfügung gestellt."
Der mürrische Blick samt Augenklappe fiel auf die Vampirin. "Aha. Na Hauptsache, wir bekommen schnell das Ergebnis. Vielleicht hilft uns die Analyse, den Täterkreis einzuschließen." Er wandte sich wieder an den Husky. "Sonst noch was?"
"Ehm, ja, allerdings. Als wir die Wohnung betraten, waren ganz offensichtlich schon die Susen da gewesen. Der Kreideumriss sprach eindeutig dafür."
"Na das trifft sich doch super. Obergefreite Krulock!"
"Hauptgefreite, Sir!"
"Jaja, was auch immer. Mach dich auf den Weg zu S.U.S.I. und versuch herauszufinden, was das soll. Ich will den Bericht über Ananda Zwitsch, wenn es einen gibt, und die Analyse des Dreckklumpens. Deinen heutigen Bericht lässt du hier, ich les ihn mir später durch." Dann wandte er sich an Patrick. Dieser kam unaufgefordert dem eindeutigen Blick seines Abteilungsleiters nach und legte seine Akte zu Bredas hinzu, bevor er mit seinen Ausführungen begann.
"In der Gilde konnte ich nicht allzuviel herausfinden. Die Assassinen halten nicht viel von dem Geschwätz auf der Strasse. Aber ich konnte in Erfahrung bringen, dass es sich bei dem Mord an der Näherin eindeutig um einen unlizenzierten handelt. Deswegen ist die Gilde natürlich sehr daran gelegen, den Täter zu schnappen."
"Haben sie schon einen Hinweis? Die Assassinen meine ich", fragte Araghast.
"Das ließ sich nicht feststellen. Noch nicht. Wenn ich nochmal ... "
"Nein, ist in Ordnung", unterbrach er den Husky. "Wer ist für die Assassinen zuständig?"
"Die Krulock", sagte Hatscha leise.
"Was? Die schon wieder?" Breguyar holte tief Luft. "Na schön. Harry? Du beschattest die Assassinen ein wenig. Finde heraus, was sie wissen. Ach und ja" Araghast salutierte lässig, "willkommen zurück bei D.O.G." Der kleine Gnom nickte und fand dann plötzlich seine Füße äußerst interessant.
"Dass wir bisher nur von einer Toten wissen, heißt noch lange nicht, dass es bei einer bleibt", richtete sich der Hauptfeldwebel an alle. "Ihr alle haltet die Ohren und Augen offen. Aber keine unnötige Aufmerksamkeit erregen, denn sonst ist es bald aus mit unserer Zweigstelle. Es ist also in unser aller Sinn."
Familienbande
Leichter Nieselregen befeuchtete das dreckige Kopfsteinpflaster und reflektierte das Licht der Fackeln, als aus der Ferne hastige Schritte ertönten. Sie echoten durch die Gassen und hallten von den Wänden nieder, hervorgerufen von einer jungen Frau, die durch die Straßen hetzte. Ihr Haar glänzte von den kleinen Regentropfen, von denen sich eine über ihre Stirn verirrte. Sie verlangsamte für einen Augenblick ihre Schritte um das Stechen in der Seite zu mildern und bog in die Unbesonnenheitsstrasse ein. Fensterläden und Türen waren auch hier fest verriegelt, der nun stärker werdende Regen spülte den Dreck des Tages den Rinnstein entlang und außer ihr war keine Menschenseele unterwegs. Als das Quieken einer Gossenratte sie zusammenfahren ließ, verfiel sie in einen Dauerlauf.
'Verdammte Stammkunden', presste Ananda hervor, als ihre Lungen anfingen zu brennen. Der Flaum auf ihrem Nacken richtete sich auf, als sie sich einbildete, Schritte zu hören. Sie traf in der Großen Gasse ein als der Wolkenbruch begann. Dicke, schwere Wassertropfen prasselten auf sie nieder, doch es trennten sie nur noch wenige Meter von ihrem Zuhause. Ihre Knie gaben nach, als der Adrenalinstoß sie traf und sich rasant ausbreitete. Strauchelnd suchte Ananda nach Halt und taumelte gegen die Hauswand, während sie weiterlief. Hektisch kramte sie in ihrer Jackentasche nach dem Schlüssel, als sich vor ihr die Kleine Gasse auftat. Keuchend lief sie die Treppe ihres Wohnhauses hoch. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, ehe sie den Schlüssel ins Schloss brachte und die dünne Holztür hinter sich schließen konnte. Erleichtert lehnte sich die Näherin mit dem Rücken an die Tür, während das klimpernde Glöckchen über ihr leise verstummte.
D.O.G. sweet D.O.G.Langsam öffnete sich die Tür des Labors, als eine Ampulle an die Wand flog und zersprang.
"Ich sage es zum letzten Mal, ich habe den Bericht noch
nicht fertig!" Ribs Lungen schienen zu bersten. "Und wenn ihr mich weiter nervt, dauert es noch länger!" Die Gnumie holte tief Luft, doch die Tür schloss sich bereits wieder. Argwöhnisch begutachtete er sie noch einige Sekunden, bevor er sich wieder seiner derzeitigen Aufgabe widmete. Seinem Mittagessen. Seine einzige derzeitig anwesende Kollegin, Lady Rattenklein, störte sich überhaupt nicht an den Wutausbrüchen des kleinen Cholerikers. Stattdessen schaute sie gelangweilt über ihre Schulter zu den Glasscherben, welche nun vor der Türe lagen.
"Und wer räumt das weg?"
"If mir doch egal", nuschelte Rib durch sein Schinkenbrötchen hindurch.
Draußen vor der Tür standen Wächter verschiedenster Abteilungen, als Breda den Flur betrat. Mit einem Nicken begrüßte sie ein ihr bekanntes Gesicht und Obergefreite Kathiopeja nickte freundlich zurück.
"An deiner Stelle würde ich da nicht reingehen", sagte die Obergefreite.
"Rib?", fragte die Vampirin mit hochgezogener Augenbraue.
"Rib!", antworteten alle anderen im Chor.
Sie fühlte die Tüte in ihrer Jackentasche und dachte an ihren Abteilungsleiter. Er würde so eine Ausrede nicht gelten lassen. Breda seufzte und drehte sich den anderen zu.
"Danke für die Warnung, aber ich muss da rein."
Die anderen hielten zischend den Atem an, als Breda durch die Tür trat. Erwartungsgemäß erfolgte das Klirren eines an die Wand geschleuderten Behälters, aber das Fluchen blieb aus.
Breda hatte der Gnumie freundlich zugewinkt, ihr einen guten Appetit gewünscht und war dann direkt zu Ratti hinüber gegangen. Der Laborant beobachtete die zwei Frauen kurz, kam dann aber zu dem Entschluss, dass es sich wohl um eine private Sache handeln musste. Er drehte sich um und mampfte weiter.
"Es ist also alles vorbereitet?" Ratti sah ihre Freundin mit großen Augen an.
"Ja, der Karton steht schon auf dem Schrank, ich hab' ihn mit etwas Samt ausgefüttert. In Rosa. Hoffe, du hast nichts dagegen?"
"Ach Quatsch, das ist super! Dann hab ich ja bald eine zwei-Karton-Bude!" Die kleine Gnomin zwinkerte der Untoten zu, die, natürlich, zurück zwinkerte.
"Aber", begann die Laborantin nun, "niemand begibt sich freiwillig in Ribs Labor. Was willst du?"
Der Vampirin war es nun deutlich unangenehm, als sie das Tütchen auf den Labortisch legte. "Das hier. Und außerdem brauche ich einige Unterlagen über den Mord in der Kleinen Gasse, den über die tote Näherin, Ananda Zwitsch." Breda zögerte einen Moment. "Ihr Susen wart wohl schon da und uns fehlt noch der Bericht. Wenn es möglich wäre, schnell." Sie zögerte erneut. "Bitte!"
Der nun etwas dümmliche Blick des Dobermanns brachte Ratti zum Lachen. "Ja, is' ja gut. Klar, kein Thema. Immerhin hast du was gut bei mir!" Immer noch lachend nahm sie das für sie gar nicht so kleine Tütchen in beide Hände. "Kann aber etwas dauern, zwei, drei Stunden Maximum. Der Stinker da hat was dagegen, wenn ich plötzlich meine jetzige Arbeit liegen lasse. Die Akte kann ich dir gleich geben, wollte eh grad Pause machen. Ihr Hunde hängt wohl sehr an den Näherinnen, oder?"
"Ehm, ja?! Danke Ratti, ich weiß das sehr zu schätzen."
"Ach, schleim dich nicht ein. Gib mir lieber einen aus, wenn du nun schon denselben Rang bekleidest wie ich. Du legst ja ne glatte
Bilderbuchkarriere bei der Wache hin, was?" Das breite Grinsen ließ keine Widerrede zu. Die beiden verließen das Labor und Ratti arrangierte die Akte. Als Breda das Wachehaus verließ, Spazierte Ratti, fröhlich singend an den noch immer wartenden Wächtern vorbei, und widmete sich dann wieder ihrem So-du-Kuh-Rätsel.
[2]***
Stabsspieß Harry hatte einige Zeit in der Observierungsposition nahe dem Trainingsplatz der Assassinen verharrt und genügend Zeit zum Nachdenken gehabt. Irgendwie wusste er nicht so recht, ob er gerne hier war. Nachdem er D.O.G. verlassen hatte und zu F.R.O.G. gewechselt war, hatte sich viel verändert im Boucherie. Viele der alten Gesichter waren verschwunden und er fühlte dieselbe, alte Langeweile und auch die Einsamkeit, die der Job des Terriers mit sich brachte. Er gähnte herzhaft. Unter dem Baum, in dem er steckte, und unter anderem auch ein sehr nervtötender Specht, übten mehrere Assassinen.
tocktocktock Harry blickte den Vogel böse an, doch den störte das überhaupt nicht. Zwar wusste der Gnom nicht, was genau die Jungen da machten, und es war ihm auch egal, aber die Unterhaltung, die sie führten, interessierte ihn schon mehr. Es ging um nächtliche Exkursionen über den Dächern der Stadt
tocktocktock um Prüfungen und Abenteuer. Jeder von ihnen schien den anderen übertrumpfen zu wollen mit seiner Erfahrung und Reife. Dabei wuchs allen von ihnen nicht mehr als ein Büschel Flaum am Kinn. Als eine ganz offensichtlich weibliche Assassinin den Platz betrat, verfielen ihre männlichen Kollegen in Schweigen.
"Ich hab gehört", begann einer von ihnen und sah sie genau an, "dass dein Ausbilder
tocktocktock."
Harry fluchte leise und suchte den Stamm nach dem blöden Vieh ab.
"
tocktocktock, stimmt das?"
Die Assassinin, Brigit Spuni, strich verspielt eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und genoss die Aufmerksamkeit der Jungen.
"Ja, es war einfach unglaublich. Er
tocktocktock und hat ihn dann
tocktocktock die Quittung auf den
tocktocktock wie der Schlitzer
tocktocktock."
Harry erblickte den Specht und hangelte sich ungeschickt zu ihm hinab. Ungefähr einen halben Meter entfernt löste sich die Rinde des Baumes unter seinen Händen und er rutschte mit einem leisen
Ahhh ab. Als er dort am Fuße des Baumes lag, hörte er noch das Kichern der Assassinen, als sie im Gebäude verschwanden.
tocktocktock.
Das war doch reine Schikane!
Familienbande
Leise ging sie die Stufen des Wohnhauses hinauf. Christines Schritte waren langsam, ihre rechte Hand fuhr über das Treppengeländer, wie um dieser ganzen Situation einen realen Halt zugeben. Die Luft roch modrig und einige Zeichen deuteten eindeutig auf das Fehlen eines Aborts hin. Der Flur, welcher sich nun vor Christine erstreckte, war bedeckt mit einem zerfransten, rötlichen Teppichrest und mehreren undefinierbaren Flecken. Sie spürte, wie sich ihr Magen umdrehte, schob es jedoch auf ihr Nervenkostüm. Im schummrigen Licht der Straßenlaterne sah sie vier Türen, zwei zu ihrer Linken, zwei zu ihrer Rechten. Auf keiner von ihnen gab es irgendeinen Hinweis auf die Bewohner, kein Namensschild, keine Fußmatten, nichts. Doch Christine, wie von einem unsichtbaren Band gezogen, ging zur hintersten Tür auf der linken Seite und klopfte an, bevor sie sich dessen überhaupt bewusst war. Das Geräusch ihrer Faust auf dem Holz dröhnte in ihren Ohren. Auf der anderen Seite der Tür rührte sich nichts, doch schien es, als sei diese Stille gewollt von jemandem hervorgerufen worden. Nach einem erneuten Klopfen raschelte Stoff hinter Tür.
"Wer ... wer ist da?" Die Frauenstimme klang ängstlich.
"Bitte lassen sie mich rein!", sagte Christine. Ihre Stimme hatte einen weinerlichen Ton angenommen. "Bitte, ich hab Angst. Ich glaube ... " Christine schwieg einen Augenblick, schloss die Augen und kratze mit den Fingernägeln über das Holz. "Ich glaube, ich werde verfolgt." Sie lauschte aufmerksam und als sich nichts tat, drückte sie kräftig zu, so dass ihr Nagel splitterte. Die Tränen schossen ihr in die Augen.
"Ich bitte sie." sagte sie nun schluchzend. "Ich hab kein Heim und da draußen ist irgendjemand."
"Geh weg! Ich will keinen Ärger!", sagte die Tür.
"Ich mach Ihnen keinen Ärger, Ma'am. Ich bin doch nur ein kleines Mädchen und hab mich verlaufen."
Die Tür seufzte nun und erneut war das Rascheln von Stoff zu hören.
"Nun gut. Aber tritt einen Schritt zurück, wenn ich die Tür aufmache. Ich will vorher sicher gehen, dass du alleine bist."
Christine hörte noch, wie sich der Schlüssel in dem Schloss drehte, als sich etwas in ihr Bewusstsein drängte. Sie spürte einen mentalen Stoß, eine Art Brennen, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete, als sie zu Boden fiel. Ihr Blickfeld verengte sich. Sie sah durch eine Art Tunnel und am anderen Ende sah sie ihn. Es war, als stünde Christine an dem einen, und der Mann mit der weiten Hutkrempe am anderen Ende dieser bläulichen Hölle und beide würden sich zuwinken. Sie sah, nein, spürte, wie er die Tür auftrat, die Frau zur Seite stieß und in seine Tasche griff. Das schimmernde Blau der Klinge in seiner Hand spiegelte sich in den vor Angst weit aufgerissenen Augen von Ananda, als der Schrei ihrer Kehle entfloh.
Es war einmal: "Gestatten, Stadtwache von Ankh-Morpork""Olga-Maria Inös schüttelte traurig den Kopf, als sie ein weiteres kleines Schildchen mit der Nummer
5 aufstellte. Ein greller Blitz erhellte den Raum, als Charlie Holm eine Ikonographie anfertigte. Er nickte wissentlich und grauer Qualm stieg aus seiner Pfeife, als er daran paffte und Alice das Zeichen zur Protokollaufnahme gab. Die drei Tatortwächter waren derzeit alleine, der zuständige S.E.A.L.S.-Wächter hatte zur Vernehmung der Hauswirtin das Zimmer verlassen. "Keine Quittung, keine Anzeichen für einen Raubmord. Die Dame wurde ..." Er räusperte sich. "Die Dame wurde genauso entkleidet aufgefunden wie Opfer Nummer Eins und Zwei. Einzige sichtbare Einwirkung von außen: Ein bläulicher, ovaler Fleck, mittig auf dem Brustkorb. Durchmesser circa ein Zentimeter mal vier Zentimeter." Er hielt kurz inne und sah zu der Gefreiten Inös, welche noch immer mit der perfekten Platzierung des Schildchens beschäftigt war. Sie vermied es auffällig, den Blick auf den leblosen Körper schweifen zu lassen. Nicht grade leicht, wenn die wenigen Indizien direkt daneben, am oder auf dem Leichnam waren. Lance-Korporal Holm legte ihr die Hand auf die Schulter. "Lass gut sein", begann er. "Geh und bring die Ergebnisse ins Labor und sag Bescheid, dass die Lei ... die Frau abgeholt werden kann. Jack kann dann mit der Obduktion beginnen." Ohne ein weiteres Wort nahm die junge Frau aus Lancre den Bericht von Alice entgegen und verließ das Zimmer. Die andere Wächterin sah ihr kurz hinterher, sah sie die Treppe hinunter verschwinden und drehte sich dann um.
"Schon traurig sowas."
"Allerdings." Die Pfeifenglut knisterte leise. "So langsam sollte sie sich an den Anblick von Leichen gewöhnt haben."
"Ich meinte die Morde, Sör."
Das Knistern stoppte. "Ehm, ja. Natürlich. Ich auch... lass uns weitermachen."
Sie schauten sich um.
"Was muss noch gemacht werden, Sör?" Sie kickte einen kleinen Klumpen Dreck mit ihren Füssen davon. "Außer aufräumen!? Und wohin mit den Katzen?"
***
Ein Stockwerk tiefer bemühte sich Yogi Schulterbreit vergebens um innere Ruhe. Die Befragung war alles andere als einfach, die alte Dame kam von einem Thema zum anderen. "Eine Schande", jammerte sie. "So eine liebenswerte Frau."
"Sie sagen also, dass Frau Amanda Zwitsch ..."
"Ananda", korrigierte die alte Dame. Der Obergefreite knirschte mit den Zähnen und zog einen Bleistift. "Also gut, Ananda Zwitsch. Sie sagen also, dass ..."
"Sie half mir oft beim Tragen der Einkäufe. Ohne dass ich etwas sagen musste. In meinem Alter ist das nicht mehr so leicht... ich bin nämlich schon dreiundachtzig, müssen Sie wissen!" Der Ton ihrer Stimme glänzte vor Stolz angesichts ihres reifen Alters. "Ich sagte ihr zwar ständig, sie müsse das nicht tun, aber sie war so eine Gute. Denn wissen sie Herr Wachmeister, obwohl ich schon ..," sie machte eine künstlerische Pause und schaute den S.E.A.L.S.-Wächter über den Brillenrand genau an. Der Bleistift knackte in Yogis Faust.
"83", nuschelte er zwischen gepressten Lippen hervor. Die Hauswirtin lächelte. "Genau!" Sie lachte und buffte ihn in die Rippen, als sie weiter sprach. "Aber obwohl ich schon etwas rüstiger bin, bin ich noch sehr gut zu Fuß. Ich weiß noch, wie ich damals mit meinem Mann ... sie müssen wissen, mein Mann starb vor einigen Jahren bei der Revolte in der Ankertaugasse. Eine gute Seele. Immer brachte er mir Lilien mit. Ich liebe Lilien! Sie duften nach Sommer und Jugend. Wie damals, als ich als kleines Mädchen mit meinem Vater durch die Felder ritt. Meinen Vater hätten sie sehen sollen. Ein Abbild von einem Mann! Nicht so wie", sie musterte in ihrem Redefluss den jungen Wächter vor ihr. "Nicht so wie die Jugend heutzutage", schloss sie dann mit einem Handwink. "Aber was wollte ich sagen? Ach ja, die Revolte in der Ankertaugasse... warum muss ich ausgerechnet jetzt an Ingwer denken?"
Sie zögerte und Yogi Schulterbreit nutze diese einmalige Gelegenheit, um das Ruder des Gespräches wieder in die Hand zu nehmen.
"Ananda Zwitsch," sagte er schnell. "Hatte sie irgendwelche Feinde oder tätigte sie illegale Näherinnenarbeit, von der Sie eventuell wüssten? Können Sie uns ..."
"Sie erinnern mich an meinen Sohn in jungen Jahren", unterbrach sie ihn. "Ein lieber Junge. Etwas zu lieb. Zumindest für die Frauenzimmer, denen er begegnete. Konnte sich selbst nicht mal die Schuhe zubinden. Oh!" Sie schaute an Yogi herunter. "Wie ich sehe, besitzen Sie auch Schnallenschuhe. Wenn Sie mir jetzt noch sagen, dass Sie kleine Wölkchen auf Ihren Unt ..." Sie begann hinter vorgehaltener Hand zu kichern.
"Unterlassen sie das!", blaffte Yogi die Frau an. "Ich bin Wächter der Stadtwache von Ankh-Morpork. Sie sollten etwas mehr Respekt vor mir haben. Was ... was soll das?" Etwas zu schroff stieß er die Hand der Frau weg.
"Sie haben da etwas im Mundwinkel!" Mit ein wenig Spucke befeuchtete sie das Taschentuch in ihrer Hand und machte Andeutung, damit in Richtung Yogis Gesicht zu kommen.
Wütend und überrascht ging dieser einen Schritt zurück.
"Sie stellen eindeutig meine Inta... Integra ... Intatata ... ."
"Meinen sie
Integrität?"
"
Nein, verdammt noch mal!" Yogi bebte. "Sie behindern meine Arbeit. Soll ich Sie mit zur Wache nehmen? Da können wir herausfinden, was es damals mit dem Ingwer auf sich hatte!"
Es entstand ein Augenblick der Stille, bis die Dame empört schnaufte, das Taschentuch wegsteckte und beleidigt die Unterlippe vorzog.
"Ganz wie Sie möchten, Herr Wachmeister." Plötzlich wirkte sie viel größer und überhaupt nicht mehr so zerbrechlich. Ein eiskalter Hauch wehte in ihren Worten mit. "Was wollten Sie von mir wissen?"
Obergefreiter Schulterbreit biss sich auf die Unterlippe. Irgendwie hatte sie ihm vorher doch besser gefallen.
D.O.G. sweet D.O.G."Der was?", fragte Klitzegross, als er mit Goldie und Harry zusammen im Archiv saß. Die Moloss in Ausbildung schaute konzentriert durch das Archiv der Wache. Die Tür stand offen und am Türrahmen lehnten die Obergefreite Arwan und die Hauptgefreite Krulock.
"Der Schlitzer", wiederholte Goldie. "Eine Art Mythos, der vor mehr als 150 Jahren hier in der Stadt sein, nun, Unwesen trieb. Ganz genau weiß ich es auch nicht mehr." Die Zwergin schaute weiter durch die Akten.
"Jetzt lasst doch mal die Mythen beiseite!", mahnte Patrick Nichts, welcher bis eben stillschweigend auf dem Stuhl gesessen hatte. "Wichtiger ist es herauszufinden, wer die Zwitsch ermordet hat, da es die Assassinen ganz offensichtlich nicht waren."
Er sah zu der blassen Frau hinüber. Beinahe gelangweilt lehnte sie an dem Holzrahmen und starrte Löcher in die Wand.
"Breda?", fragte er laut in den Raum hinein. "Willst du uns nicht erzählen, was es bei S.U.S.I. interessantes gab."
Er wurde von einem bitterbösen Blick bestraft, doch Patrick lächelte nur.
"Das von S.U.S.I. untersuchte Stück Erde", erklärte Breda, "wies eindeutige Spuren von Müll auf. Teilweise war es Asche oder andere verbrannte Partikel. Da es, laut der Stadtpläne, nur eine
Müllverbrennungsanlage gibt, beziehungsweise gab, haben sich Hatscha und Bregs persönlich auf den Weg gemacht, um sich die mal genauer anzusehen. Anscheinend stehen da jetzt Wohnhäuser. Ansonsten stand in der S.U.S.I. Akte nur Jackisches Kauderwelsch. Versteht doch kein Mensch, was diese Gerichtsmediziner da schreiben." Breda zuckte mit den Schultern. "Anscheinend gab es Innere, aber keine äußeren Verletzungen."
"Also doch der Mythos!" sagte Goldie fest.
'Ach, jetzt hör doch mal auf mit dem Sch..."
"Aha, hier haben wir ihn." Fix zog die Zwergin die vergilbte Akte gänzlich heraus. "Liam Kruger. Alchemist, wurde im Alter von 56 Jahren bei einem Mord an einer Board-Stain-Schwalbe erwischt und verhaftet. Er stach ihr mit einem Messer mitten ins Herz."
"Einer Schwalbe?" fragte Klitzegroß und verzog unwissend das Gesicht.
"Ein alter Name für die Näherinnen." antwortete Patrick Nichts, "Damals waren die Gilden noch nicht so stark vertreten und unlizenzierte Arbeiten waren alltäglich." Er nahm Goldie unüberzeugt die Akte aus der Hand.
"Er gab zu, mehr als ein Dutzend Frauen aufgelauert und erstochen zu haben. Einen Grund nannte er nicht. Zumindest nichts Aktenkundiges. Unter den Bürgern war er als 'Der Schlitzer' bekannt"
"Ist das jetzt gut oder schlecht?" fragte Arwan.
"Das bedeutet gar nichts." Sagte Patrick. "Immerhin gibt es heutzutage Mehdien, die nehmen gerne alte Namen und benutzen sie für ihre Schlagzeilen. Sowas bleibt bei den Leuten eben hängen."
"Warten wir ab, was der Chef rausfindet." Sagte Harry und spielte mit der Spechtfeder in seiner Hand.
Familienbande
"Wo treibst du dich rum! Du bist genauso eine Hure wie deine Mutter und deine Schwester. Hey! Bleib hier!" Christine biss die Zähne zusammen, als ihr Vater sie an den Haaren zurück zog und gegen die Wand schmetterte. Als sie erneut seine Schläge spürte, ließ sie sich auf alle Viere fallen, um damit ihr Gesicht und andere Teile zu schützen. Immer und immer wieder schlug er auf sie ein. Warmes, dickes Blut sickerte nun aus einer Platzwunde am Kopf in ihre Augen und das Pochen in ihrer Rippengegend wurde immer schlimmer. Wimmernd schützte Christine ihren Kopf und ihr Gesicht mit beiden Armen, doch weitere Schläge blieben plötzlich aus. Das Klopfen an der Tür bewahrte sie davor.
"Du bist nutzlos, das warst du schon immer!", sagte ihr Vater, wandte sich ab und ließ sie allein zurück. Vom Blut durchtränkte Strähnen hingen dem Mädchen im Gesicht, als sie vorsichtig den Kopf hob. Es durchfuhr sie ein Schwall Euphorie, als sie realisierte, dass er von ihr abgelassen hatte und sprang auf. Die gebrochene Rippe bohrte sich tiefer und ließ Christine aufschreien. Mit einer Hand auf der Rippe, zog sie sich mit der anderen an der Tischkante hoch und stolperte zur Spüle. Es war noch das Wasser vom Abwasch darin und als sie sich hinüber beugte, färbte es sich rot. Die Wunde an ihrer Stirn klaffte weit offen. Die eine Hand noch immer auf die geprellte Stelle, wusch sie sich ihr Gesicht. Nur vage nahm sie das Gebrüll und Gerangel wahr, welches sich an ihrer Haustür abspielte. 'Stadtwache? Hatte da eben jemand Stadtwache gerufen?'
Sie sah ihr Spiegelbild im blutig, öligem Wasser an, auf dem ein Lächeln zu erkennen war.
"Es ist geschafft!", sagte das Gesicht im Wasser.
"Ja", sagte Christine, "Es ist ... zu Ende."
D.O.G. sweet D.O.G.Der Gefreite Schattig betrat das 'Drunter und Drüber' als letztes und gesellte sich zu seiner Ausbilderin an das Fenster.
"Ist das'n neuer?" fragte er und Hatscha schaute über ihr Taschentuch hinweg in den Raum.
"Nun, das ist einE NeuE, Anna Blass. Müsstest du doch noch aus deiner G.R.U.N.D.-Zeit kennen?!"
"Nein", Schizzel deutete in die andere Ecke, "der da!" Er zeigte auf einen 1,60 kleinen, rundlicheren Mann. Ein Ruck ging durch die D.O.G.s, als alle den 'Neuen' anschauten. Araghast verzog sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen und erklärte, dass sich Hauptmann MeckDwarf als Moloss bei D.O.G. beworben hatte und von nun an das Team unterstützte. Langsam machte das Nicken die Runde, der ein oder andere warf ein 'Hallo' in den Raum, kratze sich am Kopf und einer salutierte sogar. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, begann Breguyar mit der Besprechung.
"Korporal al Nasa und meine Wenigkeit waren heute in der Ziegelstraße. Eine der wenigen Straßen, die an der alten Müllverbrennungsanlage liegen. Ihr dachtet, der Ankh riecht schlimm?" Araghast lachte übertrieben, blickte aber in verwunderte Gesichter. "Nun, jedenfalls gibt es nur ein einziges Wohnhaus, das eine
Art Garten hat. Aufgewühlte Erde zeugte nicht gerade von einem gesunden grünen Daumen. Das Haus war leer, bis auf den Nachbarn, welcher uns das hier gab."
Er stellte eine kleine Kiste auf den Tisch. Neugierige Blicke fielen auf einen Dolch ohne Klinge. Am Griff klebte Dreck.
"Ich habe es bereits analysieren lassen", sagte Breguyar. "Es ist derselbe Dreck wie vom Tatort bei Ananda Zwitsch. Außerdem wurde ein blondes Haar daran entdeckt. Sehr wahrscheinlich feminin. Möglicherweise das eines weiteren, uns unbekannten Opfers."
"Oder vom Täter." Warf Arwan ein.
"Oder vom Täter, ja", bestätigte Araghast. "Der Nachbar erzählte uns, dass die Tochter des Mannes ihm den Dolch gab. Ihr Name ist", er schaute in seine Papiere, "Christine Schmaug. Ungefähr siebzehn Jahre alt. Blond. Er hat sie seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich ausgerissen. Vom Vater vorerst keine Spur. Soweit von mir, was habt ihr?" Er schaute in der buntgemischten Runde hin und her, und blieb bei der Zwergin stehen.
"Kleinaxt!"
Die Stimmung entspannte sich. Niemand wollte der erste sein, um beim Chef vorzusprechen und man war froh, wenn es einen anderen traf. Natürlich stets mit kollegialem Mitgefühl.
Der Lance-Korporal versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und öffnete ihre Kopie der Akte.
"Harry konnte bei den Assassinen keine wirklich brauchbaren Informationen erfahren. Es fiel ein Name, aber..." Sie stockte.
"Aber was?"
"Nun, Liam Kruger. Er ..."
"Der Schlitzer." Araghast starrte sie an. "Du redest vom Schlitzer? Seid ihr total ... Der Typ lebte vor ein paar hundert Jahren!"
"150, um genau zu sein, Sir." Patrick Nichts trat an Goldies Seite.
Allgemein wurde der Kreis nun etwas enger.
"Aber wir können davon ausgehen, dass es um einen spukenden Geist geht. Die Art der Vorgehensweise am Tatort ist dieselbe: Entblößte Brüste, der Stich genau ins Herz. Und die Leute reden, Sir. Jeder in der Stadt redet zur Zeit vom Schlitzer." Goldies Augen glühten. "
"Ein Nachahmer?" fragte Schizzel in die Runde.
"Sieht ganz danach aus, aber was ist mit dem Haar?" Hatscha verschränkte ihre Arme vor der Brust.
"Vielleicht hat sich der Geist ja in den Körper eines blondschöpfigen Wesens transportiert?" Anna Blass lächelte hoffnungsvoll, als die Ruhe vor dem Sturm eintrat.
"Das ist ...", begann jemand.
"Totaler Blödsinn."
"Absolut genial!"
"Könnte was dran sein."
"Du glaubst das doch nicht?!"
"Das
ist jetzt aber die Neue, oder?"
"Wir D.O.G.s haben's
echt drauf!"
"Das kann doch gar nicht stimmen, die rät doch nur."
"Na und? So gehst du doch auch immer vor!"
"Du wagst es?"
"'Tschuldige, du stehst auf meinem Fuß!"
"RUHE!"
Araghast Breguyar blickte fassungslos in verwirrte Gesichter.
"Braucht ihr alle Zwangsurlaub oder was ist los mit euch?"
"Ehrlich!" Breda stemmte die Arme in die Hüften. "Jetzt reißt euch mal zusammen."
"Was fällt dir ein?", fragte Arwan empört.
"Ihr benehmt euch wie Kinder!"
"Ach, und du bist
so weise, ja?"
"Ich finde sie hat Recht!"
"Halt du dich daraus!"
"Hey, schrei sie nicht so an!"
"RRRRUUUUHHHHHEEEE! Verdammt nochmal! Ihr seid ja noch schlimmer als die ..." Er beendete den Satz nicht, setzte sich stattdessen langsam wieder hin und massierte seine Schläfen. "Also", begann er betont ruhig, "Hatscha, wie groß stehen unsere Chancen, dass wir hier ein besessenes, blondes Mädchen haben?"
"Nun, ich bin kein Okkultismus-Experte. Vielleicht sollten wir die Susen um Hilfe bitten?"
Gestatten, Stadtwache von Ankh-Morpork"Dieser Fall ist dringend!" Araghast trat mit dem Stiefel gegen die Wanne. Hegelkant schaute interessiert, als die Schaumkronen in Wallung kamen und sein Herr sich aufsetzte. Sie kamen gefährlich nahe an den Beckenrand
"Immer mit der Ruhe. Worum geht es denn?"
Breguyar holte zur Beruhigung kurz Luft. "Dieser Schlitzer. Wir wissen wer ..." Sillybos' Lachen unterbrach ihn. "Was ist daran so witzig. Wir müssen sie ..."
"Ihr seid schon echt witzig, ihr Dogs. Der Schlitzerfall ist seit Wochen abgeschlossen." Die kleine gelbe Quietscheente bahnte sich ihren Weg durch den Schaum, als sich der Abteilungsleiter wieder zurücklehnte und ein wenig Wasser über den Rand schwappte. Hegelkant holte den Mob.
"Was meinst du mit abgeschlossen? Du hast die Informationen doch noch gar nicht gelesen? Willst du mich verarschen?"
Das Badewasser hatte große Mühe, der nun hastigen Bewegung des Mannes nachzukommen und schloss die entstandene Lücke erst nach einigen Sekunden. Sillybos lehnte sich über den Rand.
"Jetzt hör mir mal zu, Bregs! Der Typ wurde auf der Flucht inhumiert. Ganz offiziell. Hat seine Frau und seine Tochter geschlagen und misshandelt. Die Kleine fand man tot in der Wohnung. Sie starb wohl an inneren Blutungen. Manchmal verabscheue ich meine Wächter, die mir so einen Fall vorlegen, aber man macht ja seinen Job. Und nun kommst du? Obwohl die Sache vorbei ist und ich sie schon fast vergessen hatte? All diese Frauen ..."
Sillybos seufzte. Manchmal erschien ihm die Welt mehr als grausam.
Breguyar hatte schweigend zugehört, nickte nur und verließ den Raum.
D.O.G. sweet D.O.G."Was meinst du mit abgeschlossen?"
"Genau das was ich eben gesagt habe!" Blökte Araghast seine Stellvertreterin an.
Schulterzuckend setzte Hatscha sich hin. Nur eine Kerze auf dem Tisch erhellte das 'Drunter und Drüber', als sich die beiden zu einer kurzfristigen Besprechung zusammen gesetzt hatten. Hatscha fröstelte.
"Gesundheit!"
"Huuatschiiii... danke!" Über ihr Taschentuch hinweg schielte der Korporal auf den Schreibtisch mit der Akte. "Nun", versuchte sie es erneut, "was sagen die Susen?"
Es gehörte sich nicht, aber die drei Wächter lauschten an der Tür des Büros wie kleine Schulkinder. Geflüsterte Kommentare wie "Ach du ..." und "Meint der das ernst?" waren zu vernehmen. Klitzegroß hatte arge Probleme, sein kleines Schnapsglas als Hörverstärker an der Tür zu halten. Es rutschte ihm immer wieder aus den Händen.
"Pssssst, sei doch mal still!", fluchte Arwan leise. Goldie nickte nur zustimmend und konzentrierte sich weiter auf ihr eigenes Glas.
Drei Schritte hinter ihnen stand Breda, die Arme über der Brust verschränkt und mit ihrem typisch gelangweiltem Blick. Sie würde natürlich nie zugeben, dass sie mindestens genauso neugierig war wie ihre Kollegen, aber sie verstand auch so jedes Wort ihres Abteilungsleiters. Außerdem stand sie Schmiere.
Die Kerze flackerte.
"Also haben
wir den Fall gelöst, nicht die anderen?" Hatscha wirkte nun nervös und das machte es dem Halbvampir nicht leichter. Er schloss sein Auge und haderte kurz mit sich selbst. "Jein", sagte er dann. "Der Vater war ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt: Raub, Bestechung, Misshandlung. Aber die Morde gehen nicht auf sein Konto." Breguyar massierte seinen Nasenrücken. "Der Mistkerl hat seine Frau geschlagen, die bei einem
Unfall ums Leben kam. Ob dies nun durch seine Hand geschah oder nicht, er war mitschuldig. Und bei der Flucht haben ihn die Assassinen erwischt. Das nenn' ich Gerechtigkeit."
Hatscha überflog den Bericht der Gerichtsmediziner. Man fand den Leichnam im Garten vergraben, direkt unter dem Küchenfenster. Das war wohl der eigentliche Grund, warum er vor den S.E.A.L.S. weggelaufen war.
"Und was ist mit der Tochter? Hat sie selbst eine
Teufelsaustreibung vorgenommen oder wie ist sie den Geist wieder losgeworden?"
Breguyar zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. "Man fand sie, ebenfalls tot. Soviel zum Thema
Familienglück" Sein Blick schweifte zur untersten Schublade. "Ich glaube damit gehört dieser Fall endgültig zu den Akten. Ich werde versuchen herauszufinden, wer uns da einen Streich spielen wollte. Immerhin haben wir umsonst gearbeitet. Und nun kümmer' dich bitte wieder um unsere Welpen."
Familienbande
Lächelnd lag Christine auf ihrem Bett. Der Nachbar hatte merkwürdige Fragen gestellt, aber er hatte ihr den Dolch abgenommen. Die Wache würde bei ihm nachfragen und er würde ihnen den Dolch zeigen. Was sie damit machen, sollte ihr egal sein. Fahrig fuhr sie sich mit dem Hemdärmel über den Mund und wischte das Blut hinfort, das sich in ihrem Mund sammelte.
Die blauen Funken waren verschwunden, und mit ihnen der Mann mit dem Hut. 'Ob er wirklich der Schlitzer war?', fragte sich Christine, doch es erschien ihr nicht wichtig. Wenigstens einmal im Leben hatte sie sich stärker gefühlt als ihr Vater, und er musste nun für alle seinen Sünden büßen. Die Näherinnen, der Tod ihrer Mutter, Isabell...und nun könnte sie ihnen endlich folgen. Sie fröstelte, eisige Kälte stieg an ihren Gliedern empor, und sie wusste, es würde noch kälter werden. Wie ein Besuch in einem Stollen tief unter der Erde. Und Christine freute sich darauf. Ihre Welt wurde schwarz.
Als D.O.G. den Fall zugespielt bekam, war dieser wirklich seit Wochen abgeschlossen. Die restlichen Abteilungen waren wochenlang intensiv damit beschäftigt, den so genannten Schlitzer zu erwischen. Die offizielle Akte wurde mit dem Tod des Vaters als erledigt angesehen und ad acta gelegt. Es konnte außerdem nie geklärt werden, warum die Akte im Boucherie landete. Die Abteilungsleitung glaubte an einen dummen Scherz und hoffte, dass es nie zu irgendwelchen weiteren, unangenehmen Fragen kommen würde. Ende
[1] Mit oder ohne Rum, dazu wollte sich der Halbvampir nicht äußern.
[2] Ein Konzentrationsspiel, erfunden von den Kämpfenden Mönchen des Ordens von Wen, für den perfekten Ausgleich zwischen Körper und Geist.
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