Bisher hat keiner bewertet.
Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht: "Reiten - Das Wachepferd im Einsatz." Meine Güte, du bist in der Stadt. Musst du dich wirklich mit Reitunterricht herumschlagen?
Dafür vergebene Note: 9
Was für ein prächtiges Haus, hätte Ani gerne gedacht, als er das unerwartet unheilige Wachhaus in der Kröselstraße das erste Mal betrat. Alles schien unter seinem ohnehin begrenzten Erwartungshorizont zu liegen und die dunkelschwarze Farbwahl bei der Gestaltung der Inneneinrichtung ließ nichts Gutes erwarten. Viel unheilvoller schien jedoch die Tatsache, dass die tragenden Balken der Decke durch den Wind, der diverse Löcher in der Wand ausgefuchst zu seinem Vorteil nutzte, um sich möglichst auffällig und stilvoll in die Halle zu drücken, unsicher zu Wanken begannen. Gerade als ein stattliches Pferd mit einem gleichgültiger Verständnis durch eines der "kleinen" Löcher trabte, ging Ani unsicher schwankend, fast balkenhaft graziös zu einer uniformierten Gestalt, die ihn schon gelangweilt zu erwarten schien.
"Da bist du ja endlich, Ani", sagte sie mit einem Furcht einflößenden Tonfall. "Ich bin dein Ausbilder Hauptmann Daemon Llanddcairfyn. Anscheinend bist du nicht ganz unfähig, sonst hättest du es nicht geschafft, dieses glorreiche Wachhaus am Rande der Schatten mit einem Kopf, zwei Beinen und Armen, einem Schwert, sowie drei Haaren im Gesicht zu erreichen."
Ani drehte sich instinktiv um und beäugte seinen zierlichen Schatten misstrauisch. "Meinen Sie diesen Puschel dort an meinem Mund, Sir?" Der junge Rekrut biss sich auf die Lippe. Er wollte seine stolze Ansammlung von Haaren in seinem Gesicht zukünftig doch Bart nennen und ärgerte sich schon jetzt über sich und den Ausbilder. Nein, eigentlich ärgerte er sich nur über den Ausbilder.
"Nenne es wie auch immer du magst, Puschler", großzügig sah er über die neue Gesichtsfärbung des Gegenübers hinweg. "Aber hier bei der Stadtwache wird auf Gründlichkeit geachtet, sodass dein Gesicht entweder schnell erwachsen werden oder eine schnelle Rasur das erbärmliche Leben des Bartes beenden sollte."
Geradezu entrüstet meldete sich das Ego Anis zu Wort, das jedoch erfolgreich vom Gehirn ignoriert wurde, sodass nur ein widerspenstiges Grummeln aus seiner bestimmt mutigen Antwort herauszuhören war.
"Was hast du eben gesagt?", sagte Daemon während er versuchte seine Unterlagen zu ordnen.
"Ähh", versuchte Ani geschickt abzulenken. "Warum sind hier eigentlich Löcher in der Wand? Sie lassen den Raum", er suchte eine kurze Zeit lang nach den richtigen Worten. "Auf den ersten Blick interessant erscheinen." Stolz klopfte sich das Gehirn über den Themenwechsel selbst auf die Schulter, musste aber sofort innehalten, damit es die nahende Antwort verarbeiten konnte, um nicht die gerade erspielte Anerkennung und Respekt des restlichen Körpers leichtfertig zu verspielen.
Daemon jedenfalls schien unbeeindruckt und schaute gelangweilt von seinen Unterlagen auf. "Das braucht dich noch nicht interessieren. Es gab heute Morgen einen ... Zwischenfall in der Wache. Spätestens wenn du von deiner ersten Mission zurück bist, wird dieser kleine Umstand behoben sein."
"Na dann bin ich ja beru..." Erste Mission? Hatten seine Ohren gerade die richtigen Buchstaben in der richtigen Reihenfolge sortiert? "Miss Stereoin?"
Ein paar Sekunden lang war es im windigen Raum absolut Still. Der Hauptmann starrte ungläubig auf seinen neuen Rekruten und begann dann wieder kopfschüttelnd in seinen Unterlagen zu wühlen. "Hm, in Anbetracht deiner rudimentären Kenntnisse im Gebrauch mit dem Schwert", ignorierte er Anis Einwurf und schaute auf dessen rostiges Kurzschwert. "Schlage ich vor, dass du dich mit dem Reiten vertraut machst." Daemon schaute Ani ins Gesicht. "Draußen", fügte er wissend hinzu.
"Und wer bringt mir das Reiten bei?" Ani blickte sich suchend nach einer Frau im Raum um.
"Gudrun", sagte der Hauptmann schelmisch lächelnd. "Gudrun ist das Pferd, das du sicherlich schon bemerkt hast", er hielt kurz inne. "Es steht neben dir."
Ani hatte doch gewusst, dass ihn ein Augenpaar verträumt anschaute und blickte nach einer kurzen Suche in das grinsende Gesicht eines Pferdes.
"Sie wird dich schon einreiten", sagte Daemon Llanddcairfyn aufmunternd.
Ani schaute mürrisch dem geschenkten Gaul ins Maul und hörte den unerträglichen Mundgeruch, bevor die Nase ihn wahrnahm.
Nach einer längeren Prozedur mit mehreren Stürzen in Kombination mit schreienden Zivilisten ritt Ani stolz durch die schmutzigen Straßen Ankh-Morporks. Das ist ja einfach, sagte er sich und schloss seine Hände fester um den Schwanz des Tieres. Dabei behinderte es nicht, dass Ani nicht sehen konnte, wohin das Pferd ritt. Gudrun machte ihre Sache bisher ziemlich gut und warum sollte man einem stinkenden Pferd, das einem mit einem Lächeln in der Wache aufgedrückt wurde, nicht vertrauen? Diese li(e)berale Ansicht änderte sich jedoch schlagartig, als das Pferd mit einem lauten Wiehern, gefolgt von einem wesentlich schnelleren Ritt, eine Verfolgung ankündigte. Was war passiert? Um genau dies herauszufinden verließ Ani seinen sicheren Sitz und versuchte angestrengt, sich umzudrehen, was überraschenderweise auch fast gelang. So umklammerten seine Arme nun des Pferdes Bauch, während die Beine in der Luft herumwirbelten. Immerhin konnte er auf diese Art den Grund für die plötzliche Verfolgung einsehen.
Ein ansonsten gesellschaftlich geachteter Affe hatte sich seinen Instinkten hingegeben und auf dem Marktplatz eine Banane von einem ansonsten unehrlichen, dicklichen Obsthändler gestohlen, was Gudrun als pflichtbewusstes Pferd der Wache natürlich nicht durchgehen lassen konnte. So kam es dazu, dass ein Affe mit einer Banane in der Hand, gefolgt von einem Pferd mit zwei Beinen, wild in der Luft herumzappelnd, auf dem Rücken und einem schwitzenden Obsthändler über die schwammige Oberfläche des Ankhs zur anderen Uferseite lief.
Zwei Gestalten, die auf der Brücke daneben an der Brüstung standen, verfolgten die merkwürdige Szenerie mit wachsendem Interesse. "Ich war nun schon auf über fünfzig Kneipenschlägereien, sechs Schlachten und einem Picknick, aber so etwas habe ich bisher noch nicht gesehen", sagte Boran, ein aus Muskeln bestehender Fleischberg, im Plauderton.
"Du warst auf einem Picknick?", fragte sein bester Freund Sene bewundernd. Seine Augen glitten wieder zu der Verfolgungsjagd. Alle konnten anscheinend einfach so über die schwammige Oberfläche des Ankh laufen. "Meiner Meinung nach werden Brücken viel zu überschätzt."
Sein bester Freund nickte zustimmend. "Brücken stehen doch nur in der Gegend herum und warten darauf, dass sie geklaut werden."
Ein Brückenpfeiler starrte die beiden Freunde entrüstet steinern an.
Ani konnte momentan derlei Gedankengängen nicht folgen. Krampfhaft versuchte er, den ohnehin geringen Halt nicht zu verlieren. Das Pferd indes war viel stärker, als es der Mundgeruch anfangs vermuten ließ. So überrannte Gudrun nicht nur den flüchtigen Affen, sondern beförderte auch den Obsthändler mit einem Tritt ins Reich der Träume. Ani, der mit der schwierigen Situation völlig überfordert war, sprang behände mit dem Kopf voraus vom Pferd, schnappte sich nach einer kurzen Bewusstlosigkeit den ohnmächtigen Affen, legte die Banane in die Hände vom schlafenden Händler und ritt nach einer kleinen Meinungsverschiedenheit mit Gudrun schnurstracks zurück zur Kröselstraße, bevor jemand den Zwischenfall bemerkte.
Im Wachhaus angekommen wartete der Hauptmann schon ungeduldig auf die Rückkehr des neuen Rekruten. "Wo warst du solange?", sagte er mit einer ärgerlichen Stimme. "Deine Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, dich ein wenig mit dem Reiten auseinanderzusetzen." Er brummte unzufrieden, um seinen Ärger zu betonen.
"Ich habe hier einen Affen", ließ Ani stolz verkünden. Ein paar Sekunden lang war es im völlig windstillen Raum absolut still. "Sir", fügte er kurz danach hinzu. Erst jetzt bemerkte Ani, dass die Löcher vollständig repariert wurden und nahm schweigend zufrieden zur Kenntnis, dass dieser Raum einer Stadtwache würdig war. Löchrig wie die Wand am Anfang des Tages war auch Anis Überzeugung von der Richtigkeit seiner Berufswahl. Doch dies hatte sich im Laufe des Tages wie die Löcher in der Wand vollständig geändert.
"Du hast einen... Affen?", der erfahrene Ausbilder rang mit seiner Geduld. "Ich habe dich Reiten geschickt und du bringst einen Affen mit?"
"Aye", bestätigte Ani stolz. "Auf frischer Tat beim Bananenklau ertappt."
"Ugh", sagte der Affe, der mittlerweile wieder aus seinem Koma erwacht war und von Ani auf den Tisch gesetzt wurde.
"Ich glaube es ist besser, wenn du dich schlafen legst", kommentierte Daemon Anis Beitrag halbwegs gefasst.
Wieder beherrschte Stille die Konversation. "Jawohl, Sir", ließ Ani kleinlaut verlauten und verließ ziemlich verwirrt das Wachhaus.
Daemon Llanddcairfyn schüttelte ungläubig den Kopf und schaute auf den Affen herab. "Und was mache ich nun mit dir?"
"Ugh?"
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