Als Fünf Schwarze Schwerter an jenem Morgen aufstand, wusste er, dass dieser Tag kein gewöhnlicher Tag sein würde, und dafür gab es drei Gründe.
Erstens: Seine Ankunft in Ankh-Morpork, der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, war heute auf den Tag genau drei Monate her.
Zweitens: Heute würde er sich eine Arbeit suchen. Eine Arbeit, die von nun an sein Leben ausfüllen sollte, ihm eine in Ankh-Morpork anerkannte Ausbildung einbringen würde und mit der er, was ihn zum unangenehmen dritten Punkt brachte, Geld verdienen wollte.
Denn ab heute, nach dem morporkianischen Kalender der 1. Sektober, stand Fünf Schwarze Schwerter mit leeren Taschen da. Gestern hatte er sein letztes Geld, welches er für das noch aus Bes Pelargic stammende Gold bekommen hatte, für ein grässliches heißes Würstchen ausgegeben, das er von einem ebenso grässlichen Straßenhändler gekauft hatte.
So stand Fünf Schwarze Schwerter von seinem schlichten Lager in seiner schäbigen Unterkunft in den Schatten auf und sah nach, ob sich noch genug Essen für ein Frühstück finden würde.
Nach einer kargen, aus seinen letzten Brotresten bestehenden Mahlzeit machte sich Fünf Schwarze Schwerter auf in die Kröselstraße, wo sich sein neuer Ausbildungsplatz befinden sollte: Die Stadtwache von Ankh-Morpork.
Wie war Fünf Schwarze Schwerter darauf gekommen? Am Tag zuvor war sein Blick auf ein ganz bestimmtes Plakat gefallen. Ein Plakat, dass er schon seit langem kannte, es jedoch gestern zum ersten Mal wirklich las.
"Die Stadtwache sucht Männer! Sei ein Manne in der Stadtwache!"
So lautete der Text ebenjenes Plakats, und obwohl mit grellroter Farbe "Bullenschweine" darüber geschmiert worden war, hatte Fünf Schwarze Schwerter entschieden, dass das Wächterdasein das Richtige für ihn sein würde. Nicht, dass Fünf Schwarze Schwerter gute Erfahrungen mit Wächtern gemacht hätte. Im Achatenen Reich war die dortige Wache das ausführende Organ des grausamen Kaisers gewesen und Fünf Schwarze Schwerter hatte mehr als einmal gesehen, wie eine geliebte Person von den Uniformierten fortgeschleppt worden war. Doch er glaubte fest daran, dass die Wächter hier in Ankh-Morpork anders waren.
Nun stand Fünf Schwarze Schwerter vor der Tür des Wachhauses in der Kröselstraße. Zaghaft klopfte er an. Eine barsche Männerstimme antwortete: "Herein!"
Fünf Schwarze Schwerter trat ein. Der Raum, den er soeben betreten hatte, war eher karg möbliert. Der auffälligste Einrichtungsgegenstand war ein großer, stämmiger Mann, der hinter einem Tresen saß. Neben ihm saß ein verschlafen wirkender Zwerg. Oder eine Zwergin? Egal. Fünf Schwarze Schwerter räusperte sich.
"Äh... einen schönen guten Tag. Ich bin wegen des Jobs als Wächter hier."
"Ein Neuer, hä? Durch die Tür da, dann den Gang entlang. Der Hauptmann ist im Raum am Ende.", erwiderte der Hüne.
Der Aurientale bedankte sich höflich und folgte dem Hinweis des Wächters. Er holte noch einmal tief Luft, dann trat der Achater in das Büro von Daemon Llanddcairfyn ein.
"Guten Tag! Ich bin wegen des Jobs als Wächter hier. Mein Name ist Fünf Schwarze Schwerter, und ich komme aus dem Achatenen Reich."
"Du willst also bei uns einsteigen, hm?"
Fünf Schwarze Schwerter nickte.
"Warum?"
"Na ja, ich brauche dringend Arbeit, und da sah ich das Plakat..."
"Ich meine, warum wir? Warum wirst du nicht Alchimist? Ihr Achater könnt ja gut mit Dingen, die Bumm machen umgehen. Das würde allemal weniger Risiken als eine Anstellung bei der Wache bedeuten, und das Gildenhaus der Alchimisten fliegt zweimal pro Monat in die Luft. Also, warum?"
Fünf Schwarze Schwerter hätte es Llanddcairfyn sagen können. Er hatte die Assassinen mit ihren teuer aussehenden Gewändern durch die Straßen flanieren sehen. Er hatte die bestickten Roben der Kaufleute bewundert. Und er hatte die goldenen Ringe an den Fingern der Meisterdiebe gesehen.
Er hatte auch etwas Anderes gesehen: Einen Mann in einem leicht rostigen Kettenhemd, der an einer Straßenecke stand und rauchte, die Umgebung unauffällig im Blick. Und das erinnerte ihn an Bes Pelargic, an die reichen Adligen, die oft mehrere Luxusvillen besaßen, und an die armen Handwerker, denen teilweise nicht einmal eine Matratze zur Verfügung stand. Als Fünf Schwarze Schwerter das bereits erwähnte Plakat betrachtet hatte, waren die Erinnerungen an die Ungerechtigkeiten wieder aufgeflammt. Fünf Schwarze Schwerter wusste, was und wer er war, und warum er Wächter werden wollte.
Aber konnte er all das diesem wildfremden Mann sagen?
Er entschied sich dagegen. "Ich fürchte die Gefahr nicht", erklärte er stattdessen, "und ich habe bereits eine Kampfausbildung erhalten."
"Und was für eine?"
"Als Ninja", erläuterte er. "Das ist achatisch für..."
"Vorbeistreichender Schatten, ich weiß", entgegnete Llanddcairfyn genervt. "Alles klar, wir nehmen dich als Rekrut auf, aber das bedeutet noch lange nicht, dass du dann ein wichtiger Mann bist, verstanden? Und ab jetzt nennst du mich Sir, verstanden?"
"Ja, Sir."
Llanddcairfyn wirkte auf einmal, nun, freundlicher - und irgendwie traurig.
"Gut. Willkommen im Team, Kollege. Du kannst dir zuerst einmal dein neues Zimmer ansehen. Mach dich ein bisschen mit den Jungs bekannt, wir sehen uns dann morgen, wenn deine Ausbildung anfängt. Alles klar?"
"Alles klar... Sir."
Am nächsten Morgen erhob sich Fünf Schwarze Schwerter ein weiteres Mal von einer zu dünnen Matratze, aber er beschwerte sich nicht, denn sie war kostenlos. Der gestrige Tag war relativ ereignislos verlaufen. Herr Llanddcairfyn - Hauptmann Llanddcairfyn - hatte ihm seine Unterkunft gezeigt, ihn kurz durchs Gebäude geführt und ihm seinen Alltag als Rekrut beschrieben. Ihn erwarteten laut seinem Ausbilder Lehrstunden in "Theorie" - was das genau bedeutete, würde er noch herausfinden müssen. Weiterhin hatte Llanddcairfyn ihm reichlich Langeweile versprochen.
"Rekrut", hatte er gesagt. "Eine deine Aufgaben wird sein, Tresendienst zu schieben. Das bedeutet, 24 Stunden lang neben jemandem zu sitzen, dessen Namen du wahrscheinlich kaum kennst, und zu versuchen, so wenig wie möglich zu schlafen und einen ausgeruhten und kompetenten Eindruck zu machen." Aber das konnte ihn nicht abschrecken. Fünf Schwarze Schwerter legte seine "neue", nicht ganz passende Uniform an und ging zu seinem Spind, um den Helm zu holen. Als er den Schrank öffnete, sah er, dass ihm jemand eine Portion Sushi und ein seidenes Taschentuch hineingelegt hatte.
"Wie nett von meinen neuen Kollegen", dachte er, "dass sie mir ein Frühstück besorgen. Ansonsten hätte ich mir wohl Geld leihen müssen. Aber was soll das Taschentuch? Halten die anderen mich etwa für dreckig?"
Nun, Fünf Schwarze Schwerter war durchaus der Meinung, dass er ein Bad vertragen könnte. Aber das hier war Ankh-Morpork - sich zu waschen galt hier als unpatriotisch, und es gab hier im Umkreis von zehn Meilen keinen wirklich fließenden Fluss. Er verspeiste das Sushi und suchte seine Mitwächter.
Er fand seine Ausbildungskollegen und Llanddcairfyn schließlich auf dem Hinterhof des Wachhauses, wo der Hauptmann gerade den Umgang mit dem Schwert vorführte. Fünf Schwarze Schwerter salutierte. Llandcairfyn sah kurz zu ihm hin.
"Guten Morgen, Rekrut", sagte er.
"Guten Morgen, Sir", antwortete Fünf Schwarze Schwerter. Der Neuling stellte sich zu den Anderen und folgte Llanddcairfyns Unterricht. Nicht, dass er den Umgang mit dem Schwert nicht bereits beherrschte. Während seiner Ausbildung zum Ninja hatte er gelernt, zwölf verschiedene Waffen zu gebrauchen; für die Hälfte von ihnen gab es im Morporkianischen nicht einmal ein Wort.
[1]Nach dem Schwertkampf brachte Llanddcairfyn den Rekruten die hohe Kunst des Schlags-auf-den-Hinterkopf bei. Mit dieser Kampftechnik hatte Fünf Schwarze Schwerter keine Erfahrung, weil die Ninja keinem Hilfsmittel Beachtung schenkten, die nicht garantiert zum Tod führte, weil ihnen für profane Aufgaben wie zum Beispiel Geiselnahmen und Täuschungen ihr eigener Körper und ein paar gewöhnliche Haushaltsartikel genügten. Wie die Rekruten von ihrem Ausbilder erfuhren, war diese Technik komplizierter, als sie aussah, denn man hatte nur einen Versuch, sofortige Bewusstlosigkeit zu erreichen, und die Konsequenzen eines Fehlers waren fatal. Als der Ausbilder um Freiwillige für eine praktische Übung bat, meldete sich der Aurientale. Llanddcairfyn zeigte auf eine Strohpuppe und sagte:
"Das ist Arthur. Rekrut Fünf Dunkle Schwerter, stell dir vor, Arthur sei ein gefährlicher Verbrecher, den du für eine Vernehmung transportfähig machen willst. Wie gehst du vor?"
"Ich mache ihn bewusstlos, Sir", erwiderte der Neuling.
"Zeig es uns."
Fünf Schwarze Schwerter trat an die Strohpuppe heran. Er betrachtete sie eine Sekunde lang, dann griff er an ihren Hals und kniff in eine ganz bestimmte Stelle.
"Was soll das?", fragte Llanddcairfyn.
"Das ist der Todesgriff Der Schnellen Schlange, Sir", erklärte der Auszubildende bereitwillig. "Ein Mensch wäre jetzt ohnmächtig zusammengesackt und ich hätte ihn wegtragen können." Die anderen Rekruten lachten.
"Na ja, eigentlich wollte ich ja, dass du ihm einen Schlag mit deinem Schlagstock versetzt, aber na schön. Eigentlich auch egal. Der Unterricht ist jetzt beendet. Rekrut Fünf Schwarze Schwerter, komm bitte noch zu mir, ich möchte etwas mit dir besprechen."
Als die Ausbildungskollegen des Aurientalen gegangen waren, trat der Ausbilder an seinen Schüler heran.
"Du warst während meiner Schwertkampflektion unaufmerksam, Rekrut", begann der Hauptmann. "Kannst du mit dem Schwert umgehen?"
"Ja, Sir!", antwortete Fünf Schwarze Schwerter.
"Gut?"
"Ja, Sir. Ich habe eine Ausbildung als Ninja absolviert, wie ich Ihnen gestern erzählt habe. Mir wurde auch der Umgang mit dem Schwert beigebracht."
"Aber als ich euch den Hinterkopfknacker gezeigt habe, warst du wieder aufmerksam, Rekrut. Ist das wahr?"
"Ja, Sir. Ich versuche, etwas dazuzulernen."
"Gut", meinte der Ausbilder. "Aber weißt du auch, worauf es außer der Waffenbeherrschung bei deiner Ausbildung noch ankommt?"
"Nein, noch nicht, Sir", meinte Fünf Schwarze Schwerter.
"Auf das richtige Denken und Schlussfolgern kommt es an, Rekrut. Wenn dir ein bewaffneter Verbrecher gegenübersteht, den du bei einer Straftat erwischt hast, ist dein Todesgriff genau das Richtige. Oft findest du aber nichts als eine blutige Leiche oder auch nur einen seltsamen Geruch vor. Dann musst du schnelle Schlüsse ziehen. Was hat diesen Mann umgebracht? Auf was deutet dieser Geruch hin? Diese Art Denken ist nicht nur für die Jungs von SUSI wichtig, sondern für uns alle."
"Ja, Sir."
"Glaubst du, du bekommst das hin?"
"Davon gehe ich aus, Sir."
"Gut. Auf was deutet ein Körper hin, die keine äußeren Verletzungen aufweist, aber definitiv tot ist?"
"Vermutlich Giftmord, Sir."
"Richtig. Und was tust du als Nächstes?"
"Ich suche nach einer Nachricht der Assassinengilde. Wenn ich keine finde, versuche ich, die Identität des Toten herauszufinden, Sir."
"Genau. Und was tust du, wenn du tatsächlich eine Botschaft der Assassinen findest?"
"Nichts, Sir."
"Ganz richtig, denn wer sich mit der Assassinengilde anlegt, ist bald in großen Schwierigkeiten."
Fünf Schwarze Schwerter schauderte. Das "großen" hatte sich unheimlich angehört.
"Warum fragen Sie mich das alles, Sir?"
"Ich teste deine Kompetenzen, Rekrut. Und ich beabsichtige, sie einem praktischen Test zu unterziehen."
"Sir?"
"Keine Fragen, bitte. Wo bliebe sonst die Spannung?"
Llanddcairfyn lächelte.
"Halte dich bereit, Rekrut. Mehr habe ich nicht zu sagen."
Zwei Tage verstrichen, von denen Fünf Schwarze Schwerter einen - wie vom Hauptmann angekündigt - komplett mit Tresendienst verbrachte. Am Morgen des dritten Tages setzte sich der Rekrut auf einen der unbequemen Stühle in der Eingangshalle, schlug ein dünnes Buch auf und begann zu lesen.
Schließlich betrat der Ausbilder die Lobby. Fünf Schwarze Schwerter steckte das Heftchen schnell weg und salutierte.
"Guten Morgen, Sir!", intonierte der Rekrut.
"Guten Morgen. Was hast du da gelesen?"
"Nur einen Mangaah, Sir. Das ist eine besondere Art Bildergeschichte aus meiner Heimat."
"Aha. Nun, deine Prüfung ist vorbereitet. Komm bitte mit."
Die beiden Wachmänner machten sich auf den Weg zu Llanddcairfyns Büro.
"Von was handelt so ein Mangaah, Rekrut?", fragte Llanddcairfyn neugierig. Offensichtlich war der Ausbilder in guter Stimmung.
"Von einem Affengott, der versucht, einen Drachen zu beschwören, Sir", antwortete Fünf Schwarze Schwerter.
"Hm. Klingt typisch achatisch."
Der Aurientale nickte. Die beiden Männer blieben schließlich vor einer Tür stehen.
"Rekrut", begann Llandcairfyn. "In meinem Büro ist ein Verbrechen passiert."
"Aha", respondierte Fünf Schwarze Schwerter lächelnd.
"Bei mir wurde eingebrochen und etwas Wichtiges wurde entwendet. Du hast drei Aufgaben: Spuren sammeln und bei mir Bericht erstatten, den Täter identifizieren und herausfinden, was gestohlen wurde."
"Das klingt nicht allzu schwer", meinte der Rekrut.
"Wir werden sehen. Übrigens, für die Spurensuche hast du nur bis Mittag Zeit, dann brauche ich mein Büro wieder", sagte der Hauptmann. Er öffnete die Tür. Und sah ein schreckliches Chaos. Das Fenster stand weit offen; Llanddcairfyns Schreibtischschubladen und Schränke waren ausgeräumt und ihr Inhalt lag auf dem Boden verstreut. Das Zimmer war ein einziges Durcheinander. Fünf Schwarze Schwerter machte sich an die Arbeit.
Gegen Mittag verließ Fünf Schwarze Schwerter Llanddcairfyns Büro mit einer großen Schachtel unter dem Arm. Sein Ausbilder wartete draußen. Der Rekrut grüßte.
"Ich glaube, alle Beweise gefunden zu haben, Sir", berichtete der Achater.
"Dann pack mal aus."
Fünf Schwarze Schwerter öffnete seine Schachtel.
"Ein brauner Stofffetzen, ein Papierstück mit der Aufschrift "Ich hasse Sie", ein Werkzeug zum Knacken von Schlössern, ein Ankh-Morpork-Cent, ein Stück Schnur und ein wenig übel riechender, seltsamer Dreck. Mehr habe ich nicht gefunden, Sir."
"Das ist mehr, als du bei einem richtigen Tatort finden würdest. Untersuche die Objekte, und präsentiere mir deine Ergebnisse in einem Bericht. Übermorgen bei Sonnenuntergang möchte ich ihn haben. Bis dann hast du dienstfrei. Alles klar, Rekrut? Wir sehen uns", verabschiedete sich der Hauptmann. Fünf Schwarze Schwerter verließ grübelnd das Gebäude. Dieser Dreck kam ihm wie Kot vor. Neben seiner ehemaligen Unterkunft in den Schatten befand sich ein Mietstall, dessen Besitzer zu ihm immer recht freundlich gewesen war. Hoffentlich wusste er Bescheid. Der Wächter machte sich auf den Weg.
Nach einem zehnminütigen Fußmarsch kam Fünf Schwarze Schwerter bei "Außgezaichnete Tiere", dem Mietstall seines ehemaligen Nachbarn, an. Er betrat das wacklige Gebäude.
"Guten Tag! Ist der Eigentümer zu Hause?", rief der Ratsuchende.
"Nur die Ruhe, ich komm ja schon", meldete sich eine enerviert klingende Stimme. "Ach, du bist es. Was ist los?"
"Ich brauche die Hilfe eines Viehexperten. Von welchem Tier stammt diese... Hinterlassenschaft?"
"Langsam, langsam. Warum willst du das wissen? Und wo wohnst du jetzt?"
"Ich bin der Wache beigetreten und wohne jetzt dort. Den Hinweis brauche ich für die Lösung eines Falls."
"Was, du bist jetzt auch einer von den Eisenköpfen? Hätte ich nicht erwartet. Nun, ich bin nicht sicher, was für ein Biest daran schuld ist, aber ich glaube, ich kenne jemanden, der es weiß..."
Nach einem kurzen Besuch im klatschianischen Viertel von Ankh-Morpork bei einem weiteren Mietstall wusste Fünf Schwarze Schwerter, dass es sich bei dem Dung um Kamelkot handelte. Unschlüssig, was er jetzt tun solle, sah er sich den Inhalt seiner Schachtel ein weiteres Mal an. Er untersuchte die Nachricht. An der Schrift war nichts Auffälliges, das Papier war billig. Vermutlich war der Fetzen aus einem Taschenbuch oder etwas Ähnlichem gerissen worden. Als der Achater das Blatt wendete, entdeckte er eine Zahl: 542. Es handelte sich vermutlich um eine Seitenzahl oder etwas Ähnliches. Doch wer besaß ein so dickes Taschenbuch?
Fünf Schwarze Schwerter kam eine Idee. Er machte sich auf zur nächsten Mission der Omnianer...
Glücklicherweise befand sich direkt um die Ecke eine kleine Kirche dieser Religion, so dass der Wächter nicht weit zu laufen hatte. Er betrat das Gebäude und wurde sofort von einem kleinen Omnianer empfangen, der eine grobe braune Kutte trug. Ihm kam das Stoffstück in den Sinn.
"Guten Tag... Bruder?", grüßte der Missionar den Neuankömmling.
"Guten Tag. Ich bin in Angelegenheiten der Wache hier. Haben Sie fünf Minuten Zeit?"
"Sie sollten wissen, dass Om der einzige wahre Richter auf der Scheibe ist. Ich helfe Ihnen aber trotzdem."
"Darf ich Ihr Buch Om sehen, bitte?"
"Aber natürlich."
Fünf Schwarze Schwerter kontrollierte das Buch. Offensichtlich war das Papier tatsächlich aus einer Ausgabe wie dieser gerissen worden. Fünf Schwarze Schwerter gab das Buch zurück.
"Wollen Sie denn nicht einmal ein wenig darin blättern?"
"Tut mir Leid, ich bin in Eile. Bitte sehen Sie sich aber noch diese Dinge an. Kommen Sie Ihnen wie der Besitz eines Omnianers vor?"
Fünf Schwarze Schwerter zeigte dem Missionar den Inhalt seiner Schachtel. Er besah sich ihren Inhalt.
"Dieses Stück Stoff... Es scheint tatsächlich omnianisches Handwerk zu sein, ebenso wie die Schnur. Der Rest sagt mir nichts, aber das ist ein Ankh-Morpork-Cent, oder?"
Der Omnianer zeigte auf seine Sandalen.
"Die Schnur benutzen wir für unser Schuhwerk, und aus diesem Stoff machen wir all unsere Kleidung, weil er sich nicht in der Sonne aufheizt und sehr dauerhaft ist. Die Wolle ist behandelt, müssen Sie wissen. Eine Broschüre?"
Fünf Schwarze Schwerter nahm das Traktat entgegen und verließ nachdenklich die Kirche. Irgendetwas stimmte nicht, da war er sich sicher. Aber was? Der Achater überlegte. Schließlich fiel es ihm auf. Er machte sich auf den Weg zur Diebesgilde.
Einiges an Überredungskunst später saß Fünf Schwarze Schwerter in der Bibliothek der Diebesgilde und blätterte in dem Attlas dehr Diebescunst, flankiert von zwei bulligen Dieben. Befürchtete die Diebe, dass er etwas stehlen würde? Der Rekrut lächelte bei dem Gedanken und schlug das Kapitel "Omnien" auf. Er las:
"Im Lande Ommnien ist die Diebescunst kaum ferbreitet, da der Grosteil der dortigen Bevöllkerung Sehr Ährlich ist. Die Cünste des Ausraubens, des Ainbrechens und des Schlösserknakkens sind dort überhaupt nicht bekannt. Der Fiehdiebstahl ist jehdoch weit verbreitert."
Fünf Schwarze Schwerter bedankte sich herzlich und verließ das Gebäude. Jetzt brauchte er nur noch eine Information vom Tatort, dann konnte er anfangen zu schreiben. Der Jungwächter lief ins Wachhaus in der Kröselstraße und blieb atemlos vor Llanddcairfyns Büro stehen. Er klopfte an.
"Herein, wenn es nicht Frau Willichnicht ist!", tönte es von drinnen.
De Aurientale betrat das Büro und salutierte.
"Du schon wieder? Hatte ich dir nicht frei gegeben?", fragte der verwunderte Hauptmann.
"Doch, schon, aber ich wollte mir den Tatort noch mal ansehen, Sir."
"Ich darf alles also ein weiteres Mal verwüsten?"
"Es würde mir schon reichen, wenn Sie mir eines sagen, Sir. Wie sah das Fenster aus?"
"Wie Fenster eben aussehen. Was soll die Frage?"
"Ich meine das Schloss. Wie sah es aus?"
Llanddcairfyn lächelte.
"So, wie es jetzt auch aussieht."
Fünf Schwarze Schwerter sah es sich an. Es sah so normal wie irgendwie möglich aus.
"Danke, Sir. Sie erhalten meinen Bericht in Kürze."
Nachdem er den Großteil des nächsten Tages mit angestrengtem Schreiben verbracht hatte, fühlte Fünf Schwarze Schwerter sich bereit, seinem Ausbilder die Ergebnisse seiner Arbeit zu präsentieren. Er verließ sein Rekrutenbüro und stieß auf dem Gang fast mit Hauptmann Llanddcairfyn zusammen.
"Habe den Bericht fertig gestellt, Sir", ratterte der Rekrut atemlos herunter. "Möchten Sie ihn jetzt einsehen, Sir?"
"Ehrlich gesagt würde es mir am besten gefallen, wenn du mir deine Ergebnisse mündlich präsentierst, Rekrut. Komm in mein Büro."
Und so betrat der Aurientale den Arbeitsraum des Ausbilders ein weiteres Mal. Er hatte schon so oft vor dieser Tür gestanden, dass sich jeder Kratzer und jede Maserung tief in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Er setzte sich auf den Besucherstuhl, der ihm auf einmal viel unbequemer vorkam.
"Also erklär es mir, Rekrut", hub Llanddcairfyn an. "Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?"
"Nun", antwortete Fünf Schwarze Schwerter. "Ich habe zuerst die diversen Indizien untersuchen lassen und bin zum Ergebnis gekommen, dass alle Indizien auf einen Omnianer hindeuten. Könnt Ihr mir folgen, Sir?" Der Hauptmann nickte lächelnd.
"Aber einige Dinge stimmen nicht. Ich meine, es ist durchaus möglich, dass ein Omnianer Kamelkot an den Sandalen hat, weil er sich zum Beispiel in einem omnianischen Stall aufgehalten hat. Aber so viel Kot? Das wäre unmöglich." Fünf Schwarze Schwerter machte eine kleine Pause.
"Dann der Papierfetzen. Offensichtlich stammt er aus einer Ausgabe des Buch Om. Aber einem Omnianer, der sein heiliges Buch selbst auf Einbrüche mitnimmt, wäre diese Schrift doch sicher zu heilig, um sie einfach zu zerreißen. Er hätte sich vielmehr bei Ihren Dokumenten bedient. Ergeben meine Ausführungen so weit Sinn, Sir?"
"Sprich weiter, Rekrut."
"Die Textilien sind definitiv omnianisches Fabrikat. Aber warum sollte ein Omnianer sie ausgerechnet hier verlieren? Das Gewand eines Omnianers ist robust, es zerreißt nicht so schnell. Außerdem gibt es hier im Zimmer oder am Fenster keine Kanten, an denen man leicht hängen bleiben könnte, was mich auf meinen letzten und wichtigsten Beweis bringt: Das Fenster."
Fünf Schwarze Schwerter holte tief Luft. Was die amüsierte Miene seines Ausbilders ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
"Das Schloss ist staubig. Vermutlich schließen Sie ihr Fenster nie ab. Warum auch? In dieses neue Bild passt aber eins nicht: Der Dietrich! Warum hätte der Omnianer ihn im Zimmer verlieren sollen, wenn er ihn nicht einmal brauchte?
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt, der nicht in die Geschichte vom schlösserknackenden Omnianer passt: In Omnien gibt es kaum Türschlösser und somit auch keine professionellen Schlösserknacker! Und ich glaube nicht, dass ein Omnianer, der dieses recht komplizierte Handwerk hier in Ankh-Morpork gelernt hat, noch mit Kamelkot an den Füßen herumlaufen würde.
Alles in allem: Der Täter hat den durchs Fenster einsteigenden, nach Rache dürstenden Omnianer nur inszeniert, um von seiner eigenen, gegenteiligen Vorgehensweise abzulenken. Vermutlich betrat der wahre Täter den Raum durch die Tür, was bedeutet, dass er sich ungesehen im Gebäude bewegen konnte. Der Täter war ein Wächter!"
Llanddcairfyn nickte langsam.
"Aha. Sehr einleuchtend. Hätte er sich nicht auch einfach als Wächter verkleiden können?"
"Nein. Er wusste, welches Büro Ihnen, einem gut verdienenden Wachhauptmann gehörte. Er wusste auch, wann Sie nicht da sein würden."
"Also war der Täter hinter meinem Geld her?"
"Eventuell. Entweder war der Täter ein Rekrut, der seinen kargen Sold aufbessern wollte, oder ein Wächter, der in den Diensten von IA steht und nach Dokumenten suchte."
"Richtig, meine Akten lagen überall herum. Wie kommst du denn darauf, dass der Täter ein Rekrut war?"
"Er ist ziemlich dumm vorgegangen, Sir. Außerdem würden wohl die wenigsten erfahrenen Wächter bei einem Hauptmann einbrechen, nur um ein paar Ankh-Morpork-Dollar zu erbeuten. Nein, ich habe mir sagen lassen, dass der große Profit heutzutage in Bestechungsgeldern liegt."
"Wer hat das gesagt?"
"Das weiß ich nicht mehr, Sir."
Llanddcairfyn lehnte sich zurück.
"Gib mir den Bericht."
Der Aurientale gab Llanddcairfyn seine Darlegung. Er blätterte darin.
"Interessant", konstatierte der Hauptmann. "Nun, wie soll ich sagen..."
"Ja?"
"Deine Leistungen sind, na ja..."
"Ja?"
"...ziemlich gut! Diese Art zu denken ist genau das, was die Wache braucht. Sei ehrlich: Hast du heimlich geübt?"
Fünf Schwarze Schwerter entspannte sich.
"Gewissermaßen schon, Sir. Ich löse gerne Logikrätsel zur Entspannung."
"Logikrätsel?", fragte Llanddcairfyn.
"Ja. Die werden hier langsam richtig beliebt. Haben Sie schon einmal von Taka-Hitoe gehört, Sir?"
"Nein. Ist das einer deiner Ninja-Tricks?"
"Nein, eine Art Rätsel, Sir."
"Ich verstehe. Wirkt es tödlich?"
"Nur bei den wirklich Verbissenen, Sir."
"Gut. Um wieder aufs Thema zurückzukommen: Du hast die - zugegeben verhältnismäßig einfach zu durchschauenden - Hinweise richtig interpretiert. Aber eins noch: Was ist mit dem Cent?"
"Der Cent? Ach, der ist gar kein richtiges Indiz. Jeder könnte ihn verloren haben."
"Auch richtig, Rekrut. Aber ich fürchte, du hast meinen Hinweis leicht fehlinterpretiert."
"Sir?"
"Gib mir bitte diese Münze. Ich habe noch nicht zu Abend gegessen."
"Ach so."
Fünf Schwarze Schwerter betastete seine Taschen.
"Oh, Vampirischer-Geist-aus-der-Fremde, ich glaube, ich habe mir davon ein Brötchen gekauft."
"Eins ist klar, Rekrut, den kriege ich zurück. Du kannst dich jetzt entfernen."
Der Aurientale salutierte.
"Morgen habe ich aber immer noch frei, oder, Sir?"
"Aber mitnichten, Rekrut! Das Leben eines Wächters ist voller unbezahlter Überstunden! Stell dich also besser darauf ein!"
Fünf Schwarze Schwerter salutierte und verließ lächelnd Llanddcairfyns Büro. Sein erster "Fall" wäre damit also gelöst. Offensichtlich war das Leben als Wächter gar nicht so übel. Sein Ausbilder war nett und mit seinen Wachkollegen würde er sich auch noch anfreunden...
Der Achater rieb den Ahnentalisman in seiner Tasche und machte sich mit einem kurzen Dankgebet an seinen Vater auf zur Nachtschicht.
[1] Übrigens: Die Metallstücke an seinen Fingern sind gar keine Ringe, sondern eine weitere Ninjawaffe. Werden sie richtig geworfen, kann man einen Mann damit rasieren, und zwar selbst dann, wenn er gar nicht rasiert werden will.
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