Herbal Essences

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von Hauptgefreite Lady Rattenklein (SUSI)
Online seit 01. 12. 2006
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Ein ungewöhnliches Nahrungsmittel kommt auf den Markt, und wie immer gibt es Schurken, die dies auszunutzen wissen.

Dafür vergebene Note: 10

Nachts war es meistens still an der Unsichtbaren Universität. Diese Stille hatte ihren natürlichen Ursprung im Schlaf der Professoren, Dozenten und allen anderen Angestellten und Zauberern und natürlich versuchten einige Individuen, sich diese Ruhe zu Nutze zu machen. Um diese Zeit kam normalerweise niemand auf die Idee, Dinge in andere Dinge zu verwandeln, Studenten anzuschreien oder sonst irgendeinen Krach zu veranstalten.
Der Mond schien ebenso geräuschlos auf Ankh-Morpork nieder und warf sein Licht gnädig matt auf einen alten Fuchs namens Pitsch, der damit beschäftigt war, um das magische Gebäude herumzuschleichen. Das Tier war nicht eben eine Schönheit; struppiges dreckiges Fell, ein zerfetztes Ohr und abgewetzte Pfoten zeugten von einer langen Reise ohne Lebensqualität. Er schnüffelte in der Luft nach etwas, womit er seinen quälenden Hunger stillen konnte. Er roch Fleisch. Kein Fleisch, was irgendwo in Wurstform gepresst herumhing, sondern lebendiges Fleisch. Fleisch mit Federn dran und zappelnd den Jagdinstinkt weckend. War das ein schläfriges Gackern? Pitsch richtete seine Ohren auf und lauschte. Sein Geruchssinn hatte ihn nicht getrogen; da war ein Stall!
Er bewegte sich geduckt auf den Holzverschlag zu, der praktischerweise neben der Küche der UU platziert war. Herrlich dieser Geflügelgestank! Warm und muffig und zum Anbeißen. Eine kleine Leiter führte zu einem winzigen Eingang, hier war der Geruch besonders stark und mischte sich mit dem des anliegenden Komposthaufens, der alte Möhren, Kartoffeln und jegliches andere Gemüse beherbergte und Pitsch lief das Wasser im Maul zusammen. Der Speichel tropfte auf den Sandboden. Er schlich kaum hörbar auf die Hühnerleiter und steckte den Kopf unmerklich durch das Loch. Da saß seine Beute: Hühner, Hennen, Eier, Kücken. Pitsch war im Schlaraffenland. Er drehte den Kopf nach rechts und sah sich augenblicklich Auge in Auge mit einer Henne wieder, die sich nicht entschließen konnte, ob sie gackern oder einfach umkippen sollte. Musste sie auch nicht, denn der Fuchs nutze die Schrecksekunde und schnappte blitzschnell nach ihrem Hals. Seine Zähne bohrten sich in nahe liegende Atmungsorgane, was jedoch nichts gegen den Lärm half, der jetzt ausbrach!
Sein Opfer schlug in wilder Verzweiflung mit den Flügeln, ihre Artgenossen wurden wach und fingen ein solches Gezeter an, dass Pitsch augenblicklich mit seinem bluttriefenden Federvieh die Flucht ergriff, über den Komposthaufen flitzte und Richtung Norden durchbrannte.
Und wieder war es still um die Unsichtbare Universität.

*+++*


Am nächsten Nachmittag saß Bartolome Buckel gespannt in einem der Arbeitszimmer der UU und starrte gebannt auf HEX. Der Zauberer hatte als 41 Jähriger beschlossen, die hohe Kunst der Magie zu erlernen und zu studieren. So gab er seinen damaligen Beruf als Kellner auf und beschaffte sich Zugang zur Hochschule[1]. Und nun saß er also dort, hatte mit einer Menge chemischer Vorarbeit, Analysen und Wutausbrüchen schließlich HEX mit Informationen gefüttert, welcher jetzt zufrieden surrte und bibberte. Fast schien es, als würde sein Inneres durch die kleinen Arbeitstiere gekitzelt, die dort fleißig hin und her flitzten.
Es begann zu rattern und Bartolomes bebrillte Augen weiteten sich voller Vorfreude und sein Mund öffnete sich, ungeachtet dessen, die umliegende Luft mit dem Odem ungeputzter Zähne zu beglücken. Denn Buckel arbeitete schon seit den frühen Morgenstunden, ohne einmal das Badezimmer gesehen zu haben. Als sich heute morgen herausgestellt hatte, dass zum wiederholten Male ein Hühnerdieb großen Schaden im Stall angerichtet hatte, überkam den ehemaligen Kellner die seltsame Eingebung, die Sache in die Hand nehmen zu müssen. Er arbeitete also an einer Idee, wie man diese Fleischfresser vom Federvieh fern halten konnte.
HEX hatte hoffentlich die Lösung, denn nun kam ein kleiner Zettel aus dem wundersamen Gerät herausknattert. Bartolome las sich selber laut vor:
"Vitamin Fünfunddreißig Drölf." Was? Noch einmal:
"Vi-ta-min Fünf-und-dreis-sig Dröööölf." Buckel blinzelte und schaute etwas tiefer. Dort war eine chemische Formel abgebildet. Was sollte das bedeuten? Seine Fähigkeiten reichten aus, um schnell diese Formel in Struktur umzuwandeln, also tat er dies auch. Er wusste im Moment nicht, was er anderes mit dieser Information anfangen sollte.
Nacheinander füllte er Flüssigkeiten verschiedener Konsistenz und Farbe in einen Kolben, erhitzte dann und wann bis zum Sieden, rührte, mischte, schüttelte und summte, wie es so seine Art war, vor sich hin. Zum Ende hin lenkte er beim Erhitzen den Dunst mittels einer speziellen Destillationsapparatur um, sodass am Ende ein Kondensat in einen weiteren Kolben tropfte.
Es war rosa.
Bartolome Buckel tauchte den Finger in die Flüssigkeit und lutschte ihn ab. Seine Brauen schnellten in die Höhe, er tauchte erneut ein und nuckelte an seinem Finger herum. Mit einem Plopp entließ er schließlich seinen Zeigefinger, kritzelte hastig etwas auf ein Stück Papier und lief mit der rosa Flüssigkeit und dem Zettel in den Speisesaal[2].

*+++*


"Du hast Glück, dass der Erzkanzler im Urlaub ist! Er würde dir das Fell über die Ohren ziehen!"
Buckel sah den keifenden Dozenten fassungslos an. "Aber ich habe doch gerade erklärt, dass es mir nicht darum geht, an Ruhm oder Ehre zu kommen, sondern, dass dieses Vitamin Fünfunddreißig Drölf eventuell eine bahnbrechende Entdeckung sein könnte! Ich persönlich habe davon probiert, und nur dieser kleine Tropfen an meinem Finger ließ nicht nur meine Geschmacksknospen Luftsprünge machen, ich habe mich geradezu erfrischt gefühlt! So, als hätte ich ausgiebig geschlafen! Wenn, ich dieses Vitamin mit eurer Hilfe nur mehr erforschen könnte, würde sich vielleicht herausstellen, das es noch viel mehr kann, wir hätten... ich wage es kaum auszusprechen, aber mit Glück haben wir vielleicht ein neues Heilmittel entdeckt!" Er hört abrupt auf, wild zu gestikulieren, seine Hände hingen ausgebreitet in der Luft und alle Gesichtsöffnungen waren mehr als geweitet.
"Bartolome, es war Erde, die du untersucht hast! Willst du ernsthaft behaupten, dass in dem Boden auf dem wir täglich herummarschieren, ein Vitamin steckt, dass nicht nur wichtig sein könnte, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit essenziell? Ich bitte dich." Derselbe Dozent schmunzelte spöttisch und sah sich nach Bestätigung heischend unter den übrigen um.
Wie kompromittierend, dachte sich Buckel. Sie haben einfach keinen Sinn für Neuerungen. Faule Bande! Er ließ seine Arme sinken und machte ein enttäuschtes Gesicht. Mit der rosa Flüssigkeit verließ er den Saal Richtung Arbeitszimmer. Nicht mit mir, dachte er!

*+++*


"Verflixt und zugenäht!" maulte Lady Rattenklein, "Hier zieht's!"
Sie versuchte, sich ihre Nachtruhe so angenehm wie möglich zu gestalten, aber es klappte nicht. Seit die Renovierung am Wachhaus stattgefunden hatte, hatte sie keine eigene Ecke mehr. Sie hatten sie einfach vergessen! Frechheit! Immer auf die Kleinen!
"Ich zieh um. Ich werde einfach meine Sachen einpacken und irgendwo anders hinziehen. Sollen sie doch sehen, was sie davon haben! Ha. Jawohl..." grummelte und grunzte sie müde in ihre kleine Decke und war Sekunden später vor lauter Jammerei auch schon eingeschlafen.
Zur gleichen Zeit erhob sich Kommandeur Rascaal Ohnedurst aus seinem Schlummer, denn es war seine liebste Dienstzeit gekommen. Die Nacht.
Er ließ sich behände von seinem Balken herab und bei einem Gähnen blitzten seine spitzen Zähne. Das Gähnen wäre natürlich nicht nötig gewesen, denn er war ja untot. Aber die Macht der Gewohnheit spielte ihm manchmal eben einen Streich.
In der Gestalt einer Fledermaus machte er sich nun auf, die Zwillingsstadt auf seiner Streife von oben zu betrachten. Nun, primär beobachtete er natürlich Dächer; ein geeigneter Platz für stille Beobachter, unlizenzierte Diebe und anderem Abschaum, der zivilisierterem Abschaum an den Kragen wollte. Aber die eine oder andere Auffälligkeit entdeckte man eben auch in dunklen Gassen und so senkte er seine Flughöhe. Nahezu geräuschlos landete er auf dem Ast eines Obstbaumes und krallte sich kopfüber daran fest. Ein bisschen würde er hier warten, ob etwas Spannendes passierte. Oder zumindest etwas Auffälliges. Oder wenigstens etwas, weswegen ihn sein Instinkt hierher gelotst hatte.
Er sollte nicht enttäuscht werden, denn nur kurze Zeit später vernahm er Schwingungen eines Geräusches. Rascaal visualisierte Schritte auf der gepflasterten Straße, Rascheln von Papier, klebriges Matschen von... irgendetwas Klebrigem und Matschigem. Der Kommandeur sah[3] einen Zauberer. Ein kleiner bebrillter Mann, mit spitzem Hut und in Frauengewändern, der hastig einige Plakate und kleinere Handzettel an Häuserwände kleisterte. Er keuchte, als ob er auf der Flucht wäre, laut und aufgeregt. Seine Auswahl an Wänden war willkürlich, die Platzierung der Zettel schlampig. Und schon bald war der Mann wieder verschwunden.
Rascaal manifestierte sich in seiner anderen Form als aufrecht gehender Vampir und begutachtete einen der Zettel aus der Nähe.
"Das Wundermittel steckt im Boden!" las er die verschnörkelte Überschrift, dann weiter:
"Die Forschär an der Unsichtbaren Universität haben herausgefundigt, dass ein Vitamin, das sogenanntigte Vitamin Fünfunddreißig Drölf, essenziäll für jeden von uns sein könnte. Es bringt nachweislich den Körper auf Hochtouringen, macht schön, schlank, lässt Füsse schrumpfen und Haare wachsen. Frauen geniessigen ihre Grünphase länger als gewöhnliglich, Männer werden eine größere Potenz geniessigen und es regt im Allgemeinen die Libiidoo an." Der Kommandeur stutzte und runzelte die Stirn, las dann aber noch den Rest des Handzettels:
"Jeder, der Morgen Nachmittag zur UU kommt und ein Sack dieser vitaminreichen Erde kauft, bekommt eine Hand voll gratis dazu. Ein Kilo Erde, einen AMD. Lassen Sie sich dieses einmalige Angebot nicht entgehen!"
Ohnedurst richtete sich wieder auf und schüttelte irritiert den Kopf. Erde als essenzielles Nahrungsmittel? Sehr ungewöhnlich, dazu noch sehr unglaubwürdig. Er würde diese Angelegenheit im Blick behalten müssen, beziehungsweise würde SUSI diese Angelegenheit im Blick behalten müssen. Morgen würde er Sillybos eine Nachricht zukommen lassen, Ras hatte bei dieser Sache ein komisches Gefühl.

*+++*


Der nächste Tag brachte großen Aufruhr nach Ankh-Morpork. Die Bürger hatten die Plakate entdeckt. Es wäre ungerecht, die Ankh-Morporkianer als leichtgläubig zu bezeichnen, doch in diesem Fall konnte man geradezu von rasender Blindheit sprechen. Als hätten alle nur darauf gewartet und als wäre es ein lang ersehntes Glück, einen Sack Erde nicht sinnlos kaufen zu müssen, sah man Menschen zur UU stürmen, als gäbe es kein Morgen. Die UU hatte wohl noch niemals solch einen Andrang erlebt wie heute.
Bartolome Buckel war fröhlich. Er hatte noch nachts Erde vom Gelände er UU in Säcke abgefüllt und niemand hatte seine Aktion mit den Handzetteln bemerkt. Heute würde sein großer Tag sein. Seine Augen leuchteten als er die Säckchen gegen Scheine eintauschte. Noch waren die anderen Zauberer in ihren Betten, sie standen nie vor Zwölf Uhr Mittags auf, das war gegen ihre Natur. Buckel wusste, dass sie seinen Verkauf missbilligen würden, zumindest zunächst. Aber sein Erfolg würde ihre stumpfen und verstaubten Ansichten lichten, wie ein Waschlappen ihre Haut, die unter einer Schicht von Schmutz steckte. Der Forscher und selbsternannte Entdecker rieb sich erheitert die Hände.
"Buckel!!", und da war auch schon einer von den alten Herren. "Was machst du da?" Seine Stimme überschlug sich vor Zorn.
"Ganz ruhig, alter Freund. Sieh nur, wie sich alle freuen." Er grinste selbst noch, als ihm der Kollege den spitzen Hut vom Kopf schlug.
"Bist du von allen Göttern verlassen? Mach, dass die Leute hier verschwinden, sonst tue ich es auf meine Weise. Hast du das verstanden?"
Bartolome antwortete nicht, sondern holte ein Bündel Geldscheine hervor und hielt es dem Dozenten unter die Nase und sagte dann: "Was denkst du, was man sich davon alles zu Essen kaufen kann?"
Das wirkte. Die Mimik des anderen Zauberers entspannte sich ein wenig. Dennoch sah er Buckel ernst an.
"Na schön, Kollege, ich werde den anderen sagen, dass das was du hier veranstaltest nur eine Ausnahme darstellt, die sich zudem nur auf heute beschränkt. Wenn dem nicht so sein sollte, sehe ich mich gezwungen, eine Versammlung einzuberufen, in der über deine weitere Karriere als Zauberer diskutiert wird. Übertreibe es nicht, du bist gerade erst in den Stand eines Magiers berufen worden. Setze es nicht aufs Spiel." Damit schnappte er sich das Geldbündel und stapfte in Richtung Speisesaal.

Der Ansturm riss nicht ab. Die Leute kauften und kauften und kauften selbst am Abend noch bis tief in die Nacht hinein, es war unglaublich. Viele kamen im Laufe des Tages zurück und überschütteten Bartolome mit Komplimenten und beglückwünschten ihn zu seinem großartigen Erfolg. Alle beteuerten ihm, dass, egal wie sie die Erde einnähmen, sie spüren würden, wie der heutige Tag ihr Leben verändert hätte. Ehen wurden gerettet, Frauen zogen in diesem nicht sehr milden Spätherbst begeistert ob ihrer Figur Kleider an, Kinder prahlten mit ihrer Stärke und versuchten sich gegenseitig im Raufen zu besiegen. Selbst Schnapper, der erst am Mittag sein neues Konzept der Bodenwurst, bei dessen außergewöhnlich niedrigem Preis er sich besonders und mehr als sonst in den Ruin treiben würde, hatte seine Tageseinnahmen verfünffacht. Es war wie ein Volksrausch.
Ein Rausch. So dachte auch Kommandeu Rascaal Ohnedurst argwöhnisch, als er Streifeberichte von seinen Wächtern bekam. Aber war es ein legaler Rausch? Eine Art Plazeboeffekt? Hatten die Leute selber Schuld und sollte er es mit Amusement sehen und abwarten, bis die ersten Konsumenten herausfanden, dass es vielleicht nur eine Art Geldmache war? War es nur Geldmacherei oder steckte wirklich ein Wundermittel im Boden der Unsichtbaren Universität? Der Vampir beschloss, Oberfeldwebel Sillybos zusätzlich zu beauftragen, die Erde zu untersuchen und nachzuschauen, ob man laut Gesetzbuch einen solchen Verkauf nicht verbieten und ahnden sollte.
War Erde überhaupt unschädlich für den Körper...?

*+++*


"Boden. Du meinst also Dreck. Gewissermaßen Sand. Oder besser ausgedrückt Erde. Ich soll Erde untersuchen? Ist das dein Ernst? Weißt du, wo du dich gerade befindest? Sieh mal, diiies iiist ein Laabooor. Weißt du was ein Laaboooor ist? Ein Laabooor ist ein hochgradig speziell ausgestattetes... Ding, womit man alles das tut, was in einer, womit du es wahrscheinlich verwechselst, Gärtnerei nicht getan werden muss." Hauptgefreite Rattenklein war mal wieder in einen ihre zornigen Loghorroeanfälle gerutscht und konnte es nicht fassen, dass ihr Abteilungsleiter mit einer Hand voll Sand vor ihr stand und auch noch erwartete, das sie alles damit dreckig machte.
Sillybos sah sie auf eine Art an, die ihr zu verstehen gab, dass sie sich erstens einmal wieder im Ton vergriffen hatte, es ihm zweitens egal war, ob das Labor dreckig wurde und er drittens ihr Vorgesetzter war. Sie hatte also letztendlich mit einer Faust in der Tasche zu machen und das zu tun, was ihr Job war.
Ratti seufzte. Sie hasste es, nachgeben zu müssen. Aber Sillybos lächelte und nickte trotz ihrem Ausbruch mit einer Spur von Anerkennung.
Nun konnte er sich daran machen, aufzuklären, ob es rechtens war, als Zauberer Erde zu verkaufen, vor allem ohne Lizenz...

*+++*


Drei Tage nach der erfolgreichen Veräußerung der Universitätserde waren die Leute noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Sie begeisterten sich gegenseitig für immer noch mehr positive Eigenschaften des Vitamin Fünfunddreißig Drölf. Vermeintlich hatten alle Menschen, Zwerge, Trolle, und was sich sonst noch in irgendeiner Form für sein Aussehen interessierte, einen gesteigerten Wert an Charisma. Es schien plötzlich keinen peinlichen Achselschweiß oder Körpergeruch mehr zu geben. Die Industrie der bewegten Bilder bekam enormen Zuwachs von ungewöhnlich selbstbewussten Schauspielern. Die Geburtenrate sollte neun Monate später um das dreifache in die Höhe schießen.
Es wurde Unisand gekocht, als Gewürz benutzt, gebraten, gebacken, überbacken, geschmort, gegart, als Beilage gereicht und in Wasser gemischt getrunken. Die gelegentlichen Bauchschmerzen sahen viele als harmlose Nebenwirkung an.
Bartolome Buckel hatte sehr viel Geld eingenommen. Er war in kürzester Zeit ein begehrter Sponsor sinniger und unsinniger Anschaffungen für die Unsichtbare Universität geworden. Immer wieder kamen Bürger an und wollten immer mehr Erde. Jedoch hatte sich das Loch hinter dem Gebäude an jenem Tag in eine regelrechte Baggergrube verwandelt und die anderen Zauberer missbilligten es, noch mehr auszuheben, lieber dachten sie darüber nach, wie man diese riesige Grube in einen Forellensee umbaute.
Buckel ließ sich trotz allem Flehen und Betteln und trotz allen Geldsegens nicht zu einer weiteren Aktion überreden. Sein Beruf stand auf dem Spiel. Jedoch glaubte er an das Vitamin. HEX hatte es ihm bewiesen. Fünfunddreißig Drölf existierte und funktionierte. Die Bürger sollten doch nicht ohne es leben. Das war ganz und gar ungesund. Ja er fragte sich sogar, wie sie die ganze Zeit ohne so gut zurecht gekommen waren. Es musste doch einen Weg geben sein Geschäft wieder zum Laufen zu bringen. Doch für kriminelle Machenschaften war er ganz und gar unfähig. Bartolome wurde zeitlebens gepredigt ein guter Mensch zu werden und so kam er nicht einmal auf die Idee, Pläne zu schmieden, die in einer düsteren Kammer jenseits der dicken Mauern der Hochschule so schnell ausgereift waren, dass selbst Ignaz Grummel es nicht glauben konnte.
Ignaz Grummel war ein Krimineller. Das heißt einer von der Sorte, die schon auf kriminelle Weise geboren worden. Auf kriminelle Weise von kriminellen Eltern in einer Umgebung mit kriminellem Einfluss großgezogen hatte Ignaz nichts als Schandtaten im Kopf und wie man auf möglichst böse und unartige Weise und vor allem gesetzlos an Geld kam. Diese Sache mit der Erde, und dass ein jeder wusste, dass Herr Buckel sie nicht mehr verkaufen konnte, hatte einen Plan in seinem Hirn entstehen lassen. Einen, von dem Grummel überzeugt war, er würde trotz seiner Eile hinreichen. Unglücklicherweise war dieser Verbrecher ein Liebhaber und Kenner von chemischen Substanzen aller Art. Sein Vater hatte es damals für gut befunden, seine Söhne in allem zu schulen, was einmal für eine Karriere als Gesetzesverachter nützlich sein könnte. So hatte Ignaz in kürzester Zeit seine Beziehungen spielen lassen und herausgefunden wie das Vitamin in seiner chemischen Formel aufgebaut war. Er hatte mit Blitzgeschwindigkeit entsprechende Substanzen aufgetan, das meiste davon war schon in seinem provisorischen Labor vorhanden, die anderen Sachen ließen sich leicht auftreiben bei örtlichen Alchemisten. Und das auf überraschend legale Weise; es wurde dabei nur ein Mensch verletzt und seine Frau hatte geringfügig einen Schock erlitten.
"Und das soll es jetzt sein." Der schlaksige Mann mit den irren Augen hielt eine rosa Flüssigkeit in einem Kolben in die Höhe. "Nun muss ich das Zeug nur noch unter die Leute bringen." Ein krächzender Ton kam aus seiner Kehle; vielleicht sollte es ein Lachen sein, vielleicht aber auch ein zufriedenes Grunzen.
Er hatte noch viel mehr von dieser Substanz zusammengebraut. Natürlich nicht so präzise, wie das Original hergestellt wurde. Aber für seine Zwecke, schnell an Geld zu kommen, und dass natürlich durch seine kleinen Unterhändler, würde es schon reichen. Das Gute an einer Karriere als Gesetzesloser war, dass man sich irgendwann nicht mehr die Hände selber schmutzig machte. Somit dauerte es viel zu lange, bis die Stadtwache auf den Fadenzieher kam und er konnte sich ruhig außerhalb von Ankh-Morpork absetzen und warten.
Wenige Stunden später hatte er die Fälschung unter seinen Leuten verteilt. Ignaz hatte sie angewiesen, wie sie die Flüssigkeit so unter Sand mischten, dass es nicht auffiel. Das Gute an der ganzen Sache war, dass keiner fragen würde, warum man nicht einfach das reine Vitamin verkaufte; in Ankh-Morpork war es so, dass es lediglich eine Hand voll Leute gab, die der Chemie mächtig waren. Für die Meisten war es eine undurchsichtige und vor allem teure Angelegenheit. Warum also viel Geld zur Herstellung und für den Kauf der reinen Substanz ausgeben, wenn man durch Sandessen Geld sparen konnte?

*+++*


"Das ist eine Karotte, eine Kartoffel, Hühnerdreck und igitt, Ratti, blutverschmierte Tierhaare. Was soll das?" Sillybos saß blinzelnd an seinem Schreibtisch und blickte auf das Sammelsurium, was die Hauptgefreite da angeschleppt hatte.
"Das, mein Lieber, ist die Zusammensetzung dieses unheimlich tollen Vitamins. Ein Bisschen Gemüse und ein Bisschen Tier. Fünfunddreißig Drölf ist nichts anderes als eine Verar... entschuldigung. Dieser Bartolome Buckel hat den Leuten einen ganz schön großen Bären aufgebunden. Weiß man was Näheres zu diesem Typen?"
"Naja, er ist Zauberer an der UU. Nie aufgefallen. Das ist alles. Außerdem habe ich nichts gefunden, was ihn aufgrund dessen, dass er diese Erde verkauft hat, festnageln könnte. Aber nun... wegen Betrügerei? Ich werde Olga Maria und Laiza zu ihm schicken für eine Befragung. Bis dahin ist erstmal nichts für dich zu tun. Gute Arbeit, Hauptgefreite Rattenklein." Er hob die ausgestreckte Hand an den Kopf und blickte wieder in seine Unterlagen. Damit war Ratti erstmal entlassen. Sie krabbelte den Schreibtisch herunter und marschierte zur Tür. Diese wurde mit einem Schwung aufgerissen und hätte die Gnomin um ein Haar erwischt. Zumindest musste sie zur Seite springen.
Herein kam ein sehr aufgeregter Charly Holm. Er fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum, noch bevor er damit anfing zu erzählen warum er so erregt war. Sillybos nahm es als Salut und blickte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Oberfeldwebel Sillybos! Die Bürger von Ankh-Morpork rasten aus!" ereiferte sich der Lance-Korporal, "Sie sind alle völlig aufgebracht. Es heißt die Erde würde nicht mehr wirken. Man munkelt, sie würde schlagartig gegen... Du-Weißt-Schon-Was... wirken. Es stehen mindestens zehn Leute vor der Wachetür und haben Anzeige erstattet."
"Gegen Buckel?" fragte Ratti.
"Nein, das ist es ja gerade, sie wissen nicht gegen wen. Aber alle sagen, dass >diese andere Erde< nicht das gleiche sei und regen sich furchtbar auf! Manche sind ganz grün im Gesicht und ich glaube, einer hat sich übergeben. Sie behaupten, dass ihre Kinder von heute auf morgen krank geworden sind und..."
Er wurde von seinem Abteilungsleiter unterbrochen: "Erst vier Tage ist es her, dass dieser Zauberer mit dem Mist angefangen hat und schon gibt es irgendeinen, der diese... diese... diese Geophagie ausnutzt! Es ist doch immer wieder erstaunlich..."
"Dann haben wir jetzt einen echten Fall", bemerkte die Lady, "denn Fälschen und womöglich Körperverletzung ist kriminell."
"Mich verblüfft immer wieder diese Skrupellosigkeit von diesem Abschaum. Sucht, Begierde auf völlig harmlose Dinge, Sammelwahn, so auszunutzen!" erboste sich Sillybos immer mehr, er ballte die Fäuste und sagte an die beiden Wächter gewandt:
"Ihr beide habt Arbeit."

Wenig später fanden sich Ratti und Charly in einem Wuling von Leuten wieder, die alle etwas anderes behaupteten, was diese angeblich falsche Erde anging. Die einen sagten, man könne es bei Schnapper kaufen, die anderen behaupteten, es nur unter der Hand bekommen zu können, und am meisten hörte man die Bürger hier und da von dem fehlenden Du-Weißt-Schon-Was in ihrer Beziehung tuscheln.
Die beiden Wächter hatten letztendlich in stundenlanger Arbeit drei verwaschene Profile von möglichen >Dealern< und eine Probe von dem gefälschten Sand ergattert.
"Charly, kümmerst du dich mit jemandem um die Typen? Ich werde ins Labor gehen du das hier untersuchen", schlug die Hauptgefreite Rattenklein vor, Charly Holm nickte und machte sich an die Arbeit. Er nahm Olga Maria mit und schickte Laiza alleine zu Bartolome Buckel.
"Wenn es von zehn Opfern schon drei Täterprofile gibt, dann stellt sich dieser Fälscher aber nicht sehr geschickt an", bemerkte Olga, als die beiden Wächter an der neuen Vorfahrtsbestimmungsanlage an der Messingbrücke vorbeikamen.
"Nun sie dir diesen Unfug an", wetterte Charly; er hatte diese neueste Errungenschaft der Verkehrsbehörde erst gestern entdeckt. Olga sah ihn irritiert an.
"Wofür solche eine Anlage wohl gut sein soll? Die wird doch eh wieder nach einem Monat abgerissen. Genauso wie diese >Klatschianischen Berge< von letztem Jahr, als Geschwindigkeitsverminderungsbuckel angepriesen. Ts ts ts. Geldverschwendung."
"Könnten wir zu dem Fall zurückkehren?" fragte Olga. Sie hatten sich in Zivil auf den Weg gemacht, um eventuell möglichst schnell an einen Erdeverkäufer heranzukommen.
"Was? Oh ja, natürlich. Eigentlich sind wir schon am Bestimmungsort. Denn hier, so hat einer der Befragten gesagt, würde man recht leicht an das Zeug kommen."
"Sieh mal dort." Die Gefreite zeigte auf eine ramdösig dreinblickenden, schmuddeligen jungen Kerl, der ganz offensichtlich auf irgendetwas wartete. Denn er blickte sich dann und wann gehetzt um. Die beiden Wächter konnten aus sicherer Entfernung beobachten, wie nach einigen Minuten eine dicke Frau die Querstrasse entlanggelaufen kam und den Mann offensichtlich erkannte, denn sie ging geradewegs auf ihn zu und fuchtelte ungeschickt mit Dollars herum. Der Wartende fasste sich an die Stirn und dann nach der Hand der Frau, um ihr Einhalt zu gebieten. Sie flüsterten kurz miteinander, dann griff er unter seinen Mantel und holte ein kleines Säckchen hervor.
"Jetzt. Schnell!" wisperte Charly und die beiden Tatortwächter liefen auf den Dealer zu. Der erblickte sie, schmiss den Sack auf den Boden, der daraufhin auseinanderplatzte und den Boden mit einem Häufchen Sand bedeckte. Er versuchte wegzulaufen, aber durch die anderen Säcke die unter seinem Mantel versteckt waren und die ihn behinderten, konnten die beiden Verfolger ihn leicht einholen.
"Verdammt noch mal!" fluchte er, "So eine Schnapsidee konnte ja auch nicht gut gehen!"
"Ja und damit du nun besser davon kommst bei der Verurteilung wegen Mithilfe zur Körperverletzung und sicherlich auch noch ein paar anderen Dingen, kannst du uns jetzt sagen, wer der Kopf hinter dieser nicht allzu brillanten Idee war."
Aber der Kerl hielt seinen Mund.
Auf der Wache war es nicht üblich jemanden zu foltern. Es gab jedoch viele, viele andere Möglichkeiten, jemanden zum Sprechen zu bringen. Durch die großartige Mithilfe von Wacheigenen Püschologen sah man, wie so oft, den kleinen Helfer weinen und wenig später auspacken. Er erzählte von Ignaz Grummel, der sich bedauerlicherweise heute Morgen aus der Stadt gemacht hatte. Er sagte, dass Ignaz Monate später wiederkommen wolle, um sein restliches Geld einzusammeln. Aber dass er im Grunde ihn überhaupt nicht kannte und es folgten die üblichen dummen Phrasen dieser Zukunftslosen und das wimmernde bedauernswerte Versprechen als Lockvogel zu dienen wenn es so weit wäre. Somit wurde er zunächst in eine Zelle gesperrt, in welche wenige Tage später noch andere von seiner Sorte gesteckt wurden. Sie alle waren blöderweise noch dümmer gewesen, als ihr vermeintlicher Boss.

*+++*


"Nein, ihm kann man im Grunde nichts nachweisen. Ich denke, es reicht, dass er einen gehörigen Schock bekommen hat und von der Uni geflogen ist", meinte Sillybos. Er sprach von Bartolome Buckel, der, als er die Wächterin zu Gesicht bekam, ohne große Umschweife seine ganze Geschichte dargelegt hatte. Er hatte bitterlich geweint und wurde kurz nach der Befragung zu einer großen Besprechung gerufen, in der man festlegte, dass es zu weit ginge, Wächter wegen eines Kollegen in der Universität zu haben. Er wurde seines Titels entledigt und vor die Tür gesetzt.
"Und dieser Ignaz?" fragte Ratti und wischte sich die Hände an einem schmutzigen Tuch ab. Ihr Abteilungsleiter war zu ihr ins Labor gekommen, um zu erfahren, was diese Fälschung für ein Zeug war und um ihr zu erzählen, dass sie einige Unterhändler geschnappt hatten. Rattenklein hatte herausgefunden, dass es sich bei der anderen Substanz um eine Leichte Abwandlung des vermeintlichen Vitamins handelte, die aber schwere Potenzschäden hervorrief [4] und außerdem die Magenschleimhaut angriff. Es war glücklicherweise nichts tödlich Giftiges daran.
"Naja, er wird wegen gefährlicher Körperverletzung drankommen. Leider können wir außerhalb von Ankh-Morpork nicht die Verfolgung aufnehmen. Ich habe in alle näheren Orte eine Brieftaube mit einer Warnung geschickt und mit der Bitte, bei Verdacht tätig zu werden. Aber wie es immer so ist. Im Grunde können wir nur warten, bis er zurückkommt und versucht, seine Leute zu kontaktieren. Sie haben Kooperation versprochen."
"Daran glaubst du doch selber nicht, Oberfeldwebel. Es hat sich wie immer herausgestellt:
Die Welt ist voller schlechter Leute mit ganz ganz schlechtem Geschmack. Und nun...", sie grinste hämisch, "darf ich dich auf eine von Schnappers Bodenwürstchen einladen?"



[1] Wie er das so einfach geschafft hat, wollt ihr wissen? Meine Güte muss man denn alles erklären? Na gut, ...es trug sich zu, dass dieser kleine unscheinbare Mann ... ach wisst ihr was: wir sprechen bei nem Bierchen mal drüber.

[2] Immerhin traf man dort zu jeder Tageszeit die meisten Zauberer.

[3] Um den geneigten Leser nicht noch mehr zu verwirren; natürlich können Fledermäuse nicht sehen. Jedoch möchte ich mit "sehen" verdeutlichen, was Ohnedurst durch Ultraschall vor seinem inneren Auge wahrnahm.

[4] Ja es gab leider Tierversuche... an Hasen.

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Breda Krulock

01.01.2007 15:14

Eine an sich sehr schöne Grundidee, nur leider ist bei dir der Schluss etwas abhanden gekommen. Da ich den Grund kenne, sag ich nur eines: Die nächste wird wieder geil :evilgrin:

Von Ophelia Ziegenberger

04.01.2007 21:21

Deine Geschichte baute auf den nicht ganz nachvollziehbaren, typisch scheibenweltlerischen Verhaltensweisen der Bewohner Ankh-Morporks auf, was amüsant zu lesen war. Während die bunte Mischung von Personen sich zum Konsum des vermeintlichen Drecks verführen ließ, bildete deine Hauptfigur einen relativ bodenständigen Gegenpol. So waren die Elemente der Geschichte gewissermaßen ausgeglichen - mit einem wissenschaftlich arbeitenden Zauberer als verbindendem Dreh- und Angelpunkt. Leider empfand ich allerdings nichts an der Geschichte als spannend, so dass es mich zum Mitfiebern verleitet hätte. Der Plot war absolut gradlinig angelegt und dadurch nach den ersten Sätzen schon vorgezeichnet. Es gab keine Überraschungen. Das abschließende Abstempeln der Helfershelfer in eine Gruppe dümmlicher Figuren ein und der selben Sorte wirkte unbeholfen und unfertig.



Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen erfüllt.

Von Lady Rattenklein

10.01.2007 12:06

Tja, du hast recht. Über 50% der Story hab ich in einem nicht sehr positiven Zustand geschrieben und das auch noch innerhalb von max 2 Stunden. Ich habe ernsthaft überlegt ob ich das Zeug überhaupt abgebe, aber wie gesagt, im Nachhinein tut es mir eigentlich nur für SUSI leid, die keinen Jahrespokal abstauben konnte. Mich hat es zu dem Zeitpunkt wo ich den Schluss geschrieben habe auch nicht wirklich interessiert, deswegen war er so grottig. Aber gut, die nächste wird besser :)

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