Das Schwert und Ich

Mimosa und einige ihrer Mitrekruten standen im Hof des Grund- Ausbildungszentrum und warteten- mehr oder weniger begierig- auf das Erscheinen ihrer Ausbilderin. Der Boden war schlammig vom vornächtlichen Regen, die Rüstungen waren zu groß, zu schwer und behinderten die werdenden Wächter, mit anderen Worten: die idealen Bedingungen für die allererste Schwerttrainingsstunde.
Endlich erschien ihre Ausbilderin und trat unterdrückt fluchend und auf den "laufigen Papierkram" schimpfend auf sie zu.
Metallhelme schepperten mehr oder weniger synchron, als die Wächter in Ausbildung salutierten. Rogi salutierte ebenfalls und nickte gnädig.
"Fön, alle da. Rekrut Fuerdiekatf! Dort hinten fteht eine Kifte voller ftumpfer Fwerter. Rüfte jeden Rekruten mit einem auf!"
Arton nickte und salutierte hastig, als ihm Rogis Stirnrunzeln auffiel.
"Ja, Mädm!"
Nachdem alle angehenden Wächter standesgemäß ausgestattet waren, begutachteten sie unter Zuhilfenahme der vorhandenen oder auch nicht vorhandenen Vorkenntnisse skeptisch ihre Trainingsrequisiten und um einiges interessierter ihre Mitwächter.
Mimosa verzog das Gesicht und schielte zu ihrem Nachbarn hinüber. Lobito hielt das Schwert lässig in der Hand und gab sich, als wäre es schon immer dort gewesen.
Unsicher warf sie einen Blick auf ihre eigene Waffe. Es war das erste Mal, dass sie ein Schwert in der Hand hielt. Dolche, Messer und alles was man werfen konnte waren ihr vertraut, doch ein Schwert war in den engen Gassen von Ankh- Morpork eher hinderlich. Bis man es endlich gezogen und dann auch noch damit ausgeholt hatte, war man schon dreimal gestorben.
Außerdem waren die Dinger doch eh viel zu schwer. Und zu lang. Und viel zu schlecht ausbalanciert. Und zu unhandlich. Und...
"Rekrutin Mimofa! Gibt ef ein Problem?"
Mimosa schluckte.
"Nein Mädm!"
Sie versuchte zu salutieren, aber es erwies sich als überraschend schwierig das Schwert mit nur einer Hand zu halten.
"Dort unten im Flamm wird ef dir keine grofe Hilfe fein!"
Mimosa seuftze und hob ihr Schwert wieder auf. Sie beugte sich nach hinten, um das Gewicht auszubalancieren. Aufkeimendes Gekicher verriet ihr, wie albern sie aussehen musste.
"Rekrutin Mimofa! Feig umf deine Fertigkeiten doch dort an der Übungfpuppe!"
"Ja Mädm!"
Auch das noch! Sie schaffte es zwar, mit dem Schwert in beiden Händen zu der Strohpuppe hinüberzuwanken, ohne auf dem rutschigen Boden auszugleiten, aber kaum hatte sie dieses Problem gemeistert, baute sich ein noch viel unüberwindbareres vor ihr auf: Wie sollte sie das Schwert hoch genug halten, um damit die Strohpuppe anzugreifen (die ja noch nicht mal zurückschlug)?
Augen zu und durch, dachte Mimosa, hob das Schwert so hoch sie konnte und ließ es auf den wehrlosen Strohmann niedersausen.
Schlamm spritzte über ihre Stiefel, als das Schwert schlussendlich den Boden traf.
Rogi bückte sich und hob etwas auf.
"Weift du, waf daf ift?"
"Äh, ein paar Strohhalme?... Mädm!"
"Und weift du auch, waf daf eigentlich fein follte?"
Mimosa seufte innerlich.
"Ein Strohkopf, nehme ich an, Mädm."
Rogi schnaufte abfällig.
"Der nächfte!"
Wenigstens konnte Mimosa jetzt zuschauen, wie sich die anderen blamierten, doch im Großen und Ganzen hielten sie sich gut. Dann kam die Reihe wieder an sie.
"Nachdem du gefehen haft, wie man ef macht, ift der zweite Verfuch hoffentlich erfolgreicher!"
Grimmig trat Mimosa ihrem neuesten eingeschworenen Erzfeind gegenüber, der sie aus eiskalten, erbarmungslosen schwarzen Kohleaugen anstarrte- und überlegte sich etwas anderes.
"Mädm, was ist der eigentliche Zweck dieser Übung?"
"Na waf wohl. Futf der eigenen Perfon und Futf der Bürger, wenn du fie verteidigen muft."
"Na denn..."
Sie ließ das Schwert fallen und trat blitzschnell vor und wieder zurück.
"Und waf follte daf nun..."
Die Strohpuppe zerfiel in mehrere Teile, da alle Riemen ihre vorher innige Beziehung dank Mimosas Dolch aufgegeben hatten.
"Nette Arbeit, aber ein Wächter muf auch mit dem Fwert umgehen können."
"Aber Rekrut Keule darf auch eine Keule benutzen," wagte Mimosa Einspruch zu erheben.
Rogi grinste.
"Wenn du lieber eine Keule hätteft..."
"Ein leichteres Schwert würde mir schon reichen, danke Mädm!" versicherte Mimosa ihr hastig.
"Außerdem hatten Sie selbst gesagt: Hauptsächlich sollen wir die Bürger und uns selbst beschützen. Und dabei kommt es doch nicht auf die Waffe, sondern die Wirkung an, oder?"
"Du glaubft wirklich, daf du mit einem Dolch einen Fertkämpfer befiegen kannft?"
Mimosa sah sich hilfesuchend um. Die übrigen Rekruten beobachteten das unverhoffte Schauspiel zwar interessiert, doch sie glaubte nicht, dass sie einer unterstützen würde.
"Nun, auf so einem großem freien Platz sicher nicht, aber wo gibt es in Ankh- Morpork schon große freie Plätze. Normalerweise wimmelt es von Lebewesen. Und ich würde mein Leben eher einer Waffe anvertrauen, die ich kenne und gut beherrsche, als einer, die ich kaum tragen kann!"
Rogi dachte nach.
"Also fön! Rekrut Fweifel! Vorgetreten!"
Lobito trat vor seine Ausbilderin.
"Rekrutin Mimofa, da haft du deine Chance deine Kampffähigkeiten fu beweifen!"
Die übrigen Rekruten bildeten einen Kreis um Lobito und Mimosa.
Lobito stand ruhig, ein leichtes Grinsen lag auf seinen Lippen, und er hielt sein Schwert lässig mit der rechten Hand. Mimosa hielt in beiden Händen je einen Langdolch. Ihr standen ein paar Schweißperlen auf der Stirn. Langsam umkreisten sich die Kontrahenten. Lobito Klingenspitze malte kleine Kreise in die Luft, während er geschickt auf dem rutschigen Boden balancierte. Mimosa stand leicht geduckt, um ihren Körperschwerpunkt niedrig halten und so besser im Gleichgewicht zu sein. Mit abgewinkelten Ellbogen hielt sie die Dolche vor den Körper. Ohne Vorwarnung zuckte ihre linke Hand in Richtung von Lobitos Gesicht, doch bevor er noch sein Schwert hochreißen konnte, hatte sie schon einen Ausfallschritt nach rechts gemacht, seine Deckung durchbrochen und stand jetzt seitlich hinter ihm- den Dolch in ihrer rechten Hand auf Höhe der Niere an seine Seite gedrückt. Lobito stand steif wie ein Brett und schluckte hart.
"Äh, ich... gebe auf?" fragte er zögerlich.Mimosa entspannte sich und trat ihm wieder gegenüber, behielt ihn aber scharf im Blick.
Rogi nickte. "Du feintft wirklich mehr Talent für Kurfwaffen fu haben. Das befreit dich allerdings nicht von der Notwendigkeit, ein Fwert handhaben fu können."
Endlich steckte Mimosa ihre Dolche wieder weg. Sie brauchte ihre freien Hände auch, denn Rogi streckte ihr ein neues Schwert entgegen- diesmal allerdings ein leichtes Kurzschwert.
"Glaubft du, daff du damit beffer furechtkommft?"
Mimosa nickte ergeben. Es schien ihr ja ohnehin nichts anderes übrig zubleiben.
Der Rest der Stunde lief allerdings mit der neuen Waffe etwas leichter ab.
Müde und ausgelaugt schlurften die Rekruten am späten Nachmittag in das Wachhaus zurück. Mimosa wollte nur noch ein Bad und ins Bett, doch da stupste sie Sayadia von hinten an.
"He, glaubst du, du könntest mir diesen Dolchhieb von vorhin beibringen?"
Der Tag schien also doch nicht so unnütz gewesen zu sein.