Die Schildwächter

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von Gefreite Olga-Maria Inös (SUSI), Oberfeldwebel Sillybos (SUSI), Chief-Korporal Rea Dubiata (SEALS), Obergefreiter Herr Made (SUSI), Korporal Laiza Harmonie (SUSI)
Online seit 21. 11. 2006
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Nach dem Umbau des Wachhauses im März bricht das Chaos aus. Aber daran ist nicht nur die Umstrukturierung der Architektur schuld...

Für diese Mission wurde keine Note vergeben.

Rea Dubiata

Ein feiner, hauchzarter Nebel hing in der Luft. Der Himmel war grau und düster und man konnte bereits fühlen, dass es regnen würde, wenn nicht jetzt, dann in einer Stunde. Der Nebel kroch durch die Ritzen der Türen und Fenster auch in die Häuser hinein und verbreitete eine kühle, klamme Atmosphäre in Ankh-Morpork, gerade als die Turmuhren begannen, Mittag zu schlagen.
Durch den Nebel, der sich in den Mobilien leicht hellblau und türkis färbte schritten zwei Gestalten und der Nebel trug ihre Stimmen weiter als gewöhnlich.
"Eigentlich ist es Zeitverschwendung", sagte die eine Person. "Bei dem Wetter jagt man doch keinen Hund vor die Tür. Es ist eiskalt und das sage immerhin ich! Ich trage 6 Unterröcke!"
"Ja Ma'am, viel zu kalt", sagte die zweite Gestalt, offenbar nicht erpicht darauf, weitere Details über die Garderobe ihrer Begleitung zu erfahren.
"Was ist das für ein Laden, Anette?", fragte die erste Gestalt nach kurzem Schweigen. "Kenn ich gar nicht, muss neu sein..."
"Der sieht aus als stünde er hier schon ewig", erwiderte Anette und zuckte die Schultern. "Meinst du, wir sollten mal reingehen, nachfragen wie es so läuft?"
Die zweite Frau nickte. "Ja, das meine ich." Sie betrachtete noch einmal das chaotische Schaufenster. Es schien, als hätte dieser Laden alles feil zu bieten. Ein ausgestopftes Krokodil das eine Federboa trug hing gleich neben einer zerbeulten und verrosteten Kinderrikscha, ein Spielzeug, das vor zwanzig Jahren mal der letzte Schrei gewesen war. Ein großer Messingkelch war mit Zahnbürsten und Stoffblumen vollgepfropft und eine Kollektion der wohl hässlichsten Teetassen der Scheibenwelt war auf einem Regalbord ausgestellt.
Die beiden Wächterinnen betraten den Laden und ein Zwerg hinter dem Tresen sah sie grimmig an, als ob es eine Unverschämtheit wäre dass jemand seinen Laden betrat.
"Sie wünschen?", fragt er in einem genervten Tonfall.
"Stadtwache Ankh-Morpork", sagte die größere der beiden Frauen, Anette, eifrig. "Wir wollten nur mal nach dem rechten sehen. Sie wissen schon, mal nachfragen wie es so läuft, mit den Bürgern in Kontakt kommen! Damit uns Ankh-Morpork als Freund und Helfer akzeptiert und nicht vor uns wegläuft. Damit sie sich an uns wenden können wenn mal was ist und sie wissen dass wir immer für sie da sind, Tag und Nacht! Wir wollen Verbrechen verhindern, nicht erst danach eingreifen - das nennt man übrigens Prä-vän-zion! Und daher brauchen wir Ihre Mithilfe, damit wir wissen dass hier alles in Ordnung ist. Alles in Ordnung bei Ihnen?"
Ein Loch klaffte auf einmal im Bart des Zwerges als sein Kiefer nicht mehr schließen wollte. Die kleinere Frau griff sich an den Kopf. "Ist das der Päpp Toak den ich gestern gehalten habe?", fragte sie.
"Ja Ma'am," erwiderte Anette mit vor Stolz geschwollener Brust. "Wort für Wort. Bis auf den letzten Satz, versteht sich."
"Was meine Kollegin sagen will...", sagte die Kleinere wieder und lehnte sich ein wenig über den Tresen während sie sich mit der rechten Hand daran abstützte, "ist, wie es denn so läuft. Sie haben gerade erst eröffnet?"
"Nein, mein Geschäft war schon immer hier", er deutete auf ein Schild an der Wand, auf dem in großen Lettern "Anno Schnee" stand. "Sonst noch was?"
"Das ist ein schönes Schild", sagte der Lance-Korporal und lächelte. Schöne Schnitzereien. Woher kriegt man sowas?"
Der Zwerg grunzte missbilligend, antwortete dann aber doch. "Hab noch eins auf Lager. Willste?"
"Schnitzen sie auch den Namen rein?", fragte der Lance-Korporal.
"Wenn's weiter nichts ist, macht dann 1.50 AM-$", grummelte der Zwerg. "Was soll'n drauf stehen?"
"Rea Dubiata -Absatz- Stellvertretende Abteilungsleiterin -Absatz- SEALS", sagte der Lance-Korporal, hielt dann aber inne als sie sah was der Zwerg sich auf einem Zettel notiert hatte. "Das 'Absatz' bitte nicht draufschreiben. Ich will nur, dass dann ne neue Zeile anfängt."
Der Zwerg nickte. "Zwei Minuten bitte... und nichts anfassen", sagte er, während er hinter einer Tür verschwand.
"Und du willst mir wirklich nicht verraten, wie das Igellied geht, Ma'am?", fragte Anette und sah ihre Vorgesetzte fragend an, anscheinend mehr, um die Stille zu überbrücken, die in diesem chaotischen Laden aggressiv zwischen den Wänden hin und her schallte.
"Nicht hier, nicht jetzt", sagte Rea und brachte ihre Kollegin, die gerade neu ansetzen wollte mit einem Stirnrunzeln zum Schweigen.
Es dauerte eine Weile, dann kam der Zwerg mit dem fertigen Schild aus dem Raum. Der Lance-Korporal zahlte und beide Wächterinnen verließen den Laden.

Herr Made stand nachdenklich in seinem Schrank. Er musste etwas ändern, hier oben, im erster Stock war es einfach zu warm, zuviel Sonne kam durch die Fenster und die Luft war zu feucht. Seitdem Jack auch immer seltener im Wachhaus übernachtete war es auch so leise geworden. Herr Made hatte zwar nichts gegen Ruhe, aber zuviel davon störte ihn dann doch wieder. Nein, es war Zeit, umzuziehen. Nur wohin? Er hatte schon mit seiner ehemaligen Kollegin Rea Dubiata gesprochen, die ihm versprochen hatte, mit dem Troll Scoglio zu sprechen, der ihm beim Tragen des Schrankes helfen würde. Er hatte also freie Auswahl. Und natürlich kam nur der Keller in Frage, denn Hitze im restlichen Gebäude war nicht gut für seine zarte, untote Haut.
Der Keller also, doch eine der Zellen wäre sicherlich eine ungünstige Wahl. Erstens hatten sie schon ziemlich wenige [1] und zweitens standen die Aussichten, dass jemand mal die falsche Zellentür erwischte, ziemlich gut. Das RUM-Büro war auch nicht so sein Ding, was hatte er in dieser Unterabteilung von SUSI zu suchen? Von diesen Stümpern würde er nur mit Fragen gelöchert werden.
Die Waffenkammer war natürlich eine Alternative, doch dort herrschte solch ein Durcheinander, dass man sich schnell mal ein Auge ausstach wenn jemand achtlos das Licht löschte ohne zu bedenken, dass noch jemand im Raum sein könnte.
Doch das Archiv... das Archiv war gut, es war dort trockener als im restlichen Wachhaus und es wurden immer wieder Rekruten auf Erkundungstouren durch den endlosen A-Raum geschickt. Das Archiv war eine gute neue Wohnstätte und ihm gefiel der Gedanke, sich dort einmal nach alten neuen Konzepten für Waffen umzusehen.
Kaum hatte er das gedacht, klopfte jemand an seine Schranktür.
"Ich Herr Made suchen", sagte Scoglio.

"Danke Chi", sagte Rea und lächelte den Vampir freundlich an.
"Schöne Schnitzeleien, Ma'am", sagte Gefreiter Chi Petto anerkennend. "Wulde auch Zeit das Sie ein Schild bekamen. Kann mil gal nicht elklälen walum del Obelfeldwebel Ihnen keins hat zukommen lassen."
"Ach, ich werd's ihm in Rechnung stellen, Chi. Danke nochmal für die Hilfe, ich bin handwerklich so ungeschickt." Der Lance-Korporal sah das fachmännisch befestigte Türschild an der Tür zu ihrem Büro noch einmal prüfend an. "Nun, da sind noch einige Bilder im Bereitschaftsraum, wenn du die auch noch aufhängen könntest, wo du gerade dabei bist?"
Der Achatener seufzte und nickte dann. "Sofolt, Ma'am."
"Gut, danke." Rea sah dem Gefreiten nach der in Richtung Bereitschaftsraum davon schlurfte, stemmte dann die Arme in die Hüften und betrachtete ein wenig stolz ihr neues Türschild. Jetzt endlich wussten die Leute, wohin sie gehen mussten.
Andächtig öffnete sie die Tür und trat in ihr Bü-
sie drehte sich um. Ihre Bürotür war verschwunden und zu allem Überfluss befand sie sich nicht in ihrem Büro. Es war duster in dem Raum in dem sie sich befand. Nur einige Oberlichter ließen die rötliche Morgensonne durch und tauchten Reas neue Umgebung in ein gespenstisches Licht.
Der wohlbekannte Geruch von Formaldehyd stieg dem Lance-Korporal in die Nase und sie erkannte, dass die Wände gekachelt waren. Einige Bahren standen herum, auf einer lag sogar noch eine bereits mumifizierte Leiche, der Brustkorb noch geöffnet. Das mottenzerfressene Leichentuch war lieblos über den Unterleib des Mannes geworfen worden und der dicke Staub auf dem Boden dämpfte ihre Schritte als sie zu den Aktenschränken ging, die umgeworfen am anderen Ende des Raumes lagen. Vorsichtig öffnete sie einen, er war gefüllt mit Akten. Aus einer ihrer Taschen holte sie zwei weiße Handschuhe hervor, zog sie über und nahm wahllos eine Akte heraus. Sie war über fünfzig Jahre alt und behandelte den Tod einer Frau, die gestürzt zu sein schien, jedoch an einer Vergiftung durch Belladonna gestorben war.
Zweifelsohne befand sich Rea in einer ehemaligen Pathologie. Sie konnte nicht im Wachhaus sein, Rea kannte die Pathologie im Wachhaus - sie lag im ersten Stock, doch wo war sie dann? Ängstlich drehte sie sich einmal um ihre eigene Achse und suchte nach einer Tür nach draußen. Tatsächlich, eine große, zweiflügelige Metalltür schmiegte sich zwischen die Kacheln. Rea hastete darauf zu und versuchte die Türen aufzustoßen, doch sie rührten sich nicht. Kurz entschlossen warf sie sich dagegen. Es tat einen fürchterlichen Schlag - offenbar waren die Türen gegen etwas geprallt, einen Schiebebalken wahrscheinlich. Noch einmal warf sie sich gegen die Tür und stieß dabei einen spitzen, Trommelfell zerreißenden Kampfschrei aus. Die Tür gab nicht nach. Düstere Erkenntnis breitete sich in Reas Bewusstsein aus. Sie würde hier nie wieder herauskommen. Mit dem Rücken zur Tür rutschte sie hinunter auf den Boden und starrte an die Decke. Was war nur passiert?

Herr Made

"Vorsichtig! Vorsichtig!", rief Herr Made während Scoglio verzweifelt versuchte, den Schrank des Gerichtsmediziners in den kleinen Leichenaufzug zu bugsieren, was sich als nicht so einfach erwies. Eigentlich war der Aufzug wirklich nur zum Transport von Leichen gedacht, aber da es wesentlich länger dauern würde, den Schrank über die Treppen nach unten zu tragen, auch mit Hilfe eines Trolles (ganz zu schweigen von dem Stau, der dabei entstehen würde), hatte sich Herr Made entschieden, den Leichenaufzug zu benutzen. Wenn eine Bahre in den Aufzug passte, müsste der Schrank doch auch passen. Und solang keiner seiner Vorgesetzten etwas davon erfuhr...
Allerdings war der Schrank doch größer als so eine Bahre.
"Das nicht passen, Herr Made", gab Scoglio schließlich von sich, nachdem er versucht hatte, den Schrank quer in den Aufzug zu schieben.
"Du musst den auf die Seite legen und hochkant reinschieben, du... Du Troll!", rief Herr Made
"Ach so."
Schließlich war der Schrank im Aufzug verstaut, auch wenn dadurch der meiste Lack vom Holz abgesprungen war und die Rückwand einen gefährlichen Riss aufwies.
Herr Made ließ den Aufzug nach unten fahren und er und Scoglio rannten in Windeseile die Treppe in den Keller hinunter.
Im Erdgeschoss sahen sie zwei SEALS mit einer Bahre, die schon eine ganze Weile auf den Aufzug warteten und ihn gerade an sich vorbei in den Keller hatten fahren sehen... Mit einem Schrank darin.
Unten im Keller versuchte Scoglio nun, den Schrank wieder aus dem Aufzug zu bekommen, was noch mal etwa fünf Minuten in Anspruch nahm. Im Endeffekt wäre es wohl doch schneller gewesen, zu Fuß zu gehen, überlegte sich der Zombie.
"Wohin den Schrank nun?", fragte Scoglio.
"Ins Archiv", sagte der Gerichtsmediziner und zusammen gingen der Troll und der Zombie in die erhabenen Hallen des Archivs. Nunja, vielleicht nicht unbedingt erhaben sondern eher staubig, und gefüllt mit Regal um Regal vergilbter Akten. Aber dafür kühl und trocken.
Hier wurde wirklich alles aufbewahrt, was jemals in der Wache an Schriftstücken angefallen war, und war es auch nur die Röhrenpost eines Abteilungsleiters an einen Untergebenen, dieser möge ihm doch einen Kaffee bringen.
Herr Made und Scoglio brauchten eine gewisse Zeit, bis sie einen Platz gefunden hatten, wo sie den Schrank hinstellen konnten, ohne dass er einen der wenigen Durchgänge oder den Zugriff auf einen der Aktenschränke blockierte. Doch schließlich fanden sie einen Platz. An der Stelle, wo die Logik und Einrichtung des Archiv einen der Aktenschränke gefordert hätten, war keiner, ein Loch in der sonst absolut effizienten und jeden Platz ausfüllenden Aktenmasse. Dieses Loch war genau richtig für Herrn Mades Schrank.
"Ich nun gehen kann?", fragte Scoglio nachdem er den Schrank richtig in die Lücke zwischen den anderen Schränken geschoben hatte. Sein Verstand fühlte sich, aufgrund der Kälte und der Tatsache, dass er mit keiner der Akten um ihn herum auch nur das Geringste anfangen konnte, recht dumm.
"Ja, klar, danke noch mal für deine Hilfe!", meinte Herr Made und betrachtete stolz seinen Schrank an seinem neuen Standort. Hier fühlte er sich wohl, soviel Wissen, soviel, was er lernen konnte... wo in dem Archiv wohl die Einträge über Waffen waren...?
Aber die Erkundung des Archivs konnte auch noch warten, entschloss Herr Made. Erst einmal wollte er nachsehen, ob im Schrank denn auch alles heil geblieben war. Und danach musste er auch noch sein gesamtes Zeug aus der 1. Etage hier runter schaffen...
Er nahm eine Laterne von der Wand und schritt in seinen Schrank.

***


Sillybos war auf der Suche. Er war auf der Suche nach demjenigen, der dafür verantwortlich war, dass zwei SEALS ihn gerade beim Baden gestört hatten, und das nur, weil sie sich beschweren wollten, dass jemand den Leichenaufzug blockiert hatte. Er war sehr wütend, denn er legte großen Wert auf sein tägliches Bad und nun suchte er nach dem, der ihm dieses streitig gemacht hatte. Und er wusste schon, wer es war. Es gab nur einen in seiner Abteilung, der einen großen, massiven Schrank besaß und auf die Idee kommen würde, ihn mit dem Aufzug zu transportieren. Jetzt musste er ihn nur noch finden. "MADE!!"
Auf der Treppe zum zweiten Stock stieß er fast mit Scoglio zusammen.
"Scoglio! Weißt du, wo Herr Made ist?"
"Ja. Ich ihm gerade runtergebracht habe sein Schrank in den Raum mit den vielen Zetteln."
Das Archiv also. Nun wusste er, wo er nach dem Übeltäter suchen musste. Wutschnaubend ging der Abteilungsleiter in den Keller und Richtung Archiv.

***


Die Inneneinrichtung des Schrankes war noch heil geblieben, allerdings war der gerahmte Platinbolzen, den ein Freund ihm geschenkt hatte, von der Schrankwand gefallen und der Rahmen war zerbrochen. Nichts, was man nicht auch wieder reparieren könnte.
Zufrieden öffnete Herr Made die Schranktür um wieder nach oben zu gehen. Er schaut hinaus und verharrte, die Tür noch immer geöffnet. Er strich sich über seinen blanken Schädel und wunderte sich, denn was er vor sich sah war mit Sicherheit nicht das Wachearchiv.
Es war ein düsterer Raum, die Wände gekachelt und nur schwach beleuchtet vom Licht der Oberleuchten an der Decke. Drei Seziertische standen im Raum, auf einer lag eine halbabgedeckte, vollkommen verweste und aufgeschnittene Leiche. An einem Ende des Raumes lagen ein paar Aktenschränke. Eine frische Fußspur führte von einer Wand am anderen Ende des Raumes zu den Aktenschränken und dann zu der Tür in der Herr Made gerade stand. Die Spur endete bei einer schluchzenden Rea die neben der Tür saß.
Herr Made drehte sich noch einmal um, sah hinter sich das Innere seines Schranks und meinte: "Huch!"
Aufgeschreckt durch das Geräusch drehte Rea sich zu ihm hin. "Made? Was machst du hier?"
"Keine Ahnung. Wo ist hier eigentlich?", fragte Herr Made. "Ich meine, du musst doch wissen, wo du bist."


Laiza Harmonie
Laiza Harmonie war gerade auf dem Weg hinunter ins Erdgeschoss, als Sillybos sie fast von der Treppe stieß. Der Abteilungsleiter drosselte sein Tempo, mit dem er die Stufen herunter gerast war und packte Laiza am Unterarm, die bedrohlich auf einer Treppenstufe schwankte.
"Entschuldige, Lance-Korporal."
"Kein Problem, Schäff", entgegnete sie und versuchte den Bücherstapel zu stabilisieren, den sie in den Händen hielt, während sie einen braunen Papiersack zwischen Seite und Arm trug, "Welcher Dämon hat dir denn in den Hintern gezwickt?"
"Herr Made missbraucht unseren Leichenaufzug!"
"...Leichenaufzug? Wieso? Er ist doch eine!"
"Ja! ER! Aber sein Schrank doch nicht!"
"Sein Schrank?"
"Im gefällt wohl sein Platz im ersten Stock nicht."
"Kann ich verstehen. Entschuldigung, Silly, aber ich muss Rea noch Drachenfutter vorbei bringen, ohne mir den Hals zu brechen."
"Entschuldigung!", meinte er und ging langsam an ihr vorbei, um daraufhin den restlichen Weg hinunter zu eilen. Seine Okkultismusexpertin schüttelte nur den Kopf und ging ebenfalls weiter hinunter, direkt auf die Bürotür von Rea Dubiata zu.
Den Bücherstapel mit dem Kinn fixiert, damit sie eine Hand frei hatte, öffnete Laiza nach einem kurzen Klopfen die Bürotür.
"... keine Ahnung wo wir sind und die Tür geht auch nicht auf...", erklang die Stimme von Rea Dubiata.
Made blinzelte als er beobachtete, wie sich ein Rechteck aus Wandkacheln plötzlich bewegte. Licht fiel in den dunklen Raum und in der Tür erschien eine Silhouette mit Lockenmähne.
"Wo ist dein Büro hin?", kam es von Laiza erschrocken.
Rea drehte sich blitzschnell um: "Laiza! Mach nicht die Tür zu."
Der Bücherstapel zwischen Kinn und Hand zitterte bedrohlich, bevor er sich in seine Bestandteile auflöste und die Bücher zu Boden fielen. Der Sack Drachenfutter, den Laiza mit dem Arm gegen ihre Seite gedrückt hatte, plumpste ebenfalls hinunter. Eh sich die Okkultismusexpertin versah, hatten sich die Hexe und der Zombie an ihr vorbei gezwängt und standen draußen auf dem Flur des Wachhauses. Made zog Laiza von der Tür wer und schloss diese.
Rea hob eifrig die Bücher auf und lächelte die Rekruten am Tresen unschuldig an.
"Was ist hier los?", flüsterte Laiza ihr zu und nahm die Bücher entgegen. "Experimentierst du mit irgendwelchen Zaubern?"
"Nein! Ich weiß nicht, was passiert ist". Rea öffnete noch einmal die Tür, der dunkle Raum war nach wie vor da, sie schloss sie wieder. Ihr Blick fiel auf ihr neues Schild: "Irgendetwas muss mit diesem Schild sein! Denn erst nachdem es an der Tür hing, war mein Büro weg."
"Also ich hab definitiv kein Schild und war trotzdem plötzlich dort!" meinte Herr Made.
Laiza musterte ihn: "Du weißt, dass Sillybos dich sucht?"
"Tut er das?", entgegnete der Zombie und die Stellvertreterin unschuldig an.
"Allerdings, du bist umgezogen?"
"Ja, ins Archiv! Dort ist es wenigstens kühl und auch trocken. Ich als Zombie muss auf so was achten."
Laiza lächelte: "Ach, das Archiv?" Sie gab den kläglichen Rest des Bücherstapel an Made weiter und öffnete erneut die Tür um den düsteren Raum dahinter zu betreten. Ein dünner Eisenrahmen zeichnete sich in den Fugen zwischen den Fliesen ab, er war kaum zu sehen, wodurch die Tür schlicht unsichtbar war.
Sie verzog angewidert das Gesicht, als sie die mumifizierte Leiche auf dem Seziertisch erblickte und verließ den Raum wieder, nachdem sie die Bücher aufgesammelt hatte, die hineingefallen waren.
"Naja, ich hab jetzt Dienstschluss, nimm das Schild ab und lass es mir nach Hause bringen. Ich werd es dann mal untersuchen."
"Glaubst du es ist verwünscht?" fragte Made.
"Davon gehe ich allerdings aus. Woher hast du das überhaupt, Rea?"
"Anette und ich haben auf unserer Patrouille einen Laden gefunden, wo man sich Schilder anfertigen lassen konnte."
"Mhh, vielleicht solltest du dem Laden noch mal einen Besuch abstatten. Ich werd mir das Schild genauer ansehen", sie wandte sich an den Zombie, "Nimm dich vor Silly in acht, er schien schlechte Laune zu haben, weil du den Aufzug benutzt hast. Ich mach jetzt Feierabend, bis später."

Nach Dienstschluss hatte sich Rea auf den Weg in die kleine Straße gemacht, in der sie zusammen mit Anette das Schild gekauft hatte, in der Hoffnung den Zwerg zur Rede zu stellen. Doch als sie vor dem Laden stand erblickte sie ein mit alten und vergilbten Ankh-Morpork Times zugeklebtes Schaufenster. An einer Ecke war eine kleine Freie Stelle, durch die sie ins Innere des Ladens spähte. Der Verkaufsraum lag leer und verstaubt dar. Was war hier passiert? War sie Opfer eines wandernden Ladens geworden?
Enttäuscht und sauer machte sie sich mit dem Schild in die Morphische Straße, wo Laiza sicher schon auf sie wartete.
Nun stand Rea in Laizas schmucklosem Wohnzimmer und sah sich um. Es war lediglich mit einigen Kissen und zwei großen Bücherregalen ausgestattet. Auf dem Boden lagen dutzende von Büchern verstreut und an diversen Stellen aufgeschlagen.

Laiza saß in einem Schutzkreis aus rotem Sand und entfachte ein Holzfeuer in einer feuerfesten Schüssel. Auf einem Dreifuß über den langsam entstehenden Flammen stand ein kleiner Kessel mit Wasser.
Was hatte die Okkultismusexpertin vor? Und wie viel verstand sie wirklich von dem, was sie tat? Rea versuchte ihre Bedenken zu unterdrücken und wandte sich dem Bücherregal zu. Es war hauptsächlich gefüllt mit Büchern über Magie, Riten und übernatürlichen Kräften, dazwischen tummelten sich zwei Bücher mit dem Titeln Das A und O einer guten Kindererziehung und Hauswirtschaft leicht gemacht und wirkten äußerst Fehl am Platz.
Zwischen diesen zwei Büchern lugte eine Ikonografie hervor, neugierig zog Rea sie heraus und betrachtete sie. Zu sehen war Laiza mit zwei geflochtenen Zöpfen in einer Art Zofenuniform, schräg hinter hier stand ein junger Mann in Jagdkleidung, in der Hand hielt er einen großen Bogen.
Er lächelte die junge Laiza an, während sie selbst ernst in den Ikonographen sah und die Hände vor dem Bauch gefalten hatte. Auf der Rückseite stand in einer ihr unbekannten Handschrift Zeph & Lili, 2001 Jahr der pockigen Kröte.
"Sobald das Wasser heiß ist, können wir anfangen", ertönte Laizas Stimme hinter dem Vektor. Schnell schob Rea das Bild zurück und drehte sich um.
"Schön, was meinst du wie lange es dauern wird?"
"Das Schild wird uns kaum sagen, mit welchem Zauber es belegt wurde, aber finden wir erst einmal heraus, ob es überhaupt verzaubert wurde."
Mit dem Zeigefinger der linken Hand auf dem Holzschild, warf sie ein Kraut nach dem anderen in das dampfende Wasser. Sie murmelte latatianische Sätze und stierte auf die Wasseroberfläche. Rea lief wartend um den Schutzkreis aus rotem Sand herum und atmete den Geruch der Kräuter ein.
Krallen klackten über die Holzdielen, als der Kopf eines blauen Drachen in der Tür erschienen. Die Stellvertretende SEALS Schäffin wollte sich gerade zu dem Schuppenvieh herunter beugen, als grünes Licht hinter hier auf kam.
Kleine grüne Flammen tänzelten über die Wasseroberfläche.
"Es ist also verwünscht", antwortete Rea.
Laiza nickte: "Jetzt stellt sich die Frage wie wir den Ritus heraus bekommen. Das kann aber Tage dauern. Du wirst wohl noch einige Zeit auf dein Türschild verzichten müssen."

Am nächsten Morgen


"Wir sind ja nun in der äußerst misslichen Lage, dass die Gerichtsmedizin im ersten Stock liegt", der dicke Philosoph schob sich eine volle Gabel Apfelkuchen in den Mund und kaute erst einige Augenblicke gemütlich darauf herum, bevor er weiter sprach, "Der Keller wäre natürlich viel optimaler gewesen, aber irgendwie wurde das bei dem Umbau nicht bedacht", er lehnte sich in seinem gemütlichen Ledersessel zurück, "Vielleicht wird der Platz irgendwann noch mal dringender benötigt."
"Zum Glück haben wir noch den Aufzug für die Toten bekommen", meinte Laiza, die es sich auf dem Besucherstuhl in Sillybos Büro bequem gemacht hatte.
"Das ist ja nicht das Problem. Viel mehr Sorgen macht mir die Wärme. Schon im alten Wachhaus war es in den Sommermonaten unerträglich warm", Silly beugte sich zu seinem Apfelkuchen vor, "Ich gehe nicht davon aus, dass sich das durch den Umbau ändern wird."
Sie nickte und sah zu wie er sich das nächste Küchenstück in den Mund schob.
Der Abteilungsleiter schmatze genüsslich: "Wir müssen uns also etwas einfallen lassen, damit es hier auch noch im Sommer erträglich ist und wir keine Ungeziefer anziehen."
"Du willst Herr Made loswerden?" sie zwinkerte.
"Mit dem habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen wegen dieser Schrankaktion im Fahrstuhl!"
"Sei doch froh, dass er jetzt ins Archiv gezogen ist, dort ist es kühl, jemand weniger der miefen kann", Laiza ließ sich zu einem fetten Grinsen hinreißen.
"Auf jeden Fall bist du jetzt Beauftragte für dieses Problem! In spätestens einer Woche hätte ich gerne einige vorläufige Resultate."
"Wie bitte?"
"Ja, Lance-Korporal?"
"Ich soll eine Kühl Möglichkeit für den Obduktionsraum suchen?"
"Ja, möglichst billig, dir fällt sicher etwas ein!" Er grinste breit und widmete sich endgültig ganz seinem Apfelkuchen.

Zwei Tage später


Aus dem Kessel auf Laizas Schreibtisch stieg unablässig grauer Rauch empor. Laiza versuchte ihn weg zu wedeln, während sie das Ritual mit latatianischen Sätzen begleitete.
Sie hatte in den letzten zwei Tagen dutzende von Büchern gewälzt, darunter alte Folianten, ausführliche Enzyklopädien und wissenschaftliche Essays aus den letzten Jahren, als sie ihre Suche schon aufgeben wollte fiel ihr ein kleines abgenutztes Lederbüchlein in die Hände, dass sie Ruppert von Himmelfleck am Beginn seiner Ausbildung geliehen hatte.
Sie ließ getrocknete Maiglöckchen in den Kessel rieseln und wandte sich wieder dem kleinen Buch zu. Es war vor einigen Jahrhunderten von einem gewissen Xaverius Siebenstein veröffentlicht worden, der sich selbst als Hexenmeister bezeichnete. Er hatte eine Reihe von Abhandlungen verschiedenster Autoren zusammengetragen.
Auf Seite 70 hatte ein Wort ihre Aufmerksamkeit geweckt: Dimensionsspalt
Betitelt war der Abschnitt mit den Worten Freyheit Und Freyraum - Der Schritt In Neue Gefilde
Geschrieben war die Abhandlung von Eswera Golo, eine Hexe aus Überwald. Laiza hatte in der Schule von ihr gehört. Man hatte sie dreiundvierzig Mal verbrannt.
Die Bewohner des Landabschnitts hielten von ihrer Penetrantheit nicht. Als sie das letzte Mal ihr Heimatdorf betrat entschieden sich die Bewohner, das nun Schluss mit dem ganzen Scheiterhaufen-Spiel sei. Sie überwältigten die Hexe, ertränkten sie und schlugen ihr vor versammelter Dorfgemeinschaft den Kopf ab.
Während ihr Kopf einer Legende nach über den Rand der Welt geworfen worden war, erzählte man sich die Geschichte ihr Körper würde immer noch über die Scheibe wandeln und kleine Kinder... aber darum ging es ja gar nicht.
Was in diesem Büchlein stand war im Grunde nichts anderes als eine Anleitung für das Überleben auf dem Scheiterhaufen. Sie hatte sich anzünden lassen, hat geschrien wie am Spieß um dann mit einem lauten Knall in einer anderen Dimension zu landen. Möglichst mit viel Wasser, damit Flammen sofort vernichtet wurden. Sie belegte ihre Zehen mit diesem ausgefallenen Zauber. Den von anderen Hexen war ihr bewusst, dass ihnen alles abgenommen wurden, meist sogar die Kleidung - je nach dem wie hübsch die Hexen waren. Sie brauchte im Grunde nur ihre Zehen spreizen und einen Spruch aufsagen und schon war sie weg. Es ging allerdings auch ohne ein Sprüchlein und all dies war in diesem sechsseitigen Essay beschrieben.
Als letztes waren die Fischaugen an der Reihe. Sie versuchte nicht durch die Nase zu atmen, als sie die Dose öffnete um den Inhalt in den Kessel fallen zu lassen. Sie mussten schon Tage alt gewesen sein, doch in der kurzen Zeit hatte sie nichts besseres auftreiben können.
Nun konnte das eigentliche Ritual beginnen, sie griff nach einem Stück Pergament und ließ es in die eklige Brühe fallen. Mit Hilfe einer Kneifzange drückte sie es unter bevor sie die Sätze vorlas, die das Ritual besiegeln sollten.
Golo die Hexe bezeichnete den Zauber, als den leichteren von zwei Möglichkeiten, allerdings machte er auch im Endeffekt was er wollte. Der Anwender würde sich nie sicher sein wo er letztendlich landen würde, denn der Zauber entschied eigenmächtig was im Moment für den Nutzer am geeignetsten wäre.
Laiza fischte das Papier mit der Kneifzange aus dem Kessel und tupfte es vorsichtig mit einem Stück Stoff ab.
Sie sah sich im Büro nach einem geeigneten Testgegenstand um und entdeckte ihre Truhe, die neben ihrem Schreibtisch stand. Sie legte das Stück Papier auf den Deckel und fixierte es mit einer Nadel.
Laiza stand vor der Truhe und betrachtete sie nachdenklich.
Was genau war Eswera Golo für eine Hexe gewesen? Und wie war der Autor Siebenstein an ihre Anleitung gekommen?
Der Lance-Korporal seufzte. Ohne Risiko war in dieser Welt nichts zu holen. Sie öffnete den Deckel der Truhe und steckte den Kopf hinein.

Sillybos pustete sich Schaum vom Handrücken, als hinter ihm der Aktenschrank auf ging.


Sillybos

Laiza erschrak. Sie zog den Kopf wieder aus der Truhe und blickte irritiert umher. Dann öffnete sie erneut die Truhe und steckte den Kopf hinein. Sie sah ganz eindeutig ihren Abteilungsleiter in seinem Büro, wie er in seiner Badewanne ein Bad nahm. Er planschte ein bisschen, als er irgendwelchen philosophischen Gedanken nachging. Zum Glück hatte er sie nicht bemerkt.
Hieß es nicht, das Schild lässt das erscheinen, was gut zu der Person passt? Was hatte denn das zu bedeuten? Dieser alte dicke Mann? Das kann doch nicht sein! Aber Moment, vielleicht meinte das Schild ja auch das Abteilungsleiterbüro? Laiza lächelte kurz. Ja, das passte besser.
In dem Augenblick betrat Ruppert das Okkultismus-Büro. Schnell schloss Laiza die Truhe und drehte sich zu ihm um.
"Ruppert, ich muss schnell zu Rea. Pass solange auf diese Truhe auf und achte darauf, dass niemand sie öffnet."
"Mach ich. Aber wieso, was ist denn in der Truhe?"
"Ähm, etwas... sehr Skurriles", sagte Laiza. "Frag nicht. Ich bin gleich wieder da." Die Okkultismusexpertin verließ das Büro und beschloss, sich zu beeilen.
Ruppert schaute ihr verwundert hinterher. Und dann schaute er zur Truhe und erblickte das Papier darauf, konnte aber nichts darauf entziffern. Was mochte in der Truhe sein? Irgendein Tier? Aber warum hielt Laiza es geheim?
Rupperts Neugier war geweckt. Er wollte wissen, warum er die Truhe nicht öffnen durfte. Wenn er ganz vorsichtig wäre, würde bestimmt nichts passieren. Laiza würde es gar nicht mitkriegen.
Ganz langsam hob er den Deckel der Truhe an, so dass sich ein kleiner Spalt öffnete. Er lauschte, hörte aber nichts. Es roch auch nicht ungewöhnlich oder erschien ihm sonst irgendwie seltsam. Er hob den Deckel weiter an. Die Truhe schien innen tiefschwarz zu sein, er konnte nichts erkennen. Schließlich überredete ihn seine gestiegene Neugier, seinen Kopf in die Truhe zu stecken.
Er sah ein großes, hell erleuchtetes Büro, mit einem Regal, einem großen Schreibtisch und einer Badewanne, in der ein alter Mann sein Bad nahm. Bei genauerem Betrachten erkannte er Feldwebel Sillybos in seinem Büro.
Leise zog er seinen Kopf wieder aus der Truhe. Das war skurril.
"Kommst du mit in die Kantine?", fragte Olga-Maria Inös, die plötzlich in der Tür erschien. "Heute soll's was Gutes geben."
"Nein, Olga. Aber komm mal her, ich will dir was zeigen." Ruppert ging einen Schritt zur Seite und präsentierte die Truhe.
Interessiert kam Olga-Maria näher. "Wieso, was ist denn in der Truhe?"
"Mach sie auf und schau rein", sagte Ruppert grinsend.
"Du willst mich reinlegen. Da ist bestimmt irgendwas Ekliges drin."
"Ganz so weit würde ich nicht gehen. Aber es ist auf jeden Fall sehr ... amüsant."
"Amüsant? Jetzt bin ich gespannt." Olga-Maria hob den Deckel der Truhe an.
"Aber leise", mahnte Ruppert.
"Da ist nichts drin", sagte Olga-Maria. "Sie ist komplett schwarz."
"Steck den Kopf rein. Es ist völlig ungefährlich."
Olga-Maria steckte den Kopf hinein. Und zog ihn kurz darauf wieder heraus.
"Oh mein Gott, ist das echt der Feldwebel?"
"Wie er leibt und badet. Laiza hat irgendwie mit der Truhe rumgezaubert."
"Haha, das ist echt lustig", lachte Olga-Maria. "Endlich wissen wir, was er immer in der Mittagspause macht."
"Was gibt es denn hier so lustiges?" fragte Tyros y Graco, der gerade vom Pausenraum nebenan rüberkam. "Darf man mitlachen?"
"Klar", lachte Olga-Maria noch immer, "schau mal in die Tru-"
"Lieber nicht", unterbrach Ruppert, "denn eigentlich soll da niemand reinschauen, und gleich kommt Laiza wieder..."
"Ach komm, sei doch nicht so", sagte Tyros. "Geht doch ganz schnell."
"Außerdem bist du nicht bei SUSI. Das ist nur für SUSIs."
"Ich geb dir 20 Cent."
"Fünfzig!"
"Vierzig."
"Also gut", sagte Ruppert. "Schau in die Truhe. Aber sei leise."
Tyros kramte in seinen Hosentaschen nach Kleingeld. "Hoffentlich lohnt es sich auch", sagte er, als er bezahlte.


Vorsichtig trat Laiza durch die Tür zu Rea Dubiatas Büro. Und sie vergewisserte sich, dass es auch wirklich Reas Büro war, bevor sie die Tür schloss. Natürlich war das unnötig, denn das Schild war ja nicht mehr an der Tür, aber man konnte nie wissen, ob dieser Zauber nicht vielleicht doch noch irgendwelche Nebenwirkungen hatte.
"Keine Sorge", sagte Rea. "Es ist alles wie es sein soll."
Erleichtert lächelte Laiza sie an. "Das würde ich so zwar nicht sagen, aber immerhin ist es so wie bisher."
"Hast du was über den Zauber herausbekommen?"
"Das habe ich tatsächlich." Laiza nahm Platz und begann zu berichten, während Rea aufmerksam zuhörte.
"Zusammenfassend sei also gesagt", sagte Laiza wenige Minuten später, "dass es ein interessanter und im Grunde ungefährlicher Zauber ist. Der Zauber führt schlicht immer dorthin, was am besten zum Benutzer, beziehungsweise zum Erstbenutzer des Schildes passt. Und zu dir passt nun mal die Pathologie."
Rea dachte nach. "Und du hast das auch ausprobiert?"
"Nun... ja."
"Wohin führt der Zauber bei dir?"
Laiza versuchte, eine Antwort zu formulieren, die nicht peinlich oder anmaßend klang. "Ich glaube, ich hab das noch nicht ganz richtig hingekriegt", sagte sie. "Vielleicht könntest du dir das ja mal angucken?"
"Ja, warum nicht. Ist sowieso Mittagspause, außerdem interessiert mich dieser Zauber. Lass uns gehen."


Als Rea und Laiza wieder den Flur betraten, sahen sie am anderen Ende des Ganges die Gefreiten Johan Schaaf und Herold Ruth im Plausch. Zwar konnten sie nur Gesprächsfetzen verstehen, doch nach "geh mal zu Ruppert", "Sillybos' Büro" und "die vierzig Cents lohnen sich" hatte Laiza einen schlimmen Verdacht.
"Rea, komm schnell. Ich fürchte, Ruppert hat sich nicht an meine Anweisungen gehalten."
Die beiden stürmten die Treppe hoch und blickten in den Gang. Sie sahen eine lange Schlange von Wächtern aus dem Okkultismus-Büro bis auf den Flur reichen.
"Das darf doch wohl nicht wahr sein!" fluchte Laiza bei sich und marschierte forsch an der Schlange vorbei in ihr Büro.
"Ruppert, was ist hier los?"
"Oh oh." Ruppert wurde kleinlaut und klappte schnell den Deckel der Truhe zu, allerdings hatte Oldas noch seinen Kopf in der Truhe.
"Aua! Hee, die anderen durften viel länger gucken. Oh." Oldas zog seinen Kopf heraus, richtete sich auf und erblickte Laiza und Rea. Er salutierte instinktiv.
"Raus, alle raus hier!" befahl Laiza. "Ruppert, du bleibst hier! Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen."
Und während Laiza den Gefreiten zusammenstauchte, wagte Rea selbst einen Blick in die Truhe.
In Sillybos' Büro öffnete sich der Aktenschrank und Reas Kopf kam auf Hüfthöhe hervor. Zehn Zentimeter vor ihr stand ein nackter, übergewichtiger Mann mit langem, nassem Bart. Rea hob den Kopf. Ihr Blick traf die ziemlich böse aussehenden Augen von Feldwebel Sillybos. Sie verzog das Gesicht und schaute ihn peinlich berührt an.
"Wie wär's mit einer Erklärung?" fragte er. "In zehn Minuten in meinem Büro. Aber bitte komm durch die Tür."


Araghast Breguyar war sauer. Drei seiner Männer waren zu spät zur Besprechung gekommen, weil sie gewisse "Fortbildungsmaßnahmen" bei SUSI getätigt hatten und - wie sie stolz behaupteten - die Kosten dafür aus eigener Tasche gezahlt hatten.
Nicht nur, dass er diese Maßnahmen, wie auch immer sie ausgesehen haben mochten, hätte genehmigen müssen, zumindest hätte Sillybos den Inhalt mit ihm absprechen können. Er hatte die Besprechung um einer Viertelstunde verlegt und beschlossen, die Sache gleich zu klären.
Energisch öffnete er die Tür zu Sillybos' Büro. Der Philosoph war gerade noch dabei, sich abzutrocknen.
"Das waren keine zehn Minuten", sagte Sillybos ohne sich umzudrehen. Araghast blieb schockiert stehen. Dann drehte Sillybos sich um.
"Du bist nicht Rea", sagte er.
"Reas Anblick wäre mir auch lieber gewesen", antwortete Bregs angesichts dessen, was Sillybos' Handtuch nicht zu verdecken vermochte. "Du stehst hier nackt in deinem Büro und wartest auf Rea?"
"Bregs, bevor du irgendwelche falschen Schlüsse ziehst..."
"Was denn für falsche Schlüsse? Es sieht mir alles ziemlich offensichtlich aus."
"Es ist nicht so, wie es vielleicht den Anschein hat..."
"So weit kann die Wahrheit gar nicht davon entfernt sein."
"Bregs, lass gut sein." Sillybos würde zwar gerne, aber er hatte gerade keine Zeit zum Diskutieren; er musste sich anziehen. "Wir... reden später darüber, in Ordnung?"
"Wegen mir musst du dir keine Umstände machen. Ich gehe einfach wieder und werde euch nicht weiter stören."
"Danke", sagte Sillybos ungeduldig.
"Kommt Rea hier eigentlich auch so an?" fragte Bregs und warf einen kurzen interessierten Blick auf den Flur.
"Du wolltest gerade gehen."
"Du brauchst meiner Frage nicht auszuweichen. Aber wenn du willst kann ich euch noch einen Armbrustschützen vor die Tür stellen, damit ihr garantiert ungestört seid."
"Nun mach' mal keine Staatsaffäre daraus. Im Übrigen braucht dich das auch gar nicht zu interessieren." Der Philosoph ging auf Araghast zu und drängte ihn sanft, aber bestimmt aus der Tür.


Olga-Maria Inös

Als der FROG-Abteilungsleiter wieder auf dem Gang stand, kam ihm Rea Dubiata entgegen.
Ihr Gesicht war leicht gerötet. Araghast machte ihr Platz und murmelte noch etwas, dass wie "Viel Spaß!" klang. Rea sah ihm verwirrt nach, als er leise pfeifend zur Treppe ging.
Sie wartete noch einen Moment, damit der SUSI-Abteilungsleiter auch ja bekleidet war und klopfte dann vorsichtig an die Tür.
Sillybos band hastig seinen Bademantel zu und rief: "Herein!"
Rea öffnete die Tür und trat ein.

Olga-Maria stand vor Laizas Bürotür und hörte von außen, wie innen die wütende Okkultismusexpertin einen sehr geknickten anderen Okkultismusexperten ziemlich heftig anbrüllte. Olga-Maria hatte noch nicht so genau verstanden, was nun eigentlich geschehen war. Sie hatte in diese Truhe geschaut und Sillybos in seiner Wanne gesehen. Erst hatte sie an eine Täuschung, eine geschickte Illusion gedacht, aber so realistisch konnte eine Illusion doch gar nicht sein. Oder doch?

"Du willst mir also erzählen, dass du dir ein Schild gekauft hast und es an deine Tür gepinnt hast und dann durch die Tür nicht mehr in dein Büro, sondern in eine seltsame Pathologie kamst. Und dass Laiza dieses Schild auf eine Truhe gepinnt hat und dann durch meinen Aktenschrank in mein Büro gesehen hat?"
Rea zögerte.
"Naja", meinte sie, "genauso genommen war es nicht das Schild sondern eine Kopie..."
"Und du erwartest jetzt, dass ich das glaube, ja?" Sillybos sah den Lance-Korporal durchdringend an.
Rea schwieg. Das Ganze klang unglaubwürdig, ja, aber sie hatte es doch grad selbst bewiesen.
Sillybos ging zu dem betreffenden Aktenschrank und öffnete ihn. Es fielen einige verstaubte Akten heraus.
"Es geht nur von der anderen Seite aus, Sir", murmelte Rea verlegen.
"Gut, dann gehen wir jetzt eben zu Lance-Korporal Harmonies Büro."

Olga-Maria lauschte noch immer der aufgebrachten Laiza, ohne jedoch viel zu verstehen.
Plötzlich hörte sie Schritte und den Gang entlang kamen ihre alte Freundin Rea und ihr Abteilungsleiter, den sie vor wenigen Momenten noch in der Wanne hatte sitzen sehen.
Bei dem Gedanken daran spürte sie die Röte in ihr Gesicht steigen.
"Hallo Olga-Maria!", grüßte Rea nervös lächelnd. Olga-Maria lächelte zaghaft zurück. Sillybos beachtete sie nicht, er marschierte in seinem Bademantel direkt auf Laizas Tür zu, klopfte kurz und öffnete. Innen erblickten sie eine zornige Laiza und einen niedergeschlagenen Ruppert, der Laiza zwar um einiges überragte, aber dennoch grade sehr klein aussah.
"Laiza, ich muss mit dir reden!", tönte Sillybos volle Stimme durch den Raum. Ruppert beeilte sich zur Tür hinaus zu kommen.
Olga-Maria überlegte kurz, ob es ratsamer wäre ihm zu folgen, doch sie entschloss sich zu bleiben und stahl sich hinter Rea in den Raum hinein.

Herr Made erforschte unterdessen das Innere seines Schrankes. Er hatte festgestellt, dass er durch die linke Tür ins Archiv kam, dorthin, wo sein Schrank stand. So sollte es sein. Öffnete er jedoch die rechte Schranktür, dann gelangte er erneut in diese merkwürdige Pathologie. Wie seltsam. Ob das an dem neuen Platz im Archiv lag?
Die Pathologie schien jedenfalls bis auf ihre seltsame Platzierung soweit normal, wie eine Pathologie zu sein hat. Es war alles da, Seziertische, Leichen, Konservierutensilien, Regale, Sezierbestecke, sanitäre Anlagen...
Alles war zwar schon etwas verstaubt und leicht antik, aber noch voll funktionsfähig.
Nach einem neuerlichen Erkundungsgang in der Geheimpathologie, wie Made sie nannte, hatte er einen Schrank voll in Formaldehyd eingelegter Organe gefunden, von dem er nun Rea berichten wollte. In weiser Voraussicht hatte Made die Schranktüre offen gelassen. Als er den selbigen wieder betrat, kam in ihm plötzlich die Frage auf, wie diese offene Schranktür wohl im Archiv aussähe. Ob sie dort auch offen war? Und was würde passieren, wenn jemand hineintrat? Nein, dieser Gedanke war zu paradox. Er würde später darauf zurückkommen.

Sillybos hatte sich inzwischen persönlich davon überzeugt, dass man durch Laizas Truhe in sein Büro sehen konnte.
"Und du meinst also, dass das verzauberte Schild immer an jenen Ort führt, der zu dem Schildbesitzer passt? Interessant... Könnte man das weiter ausbauen?"
Laiza war froh dass Sillybos nicht weiter darauf einging, dass anscheinend sein Büro zu ihr passte und sie beeilte sich, ihm zu antworten.
"Naja, ich habe aus gewisser Quelle einiges über diesen Zauber erfahren und ihn auch schon übertragen können, auf dieses Stück Papier dort. Reas Schild liegt da vorn..."
Während Laiza Sillybos erklärte, welche Möglichkeiten diese Schilder in sich bargen, näherte Olga-Maria sich Rea.
"Du, sag mal, hat das Schild dich wirklich in eine Pathologie geführt?"
Rea nickte. "Ja, aber es war eine, die sich nicht mal im Wachhaus befindet. Sehr seltsam, das alles."
Olga-Maria überlegte:" Meinst du, diese Magie ist gefährlich? Ich meine, wenn sie nichtexistente Orte erscheinen lässt?"
"Naja, nicht nur nichtexistente Orte, denn Sillybos Büro existiert ja durchaus..."
Rea dachte nach. " Aber dann müsste die Pathologie eigentlich auch irgendwo wirklich existieren. Ich frage mich, wo..."
"Warst du inzwischen noch einmal dort?", erkundigte sich Olga-Maria.
"Nein, Laiza hat ja noch mein Schild."
"Wie sieht die Pathologie denn aus?"
Rea kramte in ihren Erinnerungen. "Nun, sie war recht groß, gekachelt, mit Schränken... und da war auch noch eine Leiche... Nein, Moment, da waren zwei Leichen, Herr Made war auch da, wie ist der eigentlich dahin gekommen?"
Rea war verwirrt. Das war ihr entfallen. Made konnte nicht durch ihre Bürotür gekommen sein, er war an der anderen Seite des Raumes erschienen.
In diesem Moment rief Sillybos:" Das ist wirklich außergewöhnlich, diese Entdeckung müssen wir nutzen. Glaubst du, du kannst diese Schilder zielgerichtet herstellen? Das ganze modifizieren und so?"
Laiza überlegte. Sie könnte einige Variablen in der Mengenberechnung ändern und wenn sie mehr Fischaugen zufügte...
"Laiza?"
"Äh, wie? Oh, Entschuldigung Sir! Ja, ich denke, das könnte zu schaffen sein, aber ich bräuchte einige Zeit um verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren."
Sillybos nickte. "In Ordnung, schau mal, was du daraus machen kannst. Aber dieses Stück Papier", er entfernte das Papier von der Truhe, " das nehme ich lieber mit, nur zur Sicherheit."
Der Abteilungsleiter verließ den Raum.
Laiza atmete erleichtert auf.
"So so, zu dir passt also das Abteilungsleiterbüro am besten. Na so was...", lächelte Rea die Okkultismusexpertin an.
Laiza schüttelte den Kopf. "Wahrscheinlich hab ich mich bloß irgendwo vertan."
Insgeheim wusste sie, dass sie keinen Fehler gemacht hatte.
"Naja, immerhin wissen wir jetzt eins", meinte Olga-Maria.
"So, was denn?", fragte Rea neugierig.
"Nun, du bist in eine Pathologie gekommen, weil die am besten zu dir passt. Das heißt doch, dass deine wahre Berufung die Gerichtsmedizin ist und du eben doch eine SUSI bist."
Rea lächelte.


Rea Dubiata

Zwei Tage später hatte sich ein neues Gerücht herumgesprochen. Nicht nur, dass die SUSIs etwas auszuhecken schienen, nein, das ganze schien auch noch mit einer Affaire zwischen Sillybos und Rea Dubiata zusammen zu hängen. Die FROGs hatten die Informationen aus erster Hand und nur wenige Minuten nachdem Araghast Breguyar sein Wissen mit seinen Fröschen geteilt hatte waren die drei, die an der "Fortbildungsmaßnahme" teilgenommen hatten davon überzeugt, auch einen blonden Haarschopf in Sillybos' Wanne erkannt zu haben. Dies erzählten sie den SUSIs, die jedoch darauf bestanden, dass sie von "der Sache mit den Schildern" überhaupt nichts wussten und dass sie nicht glaubten dass ein alter Mann wie Sillybos der selbst über Ausdrücke wie "Guten Tag" stundenlang nachgrübelte den Fantasien der FROGs gerecht werden konnte. Sie vertraten steif und fest die These (die wahrscheinlich Olga-Maria Inoes in Umlauf gebracht hatte), dass Rea mit einer Portion anti-rheumatischem Badeöl auf dem Weg zu Sillybos gewesen wäre, um das er sie gebeten hätte.
Die DOGs waren per Taube von den wichtigen Neuigkeiten benachichtigt worden - wer auch immer sie geschickt hatte war unklar. Doch es war kaum Zeit vergangen da lag schon ein rosaner, pafümierter Brief auf dem Schreibtisch Reas, in dem die Damen des Boucheries der stellvertretenden Abteilungsleiterin SEALS eine Stelle anbaten.
Auch zu den Rekruten war die Nachricht durchgesickert. Ob nun der Tratschfreudige Hauptmann Daemon sie ihm Vormittags-Briefing darüber unterrichtet hatte oder ob sie am Tresen ein paar Wortfetzen aufgeschnappt hatten, interessierte keinen.
Die SEALS jedoch schwiegen. Erstens glaubten sie sowieso nicht, dass Rea sich im Hinblick auf Männer auskannte, zweitens hatte ein gewisser Oberfeldwebel laut und deutlich klar gemacht dass er die ganze Sache abstoßend fände und dass der nächste der darüber sprach von ihm höchstpersönlich in die Künste des Abortschrubbens mit einer Zahnbürste eingewiesen werden würde.
Rea ließ die ganze Sache kalt. Es war sogar gar nicht mal so schlecht - denn immerhin interessierte sich kaum jemand mehr für die Schilder, die überall aufgehängt worden waren - vor allem dort, wo sich SUSIs aufhielten. Der Vektor betrachtete den Schrank in der Ecke des Büros. In einen kleinen, festmontierten Schlitz konnte man verschiedene Schilder immer wieder austauschen. Mittlerweile hatte Laiza es geschafft, sie einigermaßen zielgerichtet hinzubekommen - auch wenn man nie sagen konnte ob man einen Raum nun durch den Schrank, ein Fenster oder eine Truhe betreten würde.

Seit Tagen hatte Laiza sich in ihrem Büro eingeschlossen und experimentierte mit den Schildern. 15 hatte sie bereits hergestellt, immer noch nicht im Klaren, wie genau sie funktionierten. Fakt war, dass die Schilder einer unheimliche Energiequelle besaßen, mit der sie bestimmte Differenzen in Raum und Zeit ausnutzen, verdrehten, einen quantischen Gummi spannten, drillten und wieder freiließen womit sich die Zeit schneller fortbewegte und die entsprechende Person durch das geöffnete und frischgeputzte Raumfenster fliegen ließ. Doch woher nahmen die Schilder die Energie?
Laiza hatte das Holz untersucht und festgestellt, dass es sich um normale Eiche handelte. Jedoch ließ sich ein Schild auf jeder anderen Oberfläche errichten die einigermaßen glatt war. Sogar ein Stück Wachs konnte dafür herhalten. Das war wahnsinnig spannend denn so konnte man den Namen auf dem Schild (der dem Schild anzeigte, wem es gehörte), beliebig ändern. Der Nachteil war jedoch, dass das Schild schmelzen konnte.
Es klopfte an der Tür und kurz darauf trat eine ein wenig schüchtern wirkende Olga-Maria hinein. Sie salutierte pflichtbewusst grüßte und wartete dann dass die Lance-Korporal etwas sagte.
Doch Laiza blickte nur verwundert und verständnislos in das immer bestürzterer wirkende Gesicht der Gefreiten. "Was ist denn?", fragte Laiza mürrisch und beobachtete wie Olga-Maria eine Weile lang nach Worten suchte und dabei den Mund aufgeregt öffnete und schloss.
"Ma'am", brachte sie schließlich hervor.
"Ja?"
"Verzeihen Sie wenn ich es ihnen sage aber..."
"Ja?"
"Haben Sie heute schon in den Spiegel gesehen, Ma'am?"
Laiza sah Olga-Maria verdutzt an. "Bitte was?"
"Ich wollte Sie nicht ärgern und so, aber... Ich bin auch eigentlich wegen etwas ganz anderem hier..."
"Das da wäre?" Laiza konnte sich den genervten Unterton kaum noch verkneifen.
"Ich, ähm, also, ich.."
"Gefreite ich habe nicht den ganzen Tag Zeit", knurrte Laiza.
"Ich hätte gerne auch ein Schild, Ma'am?" Die Tatortwächterin sah Laiza hoffnungsvoll an.
"Ja, gerne..." Laiza griff sich ein unbeschriebenes Harzbrettchen, ihre bevorzugtes Material, daes einfach zu bearbeiten war, und schrieb Olgas Namen darauf. "Hier."
Vielfach Danke murmelnd verschwand Olga aus dem Büro, mit vor Freude strahlenden Augen. Laiza jedoch ging zum Spiegel. Ein Gespenst mit dunklen, fast nachtschwarzen Ringen unter den Augen, mit aschfahler, eingefallener Haut starrte zurück.
"Kein Wunder", dachte die Okkultismusexpertin. "Ich hab die letzten drei Nächte durchgearbeitet... vielleicht hat Rea etwas was mir hilft wieder fit zu werden - ich muss unbedingt herausfinden woher die Energie kommt - und was wir alles damit anstellen können..." Einen Moment lang dachte sie darüber nach, den konventionellen Weg in Reas Büro zu wählen, doch dann kam ihr ein besserer Einfall. Nun, was gehörte in Reas Büro? Leichen sicherlich nicht mehr, Kranke? Aber da würde auch ein Krankenhaus genügen. Das Usambaraveilchen? Das hatte keinen richtigen Namen und Rea selbst kam ja immer in die Geheimpathologie. Dann kam ihr eine Idee. Grinsend schrieb sie Drache auf die Harzplatte und hängte das Schild an eine Metallöse in ihrem Wandschrank.

Rea las gerade einen Bericht von Anette Knödel und freute sich ein bisschen, dass das Mädchen ihre Ausbildung wohl bald abschließen würde. Mehr Sorgen bereiteten ihr Chi Petto und Amalarie Mögebier, die schon eine Weile keine bedeutenden Ermittlungen mehr auf ihrem Gebiet gemacht hatten. Vielleicht sollte sie mal mit ihnen reden. Cim trat ein, wie immer ohne anklopfen, doch Rea war kaum überrascht. Drache hatte kurz zuvor leise gezischt, was er immer tat wenn Leute das Büro betraten. Es klang für jede Person ein wenig anders und je weniger er die Person mochte um so lauter wurde er dabei. Bei Cim schlug er zumeist auch mit dem Schwanz auf den Boden.
Rea stand auf, salutierte halbherzig und ließ sich dann wieder in den Stuhl fallen. "Was gibt es, Oberfeldwebel? Ich wollte gerade Schluss machen."
"Mit wem? Mit Silly?", fragte Cim grinsend.
Rea hob die Augenbrauen und sah ihren Vorgesetzten enttäuscht an. "Verdonnerst du dich jetzt selbst zum Abortschrubben, Cim?"
"Nein, aber wenn du findest dass er dreckig ist könntest du ja..."
Rea winkte ab. "Komm zum Punkt ich möchte wirklich gehen."
Cims Lippen formten ein Wort, dass er ausspuckte wie saure Milch aber die Silben erreichten Reas Ohren nicht. Cim ignorierend begann sie, die gelesenen Berichte in ein Regal einzusortieren als ein lauter, verzweifelter Schrei die Stille durchbrach. Rea fuhr herum, doch dort stand nur Cim der sie genauso verwundert ansah wie sie ihn. Dem Schrei folgte nun ein "Mistverdammter!" aus der Gegend um Reas Schreibtisch herum.
"Was war das?", fragte Cim, doch Rea schwante bereits Böses. Das war ganz klar Laizas Stimme.
"Ähm, der Drache macht manchmal komische Verdauungsgeräusche..."
"Dein Drache spricht??" Cim sah sie eher enttäuscht an. Er hatte eine bessere Ausrede erwartet.
"Nein, er spricht nicht, aber die Verdauungsgeräusche hören sich sehr komisch an. Manchmal wen er Blähungen hat glaubt man, er furzt die Nationalhymne." Rea grinste und hoffte inständig Cim würde das Büro verlassen.
"Also, das ist ja sogar ekliger als diese Sache mit Silly."
"Guter Punkt, der steht gerade nackt bei mir im Schrank und holt sich wahrscheinlich bald den Kältetod, also bitte geh, damit wir weitermachen können."
"Rea das ist absolut... Morgen wirst du den Abort schrubben und zwar nachdem Scoglio ihn benutzt hat, jawoll, das ist ja wohl eine Frechheit! Und sowas nennt sich stellvertretende Abteilungsleiterin!"
Rea lächelte kühl. "Erstens hast DU mich dazu ernannt und zweitens bin ich seit 5 Minuten außer Dienst, also zählen Disziplinarstrafen nicht. Und jetzt RAUS!"
Der Oberfeldwebel verließ murrend das Zimmer und Rea widmete sich nun Laiza. "Wo bist du?", fragte sie.
"Na hier", kam die gequälte Stimme leise aus dem Schreibtisch. "Ich stecke fest!"
Rea ging zu dem Schreibtischschrank und öffnete ihn. "Was machst du denn da, Laiza? Und wie schaust du überhaupt aus, hast du heute schonmal in den Spiegel geschaut?"
"Ja", knurrte Laiza. "Deshalb bin ich hier. Und jetzt hilf mir doch bitte!"
"Jaja."
Der halbe Oberkörper von Laiza hing in dem Schreibtischschrank und Rea schaffte es mit einiges Mühen, die Okkultismusexpertin herauszuziehen.

Sillybos betrat die Gerichtsmedizin, doch niemand war dort. Nichteinmal Herr Made, der sich gerne auch zum Mittagsschläfchen hier einfand und eine freie Bahre okkupierte war nicht dort. Doch er entdeckte einen Aktenschrank, der bei seinem letzten Besuch noch nicht dort gewesen war. Er untersuchte ihn genauer und fand je ein Schild pro Schranktür. Auf dem ersten stand "Olga-Maria Inös". Er öffnete diese Tür und sah einen Stapel Teller vor sich und einige Tassen. Das Klappern der Kantine erscholl von irgendwoher und im gleichen Moment wurde das Dunkle Schrankinnere hell erleuchtet. Olga-Maria starrte ihn an und versuchte irgendwie Herrin der Situation zu werden. "Ich, äh, wollte nur schauen wo mein Schild hinführt..."
"Sehr schön, du hast es geschafft!", sagte Silly und sah die Tatortwächterin streng an. "Wo bitte sind die ganzen Gerichtsmediziner?"
"In der Geheimpathologie, wo denn sonst?" Olga-Maria schloss den Küchenschrank wieder.

Biene Niemand ging verwirrt aus der Kantine hinaus und stellte sich mit einer Tasse starken Kaffee zu den Rekruten an den Tresen. Hatte sie eben tatsächlich Olga-Maria gesehen, die mit den Tellern gesprochen hatte? Laiza und Rea kamen ihr entgegen, doch sie grüßte nur kurz und unterhielt sich nicht mit ihnen, weil sie noch einige wichtige Botengänge zu erledigen hatte. Doch die Rekruten schienen ob der Anwesenheit der beiden Lance-Korporals sehr verwirrt. "Hast du Harmonie eben das Büro betreten sehen?", fragte der eine.
"Nein, aber ich habe es die ganze Zeit beobachtet! Ich kriege zehn cent pro Tag von Breguyar wenn ich ihre Tür den ganzen Tag bewache!"
"Komisch", murmelten alle drei Wächter gleichzeitig.


Sillybos

Sillybos bekam nicht viel davon mit, was in anderen Abteilungen passierte. Zwar wunderte er sich über die eigenartigen Blicke und das heimlichtuerische Kichern, mit dem ihn irgendwelche Gefreiten anderer Abteilungen begegneten, und er fragte sich, ob mit seinem Aussehen was nicht stimmte. Er beschloss, öfters in den Spiegel zu schauen.
Nun hatte er aber ein anderes Problem. Diese Schilder-Geschichte. Zwar hatte Rea ihm erklärt, wie es theoretisch funktioniert, aber dadurch wusste er noch immer nicht, wo diese Geheimpathologie war. Aber das musste er wissen, denn schließlich war er der Abteilungsleiter. Und außerdem brauchte er einen Zugang dazu. Es nützte nichts, er musste diese Schildergeschichte selbst ausprobieren.
Als er aus seinem Büro trat, traf er gleich einer dieser Gefreiten aus den anderen Abteilungen, die seit einigen Tagen immer vor seinem Büro rumlungerten.
"He, Gefreiter, hast du Lance-Korporal Dubiata gesehen?"
Raucher Marmelade salutierte. "Nein, Sir."
"Was stehst du hier eigentlich den ganzen Tag rum?"
"Befehl vom Hauptfeldwebel, Sir."
"Soso. Naja, egal. Wenn du sie siehst, schicke sie bitte in mein Büro, ja? Ich werde sie derweil selbst suchen gehen."


Er fand sie mit Laiza Harmonie im Okkultismus-Büro.
"Ah, hier seid ihr. Störe ich gerade?"
Die beiden Damen tranken Tee.
"Nein, ach wo", antwortete Laiza. "Ich... stärke mich gerade."
"Ein spezieller Wach-mach-Tee", fügte Rea hinzu. "Ein altes Rezept. Laiza hatte es nötig."
"Gut. Ähm, kannst du mir kurz mit dieser Schilder-Sache behilflich sein? Ich... würde das selbst gerne mal ausprobieren."
Rea seufzte. "Ich wüsste nicht, was daran so schwierig ist. Aber gut, geht ja schnell." Sie nahm sich eines der Schilder, die Laiza schon vorbereitet hatte. "Bin gleich wieder da." Dann verließ sie mit dem SUSI-Abteilungsleiter das Okkultismusbüro und ging ein Stockwerk tiefer.


Vor Sillybos' Büro war Raucher Marmelade verschwunden.
"Nanu, der Gefreite ist weg", sagte Sillybos. "Naja, ich habe mich ohnehin schon gefragt, was der hier eigentlich die ganze Zeit macht."
"Ist vielleicht auch ganz gut so, so bekommen diese Gerüchte nicht noch neue Nahrung."
"Gerüchte?" fragte Sillybos, als sie sein Büro betraten.
"Sag bloß, davon hast du noch nichts mitbekommen."
"Ist das dieses Gerücht, dass... du... ich meine... du und ich... dass wir..."
"Dass wir eine Affäre haben, ja. Aber was soll's, irgendwann sind auch diese Gerüchte vorbei."
Drinnen schloss Sillybos die Tür.
"So. Ich möchte gerne mit diesen neuen Schildern einen Blick in diese so genannte Geheimpathologie werfen."
"Aber du hast diese Schilder doch schon mal benutzt. Wo war das Problem?"
"Dass ich nie dort gelandet bin, sondern Olga-Maria hinter einem Stapel Teller gesehen habe."
"Achso." Rea nickte. "Hier, nimm ein Schild mit meinem Namen drauf, das führt in die Geheimpathologie." Sie ging hinter Sillybos' Schreibtisch und heftete das Schild an den Aktenschrank. "So, nur noch der Name..." Sie schrieb groß und deutlich Rea auf das Schild. "So fertig."

Ein halbes Dutzend Wächter, angeführt von Raucher Marmelade, marschierte geradewegs auf das Büro des SUSI-Abteilungsleiters zu. Kurz davor stoppten sie und gingen auf Zehenspitzen weiter. Sie schauten sich gegenseitig an und hielten sich den Zeigefinger vor die gespitzten Lippen. Die, die nahe an der Tür standen, pressten ihre Ohren dagegen. Sie sprachen nur noch im Flüsterton.
"Pssst. Leise."
"Könnt ihr was hören?"
"Ich kann nur Sillybos verstehen, Rea spricht zu leise."
"Pssst, ich will hören, was sie da machen."


"Also Silly", fuhr Rea fort. "Es ist ganz einfach. Du öffnest den Aktenschrank, steckst deinen Kopf hinein und schaust dich nach Belieben in der Geheimpathologie um." Demonstrativ öffnete sie die Schublade vom Aktenschrank. "Und wenn du ganz dorthin verschwinden willst, musst du das Schild halt an einer Tür anbringen."
"Rea, bei solchen Sachen sollte man immer sehr genau sein. Erkläre mir bitte Schritt für Schritt, wie das funktioniert."

"Hihi, unser Philosoph scheint recht unerfahren zu sein."
"Vielleicht probieren sie ja mal was Neues aus..."


Rea atmete tief durch. "In Ordnung", sagte sie ganz langsam und geduldig. "Also: Du öffnest ganz einfach den Aktenschrank... was siehst du?"
"Ich sehe eine schwarze Öffnung."

"Oh Mann, der braucht ja ewig. Zur Sache, Silly."
"Machen das alle Philosophen so?"
"Hihi, ich würde sagen, er analysiert erstmal die Lage."


"Genau", antwortete Rea. "Und da steckst du deinen Kopf rein."
"Meinen Kopf?"

"Au. Du bist mir auf den Fuß getreten."
"Psst. Jetzt hab ich nicht hören können, was er gesagt hat."


Sillybos umfasste mit seinen Fingerkuppen seinen Schädel.
"Und wenn ich ihn da jetzt reinstecke, was wird dann passieren?"

"Herrje, er ist unerfahren."

Rea blieb ganz geduldig. "In der Geheimpathologie geht ein Schrank auf und dein Kopf kommt zum Vorschein. So wie meiner hier, als du gebadet hast."
"Hm. Und das ist auch wirklich nicht gefährlich?"

"Gefährlich??"

"Wieso sollte das gefährlich sein?" fragte Rea.
"Naja, wer weiß, was da vorher schon alles drin gewesen ist."

"Hat er das gerade wirklich gesagt?"
"Er ist nicht gerade sehr sensibel, um es mal so auszudrücken."
"Ich werde niemals - wirklich niemals - etwas mit einem Philosophen anfangen."


"Silly, du bist ein echter Angsthase", sagte Rea. "Es ist wirklich nichts dabei."
"Nun dräng doch nicht so. Ist ja gut, ich mach's ja."

"Rea scheint aber nicht sehr wählerisch zu sein... dass sie ihn so drängt..."

"Also gut", sagte Sillybos schließlich. "Probieren geht über studieren."

"Nun hat er sich also endlich dazu durchgerungen."
"Und dann noch so ein Spruch..."
"Ich weiß echt nicht, was Rea an diesem Mann findet."
"Pssst, jetzt wird's endlich spannend."


Sillybos ging zum Aktenschrank, warf Rea einen unsicheren Blick zu und beugte sich dann vor, um den Kopf in den Aktenschrank zu stecken. "Du kommst nun schon allein zurecht. Ich werde dann wieder gehen, Laiza wartet auf mich." Rea ging Richtung Tür.
"In Ordnung", tönte es gedämpft aus dem Aktenschrank.
"Siehst du, es ist völlig ungefährlich."

"Ich kann Silly nicht mehr hören, aber dafür jetzt Rea."
"Sie müssen die Stellung gewechselt haben."


"Aber ich sehe immer noch nichts", sagte Sillybos, bevor Rea den Türgriff drücken konnte. "Um meinen Kopf ist alles schwarz."
"Du musst ihn tiefer reinstecken!" rief Rea, damit Sillybos ihn auch hörte.
"Noch tiefer?" kam es zurück.
"Ja, bis zum Anschlag."

"Hui, jetzt geht es aber zur Sache..."
"Lass mich auch mal an die Tür."


"Fühlt sich komisch an... so um den Hals rum vor allem", sagte Sillybos.
"Ja, beim ersten Mal kitzelt es ein bisschen. Aber daran gewöhnst du dich, du wirst schon sehen."

"Es kitzelt??"
"Was machen die beiden eigentlich
genau da drin?"

"Soo...ahhh... hm, interessant... " Sillybos zog den Kopf wieder heraus. "Ah, warte, bevor du zu Laiza gehst, kannst du für sie noch etwas mitnehmen?" Er nahm eine Akte von seinem Schreibtisch und ging ebenfalls zur Tür.
"Danke", sagte Rea, als sie die Akte entgegen nahm.

"Danke? Wofür bedankt sie sich?"
"Ja... Müsste nicht eigentlich Sillybos ihr dankbar sein?


"Und?" fragte Rea mit einem fragenden Blick. "Wie war's?"
"Nun", sagte Sillybos langsam. "Es war eine interessante Erfahrung."

"Waas? Ich weiß echt nicht, was Rea an dem findet."
"Naja, aber nach mehr hörte sich diese kurze Nummer auch nicht an."


Rea nickte Sillybos kurz zu und öffnete, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schwungvoll Sillybos' Bürotür.


Laiza Harmonie
Die Gefreiten Oldas und Marmelade konnten sich nicht mehr halten und kamen laut plumsend vor Reas Füßen zum liegen, während sich die Gruppe hinter ihnen seltsam schnell verflüchtigte. Rea blickte hinunter:
"Was tut ihr denn da?"
"Ähm... nichts, Mä'äm", meinte Oldas, beide Gefreite standen gleichzeitig auf und klopften sich verlegen den Staub von der Kleidung. Die Stellvertretende SEALS Schäffin verschrenkte die Arme vor der Brust.
"Darüber werden wir uns noch unterhalten!"
"Das kannst du tun, Lance-Korporal", Ras war aus dem Nichts hinter den Gefreiten aufgetaucht, "aber erst muss ich mich mit dir unterhalten ... und Sillybos!"

Der Tee, den Rea ihr gegeben hatte begann zu helfen. Laiza fühlte sich schon viel besser und ein Blick in den Spiegel versicherte ihr, dass auch die Augenringe ein wenig blasser geworden waren.
Dann konnte sie ja weiter arbeiten, im Wirrwarr der vielen Schilder sah sie sich um.
Sie hatte sich dazu entschlossen dass zweite Ritual in Angriff zu nehmen, dass die Hexe Eswera Golo als das schwierigere bezeichnete, dafür hatte man die Möglichkeit zu bestimmen, an welchen Ort der Dimensionsspalt führen sollte.
Laiza hatte die Idee, mit Hilfe der Schilder dass Wärmeproblem in der Pathologie zu lösen. Sie würde einfach einen Kalten Ort als Ziel wählen. In der Gerichtsmedizin befand sich ein Einbauschrank mit zwei Türen und zwei großen Schubladen. Eine der Türen könnte sie für ihr Vorhaben verwenden, je Kälter der Zielort war um so größer war die Möglichkeit dass das dünne Holz der Tür die Kälte hindurchließ und den Raum kühlte.
Aber zu erst müsste sie einige Inkredenzien für das Ritual kaufen, Fischaugen gehörten diesmal zum Glück nicht dazu.

Rascaal Ohnedurst ging im Büro von Sillybos auf und ab.
Er horchte den Erklärungen der beiden Wächter und sprach solang kein Wort bis die beiden ihren Vortrag beendet hatten.
"Und den Händler konnte man nicht Dingfest machen?", der Vampir blieb mit hinter dem Rücken verschrenkten Armen vor Rea und Sillybos stehen.
"Nein, Sir", antwortete der Lance-Korporal.
"Nach dem ihr wusstet, wie dieses Schild hergestellt wurde", Ras machte eine Pause und blickte zwischen den Beiden hin und her, "wer veranlasste die Herstellung weiterer Schilder?"
Diesmal meldete sich Sillybos zu Wort, er räusperte sich: "Sir, niemand, Sir, Lance-Korporal Harmonie hatte von mir den Auftrag bekommen ein Kühlsystem für die Gerichtsmedizin zu entwerfen, vielleicht hat sie diesbezüglich eine Idee gehabt was die Schilder anbelangt."
Ras nickte: "Und wo ist Lance-Korporal Harmonie jetzt? Sie wird uns am besten sagen können, wieso sie diese Schilder in Mengen produziert hat."
"Gerade eben war sie noch in ihrem Büro, Sir", meinte Rea.
"Du sorgst dafür, dass irgendeine vertrau... vernü... Person die ganzen Schilder wieder einsammelt, Lance-Korporal, sie müssen beseitigt werden und such Laiza Harmonie."
"Ja, Sir", Rea salutierte und verließ eilig das Büro.
Der Kommandeur verblieb im Raum und Sillybos versuchte möglichst nicht zu schwitzen und lächelte unschuldig.
"Silly, mir sind da weitere Gerüchte zu Ohren gekommen, über die wir unbedingt reden müssen."
"Sir? Welche Gerüchte?"

Als Laiza eine Stunde später mit einem befüllten Weidekorb wieder ihr Okkultismusbüro erreichte, wartete Rea geduldig auf dem Besucherstuhl. Vor ihr auf dem Boden lagen die Schilder, die Olga und Made wieder zusammengetragen hatte.
"Da bist du ja endlich", die Vektorin studierte den Inhalt des Korbes, "Schneckenschleim, Drachenblut... was hast du jetzt vor?"
Die Okkultismusexpertin stellte den Korb auf ihrem Schreibtisch ab: "Ich werde das zweite Ritual aus dem Buch austesten."
"Der Kommandeur war vorhin bei Sillybos, es liegt Ärger in der Luft wegen den Schildern, deshalb durfte ich sie alle wieder einsammeln lassen."
Laiza lies sich davon nicht beirren. Sie schüttete Wasser von einer Flasche in einen Teekessel und setze ihn auf den Ofen in der Ecke, danach räumte sie den Korb leer und sortierte die Zutaten nach der Reihenfolge ihrer Anwendung.
"Ich werde das noch ausprobieren, wir könnten damit eine Verbindung zu den Nichtsfjorden erschaffen und somit die Pathologie kühlen..." sie starrte nachdenklich in die Luft.
"Wie bitte? Das ist doch viel zu gefährlich."
"Gefährlich? Wieso?"
"Na was ist wenn jemand den Zugang benutzt und in den Nichtsfjorden verschwindet? Oder irgendetwas plötzlich in unserer Pathologie steht?"
"Nun, der Zugang muss natürlich gesichert werden", sie verzog das Gesicht,"Dazu später. Die Materialien reichen für zwei Versuche, ich hoffe es geht nichts schief."
"Ich lass dich dann erstmal besser alleine, aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass Ohnedurst nicht begeistert sein wird!"
Laiza versuchte trotz dieser Aussichen zu lächeln. Der Teekessel pfiff.

Avalania von Gilgory stellte gerade ihre Axt in den Einbauschrank der Pathologie und griff nach ihrem Kittel, den sie dort aufbewarte, als Laiza und Rea die Räumlichkeiten betraten.
"... Ich konnte ja nicht ahnen das dieser verdammte Zwerg mir Froschlaich verkaufte anstatt, Fischlaich..." Laiza und Avalania blickten sich an, "Ähm, dass war jetzt nicht spezistisch gemeint, Gefreite!"
Die Zwergin räusperte sich und zog den Kittel an während sie ihre Vorgesetze betrachte, irgendetwas schleimiges klebte auf Laizas schwarzem Mieder und der hellen Bluse.
"Du musst leider die Pathologie verlassen", meinte Laiza.
"Aber ich habe Arbeit", Avalania deutete auf einen der beiden Seziertische, auf dem ein Zwerg mit einer Wurfaxt im Schädel lag.
"Ich bitte dich, der Fall ist wohl eindeutig, mach Pause, das ist ein Befehl", der Lance-Korporal blickte grimmig, während die Zwergin ihre Axt nahm und aus der Pathologie stürmte.
"Er kann auch schon tot gewesen sein, als die Axt ihn traf", meinte Rea, "Das wenige Blut deutet darauf ..."
"Wir haben grad anderes zu tun okay? Sie kann ihn später ausschnibbeln."
"Und du meist es war ratsam den Laich dann komplett weg zulassen?"
"Zumindest hat er sich diesmal nicht überall verteilt."
"Präzision ist wohl nicht das Motto von euch Okkultismusexperten."
"Ich bin immerhin Gift und Gasexpertin, also erzähl mir nichts von Präzision!"
"Warte Mal, das Labor ist doch nieder gebrannt, oder?
"Daran war ich nicht schuld!", die Okkultismusexpertin hängte das Schild mit Hilfe eines Wollfaden an den Knauf der Tür und schlug ihr kleines Büchlein auf.
Rea war gespannt ob das gut ging. Ihre Kollegin räusperte sich: "Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas! Nihilsinuuus! " Sie schüttete gemahlene Kräuter auf ihre Handfläche und pustete das Schild an.
"War es das?"
"Eigentlich schon", sie zog das Buch noch mals zur Rate, "Sagen sie folgende latatianischen Satz auf und nenen sie ihr Ziel auf latatiansich." Sie öffnete die Tür vorsichtig. Schneeflocken wurden in die Pathologie geweht, doch sie schmolzen sofort wieder. Die zwei Lance-Korporale blickten durch den Schrank auf eine weiße trostlose Landschaft.
"Sind das die Nichtsfjorde?" fragte Laiza enttäuscht, die bis auf Überwald, Ankh-Morpork und dem Weg dazwischen nicht viel von der Scheibenwelt gesehen hatte.
"Sehr öde, aber sehr kalt ist es an der Öffnung nicht."
Laiza nickte zustimmend und näherte sich mit der Hand dem Dimensionstor, bis sie mit ihren Fingerspitzen auf der anderen Seite ankam. Sie schüttelte sich: "Da drüben ist es aber definitiv kalt."
Die zog ihre Hand zurück, auf der der Schnee gefallen war und nun vor sich hin schmolz.
"Ich denke mal, dass das Schild einfach nicht ausreicht, vielleicht solltest du die übrigen mit verwenden."
"Was ist eigentlich, wenn jemand mal so ein Schild finden sollte und es abnimmt?", fragte Rea, ein wenig skeptisch.
"Ganz einfach, es zerstört sich selbst. Ich habe sie so befestigt dass sie in einem Stück nicht abgehen - und dann sind sie nur noch zwei Stückchen ganz normaler Schilder, weiter nichts." Sie lächelte zufrieden.
"Und das Buch?", nagte Rea weiter.
"Werde ich gut verstecken, Rea, mach dir mal keine Sorgen."

Einige Stunden später


Sillybos fröstetle als er die Pathologie betrat: "Huch, Rea hat nicht zu viel versprochen, hier ist es wirklich ziemlich Kühl."
Laiza lächelte und widmete sich wieder dem Schrank zu, denn sie war gerade dabei Extrastarken Leim auf den Rahmen aufzutragen den die Tür berührte.
Auf dem Fenster der Aufzugtür hatten sich inzwischen schon Eiskristalle gebildet. Laiza beendete ihr einleimen und schloß die Schranktür. Der Riegel klickte als die Okkultismusexpertin den Schlüssel um drehte.
Sillybos betrachtete die Schranktür, an die ganz viele Schilder genagelt worden waren.
"Das sieht aber sehr konfus aus, aber das mit dem Leim ist eine sehr schöne Idee!" Der Philosoph lächelte.
"Ich glaube nicht dass sich der Kommandeur damit zufrieden geben wird", vermutete Laiza und wie immer wenn man grade vom Teufel sprach betrat Rascaal Ohnedurst die Gerichtsmedizin.
Er ließ sich von der Temperatur im Raum nicht schocken, dafür fehlten ihm einfach die Drüsen.
Die Abteilungsleitung von Susi salutierte.
Auf dem Metail um das Schlüsselloch herum hatte sich Raureif gebildet: "Es stimmt also, was ich von Lance-Korporal Dubiata gehört habe."
Laiza schluckte.
Der Kommandeur näherte sich dem Schrank und drehte den Schlüssel um.
"Äh...", meinte Laiza. Doch Ras hatte die Tür schon geöffnet, Schnee wehte ihm ins Gesicht.
Er schloß die Tür wieder: "Euch ist doch wohl klar wie gefährlich das ist?"
"Natürlich", meinte Sillybos und lächelte, "Wir sind gerade dabei die Tür zu sichern."
Rascaals Blick blieb auf der Leimdose hängen: "Mit Leim? Ist das wirklich euer Ernst?"
Der Vampir zeigte seine Zähne und es war kein Lächeln.
"Nun, wir werden mehrere Sicherungen vornehmen, Leim ist da nur eine Einzige und er war noch nicht getrocknet!" argumentierte Sillybos.
"Ihr habt bis morgen früh Zeit eine anständige Lösung zu finden, Feldwebel, ansonsten kommt das hier wieder weg! Und lasst die Tür bloß nicht aus den Augen."
Er blickte Beide noch einmal ernst an und verließ dann die Pathologie.
Laiza seufzte. "Das der immer etwas zu Nasen hat", meckerte sie leise.
"Er hat schon Recht, Laiza."
"Aber sie mal, wir haben jetzt wenigstens Platz für zwei Leichen, Rea hat die Schubladen verhext." Sie zog eine der sechzig Zentimeter breiten und fünfunddreißig Zentimeter hohe Schublade heraus. "Sie sind zwei Meter lang und werden von der Tür mitgekühlt.
Silly staunte nicht schlecht aber sein Blick galt wieder der einen Schranktür.
"Man könnte sie zu nageln..." überlegte Laiza und schloß die Schublade.
"Wir sollten einfach den Blick davon abwenden, wer sie nicht sieht, will sie auch nicht aufmachen."
"Und wie willst du davon ablenken? Ein Zauber kann gebrochen werden."
"Ich werde bei einem Warmen Bad darüber nachdenken", meinte Sillybos und verließ den kalten Raum.

Zwei Stunden später


Warmer Dampf wabberte ihr entgegen, als sie das Büro von Sillybos betrat. Auf ihrer Haut fühlte er sich heiß an, denn sie hatte die letzte Stunde in der Pathologie verbracht.
"Ah, Laiza", meinte Sillybos und drückte auf sein Quietscheentchen, "Du hast da was graues auf der Wange und in den Haaren."
"Ja, ich weiß, dass ist Mörtel", sie lächelte triumphierend und hob eine Holzplatte mit einem Griff in die Höhe an dem mehr der grauen Masse hing. "Ich habe die eine Seite des Schranks einfach zu gespachtelt. Der Einbauschrank schloss ja nicht genau mit der Wand ab, sondern war tiefer, es fällt im Grunde gar nicht auf."
"Was für eine Lösung!" der Philosoph lächelte, "Man kann die Tür also nicht mehr öffnen und man sieht sie erst überhaupt nicht."
Laiza nickte: "Und die zweite Tür kann noch benutz werden und die zwei Schubladen natürlich."
"Damit gibt sich Ras hoffentlich zufrieden. Ich werde morgen früh noch mit ihm sprechen."
"Tu das, damit wäre das Problem mit der Pathologie erledigt, ich mach dann jetzt Feierabend."
"Oh ja, mach das und als nächstes nehmen wir mal mein Büro in Angriff. Ich brauche unbedingt einen Abzug für den ganzen Dampf."

[1] wenn man sich Ankh-Morpork so ansah, bräuchte man eigentlich eine Millionen




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