Interessante Fakten aus der achatenen Küche I:Eine der wahrscheinlich gefährlichsten Zutaten überhaupt ist die so genannte Kapitänssoße.
Ein Gourmet hat den Geschmack dieser Soße einmal folgend beschrieben: "Das war das exotischste, fruchtigste, süßeste und schärfste, was ich je gegessen habe. Da bleibt mir echt die Spucke weg!" Was auch stimmte, denn einen Augenblick später fiel dieser Gourmet tot um.
- Früher Nachmittag -
Wir befinden uns einen kleinen, etwas windschiefen Raum. In ihm befinden sich ein Bett, ein Schreibtisch und eine Kleidertruhe. Es ist unordentlich und ziemlich staubig.
In der Tür steht ein ungefähr eineinhalbjähriges Kind, es hat eine Schnabeltasse mit Apfelsaft und schaut seiner Mutter zu.
Diese streicht mit ihren verbrannten Händen fast liebevoll über die Schachtel vor sich. Vorsichtig hebt sie den Deckel an, man hört ein Knistern, Seidenpapier.
Mit leicht verträumtem Blick fährt Magane mit den Fingerkuppen über den Stoff, dann hebt sie das burgunderrote, ärmellose Kleid hoch. Im unteren Teil des Abendkleides ist ein umgekehrt v-förmiges Stück mattgrauer Seide eingearbeitet.
Vorsichtig hebt sie es aus der Schachtel, hält es vor sich hin und lächelt. Schließlich sagt sie, an ihren Sohn Tom gewandt, der ihr immer noch zuschaut: "Die Mama hat ein schönes Kleid, gell?"
Tom schaute sie nur aus großen runden Augen an.
Magane legt das Ballkleid vorsichtig zurück in die Schachtel, wendet sich um zu ihren Sohn und nimmt diesen dann auf den Arm. Sie kitzelt den Kleinen, woraufhin dieser lachend gluckst.
"Tom, heute erzählt die Oma die Gute Nacht Geschichte. Ich habe heute nämlich noch einen wichtigen Fall zu erledigen", sagt Magane im mütterlichen Tonfall und streicht ihrem Sohn durchs Haar. Gerne würde sie noch etwas mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen, aber es ist nicht das erste Mal, dass das im Konflikt mit ihren Pflichten bei der Wache steht.
- Später Vormittag -
Wir befinden uns in einem dunklen, fensterlosen Kelleraum. Eine Kerze spendet spärliches Licht und ermöglicht den Blick auf Regale, bis zum Bersten gefüllt mit Aktenbergen, die sich bis in alle Unendlichkeit - vielleicht aber auch nur drei Meter weit - in die Finsternis erstrecken.
Pyronekdan ist der Halter jener Kerze und er sucht in den Regalen nach einer bestimmten alten Akte.
Seitdem man die alten Akten aus seinem Büro in den Keller gekarrt hat, versucht er zumindest von Zeit zu Zeit im Archiv vorbeizuschauen. Gut, dass er sich damals genau eingeprägt hat, wo seine alten Fälle eingeordnet worden waren.
Und er ist froh, auf diese Art und Weise alten Kollegen gedenken zu können.
Schließlich findet er das Schriftstück, dass er sucht. Er zieht einen alten Hocker, der eigentlich als Tritt dient, zu sich heran und setzt sich darauf, um jenes zu studieren.
Pyronekdan hat zwar nichts gegen seine Kollegen, aber manchmal ist es einfach schön, auch einmal alleine zu sein.
Plötzlich hört er ein Poltern von der Treppe her und just einer der besagten Kollegen erscheint mit einer Fackel in der Hand.
"Lance-Korporal Pyronekdan! Hier sind Sie! Ich habe überall nach Ihnen gesucht."
"Ganz ruhig, Gefreiter Laufen. Was ist denn los?"
"Der Abteilungsleiter hat eine Versammlung höchster Priorität einberufen und wünscht die
Anwesenheit sämtlicher Abteilungsmitglieder."
"Dann muss es wohl wichtig sein, denn wegen einer Lappalie wird er wohl kaum die gesamte Abteilung einberufen."
Pyronekdan nickt Amok zu, stellt die Akte zurück ins Regal und macht sie dann auf den Weg in Humph MeckDwarfs Büro.
- Früher Abend -
Wir befinden uns in einem großen Saal. Er ist voller Menschen, allesamt sehr festlich gekleidet. An der einen Wand hängt ein gewaltiges Transparent mit der Aufschrift "Hallo Wiener!".
Die Wand direkt gegenüber ist von großen Fenstern dominiert, die Licht aber keinen Gestank hinein lassen.
Dafür ist es sehr heiß, und der kahle, bärtige Gnom schwitzt gewaltig in seiner schwarzen Kutte. Septimus lässt sich dennoch nicht beirren, sondern tut weiterhin so, als sei er ein Assassine und betreibt weiterhin Smalltalk mit der unbekannten Person gegenüber:
"Sie müssen doch einsehen, dass die stetige Verschmutzung der Umwelt im Endeffekt nur zu unserem Ende führen wird. Betrachten Sie einmal den Ankh: Der ist eine versiffte Kloake! Und wenn man so weitermacht, dann wird er eine noch viel schlimmere Kloake!"
"Ähm... ja, aber was hat das mit ihrem Beruf zu tun?"
"Verstehen sie denn nicht?! Wenn der Ankh noch mehr eutrophiert, dann wird das gesamte Umland geradezu vergiftet! Stellen sie sich die Folgen für die Kohlmonokulturen in Sto Lat vor!"
"Was soll mit denen sein?"
"Die werden prächtig blühen und gedeihen! Können Sie sich vorstellen, was eine weitere Extensivierung des Kohlanbaus für die hiesige Flora und Fauna bedeutet? Das ist Mord an unzähligen Arten!"
"Aber Sie als Assassine, müssten doch für Mord sein."
"Für Mord? Reden Sie keinen Unsinn, ich bin strikt gegen Mord!"
Mit einem Male erbleicht Septimus, denn ihm wird klar, dass er sich versehentlich verredet hat.
Ein Schrei gellt durch den Saal, und verschafft Septimus den Augenblick, den er braucht, um den rettenden Gedanken zu finden, der seine Tarnung rehabilitiert: "Natürlich bin ich nur gegen
unbezahlten Mord!"
Interessante Fakten aus der achatenen Küche II:Die Kapitänssoße hat zwar einen vollmundigen, betörenden Geschmack, allerdings reagiert sie auf Speichel aufgrund eines seltenen Giftes höchst ächzend. Oder mit anderen Worten: Die Leute überleben meistens nicht lange genug, um von ihrem Aroma zu schwärmen.
- Später Morgen -
Wir befinden uns in einem relativ kleinen Raum. Er scheint auf den ersten Blick für zwei konzipiert zu sein, aber diverse Kleinigkeiten deuten darauf hin, dass er von dreien benutzt wird, und eigentlich für vier gedacht ist.
Momentan befindet sich nur eine einzige Person in dem Raum, bewaffnet mit einer Gießkanne.
Hunderte von Wassertropfen fallen auf Blätter, Zweige, Blüten, Erde.
Ilona summt leise dabei; nur selten kommt sie dazu, ihrem kleinen Urwald die ihm gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Doch heute hat sie die entsprechende Muße dazu.
Die Gefreite stellt die Gießkanne ab, geht zu ihrem Schreibtisch und holt eine kleine Schere. Mit dieser in der Hand wendet sie sich wieder den Pflanzen zu und stutzt diese zurecht.
Ab und zu kleine Teile abzuschneiden ist wichtig, denn nur so wächst eine Pflanze gleichmäßig. Ilona schätzt die Ruhe, die sie immer verspürt, wenn sie sich dieser Tätigkeit widmet. Außerdem fühlt sie sich dann immer an ihr altes Dorf zurückerinnert.
Die Kontakterin geht einen Schritt zurück, um ihre Arbeit besser zu betrachten
"Hey!", krächzt da eine Stimme aus der Ecke: "Dein Kaffee ist fertig."
"Vielen Dank!", erwidert Ilona und holt sich eine große dampfende Tasse Kaffee von dem Kaffeedämonen ab.
Sie empfindet es als sehr angenehm, einen Kaffeedämon im Büro zu haben; eigentlich seltsam, dass erst eine weitere Kollegin kommen musste, bis sie sich einen Kaffeedämon anschafften.
Zufrieden setzt sie sich an ihren Platz der Arbeitsinsel und wirft einen wohlwollenden Blick in die Ablage, in der die Akten der noch zu erledigenden Fälle für gewöhnlich ruhten.
Jene Ablage ist vollkommen leer.
- Später Nachmittag -
Wir befinden uns in einem großen Saal. Es ist eher kühl. Die Party hatte erst kürzlich begonnen.
Eine Person sticht hierbei etwas aus der Menge heraus. Sie trägt eine schwarze Stoffhose und ein weißes Hemd, wie viele der Anwesenden, allerdings redet die Person zugleich wie ein Wasserfall.
Die Worte sprudeln förmlich nur so heraus. Er scheint dennoch ein angenehmer Genosse zu sein, denn einige Damen in eleganter schwarzer Kleidung stehen um ihn herum.
In einer Hand hält er ein Cocktailglas. Mit der anderen unterstreicht er seine Worte: "Also meine Damen, die Arbeit bei der Diebesgilde ist himmlisch. Sie glauben nicht, was für eine angenehme Atmosphäre bei uns herrscht. Stets wird man freundlich empfangen, wir sind wie eine große Familie, die sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit umarmt."
"Ich weiß nicht", entgegnet einer der Damen: "Ich habe gehört, in der Diebesgilde gibt es überhaupt gar keinen Kodex!"
"Aber meine Damen! Das heißt doch nicht, dass es keine Diebe mit Ehre und Anstand gibt!"
Er wirft ein wahrhaft bezauberndes Lächeln zu den Damen, greift sich unvermittelt die Hand einer von ihnen und haucht einen Handkuss darauf: "Sehen Sie! Sie haben mir mein Herz gestohlen! Und das als Assassinin!"
Die Frauen kichern, die eben geküsste wird rot. "Sie sind wirklich charmant!"
"Natürlich", entgegnet Rasmus und leckt wie beiläufig mit der Zunge über die Lippen.
Insgeheim schickt er aber ein Dankgebet gen Himmel, weil er den Punkt 'Benehmen bei gehobener Veranstaltung' während seiner immer noch laufenden Ausbildung zum verdeckten Ermittler schon durchgenommen hat.
Interessante Fakten aus der achatenen Küche III:Das
Kieselpräparat ist eine seltsam grünlichbraune Paste, die einen bestialischen Geruch verströmt und auch noch
scheiße schmeckt. Trotzdem ist es eine sehr begehrte Zutat: Gibt man nämlich eine geringe Menge Kieselpräparat zur Kapitänssoße hinzu, dann wird das tödliche Gift negiert. Allerdings sollte die Zugabe immer nur unmittelbar vor dem Servieren geschehen, weil die Fischsoße nur eine Weile den scheußlichen Geruch übertüncht.
- Früher Vormittag -
Wir befinden uns in einem kleinen und sehr verrauchten Raum. Eine Kneipe.
Ein junger Mann sitzt an der Theke und nippt an einem Bier.
Nach einer Weile gesellt sich ein Zwerg dazu und bestellt sich ebenfalls ein Bier.
Mehrere Minuten sitzen beide schweigend nebeneinander, während sich das Licht der spärlichen Beleuchtung im trüben Getränk widerspiegelt. Die Sonne scheint zwar, allerdings sind die Gassen in manchen Vierteln so eng, dass sie nicht die Fenster der Erdgeschosse erreicht, wenn sie nicht gerade am Horizont steht und ihr helles Licht waagrecht nach Ankh Morpork strömen lässt.
"Hallo, Timm", sagt der Zwerg.
"Hey, Bob", erwidert Amok Laufen. Der Kontakter kennt den Zwerg schon länger; für gewöhnlich erweist der sich als zuverlässige Informationsquelle, vorausgesetzt, man war geduldig.
Eine Weile herrscht weiter Schweigen. Abgesehen von einem lauten Rülpsen, dass der Zwerg nach dem halben Kruginhalt von sich gibt.
Dann: "Und, wie geht's, Timm?"
"Wie immer, Bob. Und dir?"
"Dito."
Schweigen, das dauert, bis der Zwerg seinen Krug geleert hat, und nachdem jener einen neuen bekommt, natürlich nach der entsprechenden Bestellung.
"Prost!", sagt der Zwerg.
"Ja", erwidert Amok.
Ein tiefer Schluck.
"Mann, heute ist ein guter Tag."
"Ach? Warum denn?", fragt Amok. Sein Sinn für wichtige Informationen schlägt eindeutig Alarm.
"Na, ich weiß zufällig aus zuverlässiger Quelle, dass ich heute bestimmt weder ermordet, noch ausgeraubt werde."
Amok bleibt scheinbar gelassen: "Gute Nachricht, Kumpel."
Er leert in einem gemächlichen Tempo seinen Krug Bier, legt dann einige Münzen als Bezahlung auf die Theke. "Man sieht sich Bob."
Der Zwerg murmelt etwas in seinen Bart, während Amok die Kneipe verlässt und sich auf den kürzesten Weg Richtung Wachhaus begibt.
- Später Morgen-
Wir befinden uns in einem sehr großen Raum mit vielen Tischen.
An einem davon sitzt Herold Ruth mit einer großen Tasse Kaffee, einem Teller mit mehreren belegten Brötchen - offensichtlich ein verspätetes Frühstück - und etlichen Akten vor sich auf dem Tisch verteilt.
Der Püschologe beschäftigt sich mit der wichtigen Tätigkeit des Erstellens von Täterprofilen. Allerdings entpuppt sich das Ganze bei näherer Betrachtung vielmehr als Übung, denn es handelt sich ausschließlich um schon gelöste Fälle.
Tief gebeugt über die vielen Blätter kann man Herold ab und an murmeln hören, während sich allmählich einige leere Seiten mit seiner Handschrift füllen.
Sein Blick wandelt sich allmählich von angestrengter Konzentration zunächst zu einem Ausdruck höchsten Misstrauens, dann zu Verwunderung und schließlich zu einem breiten, zufriedenen Grinsen. Er ist soeben zu einer erstaunlichen Erkenntnis gekommen.
Herold lehnt sich zurück und belohnt sich selbst mit einer Semmel.
Genüsslich kauend beobachtet er, wie einige andere - offensichtlich aus anderen Abteilungen - in der Kantine miteinander plaudern oder sich auch ein verspätetes Frühstück gönnen.
Als seine Mahlzeit beendet ist, räumt Herold alle Akten zusammen, nimmt seine Notizen, unterstreicht seine Feststellung 'Bei Anschlägen handelt es sich beim Täter meist um eine scheinbar unbeteiligte Person' und macht sich auf den Weg zurück ins Archiv, um die Fallakten an ihre angestammten Plätze zurückzubringen.
- Später Vormittag -
Wir befinden uns in Büro des Abteilungsleiters der Abteilung RUM.
Es klopft an der Tür. Humph schaut auf: "Herein."
Die Tür schwingt auf und Romulus von Grauhaar, leicht übermüdet wirkend, betritt den Raum. Er dreht sich um, schließt jene wieder und legt dann MeckDwarf einen Umschlag hin.
"Das wird dich interessieren."
"Setz dich, Romulus."
"Gerne", erwidert der Stellvertretende Abteilungsleiter.
Er setzt sich nieder und schaut sich im Zimmer um. Da er aber nicht zum ersten Mal seinen direkten Fortgesetzten aufsucht, blickt er bald auf Humph MeckDwarf und verfolgt dessen Reaktionen auf das Schriftstück.
Romulus hat eine Weile mit sich gerungen, ob er diese Information an seinen Vorgesetzten weitergeben soll, hat sich dann aber doch dafür entschieden. Wenn die Rohrpostdämonen die an den Kommandanten gerichtete Nachricht schon versehentlich an Romulus schickten, dann schickten sie wahrscheinlich auch mehrere Kopien an andere Abteilungen.
In der Hinsicht sind Rohrpostdämonen ungewöhnlich zuverlässig.
Der Abteilungsleiter blickt kurz darauf auf.
"Bist du sicher, dass die Nachricht echt ist?" Misstrauen schwingt in der Frage mit.
"Ja, ziemlich."
Humph scheint zu überlegen, seufzt, geht an sein Fenster. Schaut hinaus.
"Das ist schlecht."
"Ich weiß. Deswegen habe ich mir gedacht, dass es dich interessieren wird."
Der Abteilungsleiter dreht sich wieder zu Romulus: "Aber eine Inspektion? Jetzt?"
"Anscheinend."
"Das ist schlecht, sehr schlecht. Ein, zwei Tage später, dann wäre es besser gewesen, dann wären wahrscheinlich schon wieder die ersten Fälle aufgeklärt gewesen. Warum ausgerechnet jetzt? Warum müssen diese ominösen
Betriebsferien gerade jetzt sein? Ich könnte dem Typen an die Gurgel gehen, der sich das ausgedacht hat!"
"Meinen sie Flanellfuß oder Lord Witwenmacher?"
"Bei diesen Auswahlmöglichkeiten verzichte ich darauf, mich zu entscheiden."
Interessante Fakten aus der achatenen Küche IV:Es gibt also gute Gründe, warum beide Zutaten außerhalb des achatenen Reiches nicht besonders verbreitet sind: Die eine ist tödlich, die andere schmeckt schrecklich. Kombiniert bilden beide aber einen göttlichen Zungenschmeichler - sieht man einmal vom Nachgeschmack ab...
- Nacht -
Dunkelheit flutet in den kleinen Raum, wird aber von einer unstet flackernden Kerze zurückgedrängt. Trotz der späten Stunde herrscht in R(a)UM6 keineswegs Ruhe.
"Was treibst du da?", fragt Horatius, ein vorlauter Dämon.
"Das sieht man doch!", erwidert Paul, ebenfalls einer; im Gegensatz zu Ersteren übt jener aber zum einen eine sinnvolle Tätigkeit aus und nimmt seine Arbeit ernst.
Horatius lugt vorsichtig aus seinem Kasten heraus und beobachtet den Anderen bei seinem seltsamen Treiben.
Schließlich kommt er zu folgenden Schluss: "Du hast da was kaputtgemacht! Ha! Das werde ich erzählen!"
"Das ist ein Puzzle - das besteht grundsätzlich aus Einzelteilen."
"Hä?"
Paul kichert: "Hehe, du Dumpfnuss weißt ja noch nicht einmal, was ein Puzzle ist!"
"Das will ich auch gar nicht wissen!"
Beleidigt zieht sich Horatius wieder zurück.
Es vergehen einige Momente. Paul schiebt einige Puzzelstücke hin und her.
"Mir ist langweilig!", tönt eine Stimme aus dem Kasten.
"Mir nicht!", entgegnet Paul schnippisch.
"Das glaube ich nicht!", behauptet Horatius und lugt aus dem kleinen Fenster seitlich am Kasten heraus: "Du mit deinem komischen Puzzle!"
"Das ist nicht komisch. Ein Puzzle kann außerordentlich unterhaltsam sein. Vielleicht erscheint es auf den ersten Blick als unsinnig, dass jemand sich die Mühe macht ein vollständiges Bild in kleine Teile zu zerlegen und dann wieder zusammenzusetzen.
Aber betrachte mal ein einzelnes Puzzlestück; auf dem ersten Blick erkennt man nichts, man erhält zwar bestimmte Informationen, weiß diese aber noch nicht korrekt einzuordnen. Nehmen wir ein komplett blaues Puzzlestück: Handelt es sich um Wasser oder Himmel? Oder um etwas gänzlich anderes?
Und dann schau dir die anderen Puzzlestücke an. Alle zeigen dir etwas anderes, manche sehen sich ähnlich, andere gänzlich verschieden.
Wenn du dann mit dem zusammensetzen loslegst, dann wirst du Ausschau nach Teilen halten, die sich ähneln und diese erst zusammensetzen. Stück für Stück entstehen größere Partien; die dir dann weitere Informationen über das Bild verraten. Sind auf den Teilen neben den erwähnten blauen Teil noch Wolken zu sehen, dann weißt du: Aha, das ist Himmel.
Schließlich hast du dann so viel zusammengesetzt, dass du das Gesamtbild erkennen kannst; die restlichen Teile lassen sich mit fortschreitenden Stadium immer schneller richtig zuordnen.
Und irgendwann bist du fertig - und selbst wenn du ein paar Puzzlestücke verschlampt hast, weißt du, wie das Gesamtbild aussieht; es gibt zwar Lücken, aber die kann man gedanklich leicht füllen. Natürlich vorausgesetzt, wenn die Anzahl der Puzzlestücke groß genug ist. Wenn bei einem 6 Teile Puzzle ein Stück fehlt, dann ist der Verlust schon groß - bei tausend Teilen nicht."
"Und dazu musst du alles querbeet durcheinander werfen? Es ginge doch viel schneller, wenn du das Bild ein wenig vorsichtiger auseinander nimmst!"
"Du hast mal wieder überhaupt nichts verstanden: Es geht doch gerade darum, dass alles durcheinander ist; aber wenn man es sich etwas einfacher machen will, dann kann man ja nach Stücken mit und ohne gerade Kanten vorsortieren. Da ist es ganz egal, was darauf zu sehen ist; denn die Stücke mit gerade Kanten bilden immer den Rand des Bilds. Außer du hast ein ausgefallenes Puzzle."
"Ich finde dieses Puzzlezeugs trotzdem bekloppt. Bäh!", Horatius streckt Paul die Zunge heraus und verzieht sich wieder in seinen Kasten.
"Und übrigens, Herr Kaffeedämon: Mir ist immer noch langweilig!"
"Würdet Ihr Euch auf
dieses Spiel einlassen, dann wäre dem nicht so."
"Was soll der Plural?"
"Ach... Ihr seid doch der König der Langeweiler!"
"Arschloch!"
"Selber!"
- Früher Nachmittag -
Wir befinden uns an der Pforte der Assassinengilde.
Ophelia Ziegenberger, komplett in schwarz gekleidet, unterhält sich mit dem Pförtner.
Dieser starrt sie mit schiefen Blick an: "Ich glaube dir nicht, dass du ein Assassine bist."
Für einen Moment versteift sich Ophelia innerlich.
"Gibs zu, du bist von der Diebesgilde!"
Ophelia schaltet schnell: "Anscheinend haben Sie mich enttarnt. Wissen Sie, uns in der Diebesgilde sind die Ballkarten ausgegangen. Und ich brauche doch noch siebzehn Stück." Sie zwinkert dem Pförtner zu. Innerlich hofft die verdeckte Ermittlerin, dass er ihre Lüge nicht als solche enttarnt.
Der Pförtner hebt eine Augenbraue und erwidert dann: "Kein Problem. Du bist nicht die erste aus der Diebesgilde, die heute deswegen auftaucht. Obwohl ich nicht verstehen kann, dass allen erst am Tag der Veranstaltung einfällt, dass sie noch keine Karte haben..."
Innerlich ist Ophelia verblüfft, da sich ihre Notlüge als Wahrheit entpuppt hat; äußerlich lässt sie sich aber nichts anmerken.
- Früher Abend -
Wir befinden uns in einem großen Saal.
Inspäctor Kolumbini schaut sich aufmerksam um, um jeden Verdächtigen sofort ausmachen zu können. Als jedoch eine junge, hübsche Frau mit einem Lächeln auf ihn zukommt, schlägt er einen anderen Weg ein. Er hat eine gewisse Abneigung gegen Vertreterinnen des anderen Geschlechts, deswegen ist er nicht besonders angetan davon, dass so viele Damen anwesend sind.
Warum wollen die sich nur alle ausgerechnet mit ihm unterhalten?
Inspäctor konzentriert sich wieder auf seine Ermittlungsarbeit. Er geht hinüber zu den Fenstern und überprüft, wie dicht diese sind. Nicht, dass der Attentäter am Ende durch ein solches flieht.
Als er feststellt, dass die Fenster hermetisch abgeriegelt sind, sich nicht einmal öffnen lassen würden, wenn man es wirklich wollte; ist er sehr zufrieden. Dann fällt ihm aber ein, dass der Verbrecher auch ohne weiteres durch die Saaltüre nach draußen fliehen könnte; vielleicht schafft er es ja, Witwenmacher so zu eliminieren, dass es nicht sofort auffällt! Dann würde er sich davonschleichen, und keiner der anwesenden Wächter würde es bemerken können!
Kolumbini beschließt, den Saal zu verlassen und draußen Wache zu schieben. Er würde jeden überprüfen, der vorzeitig die Party verlässt.
Interessante Fakten aus der achatenen Küche V:Die Kapitänssoße besteht größtenteils aus pürierten Galeerenkapitänen.
Der Galeerenkapitän ist ein stark giftiger Speisefisch, der in vielen Meeren zu Hause ist.- Er wird bis zu einer Armlänge groß und wiegt dann gute drei Kilo. Er ist schwarz mit gelben Streifen, was im zur Tarnung in den so genannten Streifenpolypen dient.
- Später Morgen -
Wir befinden uns in einer Gasse, nahe des Ankhs, mitten im Schatten.
Eine einsame Gestalt bewegt sich langsam in ihr. Ein seltener Anblick, liegt doch die Lebenserwartung einer Einzelperson im Schatten bei wenigen Minuten. Doch der Gestank, den diese Person verbreitet, lässt keine Zweifel offen, dass sich jene keine Sorgen mehr um den Tod zu machen braucht.
Langsam schlürft der Zombie durch die Gasse und schaut sich aufmerksam um. Thask ist vor einiger Zeit aufgebrochen, um den örtlichen toten Briefkasten zu leeren. Derzeit aber meist eine sehr undankbare Aufgabe, kommen doch kaum mehr Hinweise.
Vor einem alten, halb verrotteten Fass bleibt Thask stehen. Zunächst versichert er sich, dass niemand ihn beobachtet, dann schiebt er das Fass ein Stück beiseite, macht sich dann an den Ziegeln der Mauer dahinter zu schaffen. Etwas Staub rieselt hervor, als er den Backstein herauszieht. Der Zombie zieht einen zusammengefalteten Zettel hervor, den ein Informant in einen Hohlraum des Ziegels gelegt hat. Dann steckt er den Stein zurück und bringt das Fass wieder in die ursprüngliche Position.
Langsam entfaltet er nun den Zettel und liest, was darauf geschrieben steht:
Kumpel von mir plant Anschlag auf den Chef von der Assassinengilde, will's dem Typen von der Diebesgilde in die Schuhe schieben. Dachte, dass würde euch interessieren - wenn ihr den Typen festnehmt, richtet ihm aus, dass er seine dreckigen Pfoten von meiner Schwester lassen soll!Gezeichnet X
Der blasse Zombie dreht sich um und macht sich auf den Weg zurück ins Wachhaus. Den Chef wird dieser Hinweis sicher sehr interessieren.
- Früher Vormittag -
Wir befinden uns in einem Raum voller Tische, die Kantine der Stadtwache.
An einem Tisch sitzt eine junge Frau zusammen mit einem Gnom; beide haben vor sich eine Tasse Kräutertee.
Ayure steckt ihre Nase in ein Buch mit dem Titel 'Ermittlungen aller Art", während Septimus ziemlich laut Tee schlürft.
"Du, Ayu?"
"Hm?"
"Findest du nicht auch, dass jetzt die ideale Gelegenheit wäre, die Interessen von B.A.U.M.
[1] unter die Leute zu bringen?"
Ayure schaut von ihrem Buch auf und den Gnom an: "Wie meinst du das?"
"Nun... Zur Zeit ist doch nichts los - da stört es doch sicher niemanden, wenn wir eine Weile etwas anderes unternehmen. Vielleicht schließen sich sogar noch mehr Kollegen an!"
"Nein, besser nicht. Es könnte doch jeden Moment ein Fall hereintrudeln, wir müssen für alle Eventualitäten gerüstet sein." Ayu greift nach ihrer Tasse, trinkt einen Schluck Tee daraus und wendet sich wieder ihrer Lektüre zu.
"Das glaube ich nicht!", behauptet Septimus in überlegenen Tonfall: "Ich weiß nämlich, was zur Zeit los ist."
"Was denn?", fragt Ayure interessiert
"Die Assassinen- und die Diebesgilde feiern zusammen ein kleines Fest. Und aus diesem Grund wurden zwei Wochen Betriebsferien angeordnet, damit sich jeder entsprechend auf diese Feierlichkeit vorbereiten kann. Benimmkurse und so. Ein Stehempfang mit Sekt und ähnlichen. Das ganze Fest nennen sie "Hallo Wiener!". Findet übrigens heute statt."
"Aber das hat doch nur indirekt mit unserer Abteilung zu tun. Wir sind doch für unlizenzierte Raube und Mordfälle zuständig. DOG ist für die Gilden zuständig."
"Oh, es hat sogar jede Menge mit uns zu tun. Was glaubst du, würde wohl passieren, wenn jetzt gleich ein Hinweis hineinkäme?"
"Na, wir werden ihm sofort nachgehen. Es gibt ja sonst nicht viel zu tun."
"Exakt. Und wenn ein Mordfall gemeldet würde?"
"Sofort ermitteln. Ah, ich verstehe, worauf du hinaus willst."
"Genau!", sagte Septimus: "Dadurch, dass keine lizenzierten Verbrechen stattfinden, fällt jedes unlizenzierte sofort ins Auge und die Abteilung kümmert sich augenblicklich darum. Unter normalen Umständen besteht die Chance, dass genug Zeit verstreicht, dass das Verbrechen nicht mehr aufklärbar ist, und der Kriminelle davonkommt. Und da das die ganzen Ganoven wissen, bleiben sie schön zuhause. Und machen Ferien."
"Das erklärt einiges."
"Genau. Kommst du jetzt also mit?"
"Nein", erwidert Ayure: "Ich muss erst noch dieses Buch hier zu Ende lesen."
- Später Vormittag -
Wir befinden uns in einem kleinen Raum. Die Einrichtung wirkt freundlich und lädt zum Verweilen ein. Allerdings scheint sich dort schon seit einer Weile niemand mehr aufgehalten zu haben, denn über allem liegt eine Staubschicht und in einer Ecke des Raumes hängt ein Spinnennetz.
Nur ein Tisch und ein dazugehöriger Stuhl sind sauber, und eine Spur führt von der Tür zu den beiden Möbelstücken. Auf dem Tisch liegen einige Blätter, eines davon von einem gewissen "X". Außerdem ist da noch eine Wächterin, die hochkonzentriert leise vor sich hinmurmelt.
Bei dem einen handelt es sich um Pausenraum 2 der Stadtwache; selten benutzt, da die Kantine für gewöhnlich die erste Anlaufstelle für den erholungsbedürftigen Wächter ist. Bei dem anderen handelt es sich um niemand geringeren als Frän Fromm, Püschologin.
Sie hat sich in den selten benutzten Raum zurückgezogen, um sich dem vom Chef erteilten Auftrag zu kümmern. Die anderen Kollegen von RUM sind größtenteils unbeschäftigt und vertreiben sich die Zeit mit diversen Tätigkeiten, zu denen sie sonst nicht kommen. Ophelia zum Beispiel hat Frän in Richtung Zellen gehen sehen. Wahrscheinlich Rogi aufsuchen.
Da die Vampirin aber ihre Ruhe will, hat sie sich kurzerhand in den Pausenraum zurückgezogen. Zum einen verspürt sie keine Lust den anderen zu sagen, dass sie leise sein sollen, zum anderen stört sie auch ihrerseits die anderen nicht mit ihrem eigenen leisen Gemurmel.
Humph hat sie angewiesen, die am Vormittag von Thask gebrachte Mitteilung genauer zu studieren, er wollte wissen, wie ernst wohl die Warnung gemeint ist.
"Soso. Mit der Schwester geschlafen. Es handelt sich also mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Mann."
"Aber trotz der Sache wird er als Kumpel bezeichnet..."
Es ist kein Selbstgespräch im eigentlichen Sinne; eher ein Selbstdialog.
"Witwenmacher umbringen und das dann Flanellfuß in die Schuhe schieben..."
"Klingt wie ein schlechter Racheplan: Einfach beschuldigen und hoffen, dass die Wache ihn einsperrt."
"Andererseits wenn man jemanden in eine Falle laufen lässt, dann präpariert man die doch so, dass das Opfer auch garantiert darin landet. Aber keine Zeit- oder Ortsangaben, was das Attentat angeht."
"Also eine echte Warnung?"
"Durchaus möglich. Allerdings irritiert mich die Art der Formulierung. Klingt etwas beiläufig, wie eine Kleinigkeit, die man nur nebenbei erwähnt."
"Also nur eine Streiterei zwischen Kriminellen; und der eine will dem anderen mit unserer Hilfe in die Pfanne hauen. Extra wie eine Nebensächlichkeit formuliert, damit man nicht erkennt, dass er auf unser Eingreifen abzielt."
"Allerdings - warum ist die Handschrift dann nicht steifer? Sie wirkt zwar unregelmäßig, aber nicht gezwungen..."
"Und warum unterzeichnet der Kerl mit X, obwohl er eindeutig in der Lage ist, normal zu schreiben?"
Frän schreibt die Botschaft auf ein separates Blatt ab, und geht sie Wort für Wort durch, in der Hoffnung, das entscheidende Indiz zu finden.
Interessante Fakten aus der achatenen Küche VI:Die Streifenpolypen, beziehungsweise die Quallen, die aus ihnen entstehen (die achatenen Galeeren) bilden, neben der Möglichkeit sich zu verstecken, die Nahrungsgrundlage für den Fisch. Außerdem sind auch die Quallen schwach giftig, allerdings braucht man schon viele achatene Galeeren um dieselbe Giftwirkung wie ein
Galeerenkapitän zu erreichen.
- Später Nachmittag -
Wir befinden uns in einem Saal. Er ist sehr festlich geschmückt, mit kleinen Fahnen, Wimpeln und einem "Hallo Wiener!"-Transparent. Eine Seite wird von einer Fensterfront definiert, die andere durch ein Büffet. Etwas mehr als die Hälfte der anwesenden Personen trägt schwarz.
Es ist noch relativ kühl im Raum, die Party hat eben erst begonnen. Einige Tische sind in der einen Hälfte des großzügig dimensionierten Saales verteilt.
Kathiopeja schaut sich interessiert um und beschließt dann, sich mitten ins Getümmel zu werfen. Sie trägt ein sehr schlichtes, dunkelgrünes Kleid, dass nicht im geringsten erahnen lässt, dass Kathiopeja ziemlich lange zur Auswahl gebraucht hat.
"Möchten sie einen Drink?", spricht sie mit einem Mal jemand von der Seite an. Kathi dreht ihren Kopf und sieht einen gut aussehenden, komplett in schwarz gekleideten Mann.
"Ja, bitte", erwidert sie.
"Einen Moment!" Der Mann geht Richtung Büffet.
Die Ermittlerin schaut ihm hinterher. Unwillkürlich kommt ihr Jack Narrator in den Sinn. Sie verscheucht den Gedanken, und legt sich schon einmal die passenden Fragen zurecht. Schließlich ist sie nicht zu ihrem Vergnügen hier, sondern um mit Hilfe ihrer im ganzen Saal verteilten Kollegen eine heiße Spur zu finden, um das geplante Attentat zu verhindern.
"Hier." Mit diesem schlichten Wort reicht der Mann Kathi ein Glas mit einer klaren, rosafarbenen Flüssigkeit. Kleine Bläschen sind zu sehen.
"Danke", entgegnet Kathiopeja und nippt vorsichtig daran.
"Wenn Sie etwas zum Essen möchten, wäre ich sofort bereit, Ihnen auch diesen Wunsch zu erfüllen. Allerdings sollte ich Sie darauf hinweisen, dass es nur Würstchen gibt. Es ist erstaunlich, wie geizig die Oberhäupter der Gilden beim Büffet waren."
Kathi nickt und versucht in Gedanken den Geschmack des rosa Sprudelzeugs einzuordnen.
"Und zu behaupten, dass das Servieren von Würstchen Tradition sei, das ist ja wohl die Höhe!"
"Aber wenn es doch Tradition ist?", fragt Kathi unsicher.
"Im ersten Jahr, in dem die Veranstaltung stattfindet?"
"Irgendwann müssen ja auch Traditionen beginnen."
"Eine gute Antwort", sagt der Mann und lächelt: "Wissen Sie, zuerst fand ich dieses "Hallo Wiener!"-Fest völlig daneben. Aber jetzt finde ich, dass an dem Gerede, dass die Assassinen- und die Diebesgilde eine Menge gemeinsam haben, doch etwas dran zu sein scheint."
Kathi schaut den Mann fragend an.
"Sie wissen schon; die Diebesgilde klaut diverse bewegliche Güter, die Assassinengilde raubt Leben. Wenn das mal keine Gemeinsamkeit ist!" Der Mann verbreitert sein Lächeln und macht einen Schritt näher zu Kathi und fügt, etwas leiser, hinzu: "Außerdem sind sie der beste Beweis, dass es in der Diebesgilde auch Menschen mit Manieren zu geben scheint. Die Hälfte der Anwesenden sind doch Proleten! Wie wäre es, wenn wir diese langweilige Party verlassen würden, und uns anderweitig vergnügen?" Er grinst.
Kathi versteinert für einen Moment. Dann hebt sie ihr Glas: "Warum nicht, was für eine Spitzenidee!"
Sie kippt das rosa Gesöff in einem Zug hinunter und wischt sich dann den Mund mit der Hand ab. Kathi grinst, der Sprudel tut seine Wirkung und sie stößt auf. Es ist kein Rülpser, mit dem man einen Wettbewerb gewinnen könnte, nicht einmal einer, der normalerweise extra erwähnt werden würde, aber er tut seine Wirkung.
Der Mann starrt Kathi angewidert an. Dann fasst er sich und sagt: "Oh... Mir scheint, ich habe vorhin beim Büffet etwas liegen lassen. Einen Moment!"
Er wendet sich ab und geht einige Meter, ehe er mit einer anderen jungen Frau ein Gespräch beginnt; es ist offensichtlich, dass er Kathi kein zweites Mal beehren wird.
Die Ermittlerin atmet innerlich auf. Nicht nur, dass sie keinesfalls vor hat, sich mit einem wildfremden zu 'vergnügen', sie will auch nicht, dass einer ihrer Kollegen auf die Idee kommt, dass sie im Genuss besserer Bildung gekommen ist. Kathi stammt nämlich aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie; das muss ja nicht jeder wissen.
- Mittag -
Wir befinden uns in einem relativ kleinen Raum. Jemand hat alle normalerweise im Raum stehenden Möbelstücke an die Seite gerückt und teilweise aufeinander gestapelt, so dass siebzehn Leute, mehr schlecht als recht, im Abteilungsleiterbüro Platz finden.
Die interne Versammlung der Mitglieder der Abteilung RUM ist schon eine Weile im Gange.
"Man plant WAS?!", fragt jemand von weiter hinten noch einmal, um ganz auf Nummer sicher zu gehen.
"Einen Anschlag auf Lord Witwenmacher. Frän Fromm war so freundlich den Hinweis auszuwerten, den Thask heute Morgen aus dem toten Briefkasten geholt hat", erklärt Humph und fügt hinzu: "Außerdem hat sie uns auf die Idee gebracht, diesen Herrn hier suchen zu lassen."
Humph schaut zu dem einzigen Stuhl inmitten im Zimmer, auf den ein Mann sitzt.
"Hallo zusammen!", begrüßt dieser alle fröhlich.
Der Chef räuspert sich: "Wenn Sie so freundlich wären den anderen Mitgliedern der Abteilung mitzuteilen, was sie vor einer Weile mir erklärt haben."
"Oh, ja. Natürlich. Also, hallo alle zusammen, mein Name ist Gezeichnet X und ich wurde vor siebenunddreißig Jahren in Überwald geboren. Und ja, meine Eltern haben einen sehr seltsamen Humor. Als ich ein Jahr alt war..."
Humph räusperte sich erneut: "Ich habe eigentlich die etwas aktuelleren Ereignisse gemeint."
"Ach soo. Ich hab da son Kumpel. Der will den ollen Witwenmacher umnieten. Heute auf der Party. Zumindest hat er das vor einer Woche nach nem Gläschen zu viel behauptet."
Murmeln erhebt sich unter den Wächtern, ebbt aber wieder ab, als Humph die Hand hebt.
Jemand meldet sich: "Chef! Gibt es nicht noch mehr Informationen? Wie sieht denn der Mörder aus? Was sind seine Motive?"
"Das wüsste ich selbst gerne", meint Humph und schaut zu X.
Dieser grinst und sagt: "Das kann ich mir denken. Aber mehr werdet ihr wohl nicht aus mir heraus bekommen. Ich bin freiwillig hier, also dürft ihr mich nicht einfach festnehmen und verhören. Ich kenne meine Rechte. Außerdem ist der Typ seit vorgestern mein Schwager. Hat erst meine Schwester geschwängert und dann geheiratet. Ich kann zwar nicht verstehen, was sie an dem Typen findet, aber ihr zuliebe drehe ich ihm nicht die Gurgel um. Ich lass das lieber euch erledigen. Wenn ich aber mehr erzählen würde, als ihr eh schon wisst, dann würde meine Schwester sofort schlussfolgern, dass ich ihn verraten habe und wäre nicht sehr begeistert. Bei eurem jetzigen Wissensstand hätte es auch jeder beliebige andere sein können - ihr könnt ihn ja nicht einfach aus der Menge picken. Ich werd' den Typen los und meine Schwester kann sich nich' beschweren. Und weil er ja mein Schwager und somit ein Verwandter ist, kann ich euch so viel Info vorenthalten, wie ich will. Übrigens, schickes Büro. Wollte schon mal immer so eines sehen. Kenne bisher nur die Zellen. Oh, darf ich mir eine anzünden?"
"Nein", erwidert Humph
"Wieso fragen wir ihn nicht noch ein wenig
höflicher?", erkundigt sich jemand.
"Weil das meines Erachtens nicht notwendig ist", behauptet Humph: "Es ist aus berechtigten Gründen anzunehmen, dass es sich beim Attentäter nicht um das gescheiteste kriminelle Subjekt han... Herr X, wären Sie so freundlich den Finger aus der Nase zu nehmen?!"
"Das ist nur eine Ersatzhandlung, weil ich nicht rauchen darf."
"Dann eben nicht", seufzt Humph ungehalten: "Auf jeden Fall sollten wir durchaus in der Lage sein, das Attentat verhindern, wenn wir sämtliche momentan freien Kräfte unserer Abteilung auf diese Sache fokussieren. Also alle, die derzeit keinen Urlaub haben."
"Auch Gefreite Baum?"
"Natürlich, warum nicht?"
"Weil sie nicht da ist."
"Was?", MeckDwarf zählt noch einmal alle Anwesenden durch: "Tatsächlich. Weiß jemand den Grund für ihre
Abwesenheit?"
"So ein
Problembär!", ruft Gezeichnet X.
"Was?"
"Na, sie haben doch von Gefreiter Bär geredet."
"Baum, sie heißt Baum. Haben Sie etwas an den Ohren?!"
Plötzlich schießt eine Hand nach oben.
"Was denn jetzt? Warum werde ich immer unterbrochen", fragt Humph ungehalten.
"Gefreite Baum ist soeben angekommen, Sir."
Besagte drängt sich zwischen ihre Kollegen nach vorne und grinst den Chef leicht beschämt an.
"Gefreite, sag mir mal bitte einen guten Grund, warum du erst jetzt auftauchst."
Lilli rollt genervt mit den Augen, greift dann in die Hosentasche und fördert einen Pfefferstreuer und ein stark zerknittertes Papier hervor. Zweiteres reicht sie an Humph, der es still studiert.
Er hebt eine Augenbraue: "Also, dass du nicht kochen kannst, dafür hättest du dir auch bei der Kantinenfrau eine Bestätigung holen können. Aber warum besuchst du einen Kochkurs, statt dich einsatzbereit zu halten?"
Lilli greift erneut in die Hosentasche und zieht einen zweiten Zettel hervor und reicht auch diesen an Humph. Dieser studiert auch diesen leise.
"Hm... Okay, du hast dich ordnungsgemäß 'zwecks Fortbildungsmaßnahmen' freistellen lassen. Das nächste Mal mach das aber bitte entweder in deiner Freizeit, oder wenn weniger los ist."
Er reicht die Zettel wieder an Lilli. Einen Augenblick lang schießt ihm die Frage, was ein Kochkurs mit verdeckter Ermittlung zu tun hat, in den Kopf, er vertagt sie aber auf später und fährt mit dem eigentlichen Thema fort.
"Also Wächter, wir werden uns um diesen Hinweis kümmern und heute noch die Feier der Assassinen- und Diebesgilde von der ich euch zu Beginn erzählt habe, besuchen und das Attentat verhindern."
"Chef, wäre das nicht eher ein Fall für DOG?"
"Nein!", entgegnet Humph: "Es handelt sich um einen geplanten
Mord also sind doch eindeutig wir zuständig."
Zustimmendes Gemurmel.
"Außerdem sind wir geradezu für diesen Fall prädestiniert. Fast jede Spezialisierung in dieser Abteilung hat damit zu tun, wie man die Leute glauben lässt, dass man kein Wächter ist. Selbst unsere normalen Ermittler wissen wie man verdeckt agiert - denn wie sonst sollten sie mit den Kontaktern Kontakt aufnehmen. Nur RUM, nur wir allein sind in der Lage dieses Attentat zu verhindern! Oder ist jemand anderer Meinung?"
Niemand meldet sich.
"Dann wäre das wohl geklärt."
Als alle anderen Abteilungsmitglieder verschwunden sind, nachdem Humph noch verschiedene Instruktionen erteilt hatte, wendet sich Romulus an den Abteilungsleiter: "Kann es sein, dass wir den Fall nur übernehmen, weil eine Inspektion ansteht?"
"Nein, wie kommst du nur darauf?", entgegnet Humph und macht sich an dem gestapelten Inventar zu schaffen: "Aber du könntest mir eben kurz helfen, mein Büro wieder in Ordnung zu bringen."
Interessante Fakten aus der achatenen Küche VII:Das achatene Zwerghuhn wirkt auf den ersten Blick wie ein normales Huhn, nur eben kleiner. Das Fleisch ist fest und zart, wenn zubereitet, und zeichnet sich durch ein sehr nussiges Aroma aus. Dennoch wird das achatene Zwerghuhn öfter als Haustier und nicht als ein Nutztier gehalten.
- Später Abend -
Wir befinden uns in einem großen Saal. Die Temperatur ist hoch, ebenso die Luftfeuchtigkeit. Die Party ist im vollen Gange.
Rabe Raben, Ermittler in Ausbildung schaut sich um. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, hat er den Großteil des Abends nicht damit verbracht, sich zu unterhalten, um so vielleicht auf eine heiße Spur zu kommen. Denn schon allein der Gedanke, so zu tun, als würde er einen von den Gaunern hier mögen, war ihm höchst zuwider.
Sie mochten zwar in der Gilde sein, sie mochten sich zwar an strenge Quoten halten, aber trotzdem raubten und mordeten sie. Das waren nichts weiter als Verbrecher - und er war dazu genötigt, ein Attentat auf den größten von ihnen zu verhindern.
Darum hat er bisher jedes längere Gespräch vermieden und schaut sich stattdessen im Saal um.
Hinten, direkt am Tisch von Lords Witwenmacher sitzt Ophelia Ziegenberger, in einem aschefarbenen Kleid, anhand der Bordeauxfarben schimmernde hochgesteckte Haare leicht zu erkennen.
Eine gute Idee, wie Rabe findet. Der Attentäter musste erst an der erfahrenen verdeckten Ermittlerin vorbei, ehe er Lord Witwenmacher bedrohen konnte.
Seine Freundin Kathi (in grün) steht zusammen mit Romulus (in einem grauen Anzug) ebenfalls in der Nähe des Gildenleiters. Beide scheinen sich miteinander zu unterhalten; zumindest kommt es Rabe von seinem Standpunkt aus so vor.
Thask, in dem schwarzen Anzug noch vampirhafter, hat den Raum schon vor einer Weile wieder verlassen. Zum einen weil sein Eigengeruch Ermittlungsarbeiten verhindert hat, zum anderen, um draußen Wache zu halten. Rabe weiß das, weil beide miteinander einige Worte gewechselt haben; Thask bat um etwas zum Feuer machen; eine Zigarette im Mundwinkel wäre die ideale Ausrede, um die Anwesenheit draußen zu erklären.
Notfalls würde er sich aber auch mit Kolumbini unterhalten können, der ebenfalls vor einer Weile den Saal verließ, um den Ausgang zu bewachen.
Frän und Herold, beide in schwarz, haben sich offensichtlich zusammengetan und löchern gemeinsam einen armen Dieb, der zur falschen Zeit am falschen Ort war.
Andererseits ist Mitleid unangebracht - vielleicht hat dieser die heiße Spur. Zumindest hofft Rabe, dass die geballte Trickkiste zweier Püschologen diesem Fall ein baldiges Ende setzt.
Ilona, in der Nähe der Fenster, trägt ein sehr modisches Kleid, in einem sehr kräftigen Schwarz. Es leuchtet mehr als die anderen Schwarztöne im Saal. Und der Schnitt wirkt sehr modern. Sie ist von einer größeren Zahl Männer umringt und unterhält sich angeregt, anscheinend hat die sonst recht schüchterne Ilona etwas mehr als sonst getrunken. Doch Rabe macht sich keine Sorgen um sie, denn Pyronekdan ist einer der besagten Männer; er würde auf seine Kontakterkollegin schon acht geben.
Septimus Ebel, Amok Laufen und Ayure Namida bilden ein Dreiergrüppchen, dass eben einen Kellner umringt. Ayure trägt einen schwarzen Rock und eine dunkelrote, ärmellose Bluse, Septimus eine schwarze Kutte, Amok eine schwarze Hose und ein schlichtes Hemd. Alle drei wirken von der Kleidung her etwas fehl am Platz, benehmen sich aber als Gespann absolut natürlich.
Rasmus steht bei einer Gruppe junger Damen, während Magane sich über Schusswaffen unterhält. Sie steht in Rabes Nähe, deswegen bekommt er Gesprächsfetzen mit.
Der Chef sitzt am Tisch mit Flanellfuß Bogis. Sollte es wirklich zu einem Attentat kommen, dann würde Humph dem Chef der Diebesgilde ein glaubhaftes Alibi für die Feier geben können.
Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn tatsächlich jemand Lord Witwenmacher angreifen und das Bogis in die Schuhe schieben würde.
Wobei an Rabe aber auch noch der Gedanke nagt, dass es totaler Schwachsinn ist, in einem Saal voller Diebe und Assassinen den Oberassassinen anzugreifen. Ein Attentat hier, an diesen Ort, dass war vollkommener Blödsinn. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass irgendjemand aus einer der Gilden sich an Witwenmacher vergreifen würde. Die Assassinen wussten, dass ihr Chef ihnen überlegen war; und die Mitglieder der Diebesgilde hatten doch davon nichts. Wenn der Bogis die Schuld bekam, konnte zwar jemand anderes aufsteigen - aber direkt Bogis umzulegen muss doch viel einfacher sein, als sich an Lord Witwenmacher zu vergreifen.
Rabe lässt seinen Blick wieder schweifen. Er bleibt am Büffet hängen, wo Lilli Baum steht. Er blinzelt ein, zweimal, denn der Anblick irritiert ihn etwas. Denn Unerwartetherweise trägt sie nichts grünes, sondern ein Zitronengelbes Kleid.
Außerdem wedelt sie mit einem Arm heftig auf und ab.
Rabe kneift seine Augen zusammen. Was macht sie da?
Vielleicht hat sie ja eine Spur. Der Ermittler in Ausbildung setzt sich in Bewegung, zu Lilli hinüber. Ein wenig später stellt er fest, dass sie nur ein Würstchen kräftig pfeffert.
Hinter dem Büffettisch, auf der der Wand zugewandten Seite, steht ein Koch, der etwas grimmig wirkt. Das Büffet besteht seltsamerweise ausschließlich aus Würstchen. Vielen Würstchen. Und der Koch bereitet sogar noch mehr zu. Eben hat er auf einen kleinen Rost einige Bratwürstchen, die er grillt.
Rabe tippt seiner Kollegin auf die Schulter, die sich zu ihm umdreht.
"?"
"Du weißt schon, dass wir nicht hier sind, um das Büffet leer zu essen."
Lilli nickt, beißt dann aber ihr stark gepfeffertes Würstchen ohne eine Miene zu verziehen.
"Was suchst du eigentlich hier?"
Lilli zuckt mit den Schultern. Dann geht sie in die Knie und schaut unter den Tisch. Sie erhebt sich wieder und zuckt erneut mit den Schultern.
"Also, sich unter dem Tisch zu verstecken wäre sogar dann hirnrissig, wenn hier Tischdecken wären."
Der Koch wendet währenddessen seine Würstchen auf dem Rost.
Lilli grinst Rabe verlegen an.
"Komm, lass uns gehen. Der Dieb versteckt sich wohl kaum in einem Würstchen", witzelt Rabe, doch Lilli reagiert mit weit aufgerissenen Augen.
Sie schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn und zeigt dann auf das Büffet.
"Was willst du?"
Die Gefreite seufzt und will in ihre Hosentasche greifen, als ihr klar wird, dass sie ein Kleid trägt und ihr Schreibzeug nicht bei sich hat.
Einen Moment runzelt sie die Stirn, scheint angestrengt zu überlegen. Sie schaut Rabe an und hält zwei Finger in die Höhe.
"Hm? Ich verstehe nicht."
Lilli seufzt, überlegt erneut einen Moment lang und tut dann so, als würde sie sich an etwas unsichtbaren entlang tasten.
Rabe schaut sie leicht pikiert an: "Willst du etwa unter die Pantomimen gehen?"
Die Gefreite schüttelt energisch den Kopf. Dann tut sie erneut so, als wäre eine unsichtbare Mauer da.
"Ach so! Du spielst mir etwas vor und ich muss erraten, was du darstellst."
Rabes Gegenüber nickt strahlend. Dann hält sie wieder die zwei Finger hoch.
"Hm... Zwei Worte?"
Erneutes Nicken.
Dann hält Lilli einen Finger hoch und schüttelt den Kopf. Dann hebt sie zwei hoch und nickt.
"Wir fangen mit dem zweiten Wort an?!"
Die Gefreite bejaht mit einem strahlenden Lächeln.
Dann zeigt sie auf das Büffet.
"Hm? Meinst du "Büffet"?"
Kopfschütteln.
"Dann vielleicht den Tisch?"
Lilli wirft Rabe einen finsteren Blick zu.
"Hm... ist wohl etwas nahe Liegendes... du meinst die Würstchen, oder?"
Die Gefreite klatscht freudig in die Hände und nickt.
Dann zeigt sie wieder einen Finger.
"Gut, das erste Wort also."
Die Gefreite geht zum Büffet, nimmt sich ein schon kaltes Würstchen und hält es dem Obergefreiten hin.
"Was? Ich weiß nicht, was du damit meinst."
Lilli hält das Würstchen mit einer Hand hin, setzt das breiteste Grinsen auf, dass der ehemalige Wasserspeier je gesehen hat. Dann dreht sie sich um 180 Grad, aus dem gewaltigen Grinsen wird ein kleines. Die Hand mit der Wurst ist immer noch ausgestreckt.
Dann greift sie mit der anderen Hand die Wurst, nimmt sie sich selbst aus der einen Hand und beißt hinein.
Sie verdreht die Augen, greift sich ans Herz und deutet theatralisch eine Sterbeszene an.
Rabe muss unwillkürlich grinsen: "Man könnte fast meinen, dass du ein Würstchen von Schnapper gegessen hast."
Die Gefreite nickt heftig.
"Was? Du meinst Schnappers Würstchen? Moment... Meinst du etwa, jemand hat ein paar Würstchen von Schnapper eingeschmuggelt und will damit Lord Witwenmacher um die Ecke bringen?"
Nicken.
"Dann muss ich dich aber enttäuschen, Lilli. Schnappers Würstchen sind zwar grauenhaft, aber tödlich sind sie höchstens, wenn man versehentlich eines essen sollte. Und Lord Witwenmachen scheint mir nicht so dumm zu sein, freiwillig eines zu sich zu nehmen."
Lilli lässt enttäuscht die Schultern hängen.
Währenddessen tritt einer der Kellner an den Büffettisch und sagt zum Koch: "Hey, reich mal drei warme Würstchen herüber. Witwenmacher hat Hunger."
"Kein Ploblem!", entgegnet der Koch: "Lass mich nul noch meine spezielle Soße dalauf stleichen."
Er entstöpselt ein kleines Gefäß und taucht ein Messer hinein.
Lilli dreht sich um und schnuppert. Den Geruch kennt sie doch! Sie beugt sich weit vor um den berauschenden Duft in vollen Zügen zu genießen. Mitten in der Pose verharrt sie.
"Hey, was ist los?", fragt Rabe und schnippt ein paar Mal mit den Fingern, als Lilli sich überhaupt nicht mehr rührt: "Aufwachen!"
Der Koch starrt entnervt zu beiden hinüber, schließlich hat sich Lilli sehr nah an seine Würstchen gebeugt.
Plötzlich hat Rabe einen Einfall und greift nach dem Pfefferstreuer, mit dem Lilli zuvor ihr Würstchen gepfeffert hat. Er benutzt ihn großzügig, und wenige Augenblicke später beginnt Lilli heftig mehrmals zu niesen. Auf die Würstchen mit der Soße verteilen sich tausende feinste Speicheltröpfchen.
Man hört ein scharfes Zischen und binnen Sekunden zerätzt das Gift in der Kapitänssoße die Würstchen völlig.
Einen Moment lang starrt Rabe das Ganze fassungslos an, der Koch jedoch wird bleich und dreht sich fliegenden Absatzes um und sprintet davon.
"Halt!", brüllt Rabe und läuft dem Koch hinterher. Dieser schlägt einige Haken, doch es stellen sich dutzende von Personen in den Weg. Binnen Augenblicken ist der Koch eingekesselt und Rabe stellt ihn: "Hiermit sind Sie festgenommen. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern."
Im Hintergrund hört man immer noch Lilli niesen.
Etwas später, die Wächter sind schon auf den Rückweg, wendet sich Humph an Rabe: "Gut gemacht, ohne dich hätten wir den Attentäter nie gefasst. Das war genau das, was ich heute Mittag meinte: Selbst unsere normalen Ermittler haben das gewisse Etwas, wenn es ums verdeckte Agieren geht."
"Ich fürchte, ich hatte nur Glück, Chef. Wäre der Koch nicht in Panik geraten, sondern wäre da geblieben und hätte darauf beharrt, dass er das Kieselpräparat noch hinzufügen wollte, dann hätten wir ihm nicht ohne weiteres ein Vergehen nachweisen können."
"Das Glück ist aber stets mit den Tüchtigen."
- Früher Morgen -
Wir befinden uns in einen mittelgroßen gekachelten Raum. Fremdländische Gerüche gibt es hier, und man könnte fast vergessen, dass man sich in Ankh Morpork befindet.
Ein gutes Dutzend Leute hält sich im Raum auf, allesamt mit Küchenschürze und Kochmütze beziehungsweise Haarnetz. Eine Person tut sich besonders hervor mit ausgeprägten achatenen Gesichtszügen. Und einen gewaltigen gezwirbelten Schnauzbart, der für sich allein schon sehr imposant wirkt.
Es handelt sich um die letzte Lektion 'Achatisch Kochen fül blutige Anfängel' und der Meisterkoch hält gerade seine Abschlussrede: "Liebe Schülel, ihl seid jetzt keine blutigen Anfängel mehl, ihl seid jetzt andelen Köchen übellegen. Weswegen ihl auch bald eulel Übellegenheitszeltifikat elhalten weldet. Zuvol möchte ich euch abel dalan elinneln, dass das Frlühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages ist; ich habe diesen Kuls nicht ohne Glund immel so flüh abgehalten."
"Ach, ich habe immer gedacht, der Kurs ist morgens, weil sie den Rest des Tages ein Restaurant führen."
Allgemeines Gelächter erhebt sich im Raum und der Meisterkoch verzieht verdrießlich sein Gesicht: "Nicht lachen! Luhe! LUHE! Odel wollt ihl nicht eule Abschlussbestätigungen?! Ihl wollt doch nicht ewig miese Gelegenheitsköche bleiben, odel?!"
Schweigen. Trockenes Husten. Noch mehr Stille.
"Geht doch!"
Der Meisterkoch hebt seine Nase noch ein Stück höher und zaubert einen Packen Blätter hervor. Reihum geht er zu jedem seiner Schüler und reicht ihm sein Zertifikat mit einem Händeschütteln.
Bei einer Schülerin rümpft er aber fast schon empört die Nase und reicht ihr ein Zertifikat, dass sich deutlich von den anderen unterscheidet. Er verzichtet auch aufs Händeschütteln.
Verwirrt betrachtet diese das Stück Papier und liest in großen Lettern '
Unterlegenheitszertifikat'. Fragend sieht sie den Kochlehrer an.
"Was schaust du so? Du hättest doch elwalten müssen, dass du kein Übellegenheitszeltifikat bekommst! Du bist ein echt miesel Koch!
Gelegenheitskoch wäle bei dir noch eine Schmeichelei! Deine Gelichte sind so ungenießbal, dass man einen Walnhinweis dalan anblingen müsste! Du bist selbst dem schlechtesten Hobbykoch noch untellegen!"
Die Schülerin verschränkt beleidigt die Arme.
"Du bist absolut unfähig! Letzte Stunde hast du eine ganze Tasse Chilipulvel hinzugegeben, statt einel Messelspitze! Und dann elst deine Cullyeskapaden! Wenn ich nul dalan denke, will ich wiedel ins Klankenhaus!"
Lilli seufzt resigniert. Dieser Typ hätte sich ja bei den Würzangaben etwas genauer ausdrücken können, dann hätte sie nicht selbst die Initiative ergreifen müssen. Außerdem findet sie, dass ein Gericht gar nicht genug Gewürze enthalten kann. Als Baum weiß man zusätzliche Nährstoffe immer zu schätzen. Dass Menschen aber solche Banausen sind und schon bei einer leichten Überdosierung, von ungefähr dem tausendfachen, zu brechen anfangen, das kann sie ja beim besten Willen nicht ahnen.
Der Meisterkoch wendet sich von ihr ab und verteilt weiterhin Überlegenheitszertifikate.
Irgendwann sind dann sämtliche Schriftstücke ausgegeben und der Achatene sagt: "Das wal's, hiermit seid ihl nun einem gewöhnlichen Hobbykoch übellegen - odel auch nicht."
Ein Seitenblick zu Lilli.
"Abel bevol ich euch gehen lasse, möchte ich euch noch eine achatene Zutat zeigen, die ihl noch nicht kennt. Diese Zutat ist so gefähllich, dass ihl eine besondele Lizenz blaucht, um sie einzusetzen. Lein zufällig biete ich den entsplechenden Kuls auch an. Ich lasse euch jetzt alle einmal an del Zutat liechen, damit ihl einen Eindluck bekommt, was euch entgeht, wenn ihl nicht meinen völlig übelteuel... ähm exquisiten Nachfolgekuls besucht."
Ein Stöhnen geht durch die Menge - es war keine Stunde vergangen, in denen der Lehrer keine Werbung für einen anderen Kochkurs oder sein Restaurant gemacht hatte - aber jener bleibt vollkommen unbeeindruckt und holt eine kleine Phiole heraus. Er entstöpselt sie.
Lilli ist schon seit langem für bestimmte Dinge weitaus empfänglicher als der Durchschnittsmensch; eine Notwendigkeit, da sonst keine Unterhaltung mit Pflanzen möglich wäre. Und so erreichen sie schon, noch bevor die Phiole auch nur in die Nähe ihrer Nase kommt, vielfältige Aromen: Der salzige Geschmack von Meerwasser; ein Hauch von Sonnenlicht, das alles zu durchdringen zu scheint; tiefes rauchiges Holzaroma; Seemannslieder; kalter pürierender Stahl. Scharf und mild zugleich, tausend irreale Eindrücke. Lilli ist schier überwältigt.
Als sie aber an die Reihe kommt, direkt an der Phiole mit der Kapitänssoße zu riechen, da überfluten sie die Reize derart, dass sie einen ganz verklärten Blick bekommt und vollkommen wegtritt.
"Hey! Hey! Aufwachen!", ruft der Koch und schnipst vor dem Gesicht der Gefreiten. Als dies keine Reaktion verursacht, und weil sich jene instinktiv die Phiole krallt, ruft er: "Pfeffel!" und jemand reicht ihn einen Streuer. Er macht reichlich Gebrauch.
Das erste was Lilli Baum wieder bewusst wahrnimmt, ist ein heftiges Kribbeln in der Nase.
Sie niest. Und dann wieder. Und noch einmal. Sie niest so sehr, dass ihre Augen zu tränen beginnen.
Der Koch entreißt ihr die Soße und meint dann: "Die bleibt bei mil! Nul elfahlene Köche wissen, wie man diese Zutat einsetzen muss, damit niemand davon stilbt. Das Zeug ist verdammt giftig. Und teuel! Eigentlich dülften Sie nicht einmal dalan liechen! Was fällt Ihnen ein?!! Sie Gelegenheitskoch, Sie!"
Unsanft packt er die immer noch niesende Lilli am Arm und bugsiert jene nach draußen. Um dann auch noch den Rest der Schülerschaft höflich, aber bestimmt, rauszuschmeißen.
Die Gefreite wirft einen Blick zurück und runzelt verärgert die Stirn. Dann steckt sie das dämliche Unterlegenheitszertifikat in die eine Hosentasche, und den halbleeren Pfefferstreuer (den ihr der Koch, anscheinend ohne nachzudenken, in die Hand gedrückt hat) in die andere.
Irgendwie wird sie jedoch von dem Gefühl beschlichen, dass das eigentlich erst der Beginn einer Geschichte war.
Interessante Fakten aus der achatenen Küche VIII:Man füttert das achatene Zwerghuhn mit einer besondern Mischung aus Kräutern, und mengt stets einige Kiesel bei. Die kleinen Steinchen helfen dem Zwerghuhn im Magen, die Kräuter zu zermahlen, schließlich hat es ja keinen Zahnapparat. Einige Stunden nach jeder Fütterung scheidet das Zwerghuhn dann eine grünlichbraune Substanz aus: Das Kieselpräparat.
Und das ist ein weiterer Grund, warum die Kapitänssoße und das Kieselpräparat nur mäßigen Erfolg in der außerachatenen Küche haben.
Abschließende Puzzlestü... ähm Bemerkungen für den interessierten Wächter:
- Die portugiesische Galeere ist die wohl bekannteste Staatenqualle. Ihre Nesselzellen enthalten ein sehr starkes Gift.
- Fugu, ein Kugelfisch, ist den meisten zumindest vom Hörensagen bekannt. Dieser hat nämlich giftige innere Organe; nur richtig zerlegt - die Arbeit von Profis - geht der Genuss von Fugu nicht tödlich aus.
- Wer einen Vogel hält, weiß, dass diese ab und an kleine Mengen Sand aufnehmen müssen, um ihre Nahrung zu verdauen. Aber man fand sogar schon Steine in Mägen von Dinosauriern.
- Am einunddreißigsten Oktober wird Halloween gefeiert. Das wisst ihr zwar alle sicher schon; allerdings denke ich, dass man eine etwas seltsam scheinende Bezeichnung in der Single spätestens jetzt verstehen sollte.
[1] Bringt-Alle-Umweltsünder-uM
Zählt als Patch-Mission.
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