Ein hilfreicher Aufstand

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von Korporal Hatscha al Nasa (DOG)
Online seit 30. 09. 2006
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 Außerdem kommen vor: Araghast BreguyarGoldie Kleinaxt

Eine neue Position in einer alten Abteilung. Doch was macht man mit der Verantwortung?

Dafür vergebene Note: 11

***Prolog***


DOG brauchte einen Fall. Einen großen Fall. Die Wächterin blickte resigniert auf die Akten, die auf ihrem Schreibtisch lagen. Alles erledigte Fälle ihrer Kollegen, aber es war nichts von großer Bedeutung dabei. Das war Teil des Tschobs eines stellvertretenden Abteilungsleiters. Man blickte hinter die Kulissen, konnte sehen, was die anderen so schafften. Und so erkannte Hatscha jetzt, dass die bisherigen Fälle die Chance der Abteilung nicht gerade erhöhten. Ein großer Fall musste her. Keine Streitschlichtereien in der Bäckergilde, keine Überprüfungen der Musikergilde. Wenn der Hauptfeldwebel Breguyar, der neue Abteilungsleiter der DOG, sah, was die Abteilung bisher geleistet hatte, würde er nur enttäuscht sein. Es lag also an Hatscha, die zu den Wächtern gehörte, die am längsten ihr Büro im Boucherie Rouge hatten, und jetzt von GRUND auch zur DOG zurückgekehrt war, etwas zu unternehmen, was der Abteilung nutzte, das wusste sie. Wenn nicht sie das konnte, wer dann?
Viel hatte sich für sie verändert, seit ihre Abordnung zu GRUND zu Ende war. Der neue Abteilungsleiter war da der geringste Wechsel. Hatscha war befördert worden, endlich. Sie war jetzt Korporal, nach eineinhalb Jahren hatte sie es wirklich geschafft. Dass Araghast Breguyar sie als seinen Stellvertreter ausgewählt hatte, tat sein Übriges, die Wächterin stolz zu machen. Das Vertrauen, das der ehemalige FROG in sie gesetzt hatte, ohne sie überhaupt wirklich zu kennen, die Verantwortung, die sie jetzt ein wenig hatte... zurecht? Hatscha dachte an ihre Zeit als Ausbilderin zurück. Auch Daemon musste ihr Vertrauen können, auch dort hatte sie Verantwortung - für die Rekruten, für ihre Ausbildung, für ihre Fehler. Sie nickte innerlich. Vielleicht war die Wahl ihres neuen Vorgesetzten nicht ganz blind gewesen.
Das brachte eine weitere Veränderung in ihr Wächterleben. Als Stellvertreterin musste sie ihr Büro im Hauptwachhaus am Pseudopolisplatz beziehen, um dort als Ansprechpartner der DOG für den Rest der Wache zu dienen. Sie war dort also auf sich allein gestellt, unterlag keiner direkten Überwachung von Araghast. Ob das so vorteilhaft war, wie es sich anfangs angehört hatte, wusste sie noch nicht. Die klaine krickentengrüne Kammer war nun ihr Heim in der Wache. Wenigstens hatte dieser Raum schon einen Namen und sie musste sich nicht erst wieder etwas überlegen, wie bei GRUND. Auch sonst unterschied sich dieses Büro ziemlich von ihrem letzten in der Kröselstraße und wohl auch von allen anderen im Hauptwachhaus. Das Flair des Boucherie Rouge hatte abgefärbt und dafür war Hatscha zumindest ein wenig dankbar. Sie hatte ihre Wackel-Wippe nie gerne verlassen nach all den Jahren, die sie darin gearbeitet hatte. Sogar eine Schlafmöglichkeit bestand in ihrem neuen Büro, wenn es sich auch nur um eine Pritsche handelte, deren Matratze nicht die bequemste war. Ansonsten befand sich ein großer Schreibtisch in der Mitte des Raumes, darauf stapelten sich gerade die Akten der erledigten DOG-Fälle und andere Unterlagen. Ein großer Schrank stand auch hier im Raum. Dort hatte Hatscha bereits einen großen Taschentuch-Vorrat angelegt. Sie konnte ja nie wissen, wann ihr die Dinger mal ausgingen. Neben der großen dunklen Holztür hing der Kopf eines Hirsches, dessen Geweih gerne als Kleiderständer benutzt wurde, wie im Moment, was der nasse Umhang der Wächterin zeigte. An der grün gestrichenen Wand hinter ihrem Schreibtisch war außerdem zwischen etlichen Jagdtrophäen ein großes Bücherregal mit etlichen Bänden über Gilden angebracht. Mittlerweile hatte sich Hatscha an die Blicke der toten Tiere gewöhnt, doch anfangs war sie fest entschlossen, allesamt rauszuschmeißen. Jetzt war sie eher der Überzeugung, dass das vielleicht Goldie und andere Störenfriede von ihrem Büro fernhalten könnte. Und von der Zwergin wurde sie in letzter Zeit oft genug gestört, da die Hauptgefreite ihre Ausbildung zum Dobermann übernommen hatte.
Das war wohl ein Nachteil an der Abgeschiedenheit des Pseudopolisplatzes vom Boucherie Rouge. Es war ein weiter Weg ins Viertel käuflicher Zuneigung, den Hatscha jedoch für ihre Ausbildung zurücklegen müsste. Kurzerhand hat sie Araghast gebeten, doch Goldie Kleinaxt, die ihr als Ausbilderin zum Gildenexperten zugeteilt worden war, in die Außenstelle des Boucherie zu versetzen. Immerhin standen hier der DOG zwei zusätzliche Büros zur Verfügung. Der Abteilungsleiter hatte den Antrag seiner Stellvertreterin genehmigt. Jetzt war Goldies Büro also direkt neben ihrem eigenen und trug den malerischen Namen "der sattelbraune Salohn".
Der Korporal blickte auf die Gildenblätter auf ihrem Schreibtisch, mit denen die Zwergin sie in letzter Zeit reichlich versorgt hatte. Sie nahm die Ausbildung sehr ernst. Hatscha seufzte, als sie an die langen und in ihren Augen überflüssigen Vorträge über Gerechtigkeit zurück dachte. Immerhin, sie hatte sie überstanden, ohne einzuschlafen. Zumindest war sie nicht so lange weggedämmert, dass es Goldie aufgefallen wäre. Sie seufzte noch einmal. Nicht jetzt. Es galt jetzt wichtigeres zu klären. DOG brauchte einen Fall. Einen Fall, mit dem die Abteilung doch noch eine Chance auf den Pokal am Ende des Jahres hatte. Einen wirklich großen Fall. Am besten mit Beschwörern. Oder mit Zauberern. Oder aber - ihre Augen leuchteten - mit Beschwörern und Zauberern!


***Rohrpost***


Fasziniert starrte der kleine Dämon den Zettel an, der soeben in den Rohrpostschacht geworfen worden war. Als Ziel war keiner der großen dummen Wächter angegeben worden, die man so schön ärgern konnte, indem man ihre Post an die unmöglichsten Stellen auf dem Schreibtisch versteckte oder ihnen an den Kopf warf. Nein, da stand groß und breit in einer Schrift, die er noch nie gesehen hatte, obwohl er sich jedesmal Mühe gab, sich die Schreibstile der Wächter zu merken, wenn er ihre Post las: "An die Dämonen". Ein Brief an ihn? Oder doch an seine Kollegen? An welche Dämonen? An die, die kleine Dienste für die Bürger der Stadt verrichteten, oder an die großen aus der Hölle, wo auch er ursprünglich herkam? Er beschloss, das ganze mit seinen Kollegen zu besprechen.

Wenig später saßen viele kleine, hässliche, dreckige Dämonen in einer kleinen versteckten Kammer und unterhielten sich angeregt. Die Kaffeedämonen beschwerten sich über die Unverschämtheiten, die sich einige Leute erlaubten, die Rohrpostdämonen lästerten über die schreckliche Orthographie in den Nachrichten, die Ikonographendämonen witzelten über allerlei Bilder von Toten, aber auch von nackten Frauen und dicken Männern. Wovon die Leute eben Ikonographien so anfertigten. Und all die anderen Dämonen hatten natürlich auch ihre Gesprächsthemen. Doch plötzlich kehrte Ruhe in die quirlige Menge ein. Ein Dämon mit seltsam weiblichen Konturen betrat die Halle. Alle rotglühenden Äuglein richteten sich auf den Neuankömmling, der jetzt vor einer Art Pult Stellung bezog.
"Reggie!", sagte er nur. Der Rohrpostdämon der Wache eilte aus den Reihen hervor und übergab dem Neuen einen Zettel. Dieser besah sich das Stück und dachte nach.
"Und darüber hast du dir jetzt Gedanken gemacht?", fragte der weibliche Dämon schließlich, nachdem er über den Inhalt der Meldung geschmunzelt hatte.
"Nun, Rybbi, du musst gestehen, die Bezeichnung 'an alle Dämonen' ist nicht sehr spezifisch. Wer weiß, wer damit gemeint sein könnte?"
Streng sah Rybea, wie die inoffizielle Anführerin der Hilfsdämonen der Stadt eigentlich hieß, Reggie an. "Alle bezog sich auf jeden Dämon. Das heißt, du bist auch angesprochen. Und ansonsten liest du doch auch jede Post, die dir in die Hände fällt und die annähernd interessant zu sein scheint." Süffisant sah sie ihn an. "Aber gut. Da du dich an mich gewendet hast und den dämonischen Rat einberufen hast, werde ich den Brief wirklich an alle zumindest hier anwesenden Dämonen richten. Also hört gut zu. Ich finde ihn gar nicht schlecht." Sie begann zu lesen.
Dämonen Ankh-Morporks!
Ihr werdet diskriminiert! Ihr habt keinerlei Rechte! Ihr seid von euren Beschwörern abhängig! Ihr werdet von allen beleidigt, ausgenutzt, zum Teil gegen schlechte oder gar keine Bezahlung! Tut etwas dagegen! Wehrt euch gegen eure Unterdrücker!
Ihr habt Geld. Wer Geld hat, kann in dieser Stadt alles erreichen. Jeder ist bestechlich, jeder will Geld. Also, schlagt die Leute mit ihrer eigenen Waffe. Macht ihnen das Leben in der Art schwer, wie ihr es ihnen auch leicht macht.
Ihr seid beschworen, um den Leuten zu helfen. Beschwört selbst, um euch zu helfen!

Die Dämonen im Raum schwiegen. Dann, nach und nach, fingen die ersten unsicher an zu jubeln. Der Rest stimmte einfach mit ein. Was wirklich in dem Text stand, hatten die wenigsten mitverfolgt. Aber er klang gut. Also musste man doch jubeln. So gehörte sich das. Ein grausamer Lärm erhob sich. "Recht hat er!" "Worauf warten wir noch?" "Nieder mit der Rasselbande!" "Die haben gegen uns eh keine Chance!"
Vorne am Sprechpult richtete Rybea sich leise an Reggie. "Woher kommt das Schreiben? Du musst doch wissen, wer das eingeworfen hat."
"In dem Fall leider nicht. Es sind viele Wächter im Wachhaus, viele, die ich nicht kenne. Das einzige, was ich weiß, ist, dass der Brief aus dem Erdgeschoss kam. Die Schrift ist mir noch unbekannt. Es muss ein Neuer gewesen sein."
Rybbi nickte. "Dann verstehe ich den Brief nicht. Aber er klingt gut. Verdammt gut!"


***Ausbildung***


Ächzend unter dem Gewicht der Akten stieß die Zwergin die Tür zum Büro des Korporals mit einem freien Fuß auf. Auf ihren beiden Armen trug sie einen Stapel von Mappen, der so hoch war, dass gerade noch ihre Nase darüber hervorschaute. Ihr langer Bart mit den feinen Zöpfchen war gänzlich hinter dem Papier verschwunden. So konnte auch niemand die vielen Staubflocken sehen, die sich darin verheddert hatten, als sie stundenlang im Archiv im Keller nach wichtigen Informationen gesucht hatte.
Als sie in den Raum eintrat, dessen Tür sie gerade aufgetreten hatte, blickte Hatscha sie mit einem resignierten Blick an. "Ich bringe dir wichtige Akten über die Dämonologengilde. Mein Informant hat mich vorgewarnt, dass da jetzt etwas anstehen könnte. Vielleicht wird ja ein Fall daraus. Außerdem hast du dich den Beschwörern sowieso noch nicht gewidmet. Also kann es ja nicht schaden, wenn du gut vorbereitet bist, falls du den Fall bekommst."
"Was bitte ist die Dämonologengilde?", fragte Hatscha verwirrt.
"Die beschwören die ganzen kleinen Hilfsdämonen, wusstest du das nicht?" Goldie sah sie mit großen Augen an.
"Ich war bisher davon ausgegangen, dass das die Beschwörer machen."
"Die Beschwörer machen alles, nur nicht beschwören!" Die Hauptgefreite ließ den Stapel auf den Schreibtisch der stellvertretenden Abteilungsleiterin von DOG fallen und wirbelte damit jede Menge Staub auf, der diese sofort zum Niesen reizte. "Oh, Verzeihung."
Hatscha nahm sich ein Taschentuch und lächelte ihre Ausbilderin an. "Ich bin es ja gewohnt."
"Gut. Bei Fragen weißt du ja, wo du mich finden kannst. Ansonsten musst du dich eben im Gildenarchiv umsehen."Beim Wort Gildenarchiv leuchteten die Augen der Zwergin auf. Es war ihr Heiligtum, das sie Hatscha auch genau so präsentiert hatte. Es war ein feierlicher Akt gewesen, als sie beschlossen hatte, ihre Schülerin in die Weiten der Regale mit den Schriften über die Gilden einzuführen. Nichts war wichtiger für einen Dobermann als dieses Archiv. Es war seine Ermittlungsgrundlage. Ohne diese Informationen war ein Gildenexperte machtlos! Kein Informant, kein verdeckter Ermittler konnte über all dieses Wissen verfügen und hier, im Gildenarchiv, war alles gesammelt. Diese Datenansammlung auf so wenig Raum ließ eine Stimmung entstehen, die einem Besucher das Gefühl vermittelte, als könnten er das Wesen der Gilden spüren. Goldie war stolz, dieses Gefühl empfinden zu können.
Sie hatte dem Korporal alles über Gilden erzählt, was sie wusste. Zum Teil sogar noch mehr. Die Vorschriften besagten schließlich, dass es ihre Aufgabe als Ausbilderin war, Hatscha alles beizubringen, was zum Tschob eines Dobermanns gehörte. Vieles davon wusste die Stellvertreterin von Araghast natürlich schon aus ihrer Zeit als Husky, aber auf ihre Anmerkungen in diese Richtung ging Goldie nicht ein. Man konnte so etwas nie oft genug lernen. Die Zwergin vertrat die Überzeugung, dass wichtige Sachen sich ins Gehirn einbrennen mussten. Und das konnten sie nur, wenn man sie immer und immer wieder wiederholte. Das galt auch für einen erfahrenen Wächter, selbst wenn dieser ständig beteuerte, das schon zu wissen. Sie ließ nicht locker und versorgte Hatscha stets mit vielen neuen und alten Informationen über die Gilden und die Informanten. Dabei war natürlich viel Wissen, mit dem man nicht viel Anfangen konnte, beispielsweise dass der Leiter der Dämonologengilde ein Gelegenheitskoch war. Goldie war der Meinung, als sie auf diese Information bei ihrer Recherche gestoßen war, dass das durchaus interessant sein könnte, wenn sie tatsächlich bald in einem Fall mit dieser Gilde zu tun bekommen würden.
Die Zwergin grüßte Hatscha noch, die sich bereits über die Akten gebeugt hatte, die die Hauptgefreite ihr soeben gebracht hatte, und verließ dann guten Gewissens das Büro. Nie würde sie erfahren, dass der Korporal kaum eine der Mappen wirklich aufmachte und las, sondern nur schaute, wo etwas interessantes drinstehen könnte.


***Verdeckte Ermittlung***


Patrick blickte aus der Dunkelheit unter seiner schweren Kapuze in den mit Teelichtern und langen, schwarzen Kerzen schwach erhellten Raum. Innerlich fluchte er über den lästigen bauschigen kratzenden Bart, den er sich zu seiner Ermittlung anlegen musste. Leise murmelte er seltsame Wortfetzen und hoffte, damit die Beschwörung, an der er gerade als verdeckter Ermittler teilnahm, nicht zu zerstören. Aber da das Wissen, das er sich mittlerweile über die Dämologengilde angeeignet hatte, besagte, dass es bei diesen Ritualen recht egal war, was man sagte, sofern nur die Stimmung im Raum und in einem selbst passte, machte er sich in diese Richtung keine großen Gedanken. Außerdem reichte es, wenn genug andere Dämonenbeschwörer anwesend waren, da kam es nicht darauf an, ob einer etwas falsch machte. Also beobachtete er die Umrisse der in Kutten gehüllten Personen, die mit ihm zusammen einen Kreis um ein mit weißer Kreide gezeichnetes Oktagramm bildeten und seltsame Formeln brummelten.
Patrick wusste, dass er ein guter Husky war, sonst hätte er nie das Patch bekommen. Also war er genau der richtige gewesen für diesen Tschob. Der neue Abteilungsleiter hatte schon gewusst, warum er ausgerechnet ihn ausgewählt hatte, dachte der Lance-Korporal selbstbewusst. Oder lag es doch daran, dass Khai verschwunden war, Arwan in einem anderen Fall steckte und sonst kein anderer Husky der DOG zur Verfügung stand, seit Hatscha ihre Umschulung begonnen hatte? Er schüttelte innerlich den Kopf. Ach was. Der Hauptfeldwebel hatte nur erkannt, dass Arwan schlichtweg zu unerfahren für so einen wichtigen Auftrag war und nur er, Lance-Korporal Patrick Nichts, diese Aufgabe wirklich gut bewältigen konnte.
Es war die plötzliche Abwesenheit der murmelnden Stimmen und das schlagartige Aufflackern der Kerzen um ihn herum, die ihn dazu veranlassten, wieder dem Ritual zu folgen. Alle Blicke richteten sich auf den Mittelpunkt des Kreises, auch der des Wächters. Das Oktagramm vor seinen Füßen fing an, oktarin zu leuchten und wurde stetig heller. Die Beschwörung war beendet. Jetzt galt es nur noch, das Ergebnis abzuwarten. Schließlich strahlte das Oktagramm so stark, dass der verdeckte Ermittler geblendet das Gesicht abwenden musste und nicht sehen konnte, wie sich in der Helligkeit etwas sehr großes materialisierte, das er für einen Bären gehalten hätte. So sah er nicht, was die Leute um ihn herum beschworen hatten, konnte also nur aus seinen Informationen schöpfen, die er vor dem Ritual erhalten hatte. Und die waren nicht sehr aufschlussreich gewesen.
Das Strahlen des Oktagramms ließ wieder nach, die Kerzen erloschen. Es war stockfinster im Raum. Noch war der beschworene Bär im Kreis der Beschwörer gefangen, aber sobald einer das Oktagramm zerstörte, war er frei. Patrick verließ unauffällig den Raum, keiner der verhüllten Gildenmitglieder bemerkte etwas davon. Vor der Tür des Raumes sah er sich auf dem Gang um, konnte aber weit und breit niemanden sehen. Die Luft war rein. Er holte mit großen Schritten aus und stolperte über den ungewohnt langen Saum seiner Kutte. Der Lance-Korporal fluchte leise. Sowas hätte ihm als erfahrener Husky niemals passieren dürfen! Zum Glück hatte ihn niemand der anderen gesehen. Er wäre zum Gespött der gesamten Wache geworden. Mit etwas kleineren und vorsichtigeren Schritten machte er schließlich auf den Weg zum Boucherie Rouge.

Klitzegroß grinste, als er sah, wie der Kuttenträger auf dem Gang strauchelte. Er wusste, dass es sich nur um seinen Kollegen handeln konnte. Patrick wusste natürlich nichts von seiner Anwesenheit, er hätte sich nur beschwert, wenn er erfahren hätte, dass Araghast ihm nicht bis ins letzte Detail vertraute. Daher hatte der neue Abteilungsleiter den Gnom zur Unterstützung mitgeschickt. Außerdem konnte ihm ein bisschen Übung in der Ausbildung nicht schaden.
Er war die ganze Zeit im Raum gewesen, niemand hatte ihn bemerkt. Wie auch, es war zu dunkel gewesen, außerdem bot der Saum eines Beschwörers einen guten Schutz, selbst wenn es schlagartig hell wurde. Im Gegensatz zu dem Husky hatte er erkannt, was im Oktagramm entstanden war. Er hatte schlucken müssen, als er den Bären sah. Er war groß. Um nicht zu sagen riesig. Erst recht für einen Gnom. Schnell machte Klitzegroß sich daran, Patrick keinen zu großen Vorsprung zu lassen und ebenfalls ins Boucherie zu kommen. Der Hauptfeldwebel war bestimmt neugierig auf die Neuigkeiten. Außerdem musste doch irgendwer den Patzer des verdeckten Ermittlers an die Öffentlichkeit bringen.


***Bericht***


Der Hauptfeldwebel saß über ein beschriebenes Blatt Papier gebeugt an seinem Schreibtisch im "Drunter und Drüber" und las sich noch einmal die Notizen durch, die er sich vom Bericht von Patrick gemacht hatte. Er war froh, als der Lance-Korporal das Büro endlich verlassen hatte. Er konnte den Husky irgendwie nicht leiden. Aber er war ein wichtiges Bestandteil der Abteilung. Er zuckte mit den Schultern und ließ den Blick seines smaragdgrünen Auges durch den Raum schweifen. Er würde sich mit ihm arrangieren müssen.
Kurz besah er sich den mit schwerem schwarzen Stoff verhängten Spiegel an der einen Wand, wandte sich aber sofort wieder davon ab. Hatte Hatscha beim Bewerbungsgespräch damals Verdacht geschöpft? Hatte sie eine Ahnung? Nein, wohl nicht. Sie hatte wirklich eine der Näherinnen geschickt, um den Spiegel zu putzen, doch er, Araghast, hatte sie gleich wieder weggeschickt. Nicht, dass sie vielleicht etwas gemerkt hätte. Nein, das wäre nicht in seinem Sinn gewesen. Vielleicht sollte er doch den Spiegel abnehmen? Er schüttelte den Kopf. Wozu? So war es doch auch in Ordnung. Er mochte eben keine Spiegel, damit mussten sich die Abteilungsmitglieder eben abfinden.
Nachdenklich kraulte er Crunkers, der ihm zu Füßen lag und genüsslich schmatzte, als er das Frühstück des Abteilungsleiters fraß. Araghast hatte den Abteilungshund schnell ins Herz geschlossen. Das war der Vorteil an den Tieren, dachte er. Sie würden einen nicht so schnell verraten können. Ein Krächzen kam aus einer Ecke des Büros, als wollte seine Papageiendame diesem Gedanken zustimmen. Auch wenn Havelock Vetinari II. Durchaus imstande war, ein paar zusammenhanglose Sätze von sich zu geben, glaubte der Halbvampir trotzdem nicht, dass irgendwelche bösartigen Absichten dahinter steckten. Er betrachtete den Vogel, der gerade seine langen bunten Schwanzfedern durch den gekrümmten Schnabel zog und sie so glättete. Nein, bestimmt nicht.
Ein zartes Klopfen erklang von der Tür her. Araghast rief "Herein!", doch die Tür öffnete sich nicht. Stattdessen erklang eine leise, helle Stimme.
"Sir, könntest du mir bitte die Tür öffnen? Hier ist Klitzegroß!"
Der Abteilungsleiter der DOG seufzte und stand auf. Mit langen Schritten ging er zu seiner Bürotür und öffnete sie nur wenige Zentimeter. Eine kleine Gestalt trippelte zu seinen Füßen durch diesen Spalt und kletterte dann mühsam auf seinen Schreibtisch, wo sie umständlich salutierte.
"Ich bin von meiner Observierung in der Dämonologengilde zurück, Sir."
"Warst du nicht damit beauftragt, die Beschwörung zu beobachten, wo auch Patrick dabei war?"
"Ja, Sir."
"Wieso warst du dann nicht in der Beschwörergilde?"
Klitzegroß seufzte. Viele verstanden den Unterschied zwischen den beiden Gilden nicht. Obwohl er noch in der Ausbildung war, hatte er zumindest das schon gelernt. Aber er verzieh Araghast sein Unwissen. So lange war er noch nicht in der Abteilung. "Weil die Beschwörer eigentlich Scharlatane sind und daher die Dämonologen die Beschwörungen vornehmen", erklärte er geduldig.
"Achso, na, dann berichte. Was hast du gesehen, was hast du gehört? Viel hat Patrick ja nicht herausgefunden, außer, dass die Herrschaften etwas großes beschworen haben, was uns wohl ziemliche Probleme bereiten könnte." Er zog ein weißes Blatt Papier aus einem Stapel und nahm sich einen Stift zur Hand. Sein gesundes Auge starrte den Gefreiten gespannt an, der versuchte, seine gekrakelten Notizen zu entziffern..
"Nun, zuerst habe ich das Glück gehabt, noch mitzubekommen, wie das Gildenoberhaupt seine Anweisungen für die Beschwörung gegeben hat."
"War da etwas Interessantes dabei?"
Der Gnom sah auf seinen Zettel. "Nun, jetzt im Nachhinein betrachtet, wo ich das Ergebnis gesehen habe, ja. Und auch der Leiter der Gilde hatte betont, dass es ihn wunderte, dass kein Unterlegenheitszertifikat von dem Auftraggeber verlangt wurde."
Arghast blickte erstaunt auf. Sein gesundes Auge blitzte. "Dabei sollte so etwas bei so einer großen Beschwörung doch Standard sein, vermute ich mal."
Sein Gegenüber nickte. "Jedenfalls ist es sehr gefährlich, wenn der Dämon auskommt. Ihn dann noch zu bändigen, dürfte nahezu unmöglich sein."
Der Abteilungsleiter suchte sich einige Unterlagen zusammen. "In Ordnung. Aber bevor wir etwas unternehmen können, sag mir, was genau beschworen wurde. Bisher weiß ich nur, dass es ein sehr großer Dämon war."
Klitzegroß erinnerte sich kurz zurück und machte dann seinem Vorgesetzten eine Beschreibung des Bären. "Er war groß. Riesig. Wie groß genau, konnte ich von meinem Standpunkt aus nicht erkennen, da ich mich am Boden befand. Und von dort wirkt ja für gewöhnlich alles etwas größer. Es war ein zotteliger, ungepflegter Dämon, der die Gestalt eines Bären hatte. Mit rotglühenden Augen und einem verkrusteten Fell, soweit ich das erkennen konnte. Nett sah er jedenfalls nicht aus."
Araghast Breguyar hatte sich die Beschreibung notiert und nickte dem Gnom zu. "Gut, das sollte uns weiterhelfen. Geh bitte zu Laudes und lass ihn eine Nachricht zum Pseudopolisplatz zu Hatscha und Goldie schicken. Ich denke, das wird ein guter Fall für die Ausbildung meiner Stellvertreterin. Ich fürchte, wir müssen uns beeilen. Wer weiß, was der Dämon anrichtet, wenn er erstmal frei ist."
"Ja Sir!" Klitzegroß salutierte und kletterte dann vom Schreibtisch. "Äh, könntest du bitte...?", begann er und deutete mit einem bittenden Blick auf die Tür.
Der Abteilungsleiter der DOG erhob sich und öffnete den Ausgang für den kleinen Wächter.
"Danke."


***Die Gilde***


Die Zwergin legte die Nachricht wieder auf den Schreibtisch, nachdem sie sie gelesen hatte und blickte auf. Ihre Kollegin musterte sie und wartete auf ihre Reaktion. Dass die kleinen auch nie etwas richtig machen konnten!, dachte Hatscha bei sich. Kein Unterlegenheitszertifikat. Das grenzte an Selbstmord! Sie überlegte mit ihrer Ausbilderin zusammen das weitere Vorgehen.
"Jemand sollte in die Dämonologengilde gehen und versuchen, dass der Dämon niemals frei kommt."
"Ich befürchte, das lassen die Gildenmitglieder niemals zu. Außerdem sollten wir lieber damit rechnen, dass er längst auf freiem Fuß ist."
Hatscha nickte. Goldie hatte wohl recht. "Aber ich werde trotzdem versuchen, mit dem Oberhaupt zu reden, vielleicht kann ich wenigstens den Auftraggeber herausfinden." Was hatte sie bloß angestellt? Sie malte sich schon die schlimmsten Zukunftsvisionen aus. Aber hatte sie wissen können, dass es soweit kommt, dass die Dämonen auf so dumme Ideen kommen? Sie biss sich auf die Unterlippe. Nur nichts anmerken lassen.
"Ist bestimmt nicht falsch. Ich hoffe, du schaffst das auch alleine?" Die Zwergin sah ihre Vorgesetzte prüfend an.
"Ich denke doch. So viel kann ich da ja nicht falsch machen."Da musste sie jetzt durch.
"Wenn du wüsstest... aber gut, es schadet deiner Ausbildung gewiss nicht."
"Keine Angst, ich bin ja bestens vorbereitet." Der Korporal zeigte auf die vielen Akten über die Dämonologengilde und seufzte.
"In Ordnung, dann viel Glück." Damit verließ Goldie das Büro und Hatscha konnte sich an einige weitere Vorbereitungen machen.
Nach wenigen Minuten verließ sie das Wachhaus und machte sich auf den Weg ins Viertel käuflicher Zuneigung. Im Boucherie Rouge erklomm sie die Treppen zum ersten Stock und öffnete gleich die erste Tür, die sie fand, glücklich über die Beschriftung "Matratzenlager. G Klitzegroß, Terrier". Sie klopfte und öffnete die Tür, als sie hereingebeten wurde.
"Hallo Klitzegroß", begrüßte sie den Gnom, der sofort salutierte, als er seine Vorgesetzte sah.
"Hallo Mäm. Was kann ich tun?"
Sie grinste. Der Gefreite war recht neu in der Abteilung und wohl noch in der Ausbildung. "Ich hätte einen Auftrag für dich. Ich hoffe, du bist nicht zu sehr beschäftigt?"
"Nein, eigentlich nicht. Ich war vorhin in der Dämonologengilde, ansonsten habe ich derzeit nur wenig zu tun. Ich übe mich einfach noch im Unauffällig Sein."
"Das freut mich. Da kannst du dann auch gleich weiterüben, ich würde dich nur gerne mit zum Pseudopolisplatz nehmen. Ich habe nämlich einen Verdacht, wer den Dämon in Auftrag gegeben hat. Du kannst meinen Verdacht überprüfen, während ich versuche, ihn mir bestätigen zu lassen. Was hältst du davon?" Sie blickte den Gnom hoffnungsvoll an. Natürlich würde er ihr nicht widersprechen. Immerhin war sie der stellvertretende Abteilungsleiter, dessen Aufträge er zumindest in der Ausbildung nicht hinterfragen sollte. Hatscha kannte diese Zweifel. Sie selbst hatte sie jetzt zwar nicht, immerhin war sie schon ein erfahrener Wächter. Aber damals, als sie noch Gefreite war, war sie oft unsicher gewesen, ob sie richtig handelte. Dass die Erfahreneren schon alles richtig machten, davon war sie damals ausgegangen. Niemals hätte sie gewagt, deren Beschlüsse und Bitten in Frage zu stellen.
"Ja, ich komme mit. Um welche Observierung genau handelt es sich denn?"
Sie sagte es ihm und brachte ihn dann in das Hauptwachhaus. Hoffentlich würde er finden, was sie sich erhoffte. Wie gut, dass er so klein war.
Wenig später war sie auch schon bei der Gilde angelangt. Dem Pförtner, ein in Kutte gehüllter älterer Mann, erklärte sie ihr Anliegen, dass sie möglichst gleich mit dem Gildenoberhaupt reden müsse.
"Einen Moment, ich muss kurz nachfragen, ob er gerade da ist", entschuldigte er sich und verschwand in seiner Kammer. Hatscha hörte leises Tuscheln und schließlich Schritte. Wahrscheinlich wurde gerade ein Bote zum Gildenvorstand geschickt, der ihn vorwarnen sollte, vermutete die Wächterin.
"Gut, kein Problem, Herr Grausig empfängt dich." Er beschrieb ihr noch den Weg zu seinem Büro, während er sie hineinließ. Dann war sie auf sich allein gestellt.
Es war ungewohnt für sie, ganz offensichtlich als Wächter in einer Gilde zu ermitteln. Normalerweise war sie immer verkleidet als Gildenmitglied in das Gebäude eingedrungen und musste sich dort erstmal zurecht finden. Natürlich gab es mittlerweile von vielen Gildenhäusern einen Plan, aber die Wirklichkeit sah doch meistens ganz anders aus. Jetzt war sie froh, den Weg beschrieben bekommen zu haben. Trotzdem fühlte sie sich irgendwie ausgeliefert. Sie hatte jetzt nicht so viel Handlungsspielraum wie als Husky. Dort konnte sie ihre Ermittlungen stets auch noch auf andere Bereiche ausweiten, jetzt durfte sie sich nur dort umsehen, wo sie gesagt hatte, dass sie hinwollte. Ansonsten würde man der Wache Schnüffelei in Gildenangelegenheiten vorwerfen, die sie nichts anging.
Ein Gutes hatte das Betreten der Gilde als Dobermann allerdings: Es war weit ungefährlicher.
Schließlich war sie beim Büro des Oberhaupts angekommen und las die Türaufschrift. "Günther Grausig, Gildenvorsitz". Der Name stimmte mit dem überein, den sie in den Akten von Goldie und im Gildenblatt gefunden hatte. Sie klopfte. Nach einiger Zeit wurde sie schließlich hereingebeten.
"Ah, die Stadtwache. Ich wurde bereits von dem Besuch unterrichtet. Mit wem habe ich es bitte zu tun?"
"Korporal Hatscha al Nasa, Dobermann", stellte sie sich vor und zeigte ihre Dienstmarke. Sie musterte den Mann, auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch saß. Er war nicht mehr der Jüngste, wie alt er aber tatsächlich war, konnte sie nicht wirklich feststellen. Eine Kapuze, die ihm weit in die Stirn hing, warf einen dunklen Schatten auf das Gesicht von Grausig. Sie überlegte, ob er nur Klischees erfüllen wollte, doch sie verwarf ihre Theorie sofort wieder. Seine Kutte war dunkelblau, nicht schwarz, wie sie eigentlich erwartet hätte. Er sprach mit einer rauhen Stimme, leise, aber dennoch eindringlich. Selbst wenn es laut im Raum gewesen wäre, ihn hätte man gehört, ohne dass er seine Stimme auch nur leicht hätte anheben müssen.
Sie blickte sich im Raum um, konnte jedoch nichts besonderes erkennen. Ein paar okkulte Symbole waren in den Regalen aufgestellt, aber damit hatte sie gerechnet. Nichts ungewöhnliches, besonderes. Wieder kam ihr der Gedanke an einen stereotypen Eindruck. Die Wächterin merkte sich die Einrichtung als auffällig unauffällig.
Zu ihrer Überraschung strich er sich schließlich, bevor er antwortete, die Kapuze zurück und zeigte ihr sein Gesicht. Es war faltig, seine Haare angegraut, aber irgendwie machte er doch keinen so alten Eindruck. Hatscha wusste nicht, woran es lag, bis sie in seine Augen sah. Sie strahlten eine Lebendigkeit aus, die sie bei diesem Menschen nicht erwartet hatte.
"Freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Günther Grausig, aber das wirst du draußen wohl schon gelesen haben. Was kann ich für die Stadtwache tun?"
"Wir haben von einer Beschwörung erfahren, die uns in Unruhe versetzt hat. Es geht dabei um einen großen Dämonen in Gestalt eines Bären."
"Ah, du redest von TscheiTschei-Won. Seine Beschwörung war vollkommen legal."
"Die Legalität zweifeln wir auch gar nicht an. Es geht uns mehr um den Auftraggeber." Sie blickte dem Gildenoberhaupt in die Augen.
Dieser wendete den Blick ab und sah in seine Unterlagen. "Es war eine gewisse Rybea. Mehr Informationen habe ich nicht und dürfte ich auch nicht herausrücken. Eigentlich war der Name schon zu viel, aber ich will die Wache nicht in ihren Ermittlungen stören."
Die Wächterin seufzte innerlich. Natürlich. Niemand wollte ihre Ermittlungen. Nein, nie! Wieso waren die Leute nur immer so ironisch, wenn es um die Wache ging? "Vielen Dank. Kannst du mir diese Rybea vielleicht beschreiben?"
"Nein. Ich habe den Auftrag nicht angenommen."
Hatscha nickte. Das hätte ihr klar sein sollen. Dafür gab es immer einen Sekretär oder etwas ähnliches. "In Ordnung. Stimmt es, dass für diesen Dämonen kein Unterlegenheitszertifikat ausgestellt wurde, was eigentlich Standard ist?"
"Ja. Es wurde nicht gewünscht."
"Es wurde also nicht auf die Gefährlichkeit hingewiesen, die dieses Zertifikat verhindert hatte?" Sie schaute Grausig scharf an. Wenn das stimmte, dann konnte sich die Gilde auf Ärger gefasst machen. Auf viel Ärger.
"Das geschah sicherlich. Meine Leute verstehen schon ihre Arbeit."
"Aber du weißt auch, was das für Folgen haben kann?"
Diesmal sah er sie mit seinen lebendigen Augen durchdringend an. "Ich bin Vorstand der Dämonologen. Wirf du Wächter mir nicht vor, ich wüsste nichts von meiner Arbeit! Das brauche ich mir nicht bieten lassen."
Mist, dachte sie sich. Jetzt hatte sie sämtliches Vertrauen wieder zunichte gemacht. Dieser Fehler hätte ihr wirklich nicht unterlaufen dürfen, nicht in einer so prekären Situation! Sie riss sich zusammen und versuchte so freundlich wie möglich zu sein. "Nein, nichts lag mir ferner! Du bist sicherlich zurecht in deiner Position. Aber noch eine letzte Frage. Befindet sich der Dämon noch hier im Gebäude?"
"Er sollte jeden Augenblick vom Auftraggeber abgeholt werden."
Sie fluchte in sich hinein. Zu spät... "Vielen Dank." Damit verabschiedete sie sich und verließ das Büro und die Gilde. Draußen tummelten sich einige kleine Hilfsdämonen der Stadt. Sie nickte innerlich. Aber wer war Rybea? Sie hatte mit Reggie als Auftraggeber gerechnet, oder mit Aaps. Aber wer war diese Rybea?


***Observierung***


Er kroch durch die Gänge der Rohrpostdämonen im Hauptwachhaus. Es war eng hier drin, gerade so, dass er hinein gepasst hatte. Langsam arbeitete er sich durch die Kanäle in der Wand, stets darauf bedacht, ja keinem Dämonen zu begegnen, was gar nicht so einfach war. Ausweichmöglichkeiten gab es zwar durchaus, nur musste er langsam vorgehen, sonst würde er sich anstoßen, aufkratzen oder anderweitig verletzen. Längst hatte er sich verirrt.
Klitzegroß schaute in Richtung einer der Öffnungen, die sich immer wieder vor ihm auftaten. Er erblickte dadurch verschiedenste Büros des Wachhauses, viele Wächter, die er nicht kannte. Er konnte nicht sagen, zu welcher Abteilung sie gehörten, so nah traute er sich nicht an die Ausgänge ran. Er wusste nicht, in welchem Stockwerk er sich befand, was hinter der nächsten Abzweigung kam, welchen Weg er nehmen sollte. Lange irrte er durch die Gänge des Rohrpostsystems, schließlich war kurz davor, aufzugeben. Um herauszukommen, musste er nur durch eine dieser Ausgänge klettern. Die Aussicht war verlockend. Aber konnte er Hatscha enttäuschen? Sie war stellvertretende Abteilungsleiterin, bestimmt konnte sie es auch beeinflussen, ob er befördert wurde, ob er seine Ausbildung abschließen konnte. Da war es wichtig, dass er jetzt Erfolg hatte. Also suchte er weiter.
Plötzlich wurde der Gang, durch den er gerade kroch, breiter, höher, geräumiger, bis er letztendlich in einem großen Saal endete. Erstaunt sah sich der Wächter um. Es schien, als hätte er einen Anhaltspunkt gefunden. Er sah ein kleines Rednerpult, wie für Gnome oder andere kleine Wesen geschaffen. Es stand am einen Ende des Raumes. Auf der anderen Seite befand sich eine weite Fläche, die in einigen Stufen sich in den Rest des Saales erstreckte. Wie in einem Theater, dachte er verwundert. Er ging zum Pult hin und betrachtete es genauer. Ein Zettel lag darauf. Er nahm ihn zur Hand und sah ihn sich an. Etwas stand darauf. Die Schrift kam ihm bekannt vor, er konnte sie jedoch nicht zuordnen. Zu viele Schriften hatte er mittlerweile kennen gelernt.
"Dämonen Ankh-Morporks!", las er. Und weiter. Seine Augen weiteten sich mit jedem Wort. Das konnte doch nicht sein! Das musste Hatscha erfahren! Irgendjemand hatte die Dämonen zu einem Aufstand angestachelt. Schnell faltete er den Zettel zusammen und eilte zu dem Gang, von dem er gekommen war. Nach einigen Kreuzungen erreichte er schließlich wieder eine Öffnung und kletterte vorsichtig hinaus, in der Hoffnung, dass ihn niemand bemerkte. Er hatte Glück. Jetzt musste er es nur noch schaffen, dieses Büro zu verlassen. Aufmerksam blickte er zur Tür, doch diese war geschlossen.
Ein Wächter saß im Raum an seinem Schreibtisch und schrieb. Klitzegroß hatte eine Idee. Er schlich sich zur Tür und klopfte dagegen.
"Herein", murmelte der Wächter, ohne von seiner Schreibarbeit aufzusehen. Nichts passierte.
Der Gnom beobachtete, wie sein Kollege grummelnd aufstand und zur Tür schlurfte, um sie zu öffnen. Schnell schlupfte der Terrier durch den Schlitz, sobald er für ihn groß genug war und hatte bereits ein Versteck erreicht, als der Wächter noch verwundert in der Tür stand und sich fragte, wer geklopft hatte.
Er eilte durch die Gänge und Stockwerke im Hauptwachhaus, ohne zu wissen, wo er eigentlich war. Dann entdeckte er eine bekannte Räumlichkeit - den Wachetresen. Er ging zu dem Rekruten, der gerade Dienst hatte. "Hallo, hier unten." Der Blick des Neulings senkte sich. "Hast du kurz ein Stück Papier?" Ihm wurde eins gegeben. Eilig kritzelte Klitzegroß er ein paar Worte darauf, dann gab er es seinem Gegenüber zusammen mit dem Zettel, den er in dem Raum im Rohrpostsystem gefunden hatte, zurück. "Kannst du das bitte an Korporal Hatscha al Nasa schicken? Ich weiß leider nicht, wo ihr Büro ist und kenne mich auch nicht so gut hier aus." Der Rekrut nickte. "Danke." Damit machte sich der Gnom auf den Weg zurück ins Boucherie Rouge.


***Panik***


Verwirrt sah er sich mit seinen roten Augen um. Wo war er? Wer hatte ihn aus seinem ruhigen Dämmerschlaf gerissen? Und warum, verdammt, konnte er sich nicht weiter bewegen als wenige Zentimeter? Er blickte sich in dem dunklen Raum um. Zu seinen Füßen sah er ein weißes Muster. Ahja. Daran lag es also. Er war beschworen worden. Na warte! Wer das gemacht hatte, würde dafür büßen müssen! Aber noch ging es nicht, noch war er gefangen. Ärgerlich brüllte er laut, doch niemand reagierte. Er hatte auch sich selbst nich gehört. Sowas war frustrierend. Es war also niemand da. Wieder schrie er, noch stärker als eben, wieder ohne einen Ton herauszubringen. Sogar die Wände vibrierten, der Boden unter seinen Tatzen kitzelte ihn. Doch abermals wurde er ignoriert. Wütend begann er, innerhalb des Oktagramms im Kreis herumzulaufen. Mit jedem Schritt wuchs sein Ärger. Wer auch immer den Fehler machen würde, ihn freizulassen, der würde sein blaues Wunder erleben!
Irgendwann, über seinem Kopf hatte sich schon eine dunkelrote Wolke gebildet, wurde es hell im Raum. Viele kleine Wesen kamen herein. Schwer beherrscht beobachtete er die Neuankömmlinge. Tatsächlich! Sie besaßen den Mut, das Oktagramm zu zerstören! Jetzt war er frei! Jetzt konnte er sich endlich rächen! Er brüllte. Da war der Ton. Erschrocken wichen die kleinen Gestalten vor ihm zurück. Doch sie waren nicht schnell genug. Er schlug mit einer Pratze nach ihnen und erwischte den größten von ihnen, der schreiend gegen die Wand geschleudert wurde und dort zu Boden rutschte, wo er liegen blieb. Panisch liefen die anderen davon. Er, der große, folgte ihnen, nachdem er den Benommenen vom Fußboden gekratzt hatte.

Der Eselskarren ratterte in einer atemberaubenden Geschwindigkeit über das Kopfsteinpflaster. Neflie hatte schon Kopfschmerzen, so sehr wurde er durchgeschüttelt. Früher hatte er das Problem weniger, da konnte er mit seinem Eichhörnchen reisen. Aber seitdem Sally... er schluckte und verwarf den Gedanken. Er hatte jetzt wichtigeres zu tun. Seiner Trauer konnte er ein andermal nachhängen.
Der Wächter warf einen Blick zurück. Seine Aufgabe diesmal bestand darin, den Dämonen zu beobachten. Das war gar nicht so einfach, da er sich sehr schnell fortbewegte, schneller, als ein kleiner Gnom hinterherkommen konnte. Deswegen hing er jetzt an diesem Karren.
Araghast hatte die Abteilung versammelt, als die Wache von den ersten Opfern des Bären gehört hatte. "Neflie, du hältst ihn bitte im Auge und teilst uns immer wieder mit, wo er sich gerade befindet. Das ist wichtig für uns zu wissen, damit wir ihn fassen können."
"Aber Sir, wäre es nicht sinnvoller, wenn jemand größeres versucht, ihm hinterher zu kommen?" Der Gnom hatte den neuen DOG verzweifelt angesehen.
"Du bist ein ausgebildeter Terrier. Dein Tschob ist es, etwas zu beobachten. Die anderen brauche ich für andere Sachen. Du schaffst das schon." Neflie hatte einen scharfen Blick aus dem Auge des Abteilungsleiter erhalten. Er schauderte, als er daran zurückdachte. Der Hauptfeldwebel konnte sehr erschreckend aussehen.
Sogar die Times hatte schon eine neue Ausgabe herausgebracht. Der Wächter konnte auf seiner Wahnsinnsfahrt die Worte eines Zeitungsverkäufer aufschnappen. "Extra-Ausgabe! Der Problembär wütet in der Stadt!" Er erhaschte einen kurzen Blick auf die Titelseite, wo ein dunkler Schemen zu sehen war. Es war keine gute Ikonographie. Aber darüber konnte sich der Gnom jetzt keine Gedanken machen. Er musste aufpassen, dass er den Dämonen nicht aus den Augen verlor.
Plötzlich machte der Eselskarren, auf dem er saß, eine scharfe Linkskurve. Neflie fluchte. Er würde abspringen müssen, denn der Bär würde garantiert geradeaus weiter laufen. Also ließ er sich fallen. Er landete in einer Pfütze, was seinen Sturz zwar etwas abfing, ihn aber vollkommen durchnässte. Panisch sah er sich um, wo der Dämon war. Als er ihn entdeckte, stockte ihm der Atem. Er war langsamer geworden, schnüffelte, schien etwas zu suchen. Hatte er etwa mitbekommen, wie der Gnom abgesprungen war? Warum verfolgte er nicht den Eselskarren und seinen Lenker, an dem viel mehr dran war? Doch der Bär blieb in seiner Nähe.
Entsetzt suchte Neflie nach etwas zu verstecken. Er entdeckte einen Blumentopf, den der Karren wohl umgeschmissen hatte. Schnell rannte er zu ihm hin und kroch darunter. Jetzt war vollkommene Schwärze um ihn herum. Nur durch ein kleines Loch von oben fiel etwas Licht in sein Versteck. Er wagte kaum zu atmen. Die Geräusche von außerhalb drangen gedämpft zu ihm herein. Doch der Bär war noch da, Neflie spürte die Furcht, die er ausstrahlte.
Und plötzlich war er da. Der letzte Lichtschimmer aus dem Loch über ihm verblasste. Panisch sah der Gnom nach oben. Er hörte ein Schnauben, laut, nah, über ihm. Dann wurde der Blumentopf umgestoßen. Er schrie. Er sah die Schnauze des Dämonen, groß, nass, triefend. Er versuchte, wegzulaufen. Doch er kam nicht weit. Er wurde gepackt, hochgehoben. Wieder schrie er. Der Boden entfernte sich immer mehr, das Schnauben wurde immer lauter, stärker. Er schloss die Augen. Und öffnete sie nicht mehr.


***Zauberei***


"Die Dämonen scheinen es gewesen zu sein."
Erstaunt blickte Goldie den Korporal an. "Wie kommst du darauf? Wieso sollten die Kleinen so etwas machen?"
"Klitzegroß hat bei einer Inspektion der Rohrpostschächte einen Zettel gefunden, auf dem sie jemand dazu aufgefordert hat, sich zu wehren." Sie reichte der Kollegin das Fundstück, das sie auf ihrem Schreibtisch in der klainen krickentengrünen Kammer gefunden hatte.
Die Zwergin sah sich das Stück Papier an. Irgendwoher kannte sie die Schrift. Aber sie kam absolut nicht drauf, von wem sie sein könnte. "Die Schrift hat niemand identifizieren können?", fragte sie misstrauisch.
"Nein. Es wird wohl auch unmöglich sein, dahinter zu kommen. Sie kann von jedem stammen", antwortete Hatscha. Es klang einleuchtend, doch irgendwie... nein, sie verwarf den Gedanken wieder. "Kennst du eine Rybea?"
Die Hauptgefreite schüttelte den Kopf und nickte dann. "Der Name kommt mir bekannt vor, aber ich wüsste jetzt nicht, wo ich ihn schonmal gehört habe."
"Sie scheint eine Dämonin zu sein. Oder eine Ansprechperson der Kleinen. Jedenfalls war sie der Auftraggeber."
Jetzt erinnerte sich die Zwergin. "Rybbi vielleicht? Als Kurzform? Ich habe einmal die Dämonen von ihr reden gehört. Sie scheint eine Art Anführerin von ihnen zu sein." Ja, das passte zusammen.
"Gut. Was machen wir jetzt mit dem Problembären? Wir schaffen es bestimmt nicht allein, ihn unter Kontrolle zu bringen. Und wir müssen uns beeilen!"
"Dann bleiben nur noch die Zauberer", bemerkte Goldie schließlich und sah ihre Auszubildende an.
"Du meinst, durch ein Ritual könnten sie den Dämonen irgendwie fangen?" Hatscha blickte zweifelnd zu der Zwergin.
"Ja, es sollte möglich sein. Es dürfte nur schwierig werden, sie davon zu überzeugen, es auch zu tun." Sie ging mit der Axt über der Schulter durch das Büro ihrer Vorgesetzten und dachte nach. Wie konnte man die Zauberer dazu bringen... Dann erinnerte sie sich an eine Meldung. Natürlich, das war ihre Chance. Und der Gildenvorstand der Dämonologen musste mitspielen. Aber dazu war er ja eigentlich gezwungen. Sie lächelte und spielte mit ihren Zöpfen im Bart. Dann erklärte sie Hatscha ihren Plan.
"Herr Grausig ist ein Gelegenheitskoch?", fragte diese ungläubig. Enttäuscht sah Goldie sie an. Hatte sie denn gar nicht die ganzen Unterlagen gelesen? Ach was, das konnte nicht sein. Sie hatte das vielleicht mittlerweile vergessen.
"Ja, das ist er. Und da die Gilde der Köche gerade Betriebsferien macht, werden die Zauberer bestimmt sehr glücklich sein, wenn sie wieder so richtig schlemmen können." Stolz über ihren Plan sah sie die stellvertretende Abteilungsleiterin an.
"Klingt nach einer Möglichkeit. Aber verstößt das nicht gegen das Gildengesetz?"
"Dann würde jedes häusliche Kochen dagegen verstoßen. Und unser Herr Grausig wird bestimmt kein Geld dafür verlangen. Also sollte alles legal ablaufen." Goldie beobachtete ihr Gegenüber, das schließlich nickte.
"In Ordnung. Wer geht zu den Zauberern und wer spricht mit Grausig?"
"Ich denke, bei Grausig wird eine Nachricht reichen. Die Zauberer würde ich dir unter normalen Zuständen schon zutrauen, aber das hier ist eine wichtige, delikate Angelegenheit. Wir gehen am besten beide."
"Klingt vernünftig. Gibt es über die Insassen der Unsichtbaren Universität etwas spezielles, was ich noch wissen müsste?"
"Nur das Übliche. Die Zauberer hatten wir ja schon durchgenommen." Die Zwergin erinnerte sich an lange, gute, interessante Vorträge über die Vorgänge auf dem Gelände um den Kunstturm. Ja, darüber hatte sie wirklich viele Informationen gefunden.
"Gut, dann brechen wir auf."

Erstaunlich hektisch wuselten die Zauberer durch die Gänge der Unsichtbaren Universität. Mustrum Ridcully war verwundert, zu wie viel Elan seine Kollegen in der Lage waren, wenn ihnen nach einiger Zeit wieder Essen versprochen wurde, das nicht von Frau Allesweiß zubereitet werden würde.
Sogar der Dekan wackelte geschäftig umher.
"Runen, hast du schon das Siliziumpulver?", rief Ponder Stibbons. Er hielt ein Klemmbrett in der Hand und notierte sich allerlei mit einem Bleistift.
"Mit einem Kieselpräparat geht alles besser", sinnierte der Quästor vor sich hin.
"Gebt ihm endlich wieder seine Froschpillen!", ereiferte sich Ridcully.
"Äh, nein, diesmal hat er sogar ausnahmsweise Recht. Er scheint in unseren Sphären zu weilen. Wir können das tatsächlich brauchen", mischte sich Stibbons ein.
Der Erzkanzler zuckte daraufhin mit den Schultern und sah zu den beiden Wächterinnen, die ihnen das wohlverdiente Festmahl versprochen hatten. Die eine war eine Zwergin, natürlich mit geschulterter Axt. Die andere holte gerade ein Taschentuch aus einer Tasche und putzte sich die Nase. Angesichts dessen, was draußen los war, herrschte innerhalb der uralten Gemäuer kaum Aufregung. Es wurde ein Ritual vorbereitet, mit dem hoffentlich auch in den Straßen wieder Ruhe war. Also konnte man es hier gelassen angehen. Man würde so oder so als Held hervorgehen. Der Zauberer strahlte und streckte stolz seine Brust raus.
Endlich waren alle Vorbereitungen getroffen. "Und du hast auch ganz sicher den richtigen Text?", fragte der Dekan misstrauisch.
"Natürlich. Im Gegensatz zu dir weiß ich, was ich dem Bibliothekar sagen muss, um zu kriegen, was ich will", giftete Runen zurück.
Ridcully seufzte. Sie waren großartige Zauberer. Aber irgendwie kam er sich manchmal vor wie im Kindergarten.
Das Ritual selbst war eher langweilig. Natürlich sahen die beiden Wächterinnen gebannt zu, doch für die Hutträger war es im Grunde nur Routine. Irgendwann wurde der Raum hell erleuchtet, dann stand der Dämon mitten in der Unsichtbaren Universität. Verwirrt drehte er sich einmal um die eigene Achse, doch er war von Zauberern umrundet. Der Erzkanzler grinste. Es war wirklich sehr einfach gewesen. Er ging zu den Repräsentanten der Stadtwache.
"Um den Rest werden wir uns auch noch kümmern. Wann wird der Koch kommen?"
"Ich denke, er sollte jeden Moment hier eintreffen", erwiderte Goldie. Der Zauberer konnte den beiden die Erleichterung regelrecht ansehen.
"Danke jedenfalls noch einmal", sagte Hatscha. Irgendwie wirkte sie besonders beruhigt. Aber ganz zufrieden schien sie nicht zu sein, dachte Mustrum sich. Aber er verfolgte den Gedanken nicht weiter. Was gingen ihn die Sorgen der Wächter an?
Die beiden Gildenexpertinnen verließen das Gelände der Universität. Am Tor begegneten sie Günther Grausig. Hatscha grüßte ihn freundlich.


***Epilog***


Araghast stand mit dem Rücken zu ihr, als sie sein Büro betrat. Er blickte aus dem Fenster auf die Stadt. Wie ein Galeerenkapitän, der gerade eine Schlacht mit Piraten mehr oder weniger erfolgreich überstanden hatte, dachte Hatscha.
"Sir?"
Der Abteilungsleiter drehte sich zu ihr um. "Da bist du ja."
Die Wächterin nickte. Ihr war unwohl. Was wusste er? Konnte er etwas wissen?
"Hast du den Bericht dabei?"
Sie händigte ihm einen Packen Papier aus, den sie mitgebracht hatte.
"Danke. Gibt es noch etwas?"
"Nein, ich denke nicht. Äh, das mit Neflie..." Unsicher blickte sie ihren Vorgesetzten an. Sie schluckte schwer, als sie den Namen ihres ehemaligen Kollegen nannte.
"Das wird schon geklärt. Ich werde einen Rekruten schicken."
"Sir, wenn du erlaubst, würde ich das gerne übernehmen." Es hatte sie viel Überwindung gekostet, das zu sagen. Aber jetzt war es raus. Würde Araghast das als Schuldbekennung sehen? Oder dachte er, dass sie einfach nur befreundet waren, in einer Zeit, bevor er ins Boucherie kam?
Der Hauptfeldwebel zuckte mit den Schultern. "Meinetwegen, wenn du Wert darauf legst."
Wieder nickte Hatscha. "Danke." Dann verließ sie das Büro.
Langsamen Schrittes ging sie zurück zum Pseudopolisplatz. Was hatte sie nur angestellt? Sie hatte Neflie auf dem Gewissen! Und damit sollte sie fertig werden? Warum ich?, dachte sie verzweifelt. Sie schoss einen Stein, der auf dem Weg lag, zur Seite.
So ruhig war es jetzt in den Straßen. Nein, außer Neflie hatte es nicht viele Tote gegeben. Rybea war eines der Opfer, anscheinend das erste. Sie wurde noch auf dem Gildengelände gefunden. Somit konnte also der Hauptschuldige nicht mehr bestraft werden. Für die restlichen Dämonen galt von jetzt an, dass sie nicht mehr bezahlt werden durften. Das war die einzige Konsequenz, die gezogen werden konnte. Zu sehr waren die Leute mittlerweile auf die kleinen Helfer angewiesen.
Die Gildenexpertin schüttelte den Kopf. Ihr wäre es am liebsten, wenn es keine mehr von ihnen gäbe. Früher hat es ja auch so geklappt.
Als sie das Wachhaus betrat, begegnete sie Goldie. Hatschas Ausbildung war zuende, die Zwergin würde ins Viertel käuflicher Zuneigung zurückkehren. Vorerst war der Korporal also wieder die einzige Vertretung der Abteilung im Hauptwachhaus. Vielleicht war das ja ganz gut so.
Missmutig stieß sie die Tür zu ihrem Büro auf. Als erstes fiel ihr Blick auf den Schreibtisch und den Zettel, der darauf lag. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass niemand ihre Schrift erkannt hatte. Und das würde auch so bleiben. Nein, er kam nicht zu den Akten. Dort stand etwas ganz anderes darüber, woher die Beschuldigung der Dämonen kam.
Hatscha griff nach dem Zettel und zerknüllte ihn. Dann zündete sie eine Kerze an und wartete, bis die Flamme groß genug war. Vorsichtig verbrannte sie das einzige Stück, das ihre Schuld hätte beweisen können.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.11.2006 19:04

Zunächst einmal hat mir die inhaltliche Ausrichtung der Geschichte auf den Pokalwettbewerb nicht gefallen. Einen ähnlichen Ansatz, in dem es dann die ganze Geschichte über darum ging, den Pokal zu präparieren, gab es schon einmal - den Pokalwettbewerb um seiner Selbst willen thematisch aufzugreifen, weil etwas "Richtiges" nicht einfällt. Wenn es lediglich eine Erwähnung gewesen wäre, in Ordnung, aber die Dämonen aus dieser eitlen Nichtigkeit heraus aufzuwiegeln... Sie mögen zwar klein sein aber es dürfte doch Jedem klar sein, dass sie viele sind? Die Stärke der Motivation, die dafür nötig wäre, so etwas überhaupt zu tun, schien mir nicht gegeben. Dahingegen gefiel mir die lebhafte Darstellung der kleinen Kerlchen an sich ganz gut. Und die Einbringung des Pokalwortes "Unterlegenheitszertifikat" war sogar ausgezeichnet.



Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen gut erfüllt.

Von Daemon Llanddcairfyn

01.11.2006 19:10

Ich fand die Verwendung der Poaklworte sehr gut. Außerdme gefielen mir die kleinen Szenen, in denen Hatscha mit sich selbst hadert.

Von Sillybos

01.11.2006 22:24

Mir hat die Grundidee, dass ein Wächter selbst einen Fall anstachelt, sehr gut gefallen.

Und nun kommt eine Anregung, die ich vielen hier gebe: wenn du dir einen Plot überlegt hast, solltest du dir Gedanken machen, wie du diesen Plot am besten/spannendsten/interessantesten darstellen kannst. Und da fand ich deine Wahl ... suboptimal. ;-)

Ich hätte es zum Beispiel spannender gefunden, wenn ich als Leser erst nach und nach dahinter komme, wie es zu diesem Fall gekommen ist und dann umso überraschter wäre, dass Hatscha der Ausgangspunkt ist.

Eine andere Möglichkeit wäre, den moralischen Konflikt von Hatscha in den Mittelpunkt zu stellen und sich auf ihre Gefühls- und Gedankenlage zu konzentrieren und das moralische Dilemma zum Thema zu machen.

Dein Ansatz war in meinen Augen jedoch weder Fisch noch Fleisch. Darum mein Ratschlag, sich mehr mit der Konzeption zu beschäftigen.



LG Silly

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