Ankh-Morpork steht wie immer wieder an einem Abgrund. Diesmal ist er grün und schillert. Aber viele Wächter schaffen es gemeinsam das Problem zu lösen.
Dafür vergebene Note: 12
Um Irritationen vorzubeugen: Die Single spielt noch vor dem letzten Abteilungsleiterwechsel
VorspielDas Multiversum ist groß.
Wer wollte dem widersprechen?
Andererseits - es gibt auch viele Leute die sagen, dass der Speisesaal der Unsichtbaren Universität groß ist. Und es sind dieselben Leute, die staunen wenn sie in die Bibliothek kommen. Nicht weil sie dort von einem Orang-Utan empfangen werden, sondern weil die Bibliothek noch viel größer als der Speisesaal ist.
Daraus aber nun zu schließen, dass das ganze Multiversum in die Bibliothek passen würde, hielte ich für falsch.
[1]Alles was eine gewisse Größe erreicht hat bedarf einer Verwaltung. So auch das Multiversum. Wüsste der Patrizier von Ankh-Morpork, dass er seine Stadt genau so organisiert hatte wie das Multiversum organisiert ist, würde er vermutlich sagen: "Na so was" oder vielleicht sogar ... "Interessant". Das Multiversum ist aufgeteilt in Gildenbereiche. Es gibt große Gilden wie die der Galaxien mit blauen Spektren oder die Gilde der Potentiellen Super-Novae, es gibt kleinere Gilden wir die der Kapitalistisch Dominierten Rundwelten und es gibt sehr kleine Gilden, so wie die der Scheibenwelten, die auf dem Rücken von ... Na ihr wisst schon.
Und es gibt ein Wesen das ganz oben steht und das das letzte Wort hat. Zu ihm kommen die Gildenvertreter, Wesen ähnlich den Revisoren aber mit eigenem Willen und starken Emotionen. Sozusagen die Lobbyisten des Multiversums.
Und momentan geht es um eine feindliche Übernahme ...
Das Spiel beginntEine kleine, verhutzelte Person betrat das Wachhaus. Sie war in einen langen, dunkelgrünen Mantel gekleidet, der an ihrer mageren Gestalt hing wie ein Sack an einem Kleiderständer. Sie trug einen geteerten Hut mit sehr breiten Krempe auf dem Kopf, der ihr ständig über die Augen und die Ohren rutschte.
"Ich hab' was abgeben zu tun!", verkündete sie mit ziemlich eindeutig weiblicher Stimme und stellte einen kleinen Krug auf den Tisch. Grüner Schleim tropfte auf den Wachetresen und der wachhabende Rekrut verzog angewidert das Gesicht.
"Bitte nimm das schmutzige Ding vom Tisch", forderte er sie auf.
"Nee", widersprach die Frau, "ich will dett hier nur abgeben tun!" Sie drehte sich um und verschwand nach draußen. Der verblüffte Wächter lief ihr nach, konnte sie auf dem belebten Pseudopolisplatz aber nicht mehr sehen. Er ging zurück zum Wachetresen und sah sich den Krug genauer an ohne ihn anzufassen. Seltsamerweise tropfte immer noch Schleim davon herab, obwohl der Krug bereits in einer großen, sich langsam ausbreitenden Lache aus grünlich schimmerndem Igitt stand. Fasziniert betrachtet der Rekrut - es rentiert nicht seinen Namen zu nennen, denn es war einer von denen, die es ohnehin nicht lange in der Wache halten würde - wie es langsam vom Tischrand tropfte.
"Was ist denn hier los?" Eine grollende Stimme ließ den Rekruten zusammenzucken. Er sah sich um und seine Nerven begannen zu zittern als er niemanden sah.
"Hier unten, du Narr!", bellte es, "Stellen wir jetzt auch schon Blinde ein?"
Der Rekrut (oder war es eine Rekrutin?) sah nach unten und erkannte eine kleine Gestalt, die in weiße Binden gewickelt war. In seiner (bleiben wir bei der männlichen Form) Erinnerung blitzte es auf und diverse Nervenzellen schalteten sich zusammen um einen Gedanken an den Verstand zu senden:
"Vorgesetzter". Unterwegs beschloss der Gedanke allerdings einen kleinen Umweg über die Milz zu machen um bei einem kleinen Plausch ein Bierchen zu petzen, so dass der Rekrut von oben herab
(man beachte den feinen Doppelsinn, hahaha) sagte: "Wer bist du denn, Kleiner?"
Noch bevor er die Silben des Wortes 'Kleiner' komplett ausgesprochen hatte, war die Gnumie schon an ihm empor geklettert um sich am Revers festzuhalten: "Jemand, der fürchterlich nah an einer fürchterlich zerbrechlichen Nase befindet. Und als ausgebildeter Sani sag' ich Dir: Solche Sätze sind ungesund."
***In einem noch nicht näher bezeichneten Büro im zweiten Stock des gleichen Wachhauses saß ein Mann hinter einem Schreibtisch und sang leise vor sich hin.
"Wenn bei Lancre die rote Sonne im Wald versinkt ...". Seine angenehm zwischen Tenor und Bass schwankende Stimme bewog ein paar Fliegen sich eilig einen Weg aus dem Büro heraus zu suchen. Einige fielen dabei den Auswüchsen einer Fleischfressenden Pflanze, die auf einem der drei Schreibtische stand, zum Opfer. Er blätterte während des Singens wenig interessiert in einem alten Folianten, dessen Einband aus braunem Leder bestand. Golden eingeprägt stand der Titel auf dem Rücken:
"Die ganz bestimmt allergrößten Geheimnisse aus der teuflischen Welt der Gewürtze". Die Gewürtze hatten ihn schon lange interessiert, denn immer wieder war er bei seinen Besuchen in Tempeln oder beim Studium okkulter Texte auf die Bewohner der Gewürtz-Inseln gestoßen, einer kleinen Inselgruppe, die sich nahe an Viericks befinden sollte. Als er in einem Laden in der Winkeligen Gasse dieses Buch entdeckt hatte musste er es haben und kaufte es unbesehen. Nun hatte er festgestellt, dass es sich leider um ein Kochbuch handelte, dessen Verfasser eine eigentümliche Auffassung von Rechtschreibung vertrat.
Er seufzte und blätterte weiter. Eigentlich würde ihn ein Kochbuch ja auch interessieren, aber er hatte sich eben auf etwas anderes gefreut. Als er in seinem Gesang pausierte, weil ihm gerade eine Textzeile fehlte, hörte er ängstliches Brüllen aus dem Treppenhaus. Er warf das Buch auf den Schreibtisch und lief hinaus. Das Schreien kam von unten.
***Aus mehreren Türen kamen Wächter heraus. Einige blieben am Treppengeländer stehen, andere liefen nach unten. Auch der Mann aus dem Büro im zweiten Stock lief nach unten. Allerdings blieb er stehen, bevor er das Erdgeschoss erreicht hatte, denn es bot sich ein scheußlicher Anblick. Feldwebel Rib, pardon, Feldwebel M'laut stand auf dem Körper eines Rekruten, der inmitten einer knöchelhoch den Boden bedeckenden, grünlich schillernder, schleimigen Masse lag. Die Körper der beiden waren vollkommen mit dem Schleim überzogen und der Feldwebel brüllte den Unglücklichen laut und ärgerlich an. Vom Wachetresen lief stetig neuer Schleim auf den Boden, der sich über die Schwelle der Eingangstür bereits nach draußen ergoss. Einige SEALS-Wächter versuchten eilig einen Damm gegen das Zeugs zu errichten, das bereits in den Korridor zu ihren Büros rechts und links der Eingangstür schwabbte.
[2]Der Mann hütete sich etwas zu sagen und hoffte einen vorgesetzten Offizier zu sehen, aber es waren nur Wächter der unteren Rangstufen anwesend, die gaffend auf das Schauspiel im Eingangsbereich sahen.
"... und dann rutscht du Trampel auch noch aus und drückst mich in diesen Dreck hier herein. Was bildest du dir eigentlich ein, wo du bist? Ich weiß, mit uns Untoten kann man es ja machen, aber so einen Stadtgnom hättest du damit umgebracht. Wenn du meinst nur weil du ein Großer bist, glaubst du wohl machen zu können was du willst und meinst nicht auf deine Kollegen aufpassen zu müssen, dann werde ich dir den Hintern aufreißen, dass du den Preis für das schönste Wächterlächeln gewinnen kannst. Es sei denn, du arbeitest an einer Testreihe, selbstverständlich. Schon mal einen Bauchhieb von Innen bekommen? Oh ja und wo wir gerade beim Dreck machen sind, den darf nur einer machen: Ein Vorgesetzter..."
[3] In dem Tonfall ging es weiter und keiner der anderen Wächter traute sich einzugreifen. Endlich eilte auch Hauptmann MeckDwarf nach unten und beendete den Sermon der Gnumie.
"Feldwebel!", rief er mit strenger Stimme. Rib sah ihn kurz an, überdachte sein momentan noch nicht angezeigtes Sündenregister und antwortete diplomatisch: "Sir?".
"Feldwebel, nimm diesen schleimigen Rekruten und trage ihn sofort in den Hof. Dort wirf ihn in die nächst beste Pferdetränke. In 5 Minuten will ich euch beide in meinem Büro sehen!"
Rib salutierte, glitt unter den Rekruten packte ihn am Knöchel. Dann schleifte er ihn in den Hof und die Wächter im Treppenhaus hörten es nur noch leise platschen.
"Und die anderen sorgen dafür, dass das Zeugs hier wegkommt. Ähm, wo kommt es überhaupt her?" Aber niemand konnte ihm eine Antwort geben. Alle beobachteten fasziniert, wie immer mehr Schleim immer schneller vom Wachetresen herab floss und die breiten Stufen den Platz hinab lief. Niemand wagte sich dem Zeug zu nähern, auch der Hauptmann nicht.
"Ah, hrmm, ja, mal sehen was M'Laut zu sagen hat", murmelte er und verschwand in seinem Büro.
***"Hey, Ruppi, was ist denn hier los?" Die Obergefreite Kathiopeja stieß den Mann aus dem Büro im zweiten Stock an. Sie hatte eine Kaffeetasse in der Hand und Ruppert bemerkte schuldbewusst, dass sie immer noch leicht humpelte.
[4]"Keine Ahnung, Kathi." Er zuckte mit den Schultern und zusammen mit anderen Wächtern beobachteten sie den stetig anwachsenden Schleimfluss. Allen war unbehaglich zumute. Der Golem Herr Kurbel trat auf Kathi und Ruppert zu und hob seine Tafel. "Das Erinnert Mich An Den Fall Mit Der Riesigen Schnecke. Könnt Ihr Euch Noch Erinnern?"
[5] Kathi und Ruppert schüttelten sich und nickten bejahend. Kathi zog sich schnell in ihr Büro zurück, angeblich um noch einen Kaffe zu trinken, aber Ruppert wusste, dass sie Angst vor allem hatte was magisch war.
Die Obergefreite Tussnelda von Grantick kam die Treppe herunter, ihre neue Armbrust liebevoll im Arm haltend. Sie sah sie verträumt an bevor sie ihren Blick auf Ruppert wandte. "Du sollst zu deinem zweiten Chef kommen!", schnappte sie. Ruppert seufzte als sie sich eng an die Wand drückte als er an ihr vorbei kam. Seit einem merkwürdigen Fall
[6] ging Tussi ihm aus dem Weg. Sie waren zwar vorher nicht direkt befreundet gewesen und hatten sich oft aneinander gerieben
[7], aber nun sah sie ihn immer nur sehr merkwürdig an, irritiert und irgendwie enttäuscht, und ging ihm nach Möglichkeit aus dem Weg. Ruppert seufzte einmal mehr, dachte sich:
"Frauen!" und stieg die Treppe hoch in das Büro des Hauptmanns. Er klopfte an und betrat den Raum.
Der Hauptmann stand neben seinem Schreibtisch und sah auf die Gnumie, die darauf stand. Leider hatte Rib den Befehl zu genau genommen und nur den Rekruten in die Bütt geworfen. Er selber tropfte den Glibber auf den Schreibtisch des Hauptmanns und schien sich daraus nichts zu machen.
"Ah, Obergefreiter, gut dass du kommst. Ich glaube, das ist ein Fall für unsere Okkultismusexperten. Und da Laiza gerade nicht erreichbar ist, wirst du den Fall übernehmen"
Ruppert von Himmelfleck, frischester OkkEx der Wache schluckte. Er sah nervös auf den Feldwebel, der mit verschränkten Armen auf dem Schreibtisch stand und ihn beharrlich ignorierte. Der unbekannte Rekrut stand mit vor Entsetzen geweiteten Augen stramm und hatte scheinbar das Eintreten Rupperts gar nicht bemerkt.
"Sör, welchen Fall, bitte?"
Der Hauptmann sah ihn irritiert an. "Na das ist doch klar. Schnapp dir den Rekruten hier, wie war doch gleich sein Name - na egal, und lass dir erzählen was geschehen ist. Dann klär was es mit dem Schleim auf sich hat und stell das ab. Verstanden? Na gut, abtreten, von Himmelfleck."
Ruppert salutierte, erleichtert weil er offenbar nicht mit M'Laut zusammen arbeiten musste, befahl dem Rekruten ihm zu folgen und führte ihn einen Stock höher in das Büro das er sich mit Laiza teilte. Er wünschte sich, dass sie hier wäre, denn sie hatte viel mehr Erfahrung mit solchen Dingen. Er wies den stocksteif dastehenden Wächter an Platz zu nehmen und wie ein nasser Sack plumpste der auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
"Nun, erzähl mir mal was geschehen ist."
Ein würgendes Geräusch ertönte und dann erklang die tränenerstickte Stimme des jungen Mannes "Erst hat er mich angebrüllt und dann als ich ausgerutscht bin ist er auf mir herum gesprungen und hat geschimpft und gesagt, dass ich nie ein guter Wächter werden würde und ..."
Ruppert unterbrach ihn. "Eigentlich wollte ich nicht wissen was der Feldwebel mit dir gemacht hat. Sondern was es mit dem Glibberzeugs auf sich hat."
"... dann hat er mich durch das Zeug geschleift und immer weiter geschimpft und dann hat er mich in eine Tonne mit kaltem Wasser geworfen und dann ..."
"Hallooooo! Rekrut! Hier bin ich! Beantworte bitte meine Frage." Aber Ruppert erkannte, dass der Wächter unter einem Schock stand. Er kratzte sich am Kopf und überlegte ob er Jack oder einen anderen Mediziner rufen sollte. Oder einen der Püschologen, aber dann würde er so schnell keine Antwort erhalten. Nun, dann musste er wohl etwas Radikales machen. Er stand auf, ging zum Aktenschrank, der seinem Schreibtisch gegenüberstand und kramte im unteren Fach herum. Dann zog er eine kleine Stahlflasche heraus und schüttelte sie vorsichtig. Es gluckerte harmlos. Er nahm ein Glas von dem Schrank herunter und schüttete ein paar Tropfen des Inhalts hinein. Dann füllte er mit reichlich Wasser auf.
Die Flasche hat er von seinem Freund Jeremiah Ogg bekommen. Sie enthielt einen absolut klaren und reinen Apfelschnaps ("Na ja", hatte Ogg gesagt, "es sind auch Äpfel drin"), den man möglichst nicht pur trinken sollte.
Er gab das Glas dem Rekruten, der es in einem Zug austrank.
Ruppert beobachtet gespannt die Reaktion. Zuerst wurde der junge Mann knallrot im Gesicht und seine Augen traten ein wenig hervor. Dann holte er tief Luft und lief gleichzeitig blau im Gesicht an. Er stieß die Luft wieder aus, wurde blass und sank auf seinem Stuhl zusammen.
"Danke, Obergefreiter, das habe ich jetzt gebraucht." Er lächelte Ruppert an. "Das ist echter Knieweich, nicht wahr, direkt aus den Spitzhornbergen." Er seufzte. " Wäre ich doch nur da geblieben."
Ruppert räumte das Glas weg und sah den Rekruten fragend an. Der begann nun endlich zu erzählen.
"Also, das war so, ich stand am Wachetresen, als eine Frau hereinkam und einen schmuddeligen Krug auf die Tischplatte stellte. Sie sagte irgendwas wie 'Ich will nur was abgeben' und ist dann wieder verschwunden. Ich bin ihr hinterhergelaufen, aber sie war im Gewühl auf dem Platz schon verschwunden. Als ich zurückkam begann sich das Zeugs auszubreiten und lief schon auf den Boden. Dann kam der Feldwebel ...", der Rekrut schauderte
[7a]. "Mehr kann ich nicht sagen, Obergefreiter."
Ruppert dankte ihm und schickte ihn zu RUM. "Beschreib denen bitte ganz genau diese Frau. Sag ihnen sie ist schuld daran, dass das Wachhaus verschleimt und sie sollen sie unbedingt auftreiben. Schönen Gruß vom Hauptmann und so."
Der Rekrut nickte, bedankte sich noch mal für den guten Tropfen und ging aus dem Büro.
Keiner von beiden bemerkte, dass der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, von einer dünnen Schleimschicht überzogen war.
***Ruppert ging in die Asservatenkammer und suchte dort eine Weile nach dem Buch, das sie vor einigen Monaten bei dem Fall mit der Riesenschnecke beschlagnahmt hatten. Leider teilte ihm der diensthabende Wächter mit, dass
"Das Buch der großen Molluske oder der Kodex der großen Molluske" vor wenigen Tagen an den Eigentümer zurück gegeben worden sei. Ruppert nickte ergeben und verließ das Wachhaus durch den Hintereingang, der durch Sandsäcke gegen den Schleim abgesichert worden war. Vorher warf er noch einen Blick auf den Wachetresen und stellte fest, dass sich die Schleimproduktion weiter verstärkt hatte. Ein stetiger Strom ergoss sich über die Tresenkante und floss zäh aber stetig aus dem Haupttor des Wachhauses. Aber auch im Hof hatte sich ein altes Fass zu einem Schleimspeier entwickelt und hatte bereits den halben Hof mit einer dünnen Schicht bedeckt.
"O je", dachte Ruppert, "das Zeugs ist ansteckend" und lief so schnell er konnte ins Wachhaus zurück. Er packte sich den erstbesten Wächter, ließ ihn wieder los, als er erkannte, dass es sich um Jack Narrator von der Gerichtsmedizin handelte, der mitunter zum Jähzorn neigte und sagte ihm hastig: "Jack, Du musst sofort zum Chef! Das Wachhaus muss evakuiert werden! Und keiner darf das Schleimzeug berühren, denn sonst fängt er selber an zu schleimen."
Jack sah ihn an und meinte: "Warum gehst du nicht selber hin?"
"Ich habe eine Idee wer dahinter stecken könnte und will das sofort überprüfen. Vielleicht können wir dann Schlimmeres verhindern."
Jack nickte und machte sich auf den Weg in den zweiten Stock.
Auf dem Weg dorthin sah er Hauptmann MeckDwarf fluchend und schimpfend aus seinem Büro laufen, weil zuerst sein Schreibtisch und dann der Rest des Büros voller Schleim war, der von Rib ausging. Als Rib ihm folgen wollte brüllte ihn der Hauptmann an "Du bleibst da!" und knallte die Tür zu. Er schnauzte einige Wächter an, die ihn erschrocken ansahen und forderte sie auf seine Tür mit Sandsäcken zu verbauen. Als die ihn nur verständnislos ansahen, wurde er deutlicher: "Ihr gehen und holen Sandsäcke und legen Sandsäcke vor meine Tür. Ihr haben verstanden?" Da seine drolligen Worte nicht mit dem trolligen Gesichtsausdruck übereinstimmte, rannten die Wächter los um die gewünschten Sandsäcke zu besorgen und die Tür zu verbarrikadieren.
Mit beschleunigtem Schritt lief Jack nun zum Kommandanten und hämmerte an die Tür.
"Ja, verdammt, wer ist denn da? Komm rein", kam von innen die Stimme von Rascaal Ohnedurst.
"Sir, wir müssen das Wachhaus evakuieren!", sprudelte es aus Jack heraus. Der wie immer schwarz gekleidete Vampir hinter dem Schreibtisch sah ihn verwirrt an. "Ja? Müssen wir?" Er trank eine Tasse seines berüchtigten Kaffees und Jack war erleichtert, dass er ihm keinen anbot.
"Ja, Sir, wir werden sonst zu - und eingeschleimt."
Ohnedurst sah den Gerichtsmediziner mitleidig an und bot ihm nun doch eine Tasse an, die Jack aber unter Hinweis auf die Eile ablehnte. Während der Kommandeur noch versuchte irgendeinen Sinn in den Worten Narrators zu finden, klopfte es schon wieder an die Tür und Hauptmann MeckDwarf betrat den Raum. "Sir, wir haben da ein Problem ..."
***Himmelfleck betrat schwitzend und außer Atem die kleine Buchhandlung.
"Guten Tag, Herr Kasis."
"O nein, nicht schon wieder ...", der Buchhändler sah den Wächter entsetzt an.
"Was hast du denn?"
"Nichts, gar nichts, ich dachte nur an deinen letzen Besuch und was für ein Chaos ihr angerichtet habt."
"Also wirklich, das ist ja wohl dreist! Immerhin hast du die Wache gerufen weil dir ein Buch gestohlen wurde. Und ich darf dich darauf aufmerksam machen, dass du nicht gerade kooperativ warst und wir deshalb viel Zeit verloren haben!"
Der kleine, schon etwas ältere Mann schwieg verstockt und sah Ruppert muffig an.
"Ich habe gehört, dass du das Buch wieder abgeholt hast."
"Welches Buch?"
Ruppert brüllte plötzlich los: "Willst du dich mit mir anlegen, du Bücherwurm?"
Herr Kasis wich zurück bis er an das nächste Bücherregal stieß. Am liebsten wäre er wohl daran hochgeklettert, aber das ging nicht, denn Ruppert stand direkt vor ihm.
"Ach so", stotterte er , "den Kodex der großen Molluske. Ja, den habe ich zurück geholt, aber ich habe ihn schon verkauft." Er kicherte nervös. "Ähm, möchtest du einen Kaffee?"
"Nein! Seit wann trinkst du Kaffee? Ich denke das gibt nur Kaffeeflecken?", knurrte Ruppert ihn an.
"Vielleicht ein Glas Wasser?", quiekte der Mann mit nervöser Stimme und blickte ängstlich an dem großen Wächter hinauf.
Ruppert trat einen Schritt zurück und besann sich auf den Sinn seines Besuches. "An wen hast du das Buch verkauft?"
"Ja, also ich, es wurde, nun ja, ähmm ...", Herr Kasis sah verlegen auf den sauber gewischten Holzboden seiner Buchhandlung.
"Herr Kasis, ich habe Grund zu der Annahme, dass mit dem Buch erneut Unheil angerichtet werden soll. Sag mit bitte auf der Stelle wer der Käufer war!"
"...", flüsterte der Mann unhörbar.
"Wie bitte?"
"Herr Arion hat es gekauft."
"Herr Arion?" Ruppert überlegte, denn den Namen hatte er schon gehört. Dann fiel es ihm ein.
"Was, du hast das Buch an den ... Dieb verkauft?", fragte er ungläubig.
"Ja, was sollte ich den machen?", jammerte der Buchhändler. "Der Mann wurde wegen Umweltverschmutzung zu zwei Monaten Kadaverbeseitigung auf dem Ankh verurteilt und weil das Buch ja wieder gefunden war, wegen unangemessener Buchausleihe zu 10 AM$ Strafe, zahlbar an den Patrizier. Ha! Und mein Buch war als Beweismittel beschlagnahmt worden. Er hat sich bei mir entschuldigt und hat mir dann 150 Dollar, das dreifache dessen was das Buch wert ist, bezahlt. Sollte ich da ablehnen?"
"Also, du hast das Buch an einen Irren verkauft, der schon mal versucht hat die Stadt mit Riesenschnecken zu terrorisieren? Das Buch, das es ihm jederzeit ermöglicht es wieder zu tun?" Ruppert war immer lauter geworden und der Buchhändler brachte sicherheitshalber einen Tisch zwischen sich und den wütenden Wächter.
"Es ist ja wohl nicht verboten Bücher zu verkaufen", sagte er trotzig.
Ruppert atmete tief durch, dann grinste er. "Nein, es ist nicht verboten. Aber ich werde mal den Bibliothekar der Unsichtbaren Bibliothek fragen was er davon hält, dass hier magische Bücher frei gehandelt werden. Kennst du ihn, so ein zottiger Typ mit langen Armen?", fragte er unschuldig als Herr Kasis blass wurde und sich kraftlos auf einen Stuhl plumpsen ließ.
***"... Ich habe Rib in meinem Büro eingeschlossen, und die Tür verbarrikadiert. Ich empfehle umgehend das Wachhaus zu evaku... evikae... zu räumen, Sir."
Rascaal Ohnedurst nickte nachdenklich und befahl dann den beiden SUSIs die Räumung zu veranlassen. "Ich bleibe natürlich und halte hier die Stellung", verkündete er den beiden, die das ohne mit der Wimper zu zucken hinnahmen, salutierten und das Chefbüro verließen.
"Jack, Du kümmerst Dich um den zweiten Stock, ich nehme mir die unteren Etagen vor", brummte der Hauptmann und Jack lief los.
Zuerst in den Seitengang mit den Püschologenbüros, die aber leer waren. Der Unordnung in Nyvanias Büro hätte man entnehmen können, dass sie in wilder Panik und nach heftigem Kampf ihr Büro verlassen hatte. Jack wusste es natürlich besser und auch der penetrante Ingwergeruch war ihm nicht wirklich fremd. Die Wasserspeierin war jedoch nicht in ihrem Büro. Auch die anderen Büros waren leer. An dem Büro der Okkultismusexperten lief Jack vorbei, denn er wusste, dass Laiza in Urlaub und Ruppert unterwegs war.
***Als Ruppert zurück zum Pseudopolisplatz kam hielt er erschrocken inne. Der Platz vor dem Wachhaus war von einer mindestens knöcheltiefen Schleimschicht bedeckt, die sich langsam immer mehr ausdehnte. Auch aus dem Hintereingang hatte sich das Zeugs ausgebreitet und umschloss so das ganze Gebäude, das nun wie ein riesiger Wal im Ententeich aussah
[9]. Mit einem lauten Klirren barst just in diesem Moment im zweiten Stock ein Fenster und die grünlich schimmernde Masse schoß wie eine horizontale Fontäne auf den Platz. Ruppert erschrak, das war das Fenster seines Büros gewesen.
***Einige Meter vom Rand des Schleims entfernt stand der übliche Ankh-Morpork-Mob und bestaunte die neue Sensation. Ruppert erkannte Schnapper, der ihn in seiner ersten Zeit in der Stadt mit leckeren Brötchen versorgt hatte. Er sah interessiert auf die glibberige Masse und schien angestrengt nachzudenken. Ruppert stieß ihn mit der Schulter an und raunte ihm zu: "Denk nicht mal dran!"
Schnapper zuckte erschrocken zusammen, erkannte dann Ruppert und meinte verlegen lächelnd: "Es ist doch eigentlich eine Verschwendung, oder. Ich meine mit ein bisschen Zucker und ..."
"Nein, Herr Schnapper, vergiss es. Das Zeug ist wirklich ungenießbar, das würde nicht mal ich essen." Das überzeugte den fliegenden Händler und Nahrungsmittelverkäufer. "Wenn
du das sagst, Herr von Himmelfleck." Mit hängenden Schultern und traurigem Blick schlurfte er dorthin, wo gemeinhin sein Zuhause vermutet wurde.
[10]***Ruppert musste unbedingt ins Wachhaus um die Adresse des Verrückten herauszufinden. Der Buchhändler wusste sie angeblich nicht. Aber ins Wachhaus kam er nicht mehr, denn er konnte schlecht durch den Schleim laufen, der sich als so ansteckend erwiesen hatte.
Rund um den Glitschefleck standen viele Wächter und wichen immer mehr zurück um von den Schleimmassen nicht erfasst zu werden.
Am Rand des Platzes bemerkte er eine Gruppe Rekruten, an der Seite ihres Abteilungsleiters, Hauptmann Llanddcairfyn. Ruppert eilte zu ihnen.
"Entschuldigung Sör, aber ich muss unbedingt in das Wachhaus. Und zwar ohne mit dem Dreck in Berührung zu kommen."
Der Hauptmann schüttelte den Kopf. "Warum das denn? Sei froh, dass du draußen bist. Nachdem was ich gehört habe ..."
"Verzeihung, Sör, ich kenne den Verursacher dieser Geschichte, aber ich brauche seine Adresse. Und die ist leider im Wachhaus."
Der Hauptmann überlegte kurz und befahl dann: "Sayuri, Mimosa, Eisman - seht zu, dass Ihr feste Säcke findet. Schweifel, Halbblut, ihr beiden sucht eine Baustelle und beschlagnahmt so viel Sand wie ihr könnt - und eine Karre dazu, nicht dass ihr hier mit zwei Eimern auftaucht, ihr Klotzköpfe! Schattig, Keule und Dripple, ihr geht mit den beiden und sucht dicke Holzbohlen oder Bretter. Sprung auf, Marsch! Marsch!"
Mittlerweile hatten sich auch andere Wächter, darunter MeckDwarf, bei Ruppert informiert und waren sehr skeptisch. MeckDwarf brachte es auf den Punkt: "Erstens ist es fraglich ob der Verdächtige sich ausgerechnet zu Hause aufhält und zweitens musst du ins Archiv. Das liegt im Keller und der Keller steht voll mit diesem Zeug."
"Das ist schon richtig, Sör, aber hast du eine bessere Idee?" Die hatte der Hauptmann nicht und der Versuch wurde gebilligt.
Schon nach erstaunlich kurzer Zeit waren die Rekruten zurück und brachten die gewünschten Sachen. Sie füllten die Säcke mit dem Sand und warfen Sie in den Schleim darüber legten sie Bretter und Bohlen, so dass ein Steg bis zur Treppe des Wachhauses gebildet wurde. Ruppert lief über die improvisierte Brücke und über Sandsäcke in das Wachhaus.
***Im Wachhaus geschahen unbemerkt inzwischen Dramen und Heldentaten wurden vollbracht, die in die Annalen der Wache eingehen sollten. Die Dramen wurden hinterher allerdings vergessen.
Niemand hatte bei der Flucht in die oberen Räume daran gedacht, dass im Keller auch verschlossene Türen waren und nun saßen in mehreren Zellen Verdächtige, die niemand mehr befreien konnte, denn der Schleim stand dort schon gut einen Meter hoch.
Der Raffgierige Robert, ein stadtbekannter Taschendieb, der so ungeschickt war, dass selbst die Diebesgilde ihn nicht als Konkurrenz ansah, schlug panisch gegen die Tür, unter deren Rand ein dünner Film des ekligen Zeugs hereingeströmt war und allmählich anstieg. Aber niemand antwortete ihm . Auch die anderen Zelleninsassen begannen ängstlich an die Türen zu schlagen, die intelligenteren freilich erst, nachdem sie die Ritzen mit allem möglichen zugestopft hatten.
Nur ein Mitglied der Wache, der Archivar, befand sich noch im Keller und verteidigte sein kostbares Archiv mutig und verzweifelt gegen die eindringenden Massen manifestierten Ekels. Er war es auch, der später in den Balladen der Wache besungen wurde:
Trutzig hielt er aus in der Tiefe seiner Kammer
bekämpfte den Glibber voller Mut, ohne Jammer
Er rettete der Wache den Grund ihres Seins
die wertvollen Akten vor dem Zugriff des Schleims
***Ruppert betrat das Wachhaus, indem er einen Sandsack nach dem anderen in das Zeugs gleiten ließ. Die Rekruten versorgten ihn mit frisch gefüllten Säcken. Aber als Ruppert an der Kellertreppe angekommen war, musste er feststellen, dass ein Betreten des Archivs unmöglich sein würde. Zu hoch, schon über einen Meter, stand der Schleim, der sich durch die provisorischen Dämme nach unten gedrängt hatte. Ruppert hörte von den Zellen lautes Klopfen und er schüttelte sich beim Gedanken daran was den Insassen bevorstand. Aber - für ihn engelsgleich - hörte er auch eine schimpfende Stimme aus dem Archiv - es war der Archivar.
"Hallo, kannst du mich hören?", brüllte er.
"Wer ist da?", kam es zurück.
"Obergefreiter von Himmelfleck. Ich brauche deine Hilfe."
"Ich könnte auch Hilfe gebrauchen", grummelte es von unten.
"Ich benötige eine Adresse von einem verurteilten Verbrecher", rief Ruppert.
"Sag mal, sonst hast du keine Probleme, oder was?", kam es indigniert von unten.
"Ich vermute, dass ich dort den Verursacher für unser ... kleines Problem finde."
"Du meinst, du weißt wer uns hier zuschleimt?"
"Ja, ich glaube schon!"
"Wen suchst du?"
"Einen gewissen Arion, der im Fall mit der Riesenschnecke vor zwei oder drei Monaten gefasst und verurteilt wurde."
"Welche Abteilung?"
"O je, das war bunt gemischt."
"Warte, ich sehe nach."
Ruppert stand auf halber Höhe der Kellertreppe auf einem Sandsack und beobachtete wie immer mehr Schleim zäh die Treppe hinab floss. Er dachte auch über die gute Akustik nach, die ihm ein zwar gebrülltes aber verständliches Gespräch um zwei Ecken und eine Tür ermöglichte.
Nach einer Weile hörte er den Archivar rufen:
"Hey, Himmelfleck! Ich hab' die Adresse!"
"Lass hören, Kollege!"
"Dieser Herr Arion, Fulbert Arion, wohnt in der Hinterbackenstraße 7, Hinterhaus, vierter Stock unter dem Dach, bei Frau Gastropoda, einer ehemaligen ...", Ruppert glaubte eine verlegene Pause zu hören, "... Nackttänzerin aus Gennua."
"Wo ist die denn?"
"Wer? Die Nackttänzerin?"
"Nein, die Hinterbackenstraße?"
"Ach so, die ist irgendwo beim Viehmarkt."
"Gut, danke, ich mache mich sofort auf den Weg."
"Beeil dich! Bitte! Ich muss sonst noch mehr wertvolle Akten zerreißen und in die Ritzen stopfen", klang es verzweifelt drängend aus dem Keller.
Die ErmittlungenDer Obergefreite balancierte auf den Sandsäcken wieder aus dem Wachhaus und lief dann den Plankenweg zurück zu den wartenden Vorgesetzten.
"Ich hab die Adresse!", rief er ihnen zu.
Der stellvertretende Abteilungsleiter von SUSI deutet auf drei Wächter, die neben ihm standen. Das ist ein Sonderkommando unter der Leitung von Feldwebel Kanndra. Lance-Korporal Dubiata und Rekrutin Mohrtischa Unmagisch gehören ebenfalls dazu. Und du natürlich. Ihr habt von allen verfügbaren Wächtern die meiste Erfahrung mit Magie. Macht diesem Spuk ein Ende!"
Kanndra winkte Ruppert zu sich und musterte ihn von oben bis unten sehr eindringlich.
"Du bist also dieser von Himmelfleck. Hmm... Tussi hat mir ja schon einiges über dich erzählt." Rea Dubiata kicherte verhalten und der Zwerg sah verständnislos zu den drei Menschen auf.
"Was hat sie eigentlich gegen mich? Seit ein paar Wochen ..."
MeckDwarf unterbrach ihn. "Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle. Bitte macht euch auf den Weg!"
Die vier salutierten und marschierten los. Ruppert erklärte unterwegs was er ermittelt und deduziert hatte.
"Deduwas?" Mohrtischa verstand nicht ganz was der Dicke da erzählte.
"Ähm, aufgrund der Ermittlungsergebnisse habe ich Schlüsse gezogen."
"Aha, und warum sagst du das nicht gleich?", fragte der Zwerg mit den angeblich magischen Erfahrungen. Ruppert seufzte nur und ging schweigend weiter.
Kanndra kam zu ihm und ging neben ihm her. "Also, ich wollte dir nur sagen, ich habe keine Vorurteile."
[11]"Oh, das ist gut." Ruppert war etwas verwirrt, aber er dachte, dass Kanndra ihm sagen wollte, dass sie nichts gegen Werwölfe hätte. "Ich kann ja verstehen, dass manche Leute etwas gegen uns haben."
"Warum eigentlich? Ihr macht doch nichts Schlimmes"
Ruppert sah den Feldwebel verblüfft an. "Na ja, so würde ich es dann ja auch wieder nicht sagen. Manches was erzählt wird stimmt schon. Zügellos, Triebhaft, Gewaltbereitschaft, Blutdurst, ich meine das lässt sich ja nicht leugnen. So sind wir eben. Wir haben uns eben angepasst und unter Kontrolle, aber manchmal kommt es eben doch zum Vorschein."
Kanndra blieb stehen und sah den Obergefreiten entsetzt an. "Also, also, neee, also ...", ihr fehlten die Worte.
Ruppert lächelte sie unsicher an. "Nun, ich will nicht damit sagen, dass alles stimmt was man so erzählt. Draußen in Überwald gibt es aber Gebiete, da ist niemand sicher, Menschen, Schafe, Ziegen, Hunde, Katzen ... manche machen keinen Unterschied. Hauptsache es lebt noch. Hier in der Stadt haben wir uns aber fast immer voll unter Kontrolle."
Kanndra rückte ein Stück von ihm ab. "Fast immer?"
"Ab und zu rastet man schon mal aus. Aber bisher ist nichts weiter passiert. Ich meine, jeder rastet mal aus, oder?"
Kanndra schien total verwirrt zu sein, murmelte "Ja, kann schon sein." vor sich hin und ging zu Rea und begann mit ihr zu tuscheln.
Mohrtischa stiefelte nun neben Ruppert und sah zu im hoch. Ihre Augen blinzelten dunkel aus dem Haargebüsch heraus, das ihr ganzes Gesicht bedeckte. Ruppert war irritiert, dass sie einen Besen bei sich trug.
"Worum ging es denn?", fragte sie.
"Irgendwie ist mir das auch nicht so klar, sie wollte mir wohl sagen, dass sie nichts gegen mich hat - ähm, du weißt was ich bin?"
Mohrtischa nickte stolz. "Ja, Okkultismusexperte. Ich bin zwar neu bei der Wache, aber die Rang- und Spezialistenabzeichen habe ich schon gelernt. Aber was sollte sie gegen dich haben?"
"Nun, es gibt immer wieder Leute, die etwas gegen andere Leute haben, weil die anderen Leute anders sind als diese Leute. Wenn du verstehst was ich meine."
Mohrtischa überlegte ernsthaft und sagte dann sehr bestimmt: "Nein!"
"Es gibt zum Beispiel Leute die etwas gegen ... Werwölfe haben ..."
"Ja, das kann ich verstehen", unterbrach ihn der Zwerg.
"Dabei sind manche einfach nur nette Kerle ..."
"Ha, na ja, Spezizismus gehört nicht gerade zu meinen Stärken. HaHaHa!"
"... ich zum Beispiel."
"Oh, du bist ein ... ein ... W-w-w-w-werwol ... För ..." Sie schluckte und griff den Besen fest mit beiden Händen. "In Ordnung, För - aber das ist mein BesenSTOCK"
[12]"Vergiss endlich den Sör, ich bin ja nicht dein Vorgesetzter."
"Ja, För, selbstverständlich, För!"
"Gut, dann ist ja alles klar." Ruppert klang ziemlich resigniert. "Da vorne ist der Viehmarkt. Fragen wir mal nach der Hinterbackenstraße."
***Ruppert stand vor der Tür des Hauses in dem Arion wohnte, Kanndra und Rea etwas hinter ihm und Mohrtischa noch hinter den beiden. Ruppert spürte wie der Abstand seiner Kollegen und Kolleginnen zu ihm allmählich immer größer wurde. Verstehen konnte er es nicht, denn die anderen Werwölfe in der Wache hatten nach seiner Beobachtung dieses Problem nicht. Er dachte schon öfter daran aufzuhören und etwas anderes zu machen.
'In Überwald hat es keiner gewagt seine Vorurteile zu zeigen. Und ich war nicht allein - und ich hatte das Sagen. Hier gelte ich nicht viel und muss mir allerhand Unfug gefallen lassen.' Es grollte in ihm.
'Andererseits gibt es Menschen wie Laiza und Kathi, die nicht von ihren Vorurteilen aufgefressen werden. Ach, alles Mist!'Es war ein altes Haus, wirkte leicht heruntergekommen. Nach den Namensschildern neben dem Türklopfer zu schließen wohnten ziemlich viele Menschen dort. Die Tür öffnete sich und eine kleine, alte Frau trat heraus.
"Wat tut'n ihr hier woll'n tun?", fragte sie in schrecklichem Gassendialekt.
Kanndra schob sich vor. "Ich bin Feldwebel Kanndra Mambosamba von der Stadtwache. Wir möchten gerne zu Herrn Haarmann."
"Arion", warf Ruppert ein.
"Richtig, zu Herrn Arion."
"Ich wees abber nüsch obber daah iss", sagte die Alte. "Wohnt obbe im virdde Schtock."
Kanndra bedankte sich und betrat das Haus. Die anderen folgten ihr. Die Frau sah den vier Wächtern ängstlich nach und lief schnell weiter.
Der Geruch gekochten Kohls und die dampfige Feuchtigkeit frisch gewaschener Wäsche schlug über ihnen zusammen, kaum dass sie das Treppenhaus betreten hatten. Über alte und ausgetretene Stufen, die unter ihrem Gewicht bedenklich knarrten, stiegen sie hinauf zum vierten Stock, vorbei an verschmierten Wänden, fehlenden Stücken im Geländer, aufgebrochenen Türen, so oft aufgebrochen, dass wohl niemand mehr es für sinnvoll hielt sie zu reparieren, hinter denen Kinder brüllten, Männer schrieen und Frauen weinten, aus denen der Gestank heruntergekommenen Wohlstands wehte und unter deren Dielen Ratten und Mäuse dynastische Kämpfe austrugen. Unwillkürlich waren Kanndra und Rea näher an Ruppert herangerückt, der in dieser Atmosphäre dekadenten Verfalls und grenzenloser Verrohung einen Anblick vertrauter Stärke und Sicherheit bot, der Macht ausstrahlte und grimmig blickende Wesen, Zwerge, Menschen, Zombies allein durch seine Ausstrahlung zwang sich eng an die schimmelnden Wände zu drücken und fauchend die Hände nach den Wächtern auszustrecken ohne es zu wagen sie zu berühren. Mohrtischa Unmagisch bildete die tapfere Nachhut, mit kampfbereit erhobenen Besen ein Anblick gnadenloser Hausfrau ... Hauszwerglichkeit, stets bereit es mit dem Abschaum der Treppe aufzunehmen, ebenso wie mit unerwarteten Attacken des uneingestanden angsteinflößenden Werwolfes. Durch die blinden, durch jahrelange Missachtung von Wasser und Fensterleder dick mit Dreck beschmierten Fenster drang düsteres Licht auf die steile Stiege. Je näher die Wächter sich dem Ziel näherten, um so düsterer, höhlenartiger, verklebter, wie von riesigen Spinnen umwoben schien das Treppenhaus. Nicht mehr knarrende Holztreppen schienen es zu sein, nein gewachsener Felsen erzitterte jäh unter den machtvollen Tritten der Helden der Wache, mächtige Adern roten Quarzes durchzogen Stufen aus wuchtigem Basalt, granitene Menhire standen statt des Geländers an den Seiten der Stufen, jenseits davon steile Abgründe in unermessliche Tiefen führten, deren Anblick weniger starke Herzen erzittern ließe.
"O tapfere Wächterinnen und Wächter, besungen in den Balladen kommender Dekaden, ihr nähert euch dem Ort unausgesprochenen Schreckens, wisset, es wird kommen der Tag, da ob eures Schicksals künftige Generationen hoffnungsfroher Rekruten verzweifeln werden und tränenüberströmt auf die feuchten Strohsäcke der Schlafsäle fallen werden."
Rea Dubiata schreckte auf und fand sich auf einer staubigen Treppe stehend. Neben ihr starrten Kanndra, Ruppert und Mohrtischa blicklos mit weit aufgerissenen Augen in scheinbar grauenvolle Fernen. Sie bewegten sich wie in Zeitlupe auf der Stelle. Ruppert stand da mit geschwellter Brust, die den eingezogenen Bauch fast überragte, und abgewinkelten Armen, die geschlossenen Fäuste auf Höhe der Ohren streckend. Mohrtischa wedelte mit ihrem Besen in der Luft herum und Kanndra, nein das war unmöglich, Kanndra sah nachgerade ängstlich aus und hielt sich nah an Ruppert, über den sie sich vorhin noch so entsetzt gezeigt hatte. Rea erinnerte sich dunkel an Bilder von höhlenartigen Gängen und eine entsetzlich krächzende Stimme, die wirre Prophezeiungen aussprach. Sie schüttelte heftig den Kopf und nahm dann Kanndra an die Hand. Willenlos ließ sich der Feldwebel zur Seite ziehen. Rea zögerte kurz, dann gab sie der Kollegin eine schallende Ohrfeige.
Ein schmerzhafter Schlag ins Gesicht brachte Kanndra wieder zu klarem Verstand. Gerade hatte sie noch in die tiefsten Abgründe geschaut und dort entsetzliche Wesen erblickt, da stand sie im nächsten Augenblick auf einer alten Treppe und hielt sich die Wange.
"Was ist los, wer hat ... hast du mich geschlagen, Rea?", stammelte sie verwirrt und sah den Lance-Korporal verwirrt an.
"Wir waren weggetreten, Kanndra", antwortete Rea und zeigte auf Ruppert und Mohrtischa, die sich immer noch wie in Trance bewegten. "Sieh dir die beiden an. So hast du auch gestanden."
"Ich erinnere mich ... an einen Abgrund ... abscheuliche Kreaturen ...", ihr hübsches Gesicht verzog sich angewidert bei der Erinnerung daran.
"Daran kann ich mich auch erinnern, und dann hörte ich auf einmal eine Stimme ...", Reas Stimme versagte. "Es war die Stimme, die mich aufwachen ließ ..." Sie schluckte. "So kalt, so böse und doch so vertraut ..." Sie schüttelte sich.
Kanndra sah sie überrascht an. "Ja, die habe ich auch gehört, ... aber wie ist das nur möglich?"
Die beiden Frauen sahen sich an.
"Wir müssen die beiden aufwecken", sagte Kanndra.
Rea nickte und stellte sich vor den Zwerg, Kanndra nahm notgedrungen vor dem Werwolf Stellung.
"Auf drei! Eins - Zwei - Drei!" Kanndra trat Ruppert mit der vollen Wucht ihrer 55 Kilogramm auf den rechten Fuß, Rea begnügte sich mit einem heftigen Bartzupfen. Danach sprangen die beiden Frauen zurück und warteten auf eine Reaktion.
Ruppert schrie auf und hüpfte auf dem linken Bein, das Gesicht schmerzvoll verzogen.
"Aua, was war das denn?"
Die Reaktion des Zwerges war, nun ja, offensiver. Sie schwang ihren Besen heftig um sich herum und traf Ruppert, der immer noch auf einem Bein stand und sich den rechten Fuß hielt. Er konnte das Gleichgewicht nicht halten, fiel gegen das Geländer, das seinem Gewicht nicht standhielt und fiel kopfüber nach unten.
Rea und Kanndra schrieen entsetzt auf, als der Obergefreite verschwand. Der Feldwebel lief zu dem Loch im Geländer und sah erschrocken nach unten. Ruppert hing an einer Hand an einer hölzernen Strebe, die dem Treppenbauwerk wohl etwas mehr Stabilität verleihen sollte. Sie krachte bereits Unheil verkündend unter seiner Masse. Er schaukelte hin und her, griff dann auch mit der anderen Hand nach der Strebe und gerade in dem Moment, in dem er sich in Schwung versetzt hatte um auf den unter ihm liegenden Treppenabsatz zu springen gab die Strebe nach und riss aus ihrer Verankerung. Kanndra konnte es hinterher nicht beschreiben, aber als sich der Staub verzogen hatte, stand der Okkultismusexperte auf dem Treppenabsatz und sah nach oben. "Sonst noch was?", brüllte er wütend.
Erstaunlicherweise war bei dem ganzen Lärm kein Hausbewohner herausgekommen um sich zu beschweren. Im Gegenteil, es schien, als sei das Haus verlassen. Kein Laut drang mehr aus den Zimmern hinter den verkommenen Türen.
Ruppert rannte die Stufen empor und wurde von drei betretenen Kolleginnen erwartet.
"Hey, das war keine Absicht..."
"Entschuldige, ein Unfall ..."
"Was war eigentlich los?"
Ruppert atmete tief durch, dann kam die Erinnerung und er sah sich suchend um.
"Was in der Götter Namen ist eigentlich geschehen?" Er sah nur in ratlose Gesichter.
***Immer heftiger kam der Schleimstrom aus dem Wachhaus. Die Sandsackbarrikaden, die die Wache und zahlreiche Freiwillige errichtet hatten konnten der zähen Masse nicht widerstehen oder wurden so gründlich durchtränkt, dass schon das Opernhaus fast vollständig umschlossen war. Durch den Unteren Breiten Weg drückte die glibberige Masse bereits ebenso wie durch die Nebenstraßen, die das Wachhaus umgaben. Hauptmann MeckDwarf, der aus ihm unerfindlichen Gründen offenbar der ranghöchste Wächter weit und breit war, hatte einen Boten zum Patrizier geschickt und gebeten die Götterinsel evakuieren zu dürfen. Versuche der kriechenden Masse Einhalt zu gebieten hatten nichts gebracht. Feuer, Wasser, alchimistische Säuren, Gifte ... nichts hatte den stetigen Strom stoppen können. Wehe Ankh-Morpork, wenn der Schleim den Fluss erreichen würde.
***Die vier Wächter standen auf dem Treppenabsatz, schweigend und nachdenklich.
"Es war keine Magie", sagte Ruppert schließlich. Die anderen drei nickten.
"Aber was sonst?", fragte Rea.
"Egal, was es war. Wir müssen darauf achten, dass es nicht noch einmal geschieht. Lasst uns jetzt endlich die Wohnung von diesem Haarmann aufsuchen", beschloss Kanndra.
"Arion", korrigierte Ruppert sie, was sie mit einem unwilligen Grunzen zur Kenntnis nahm.
"Außerdem stehen wir vor seiner Tür", er deutet auf ein Namensschild aus Papier, auf dem mit ungelenken Buchstaben "Hetero Gastropoda" stand.
Kanndra musterte die Tür und klopfte an.
Nichts rührte sich.
Kanndra klopfte noch einmal, diesmal kräftiger. Die Tür öffnete sich einen Spaltweit, aber das war auch die einzige Reaktion. Sie schob die Tür mit dem Fuß auf und wollte hineingehen, aber Ruppert hielt sie zurück.
"Wenn du einen Werwolf dabei hast," - Mohrtischa zuckte deutlich sichtbar zusammen - "dann lass ihn vorangehen."
***Kanndra starrte ihn an, zuckte dann die Achseln und sagte nur "Wenn du meinst."
Sie trat zur Seite und Ruppert öffnete vorsichtig die Tür. Die Erwartungen, die an Türen in solchen Häusern gestellt werden wurden erfüllt. Sie quietschte befriedigend als sie langsam aufschwang. Auch die Dielen benahmen sich erwatungsgemäß. Als Ruppert die Wohnung betrat, knarrten sie laut und deutlich. Niemand, der nicht schwerhörig gewesen wäre, wäre überrascht worden.
Hinter der Tür befand sich eine große Diele. Von den Wänden hingen Fetzen von ehemals vornehmen Tapeten herunter. Ruppert konnte noch schwach großflächige Rosenmuster erkennen, doch Ruß und Staub hatten die Tapeten verdunkelt und unansehnlich gemacht. Möbel gab es keine, der Raum war vollkommen leer. Diffuses Licht fiel nur durch die geöffnete Wohnungstür hinein.
Ruppert trat drei Schritte in den Raum. Drei Türen gingen von der Diele ab. Die drei anderen Wächter folgten ihm vorsichtig. In ihrer Erinnerung waren noch immer die höhlenartigen Verwandlungen des Treppenhauses präsent und ihnen allen war unbehaglich zumute.
Ruppert öffnete die erste Tür, hinter der sich ein weiterer leerer Raum befand. Durch das blinde Fenster trat ein wenig Sonnenlicht in den Raum und malte helle Flecken auf den mit Unrat bedeckten Boden. Ein übler Geruch stieg ihnen in die Nase. Ruppert schloss die Tür schnell wieder.
Hinter der zweiten Tür fanden die Wächter einen schmuddeligen Schlafraum vor. Ein zusammengebrochenes Bett lag in einer Ecke und neben den Trümmern eine angeschimmelte Matratze aus Rosshaar oder Seetang, auf jeden Fall auf Handbreite zusammengedrückt, aufgerissen und modrig stinkend. Darauf einige zerknäulte Decken, die weder besser aussahen noch besser rochen als die Matratze. Ein schiefer Kleiderschrank stand in einer anderen Ecke des Zimmers. Ruppert öffnete ihn vorsichtig und fand ein paar erstaunlich saubere Kleidungsstücke darin. Der Größe nach könnten sie von Arion stammen. Ein Schreibtisch voller Papier und Bücher stand unter dem Fenster, das immerhin soweit gesäubert war, dass helles Licht in den Raum treten konnte. Zwei rußige Laternen auf dem Fensterbrett vervollständigten das Mobiliar.
Rea und Ruppert betraten das Zimmer. Er nahm einige Bücher in die Hand und sah sich schnell die Titel an. "Der Mann muss krank sein", sagte er, "nur Bücher über Schnecken, teilweise handgeschrieben. Hier, schau dir das an. Ein Buch über Schneckenbekämpfung im Garten." Er reichte das Buch Rea, die neben ihm stand. Dicke Striche waren kreuz und quer über die Seiten gezogen worden. Mit fetten Buchstaben standen Schmähworte auf den Seiten, Worte wie
'Mörder', 'Sadisten', 'Schweine', 'Brutalinskis'. Rea legte das Buch kopfschüttelnd wieder auf den Schreibtisch.
Kanndra und Mohrtischa hatten sich inzwischen vor der dritten Tür postiert. Der Zwerg sah mit seinem Besen aus wie eine verzweifelnde Putzfrau, ähm, Putzzwergin ... wie auch immer ... die vor einer nahezu unauflösbaren Aufgabe stand. Ruppert musste heimlich grinsen, als er sich vorstellte, dass Mohrtischa in voller Uniform und mit vorgebundener Schürze den Besen schwang.
Kanndra bedeutete dem Obergefreiten mit dem Kopf auch hier wieder voranzugehen. Ruppert öffnete vorsichtig die Tür.
"Kommt herein, ihr Wächter, ich habe euch schon erwartet", erklang von drinnen eine Stimme. Es war die gleiche unangenehme Stimme wie in ihrem Albtraum.
***Ruppert holte tief Luft und trat ein. Die anderen folgten ihm.
"Ahaaa", krächzte die unangenehme Stimme, "Die Wache schickt mir hier ein magisches Einsatztiehm. Ahahahahihi! Zwei Hexen, eine Voodoofrau und einen werwölfischen Okkultismusexperten, der die Farbe der Magie sehen kann."
Die Wächter waren erstaunt. Woher wusste diese Frau das. Eine Frau war es nämlich, die dort auf einer Ottomane halb saß und halb lag. Eine junge und schöne Frau, was aber die Stimme nur noch umso schrecklicher klingen ließ. Vielleicht war jung und schön nicht der richtige Ausdruck. Jung und umwerfend schön träfe es eher aber noch immer nicht genau. Ruppert musste schlucken und den männlich menschlichen Teil seines Selbst nach hinten schieben und dafür den wölfischen hervor kramen. Er schüttelte sich und seine nun leicht gelblich angelaufenen Augen blitzen. "Keine Chance, mich verzauberst du nicht noch einmal!", höhnte er.
Die Frau kreischte und vor den Augen der entsetzten Wächter begann ihr Körper zu flimmern und eine hässliche alte Frau hing statt der wunderbaren Gestalt auf dem Lager. Sie war nicht hässlich weil sie alt war, sondern von ihr ging eine Ausstrahlung aus, die ihren ohnehin nicht angenehmen Anblick (Triefaugen, schiefe gelbliche Zahnstummel, verschrumpelt, Warzen und dreckverschmiert und alles mit viel Schminke übertüncht) nahezu unerträglich machte. Es war reine Bosheit, die von ihr ausging. Mohrtischa brummte unverständliche zwergische Beschwörungen vor sich hin. "Dr'Hacks Vö'schtr Lichswe Ib"
Die Alte hörte das und kicherte hämisch und erwiderte "Dr'Hocks H'x m'flg-Arrgst".
Mohrtischa wurde knallrot (was man aber nur an der Verfärbungen rund um die Augen sehen konnte) und hob angriffslustig den Besen. Kanndra hielt sie zurück.
"Wir sind auf der Suche nach Herrn Arion, der hier zur Untermiete wohnen soll", erklärte sie mit fester Stimme. Sie hatte beschlossen die Sache mit der Halluzination erst einmal zu ignorieren.
'Eins nach dem Anderen', hatte sie sich gedacht.
Die Frau auf der Ottomane lachte ihr scheußliches Lachen. "Oh, der gute Herr Arion. Hat er wieder etwas angestellt?"
"Das möchten wir gerne von ihm erfahren", erwiderte Kanndra ruhig.
Rea und Ruppert hatten sich inzwischen in dem Zimmer umgesehen. Das Zimmer war wie die ganze Wohnung schmutzig und es stank nach verfaultem Fleisch und anderem Unrat. Außer der Ottomane gab es noch einen alten Tisch, der an der Wand lehnte, weil ihm ein Bein fehlte und zwei klapprige Stühle mit geflochtener Sitzfläche, die freilich schon lange zerschlissen waren und nur noch große Löcher zeigten. Ein schiefer Schrank stand an einer Wand. Eine Tür hing halb offen an einer einzigen Angel, die andere fehlte. In den Schrank waren alte Kleidungsstücke und Hausrat wahllos durcheinander hineingestopft worden.
Die restlichen zwei Möbelstücke ragten aus dem Müll der Wohnung heraus. Neben dem Fenster stand ein Bücherregal aus hellem Holz, vollkommen staubfrei und vollkommen leer. Daneben, unter dem Fenster, eine große und mit Schnitzereien versehene Holztruhe. Als Ruppert den Deckel anhob stieg ein ihm bekannter Gestank aus der Truhe.
Der Gefreite Ruppert von Himmelfleck sah die Überreste auf sich zufliegen. "Verdammter Mist, ich kann kaum wammmmphhhhh"
Auch Obergefreiter Schulterbreit bekam einiges von der schleimigen Masse ab, aber längst nicht soviel wie der Werwolf, der unter einem meterhohen Berg Schneckeninnereien und -schleim lag und sich wunderte warum immer er alles abbekommen musste.
Ruppert grub sich durch die Schneckenreste und kam wieder zum Vorschein, über und über mit Schleim und Ekligerem bedeckt. Das Buch hielt er sicher an sich gepresst.
Es begann sacht zu regnen.
Yogi zog den Mann hoch und band ihm die Hände auf den Rücken, er fluchte leise dabei, denn das himmlische Wasser machte alles noch glitschiger.
Kathiopeja hockte auf dem Boden und schaute sich entsetzt und wortlos um. Sie schaukelte hin und her, die Augen weit aufgerissen. Sie murmelte etwas von großen Schnecken und Kaffee.
Schulterbreit und Herr Kurbel machten sich auf den Weg um den Verhafteten auf die Wache zu bringen. Yogi bat noch: " Kathi kannst du dich um das Buch kümmern? Und Ruppert vielleicht um den Karren?"
Ruppert gab Kathi das Buch.
"Dann treffen wir uns in der Wache und sollten uns erst mal sauber machen", sagte Yogi beim Weggehen.
Kathiopeja nahm das Buch abwesend entgegen und klammert sich daran.
"Komm, Kathi, wir suchen den Karren und dann ein Lokal mit echt gutem Kaffee"
Kathi schaute Ruppert an und schüttelt den Kopf um ihn frei zu bekommen. "Jjaa..."
Der angehende Okkultismusexperte reichte ihr die Hand zum Aufstehen und Kathi nahm die Hilfe dankend an. "OK... das war alles... ganz normal."
Sie stand auf, rutschte aus und zog Ruppert mit sich zu Boden. Er landete auf ihr.
"Hoppla! Du Arme, auch das noch!"
Kathiopeja litt deutlich unter dem Gewicht des Kollegen. Der rollte sich schnell von ihr herunter.
"Was für ein Tag ... es gab keine Magie ... überhaupt keine ..."
Ruppert korrigierte sanft: "Nur ein bisschen - ein wenig - fast gar keine."
Kathi zuckte zusammen und ignorierte dann seine Worte: "Es gab keine Magie."
"OK, es gab keine Magie" [13]Es war der Gestank von Schneckeninnereien, der aus der Truhe aufstieg. Bis zum Rand war sie gefüllt mit unaussprechlich glibberigem, schillerndem, stinkenden Gewabbel. Und aus der Masse ragte eine Hand hervor. Ruppert zog vorsichtig daran und der gesuchte Arion tauchte aus dem Unbeschreiblichen auf. Seine Augen waren angstvoll geöffnet, sein Mund in einem Stillen Schrei weit offen - er war zweifellos tot, erstickt an den Gedärmen und dem Schleim in der Truhe.
***Charlie Holm trat neben MeckDwarf und hüstelte nervös. "Ähm, Chef, da ist wer an der Brücke und will dich sprechen."
Der Hauptmann schüttelte unwirsch den Kopf, "Wer was will soll kommen".
"Gut, ich werde es Vetinari sagen", erwiderte Holm spitz und drehte sich um.
"Was, der Patrizier ist da - Warum sagst du das nicht gleich, du Pfeifenkopf?"
MeckDwarf rannte in die Richtung in die Holm gewiesen hatte. Dort stand die schwarze Kutsche des Patriziers. Eine bleiche Hand öffnete ein Fenster und das hagere Gesicht Havelock Vetinaris sah auf den Hauptmann.
"Du willst die Götterinsel evakuieren lassen, Hauptmann?"
"Ja, Herr."
"Wegen ... Schleim?"
"Ja, Herr."
"Ist der Schleim so aggressiv?"
"Ja, Herr."
"Ah ja, ich verstehe. Der Schleim kommt aus dem Wachhaus wie ich hörte?"
MeckDwarf begann zu schwitzen. Er sah starr geradeaus "Ja, Herr."
"Kann die Wache nichts gegen diesen Schleim machen?"
"Nein, Herr. Ich weiß es klingt lächerlich ..."
"Ja, ich weiß es auch."
"... aber wir können dem Zeugs keinen Einhalt gebieten."
"Und was gedenkt ihr weiter zu tun?"
"Wir haben ein Einsatzkommando losgeschickt um herauszubekommen was da vor sich geht."
"Ein Einsatzkommando. Na so was. Nun gut, Hauptmann, du hast hier das Sagen. Verfahre so wie du es für richtig hältst."
MeckDwarf atmete erleichtert auf.
"Ach ja, und du trägst natürlich die volle Verantwortung, das ist dir klar, nicht wahr?"
Jetzt schluckte der Hauptmann und presste ein "Ja, Herr!" heraus.
***Die alte Frau sah hämisch auf die Leiche, die Ruppert auf den wackligen Tisch gelegt hatte. Kanndra behielt die Frau genau im Auge. Mohrtischa stand möglichst weit weg von Truhe und dem Toten über den sich Ruppert neugierig beugte.
"Ja, das ist der Kerl, den wir neulich verhaftet haben. Verdammt, ich dachte er könnte uns weiterhelfen - ob freiwillig oder nicht." Er drehte sich abrupt zu der Alten um und sagte mit leiser Stimme: "Warum musste er sterben?" Seine gelblich Augen funkelten wütend und drohend, aber die Frau lachte nur.
"Willst du es genau wissen? Weil er euch gesagt hätte was es mit dem Wunderbaren auf sich hat. Und niemand soll es wissen. Deshalb musste er sterben. Schade um ihn, er war so nützlich." Sie kicherte leise.
Ruppert war verwirrt. "Vermutlich willst
du mir nicht sagen worum es geht?"
"Nein, du Schlauberger, das will ich nicht."
"Und wenn ich den Patrizier bitte Dich nicht in die Skorpiongrube zu stecken?"
"Glaubst du ich wäre noch hier, wenn ich vor irgendetwas Angst hätte? Nein, meine Zeit ist abgelaufen, ich gehe ein in die Welt der großen Molluske, ich folge diesem kleinen Gauner, der glaubte das Wunderbare für sich allein nutzen zu können. Er wird dort mein Sklave sein und mich auf ewig bedienen. Dort werde ich wieder jung und schön sein und Männer werden mir wieder zu Füßen liegen, wie sie es früher getan haben. Herrlich wird es sein in der Welt der großen Molluske!" Sie streckte die Arme aus, als würde ihr jemand entgegen eilen. Dann brachen ihre Augen, sie sackte zusammen und war tot.
Unheimlich war das, was danach mit ihr geschah. Ihre runzelige Haut wurde glatt und straff, als würde jemand ihren Körper aufblasen. Für einen kurzen Moment ähnelte sie jener wunderschönen Frau, die sie ihnen vorhin vorgegaukelt hatte, dann schwollen die Glieder weiter an und Kanndra schien etwas zu ahnen als sie rief: "Raus hier". Die vier Wächter verließen fluchtartig das Zimmer. Ruppert drehte sich um und sah noch wie die Haut der grotesk aufgedunsen Gestalt aufplatzte und der grünliche Schleim herausspritze, der auch schon das Wachhaus verseucht hatte.
***Auf der Götterinsel war Ruhe eingekehrt. Der sonst so belebte Platz vor und um die Oper war menschenleer. Nur vereinzelt standen Wächter in sicherem Abstand von den Sandsackbarrieren und beobachteten resigniert, wie der Schleim durch Ritzen sickerte und allmählich auch über die Mauern aus Sandsäcken floss. Rund um die Insel waren Bewohner und Wächter dabei einen letzten Wall aus Sandsäcken zu errichten. Er sollte höher und dicker werden als der um das Wachhaus. Schon ragte er zwei Meter dick und drei Meter hoch zwischen Häuserwänden, über Straßen und vor Brücken auf. Die Fenster in den Häuser am Rand der Insel wurden verrammelt und vernagelt.
Hauptmann MeckDwarf saß auf den Stufen der Oper und überlegte sich weitere Schritte, als Kanndra und Ruppert mit betretenen Minen auf ihn zu kamen.
"Nun, habt ihr etwas herausbekommen?", fragte er zweifelnd als er in ihre Gesichter schaute.
Kanndra schüttelte den Kopf. "Nein, nicht wirklich. Wir vermuten zwar sehr stark, dass der Verdächtige etwas mit dem, ähm, Vorfall zu tun hat, nur leider war er schon ... tot als wir ihn fanden."
"Tot?", kam tonlos die Gegenfrage.
"Ja, und da ist noch was .."
MeckDwarf sah sie an. "Noch mehr schlechte Nachrichten?"
"Ja, mitten in der Stadt steht eine neue Schleimquelle."
Der Hauptmann sprang auf. "Was! Das darf doch nicht wahr sein!" Er sah sich panisch auf dem Platz um. Würde bald die ganze Stadt so aussehen?
"Ich muss zum Patrizier, da hilft alles nichts. Kanndra, du kommst mit und berichtest dort ausführlich. Wo sind die anderen?"
"Die evakuieren und verrammeln das Haus. Aber das wird wohl nicht lange reichen. Wir müssen endlich etwas finden um gegen das Zeugs vorzugehen."
MeckDwarf überlegte kurz und winkte dann den nächst besten Wächter herbei. "He, du da, ach ja, Rabe!"
Der frisch gebackene Ermittler-Azubi salutierte. "Ja, Sör?"
"Du machst dich sofort auf den Weg zur Unsichtbaren Universität und forderst, nein bittest den obersten Magier den du dort finden kannst wegen einer Notlage zum Büro des Patriziers. Ruppert, du suchst den obersten Priester des Io und bringst ihn ebenfalls dorthin."
Die beiden Obergefreiten liefen los und MeckDwarf und Kanndra gingen schnellen Schrittes zum Patrizierpalast.
***"Wie kommt es, dass mitten in Ankh-Morpork eine neue Quelle des Schleims entstehen konnte. Und das ausgerechnet dann, wenn deine Leute da sind?"
Statt einer Begrüßung überfiel sie der Patrizier mit dieser Frage.
'Natürlich - er weiss schon Bescheid', dachte MeckDwarf.
"Nun, freundlicherweise hast du schon die Oberhäupter der Zauberer und Priester herbestellt, da spare ich mir einen Weg. Nicht, dass ich solche Eigenmächtigkeiten in Zukunft wieder sehen möchte, Hauptmann."
MeckDwarf murmelte etwas unverbindliches. Der Patrizier beschäftigte sich intensiv mit Papieren auf seinem Schreibtisch und ignorierte die beiden Wächter vor seinem Schreibtisch. Als von draußen ein lautstarker Streit zu hören war blickte er auf. "Ah, die Brüder Ridcully scheinen eingetroffen zu sein. Feldwebel, würdest du sie bitte herein holen."
Mit den beiden Ridcullys trat auch Ruppert ein. Der Patrizier erhob sich und begrüßte zuerst den Erzkanzler und dann den Oberpriester. Vor Ruppert blieb er stehen und musterte ihn genau. "Ich beobachte fasziniert deine Karriere, Obergefreiter. Kann es sein, dass du Unheil anziehst, Herr ... von Himmelfleck?"
Ruppert sah ihn ernst an. "Nein, Herr", antwortet er, "ich wüsste nicht warum ich so etwas tun sollte, Herr."
Vetinari nickte ihm zu und bat die Anwesenden sich zu setzte.
"Kann mir bitte jemand erklären was es mit jenem mysteriösen Schleim auf sich hat? Erzkanzler, du vielleicht?" Er sah Mustrum Ridcully fragend an und hatte dabei die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt. Die Fingerspitzen seiner Hände berührten sich und er machte den Eindruck eines gespannt Zuhörenden.
Der Erzkanzler räusperte sich laut und sagte dann: "Nun, man hat mich aus einer wichtigen Besprechung gerufen, dagegen möchte ich scharf ...", der Patrizier sah ihn neugierig an ... "ja, also, vielleicht nicht scharf, aber ...", der Patrizier musterte ihn immer noch ... "nun gut, lassen wir das. Ich habe keine Ahnung. Magisch scheint das Zeug nicht zu sein, zumindest ist uns nichts aufgefallen. Vielleicht etwas mit den Kerkerdimensionen, aber das müssten wir genauer überprüfen."
Lord Vetinari neigte dankend den Kopf. "Oberpriester, könnte irgendein Gott zornig sein, so zornig, dass er uns damit beglückt?"
Hughnon Ridcully schüttelte den Kopf und psalmodierte: "Io hat Kopfschmerzen weil er zu lange in die Sonne gesehen hat, die Lady ist schlechter Laune, denn Tod hat gegen sie beim Leg-Herrn-Zwiebel-Rein gewonnen, Om hat noch immer schlechte Erinnerungen an eine Geschichte mit einem Altar und einem Hammer und schmollt auf Cori Celestis." In normalen Tonfall fuhr er fort. "Die anderen Götter benehmen sich wie immer
[14], von Ärger und Schleim habe ich nichts gehört."
Der Patrizier nickte wieder. "Fehlt nur noch die Beschwörergilde. Hauptmann, warum hast du den Präsidenten nicht auch holen lassen?".
MeckDwarf lief knallrot an. Ruppert warf schnell ein: "Herr, ich glaube nicht, dass die Beschwörer dahinter stecken. Immerhin fing das ganze mit einem im Wachhaus abgegebenen Gegenstand an. Bei den Beschwörern würde ich doch eher vermuten, dass plötzlich in irgendeinem Hinterhaus etwas passiert."
Die Ridcullys sahen Ruppert erstaunt an, Kanndra und MeckDwarf hielten den Atem an.
"Obergefreiter", begann Lord Vetinari, "Willst du mir damit nahe legen darauf zu verzichten mit den Beschwörern zu reden?". Er sah Ruppert ausdruckslos an.
"Nein, Euer Lordschaft", erwiderte von Himmelfleck wobei 'Euer Lordschaft' seltsam betonte, "Ich schlage vor, dass ich mich dort umhöre. Ich kenne mittlerweile ein paar von ihnen, vielleicht können sie mir ... uns helfen."
"Gut, dann mach das. Du bist ja gewohnt Verantwortung zu übernehmen.
"Ja, Herr, das bin ich tatsächlich gewohnt." Ruppert nickte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck. Die anderen Anwesenden hatten den Eindruck, dass ihnen ein Teil des Gespräches entgangen war; da das aber bei Lord Vetinari nichts Ungewöhnliches war, sagten sie nichts.
"Gut, ich will euch dann nicht von euren sicherlich wichtigen Aufgaben abhalten." Der Patrizier erhob sich und die anderen beeilten sich es ihm gleich zu tun.
"Ach, Obergefreiter, noch auf ein Wort ..."
Ruppert blieb stehen und die anderen gingen - wie es schien widerwillig - aus dem Büro.
"Setz dich, bitte", sagte der Patrizier.
Ruppert setzte sich in den Stuhl, der Vetinari gerade gegenüber stand.
"Nun lass uns endlich einmal klar miteinander reden", begann der Patrizier. "Was willst du in der Stadt? Ich beobachte dich jetzt seit fast einem Jahr aber ich werde nicht schlau aus dir. Du hast deine Rekrutenzeit absolviert und dich dabei mit Absicht lächerlich gemacht. Du spezialisierst dich auf eine Gebiet in der Wache, wirst befördert wie das übliche Landei von draußen. Was strebst du an?"
"Hmm, würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass ich einfach nur meinen Dschob als Wächter machen will. Nicht mehr aber auch nicht weniger?"
"Nein, wenn ich ehrlich wäre würde ich dir das nicht glauben."
"Das dachte ich mir." Ruppert lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander.
"Du hast dich kaum verändert, Havelock, seit wir uns das letzte mal gesehen haben."
Sein Gegenüber erlaubte sich ein Lächeln. "Du dich schon, Hub ... Ruppert." Er hob die Augenbrauen. "Du hast mir einmal aus einer schwierigen Situation geholfen, deshalb will ich dir glauben. Aber glaube nur nicht, dass ich dir deshalb vertraue. Ich werde dich nicht aus den Augen lassen."
von Himmelfleck lachte leise. "Aus einer schwierigen Situation, mein lieber Havelock, das ist eine arge Untertreibung. Ohne mich ..."
"Ja, ich weiß. Du hast deine Art und ich die meine. Lassen wir es dabei."
Ruppert stand auf und salutierte grinsend "Ja! Herr!"
"Setz dich wieder", sagte der Patrizier mit ungeduldiger Stimme. "Was können wir gegen den Schleim unternehmen? Hast du eine Idee?"
Ruppert wurde wieder ernst. "Nein, vorerst vermute ich aus dem was die alte Frau gesagt hat, dass es sich um eine Sekte oder einen Geheimbund handelt. Gut, dass DOG seine Räume nicht am Pseudopolisplatz hat. Ich werde dort nachfragen ob jemand etwas von einer Gruppe gehört hat, die sich mit Schnecken oder so beschäftigen. Ansonsten gehe ich zu den Beschwörern. Ihr Präsident, Pleuteneus Arkanum, wird mir sicherlich gerne helfen - wenn ich ihm sage, dass du mich schickst. Ansonsten sollten sich - mit Verlaub - die Alchemisten und die Zauberer mit dem Zeug befassen. Vielleicht finden sie etwas, was ihm Einhalt gebietet." Ruppert überlegte kurz. "Das ist es, was mir auf Anhieb einfällt."
Vetinari notierte sich etwas auf einem weißen Bogen Papier - mit einem weißen Stift. Er bemerkte Rupperts Blick und bemerkte leichthin "Nun, es gibt Leute die wissen möchten was ich denke und meine Notizen lesen wollen - Leute wie du zum Beispiel."
"Dabei ist das, was du sie lesen lässt nur das, was sie glauben sollen das du denkst", nickte ihm Ruppert zu. "Kannst du später deine weißen Notizen auf Weiß noch lesen?"
"Nein, warum sollte ich?"
Lachend verließ Ruppert das Büro.
***Ruppert lief zurück zur Götterinsel. Er erinnerte sich daran, dass er dort Timotheus Trobar gesehen hatte, den Moloss, mit dem er in der SoKo OrMu die Organmuffia ausgehoben hatte
[15]. Timotheus saß auf dem Geländer der Messingbrücke und polierte einen Schlagring, den er auf der Straße gefunden hatte. Genau genommen nicht auf der Straße sondern an der Hand eines sinnlos Betrunkenen, der auf der Straße lag. Er hatte nicht zu unrecht angenommen, dass der Schlagring bei ihm besser aufgehoben wäre als bei dem Mann in der Gosse, den er zur Ausnüchterung ins Wachhaus geschleppt hatte. Ganz nebenbei überlegte er, wie es ihm wohl gehen mochte, in seiner Zelle, jetzt wo doch der Schleim den Keller vollkommen ausgefüllt hatte. Aus den Augenwinkeln sah er eine große Gestalt auf sich zulaufen.
"Hallo, Ruppi!", begrüßte er den Werwolf.
"Hallo, genau zu dir will ich", sprudelte es aus Ruppert hervor. "Hast du irgendetwas von einem Geheimbund oder so gehört, der es mit Schnecken, Muscheln oder ähnlich knochenlosen Viechern hat?"
Trobar überlegte kurz und meinte dann freundlich besorgt: "Spinnst du jetzt total?"
"Was? Ich habe Dich doch nur gefragt ..."
"Sag mal, glaubst du nicht, dass du dich allmählich lächerlich machst?"
Ruppert war verwirrt. "Sag du mal, wovon redest du überhaupt?"
Timotheus dozierte nun mit erhobenen Zeigefinger: "Anders als gern behauptet, sind die meisten Schneckenarten Homosexuell, nur Landlungenschnecken und manche Süßwasserschnecken sind Zwitter, also Hermaphroditen."
[16]"Ähä, ausgesprochen interessant, aber was hat das hiermit zu tun?", Ruppert zeigte auf den Schleimsee, der die Götterinsel mittlerweile meterhoch bedeckte.
Der Gefreite wurde knallrot und stammelte: "Ich ... ich ... dachte ... weil ich ... gehört ... dass du ... und da hab ich gedacht ... "
"Was hast du gehört? Ach, lass es, beantworte lieber meine Frage."
"Ich kenne keinen Geheimbund der es mit Schnecken hat", brummelte Trobar, "aber ich such mir den Dippwin und wir forschen nach, ja?"
"OK, hör mal, das ist sehr wichtig! In der Stadt spuckt ein zweites Haus den Schleim aus. Wenn wir nichts dagegen finden, dann ist die ganze Stadt von dem Mist bedeckt. Ich gehe jetzt ins Gildehaus der Beschwörer. Ihr könnt mich dort finden oder zumindest eine Nachricht wo ich bin."
Das Gildenhaus in der Veilchengasse lag ruhig und verlassen da. Das protzige Portal war verschlossen und Ruppert hämmert dagegen. Nach einer Weile wurde der Riegel beiseite geschoben und die Tür einen Spalt weit geöffnet. "Was willst du?", kam eine Stimme von innen.
"Ich komme von der Stadtwache und brauche dringend Informationen."
"Komm Morgen wieder, wir haben eine Sitzung." Die Tür schloss sich wieder, aber Ruppert schob seinen Fuß dazwischen. "Ich komme im Auftrag des Patriziers. Soll ich ihm sagen, dass ihr keine Zeit habt?"
Die Tür wurde schnell aufgerissen und ein kleines Männchen stand da. "Verzeihung, Herr, ich konnte ja nicht wissen ... Bitte, ich führe dich zum Präsidenten." Der Mann schloss die Tür hinter Ruppert und schob den Riegel wieder vor. Außerdem sicherten mehrere Ketten die Tür. Der Wächter nahm das zur Kenntnis, sagte aber nichts.
"Bitte, hier herein Herr", der kleine Mann öffnete die Tür zu einem kleinen Wartezimmer, in dem mehrer Stühle standen. "Präsident Arkanum wird sofort kommen."
Ruppert setzte sich und sah sich um. Neben Bildern von Dämonen und Wesen der Kerkerdimensionen hingen Einladungen zu Kinderfesten und Wohltätigkeitsveranstaltungen. Die Gilde fuhr offenbar zweigleisig oder tat zumindest so.
Die Tür öffnete sich und ein dicker Mann betrat das Zimmer. Er war elegant gekleidet und wirkte nervös. "Guten Tag, womit kann ich dir helfen? Oh, ich bin übrigens Pleuteneus Arkanum, der Präsident der Beschwörergilde."
"von Himmelfleck, Stadtwache, angenehm", stellte sich Ruppert kurz vor und begann von dem schleimigen Problem zu erzählen. Arkanum wurde noch blasser als er ohnehin schon war und sank auf einen der Stühle. "O Nein, dieser Arion, ich habe ja gewusst, dass es kein gutes Ende mit ihm nehmen würde. Warum haben wir ihn nur bei uns aufgenommen."
"Er ist also Mitglied der Gilde?", wollte Ruppert wissen.
"Nicht mehr, Herr Obergefreiter, nicht mehr. Es war vor etwa zwölf Monden, als er sich uns angeschlossen hat. Es sprach ja auch zunächst nichts gegen ihn und so haben wir ihn eben aufgenommen, fürwahr. Aber irgendwann wollte er wirkliche Dämonen und Mächte beschwören." Arkanum sah sehr verärgert aus "Ich bitte dich, wir sind Beschwörer, aber wir beschwören doch nicht solches Pack wie Dämonen. Das überlassen wir unseren geschätzten Kollegen von der Universität. Wir haben das nicht nötig.
Nun ja, eines Tages, vor vielleicht zwei Monden, erzählte er bei einem unserer Bankette, dass er ..."
Rückblende"Freunde, Brüder, wir nennen uns Beschwörer, aber wir sind doch für alle nur Witzfiguren. Sie lachen über uns, sie machen Witze über uns und das Schlimmste: Sie nehmen uns nicht ernst."
Fulbert Arion stand auf seinem Stuhl und sah Beifall heischend in die - bereits recht angetrunkene - Runde. Zustimmende Rufe wurden laut: "Hört. Hört!" "Recht hat der Mann!" "So ist es"
Arion fühlte sich getragen von seinen Mitbrüdern und fuhr fort: "Ich habe nun ein Geheimnis erfahren, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Ich weiss jetzt wie wir wahre Macht beschwören können und wie wir dafür sorgen können, dass man uns wieder ernst nimmt."
Einige der Nüchterneren wurden jetzt aufmerksam.
"Die Macht der großen Molluske wird uns stärken, dann werden wir über die Zauberer triumphieren, diese dickbäuchigen, unfähigen, arroganten Mistkerle, die uns die verdiente Anerkennung verweigern!" Seine Augen begannen fanatisch zu funkeln und er bemerkte nicht, dass die Anwesenden ihm mittlerweile sehr entsetzt ansahen. Von Beifallsgemurmel war nichts mehr zu hören.
"Lasst uns die Macht der großen Molluske beschwören! Lasst uns die Herrschaft über die Magie erringen und uns zu Herrschern der Scheibenwelt machen."
Pleuteneus Arkanum stand auf und legte Arion die Hand auf den Arm. "Fulbert, setz dich. Du redest Unfug. Keiner von uns will ernsthaft Magie beschwören. Das führt nur zu Unfrieden und Gewalt. Wir ..."
Arion sah ihn entsetzt an und flüsterte dann: "Keiner will Magie beschwören? Aber ich ... wir ... die große Molluske ..:"
"... er sackte in sich zusammen und begann hemmungslos zu trinken, bis er unter dem Tisch lag. Danach haben wir nichts mehr von ihm gehört, bis eines unserer Mitglieder zufällig erfahren hat, dass er ein magisches Buch gestohlen hat." Arkanum lachte bitter "Was haben wir über ihn gelacht. Fulbert will tatsächlich Magie machen, haben wir gesagt. Er wird schon sehen, was er davon hat, haben wir gesagt."
"Ich hatte den Eindruck, dass ihr besorgt seid, als ich hereinkam. Ich habe auch die vielen Sicherungen an der Tür bemerkt. Wovor fürchtet ihr euch?"
Arkanum schluckte. "Wir hatten gerade unser wöchentliches Treffen, als der Große Plumpini hereingestürzt kam und uns erzählte, dass aus Arions Wohnung Unmengen grünlichen Schleims aus dem Fenster fließen würde. Nun ja - die Zauberer sehen es nicht so gerne, wenn wir mit Magie herumspielen."
"Wann war das?"
"Er kam vor etwa einer halben Stunde. Und weil wir ja auch schon gehört haben, dass die Götterinsel mit Schleim bedeckt ist, haben wir uns gedacht, dass wir vielleicht dafür beschuldigt werden würden ..."
Der Türöffner kam in das Zimmer und flüsterte dem Gildenpräsidenten etwas ins Ohr, woraufhin dieser noch bleicher wurde.
"Entschuldige mich bitte, Obergefreiter, aber ich habe soeben erfahren, dass wichtiger Besuch eingetroffen ist." Von draußen klang lautes Poltern und Mustrum Ridcullys lautstarke Stimme bellte: "Wo ist denn nun dieser verdammte Präsident?"
***Rea und Mohrtischa hatte inzwischen alle Hände voll zu tun. Sie konnten sich vorstellen, dass in kürzester Zeit das Zimmer voller Schleim sein würde, und dass er bald durch das Haus fließen würde. Ihnen war klar, dass sie das Haus räumen mussten. Mohrtischa lief nach oben und stürmte in die nächstbeste Wohnung. Ohne anzuklopfen lief sie hinein und stellte fest, dass niemand hier wohnte. Auch in den anderen Wohnungen im vierten Stock war kein Mensch zu finden. Alles sah so aus, als wären die Bewohner hastig aufgebrochen, denn auf einem Tisch in einer Küche standen noch Teller mit warmer Suppe. Mohrtischa schnupperte daran und musste würgen. So etwas aßen Menschen?
Alle Wohnungen des Hauses waren leer. Zwar waren Rea und der Zwerg darüber froh, aber es war ihnen auch nicht geheuer. Vorsichtig verließen sie das Haus und sahen sich eine Gruppe von Menschen gegenüber. Es waren etwa 50 Personen, die sie ängstlich ansahen. Ein Mann trat auf sie zu. Er zog seine schmierige Kappe vom Kopf und knetet sie nervös in den Händen.
"Was's'n los? Habbet ihr die ahle Hex mitnomme? Un dere ihr'n Spinner aach?"
"Nein, die beiden sind noch in ihrer Wohnung."
Rea beobachtet die Reaktion des Mannes und der Menschen hinter ihm. Bodenlose Enttäuschung sprach aus ihren Minen. Der Mann schien ein gutes Stück kleiner zu werden. "Weshalb seid'n ihr denn da gewest? Mir ham hofft, dass ihr die zwaa mitnemmt."
"Wie ist dein Name? Ich bin Lance-Korporal Dubiata und das ist Rekrut Unmagisch."
"Isch bin de Schoppe Kall."
"Was habt ihr gegen die alte Dame, Frau - wie hieß sie doch gleich - und Herrn Arion?"
"Was mer geje die ham? Des sin zwa üble Leut, von weeche Daahme! Ha, bei der hat sich doch kaaner mehr was zu sache gedraut. Da laafe als emol Leut enoi un enaus, isch kann dir saache! Laudeer Verrückte un so. So mit'm giftischgriene Umhang sinn des welche. Die komme als bei de Abend und dann jammern se un singe un so. Un dann dut des schtinke als wie en aale Handkäs, isch kann dir saache! Erscht vorhint war'n widder zwa da un dann hatt der Arion als gekrische und geschrie und die Ahl hat dem gesacht er soll sei Maul halde, abber der hat als weider gegautzt und uff amol war Ruh. Dann sinn die zwa Kerle widder abgegange und dann seid ihr als gekomme und dann war da widder die schlimm Stimm von der ahle Hex.!"
Der Mann hatte immer schneller in seinem schwer verständlichen Dialekt gesprochen. Mohrtischa hatte nichts verstanden aber Rea war lange genug in Ankh-Morpork um diesen Slang zu verstehen.
Der Mann atmete schwer und begann zu schwanken. Eine Frau lief aus der Menge auf ihn zu: "Ei Kall, dei Droppe!", rief sie und flößte ihm aus einer kleinen Flasche etwas ein. Sofort ging es ihm wieder besser.
"Sie sprachen von einer schlimmen Stimme, Herr ... Kall?"
Es war die Frau die antwortete. "Jawohl, Frau Wächterin, Frau Gastropoda hatte ein sehr unangenehmes Organ, wenn du verstehst, was ich meine. Sie war befähigt anderen Personen ihre bösen Gedanken direkt in den Kopf hinein zu bringen." Rea dachte sich, dass diese gestelzte Sprache auch nicht viel besser klang, sagte aber natürlich nichts.
"Böse Gedanke innen Kopp enoi, genau des hot se gemacht!", bestätigte ihr Kall.
"War sie also so etwas wie eine Hexe?"
"Genau das war sie, eine Hexe, eine von diesen unangenehmen und bösartigen Frauen, die nur Unheil anrichten." Die Frau sprach voller Überzeugung.
Mohrtischa räusperte ich und sagte: "Ich bin auch eine Hekse!"
Die Menge atmete erschrocken auf, aber Rea beruhigte sie: "Sie ist keine der bösen Stadthexen, sondern eine der guten Landhexen, keine Sorge!
So und nun noch etwas. Frau Gastropoda und Herr Arion sind tot."
Diesmal klang das Aufatmen der Menge sehr erfreut.
"Aber ihr dürft das Haus nicht betreten, denn Frau Gastropoda hat es vor ihrem Tod noch ... verflucht."
Erneut erschrockenes kollektives Aufatmen.
"Ihr müsst sofort alle Türen und Fenster verrammeln. Es wird vermutlich sehr viel Schleim aus der Wohnung der Toten fließen. Der darf nicht angerührt werden, denn er ist, na ja nicht giftig wie wir bis jetzt wissen, aber ansteckend. Wer den Schleim berührt schleimt selber und steckt wieder andere an. Also seht zu, dass ihr dem Zeug aus dem Weg geht. Und warnt auch die anderen Bewohner der Gegend. Herr Kall, ich muss dich bitten mich zu begleiten, du kannst uns bestimmt noch wichtige Hinweise geben. Wächter Unmagisch bleibt hier und wartet auf Verstärkung von der Wache."
Sie nickte Mohrtischa zu. "Ich schicke dir so schnell wie möglich noch ein paar Leute. Aber jetzt muss ich sofort zu MeckDwarf und ihm Bericht erstatten."
***Irgendetwas hatte er übersehen. Das wusste er ganz genau, aber er kam nicht darauf. Irgendetwas hatte er übersehen ... Verdammt!
"Obergefreiter von Himmelfleck! Wo steckst du denn? Der Hauptmann sucht dich dringend."
Kanndra stand vor ihm und packte ihn am Arm und zog ihn mit sich.
In einem Laden an der Messingbrücke hatte die Wache einen provisorischen Sammelpunkt eingerichtet. Wo es sonst elegante Kleidung zu kaufen gab, standen nun Tische und Stühle (im Stöhnenden Teller konfisziert). In einem Hinterzimmer hatte MeckDwarf ein Büro eingerichtet.
Als Ruppert hereinkam und salutierte fuhr er ihn an: "Wo hast du gesteckt, Mann? Wir haben dich seit einer halben Stunde gesucht. Ich erwarte, dass du mich informierst, wenn du verschwindest, klar?"
"Ich habe bei den Beschwörern ermittelt, Hauptmann", erwiderte Ruppert. Aber leider nicht viel erfahren.
"Wir aber um so mehr!", behauptet MeckDwarf erzählte ihm von dem was Rea herausgefunden hatte.
"Hmm, das ist seltsam", sagte Ruppert, "vor zweieinhalb Monaten hat Arion bei den Beschwörern von der Großen Molluske geredet. Nur kurz darauf hat er versucht das Buch zu stehlen. Warum eigentlich? Warum hat er es nicht einfach gekauft? Und kaum hat er seine Strafe beendet geht er zu dem Buchhändler zurück und nun zahlt er den dreifachen Preis dafür. Das ergibt keinen Sinn. Leider hat niemand daran gedacht ihn zu fragen warum er das Buch gestohlen hat und nicht gekauft. Dumme Sache."
Der Hauptmann nickte nachdenklich. "Ja, das sind alles merkwürdige Sachen. Aber es ist die einzige Spur. Was schlägst du als nächstes vor?"
"Ach, ich wünschte Laiza wäre hier, die hat so viel mehr Erfahrung und Wissen wie ich. Ich habe Rabe gebeten herauszufinden ob es einen Geheimbund mit einer Vorliebe für Schnecken gibt. Jetzt haben wir noch den Hinweis, dass die Mitglieder eventuell giftgrüne Umhänge tragen. Jemand sollte zum Tempel der Geringen Götter gehen und dort Nachforschungen anstellen. Ich gehe in die Bibliothek der Unsichtbaren Universität und unterhalte mich mal mit dem Bibliothekar."
"Gut, aber nimm jemanden mit, damit du schnell eine Nachricht schicken kannst. Nimm dir einen der Rekruten oder so."
"Ja, Sör, gute Idee. Wer soll zum Tempel gehen?"
MeckDwarf überlegte kurz und bellte dann in den Raum: "Ist ein RUM Ermittler anwesend?"
Schweigen, dann eine verzagte Stimme "Ja, Sir."
Ruppert verdrehte die Augen. Ausgerechnet Kathiopeja. "Ich glaube nicht, dass sie ..."
"Egal, sie ist da. Erklär ihr alles und schick sie zum Tempel. Soll sich auch einen Rekruten mitnehmen."
Ruppert salutierte wortlos und ging zu dem Tisch, an dem Kathi saß.
"Was gibt's, Ruppi?"
"Ich habe einen Auftrag für dich - vom Hauptmann."
"Hat es etwas mit dem Zeug da draußen zu tun?", sie schüttelte sich.
"Ja, wir müssen herausfinden wer dahintersteckt. Wir wissen, dass es so was wie einen Geheimbund oder eine Sekte gibt, die die Große Molluske verehren. Wir hatten ja schon vor einiger Zeit das Vergnügen."
Kathis Augen weiteten sich ängstlich. "Das ist doch nicht dein Ernst. Ich ... ich ... muss noch Kaffee besorgen und ich habe ... habe ... Kopfschmerzen, ja genau, wegen ... weil ... ja eben weil mir der Kaffee ausgegangen ist." Sie sah in bittend an, aber Ruppert schüttelte den Kopf.
"Du sollst doch nur zum Tempel der Geringen Götter gehen und dich umhören ob dort jemand etwas weiss. Du gehst auch nicht alleine, sondern kannst dir einen Begleiter mitnehmen, einen Rekruten oder so. Und du sollst herausfinden ob es so einen Kult gibt oder eine Sekte. Als Hinweis kann ich dir noch mitgeben, dass die Mitglieder vermutlich giftgrüne Umhänge tragen."
Ruppert erzählte ihr noch was mit Arion und Gastropoda passiert war und verabschiedete sich dann mit einem aufmunterndem Lächeln von ihr, nicht ohne ihr noch etwas ins Ohr zu flüstern und ihr einen kleinen Gegenstand in die Hand zu drücken.
***Ruppert verließ das Haus und sah eine Gruppe Rekruten zusammen stehen. Er überlegte wen er von ihnen nehmen sollte, als Tussnelda von Grantick um die Ecke bog. Er beschloss die Kuh ... den Stier bei den Hörnern zu packen und ging lächelnd auf sie zu.
"Ach, hallo, Tussi, dich habe ich gerade gesucht."
Sie sah ihn misstrauisch an und hielt Abstand. "Warum denn?"
"MeckDwarf hat uns befohlen zu Bibliothek der UU zu gehen und uns mit dem Bibliothekar zu unterhalten. Er meinte, mit deinen psychologischen Fähigkeiten könntest du mich gut unterstützen."
"Ich bin aber keine Psychologin mehr", widersprach sie energisch.
"Aber Tussi, jemand der so gut ist, vergisst doch seine Ausbildung nicht innerhalb von ein paar Wochen."
Sie sah in misstrauisch an. "Versuchst du es jetzt wieder mit einer Scharmattacke? Der Schleim hier reicht mir schon aus, danke."
"Genau um diesen Schleim geht es doch hier. Wir sollen herausfinden was es damit auf sich hat. Komm, unterwegs erzähle ich dir, was wir schon herausgefunden haben."
Widerwillig folgte sie ihm. Ruppert tat so als ob er nichts bemerkte und berichtet von den bisherigen Ermittlungen.
"Du siehst also, dass wir mehr herausfinden müssen. Die ganze Stadt ist in Gefahr eingeschleimt zu werden. Was hältst du davon."
von Grantick hatte immer neugieriger zugehört und überlegte nun. "Na ja, was für Leute schließen sich in Geheimbünden zusammen?", sie sah Ruppert fragend an. Der zuckte nur die Achseln. "Sag es mir."
"Ich denke es gibt zwei Hauptgruppe. Zum einen Leute mit tatsächlicher Macht, die ihre Macht noch ausweiten wollen. Die geben sich aber nicht mit giftgrünen Umhängen und lauten Beschwörungen ab. Und es gibt Leute, die Bedeutung erringen wollen, unscheinbare Menschen, ängstlich, aber sie glauben zu Höherem geboren zu sein. Diese nicht vorhandene Bedeutung geben sie sich indem sie mit Geheimworten hantieren, geheime Gesten erfinden und sich alberne Kleidung ausdenken, damit sie erkennen, dass sie zusammengehören."
"Verstehe. Du meinst also, dass die Gesuchten eher zu der zweiten Sparte gehören?"
"Nein, das meine ich nicht. Denn ganz offenbar steckt ja tatsächlich eine gewisse Macht hinter allem. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass irgendwelche Leute aus der zweiten Gruppe von anderen angeleitet werden, die sich im Hintergrund halten. Wenn wir also die Leute in den giftgrünen Umhängen finden, dürfen wir sie nicht verhaften und verhören sondern wir sollten sie beschatten damit sie uns zu den Hintermännern führen.."
"Das klingt logisch, ich sage doch, dass du deine Erfahrung nicht vernachlässigen solltest", freute sich Ruppert. Genauso freute ihn, dass sie die ablehnende Haltung ihm gegenüber etwas gelockert hatte. Er fragte sich, ob er Herrn Maier ins Gespräch bringen sollte, fand es aber noch eindeutig zu früh, zumal sie ihr Ziel erreicht hatten. Sie betraten die Bibliothek.
***Kathi sah Ruppert nach und seufzte dann. Sie sah sich um und entdeckte Jack Narrator an einem anderen Tisch sitzen. Sollte sie ihn fragen? Nein, sie beschloss sich lieber einen Rekruten zu greifen und ging nach draußen. Dort griff sie sich den erstbesten Rekruten heraus. "He du, Wächter, wie ist dein Name?"
"Ich heiße Schweifel, Lobito Schweifel, Obergefreite." Er trug eine besonders ordentliche Uniform und hatte sein langes Haar zu einem Zopf gebunden, der ihm auf den Rücken fiel.
"Gut, Lobito, auf Befehl von Hauptmann MeckDwarf darfst du mich begleiten."
Kathi war sehr schweigsam auf dem Weg zum Tempel. Aber sie beobachtet wie Lobito einmal zusammenzuckte, als eine Taube dicht vor ihm vorbei flog. "Was ist, hast du Angst vor Tauben?", fragte sie neugierig.
"Angst vor Tauben, nein, eigentlich nicht ... sie hat mich nur etwas ... erschreckt", antwortete Lobito zaghaft.
"Ja ja, so hat jeder seine kleinen Dinge, vor denen er erschreckt", murmelte Kathi leise vor sich hin.
"Wie bitte, Obergefreite?"
"Ach nichts, ich habe nur laut gedacht."
Bis zum Tempel der Geringen Götter sprachen sie nichts mehr miteinander.
"Guten Tag, ich bin Obergefreite Kathiopeja von der Stadtwache. Wir möchten dich etwas fragen."
Kathi hatte an der Tür des kleinen Pförtnerhauses geklopft und dem alten Mann ihre Dienstmarke unter die Nase gehalten. Der sah sie erst müde an, trat dann vor die Tür, die er sorgsam hinter sich zuzog und knurrte nur "Ja, was ist denn?"
Kathi erinnerte sich an das was ihr Ruppert zugeflüstert hatte und zog die Münze aus der Tasche, die ihr der Werwolf zugesteckt hatte. Es ging ihr gegen den Strich, aber sie hielt dem Mann eine Eindollarmünze unter die Nase. Der wurde sofort freundlicher.
"Ich soll dich von meinem Kollegen von Himmelfleck grüßen, er schickt dir das hier."
"Ja, dann, das wäre aber doch nicht nötig gewesen", sagte er als er sich die Münze schnappte. "Wie kann ich euch behilflich sein?"
"Wir sind auf der Suche nach einer Sekte oder so, die Mollusken, also Schnecken oder so, verehrt und die giftgrüne Umhänge tragen."
Der Pförtner überlegte, griff dann in seine Tasche und holte ein kleines Buch hervor.
"Mal sehen ... Nein, die verehren Schlangen ... Gartopraxa? Nee, Würmer ... Ah hier: Die Gurmehs, die verehren Weinbergschnecken!"
"Weinbergschnecken? Wie verehren sie die?", fragte Kathi aufgeregt.
"Oh, das sind vornehme Leute, die lassen sich immer große Körbe mit Weinbergschnecken bringen und kochen sie dann. Das riecht immer ganz lecker."
"Die essen sie?", rief Kathi entsetzt.
"O ja, einmal in der Woche."
"Nein, das sind nicht die Gesuchten, die würden die Schnecken nicht aufessen." Kathi schüttelte sich.
"Na dann weiss ich auch nicht weiter."
"Schade, aber danke für deine Bemühungen. Meinst du es gibt einen Priester im Tempel, der uns weiterhelfen könnte?"
Der Pförtner grinste sie an: "Nein, die sind alle so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die anderen ignorieren."
Kathi seufzte war aber auch erleichtert und dankte dem Mann. Dann wandte sie sich an Schweifel. "So Rekrut, jetzt hast du etwas über die Tätigkeit eines Ermittlers gelernt. Lass uns nun zurück gehen und Bericht erstatten."
Die beiden gingen los, als der Pförtner plötzlich rief: "Hallo, Frau Wächterin, mir ist etwas eingefallen."
Kathi drehte sich um und ging zurück. "Ja?"
"Vor einiger Zeit kamen zwei Männer und fragte nach, ob wir noch einen Raum zur Verfügung hätten. Aber wir waren voll ausgelastet. Die trugen so giftgrüne Umhänge."
"Sonst haben sie nichts gesagt?"
"Doch, sie wollten benachrichtigt werden, wenn etwas frei werden würde."
"Das heißt, du hast ihre Adresse?", fragte Kathi aufgeregt.
"Ja, die müsste ich irgendwo haben. Soll ich sie heraussuchen?"
"Ja, bitte mach das, es ist unglaublich wichtig!"
Der Pförtner ging in das Häuschen und kam nach einer Weile zurück. Er hielt drei Zettel in der Hand.
"Zu dumm, ich weiß nicht mehr wer von denen es war." Er reichte Kathi die drei Zettel. Auf allen standen zwei Namen und zwei Adressen. Der zweite Zettel war es. Kathi schloss die Augen vor Erleichterung. Da stand ganz eindeutig die Adresse von Herrn Arion neben der eines noch Unbekannten.
***"... Mollusken, Schnecken, was weiss ich, solche Weichviecher eben."
"Ughh."
"Das hast du schon einmal gesagt und ich verstehe es immer noch nicht."
"Ieek!"
Ruppert stand dem Bibliothekar gegenüber, der ihn böse anschaute. Seit zehn Minuten versuchte der Wächter sein Anliegen vorzubringen, aber der Orang-Utan wollte es wohl nicht begreifen.
"Verdammt noch mal, kann mir denn niemand helfen?", brüllte Ruppert in den großen Saal. Ein Zauberer kam hinter einem Regal hervor und ging auf die kleine Gruppe zu.
Der Bibliothekar wandte sich an ihn und sagte: "Ughh, Ieek, Ug!"
"Ah ja, ich versteh das Problem", sagte der Zauberer, ein noch junger Mann mit - Ruppert konnte es nicht glauben - falschem Bart.
"Der Bibliothekar würde euch ja gerne helfen, aber er sagt ohne Leserausweis könnte er das nicht."
"Aber es geht um die Stadt", wandte Ruppert ein.
"Davon steht leider nichts in der Bibliotheksordnung", bedauerte der Zauberer und holte ein sehr umfangreiches Heft aus seiner Tasche. "Hier steht es: Paragraph 251, Absatz 16b - Auskünfte werden nur an Inhaber gültiger Leserausweise erteilt. Ausnahmen sind zulässig im Falle von Anhang 23, Paragraph 71, Punkte aa bis zz."
"Und welche Ausnahmen sind das? Steht das auch in deinem Heft?", wollte Ruppert genervt wissen.
"Aber nein, das ist doch nur die Kurzfassung der Bibliotheksordnung. Der Anhang ist in der vollständigen Version enthalten, im vierten Band, wenn ich mich recht erinnere."
"Hör mal, die Stadt erstickt in Schleim und niemand kann etwas dagegen machen. Da könnt ihr euch doch nicht hinstellen und auf so etwas Albernes verweisen!"
"Ughh!", protestierte der Bibliothekar.
"Meinetwegen, wo bekomme ich einen Ausweis?"
"Den kannst du bei mir beantragen. Dauert nur vier oder fünf ..."
"Minuten?"
"... Wochen. Dann werden wir ihn dir zustellen - aber nur weil es so eilig ist."
"In ein oder zwei Tagen ist die ganze Stadt - inklusive dieser Bibliothek - mit einem sich unaufhaltsam ausbreitendem Schleim bedeckt, der sich als bislang sogar resistent gegen Magie gezeigt hat. Was wird dann wohl mit euren wertvollen Büchern geschehen?"
"Ieeek! Ughh, ugh!", schnatterte der Bibliothekar aufgeregt.
"Hmm, in diesem Fall könnten wir eine Ausnahme machen und ein Auge zudrücken, ich meine man soll ja der Stadtwache helfen und so, oder?"
"Ja, das soll man", sagte Ruppert.
"Nun, was braucht ihr?"
"Zum einen: Habt ihr ein Buch in eurem Bestand, das der Kodex der großen Molluske heißt? Und dann suche ich etwas über Leute die Schnecken verehren und anbeten oder so was in der Art."
Nach ein paar Minuten legte der Zauberer ein Buch vor Ruppert auf den Tisch:
Das Buch der großen Molluske oder der Kodex der großen Molluske***In des Hauptmanns Büro saß Ruppert. Kathi und Tussi hatten sich möglichst weit von einander aufgestellt und ignorierten einander beharrlich.
Ruppert hatte seinen Bericht fast beendet. "In dem Buch standen einige wenige Beschwörungsformeln, mit denen ein magisch begabter Mensch Kleinigkeiten bewirken kann. Zum Beispiel eine Schnecke vergrößern oder eine Muschel zum Singen bringen. Letztendlich aber nicht mehr als bessere Jahrmarkt-Tricks. Der größte Teil des Buches besteht aus Lobpreisungen über die Große Molluske, die kommen und die Schildkröte als Tragetier der Scheibenwelt ablösen wird. Dann werden Ruhe und Frieden einkehren, alles wird langsam vorangehen und keine Hektik wird mehr zu Krieg und Hass führen. Und so weiter und so fort. Das Buch wurde - wen wundert's - im Jahr der schleimenden Schnecke, also vor etwa 125 Jahren, von einem Mann namens - und jetzt wird es wieder interessant - Limax Maximus Gastropoda geschrieben. Und der war Zauberer an der Unsichtbaren Universität bis er sich in eine junge Frau aus Gennua verliebte und aus der Universität verbannt wurde. Mehr wissen wir nicht, aber es ist zu vermuten, dass die verblichene Hetero Gastropoda seine Nachkommin war. Die schlechte Nachricht ist aber, dass kein Wort in dem Buch steht wie man etwas so verzaubert, verflucht oder sonstwie bearbeitet, dass es unentwegt Schleim absondert. Wir stehen also nach wie vor vor einem Rätsel."
Der Hauptmann schlug mit der Faust auf den Tisch. "Verdammt, das war nun wieder eine Spur, die uns nicht weiter bringt. Kathiopeja, was hast du herausgefunden?"
Kathi, die an der Wand gelehnt hatte und sich auf Rupperts Bericht konzentriert hatte, trank ihren Kaffee aus und räusperte sich.
"Im Tempel der Geringen Götter konnte ich eine Adresse herausfinden, die uns wahrscheinlich zu einem Mitglied dieser giftgrünen Bande führen wird."
Aufgeregtes Gemurmel folgte auf ihre Worte. Sogar von Grantick hörte ihrer Ex-Freundin aufmerksam zu. Kathi sah stolz in die Runde.
Der Hauptmann streckte ihr die Hand entgegen, die die Ermittlerin freudig schüttelte. Dann sah sie sein Gesicht und wurde knallrot. "Ähm, ja, hier ist dann die Adresse."
Der Hauptmann warf einen Blick darauf und reichte sie Ruppert weiter. Der nahm sie und las: "Carlo Nontesta Spadato, Hinterer Buckelpfad 34. Wo, bei den Göttern, liegt der Hintere Buckelpfad?"
MeckDwarf holte einen Stadtplan aus der Schreibtischschublade aber Kathiopeja kam ihm zu vor und sagte: "Ich weiß es, das ist in der Nähe des Henne und Kükenfeldes."
"Na gut", sagte MeckDwarf, "wenn du dich so gut auskennst, kannst du ja Himmelfleck und Grantick begleiten." Kathi zog ein langes Gesicht und murmelte etwas Undeutliches.
"Wie bitte, Obergefreite, ich habe dich nicht verstanden?"
"Ja, Sir, mitgehen und helfen, Sir!"
Der Hauptmann nickte mit grimmigen Gesicht und bellte: "Wegtreten der ganze Verein!"
***Ruppert ging zwischen Tussi und Kathi und übte sich in Monologen. Die beiden Wächterinnen schwiegen eisern nur um nicht miteinander reden zu müssen.
Ruppert überlegte ob er die beiden noch schnell auf einen Imbiss in den Hahnenclub
[17] einladen sollte, beschloss aber lieber darauf zu verzichten.
'Schade', dachte er,
'es wäre ganz nett mit den beiden zusammen zu sitzen. Vielleicht könnte ich sie sogar versöhnen. Aber die Sache mit dem Schleim geht wohl leider vor.'Als sie in den Hinteren Buckelpfad einbogen atmete Ruppert tief durch. Würden sie diesen mysteriösen Carlo finden und wenn ja, würde er zur Lösung beitragen können? Ruppert dachte an die Ausführungen von Tussnelda über eine Gruppe von Schwachköpfen, die von anderen gelenkt wurden. Vermutlich wäre dieser Carlo ja genau so ein Schwachkopf. Nun, das würde sich alles in Kürze erweisen.
Mann in grüner Wächteruniform: "Ich habe Durst und ich habe Hunger und mein Sold ist so niedrig - was soll ich nur machen?" (verzieht missmutig das Gesicht)
Frau in grüner Wächteruniform (tritt hinzu): "Hallo, Kollege, was ziehst du denn für ein missmutiges Gesicht?"
Männlicher Wächter: "Ach ich habe Durst und Hunger und nur wenig Geld."
Weibliche Wächterin (mitfühlend): "Ja, das kenne ich, das ging mir auch so - bis gestern."
Männlicher Wächter (mit gespanntem Gesichtsausdruck): "Bis gestern?"
Weibliche Wächterin (mit attraktivem Lächeln): "Ja, gestern wurde doch im Krummbuckelweg der neue Trippel-Es eröffnet, Schnappers Schnelle Schnackeleien, dort bekommt du ein gutes Essen mit einem Getränk nach Wahl für nur 25 AM-Cent."
Männlicher Wächter (freudig angespannt): "Wo sagst du gibt es das?"
Weibliche Wächterin (freudestrahlend bis über beide Backen): "Im Krummbuckelweg: Der neue Trippel-Es! Schnappers Schnelle Schnackeleien, ein volles Menü für nur 25 AM-Cent."
Männlicher Wächter: "Da muss ich sofort hin, in den Krummbuckelweg zu Trippel-Es!"
Männlicher Wächter geht im Laufschritt ab.
Weibliche Wächterin: "Ja, renn auch du zu Tripple-Es, Schnappers Schnelle Schnackeleien. Lauter Essen und Trinken - und alles verdaulich!"
Lacht strahlend auf und verschwimmt in der untergehenden Sonne.
[18]***Der Hintere Buckelpfad gehörte zu den besseren Wohnlagen der Stadt. Das Haus Nummer 34 erwies sich als hübsche kleine Villa mit einem kleinen Vorgarten. Haus und Gärtchen waren sauber und gepflegt. Auffällig waren die vielen Kopfsalate und Kohlköpfe, die statt der Blumen und Zierstauden der anderen Häuser hier wuchsen.
"So, liebe Kolleginnen, eine von euch beiden bleibt vor der Tür stehen und achtet darauf, dass kein Verdächtiger entkommt. Ich denke, Tussi ist als Leichte Armbrustschützin bestens dazu geeignet.
Trockenes Schweigen schlug ihm entgegen, aber Tussi stellte sich neben die Gartentür und bedeutete damit, dass sie einverstanden war. Ruppert klopfte mit dem Türklopfer, der einer Schnecke täuschend ähnlich nachgebildet war, an die rot lackierte Tür. >'Brrr, gut dass das Ding nicht auch noch schleimig ist.", dachte er und erinnerte sich schaudernd daran, dass er schon gezwungen war Schnecken zu fressen, damals ....
Die Tür öffnete sich und eine kleine, schwarzhaarige Frau stand vor den beiden Wächtern.
"Gutten Tak! Wasse kanne ich für eich tuen?". Sie sprach gutes Ankh-Morporkianisch mit einem stark ausgeprägten gennuesischen Dialekt.
"Guten Tag, Obergefreiter von Himmelfleck, meine Kollegin Tamir. Ist Herr Carlo Nontesta Spadato zu Hause?"
"Carlo? Wasse hatt der Junge schon wieder annegestellte?", fragte sie aufgeregt, drehte sich um und brüllte mit schriller Stimme: "Caaaarlooooo!"
Sie drehte sich zu den beiden Wächtern um und bat sie in das Haus. Ein junger Mann kam die Treppe herunter, die zum oberen Stockwerk führt, sah die beiden Wächter, stutzte, machte auf dem Absatz kehrt und rannte wieder nach oben. Ruppert runzelte die Stirn und rannte hinterher. Er sah ihn in einem Zimmer verschwinden. Vor Rupperts Nase wurde die Tür zugeschlagen. Ruppert hämmerte an die Tür. "Aufmachen, Stadtwache! Öffne sofort die Tür oder ich muss sie gewaltsam öffnen!" Er hörte wie ein Fenster geöffnet wurde und jemand hinaus kletterte. Der schwere Wächter ging zwei Schritte zurück und warf sich mit seinem ganzen Gewicht
[19] gegen die Tür. In einer Wolke aus Holzsplittern fiel er in das Zimmer, rappelte sich auf und lief zum Fenster. Als er sich hinaus beugte sah er Carlo auf das Gartentor zu rennen, wo er von Tussi erwartet wurde, die ihre Armbrust auf ihn richtete. Abrupt blieb er stehen und hob die Arme. Ruppert sah es in einem Ärmel metallisch schimmern und sprang nun ebenfalls aus dem Fenster. Er landete geschmeidig auf dem Boden und rannte auf Carlo zu, der gerade dabei war blitzschnell ein Messer aus dem Ärmel zu ziehen. Ruppert fasste nach dem Handgelenk und drückte zu. Carlo schrie vor Schmerz auf und ließ das Messer fallen. Tussi bekam einen Schreck und löste dabei die Armbrust aus. Mit einem fetzigen Fetzen fetzte der Bolzen einen Fetzten aus der hellgrünen Jacke Carlos, schrammte über Rupperts blankpolierten Harnisch wurde abgelenkt und schlug mit einem dumpfen Schlag in den Türrahmen der kleinen Villa - just in dem Moment, in dem Kathi die Tür öffnete um zu sehen was draußen geschehen war. Dicht neben dem Kopf der silberhaarigen Wächterin vibrierte der Bolzen aus Tussis Armbrust in dem rot lackierten Holzbalken.
Während Ruppert den gefesselten Carlo in die Villa schob begann Kathi zu schreien: "Du wolltest mich umbringen, du blöde Kuh! Hast wohl Angst vor dem Duell, was!"
Tussi, die kreidebleich gesehen hatte wie ihr Bolzen erst Ruppert gestreift und dann Kathi fast in den Kopf getroffen hatte wurde knallrot. Sie brüllte zurück: "Eine von Grantick kennt keine Angst, du klatschianische Bangebüx! Wenn ich auf dich geschossen hätte, dann hätte ich auch getroffen!"
Kathiopeja rannte aus der Tür um sich auf Tussnelda zu stürzen, aber Ruppert erwischte sie am Kragen und riss sie zurück. Nun brüllte auch er.
"Verdammt nach mal ihr Beiden! Ist jetzt Schluss mit der Kinderei! Was bildet ihr euch eigentlich ein wo ihr hier seid. Noch ein Wort und ich schleppe euch eigenhändig vor IA! Habt ihr mich verstanden?"
Kathi sah ihn erst wütend und dann erschrocken an und Tussnelda wollte laut widersprechen. Sie überlegte es sich aber noch einmal und sagte leise: "OK, du hast ja recht, Ruppi. Entschuldige."
Auch Kathi murmelte etwas. Ihr war klar, dass Tussi niemals mit der Armbrust auf sie schießen würde (nun ja, zumindest war ihr klar, dass es diesmal keine Absicht gewesen war).
Die Frau, die sich als Schwester von Carlo herausstellte saß weinend im Wohnzimmer der Villa. Ruppert hatte Kathi gebeten sie zu befragen. Er traute Tussi nicht zu mit der offenbar völlig verzweifelten Frau behutsam umzugehen.
Er und Tussi hatten Carlo in der Küche auf einen Stuhl gebunden und ihm den Küchentisch vor den Bauch geschoben. Ruppert saß auf der anderen Seite des Tisches und holte seinen Schreibblock heraus.
"Nun, Carlo, es gibt zwei Wege. Den leichten und den ... anderen. Der leichte Weg ist: Du erzählst mir jetzt ganz genau warum du abhauen wolltest als du uns gesehen hast und warum du es gewagt hast ein Messer gegen meine Kollegin zu ziehen." Bei den letzten Worten stieß Ruppert den Tisch kräftig in Carlos Bauch. Der klappte vor und würgte. Ruppert zog den Tisch zurück.
"Entschuldige, ich bin abgerutscht. Ich bin aber auch manchmal zu ungeschickt."
Tussi grinste. Ihr gefiel die Verhörmethode des Werwolfs. Sie ähnelte in gewisser Weise ihrer eigenen - wobei sie allerdings immer verbale Gewalt bevorzugt hatte.
Carlo sah ängstlich von einem Wächter zur anderen. Ihm gefiel weder Tussis hämisches Lächeln noch der viel zu harmlose Gesichtausdruck des dicken Mannes der ihm da gegenübersaß.
"Ich ... ich ... ja also, es war eben so, weil ich als ich euch gesehen habe, da habe ich gedacht, ja da habe ich eben gedacht und das war wohl falsch und da ... da bin ich eben weggerannt und als dann eine Armbrust auf mich zielte ... ja da hab ich halt wieder gedacht ... und dann hast du mir wehgetan ... und meine schöne Jacke ist auch kaputt." Die letzten Worte sagte er mit einem gewissen trotzigen Vorwurf in der Stimme. Sein Akzent war wesentlich weniger ausgeprägt als der seiner Schwester, eigentlich kaum zu hören.
"Ich verstehe, du hast gedacht und bist gerannt und deine Jacke muss geflickt werden."
Ruppert zog sein langes Stahlmesser aus dem rechten Stiefel und nahm einen Wetzstein in die Hand, der auf einem Bord neben dem Tisch lag. Langsam und gemütlich begann er das Messer zu schärfen.
Schrimmm-schrimmmm-schrimmmm er lies den Wetzstein auf der Klinge singen und prüfte die Schneide mit genauem Blick. Dann begann er leise zu erzählen.
"In der Stadt sind ganz schön viele Leute sauer."
Schrimmm"Da ist der Patrizier, der es nicht gerne sieht wenn seine Stadt von irgendwelchen Irren zugeschleimt wird."
Schrimmm "Er meint, die Gildenpräsidenten und der alte Adel machen das schon zur Genüge."
Schrimmm "Und dann sind da die Zauberer."
Schrimmm "Der Erzkanzler war ziemlich sauer als ihn der Patrizier beschuldigt hat für den Dreck verantwortlich zu sein."
Schrimmm "Und dann die Priester"
Schrimmm Ruppert lachte leise "Sie waren empört über den Verdacht einer der Götter wäre es gewesen:"
Schrimmm "Die Beschwörer - nun ja, die kann man nicht ernst nehmen"
Schrimmm "Unser Kommandeur, du hast den Namen vielleicht gehört, Rascaal Ohnedurst,"
Schrimmm "ein Vampir übrigens, ich glaube nicht, dass er es lustig findet dass ausgerechnet sein Wachhaus als Ausgangspunkt des Zeugs gedient hat."
Schrimmm "Weißt du, Carlo, wer immer etwas damit zu tun hat, der hat sich ganz schön viel Ärger eingehandelt."
Schrimmm Von der Stirn des jungen Mannes rann der Schweiß als hätte er eine Wasserblase unter seinen tiefschwarzen Haaren versteckt. Er hing voller Angst an Rupperts Lippen.
Schrimmm-Pock Ruppert stieß in einer fließenden Bewegung das Messer in die Tischplatte und Carlo erschrak erneut und starrte gebannt auf die vibrierende Klinge.
"Was glaubst du wohl werden die tun, wenn sie die Schuldigen erwischen, oder zumindest ein paar der Schuldigen?", Ruppert senkte die Stimme, beugte sich vor und flüsterte, "Oder auch nur einen davon?"
Carlo schluckte. Ruppert und Tussi konnten sehen, dass er sich gut vorstellen konnte was geschehen würde. Er wurde noch blasser und sah nun vollkommen Mitleid erregend aus. Er krächzte ein paar unverständliche Worte und sah ängstlich auf Ruppert.
Der lehnte sich zurück und sinnierte frei vor sich hin, immer noch mit leiser Stimme. "Wenn natürlich einer der Täter einsehen würde, dass er etwas ganz Schlimmes getan hat und das bereuen würde ..." Er sah aus den Augenwinkeln auf Carlo, der seine Worte aufsaugte wie ein Mann, der seit Tagen durch die Große Nef gekrochen war und nun eine Brauerei vor sich sah, "Ja, wenn sich so jemand stellen würde, sagen wir der Wache, natürlich freiwillig ohne jeden Hintergedanken, willig jede Strafe auf sich zu nehmen", Carlo sah ihn gierig an, "dann könnten wir ihn natürlich als Zeugen nicht sonderlich hart bestrafen."
Der junge Mann sah ihn mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen an, aber Ruppert fuhr fort: "Allerdings müsste dieser jemand sich beeilen, denn wenn die Stadt erst zugeschleimt ist wäre alles zu spät. Dann würden sich gewisse Leute gerne mit ihm ... unterhalten."
"Wenn, wenn, wenn ...", stammelte Carlo.
"Ja?", fragte Ruppert freundlich.
Carlo saß am Tisch und weinte lautlos. Ruppert kam sich ekelhaft vor, aber er machte weiter.
"Nun ja, es wird sich wohl niemand finden, der den Mut hat auszusagen."
Eine Weile sagte niemand etwas. Von draußen klang das fröhliche Zwitschern einer Amsel in die Küche. Tussi füllte einen Krug mit Wasser und stellte ihn wortlos mit zwei Bechern auf den Tisch. Ruppert schenkte sich und Carlo Wasser ein und schwieg weiter.
"Es begann vor vielen Jahren, in Gennua." Carlos sprach mit leiser und monotoner Stimme. "Ein ausgestoßener Zauberer aus Ankh-Morpork kam verliebt nach Gennua und machte sich an das Mädchen heran. Aber sie wollte nichts von ihm wissen. Er war außer sich, denn er hatte seine Heimat und seinen sicheren Platz an der Universität für sie verlassen und sie lachte ihn aus. Er verlor die Beherrschung und fiel über sie her. Ihre Gegenwehr nutzte ihr nichts - er war zu stark. Als er wieder zur Besinnung kam, erschrak er über sich selber und lief weg. Man fand ihn in einem Garten, nicht weit von ihrem Haus entfernt an einem Kirschbaum hängen. Seltsamerweise war die Leiche über und über von Schnecken bedeckt. Seine ganze Habe bekam die junge Frau als Entschädigung, darunter auch sehr viel Geld. Aber sie hatte in dieser Nacht ein Kind empfangen, bei dessen Geburt sie starb. Nun war also das Kind, ein Mädchen, Erbin des Zauberers geworden. Ungeachtet der Tatsache, dass sie einer Vergewaltigung entsprungen war, wurde ihr der Name des Vaters gegeben. Gastropoda, Veti Gastropoda. Sie wuchs beim Bruder ihrer Mutter auf, der sie stets spüren ließ, dass sie ein Bastard war. Als sie alt genug war warf er sie aus seinem Haus, aber er behielt nichts von ihrem Erbe, denn er fürchtete sich davor die Sachen eines Zauberers an sich zu nehmen. Sie lernte eine alte Kräuterfrau kennen, die sie alles lehrte was sie wusste. Als sie gestorben war, errichtete Veti einen kleinen Laden und verkaufte dort Kräuter und behandelte Menschen, die mit ihren Beschwerden zu ihr kamen. Sie war gut und auch die wenigen Ärzte die es zu dieser Zeit in Gennua gab waren voller Anerkennung. So wurde Veti eine geachtete Bürgerin der Stadt. Sie heiratete einen Arzt und mit achtunddreißig Jahren gebar sie ihr erstes Kind, ein Mädchen, dem sie den Namen Ortho gaben. Ich sagte ihr erstes Kind, aber das ist Unfug, denn
Veti starb bei der Geburt Orthos, und Ortho starb bei der Geburt Patellos, und Patello starb bei der Geburt Heteros. Und wenn Hetero stirbt, dann wird die Scheibenwelt erlöst, Groß-A'Tuin wird entschlafen und die Große Molluske wird die Scheibenwelt zu ihrer wahren Bestimmung tragen."
Die letzten Sätze leierte er herunter wie einen Glaubenssatz. Carlo blickte auf und sah mit schiefem Lächeln auf die beiden Wächter. "Eine schräge Geschichte nicht wahr?"
Ruppert nickte, "Erzähl weiter."
"Hetero fand in der Hinterlassenschaft ihrer Mutter ein Buch, dass ihr Ururgroßvater geschrieben hatte. In der Familie war nie vergessen worden was er der Ururgrossmutter angetan hatte - seltsamerweise aber wurde ihr Name nie weitergegeben. Hetero fand nun das Buch als sie alt genug für ihr Erbe war. Viel mehr als das Buch erbte sie auch nicht, denn ihr Vater hatte alles was vom Vermögen der Vorfahren übrig geblieben war versoffen. Sie studierte das Buch und wurde besessen von der Idee die Große Molluske würde erscheinen und sie wäre ihre Hohepriesterin. Hetero reiste über die ganze Scheibenwelt. Sie lernte bei einer verrückten Hexe in den Spitzhornbergen, sie kam bis Viericks, wo sie bei einem Schamanen in dessen Geheimnisse eingeweiht wurde. Wohin sie kam, ihre Schönheit und ihre magische Stimme, die sie in den Spitzhornbergen erworben hatte, betörte die Weisen und die der Magie mächtigen Mächtigen. Sie erwarb großes Wissen und große Macht. Aber dann ..." Carlo stockte und sah Ruppert fragend an: "Sie ist tot, nicht wahr, sie ist doch tot, oder?"
Ruppert nickte, "Ja, sie ist in ihrer Wohnung in der Hinterbackenstraße gestorben."
Carlo schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht ob sie tatsächlich tot sein kann, aber was soll es, ihr habt den Anfang gehört, ihr sollt auch das Ende hören." Er überlegte kurz wo er stehen geblieben war.
"Ja, irgendwann ging es nicht mehr um die Große Molluske. Es gab nur noch Hetero. Sie reiste über die Scheibenwelt und gab sich als Nackttänzerin aus. Nackt wie eine Schnecke sagte sie immer. Oh, und sie war ..." Er sah auf von Grantick und errötete. Tussi ebenfalls.
"Auf einer ihrer Reisen verlor sie das Buch ihres Großvaters. Ob es ihr gestohlen wurde, ob sie es verloren hatte wusste sie nicht zu sagen. Es war einfach nicht mehr da. Sie war wie besessen von diesem Buch und ließ überall danach suchen. Sie reiste wie rasend durch die Länder und Städte und überall wo sie sich aufhielt gründete sie Gesellschaften, die die Große Molluske verehrten. Auch in Ankh-Morpork geschah das vor ein paar Jahren. Die Gesellschaften hatten vor allem einen Sinn: Sie sollten das Buch finden. Und hier in der Stadt wurde es schließlich gefunden. Ein Mitglied der Gesellschaft, Fulbert Arion, entdeckte es in einer Buchhandlung und wollte es selbst besitzen. Er ging zu diesen albernen Beschwörern und versuchte sie für sich zu gewinnen. Denn er hatte zwar einen brennenden Ehrgeiz, aber kein Geld um das Buch zu kaufen. Die Beschwörer lachten ihn aus und er stahl das Buch. Es gelang ihm sogar eine Riesenschnecke zu beschwören, aber er wurde von der Wache erwischt und das Buch wanderte hinter Schloss und Riegel. Als ...", er schluckte und seufzte tief, "Als ... wir ... davon erfuhren, benachrichtigten wir natürlich sofort unsere Meisterin. Zuerst wussten wir nicht, dass Fulbert das Buch selbst haben wollte. Als er seine Strafe beendet hatte brachten wir ihn zur Meisterin und sie ehrte ihn außerordentlich. Er wurde ihr erster Diener und Liebhaber. Als ich ihr gegenüberstand bekam ich Angst, denn sie war unheimlich verändert. Mal war sie die alte Frau, als die ich sie vor zwei Jahren kennen gelernt hatte, mal sah sie aus wie eine Göttin. Sie verfiel immer mehr in Schmutz und Unrat und Fulbert wurde ebenfalls mehr und mehr verrückt. Ich weiss nicht, was sie mit ihm angestellt hat. Gestern erfuhren wir, dass Fulbert das Buch für sich selbst haben wollte. Heute haben wir es ihr mitteilen wollen, aber sie wusste es schon längst. Sie ... sie ... ", hier stockte Carlo und brach wieder in Tränen aus. Es dauerte ein paar Minuten bis er weiter erzählen konnte.
"Als wir zu ihr kamen, heute morgen, war sie vollkommen ausgerastet. Ja, sie wüsste, dass Fulbert sie verraten hätte. Und sie würde sich rächen, Nein, sie sagte so etwas wie
'Ich habe mich gerächt, an der Stadt, die mir das Buch gestohlen hat und an meinem unwürdigen Diener.'Dann lachte sie und begann Arion zu beschimpfen und der schimpfte zurück. Die beiden wurden immer lauter und wir, ich und noch ein Mitglied der Gesellschaft, wir wichen zurück von den beiden. Dann ... dann griff Gastropoda nach Arion und warf ihn in die Truhe in ihrem Zimmer. Sie öffnete ihren Mund und Schneckenschleim und Schneckeninnereien strömten aus ihr heraus und füllten die Truhe. Arion schrie solange er konnte, aber er hatte keine Chance aus der Truhe herauszukommen. Sie lachte und lachte als der Schleimstrom versiegt war. Dann zeigte sie auf das Bücherregal in ihrem Zimmer das immer voller Zauberbücher gestanden hatte. Sie hätte die Bücher entfernt und gut versteckt, denn nun sei die Zeit gekommen. Sie hätte in der Mitte der Stadt einen Krug mit Ewigem Schleim deponiert und bereite sich selber darauf vor zu Schleim zu werden. Ihre letzte Worte waren
'Wenn Schleim und Schleim sich verbinden, werde ich wieder kommen und ich werde die Große Molluske selber sein und ich werde den Platz der Schildkröte einnehmen und ihr werdet mich anbeten und ihr werdet meine Hohepriester sein'."
Ruppert starrte erst Carlo an und sah dann zu Tussi. "Was hältst du von der Geschichte?"
"Total bescheuert, aber ..."
"Ja, wenn sie stimmt, dann haben wir ein ziemliches Problem."
Tussi nickte schweigend.
"Was ist ewiger Schleim?", wollte Ruppert von Carlo wissen.
"So genau weiss ich das nicht. Die Meisterin hatte von Ihren Reisen einen kleinen Krug mitgebracht, den sie immer besonders verschlossen hielt. Da sei ihr ewiger Schleim drin, hat sie immer gesagt. Das sei heiliger Schleim von der großen Molluske, hat sie erzählt. Die größte Reliquie des Kultes. Würde der Krug geöffnet, würde der Inhalt die ganze Scheibenwelt überziehen. Wir haben da eigentlich nie dran geglaubt - bis heute Morgen."
"Was war heute Morgen?"
"Als wir bei ihr waren, als sie ... Arion ...", er schluckte, "Da hat, hat sie uns erzählt, dass sie den Krug ins Wachhaus gebracht hätte und dass nun alles seinen Gang gehen würde."
"Und was hast du dann gemacht?"
"Ich bin nach Hause gegangen. Ich hatte Angst, Angst davor was passiert wenn die Grosse Molluske tatsächlich kommt und Angst davor, dass sie nicht kommt."
Ruppert nickte nachdenklich. Er war wieder an einem Endpunkt angekommen und wusste nicht weiter. Er sah zu Tussi und meinte: "Ich muss sofort zum Hauptmann. Kann ich dir und Kathiopeja den Mann hier anvertrauen damit ihr ihn in die Kröselstraße bringt? Sollen die zusehen wie sie ihn unterbringen. Schafft ihr das ohne euch zu zerfleischen?"
Tussi sah ihn empört an und sagte kurz und scharf: "Ja!".
Ruppert ging in das Wohnzimmer, wo Kathi mit Carlos Schwester bei einer Kanne Kaffee zusammensaß und plauderte. Die Schwester sah nicht mehr ganz so erschrocken aus und als Ruppert ihr versicherte, dass Carlo wohl mit einem blauen Auge davon kommen würde, lächelte sie sogar ein wenig. Auch Kathi reagierte wenig begeistert auf die Aussicht Carlo zusammen mit Tussi ins Wachhaus in der Kröselstraße zu bringen, aber auch sie fügte sich der Notwendigkeit.
Mit einigen Ermahnungen eilte Ruppert dann zurück um dem Hauptmann Bericht zu erstatten. Er hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, denn es waren keine guten Nachrichten, die er dem Hauptmann zu verkünden hatte.
***Die Obergefreite Breda Krulock saß am Wachetresen und war mit sich und der Welt unzufrieden. Was hatte sie verbrochen, dass sie einfach so aus ihrem Büro in der Boucherie Rouge herausgerissen wurde und mit einigen Kolleginnen und Kollegen zum Dienst in der Kröselstraße abkommandiert worden war. Nun musste sie ohne Ende aufgeregten Bürgern erklären warum es mehrere Sperrgebiete in der Stadt gab und was denn geschehen war und dass die Platzkarten für die nächste Katastrophe, die eine Firma namens Schnapper-Ieh-Went verkaufte, ungültig waren.
Für alle Fälle waren einige Ausbilderbüros in provisorische Zellen verwandelt worden, und als Kathi und Tussi mit Carlo in der Mitte das Wachhaus betraten, deutete Breda nur stumm auf eine Tür, vor der die Gefreite Arwan lehnte und sich mit einem Messer die Fingernägel stutzte.
"Wen habt ihr denn da mitgebracht?", wollte sie wissen.
Zuerst kam keine Antwort. Dann sagten Kathi und Tussnelda wie aus einem Mund: "Das ist ...", und wurden wieder still.
"Nun, wer ist das?", fragte Arwan noch einmal und stupste Carlo leicht an. Dabei übersah sie leider, dass sie das Messer noch in der Hand hielt und verpasste Carlos grüner Jacke eine weitere Blessur. Carlo wich erschrocken zurück und Arwan lief puterrot an. "Äh, Äh, Ähntschuldigung, das war ... nein, wirklich, tut mir leid."
Kathi grinste und sagte schnell: "Das ist Carlo Nontesta Spadato, einer der Mitwisser bei dieser ganzen Schleimsache. Bitte passt gut auf ihn auf, wir werden ihn noch brauchen."
Jetzt sah Arwan den Mann mit erschrocken aufblitzenden Augen an: "Was, einer von denen, die dafür verantwortlich ..."
"Reg dich nicht auf, Arwan", beruhigte Tussnelda mit einem bösen Blick auf Kathiopeja, "der ist harmlos und hat uns wichtige Informationen geliefert."
Schweigend verließen die beiden Wächterinnen das Wachhaus und schweigend gingen sie - mit zwei Meter Abstand - zurück zur Götterinsel. Die beiden bestaunten die mächtige Absperrung vor der Messingbrücke. Kathi kletterte hinauf und Tussi wollte ihr nicht nachstehen. Von der Sandsackbarriere sahen die beiden auf einen See von Schleim, der mindestens drei Meter hoch stand. Ein übler Geruch stieg davon auf, übler noch als der des Ankh. Kathi musste würgen und verlor das Gleichgewicht. Sie taumelte auf der Krone der Barrikade. Ohne nachzudenken griff Tussi zu und verhinderte Kathis Sturz in die eklige Masse.
Kathi riss sich los. "Fass mich nicht an, du falsche Schlange!" brüllte sie und kletterte wütend nach unten. Tussi stand starr da und sah ihr mit eisiger Mine hinterher.
Die Lösung"Also, wenn ich dich richtig verstehe, dann hast du zwar einen unmittelbar an der Tat Beteiligten gefunden, aber nichts aus ihm herausgebracht was uns weiter helfen kann. Hast du wenigstens Namen und Adressen weiterer Mitglieder dieses Kultes?" Hauptmann MeckDwarf war ungnädig gestimmt. Er hatte zwar in den vergangenen Stunden die Götterinsel recht gut eingedämmt, aber es war absehbar, dass spätestens morgen die Suppe überkochen würde - bildlich gesprochen. Vom Haus in der Hinterbackengasse ganz zu schweigen, denn in dem verschlungenen Gewirr der Häuser rund um die Schlachthöfe müsste man schon ganze Straßenzüge einreißen um die Schleimflut einzudämmen. Es erschien dem Hauptmann zwar prinzipiell eine sympathische Idee zu sein dort etwas Ordnung zu schaffen, aber er bezweifelte, dass der Patrizier diese Idee ebenfalls sonderlich gut finden würde. Vermutlich würde er nicht nur ironisch werden sondern sogar sarkastisch.
Ruppert legte ein kleines Notizbuch auf den Schreibtisch. "Hier stehen alle anderen Mitglieder des Kultes drin. Die mit einem Kreuz versehenen sind die führenden Köpfe, denen Gastropoda die Hohepriesterschaft versprochen hat.
Der Hauptmann blätterte kurz in dem Buch und sah sich nach einem freien Wächter um. Lance-Korporal Holm saß an einem der Tische und stopfte seine allgegenwärtige Pfeife.
"Charlie, komm bitte mal her."
Der Tatortwächter stand auf und trat zum Tisch des Hauptmanns. Der hielt ihm das Buch entgegen. "Schnapp dir ein paar Leute und verhafte von diesen Männern
[20] so viele du erwischst und bring sie zum Verhör hierher, oder nein, das ist Unfug, bring sie in die Kröselstraße, nein, da ist nicht genug Platz."
Er sah nachdenklich Ruppert an, der ihm mit einem Schulterzucken nur "Patrizierpalast?" zuraunte.
"Ja, hmpf, gute Idee, bring sie in den Patrizierpalast, soll sich die Palastwache mit ihnen beschäftigen."
Charlie Holm blätterte in dem Büchlein und machte sich in Gedanken bereits einen genauen Laufplan in welcher Reihenfolge er die Leute aufsuchen wollte. Dann verließ er mit einem Kopfnicken den Raum und bestimmte im Vorbeigehen noch ein paar Wächter die ihn begleiten sollten.
"So, und was machen wir nun mit dem Schleim da draußen?", wandte sich MeckDwarf an Ruppert.
Der konnte nur mit den Schultern zucken. "Wenn etwas dran ist an der Sache mit Schleim und Schleim, dann haben wir ein Problem. Und wenn nichts dran ist, dann haben wir immer noch ein Problem. Welches der beiden schlimmer ist, weiss ich nicht. Verdammt, ich bin sicher irgendetwas zu übersehen, aber ich komm nicht drauf."
Der Hauptmann sah ihn scharf an, sagte dann aber überraschend geduldig: "Du bist jetzt seit einigen Stunden ständig unterwegs. Wie wäre es, wenn du mal Pause machst und dich etwas ausruhst. Vielleicht fällt es dir dann wieder ein."
Der Okkultismusexperte nickte dankbar und drehte sich um.
"Aber in einer halben Stunde bist du wieder hier!", bellte der Hauptmann hinter ihm. Ruppert grinste, so kannte er seinen Chef.
***Feldwebel Rib M'Laut schwebte im grünen Nirwana. Genau genommen war es Schleim. Und dass er grün war (der Schleim, nicht M'Laut - der inzwischen aber auch) ist eine Vermutung, denn das Büro des Hauptmanns im Wachhaus hatte keine Fenster. Als der Hauptmann die Tür zugeschlagen hatte überlegte sich der Feldwebel was er machen sollte. Er hörte wie vor der Tür Barrikaden errichtet wurden und nahm zur Kenntnis, dass der Schleimspiegel allmählich stieg. Er erkannte, dass der Schleim von ihm ausging und er begriff auch, dass das unfreiwillige Schleimbad am Wachetresen schuld daran sein musste.
Als verständige Gnumie
[21] beschloss Rib abzuwarten und so wiegte er sich auf der weichen Oberfläche des Schleimes.
"He, das ist ja saubequem!"
Plötzlich stieß sein Kopf an die Deckenwand.
"Au!" Der Feldwebel öffnete die Augen. "Upps! Ähhhh, Leute! Hallo! Hört mich jemand?"
Der Raum war nun bis unter die Decke gefüllt. Rib war gezwungen sich im Schleim fortzubewegen. Er schwebte auf und ab und auf und ab und auf und ab.
'Wenn ich nur an die Klinke kommen könnte...' dachte er. 'Verdammt der Druck nimmt zu, das macht langsam keinen Spaß mehr. Und wo wir gerade beim Thema sind... wie funktioniert eigentlich untote Selbstheilung?'
Er vernahm ein dumpfes Bersten, als die Tür dem Druck nicht mehr standhielt und aufbrach und wurde vom Strom des Schleims getragen, prallte kaum gegen Treppenstufen und sank langsam durch die Etagen des Wachhauses bis in den Keller.
Dort schwebte er auf und ab und auf und ab und auf und ab ...
Und wenige - wenn überhaupt jemand - hätten vermutet, dass er diese himmlische Stille und Ruhe zutiefst ... genoss.
***Ruppert saß müde auf einem Stuhl in einem kleinem Restaurant in der Filigranstraße. Vor sich hatte er eine Tasse mit starkem Kaffee und einen Teller mit Kuchen. Er rieb sich die Augen und dachte angestrengt darüber nach, was ihm entgangen sein konnte.
Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür und ein Wächter kam herein. Im hellen Gegenlicht das durch die Tür fiel konnte Ruppert die rundliche Figur seines Abteilungsleiters Sillybos erkennen. Der sah Ruppert an dem Tisch sitzen und setzte sich zu ihm.
"Ich habe gehört, dass du hierher gegangen bist und bin dir nachgegangen", eröffnete er das Gespräch.
Ruppert zögerte. Er mochte seinen Abteilungsleiter, der meistens freundlich war und nicht allzu viel von Rangordnungen hielt. Andererseits wollte er nachdenken. Andererseits: Nachdenken mit einem Philosophen würde ihn vielleicht weiter bringen.
"Hallo, Chef, wo warst du denn die ganze Zeit? Der Hauptmann hatte alle Hände voll zu tun um ..."
"Jaja, ich weiss schon, aber ich genoss meinen eigentlich freien Tag, den ich einfach mal in meiner Bibliothek verbringen wollte; in den alten Philosophen lesen.", er seufzte, "Und dann kam Hegelkant und überbrachte mir die Botschaft der grausigen Ereignisse. Ich eilte sofort hierher und vernahm, dass du für die Ermittlungen zuständig bist."
"Ja, Sör."
"Erzähl mir mehr davon", bat der SUSI-Abteilungsleiter.
"Sör, ich muss mich in zwanzig Minuten wieder beim Hauptmann melden. Ich kann dir jetzt diese Geschichte nicht erzählen, aber ich habe ein Problem."
Sillybos lächelte. "Erzähle mir davon, Ruppert, vielleicht kann mein denkgewohnter Geist dir helfen."
"Es ist so. Ich habe den Verdacht, dass ich irgend etwas übersehen habe. Eine Kleinigkeit, die uns aber weiterbringen kann. Aber ich komme einfach nicht drauf, verdammt noch mal!"
Sillybos verschränkte die Finger und stützte sein Kinn darauf. "Ein Philosoph aus Djelibeby hat gesagt 'Wenn dir etwas Unwichtiges entfallen ist, dann heb es wieder auf, wenn du es verloren hast, dann gib es auf und wenn du es wieder findest, dann wirst du merken, dass es dir nicht im Geringsten gefehlt hat'." Der Philosoph stutze und meinte dann: "Hilft dir das weiter?"
Ruppert lächelte, "Nein, Sör, nicht wirklich."
Die beiden Männer saßen schweigend am Tisch. Die Bedienung hatte auf eine Bestellung Rupperts hin für den Philosophen ein Glas Rotwein gebracht.
"Ein anderer Philosoph hat einmal gesagt: 'Der Mann, der du am Morgen warst ist dir am Abend ein Fremder.' Er machte unter diesem Postulat einen Versuch. Er tötete am Morgen einen Mann und zeigte sich am Abend selber an. Er sei Zeuge der schrecklichen Tat gewesen und hätte alles ganz genau gesehen. In Ephebe hätte er vielleicht Erfolg mit dieser Strategie gehabt, denn die Richter dort wissen eine gute philosophische Beweisführung zu schätzen. Leider hatte er den Mord in Quirm begangen; der dortige Richter verurteilte den Mörder dazu durch die Hand des Zeugen zu sterben."
Ruppert schüttelte den Kopf. "Danke, Sör, aber das alles hilft mir nicht weiter. Entschuldige, wenn ich jetzt gehe, aber ich muss zurück zum Hauptmann.
Auf dem Weg zu MeckDwarfs Büro gingen ihm die Weisheiten durch den Kopf, die er gerade gehört hatte. Natürlich war etwas dran, aber man musste schon verrückt oder aus Ephebe sein um so etwas wirklich ernst zu nehmen.
In MeckDwarfs Büro saß zu seiner Überraschung Laiza Harmonie, seine Chefin und Ausbilderin. Ruppert freute sich sehr sie zu sehen.
"Laiza, wo kommst du denn her? Du hast doch noch drei Tage Urlaub?"
"Drei Tage Urlaub? Ja, schon, aber ich wollte hier einfach noch ein paar Tage in der Stadt entspannen", erklärte sie, "und ein bisschen ... lesen", beendete sie den Satz etwas lahm.
Der Hauptmann räusperte sich. "Da ja nun endlich eine Okkultismusexpertin da ist, die ihr Fach versteht, werden wir ja hoffentlich endlich die Misere erledigt haben. Lance-Korporal Harmonie wird jetzt den Fall übernehmen." Er sah Ruppert missmutig an, der aufbrauste.
"Das ist ja wohl die Höhe! Ich habe in ein paar Stunden die ganzen Hintergründe herausgefunden, während du hier gerade mal Sandsäckchen gestapelt hast! Und außerdem hat mich Vetinari ...", Ruppert unterbrach sich.
Der Hauptmann war aufgesprungen und wurde blass vor Wut. Laiza sah erschrocken auf die beiden.
"Was bildest du dir eigentlich ein, du närrischer Obergefreiter!", herrschte MeckDwarf den Werwolf an.
Laiza seufzte, immer wieder fiel es ihr zu Ruppert und einen seiner Vorgesetzten zu beruhigen. Mit Grausen dachte sie an die Geschichte mit ihm und Rib, bei der Ruppert nur knapp dem Rauswurf aus der Wache entgangen war.
"Hört mal", begann sie, "es war ein langer und anstrengender Tag. Humph, Ruppert ist ein guter Okkultismusexperte auch wenn ich mehr Erfahrung haben mag und Ruppert, die Verantwortung für den ganzen Haufen zu übernehmen ist auch kein Zuckerschlecken."
Die beiden Männer sahen verlegen auf den Boden und Ruppert machte den Anfang: "Entschuldigung, Sör, war nicht so gemeint.", sagte er leise.
Der Hauptmann guckte finster und winkte ab. "Mach das ja nicht wieder, Himmelfleck, ... würdest du Harmonie bitte in die Hintergründe einweihen. Vielleicht fällt ihr ja noch etwas ein was wir noch nicht versucht haben." Er deutete auf einen Stuhl und Ruppert setzte sich. Zusammen mit dem Hauptmann begann er ihr alles von Anfang an zu berichten: "... und ich habe ihm ein Glas stark verdünnten Knieweich eingeschenkt. Danach konnte ich mit ihm reden. Der arme Kerl, Rib ist ganz schön ... übel mit ihm umgegangen. Na ja, ... ich kann ja ... ein Lied ... davon ... sin...gen." Ruppert hatte bei den letzten Sätzen immer langsamer gesprochen.
"Ich Oberidiot, ich Riesenross! Natürlich! Das ist es!"
"Was?", fragten MeckDwarf und Harmonie wie aus einem Mund.
"Der Rekrut, der verdammte Rekrut, das ist es was mir die ganze Zeit im Kopf herumgegangen ist. Warum hat der nicht geschleimt? Was ist besonderes an ihm?" Er war erregt aufgesprungen und hatte dabei den Stuhl umgeworfen.
"Hast du ihn in letzter Zeit gesehen?"
Ruppert überlegte. "Ich bin nicht sicher, aber ich werde es herausfinden. Wenn ich nur den Namen noch wüsste ..."
Ruppert drehte sich um, rannte zur Tür und stolperte über den Stuhl. Er knallte mit dem Kopf gegen die Tür und Laiza schrie erschrocken auf. Aber der Obergefreite schüttelte sich nur kurz und verließ ungeachtete einer Platzwunde am Kopf das Büro.
Laiza lachte leise. "Typisch Ruppert, eben noch beherrscht und weise und kurz darauf aufgeregt wie ein Welpe. Weißt du noch den Namen?"
Der Hauptmann grinste schwach: "Den Namen eines Rekruten? Laiza, du solltest mich besser kennen."
***Ruppert lief aus dem Haus und überlegte wie er diesen Rekruten finden konnte. Wenn er den Hauptmann Llanddcairfyn finden würde, der müsste ihn ja kennen. Oder nein, er hatte ihn zu RUM geschickt. Vielleicht konnte sich ja dort jemand erinnern. Nur, "dort" war unter Schleim vergraben.
'Denk nach, Ruppert, denk nach', dachte er innig als Laiza ihm auf die Schulter klopfte.
"Hey, Kollege, jetzt nur nichts übereilen."
Er drehte sich zu ihr um und nickte.
"Ja, ich war wohl etwas voreilig. Der Kerl kann überall sein."
"Eben, lass uns herausfinden was du über ihn noch weißt."
"Hm, männlich, Mensch, kommt wohl aus den Spitzhornbergen, denn er hat den Knieweich ... Der Knieweich! Laiza, vielleicht war es der Knieweich!"
Harmonie sah skeptisch aus. "Irgendein Schnaps soll dagegen helfen?", sie deutet auf den Schleimsee jenseits der Barrikaden.
Ruppert ignorierte ihre Skepsis und lief zur nächst besten Kneipe. Sie war gut besucht, denn die Bewohner der Stadt sahen Sensationen lieber mit angefeuchteten Kehlen als mit einem trockenen Hals zu. Der Wächter drängte sich durch die Massen und beachtete das Murren nicht. Er packte den Mann hinter dem Tresen am Arm und fragte ihn: "Hast du Knieweich da?"
Der Wirt wollte erst unwirsch antworten aber als er in Rupperts Augen sah überlegte er es sich und holte eine Flasche unter dem Tisch hervor. Ruppert schnappte sich die Flasche und drehte sich um.
"He, das kostet dich 10$", rief der Wirt ihm nach. Ruppert stutzte, griff in seinen Geldbeutel und warf ihm ein paar Münzen zu. Dann schob er sich wieder nach draußen. Laiza stand vor der Tür und die beiden rannten zu der Barriere und kletterten hinauf. Andere Wächter, die verhindern sollten, dass Neugierige zu nahe kamen sahen neugierig zu ihnen auf. Ruppert öffnete die Flasche und richtete ein Gebet an sämtliche ihm bekannten Götter. Dann goss er den Schnaps in den Schleim.
***Liehber Vahter und auch liehbe Muhtter.
Ich habe miech auffe den Weg zuhrück nach Hause gemachigt um dort vom Vahter das Hantwerk des Kähsemachigens zu lernen. Die grohsse Stadt Ankh-Morpork isset sehr aufregend und iche habe auch vieles erlebigt. Ahber der Schleim und der Feldwehbel wahren doch zuviehl für miech. Ich sendige euch diesen Brief damitte ihr wisset, dasse ich nach Hause kommige, in die ruhigen und friehdlichen Spitzhornberge.
Eueriger rheumüthiger Sohne ... ***Es brodelte leicht und im Schleim bildete ein kleiner Strudel, der den Knieweich gewissermaßen einsog. Dann beulte sich die Oberfläche auf und der Inhalt der Flasche wurde mit einem flatulenten Geräusch über die Barrikade gespuckt, knapp an Laiza und Ruppert vorbei.
Die beiden sahen sich verblüfft an. Dann grinsten sie und Ruppert sagte fröhlich: "Zum ersten mal eine Reaktion! Wir sind auf dem richtigen Weg."
Dann wurde er wieder ernst. "Aber ich hatte mir mehr erhofft."
Laiza dachte nach. "Woher hattest du den Knieweich, den du dem Rekruten gegeben hast?"
"Den hat mit Jeremiah geschenkt. Seine Tante, die von der er so gerne erzählt, hat ihm das Zeug geschickt."
"Die Tante, die eine Hexe ist?", hakte Laiza nach.
"Ja genau die", bestätigte Ruppert.
"Meinst du ...?"
"Vielleicht ...!"
"Gut."
"Gehen wir!"
Die beiden liefen die Straße am Ankhufer entlang zur Sentimentalen Brücke und von da durch die Teekuchenstraße zum Henne-und-Küken-Feld. Dort hatte Jeremiah Ogg sein Lokal, den 'Hahnen-Club'. Ruppert hatte ihn in einem anderen Fall kennen gelernt und die beiden waren Freunde geworden. In ihnen hatten sich ein leidenschaftlicher Koch und ein leidenschaftlicher Esser zu einer harmonischen Gemeinschaft gefunden.
Es war früher Abend (oder auch später Nachmittag) und der Hahnen-Club hatte noch nicht geöffnet. Die beiden Wächter liefen zur Hintertür und klopften an. Nach einer Weile öffnete ein schmalbrüstiger Kellner.
"Oh, der Herr von Himmelfleck! Komm doch bitte herein. Die Lady auch natürlich."
"Danke Herr Knotig, sehr nett. Ist Herr Ogg da?"
"Aber natürlich. Er steht um diese Zeit ja immer in der Küche und kocht. Heute Abend gibt es als Spezialität Neugierigen Tintenfisch an Wahoonipaste mit grünen Kartoffeln. Da muss der Chef selber ran ..."
Der redselige Mann führte die beiden in die Küche, in der Ogg aus so grässlichen Zutaten wie Neugierigem Tintenfisch und Wahooni eine Köstlichkeit bereitete. Als er Ruppert sah, winkte er ihn herbei.
"Hallo, Ruppert, schön dass du mal reinschaust und nett, dass du eine Freundin mitbringst. Willst du mal probieren? Ich habe das Rezept ..."
Ruppert unterbrach ihn, denn er wusste, dass er sich sonst zehn Minuten lang alle Feinheiten der Zubereitung der Hauptmahlzeit des Abends hätte anhören müssen.
"Jeremiah, ich bin dienstlich hier. Es ist sehr eilig und schrecklich wichtig."
"Das hier ist auch eilig und schrecklich wichtig, immerhin haben wir heute Abend Lord ..."
Ruppert packte Ogg am Handgelenk und sah ihn ernst an.
"Ausgesprochen wichtig! Wichtiger als Essen!"
"Wichtiger als Essen? Meine Güte, wenn DU das sagst!" Er schwieg und sah nun erwartungsvoll zu Ruppert.
"Du hast mir vor ein paar Wochen eine Flasche Knieweich geschenkt. Hast du noch davon? Von derselben Lieferung, nicht irgendwelchen Verschnitt? Reinen Knieweich von deiner Tante in Lancre?"
"Ja, ich habe hier noch eine oder zwei Flaschen stehen? Warum, ist deine schon leer?"
"Gib mir bitte was du hast. Es kann sein, dass du damit die Stadt rettest."
Ogg sah ihn erstaunt an, ging aber an einen verschlossenen Schrank und zog einen kleinen Schlüssel unter seinem Hemd hervor. Er öffnete den Schrank und holte zwei kleine Stahlflaschen heraus, die der glichen, die Ruppert in seinem Büro aufbewahrt hatte.
"Das ist alles was noch übrig ist. Wenn du sie so dringend brauchst, kannst du sie natürlich haben. Aber ich habe dann eine Geschichte bei dir gut."
"Wenn das so funktioniert wie ich mir das vorstelle, dann hast du noch viel mehr bei mir gut."
Ruppert nahm die beiden Flaschen und steckte sie in seinen Rucksack. Dann verabschiedete er sich schnell von Ogg und lief mit Laiza zusammen zurück zur Götterinsel.
Die Barrikade an der Neuen Brücke war genauso hoch und dick wie die an der Messingbrücke und auch hier hatte der Schleim fast die Dammkrone erreicht.
"Laiza, das ist der reinste Knieweich den es auf der Scheibenwelt gibt. Ich habe ihn für den Rekruten sehr stark verdünnt. Meinst du, wir sollten es auch erst mit Verdünntem versuchen?"
Der Lance-Korporal sah auf das grünlich schillernde Schleimmeer und zuckte die Achseln. "Es kann nichts schaden."
Sie drehte sich um und befahl einem der untenstehenden Rekruten einen Krug Wasser zu besorgen. Der Rekrut sah irritiert zu ihr auf. Aber ein Lance-Korporal neben ihm, Magane, ahnte, dass es wichtig sein musste und lief in ein Haus und kam kurz darauf mit einem Krug Wasser heraus. Sie kletterte die Barrikade empor und reichte Laiza den Krug. "Danke, Magane!", sagte sie und hielt nun ihrerseits Ruppert den Krug hin. Der ließ ein paar Tropfen des Knieweich hineinfallen und rühre das ganze mit dem Zeigefinger um. Dann sah er die beiden Kolleginnen an und hob langsam den Krug über den Rand der Sandsäcke auf denen sie standen. Langsam kippte er den Krug aus.
***
Die neue Spielzeit hat begonnen!
Demnächst in der Oper:
Die Stein-Grusel-Bilder-Schau[22]
Ein Stück wie eine Oper aber mit Musik-mit-Steinen-Drin!!!
Besuchigt die Oper! Und ihr werdet habigen ganz, ganz viel Spaß!!! ***Das angereicherte Wasser breitete sich in einer Lache auf dem Schleim aus. Ansonsten geschah ... nichts. Ruppert holte eine Flasche hervor und überlegte, ob er es mit dem reinen Knieweich versuchen sollte, als ihm Laiza in die Seite stieß.
"Schau dir das an, Ruppert!", sagte sie leise.
Dort wo der Schleim nass geworden war, war er nicht mehr grünlich sondern hatte sich schwarz verfärbt. Rauch - oder war es Dampf? - kräuselte hoch. Der schwarze Fleck breitete sich aus und sank schüsselförmig in den Schleim hinein. Nach einigen Minuten hatte sich eine 20 Meter durchmessende und mindestens drei Meter tiefe Mulde in den Schleim gebrannt, die sich allerdings nicht mehr ausdehnte und von der nachdrückendenden Masse schnell wieder aufgefüllt wurde.
Die drei Wächter auf der Krone sahen ehrfürchtig auf die Flasche, die Ruppert in der Hand hielt. Jetzt kippte er vorsichtig einen einzelnen Tropfen in die eklige Masse vor ihnen und die Reaktion war heftiger und schneller. Obwohl es viel weniger Knieweich war, war die Mulde mindestens doppelt so groß und der Boden der Götterinsel war zum Vorschein gekommen, bedeckt von einer hauchdünnen schwarzen Schicht.
"Und nun, wie gehen wir weiter vor?", fragte Ruppert an niemanden bestimmtes gewandt.
"Gehen wir zu Meck, soll er es entscheiden", antwortete Laiza und die beiden rannten zurück in das provisorische Hauptquartier.
Der Hauptmann hielt eine Flasche in der Hand und staunte: "Das ist also das Mittel, das den Schleim beseitigen kann? Wahnsinn!"
"Ja", bestätigte Ruppert, "aber wir haben nur so wenig davon. Und wer weiß wann wir neuen und so reinen Knieweich bekommen können."
Der Hauptmann zuckte mit den Schultern. "Lasst es uns einfach versuchen. Wir nehmen für jede Brücke zwei oder drei zuverlässige Leute und die bekommen ein Fläschchen mit Knieweich und ein paar Pipetten. Damit arbeiten wir uns vor. Wir nehmen zuerst nur eine Flasche. Immerhin haben wir noch das Problem in der Hinterbackenstraße."
Er kam mit nach draußen und beorderte ein Dutzend der anwesenden Wächter zum Knieweichspritzen ab.
Über die Probleme des Schleimbeträufelns soll hier nicht weiter berichtet werden. Wenn man sich aber vorstellt, dass der Schleim mindestens drei Meter hoch auf der Götterinsel stand, bedurfte es viel Geschicks und etlicher Stehleitern um die Knieweichtropfen auf den frischen Schleim zu bringen.
Aber die phantastischen Spezialisten der Wache schafften es und standen knappe zwei Stunden später vor dem Quell allen Schleims, dem Wachhaus. Noch immer quollen aus Hinter- und Vordereingang die Schleimmassen heraus und auch aus vielen Fenstern kam die Masse herabgetropft.
"Wir müssen das Haus desinfizieren,", sagte Ruppert, "Einer von uns muss da rein."
Die anderen Wächter erstarrten.
"Wie viel Knieweich haben wir noch?".
Alles in allem war es noch ein Schnapsglas voll.
"Warte, Ruppert, das macht doch keinen Sinn", wandte Laiza ein. "Wer auch immer da reingeht - er muss von Oben kommen."
Der Werwolf zögerte und stimmte dann Laiza zu. "Also ein Wasserspeier oder besser noch ein Vampir ... Wo steckt eigentlich der Kommandeur?"
***Ja, wo war eigentlich der Kommandeur in der ganzen Angelegenheit geblieben? Hielt er als Kapitän eines sinkenden Schiffes tapfer die Wacht auf seinem Balken? Oder hatte er das sinkende Schiff heimlich, still und leise verlassen?
Nun, die Antwort war natürlich klar. Rascaal Ohnedurst hatte die ganze Zeit über im Wachhaus verbracht und war in seinen privaten Bereich im Dachboden geflüchtet, als der Schleim auch sein Zimmer infiziert hatte. Zwar wusste er nicht ob es sich wirklich als sinnvoll erweisen würde hier auszuharren, andererseits sollte ihm niemand nachsagen, dass er sich von diesem ... diesem Zeugs in die Flucht hatte schlagen lassen.
Nach und nach waren die Stimmen und der Lärm auf dem Platz leiser geworden.
Wenn Ohnedurst nach unten sah, sah er einen giftgrünen Teppich über die ganze Götterinsel verteilt - zumindest soweit er sehen konnte.
'Eigentlich ein hübscher Anblick', dachte der Kommandeur,
'So friedlich und still'.
Aber eben auch langweilig.
Nach einer Weile hörte er erstmals seit Stunden wieder leise Stimmen und lief zum Fenster. Dort sah er zu seiner Verblüffung, wie sich schwarze Flecken in das Grün fraßen und allmählich immer näher kamen. Einige Zeit später standen gut ein Dutzend Wächter vor dem Wachhaus und redeten miteinander. Ohnedurst wurde neugierig und sprang aus dem Fenster (natürlich nicht ohne sich zuvor in eine Fledermaus zu verwandeln).
***"Wo steckt eigentlich der Kommandeur?", hörte er eine Männerstimme fragen, als er mitten unter den Wächtern landete und sich zurück verwandelte.
"Guten, äh, Tag!", sagte er und sah sich neugierig um. "Ich habt nach mir verlangt - und da bin ich."
Es sprach sehr für die Erfahrenheit der Wächter, die Hauptmann MeckDwarf ausgewählt hatte, dass sie nicht zusammenzuckten, sondern wortlos Haltung annahmen. Oder etwas taten was dem Begriff
Haltung annehmen in der Wache nahe kam.
"Wer trägt hier die Verantwortung?", wollte Ohnedurst wissen und wandte sich an seine Untergebenen.
Laiza und Ruppert sahen sich an, dann sagte Ruppert auf ihr Kopfnicken hin: "Ich, Sör!"
"Ach ja, von Himmelblau, nicht wahr?"
"Fast, Sör, Himmelfleck."
"Ja, genau."
"Das ganze hübsche Grün ist weg", sagte Ohnedurst.
"Ja, Sör. Und damit es nicht wiederkommt, müsste auch der Schleim aus dem Wachhaus verschwinden", erwiderte Ruppert.
"Und dazu müsste jemand von oben nach unten vordringen, Sir!", mischte sich Laiza ein.
"Mit anderen Worten, jemand der fliegen kann, meinst du?" Ohnedurst grinste sie funkelnd an.
"Der fliegen kann, genau, Sir!"
"Also gut, was soll ich machen?"
"Nun, Sir, du nimmst einfach den Knieweich - das ist die Flüssigkeit hier in dem Gläschen - und tropfst ihn auf den Schleim. Immer nur einen Tropfen und wenn das Zeug verschwunden ist wieder einen Tropfen auf den Rest des Schleims."
"Jaja, schon gut, alles klar. Aber wie kriege ich das Glas nach oben?"
"Hmm, kannst du nach oben fliegen und eine Schnur nach unten lassen, Sör? Dann schütte ich den Knieweich in die Stahlflasche zurück und du ziehst sie nach oben."
"Ja, das geht", sagte der Kommandant und machte die Fledermaus.
Nach kurzer Zeit wurde ein Gegenstand aus dem Dachbodenfenster geworfen, an dem eine Schnur befestigt war. Ruppert schnappte sich die Schnur (an der eine Rote-Beete-Knolle hing) und band die Flasche und eine Pipette gut daran fest.
"Kann losgehen!", brüllte er und die Schnur wurde nach oben gezogen.
***Rascaal öffnete die Flasche und schnupperte vorsichtig daran. Er schüttelte sich und dachte
'Nichts gegen das Aroma von Roter Beete.'Dann ging er zu der Wendeltreppe die in sein Büro hinunter führte. Er ließ vorsichtig einen Tropfen nach unten fallen und beobachtete vergnügt, wie sich die grüne Masse in Nichts auflöste. Vorsichtig stieg er die Treppe herunter und öffnete die Tür zum Gang. Der Knieweich hatte sogar unter den Türspalt hindurch gewirkt und einen großen Teil des Stockwerkes gesäubert. Nur aus dem Okkultismusbüro sickerte noch Schleim und Ohnedurst ließ einen Tropfen vor die Tür fallen. Dann wartete er ein paar Minuten und öffnete die Tür. Keine Spur von Schleim war zu sehen, nur der alles bedeckende schwarze Staub lag überall im Zimmer, auf Möbeln und Akten, auf Büchern und sogar auf der Fleischfressenden Pflanze auf Laizas Schreibtisch. Diese zuckte leicht und hatte offenbar das stundenlange Schleimbad gut überstanden.
Nach der Säuberung des zweiten Stockes säuberte der Kommandant auch die unteren Etagen bis in den Keller.
Zu seinem großen Erstaunen fand er nicht nur Feldwebel M'Laut auf dem Boden sitzen, der ihn böse anfunkelte, sondern auch hinter den Zellentüren ein Rumoren und Schimpfen.
Bei allem was der Schleim angerichtet hatte, offenbar hatte er die Eingeschlossenen am Leben gelassen.
***Feldwebel M'Laut schwebte inmitten einer grünlichen, weichen und wunderbar stillen Wolke. Seine Rubinaugen verwandelten das Grün in ein ... zugegebenermaßen schmutzig aussehendes ... Braun, aber dennoch genoss die Gnumie das Gefühl des Schwebens. Mit einemmal drang ein leichtes Brausen an seine Ohren und es wurde kurz schwarz um ihn. Da er dummerweise auf seiner Kurve des Auf und Ab im Zenit geschwebt hatte, bedeutete das plötzliche Ab das dem Schwarz folgte einen Sturz aus drei Metern Höhe und Rib saß verwundert und verärgert auf dem Boden.
*** Viele kleine Enden1Als Rascaal Ohnedurst das Wachhaus durch den Haupteingang verließ wurde er von rund 50 Wächtern bejubelt, die sich inzwischen vor ihrem Hauptquartier versammelt hatten.
Geschmeichelt verbeugte er sich leicht auf er obersten Stufe. Die schwarz gekleidete Gestalt erinnerte Ruppert an den tragischen Held eines Theaterstückes, das er vor Monaten auf der Scheibe gesehen hatte.
"Gimlet, Prinz vom Kupferkopf" hatte es geheißen.
2Das Haus in der Hinterbackenstraße war ebenfalls schnell entschleimt. Es verwunderte niemanden, dass die Leiche von Hetero Gastropoda verschwunden war, ebenso die Leiche des Herrn Arion. Der kleine Krug, der den Urschleim abgesondert hatte machte nie wieder Anstalten so etwas zu tun und fand in der Asservatenkammer der Wache einen Ehrenplatz, von dem er nach und nach von anderen Gegenständen verdrängt wurde. Nur noch ein verblichenes Papierschildchen mit dem Hinweis auf eine recht umfangreiche Akte erinnern heute noch an diesen Fall.
3Das Wesen des letzten Wortes, der multiversische Patrizier sozusagen, sah sich die Lobbyisten an. Einer stand mit gesenktem Kopf da und begriff allmählich, dass er gescheitert war. Der kleine, wuselige Vertreter der Scheibenwelt(-en) hingegen freute sich. Endlich war einmal eine feindliche Übernahme gescheitert. Schleimige Welten gab es schon genug im Multiversum. Das sah auch der multiversiche Patrizier so, denn er konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. Er sagte voller Ernst und ohne erkennbare Emotionen:" So, so!"
4Ruppert von Himmelfleck war auf dem Weg nach Hause, denn er war hundemüde. Es hatten so viele Wächter zur Lösung des Falles beigetragen, dass niemand bemerkte, dass er sich davon schlich. In seiner kleinen Wohnung in der Teekuchenstraße 5 ließ er sich ein Bad ein und suchte sich ein gutes Buch zum Lesen aus - ein Kochbuch. Als er beim Lesen auf ein Rezept 'Weinbergschnecken ihn Rahmsauce' stieß, warf er das Buch angewidert an die Wand, verließ fluchend die Badewanne und ging hinauf in sein Schlafzimmer. Dort machte er sich am Kleiderschrank zu schaffen ...
[23]Nachwort
Das war die Geschichte!
Und wer war die Hauptfigur?
Ich? Nein!
Kathi, Tussi, MeckDwarf? Nö, auch nicht.
Auch nicht die vielen anderen Wächterinnen und Wächter die sich mehr oder weniger ausführlich mit der Sache beschäftigen mussten.
Hauptfigur, die Person um die sich alles drehte ist der unbekannte Rekrut. Er steht stellvertretend für alle die bangen Herzens den Dienst in der Wache antreten und niemals den Rang des Gefreiten erreichen werden. Rekruten, die den Ausbildern nicht genug auf der Nase herumtanzen, Rekruten, die dem harten Wachealltag nicht gewachsen sind und die nach kurzer Zeit wieder auf die Kohlfelder ihrer Ahnen oder die Minen ihrer Vorfahren oder die Schlösser ihrer untoten Altvorderen zurückkehren.
[24]Von den Rekruten die namentlich erwähnt sind haben einige sich bereits wieder entschlossen die Stadtwache zu verlassen während ich die Geschichte aufgeschrieben habe.
Und damit ist die Geschichte auch eine Hommage an die Wächter die dabei geblieben sind! Schön, dass sie da sind!
Das gilt sogar für Rib M'Laut.
Ob sich die Geschichte so oder so ähnlich zugetragen hat?
Doch, es ist eine wahre Geschichte. Sie ist so geschehen und ich habe nichts hinzu erfunden außer den Passagen, die niemals geschehen sind.
Welche das sind?
Na, das werde ich euch auf die Nase binden!
Ach, ihr glaubt die ganze Geschichte sei niemals geschehen? Ich habe sie frei erfunden?
Nein, im Multiversum sind alle Geschichten wahr. Selbst wenn ich sie nur erfunden hätte ... sie wäre irgendwo geschehen.
Auf einer scheibenförmigen Welt, die sich auf dem Rücken von vier Elefanten dreht, die auf dem Rücken einer Schildkröte namens Groß A'Tuin stehen.
Ruppert von Himmelfleck, Meine Jahre in der Stadtwache von Ankh-Morpork
[1] Tatsächlich
ist die Bibliothek der UU größer als das Multiversum, was mit diversen n-dimensionalen und q-temporären Verhältnissen dort zu tun hat, aber wir wollen uns doch nicht verwirren lassen von der Tatsache, dass in die Bibliothek nicht einmal ein kleiner Bruchteil der Einwohnerschaft von Ankh-Morpork hineinpassen würde.
[2] Eigentlich müsste es heißen schwa
ppte. Aber Angesichts der Konsistenz des Schleims habe ich mich für ein Dobbel-B entschieden.
[3] Das klingt nicht nur nach Rib, das ist ein Original-Rib!
[4] Eine unangenehme Erinnerung aus einem gemeinsamen Einsatz ausserhalb der Stadt, der hier noch nicht veröffentlicht wurde.
[5] s. Live "Schleim, schlimmer Schleim"
[6] Live: Sexual Healing
[7] Was natürlich nur auf eine verbale Art zu verstehen ist.
[7a] Grammatikalisch korrekt wäre: 'dem Rekruten schauderte'
[9] Zugegeben, ein recht eckiger und unförmiger Wal.
[10] Natürlich versuchte er auf dem Weg dorthin der gaffenden Menge Würstchen zu verkaufen!
[11] Der folgende Dialog ist nur zu würdigen, wenn die Live "Sexual Healing" bekannt ist. Insbesondere die Stellen mit Herrn Maier.
[12] Originalzitat Mohrtischa, vielen Dank, vielleicht versteht jemand anderes was sie damit ausdrücken will.
[13] bearbeiteter Auszug aus Schlimm, schlimmer Schleim
[14] Er meinte "kindisch wie immer", aber er war klug genug das nicht auszusprechen.
[15] s. Multi
Gaby, 22, ledig, blutend, sucht...[16] Steht so in der Wikipedia
[17] s. Archiveintrag
[18] Pinkelpause beendet?
[19] Zumal er sein halbes Gewicht schlecht nicht einsetzen konnte.
[20] Es sind seltsamerweise fast immer nur Männer in solchen Geheimbünden
[21] Gegen diese Formulierung hat Rib Protest eingelegt. Warum nur?
[22] Mehr dazu in der Single "Ein Abend in der Oper", die auch irgendwann einmal fertig sein wird.
[23] Das wiederum ist eine andere Geschichte und soll ein anderes mal erzählt werden.
[24] Letztgenannte haben ein Erbschaftsproblem
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