Servus, Sklave! (1)

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von Feldwebel Sillybos (SUSI)
Online seit 13. 07. 2006
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Ein Kriminalstück von der bizarren Scheibenwelt.

Dafür vergebene Note: 14


Sorgfältig aus dem Latatianischen übersetzt von Horst Brand.



Es spielen bis zur Pause (in der Reihenfolge der Auftritte):
drei Revisoren, Magius alias Herr Magus (Zauberer), Papillo alias Herr Schmetterling (Zoologe), Pickit alias Herr Schnapp (Dieb), Llyfer alias Herr Buch (Bücherexperte), Tractatus alias Herr Neusprech (Linguist), die 'Referentin' (fiese Kriminelle), ein Erzähler, Hegelkant (Sklave), Fw Sillybos (Spurensicherer), Fw Kanndra (Späherin), ein Gläubiger (der Göttin Latatiana), zwei Wächter, HG Charlie Holm (Spurensicherer), Hptm Humph MeckDwarf (Abteilungsleiter SUSI), Frau Olpenknoot (eine Frau mit schwierigem Namen), Hohepriester (der Göttin Latatiana), Dux (Rechte Hand des Hohepriesters), ein Igor, LK Rea Dubiata (Gerichtsmedizinerin), Hptm Daemon (Abteilungsleiter RUM), Herr Schepter (Buchhändler), Dekan (Dekan), Dozent (für neue Runen), Professor (für unbestimmte Studien), Erzkanzler (der Unsichtbaren Universität), G Avalania von Gilgory (Gerichtsmedizinerin), G Olga-Maria Inös (Tatortwächterin), HG Goldie Kleinaxt (Dobermann), Lord Vetinari (Patrizier von Ankh-Morpork), Drumknott (Vetinaris Sekretär), Boggis (Oberhaupt der Diebesgilde), Sekretär (der Diebesgilde), Wärter (der Unsichtbaren Universität), Bibliothekar (ein Orang-Utan), Waffenhändler, Ponder Stibbons (Zauberer), Pförtner (der Linguistengilde)



Vorspiel

Vorbühne.
Drei Revisoren treten auf.

ERSTER REVISOR: Sprache verursacht Missverständnisse.
ZWEITER REVISOR: Missverständnisse führen zu Unregelmäßigkeiten und Unordnung.
DRITTER REVISOR: Deshalb müssen Missverständnisse vermieden werden.
ERSTER REVISOR: Aus diesem Grund brauchen wir eine neue Sprache. Eine Sprache, die unseren Ansprüchen genügt.
ZWEITER REVISOR: So soll es geschehen.
Alle ab.

Prolog

Ein Seminarraum mit einem Tisch und sechs Stühlen und einem Flip-Chart.
Auftritt Magius.
MAGIUS: (setzt sich.)
MAGIUS: (trommelt mit den Fingern auf den Tisch.)
MAGIUS: (sieht sich im Raum um.)
MAGIUS: (wartet.)
(Auftritt Papillo.)
MAGIUS: Guten Tag, ich bin Herr Magus.
PAPILLO: (klatscht ihn ab.) Hey kuhl, Mann. Nenn mich Mister Schmetterling. (setzt sich ebenfalls.)
MAGIUS: (räuspert sich.) Angenehm.
Sie warten. Auftritt Pickit.
PICKIT: Hallo allerseits. Herr Schnapp ist mein Name. Bin ich ja doch nicht der erste. Na macht nichts. Wie geht's euch? Bin mal gespannt wie das wird. Na, ob die Referentin pünktlich sein wird? Na wir werden sehen.
PAPILLO: Immer kuhl bleiben, Mann.
Pickit setzt sich. Auftritt Llyfer.
LLYFER: Guten Tag.
PAPILLO: Hast du auch 'nen Namen, Mann?
LLYFER: Achso, ja. Ich bin Herr Buch.
PICKIT: Wie unkreativ. Also ich hab mir ja gedacht, ich muss irgendwie originell heißen, was Ausgefallenes oder so...
Auftritt Tractatus.
TRACTATUS: (nickt den Anwesenden zu und setzt sich.)
PAPILLO: Und wie heißt du, mein Freund?
TRACTATUS: (schweigt.)
Auftritt Referentin mit einem Ordner.
REFERENTIN: Meine Herren, es freut mich, dass Sie alle pünktlich erschienen sind. Wir haben viel zu tun.
(Sie legt den Ordner auf den Tisch und verteilt ein Blatt Papier für jeden Anwesenden. Dann klappt die das Flip-Chart um. Es zeigt ein Tortendiagramm.)
REFERENTIN: Das hier ist unsere Agenda. Dieses Tortendiagramm zeigt die Verteilung der Bücher auf einzelne Standorte. Das ergaben die Recherchen von Herrn Magus und Herrn Buch. Ist das korrekt?
Herr Magus und Herr Buch nicken still.
REFERNTIN: Nach den Berechnungen von Herrn Neusprech brauchen wir einen Anteil von ungefähr sieben Achtel. Die beiden Hauptstandorte sind die Bibliothek der Universität und Archive des Palastes. Die werden wir auf jeden Fall angehen müssen. Fehlt ein weiteres Achtel. Zur Auswahl stehen die Privatleute oder Stadtwache/AM-Times. Trotz des höheren logistischen Aufwandes werden wir die Privatleute wählen. Das erweckt weniger Aufmerksamkeit, und wir sollten uns bemühen, der Stadtwache aus dem Weg zu gehen. Die beiden großen Standorte erledigen wir dann zum Schluss.
TRACTATUS: Wird die Stadtwache nicht auch über die Privatleute auf uns aufmerksam werden?
REFERENTIN: Nein, aus einem sehr einfachen Grund. Herr Neusprech?
TRACTATUS: Unseren Messungen zufolge gibt es so gut wie keine Veränderung oder Verschiebung bei der latatianischen Sprache. Das bedeutet, dass niemand die latatianischen Bücher liest. In den meisten Fällen handelt es sich um Erbstücke oder Ähnliches.
REFERENTIN: Ein weiterer Vorteil ist, dass uns sämtliche latatianischen Bücher bekannt sind. Dank der Daten von Herrn Neusprech wissen wir insbesondere, wie die Bücher aussehen, also Größe, Format und Einband. Da die Bücher nun nicht gelesen werden, wird unser Vorhaben nicht auffallen.
PICKIT: Keine Sorge, wir werden das Kind schon schaukeln.
REFERENTIN: Und nur keine Eile, meine Herren. Wir haben einen sehr großzügigen Zeitplan. Kommen wir nun zu den einzelnen Aufgaben. Sie, Herr Magus und Herr Schnapp, haben keine leichte Aufgabe. Mit dem von Ihnen, Herr Magus, erfundenen 'Gerätle' werden Sie die einzelnen Bücher der Privatmenschen ausmachen und gegen unsere äußerlich identischen Bücher austauschen. Sie dürfen sich Zeit lassen. Wenn Sie ein Buch nicht finden, starten Sie ruhig einen zweiten und dritten Versuch ein paar Wochen später. Geben Sie die erbeuteten Bücher an Herrn Buch weiter. Arbeiten Sie gewissenhaft und präzise. Vermeiden Sie jegliche Aktionen, die die Aufmerksamkeit der Stadtwache auf uns lenken könnten. Die anderen werden ihre Aufgaben in den nächsten Wochen erhalten. Die Bezahlung beträgt für jeden fünftausend Dollar im Voraus und weitere fünftausend Dollar beim erfolgreichen Abschluss des Projekts. Irgendwelche Fragen? Ich werde Sie kontaktieren, meine Herren.
Alle gehen ab. Der Vorhang schließt sich.
Auftritt Erzähler.

ERZÄHLER: Habt ihr euch nicht auch schon mal gefragt, warum ihr Latein lernen müsst? Eine Sprache, die niemand mehr spricht und die eigentlich schon tot ist? Hm. (hält inne.) Denkt an eure Mütter. Ohne sie gäbe es euch nicht, sie sind euer Ursprung, sie haben euch erzogen und euch geprägt. Und doch seid ihr ihnen irgendwann entwachsen, steht auf eigenen Füßen... aber wann? Wann kann man sagen, dass man wirklich von den Eltern unabhängig ist? Und wenn man dann die Eltern verliert, allein ist, ohne Rückhalt, kommt man dann zurecht? (hält inne.) Unsere Sprache hat auch eine Mutter. Latein. Kann man wirklich sagen, dass unsere Sprache ohne Latein auskommt? Wie können wir das sagen? Und was passiert, wenn es die Muttersprache Latein mal nicht mehr gibt? (hält inne.) Diese Geschichte spielt in der Stadt Ankh-Morpork auf der Scheibenwelt. Auch dort gibt es Muttersprache und Tochtersprache, Latatianisch und Morporkianisch. Springen wir also von der gerade zu Ende gegangenen Besprechung ein paar Monate in die Zukunft und schauen, wie es sich dort mit den Sprachen verhält.
Erzähler geht ab. Der Vorhang öffnet sich.

AKT I


Szene 1

Dunkle Bühne. Auftritt Magius mit einer schweren Tasche und einem kleinen Kasten, der leicht flimmert.
MAGIUS: (flüstert.) Diese Tür muss es sein.
Auftritt Pickit. Beide schleichen über die Bühne und gehen wieder ab. Man hört tiefes gongendes Geräusch.
PICKIT: (off) Au. Ich hab mich gestoßen.
MAGIUS: (off) Pass auf, nicht dass wir die Leute noch wecken.
PICKIT: (off) Eine Wanne. Ich hab mich an einer Wanne gestoßen. Wir sind im Badezimmer gelandet.
MAGIUS: (off) Nein, wir sind hier richtig. Hier sind die Bücher. Hilf mir mal.
PICKIT: (off) Wer stellt sich verdammt noch mal eine Wanne in die Bibliothek?
MAGIUS: (off) Ist doch egal. Noch zwei von denen und das Buch da noch.
PICKIT: (off) Dürfte ein neuer Rekord sein.
MAGIUS: (off) Merkwürdig, ein Buch fehlt. Aber hier ist nichts mehr. So, jetzt komm.
Sie schleichen wieder über die Bühne.
MAGIUS: Mein Gerätle zeigt immer noch eine starke Strahlung an, die aus dem Zimmer dahinten kommt.
PICKIT: Pssst, ich hab da was gehört.
Das Licht geht an. Vor ihnen steht Hegelkant mit einer Bratpfanne.
HEGELKANT: Entschuldigung. (schlägt Pickit nieder.)
Magius flüchtet. Auftritt Sillybos im Nachthemd.
SILLYBOS: Du brauchst dich nicht bei ihm zu entschuldigen, Hegelkant. (schaut zu Pickit.) Der geht erstmal nirgendwo mehr hin. Wo ist der andere?
HEGELKANT: Der scheint geflohen zu sein, Herr. Zu schade.
SILLYBOS: Naja, einen haben wir zumindest erwischt. Wir bringen ihn am besten gleich zur Wache.

Szene 2

Wachetresen. An der Wand hängt eine Tafel mit zwei Spalten, links mit Uhrzeiten, rechts unter der Überschrift "Und alles ist gut" entsprechende Häkchen. Feldwebel Kanndra döst am Schreibtisch.
SILLYBOS: (off) Pass auf, Hegelkant... Nicht dass du ihn noch verletzt... So, da wären wir.
HEGELKANT: (off) Haltet Ihr mir die Tür auf, Herr? ...Er ist schwer...
SILLYBOS: (off) nun renn' doch nicht so... ein alter Mann ist keine Postkutsche...
Auftritt Sillybos.
SILLYBOS: Hallo Kanndra. Entschuldige die Störung...
KANNDRA: Hallo Silly. Hübsches Nachthemd.
SILLYBOS: Reden wir nicht davon. Wir hatten einen Einbruch heute Nacht. Hegelkant, kommst du?
Auftritt Hegelkant. Er trägt den gefesselten und geknebelten Pickit auf der Schulter.
KANNDRA: Wer ist das?
SILLYBOS: Der Einbrecher.
KANNDRA: Ach.
Hegelkant setzt Pickit ab. Kanndra löst den Knebel.
PICKIT: (aggressiv) Hat diese Posse jetzt vielleicht ein Ende? Diese Sache wird ein Nachspiel haben, das verspreche ich euch!
KANNDRA: Soll das bedeuten...?
PICKIT: Ich habe eine Lizenz, jawohl! Der Einbruch war rechtens!
KANNDRA: (zu Sillybos) Er hat eine Lizenz?
SILLYBOS: Das hat er mir nicht gesagt.
PICKIT: Ich wurde mit einer Bratpfanne bewusstlos geschlagen!
SILLYBOS: Normalerweise hat ein lizenzierter Dieb es auch nicht nötig, nachts durch abgesperrte Häuser zu schleichen. Hättest du tagsüber höflich an die Tür geklopft, hätten wir das wie zivilisierte Menschen regeln können.
PICKIT: Meine Lizenz ist in meiner Brusttasche.
Kanndra nimmt die Lizenz aus seiner Brusttasche.
KANNDRA: Die ist echt. Pickit ist sein Name. Kein Zweifel.
Sie beginnt, Pickit loszubinden.
SILLYBOS: Und was ist mit der Quittung? Ich habe keine Quittung.
PICKIT: Ich wollte ja auch gar nichts stehlen.
SILLYBOS: Nicht?
PICKIT: Ich bin Einbruchprüfer und nehme die Einbruchprüfung bei unseren Rekruten unter realen Bedingungen ab.
SILLYBOS: Und was ist mit dem anderen Kerl? Der, der geflohen ist.
PICKIT: Das ist mein Prüfling gewesen.
SILLYBOS: Aber ihr kamt aus der Bibliothek.
PICKIT: Wir wollten wie üblich ins Wohnzimmer einbrechen, gingen aber wieder hinaus, weil wir dachten, es wäre das Badezimmer, weil ich gegen eine Wanne gestoßen bin.
HEGELKANT: Ja, das kenn' ich. Ich finde auch, dass die Wanne ziemlich im Weg ...
SILLYBOS: (unterbricht.) Das tut im Moment nichts zur Sache, Hegelkant.
PICKIT: Kann ich jetzt gehen?
SILLYBOS: Ich bin dennoch ziemlich verärgert über diese Sache.
KANNDRA: Das mag sein, Silly, aber ich wüsste trotzdem keinen Grund, ihn weiter festzuhalten.
PICKIT: Na wunderbar. (greift sich seine Lizenz und geht ab.)
KANNDRA: Also nur eine kleine Aufregung zwischendurch, aber nichts passiert.
SILLYBOS: Willst du keine Meldung machen?
KANNDRA: Valdi und Rogi ist das gleiche hier auch schon mal passiert, haben sie mir erzählt, ist gar nicht lange her. Ist doch alles rechtens. Wenn dir das nicht passt, musst du dich an den Patrizier wenden.
SILLYBOS: Aber aus welchem Grund sollten sie eine solche Prüfung ausgerechnet bei mir abhalten?
KANNDRA: Tja, Silly, das kann ich dir auch nicht verraten.

Szene 3

Messingbrücke. Magius wartet. Auftritt Pickit.
MAGIUS: Na endlich!
PICKIT: Ich kann nichts dafür. Dieser verdammte Klatschianer hat mir eins mit der Pfanne übergebraten.
MAGIUS: Hast du was verraten?
PICKIT: Natürlich nicht. Ich hab die übliche Ausbilder-Masche durchgezogen.
MAGIUS: ... die sich aber auch bald abnutzt.
PICKIT: Es ist ja nur noch diese Woche. In vier Tagen müssten wir mit den Diebstählen durch sein.
MAGIUS: Ganz wohl kam ich mir hier nicht vor, ist keine sichere Gegend um diese Uhrzeit. Los, lass uns weitermachen. Eine Adresse schaffen wir noch.
Er hebt sein Gerätle neben sich auf. Auftritt Fanatiker mit einem Schwert.
FANATIKER: Ecce!
PICKIT: Was ist denn das für ein komischer Schlachtruf?
FANATIKER: Endlich hab' ich euch, ihr Ungläubigen! Wir Jünger der heiligen Latatiana werden eure Pläne zu durchkreuzen wissen!
MAGIUS: (schaut sich um.) Wir?
FANATIKER: Ha! Glaubt ihr nicht, dass ich es auch alleine mit euch aufnehmen kann?
PICKIT: Pass lieber mit dem Schwert auf.
FANATIKER: (fuchtelt mit dem Schwert herum.) So, ihr werdet mir jetzt euren Apparat dort geben.
MAGIUS: Tut mir Leid, das ist nicht möglich.
PICKIT: Außerdem wäre das unlizenzierter Diebstahl. Und nimm steck' das Schwert weg, bevor noch jemand zu Schaden kommt...
FANATIKER: Ich werde nicht zulassen, dass ihr weiter Unheil anrichtet! AAAH! (Er stürmt auf die beiden zu, gerät ins Stolpern und stürzt über das Geländer.)
PICKIT: (schaut auf den Ankh hinunter.) Armer Trottel.
MAGIUS: Psst, hörst du das?
WÄCHTER 1: (off) Vier Uhr uns alles ist gut!
WÄCHTER 2: (off) Pssst! Nicht so laut, man könnte uns hören.
MAGIUS: Die Stadtwache, verdammter Mist!
PICKIT: Es war eindeutig ein Unfall.
MAGIUS: Ja, aber bis wir das erklärt haben, ist es schon längst zu spät. Du weißt, wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen.
PICKIT: Du hast Recht. Lass uns abhauen.
MAGIUS: Mist, da hinten kommt schon die Streife.
PICKIT: Vielleicht sollten wir einfach so tun als wäre nichts geschehen?
MAGIUS: Da unten liegt eine Leiche. Idiot!
PICKIT: Aber es war doch ein Unfall!
MAGIUS: Dann schreib einen Zettel, dass es ein Unfall war und sie sich um nichts kümmern müssen und dann lass uns schnell abhauen.
PICKIT: Die Idee ist so blöd, das könnte sogar klappen. (kramt in seinen Taschen.) Wo hab ich bloß einen Zettel...?
MAGIUS: Mach schnell, die Streife kommt näher!
PICKIT: Ah hier...(fängt an zu schreiben) liebe Stadtwächter...
MAGIUS: Schneller, verdammt!
PICKIT: Wie schreibt man 'unglücklicherweise'?
MAGIUS: Egal, nur schreib!
Pickit schreibt. Magius gestikuliert wild.
PICKIT: So, fertig. (Er wirft den Zettel über das Geländer.)
MAGIUS: Gut, und jetzt schnell weg hier!
Beide laufen ab.

Szene 4

Am nächsten Morgen. Wachhaus, Büro von Charlie Holm und Sillybos.
SILLYBOS: Es gehört sich einfach nicht. Ich meine, Einbruchprüfung gut und schön, aber mitten in der Nacht, und das, wenn man am nächsten Tag früh aufstehen muss.
CHARLIE: Die Gilde scheint ihr Ausbildungsprogramm umgestellt zu haben. Merkwürdig.
SILLYBOS: Es ist einfach ein großes Ärgernis, weiter nichts.
CHARLIE: Und die Behauptung, dass nichts gestohlen wurde, stimmt?
SILLYBOS: Ja. Zumindest ist mir nichts aufgefallen. Und die Zeit, die sie in der Bibliothek waren, hätte auch gar nicht ausgereicht, das Schloss vom Schrank zu knacken, wo ich meine Wertgegenstände habe.
CHARLIE: Hmm.
Auftritt Humph MeckDwarf. Die beiden beachten ihn nicht.
SILLYBOS: Ich weiß, was du jetzt denkst. Aber es gibt keinen Grund, weiter darüber nachzugrübeln. Es ist nichts gestohlen worden und sein Aufenthalt in meinem Fass war zwar offiziell legal, aber...
CHARLIE: (horcht auf.) Ja?
SILLYBOS: Aber es gehört sich einfach nicht.
HUMPH: Ähem.
CHARLIE UND SILLYBOS: Sir?
HUMPH: Ich muss wohl noch ein bisschen an meiner Ausstrahlung arbeiten, wenn mein Betreten des Raumes nicht einmal bemerkt wird.
SILLYBOS: Anschleichen ist eine äußerst wichtige Fähigkeit, die nur die fähigsten Wächter beherrschen. Ich könnte das niemals. Du, Charlie?
Charlie Holm versteht den Sinn der Frage nicht und schaut Sillybos irritiert an.
SILLYBOS: Es ist gewissermaßen eine Auszeichnung für jeden Wächter, beim Betreten des Raumes nicht bemerkt zu werden. Nur wer durch die harte FROG-Schule gegangen ist -
HUMPH: (laut) Schluss jetzt! Veralbern kann ich mich selbst. (wirft zwei Akten auf Sillybos' Schreibtisch) Da, habt ihr was zu tun. Eins von heute Nacht, das andere kam heute Morgen rein. Ich erwarte heute Abend den Bericht.
Humph ab.
SILLYBOS: Nicht die beste Laune heute. (Er nimmt die erste Akte in die Hand.)
CHARLIE: Vielleicht ist er mit dem falschen Fuß aufgestanden?
SILLYBOS: Ein "Einbruch" in der Teekuchenstraße. Wobei "Einbruch" in Anführungszeichen steht. Was bedeutet das?
CHARLIE: Finden wir es raus.
Beide gehen ab.

Szene 5

Ein sehr aufgeräumtes und ordentliches Wohnzimmer in der Teekuchenstraße 7. Eine Glocke läutet. Auftritt Frau Olpenknoot.
FRAU OLPENKNOOT: Ich komme!
Sie öffnet die Tür. Auftritt Sillybos und Charlie Holm.
SILLYBOS: Ankh-Morpork Stadtwache, guten Tag. Sind Sie Frau Oltengoot?
FRAU OLPENKNOOT: Olpenknoot, ja.
Charlie Holm beginnt, das Zimmer unauffällig zu inspizieren.
SILLYBOS: Sie hatten einen Einbruch gemeldet.
FRAU OLPENKNOOT: Das ist richtig, ja. Heute Nacht war jemand hier.
SILLYBOS: Was genau ist vorgefallen?
FRAU OLPENKNOOT: Ich schlief bereits, als ich plötzlich im Flur und Wohnzimmer unten Schritte hörte. Und dann waren da auch noch Stimmen.
SILLYBOS: (prüft die Lautstärke des Fußbodens) Wie viele Stimmen waren das?
FRAU OLPENKNOOT: Zwei würde ich sagen. Es schien eine Art Streitgespräch zu sein.
SILLYBOS: Konnten Sie verstehen, was sie sagen?
FRAU OLPENKNOOT: Leider nein. Ich habe mich auch nicht getraut, aus meinem Schlafzimmer zu gehen. Nachher waren die noch bewaffnet...
SILLYBOS: Sie haben richtig gehandelt. (Er schaut sich im Wohnzimmer um. Nach einer Weile klatscht er in die Hände.) Was haben die Einbrecher denn nun eigentlich gestohlen?
FRAU OLPENKNOOT: Gestohlen? Nichts.
SILLYBOS: Nichts?
FRAU OLPENKNOOT: Ich habe alles überprüft. Mein Schmuck, Geld, Tafelsilber und andere Wertsachen ... alles ist noch da.
SILLYBOS: Frau Olkenschrot, Wissen Sie, wie die Einbrecher in das Haus gelangt sind?
FRAU OLKENSCHROT: Durch die Tür, möchte ich annehmen, Herr Wächter. (gereizt.) Und mein Name ist Olpenknoot.
CHARLIE: Ich seh mal nach. (geht ab.)
SILLYBOS: Frau Eulenkot...
FRAU OLPENKNOOT: Olpenknoot!
SILLYBOS: Frau Olpenknoot, fällt Ihnen irgendein Grund ein, warum die Einbrecher hier eingebrochen sind und dann, ohne was zu stehlen, wieder verschwunden sind?
FRAU OLPENKNOOT: Nein, beim besten Willen nicht. Vielleicht haben sie sich in der Adresse geirrt.
Auftritt Charlie Holm.
CHARLIE: Leichte Schleifspuren an der Rahmeninnenseite der Tür, die typische Art, ein einfaches Riegelschloss wie das hiesige zu knacken. Offensichtlich sind die Täter durch die Tür gekommen.
SILLYBOS: Warum haben Sie uns eigentlich gerufen, Frau Olpenknoot?
FRAU OLPENKNOOT UND CHARLIE: Im Ernst?
SILLYBOS: Wenn die Einsatzkosten den durch den Einbruch entstandenen eigentlichen Schaden übertreffen, hat der Geschädigte die Differenzkosten zu tragen, Charlie. Diese Vorschrift solltest du eigentlich kennen.
CHARLIE: Bei allem Respekt Sir, aber Sie wissen ebenso gut wie ich, dass es hier vor verwertbaren Spuren nur so wimmelt.
SILLYBOS: Ich habe die Vorschrift nicht gemacht, Charlie. Ich versuche nur, dem Gesetz Geltung zu verschaffen.
Sie gehen auf die Vorbühne. Der Vorhang schließt sich.
CHARLIE: Bei allem Respekt, Sir, aber ein Beharren auf den Vorschriften ist in diesem Falle höchst kontraproduktiv.
SILLYBOS: In Ordnung, Charlie. Wie lautet also deine Theorie?
CHARLIE: Es ist auffällig, dass in einer Nacht zwei Einbrüche geschehen, in denen nichts gestohlen wurde. Offensichtlich sind die Täter auf der Suche nach etwas Bestimmtem und wissen nicht hundertprozentig, wo es zu finden ist.
SILLYBOS: Du willst den Einbruch hier mit dem bei mir zu Hause in Verbindung bringen? Bis auf die Tatsache, dass wir im selben Viertel wohnen, habe ich nichts mit dieser Frau gemeinsam.
CHARLIE: Sir, Du läufst Gefahr, dass deine persönliche Verbindung zu diesem Fall dein Urteilsvermögen...
SILLYBOS: Obergefreiter Holm!
CHARLIE: Dein Verhalten ist zumindest dem eines Philosophen und Wächters im Moment nicht angemessen.
SILLYBOS: (hält kurz inne.) Du hast Recht, Charlie. Nach einer logischen Analyse lassen sich vielleicht in der Tat Zusammenhänge feststellen. Allerdings brauchen wir dazu sicherlich mehr Informationen.
Der Vorhang geht auf. Sie betreten das Wachhaus.
SILLYBOS: Wie sind wir hierher gekommen?
CHARLIE: Als wir im Gespräch waren, hatte Frau Olpenknoot uns unauffällig zur Tür geleitet, in der Annahme, dass wir nichts für sie tun könnten. Und dann sind wir wohl instinktiv zum Wachhaus zurückgekehrt.
SILLYBOS: Ist irgendwie nicht mein Tag heute. Hab heut Nacht nicht viel geschlafen. Ich brauche ein Bad und was zu essen.
CHARLIE: Ich werde mal in den alten Fällen recherchieren, ob ich eine Spur finden werde.
SILLYBOS: In Ordnung. Ich werde mir später dann die zweite Akte vornehmen.

Szene 6

Tempel der Geringen Götter. Der Hohepriester liegt auf einem Sofa, isst Trauben und trinkt Wein. Auftritt Dux.
DUX: Es gibt Neuigkeiten, Hochwürden.
HOHEPRIESTER: Ich hoffe nur gute.
DUX: Eine unserer nächtlichen Patroullien ist gestern Nacht im Einsatz bei der Messingbrücke umgekommen.
HOHEPRIESTER: Unangenehm. Muss das sein?
DUX: Äh, es lässt sich nicht mehr ändern, Hochwürden.
HOHEPRIESTER: Nein, ich meine die Patroullien allgemein. Müssen die denn sein?
DUX: Nun, irgendwie müssen wir ja den Vorkommnissen auf die Spur kommen.
HOHEPRIESTER: Müssen wir?
DUX: Es gibt nichts Wichtigeres!
HOHEPRIESTER: Ah ja, richtig. Igor!
Auftritt Igor.
IGOR: Ihr habt gerufen, Herr?
HOHEPRIESTER: Mehr Wein bitte.
IGOR: Ja Herr.
Igor geht ab.
DUX: Vielleicht sollten wir die Patroullien besser ausbilden.
HOHEPRIESTER: Gibt es denn schon Ergebnisse?
Auftritt Igor mit einer Weinkaraffe.
DUX: Mit acht Leuten im gesamten Stadtgebiet ist es schwierig, die Täter auf frischer Tat zu ertappen.
HOHEPRIESTER: Mmmhh, Igor, was hältst du davon.
IGOR: Ich feiß auch nicht, Herr. Fielleicht könnte man die Stadtfache fragen.
DUX: Igor, hör bitte auf, das 's' zu sprechen. Du verstößt gegen die Tradition!
IGOR: Aber ich mag doch das 's' so gern. Dafür spreche ich ja das 'f' und das 'f' nicht.
HOHEPRIESTER: Die Stadtwache? Ist die nicht unser Feind?
DUX: Nein, Hochwürden, unser Feind sind die Diebe der latatianischen Bücher!
HOHEPRIESTER: Ach ja. (isst Käsewürfel.)
DUX: Was sollen wir also tun, Hochwürden?
HOHEPRIESTER: Ähm, macht erstmal einfach weiter wie bisher. (lässt einen Käsewürfel fallen.) Hoppla. Alea iacta est.
DUX: Aber Hochwürden, ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass es so nicht weitergeht.
HOHEPRIESTER: Hm, naja, wir müssen mal sehen, wie sich das entwickelt. Wie werdern sehen. Noch mehr Wein, Igor. In vino veritas, nicht wahr, Igor? [1][2]
DUX: Bei allem Respekt Hochwürden, aber diese Zeit verlangt nach Taten!
IGOR: (schaut auf die Weinkaraffe.) In fino feritas?
DUX: Danke, Igor! Endlich mal ein klares Wort! [3][4]
Igor schenkt nach.
Dux geht ab.


Szene 7

Obduktionsraum. Auf der Bahre liegt tot der Mann aus Szene 3. Rea Dubiata untersucht ihn.
Auftritt Sillybos mit der zweiten Akte.
SILLYBOS: Hallo Rea. Das ist der Tote?
REA: Hallo Silly. Ja, das ist er.
SILLYBOS: Wie sieht der Tatort aus?
REA: Die Streife, die ihn fand, hat nur ein Schwert gefunden, das im Moment im Labor ist. Allerdings ohne Gebrauchtspuren oder Sonstiges.
SILLYBOS: Also kein Kampf. (Er schaut zu der Leiche.) Was kannst du mir über ihn sagen?
REA: Der Mann ist 1,65m groß und 58kg schwer. Eher schmächtig also. Die Todesursache war ein Genickbruch, vermutlich, als er auf den Ankh gefallen ist. Als die Streife die Leiche fand, war die Leichenstarre noch nicht eingesetzt und der Körper noch warm, also können wir die Todeszeit ziemlich genau auf vier Uhr morgens festlegen. Bevor ich mehr erzähle, will ich aber noch kurz wissen, was du bisher über den Fall weißt.
SILLYBOS: Nur das, was in der Akte steht. Und das, was du mir eben erzählt hast.
REA: Hast die Notiz gelesen?
SILLYBOS: (nimmt einen kleinen Zettel aus der Akte.) Hier steht "Bitte von Sillybos bearbeiten lassen." Was hat es damit auf sich?
REA: Nun, der Mann hatte keinerlei Gegenstände bei sich, bis auf einen kleinen Zettel, der neben ihm auf dem Ankh lag.
Sie öffnet eine kleine Tüte und reicht Sillybos ein Stück Papier.
SILLYBOS: (liest.) 'Libe Stattwechter es war ein Unnfal, wo der Mann unklü unglükli bedau laider tod geworden ist. Verfolgikt uns nicht, wir sind unschuldik.'
Rea schaut ihn erwartungsvoll an.
SILLYBOS: Das ist mal wirklich amüsant. Wer das wohl geschrieben haben mag?
REA: Die Rückseite ist noch viel besser.
SILLYBOS: (dreht den Zettel um.) Hier ist eine Liste mit Adressen mit Zahlen und Farben. (geht die Liste durch.) Die Adressen sagen mir alle nichts... Moment... Teekuchenstraße 7? Da war ich doch gerade ... Esoterische Straße 42? Das ist meine Adresse!

Szene 8

Ein Lagerhaus. Auftritt Magius und Pickit.
MAGIUS: Wie kann man nur so blöd sein?!
PICKIT: Falls du es vergessen hast, es war deine bescheuerte Idee.
MAGIUS: Du solltest einen Zettel schreiben, ja. Aber doch nicht auf die Rückseite von der Zweitliste!
PICKIT: Wenn du nicht so gedrängt hättest, hätte ich mir den Zettel vorher auch angeschaut.
MAGIUS: Du bist sowas von inkompetent! Zuerst lässt du dich niederschlagen und festnehmen, dann spielst du der Stadtwache noch unsere Liste zu... Wir können von Glück sagen, dass wir bisher überhaupt soweit gekommen sind!
Auftritt Referentin.
REFERENTIN: Meine Herren, die Vorkommnisse letzte Nacht sind zwar bedauerlich, aber nicht tragisch. Mit der Zweitliste wird die Stadtwache nicht viel anfangen können, wir haben noch genügend Vorsprung. Wir sind fast fertig, nur noch wenige Tage. Herr Buch macht gerade die Buchführung.
Auftritt Llyfer mit einem Aktenordner.
LLYFER: Ich habe die Beute von letzter Nacht nachgemessen, aber irgendwie komme ich zu keiner Übereinstimmung. Sie müssen ein Buch vergessen haben, ein nicht unerhebliches Buch. Mindestens 500 Seiten.
MAGIUS: Das muss bei diesem Philosophen gewesen sein. Wer kann auch ahnen, dass er ein latatianisches Buch auch wirklich liest?
PICKIT: Also müssen wir da nochmal hin? Ey, so eine Bratpfanne tut weh.
REFERENTIN: Nein, zu verdächtig. Das Risiko wäre zu groß. Sie, meine Herren, werden konzentriert weiterarbeiten. Ich kümmere mich später selbst darum. Bereiten Sie sich auf die letzten Einsätze vor, während ich die beiden großen Aktionen anlaufen lasse.
MAGIUS: Muss ich dann immer noch mit diesem Dilettanten zusammenarbeiten?
REFERENTIN: Nein, zumindest nicht in der bisherigen Form.
MAGIUS: Io sei Dank. Es war alles nämlich seine Schuld.
REFERENTIN: Gegenseitige Schuldzuweisungen bringen uns nicht weiter. Guten Tag meine Herren.
Referentin und Llyfer ab. Pickit und Magius folgen langsam.
PICKIT: Du bist schuld.
MAGIUS: Nein, du bist schuld.
PICKIT: Nein, du bist schuld.
MAGIUS: Nein, du bist schuld...
Beide ab.

Szene 9

Wachhaus, Büro von Sillybos und Charlie Holm. Charlie sitzt am Schreibtisch in einer Qualmwolke und raucht Pfeife. Vor ihm stapeln sich Akten. Auftritt Sillybos.
CHARLIE: Ich hoffe, es geht dir jetzt besser, Sir.
Sillybos setzt sich. Ein Arm ragt aus der Wolke und setzt eine Pfeife ab. Der Qualm verzieht sich. Charlie Holm kommt zum Vorschein.
SILLYBOS: Ich habe etwas Interessantes herausgefunden. Sagt dir die Adresse Zephirstraße 13 etwas?
CHARLIE: Wie kommst du auf die Anschrift?
SILLYBOS: Oder Geldfallenweg 22?
Charlie sieht Sillybos interessiert an.
SILLYBOS: Oder Augentroststraße 12?
CHARLIE: Sir, all diese Adressen habe ich soeben in den Akten gelesen.
SILLYBOS: Oder die Esoterische Straße 42?
CHARLIE: Was ist das für eine Liste, die du da hast?
SILLYBOS: Diese Liste lag bei dem Toten, der auf dem Ankh gefallen war.
CHARLIE: Darf ich mal sehen?
Sillybos reich ihm die Liste.
SILLYBOS: Hier. Zwei Fragen drängen sich auf. Welche Bedeutung hat die Liste und wer hat sie geschrieben?
CHARLIE: Frage Nummer drei lautet, stimmt die Botschaft auf der Rückseite?
SILLYBOS: Frage Nummer vier, warum steht meine Adresse auf der Liste?
CHARLIE: Die Antwort auf Frage eins dürfte auch Frage vier lösen.
SILLYBOS: Könnte es etwas mit den Einbrüchen zu tun haben? Wie bei mir wurde auch bei Frau Olpenknoot nichts gestohlen, und sie steht in der Liste unmittelbar vor mir.
CHARLIE: Demnach wäre es eine Liste des Einbruchprüfers der Diebesgilde.
Auftritt Humph MeckDwarf.
HUMPH: Also, was ist das für eine Liste, von der alle Welt redet?
SILLYBOS: Unseren bisherigen Ermittlungen nach ist es die Adressenliste eines Einbruchprüfers der Diebesgilde.
HUMPH: Ermittlungen?
SILLYBOS: Ja, wir...
HUMPH: WIR haben mit Ermittlungen nichts am Hut. Macht die Akte fertig, damit wir den Fall an RUM weitergeben können.
SILLYBOS: Sir, die Gerichtsmedizin hat bestätigt, dass es ein Unfall war.
HUMPH: Mag sein, mag sein. Aber damit ist von unserer Seite aus die Sache abgeschlossen. Soll RUM mit der Liste doch machen, was sie wollen.
SILLYBOS: Ich bin dennoch dagegen, denn...
HUMPH: Silly, nur weil deine Adresse auf der Liste steht, ist das noch lange kein Grund, sich über den Dienstweg hinwegzusetzen. Wir haben die Leiche untersucht, die Spuren gesichert, damit ist unser Teil erledigt. Und wenn es sich um die Liste eines Einbruchprüfers handelt, wo ist dann das Problem? Sowas kommt doch alle Nase lang vor. Es gab viele vermeintliche Einbrüche in der letzten Zeit...
CHARLIE: Ich habe die Akten hier, Sir.
HUMPH: ... die sich schlussendlich als jene Einbruchprüfungen herausgestellt haben. Das ist ein ganz normaler Vorgang und hängt zufällig mit der Leiche zusammen, die wir gefunden haben. Soll RUM sich da einen Fall draus basteln, ich sehe weit und breit keinen. Also schließt die Sache ab, es gibt wichtigeres zu tun.
Hauptmann MeckDwarf geht ab.
SILLYBOS: Nüchtern betrachtet hat er ja Recht. Trotzdem beschleicht mich ein unangenehmes Gefühl.
CHARLIE: (zündet sich seine Pfeife wieder an.) Gefühl, Sir?
SILLYBOS: Manchmal schickt das Universum einen Wink. Einen konkreten Hinweis, was zu tun ist. Leider versperrt der Verstand uns oft die Sicht, diesen Hinweis zu erkennen.
CHARLIE: Der Verstand versperrt die Sicht? Bei allem Respekt, Sir, aber das ist Unsinn. Der Verstand verschärft im Gegenteil die Sinne und hilft bei der Selektion von Wichtigem.
SILLYBOS: Es ist kein Wunder, dass die Inspirationspartikel dich meiden, Charlie.
CHARLIE: Inspiration, Sir, basiert auf Unsicherheit. Wer den klaren Gesetzen der Logik folgt, braucht keine Inspiration. Meine Vorgehensweise basiert auf Deduktionen, Sir.
SILLYBOS: Ich verstehe dich, Charlie. Auch ich bin ein Freund der Logik, doch gibt es Situationen, wo Logik allein nicht ausreicht. Denn den Deduktionen nach stimmt es, dass dies kein großer Fall ist.
CHARLIE: Was an der unzureichenden Informationslage liegt. Ich hatte ja auch noch nicht genügend Zeit, diese Akten durchzuschauen.
SILLYBOS: Manchmal müssen Entscheidungen vorher getroffen werden. Denn bis du mit den Akten fertig bist, sind wir den Fall los.
CHARLIE HOLM: (denkt nach.) Wie lautet also dein Vorschlag, Sir?
SILLYBOS: Durchforste du weiter die Akten. Ich werde derweil die Herren Offiziere ein bisschen hinhalten. (ab.)

Szene 10

Korridor von Sillybos' Fass. Es klopft. Auftritt Hegelkant. Er trägt eine Kochmütze und eine Schürze.
HEGELKANT: Ich komme!
Er öffnet die Tür. Auftritt Referentin.
REFERENTIN: Guten Tag, sind Sie Herr Sillybos?
HEGELKANT: Leider nein, ich bin nur der Sklave. Hegelkant ist mein Name. Kann ich Ihnen weiterhelfen?
REFERENTIN: Der Sklave, interessant. Sag, Hegelkant, ist dein Herr ein Freund latatianischer Bücher?
HEGELKANT: Oh ja, gewiss. Er hat viele davon.
REFERENTIN: Hat er auch noch viele andere Bücher?
HEGELKANT: Aber ja, mein Herr hat sehr viele Bücher. Meistens philosophische, aus Ephebe. Er ist Philosoph, wissen Sie.
REFERENTIN: Soso, und Du...
HEGELKANT: (grinst verlegen.) Ich, naja, ich bin halt sein Sklave.
REFERENTIN: Nein, ich meine, interessierst du dich auch für Bücher?
HEGELKANT: Oh ja! Ich will ja auch mal Philosoph werden. Aber im Moment beschäftige ich mich mehr mit Kochbüchern.
REFERENTIN: Das ist schön...
HEGELKANT: ... Wobei mir einfällt, ich hab da noch etwas auf dem Herd. Also wenn Sie vielleicht...
REFERENTIN: Weißt du, was dein Herr im Moment für ein Buch liest?
HEGELKANT: (schaut zur Küche.) Nicht genau, ich glaube etwas von Sekratos, aber ich muss jetzt...
REFERENTIN: Könntest du für mich nachschauen?
HEGELKANT: Ja aber das Essen...
REFERENTIN: Geht doch bestimmt ganz schnell.
HEGELKANT: Ich... also gut, aber ganz schnell.
Er öffnet die Tür von Sillybos' Schlafzimmer und geht hinein.
REFERENTIN: Ah, Männer sind ja sowas von naiv. Aber leicht zu handhaben.
Hegelkant kommt zurück.
HEGELKANT: Ja, es ist die Ars Dialogi von Sekratos. Hören Sie...
REFERENTIN: Ja, jetzt kümmern Sie sich erstmal um das Essen, bevor es anbrennt.
HEGELKANT: Danke, ich bin gleich wieder da.
Hegelkant ab. Referentin wartet kurz und geht dann in das Schlafzimmer von Sillybos und kommt kurz darauf mit einem Buch wieder heraus.
REFERENTIN: Das war ja einfacher als ich gedacht hatte. (Sie lässt das Buch in ihrer Handtasche verschwinden.) So, dann kann ich ja wieder gehen...
Auftritt Hegelkant.
HEGELKANT: Bitte entschuldigen Sie vielmals...
REFERENTIN: Aber das macht doch gar nichts.
HEGELKANT: Es ist nur, dass mein Herr großen Wert auf gutes Essen legt, wenn er vom Dienst nach Hause kommt.
REFERENTIN: Vom Dienst? Sagtest du nicht, er sei Philosoph?
HEGELKANT: Ja, so bezeichnet er sich selbst und arbeitet nebenbei auch noch an vielen Axiomen, aber eigentlich arbeitet er bei der Stadtwache.
REFERENTIN: (irritiert.) Bei der Stadtwache?
HEGELKANT: Ja, genau, als Philosoph alleine kann man in Ankh-Morpork nicht so viel Geld verdienen, leider.
REFERENTIN: Äh, ja, ich...
HEGELKANT: Warum interessieren Sie sich eigentlich so für seine Bücher?
REFERENTIN: Oh, äh, wir machen eine Umfrage über die Lesegewohnheiten der gebildeten Bürger Ankh-Morporks. Und dazu darf man deinen Herrn ja wohl zählen.
HEGELKANT: Oh ja, gewiss, er...
REFERENTIN: Aber ich muss jetzt leider schon wieder gehen. Ich bedanke mich für die Auskunft, auf Wiedersehen.
HEGELKANT: Ja, hat mich auch gefreut. Auf Wiedersehen.
Referentin ab.

Szene 11

Wachhaus, Büro von Hauptmann Daemon. Der RUM-Abteilungsleiter sitzt an seinem Schreibtisch. Auftritt Humph MeckDwarf.
DAEMON: Ah, da bist du ja. Hast du die Akte?
HUMPH: Noch nicht, Charlie und Silly schreiben den Bericht noch fertig.
DAEMON: Achso, in Ordnung.
HUMPH: Sie haben Vorbehalte, wollen den Fall eigentlich selbst weiter bearbeiten.
DAEMON: Das kennt man ja von den beiden. Sie halten damit den ganzen Laden auf.
HUMPH: Nun übertreib mal nicht. Sie sind nun mal sehr gewissenhaft.
DAEMON: In einer klaren hierarchischen Struktur wie der Stadtwache sind solche Querdenker immer gefährlich. Besonders der Philosoph. Und Charlie Holm - ein vielversprechender Wächter, wie ich finde - wird zu sehr von ihm beeinflusst.
HUMPH: Dae, das ist meine Abteilung, und ich führe sie, wie ich es für richtig halte. Das braucht dich gar nicht zu interessieren.
DAEMON: Mir persönlich ist völlig gleich, was in deiner Abteilung passiert. Ich will nur, dass gewisse Berichte zeitnah bearbeitet und weitergeleitet werden.
Auftritt Sillybos.
DAEMON: Ah, da ist er ja. Hast du den Bericht?
SILLYBOS: Nein, noch nicht. Charlie sieht nochmal die Akten durch und prüft eventuelle Zusammenhänge zu anderen Fällen.
DAEMON: Wofür er als Spurensicherer natürlich bestens ausgebildet ist. Ganz im Gegensatz zu meinen Ermittlern.
HUMPH: Hab ich eigentlich irgendwas verpasst? Warum interessierst du dich so brennend für diesen Fall?
SILLYBOS: Vielleicht sucht er eine Beschäftigungsmaßnahme für seine Leute. Es sind nicht viele Morde geschehen in letzter Zeit...
HUMPH: Nana, da kann er ja nichts für.
SILLYBOS: ...Argumente für die Budgetverhandlungen....
DAEMON: Das ist meine Abteilung, und ich führe sie, wie ich es für richtig halte. Das braucht dich gar nicht zu interessieren.
HUMPH: Mir persönlich ist völlig gleich, was in deiner Abteilung passiert. Aber wir bei SUSI haben es nicht nötig, uns von anderen Abteilungen reinreden zu lassen. Und wir werden den Bericht dann weiterleiten, wann wir es für richtig halten.
Sillybos lächelt. Humph und Sillybos ab.

Szene 12

Ein stilles Kämmerlein. Tractatus grübelt über verschiedenen Papieren auf seinem Schreibtisch.
TRACTATUS: Hier sitz' ich nun, vor der Aufgabe meines Lebens. Eine eigene Sprache zu entwickeln, das ist wohl das Höchste, was man erreichen kann, das, wovon ich immer geträumt habe. Wenn doch nur...
Auftritt drei Revisoren.
ERSTER REVISOR: Wie geht der Entwurf der neuen Sprache voran?
TRACTATUS: Ich habe in der letzten Woche einiges geschafft. Ich habe hier den Entwurf für die Pronomen, die man übrigens unabhängig von der Wortstellung...
ZWEITER REVISOR: Nein.
TRACTATUS: Wie bitte?
DRITTER REVISOR: Keine Pronomen. Pronomen sind mehrdeutig.
ERSTER REVISOR: Und müssen daher vermieden werden.
Revisoren ab.
Tractatus seufzt und wirft seine Entwürfe in den Papierkorb.

TRACTATUS: Wenn nur diese Ansprüche nicht wären...

Szene 13

Lagerhaus. Herr Buch sitzt an einem Tisch über einem Aktenordner. Auftritt Referentin.
REFERENTIN: (erregt.) Wo sind sie?
LLYFER: Wo ist wer?
REFERENTIN: Wo sind diese unfähigen und völlig nichtsnutzigen Dilettanten? Diese Idioten? Diese...
LLYFER: Herr Schnapp und Herr Magus bereiten sich auf den Einsatz heute Nacht vor. Sie müssten bald kommen. Ah, da sind Sie ja.
Auftritt Pickit und Magius.
REFERENTIN: (holt das Buch hervor.) Ich habe das fehlende Buch. Die Ars Dialogi von Sekratos.
PICKIT: Prima, dann ist ja alles in Butter.
REFERENTIN: Nichts ist in Butter! Wer von Ihnen hielt es nicht für nötig, mir zu sagen, dass dieser Sillybos ein Wächter bei der Stadtwache ist?
Pickit und Magius schauen sich an.
PICKIT UND MAGIUS: (deuten aufeinander.) Er!
REFERENTIN: Dadurch hat die Stadtwache nun womöglich eine entscheidende Spur bekommen. Denn im Gegensatz zu allen anderen - normalen - Leuten liest dieser Sillybos seine latatianischen Bücher, und deswegen wird ihm der Diebstahl auffallen. Aus diesem Grund werden wir uns nun sehr beeilen. Sie haben noch genau achtundvierzig Stunden. Notfalls arbeiten Sie auch tagsüber.
PICKIT: Auch tagsüber? Aber wir müssen doch auch schlafen.
REFERENTIN: Wie Sie das anstellen, ist für mich momentan irrelevant. Aber in achtundvierzig Stunden will ich sämtliche latatianischen Bücher aus den ankh-morporkianischen Haushalten hier in diesem Lagerhaus haben. Wir müssen davon ausgehen, dass die Stadtwache uns auf den Fersen ist, darum ist Eile geboten.

Szene 14

Sillybos' Fass, im Bad. Sillybos liegt in seiner Badewanne.
SILLYBOS: Ahh, wie gut tut ein Bad nach einem harten Arbeitstag. Und einem unbefriedigendem Tag noch dazu, denn die Ergebnisse vom heutigen Tag lassen doch sehr zu wünschen übrig. Was ist das für ein komischer Fall, mit dem ich es hier zu tun habe? (lehnt sich zurück und plätschert ein wenig.) Lieber nicht daran denken. Jetzt ist Philosophieren angesagt. (ruft.) Hegelkant!
Auftritt Hegelkant.
HEGELKANT: Ja Herr?
SILLYBOS: Hol mir doch bitte mein Buch vom Nachttisch.
HEGELKANT: Ja Herr. (ab.)
SILLYBOS: Aber dieser Fall beschäftigt mich ja doch. Wie kommt mein Name auf diese komische Liste? Alles sehr merkwürdig...
Hegelkant kehrt zurück.
HEGELKANT: Nanu, Herr, ich kann das Buch nirgends finden.
SILLYBOS: Nicht? Ich verstehe nicht...
HEGELKANT: Vorhin war es noch da, als diese Frau da war...
SILLYBOS: Was denn für eine Frau?
HEGELKANT: Eine Umfrage nach den Lesegewohnheiten der gebildeten Bürger, sie hat nach dem Buch gefragt.
SILLYBOS: Merkwürdig. Wie sah die Frau denn aus?
HEGELKANT: Sie war groß und schlank, mit langen Haaren. Und sie trug eine Hose. Und ihren Schuhen nach zu urteilen schien sie sehr spitze Füße zu haben.
SILLYBOS: Hat sie sich irgendwie ausgewiesen?
HEGELKANT: Nein, es war ja nur eine harmlose Frage, die sie gestellt hat.
SILLYBOS: Und sie hat nach meinem Buch gefragt?
HEGELKANT: Ja, Herr. Genau nach dem Buch, dass jetzt nicht mehr da ist.
SILLYBOS: Findest du das nicht eigenartig, Hegelkant?
HEGELKANT: (überlegt.) Jetzt wo Ihr es sagt...
SILLYBOS: Was hat sie genau gesagt?
HEGELKANT: Sie hat gefragt, was Ihr für Bücher lest.
SILLYBOS: Weißt du noch den Wortlaut?
HEGELKANT: Wenn ich mich recht erinnere, fragte sie anfangs, ob Ihr ein Freund latatianischer Bücher seid.
SILLYBOS: Ah-ha.
HEGELKANT: Was schließt Ihr daraus, Herr?
SILLYBOS: Sie fragte direkt nach latatianischen Büchern, nicht nach Büchern allgemein. Das ist ein Unterschied. Hm. War sie zufällig einen Moment unbeobachtet?
HEGELKANT: (überlegt.) Ja, ich war kurz in der Küche wegen der Kartoffeln...
SILLYBOS: Dann hat sie es gestohlen.
HEGELKANT: Es tut mir furchtbar Leid, Herr.
SILLYBOS: Das ist nicht so schlimm. Sofern sie keine Quittung hinterlassen hat, können wir das der Diebesgilde melden. Aber sei so nett und kaufe mir morgen ein neues Exemplar.
HEGELKANT: Ja Herr.
SILLYBOS: Es war ein ereignisreicher Tag. Zeit für ein paar Axiome.
HEGELKANT: Habt ihr schon welche parat?
SILLYBOS: Welches genau meinst du?
HEGELKANT: (räuspert sich.) 'Wo Großes ist, da muss auch Kleines sein.'
SILLYBOS: Ja, Hegelkant. Ein guter Gedanke. Aber ist es wirklich ein Axiom?
HEGELKANT: (denkt nach.) Ähm...
SILLYBOS: Erfüllt es die Axiomsaxiome?
HEGELKANT: Damit tue ich mich immer schwer, Herr. Es sind so viele.
SILLYBOS: Hol mir mal das Große Buch Der Axiome. Da sind sie alle aufgelistet.
HEGELKANT: Ja, Herr. (Er geht ab.)
SILLYBOS: (greift ein StückSeife und seift sich ein.) Ach, die Jugend. Manchmal muss ich daran denken, wie man mir mein erstes Axiom beibrachte. 'Hör auf deine Mutter.' (Er seufzt leise.)
Hegelkant kommt wieder.
HEGELKANT: Nanu? Wo sind die latatianischen Bücher hin, Herr?
SILLYBOS: Wie? In der Bibliothek natürlich.
HEGELKANT: Nein, die Bücher sind leer.
SILLYBOS: Wovon redest du?
HEGELKANT: Hier, seht selbst. (Er reicht Sillybos ein Buch.)
SILLYBOS: Lauter leere Seiten! Was hat das zu bedeuten?
HEGELKANT: Ich weiß nicht, Herr. Das Buch stand dort, wo sonst die latatianischen Bücher stehen. Sie sind alle leer.
SILLYBOS: Ein Mysterium. Dabei hatte ich gestern doch noch...
HEGELKANT: Das ist alles merkwürdig. Erst der Einbruch, dann diese Frau und jetzt...
SILLYBOS: (springt auf.) Heureka!
Der Vorhang schließt sich.

Szene 15

Vorbühne. Auftritt Erzähler mit einem alten, dicken Buch.
ERZÄHLER: Habt ihr jemals ein Buch in Händen gehalten, von dem es keine zig Auflagen mit Tausenden von Exemplaren gibt? Ein Buch - vielleicht Jahrhunderte alt -, von dem es nur wenige Exemplare gibt oder das womöglich sogar ein Einzelstück ist? (schlägt das Buch auf.) Wenn ja, dann habt ihr vielleicht die Magie dieses Buches gespürt. Wie man ganz langsam und behutsam umblättert, um es ja nicht zu beschädigen. (blättert vorsichtig um.) Als gäbe es einen Schutzzauber. Vielleicht habt ihr auch die Kraft gespürt, die von dem Buch ausgeht, die einen so gewiss sein lässt, dass dieses Buch bedeutsam ist, viel mehr als die Bücher der heutigen Tage. Und vielleicht kam euch dann auch der Gedanke, dass, sollte dieses Buch zerstört werden, die Ideen und Gedanken dieses Buches für immer verloren sind? Und die Magie wäre verflogen. (Er schließt das Buch wieder.) Dies ist eine Geschichte über die Magie der Bücher. Und sie spielt auf einer Welt, in der die Magie viel realer ist als in unserer Welt. Welche Konsequenzen mag dies haben? Wir sind gespannt.
Erzähler ab.

AKT II


Szene 1

Wachhaus. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Charlie Holm sitzt am Schreibtisch und sieht Akten durch. Auftritt Sillybos.
SILLYBOS: Der Dieb war's. Ich wusste es gleich.
CHARLIE: Es wurde doch etwas gestohlen?
SILLYBOS: Ja. Meine latatianischen Bücher. Sie wurden ausgetauscht gegen identisch aussehende Bücher mit leeren Seiten.
CHARLIE: Um zu verhindern, dass der Diebstahl auffällt.
SILLYBOS: Exakt. Und die Bücher hatte der Komplize, als wir den Dieb fassten.
CHARLIE: Damit ist der Fall so gut wie gelöst.
SILLYBOS: Ja, es ist völlig klar.
CHARLIE: Ich hätte gleich darauf kommen müssen!
SILLYBOS: Unbedingt.
CHARLIE: Wir müssen blind gewesen sein!
Sie schweigen.
SILLYBOS: (setzt sich.) In Ordnung, Charlie. Wovon redest du überhaupt?
CHARLIE: (steht auf und geht umher.) Die Adressenliste zeigt den Zusammenhang zwischen den nächtlichen Vorfällen bei dir und bei Frau Olpenknoot. Die Spuren bei Frau Olpenknoot waren aber offensichtlich. Dass ich nicht gleich darauf gekommen bin! Sie sagte, die Einbrecher hätten ein Streitgespräch gehabt. Bei einer Einbruchprüfung streitet man aber nicht, sowas kommt erst bei der Besprechung hinterher. Also war es ein Vorwand. Da der Dieb eine echte Lizenz hatte, wie du mir erzählt hast, muss es ein regulärer Dieb sein, die Lizenzen sind fälschungssicher. Da er aber keine Quittungen hinterlassen hat, fällt das somit in den Bereich unlizenzierter Diebstahl und somit zur Diebesgilde.
SILLYBOS: Ich möchte den Fall nicht abgeben. Insbesondere, weil wir das Motiv nicht wissen.
CHARLIE: Den Fall abgeben wäre falsch, denn die Ausmaße sind größer. Der Dieb ist nichts weiter als ein Handlanger. Das einzige, was einen Dieb dazu bewegen kann, seine eigene Gilde zu hintergehen, muss eine immense Geldsumme sein, denn Diebe haben ihrer Ausbildung nach nur Interesse an materiellen Dingen. Insbesondere interessieren sie sich nicht für latatianische Texte, ich bezweifle sogar, dass der Dieb überhaupt wusste, was er da stiehlt. Seine Aufgabe dürfte es primär gewesen sein, unbemerkten Zutritt zu den Häusern zu verschaffen. Womit wir beim Komplizen wären.
SILLYBOS: Über den wir nicht viel wissen. Aber sie sind mindestens zu dritt.
CHARLIE: Zu dritt?
SILLYBOS: Ja. Hegelkant bekam gestern Besuch von einer Frau. Einer großen, schlanken, sehr femininen Frau mit spitzen Füßen und einer Hose.
CHARLIE: Eine Hose?
SILLYBOS: Ja. Ihr ist es mit einem Trick gelungen, mein letztes latatianisches Buch zu stehlen.
CHARLIE: (denkt nach.) Eine Hose...
SILLYBOS: Aber abgesehen davon, unser Problem ist, dass wir den Fall abgeben müssen. Ganz gleich, welche Spur wir nun verfolgen.
Auftritt Humph MeckDwarf.
HUMPH: Guten Morgen ihr zwei. Gibt es Fortschritte?
SILLYBOS: Ja, Sir. Wir haben festgestellt, dass latatianische Bücher gestohlen wurden. Der Verdacht liegt nahe, dass das bei allen Adressen auf der Liste der Fall war.
HUMPH: Hm. Interessant. Und die Leiche?
SILLYBOS: Keine weiteren Erkenntnisse über die Leiche, Sir. Wir warten noch auf den Abschlussbericht von Jack.
HUMPH: Diebstahl, wie? Ohne Quittung. Also ein Fall für die Diebesgilde.
SILLYBOS: Aber da steckt mehr dahinter. Wenn wir es der Diebesgilde melden, wird höchstens der kleine Dieb bestraft, wobei wir uns aber ziemlich sicher sind, dass er nur ein Handlanger ist.
HUMPH: Ihr vermutet einen großen Fall?
SILLYBOS: Wie groß er ist, wissen wir noch nicht. Aber ungewöhnlich.
HUMPH: Das scheint ja eine interessante Kiste zu sein. Jetzt erzählt mir erstmal, was eigentlich los ist.

Szene 2

Tempel der geringen Götter. Dux sitzt an einem Tisch zwischen vielen Papieren. Auftritt Hohepriester.
HOHEPRIESTER: Was machst du da?
DUX: Igor hat völlig Recht. Infina feritas! Jetzt hilft uns nur noch die Gewalt.
HOHEPRIESTER: Glaubst du, dass Latatiana damit einverstanden ist?
DUX: Aber natürlich! Denn wenn wir die Diebe nicht stoppen, wird es keine Göttin Latatiana mehr geben.
HOHEPRIESTER: Bist du sicher? Ich meine, wir glauben doch dann noch weiterhin an sie, oder nicht?
DUX: Wir sind gerade mal ein dutzend Leute. Latatiana wird genährt durch den unterschwelligen Glauben, der durch die ständige Präsenz der latatianischen Sprache und Schriften in Ankh-Morpork aufrecht erhalten wird.
HOHEPRIESTER: Aber nicht mehr geben? Ich meine, es gab Latatiana schon immer!
DUX: Das ist genau die Art von Argumenten, die wir im Moment nicht brauchen. Latatiana wird just in dieser Stunde schlimmes angetan, und unsere Aufgabe als Gläubige der Heiligen Göttin Latatiana ist es, sie mit allen in unserer Macht stehenden Mitteln zu verteidigen!
HOHEPRIESTER: Ich bewundere ja deinen Elan, aber...
DUX: (gereizt.) Aber was?
HOHEPRIESTER: (schreckt zurück.) Ähm, eigentlich ist eigenmächtiges Handeln so nicht vorgesehen, aber, äh, gut, ich gebe dir hiermit freie Hand und, äh, brauche jetzt erstmal was zu essen.
DUX: Gut!
Hohepriester ab.
DUX: (zu sich.) Verfressener Sack.

Szene 3

Wachhaus. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Humph, Sillybos und Charlie.
HUMPH: Das scheint in der Tat ein interessanter Fall zu sein. Ich stimme zu, dass wir den nicht so schnell abgeben sollten, erst recht nicht an die Diebesgilde.
CHARLIE: Allerdings brauchen wir die Diebesgilde, um mehr über diesen Pickit herauszufinden.
HUMPH: Was das angeht, sollten wir schon den Dienstweg einhalten. Wenn ein SUSI-Mitglied bei Boggis auftaucht, wird er Verdacht schöpfen, dafür kennt er die Wache zu gut. Hmm. Mit welchem Vorwand schicken wir DOG also dorthin?
SILLYBOS: Hm. Wir brauchen Pickit als Zeugen für den Unfall an der Messingbrücke.
HUMPH: Gute Idee. Wir werden ihn zu einer Zeugenvernehmung vorladen. Das müsste klappen.
SILLYBOS: Hoffentlich. Wir können unterdessen die These überprüfen, ob bei den anderen Adressen tatsächlich auch latatianische Bücher gestohlen wurden.
HUMPH: In Ordnung, ich rede mit Robs. Ihr kümmert euch um die Adressen. Sucht euch noch ein paar Helfer, dann geht es schneller.
Humph, Sillybos und Charlie ab.

Szene 4

Buchladen. Llyfer Schepter ist am Sortieren. Auftritt Hegelkant.
SCHEPTER: Ah, der klatschianische Sklave! Sei gegrüßt!
HEGELKANT: Guten Tag Herr Schepter. Mit freundlichen Grüßen vom meinem Herrn.
SCHEPTER: Jaja, der alte Wächter. Hab ihn schon lange nicht mehr gesehen. Geht's ihm gut? Ich hoffe, es geht ihm gut. Aber sprich, was kann ich für dich tun?
HEGELKANT: Nun, ich suche eine Ausgabe von Ars Dialogi von Sekratos.
SCHEPTER: Ohu ohu, das wird schwiiieerig. Da hab ich leider nichts mehr da. Alles ausverkauft.
HEGELKANT: Alles weg?
SCHEPTER: Jaajaa, kaum noch Philosophie übrig. Ging weg wie, wie... Was ist das Gegenteil von Schnappers Würstchen?
HEGELKANT: Köstlich?
SCHEPTER: Neinein, jaja, jedenfalls verkauften sie sich sehr gut. Besonders die latatianischen Sachen. Alle wollen sie philosophieren. Habe kein einziges latatianisches Buch mehr im gesamten Laden.
HEGELKANT: Aber mein Herr braucht es dringend. Es geht um neue Axiome.
SCHEPTER: Hmm, schwiieerig... ich krieg' so schnell auch keine mehr rein. Die Gilde gibt im Moment nichts mehr raus, aus irgendwelchen Gründen.
HEGELKANT: Die Gilde? Welche denn?
SCHEPTER: Die Linguistengilde. Die kümmern sich um alles, was mit Latatianisch zu tun hat, insbesondere verlegen sie sämtliche latatianische Bücher. Ich hab' schon vor Wochen was bestellt, aber nichts ist gekommen.
HEGELKANT: Und nun?
SCHEPTER: Du könntest es bei der Unsichtbaren Universität versuchen. Die geben die Bücher zwar normalerweise nicht so einfach heraus, ist ja gefährlich, weißt du, aber vielleicht machen sie ja eine Ausnahme. Du könntest ja vielleicht deinen Herrn als Mitglied der Stadtwache vorschicken.
HEGELKANT: Mein Herr hat im Moment andere Aufgaben, aber ich werde es versuchen. Vielen Dank, Herr Schepter. (ab.)

Szene 5

Speisesaal der Unsichtbaren Universität.
Nach dem Mittagessen lehnen sich der Dekan, der Dozent für neue Runen und der Professor für unbestimmte Studien zurück und klopfen sich die Bäuche.

DEKAN: (klopft unauffällig etwas schneller.)
DOZENT: (bemerkt es und klopft ebenfalls schneller.)
DEKAN: (holt weiter aus und verstärkt das Bauchklopfen.)
PROFESSOR: (kriegt es nicht hin und reibt daraufhin seinen Bauch.)
DOZENT UND DEKAN: (klopfen immer schneller und fester.)
DEKAN: Du klopfst falsch, Runen! So wie du das machst, kann das jeder!
DOZENT: Ach?! Und du machst es richtig?
DEKAN: Natürlich. Ich habe das Bauchklopfen erfunden.
DOZENT: Ich klopfe meinen Bauch schon, seit ich denken kann!
DEKAN: Ich auch!
DOZENT: Ich bin älter als du!
DEKAN: Aber ich kann länger denken als du!
Auftritt Erzkanzler. Er bleibt in der Tür stehen.
DOZENT: Dafür lässt sich mein Bauch viel besser klopfen als deiner, Dekan! (präsentiert stolz seinen Bauch) Genügend Fläche für beide Hände.
DEKAN: Ich bin der wahre Oberbauchklopfmeister.
PROFESSOR: Wie wär's, wenn wir unsere Bäuche zur Abwechslung mal reiben würden?
DEKAN: Reiben?
PROFESSOR: Ja. (reibt sich den Bauch) Immer im Uhrzeigersinn. Davon bekommt man dann auch keine Bauchschmerzen.
DOZENT: Das sagst du nur, weil du nicht bauchklopfen kannst.
PROFESSOR: Kann ich wohl, aber Bauchreiben macht mir nun mal mehr Spaß.
DEKAN: Ha! Bauchreiben ist für Schwächlinge. (klopft sich demonstrativ auf den Wanst.)
ERZKANZLER: Schluss jetzt! Tagein, tagaus macht ihr nichts anderes als Essen, Schlafen und Zanken. Ihr seid aber Magier und Lehrkörper an der Unsichtbaren Universität! Es ist eure Aufgabe, euch mit Magie zu beschäftigen und nicht über eure dicken Bäuche zu diskutieren.
DEKAN: Es ist aber auch unsere Aufgabe, gegenseitigen Gedankenaustausch zu betreiben. Das nennt man Freiheit der Wissenschaft.
ERZKANZLER: Aber wer von euch hat heute schon irgendwas Produktives zu Stande gebracht?
Betretenes Schweigen.
PROFESSOR: Ich war heute schon zweimal auf dem Abort.
ERZKANZLER: (schaut ihn streng an.) Zweimal?
DER PROFESSOR: (denkt kurz nach) Ja, zweimal. Vor dem Frühstück, und dann noch mal nach dem Brunch.
ERZKANZLER: Und das nennst du produktiv?
DER PROFESSOR: Nun, ich darf nicht ohne Stolz verkünden, dass mein erstes Geschäft eines der größten -
ERZKANZLER: (unterbricht) Das ist nicht die Art von Produktivität, die ich meine.
DEKAN: Und das ist auch nicht die Art von Gedankenaustausch, die ich meine.
ERZKANZLER: Ich will einfach nur wissen, was ihr den ganzen Tag über macht. Das gehört zu meinen verwaltungstechnischen Aufgaben.
DOZENT: Was wir den ganzen Tag über machen...
ERZKANZLER: Und zwar abgesehen vom Essen, Schlafen und Auf-Den-Abort-Gehen.
DOZENT: Oh.
ERZKANZLER: Ich verlange von euch, dass ihr euren Tagesablauf aufschreibt. Ihr führt Protokoll über alle wichtigen Tätigkeiten, die ihr wahrnehmt, und dieses Protokoll lasst ihr mir dann zukommen, damit ich mir ein Bild davon machen kann. Es ist meine Aufgabe zu wissen, was in dieser Universität geschieht.
Der Erzkanzler verteilt kleine Büchlein und Stifte. Während der Dozent für neue Runen und der Professor sich irritiert ansehen, lehnt sich der Dekan zurück und beginnt an seinem Stift zu knabbern.

Szene 6

Vor dem Wachhaus. Neben dem Eingang hängt das Wappen mit "Fabricati dies, punc". Sillybos, Charlie Holm, Avalania von Gilgory und Olga-Maria Inös kommen aus dem Wachhaus.
SILLYBOS: In Ordnung, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Jeder läuft die Adressen ab, die ich ihm gesagt habe und prüft, ob latatianische Bücher in dem Haushalt sind, und wenn nein, ob welche da sein sollten und ob sie eventuell gestohlen wurden.
AVALANIA: Wann treffen wir uns wieder?
SILLYBOS: Ich hoffe, dass wir das bis zum Dienstschluss erledigt haben.
OLGA-MARIA: In Ordnung. (salutiert.)
Avalania und Olga-Maria ab.
CHARLIE: Meine Route geht an meiner Wohnung vorbei, ich werde da noch mal kurz vorbeischauen. Ich erinnere mich an einen Artikel in der Times, der uns helfen könnte.
SILLYBOS: In Ordnung. Wir treffen uns dann später, vergleichen die Ergebnisse und planen unser weiteres Vorgehen für morgen.
Sillybos und Charlie ab. Goldie Kleinaxt und Humph MeckDwarf kommen aus dem Wachhaus.
GOLDIE: Also nochmal. Ich soll zur Diebesgilde und nach diesem Dieb fragen... wie heißt er noch?
HUMPH: Der Dieb heißt Pickit. Es geht um seine Zeugenaussage bei dem Vorfall an der Messingbrücke.
GOLDIE: Soso. Und worum geht es wirklich?
HUMPH: Also gut, es geht um unlizenzierten Diebstahl, und Pickit ist darin verwickelt. Aber wir wollen verhindern, dass die Diebesgilde Wind davon bekommt.
GOLDIE: Der Typ ist lizenzierter Dieb und begeht unlizenzierten Diebstahl? Warum?
HUMPH: Gerade das wollen wir ihn fragen. Darum der Vorwand mit der Zeugenaussage.
GOLDIE: Ich verstehe. Und dann bringe ich ihn mit?
HUMPH: Ja. Oder du sagst, er möge im Laufe des Tages vorbeikommen. Nur nicht zu offiziell, er soll keinen Verdacht schöpfen.
GOLDIE: In Ordnung, Sir. Ich denke, das sollte zu machen sein. Für die Gerechtigkeit!
Goldie Kleinaxt geht ab.

Szene 7

Ein Seminarraum. Die Herren Schnapp, Magus, Schmetterling, Buch und Tractatus sitzen an einem Tisch. Auftritt Referentin.
REFERENTIN: Meine Herren, gut, dass Sie alle da sind. Wir haben viel zu tun.
PICKIT: Immer noch? Ich dachte, wir wären fast fertig...?
REFERENTIN: (scharf.) Kümmern Sie sich erst einmal um die fehlenden Bücher. Sie werden noch früh genug eingeweiht.
Pickit nickt still.
REFERENTIN: Unsere beiden letzten Ziele werden das Archiv im Patrizierpalast und die Unsichtbare Universität sein. Ein Diebstahl kommt natürlich nicht in Frage, darum müssen wir die Bücher vor Ort zerstören.
LLYFER: Wie werden wir das anstellen? Wollen wir ein Feuer legen?
REFERENTIN: Nein. Eine gute Brandstiftung verlangt eine ausgezeichnete Ortskenntnis und zudem einen unvorsichtigen Gegner. Wir dürfen nicht vergessen, dass in dem Palast Lord Vetinari wohnt und dass auch der Bibliothekar in der Universität sehr wachsam ist.
LLYFER: Wie wollen wir es also anstellen?
REFERENTIN: Wir werden subtiler vorgehen. Herr Schmetterling?
PAPILLO: (steht auf.) Jau, ich hab hier die ultimative Lösung. Ich sag nur: Kaliber 400, Lat-Spezial. Hochgezüchtet mit Magieresistenz, Indexkontrolle, Mampfbuhster und latatianischer Dialekterkennung.
Die anderen schauen ihn schweigend an.
PAPILLO: Ein Bücherwurm, Mann. Der gefräßigste Bücherwurm, den die Welt je gesehen hat. Spezialzüchtung für latatianische Bücher.
LLYFER: Ein Bücherwurm? Naja ich weiß nicht...
REFERENTIN: (zu Papillo.) Können Sie das für uns demonstrieren.
PAPILLO: Na klar. (Er holt ein dickes Buch hervor.) Hier, ein latatianischer Schinken aus dem Lager.
LLYFER: Hee, vorsicht, das ist registriert.
PAPILLO: Ganz ruhig bleiben, Mann. (Er legt das Buch auf den Tisch und öffnet den Deckel. Dann holt er eine kleine Schachtel hervor.) So meine kleinen Freunde, jetzt macht mir ja keine Schande. (Er legt drei Würmer aus der Schachtel auf das Buch und klappt es zu.) Aufgepasst, Leute, das ist ein dramatischer Augenblick. (Er hebt das Buch hoch und schüttelt es. Kurz darauf zerfallen die Seiten zu Staub und er hält den leeren Buchdeckel in der Hand.)
TRACTATUS: Beeindruckend.
LLYFER: Ja schon... aber ist das nicht gefährlich?
PAPILLO: Hey, der frisst nur latatianisch, Mann. Ganz iehsi.
REFERENTIN: Ich bin zufrieden. Morgen Abend werden wir uns um das Archiv kümmern. Die Bibliothek kommt dann zum Schluss. Herr Schmetterling, Sie helfen mir bei den Vorbereitungen. Herr Schnapp, Herr Magus, Sie kümmern sich um die restlichen Bücher. Unser Zeitplan ist knapp.
LLYFER: Nur mal so... was passiert eigentlich, wenn wir unseren Auftrag erfüllt haben?
REFERENTIN: Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber ich plane eine weite Reise. Das achatene Reich scheint mir angemessen.
LLYFER: Und, äh, warum? Was passiert, wenn wir alle latatianischen Schriften zerstört haben?
REFERENTIN: Das weiß ich nicht, aber ich weiß, dass meine Auftraggeber sehr viel Geld für diesen Auftrag bezahlen, deswegen vermute ich, dass die Folgen weit reichend sein werden und vermutlich nicht sehr angenehm. Aus diesem Grund möchte ich gerne weit weg sein. Kommen Sie, meine Herren.
Referentin und Papillo und ab.

Szene 8

Patrizierpalast. Lord Vetinari sitzt im Rechteckigen Büro am Schreibtisch. Auftritt Drumknott.
DRUMKNOTT: Ich bringe dir die Ankh-Morpork-Times von heute, Herr.
VETINARI: Danke, Drumknott.
Drumknott legt die Zeitung auf den Tisch.
VETINARI: (versiegelt einen Brief und gibt ihn Drumknott.) Schicke diesen Brief an Boggis von der Diebesgilde.
DRUMKNOTT: In Ordnung, Herr. (wendet sich zum Gehen.)
VETINARI: Ach, und Drumknott...
DRUMKNOTT: Ja, Herr?
VETINARI: Verdoppele die Wachen im Archiv. Verdreifache sie bei den latatianischen Schriften.
DRUMKNOTT: Wird gemacht, Herr. (ab.)

Szene 9

Diebesgilde. Boggis sitzt an seinem Schreibtisch. Auftritt Goldie Kleinaxt.
BOGGIS: Ah, die fleißige Wächterin, was verschafft mir die Ehre?
GOLDIE: Hallo Boggis. Ich komme, weil ich einen deiner Diebe sprechen möchte.
BOGGIS: Worum geht es genau?
GOLDIE: Es gab letzte Nacht einen Todesfall an der Messingbrücke, und unsere Streife ist der Ansicht, dass Pickit den Vorfall beobachtet haben könnte.
BOGGIS: Pickit, wie? Da kann ich leider nichts zu sagen.
GOLDIE: Er soll ja auch nur kurz zu Protokoll geben, was er gesehen hat. Dauert keine zehn Minuten.
BOGGIS: Das mag sein, aber ich kann dir trotzdem nicht helfen. Ich weiß nicht, wo er ist.
GOLDIE: Du weißt es nicht?
BOGGIS: Er ist freischaffend. Das bedeutet, er bekommt einen Quittungsblock und einen festen Betrag zugeordnet, aber abgesehen davon ist er völlig frei, sowohl was das Viertel als auch was die Kunden betrifft. Insofern weiß ich nicht, wo er sich momentan aufhält.
GOLDIE: Aber als Chef dieser Gilde musst du doch wissen, wie deine Mitglieder erreichbar sind.
BOGGIS: Nun, natürlich haben wir da unsere Wege und Mittel. Aber du wirst verstehen, dass ich sie dir als Nichtmitglied nicht preisgebe.
GOLDIE: Wie du willst. Aber du kannst ihm ja vielleicht eine Nachricht zukommen lassen, dass er sich im Wachhaus meldet, wegen der Zeugenaussage.
BOGGIS: Das kann ich sicherlich tun. Schönen Tag noch.
GOLDIE: Danke. Auf Wiedersehen.
Goldie ab. Auftritt Sekretär.
SEKRETÄR: Ein Brief von Lord Vetinari, Herr.
BOGGIS: Hmm, etwas Interessantes scheint in der Stadt los zu sein. Gib her.

Szene 10

Vor dem Tor der Unsichtbaren Universität. Auftritt Hegelkant.
HEGELKANT: Ah, die Unsichtbare Universität. Und die Bibliothek. Herberge des Wissens, Hüterin der Weisheit. Und ich darf nun hoffen, selbst dieses Heiligtum zu betreten.
Er klopft an. Ein Wärter öffnet und mustert Hegelkant.
WÄRTER: Du kommst hier nicht rein.
HEGELKANT: Ich habe doch noch gar nicht mein Anliegen geschildert.
WÄRTER: Was gibt es denn?
HEGELKANT: Hegelkant ist mein Name. Ich wollte fragen, ob es möglich ist, in der Bibliothek ein Buch auszuleihen.
WÄRTER: Nein.
HEGELKANT: Aber es ist sonst nirgends zu kaufen. Und mein Herr hat mir extra aufgetragen, es zu besorgen.
WÄRTER: Dein Herr?
HEGELKANT: Ja, ich bin ein Sklave.
WÄRTER: (besorgt.) Ein Sklave? Und wird dein Herr böse, wenn du ihm das Buch nicht bringst?
HEGELKANT: Nun, er wird sicher nicht erfreut sein.
WÄRTER: Wird er dich auspeitschen lassen?
HEGELKANT: Nun, bisher bin ich immer recht glimpflich davongekommen.
WÄRTER: In Ordnung. Der Bibliothekar ist im Moment in einer Besprechung mit dem Erzkanzler, aber die dauern nie sehr lange. Komm rein. Ich werde mal Ponder Stibbons fragen, ob der für dich übersetzt, normalerweise versteht man nämlich kein Wort von dem, was der Bibliothekar sagt. Kann doch nicht sein, dass Leute wegen eines blöden Buches ausgepeitscht werden...
HEGELKANT: Vielen Dank.
Hegelkant betritt die Universität. Das Tor schließt sich hinter ihm.

Szene 11

Unsichtbare Universität. Das Büro des Erzkanzlers. Erzkanzler und Bibliothekar.
ERZKANZLER: Es muss sein. Ich brauche einen Bücherkatalog, da führt kein Weg dran vorbei.
BIBLIOTHEKAR: (wedelt mit den Armen) Ugh! Ugh. Ugh, ugh. Iieek. Ugh?
ERZKANZLER: Ja, du weißt, welche Bücher du in deiner Bibliothek hast, aber ich muss schließlich auch wissen, welche Bücher wir verfügbar haben.
BIBLIOTHEKAR: Ugh.
ERZKANZLER: Natürlich hängt die Verfügbarkeit eines Buches hängt in erster Linie von deinem Einverständnis ab, das bestreitet ja auch keiner.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh.
ERZKANZLER: Und von der des Buches, das ist mir auch klar.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ieek ugh.
ERZKANZLER: Ich verstehe dich ja. Aber ich habe hier das Sagen.
BIBLIOTHEKAR: (denkt einen Augenblick nach.) Ugh. Iieek!!
ERZKANZLER: Nein, überhaupt nicht, wo denkst du hin.
BIBLIOTHEKAR: (aufgeregt) Iiieek! Iieeek!!
ERZKANZLER: Wir würden dich niemals ersetzen können. Auch mit einer solchen Liste würden wir uns doch niemals in der Bibliothek zurecht finden.
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Ugh ugh ugh. Ugh!
ERZKANZLER: Nein, Unordnung kann ich nicht dulden.
BIBLIOTHEKAR: Ugh, ugh. Iieek.
ERZKANZLER: Wenn du dich weiter so aufführst, werde ich Maßnahmen ergreifen müssen.
BIBLIOTHEKAR: (beruhigt sich etwas) Ugh. Ugh ugh.
ERZKANZLER: Ja, ich weiß. Und jetzt tu, was ich dir gesagt habe.
Bibliothekar geht grummelnd ab.

Szene 12

Eine Wohnung in Ankh-Morpork. Die Wohnungstür öffnet sich. Auftritt Pickit und Magius.
PICKIT: Wieder eines von diesen Burlich-Schlössern, auf die hab' ich mich ja schon fast spezialisiert. Die knack ich inzwischen in null komma nix. Und ohne sie zu beschädigen.
MAGIUS: Jaja, du bist der Größte, aber jetzt lass uns trotzdem konzentriert weiterarbeiten. (holt sein Gerätle hervor.) Hier lang. (geht zum Bücherschrank.)
PICKIT: Das stinkt hier verdammt nach Pfeife. Wer hier wohl wohnt?
MAGIUS: Ist doch egal. (öffnet den Bücherschrank.)
PICKIT: (schaut sich um.) Sogar eine Geige hängt hier. Ganz geheuer ist mir der Kerl nicht.
Magius grummelt etwas und tauscht vereinzelte Bücher gegen Bücher aus seiner Tasche aus.
PICKIT: Sieh mal hier, der hat so Chemie-Zeugs. Ich sag dir, das ist bestimmt ein Massenmörder.
MAGIUS: Aber er ist nicht da, also braucht uns das nicht großartig kümmern.
PICKIT: Psst, ich höre was. (lauscht.) Schritte im Treppenhaus. Verdammter Mist! (schließt die Tür.)
MAGIUS: (schließt schnell den Bücherschrank.) Mach das Fenster auf. Schnell, auf's Dach!
Pickit öffnet das Fenster. Sie klettern hinaus.
PICKIT: (flüstert.) Hoffentlich bemerkt er uns nicht. Der würde uns sicher umbringen.
MAGIUS: (flüstert.) Halt doch einfach mal die Klappe!
Charlie Holm öffnet die Tür und betritt die Wohnung.
CHARLIE: (geht zu seinem Times-Archiv und sucht darin.) Ich hatte hier doch irgendwo...
Magius bedeutet dem Dieb, dass sie auf den First klettern sollen.
CHARLIE: Ah hier. (findet eine Ausgabe der Times und wendet sich zum gehen.) Nanu?
Magius und Pickit klettern auf den First.
CHARLIE: Hmm...
Charlie Holm geht langsam zum Fenster und schaut vorsichtig hinaus.
CHARLIE: Das Fenster war geschlossen, als ich heute Morgen das aus verließ.
Er beugt sich aus dem Fenster und schaut nach links, nach rechts und nach unten.
CHARLIE: Niemand zu sehen. Verdammt, sollten etwa...
Er öffnet den Bücherschrank und holt die Bücher hervor, die der Magius ausgetauscht hat.
CHARLIE: Alles leere Seiten. Was bin ich doch nur für ein Narr!
Er geht wieder zum Fenster und schaut nach Spuren.
CHARLIE: Hier sind sie raus. Aber wie sind sie reingekommen, bei geschlossenem Fenster?
Er geht zur Tür und untersucht das Schloss.
CHARLIE: Professionelle Arbeit. Hmm.
Er geht wieder zum Fenster.
CHARLIE: Es macht keinen Sinn, durch das Fenster zu fliehen, denn das nächste Haus steht zu weit entfernt, als dass man über die Dächer fliehen könnte. Sie wollten also über das Dach fliehen, um zu vermeiden, dass ihnen jemand im Treppenhaus begegnet, der Verdacht schöpfen könnte. Entweder hatten sie entsprechende Ausrüstung dabei und sind doch über das Dach geflohen, aber das wäre am hellen Tag wesentlich gefährlicher. Also sind sie, nachdem sie bemerkt haben, dass sie über die Dächer nicht fliehen können, wieder in die Wohnung rein und haben sie dann notgedrungen doch durch die Tür verlassen. Da sie mir nicht begegnet sind, ist das schon mindestens fünf Minuten her, insofern wäre es aussichtslos, sie zu verfolgen. Oh ich Narr!
Er nimmt die Ausgabe der Times, die er gesucht hatte, und verlässt die Wohnung.
MAGIUS: Ich glaube, er ist gegangen. Komm.
PICKIT: Wollen wir nicht lieber noch ein paar Minuten warten? Auf Nummer sicher gehen?
MAGIUS: Auf keinen Fall! Sobald er unten ist, wird er zum Dach hochschauen, ob er nicht doch etwas sieht. Deswegen müssen wir wieder in der Wohnung sein, bevor er auf der Straße ist. Zum Glück hat er das Fenster offen gelassen.
PICKIT: Ich hab's gleich gesagt, tagsüber arbeiten ist einfach zu gefährlich.
Sie klettern wieder in die Wohnung.
MAGIUS: (öffnet die Tür.) Im Treppenhaus ist niemand. Komm, die Luft ist rein.
PICKIT: Jetzt ist ja auch gelüftet. Wie kann man bloß Pfeife rauchen...
Pickit und Magius ab.

Szene 13

Tempel der geringen Götter. Viele große Kisten stehen herum. Dux überprüft die Kisten. Auftritt Zwerg mit einer weiteren Kiste.
WAFFENHÄNDLER: So, das ist dann die letzte.
DUX: Gut. Gehen wir also alles nochmal durch.
WAFFENHÄNDLER: (holt eine Liste hervor.) Also, wir haben hier zwei Armbrüste, drei Langbögen, sechs Schwerter, einen Morgenstern, zwei Hellebarden und drei Streitäxte. (Er deutet auf die entsprechenden Kisten.) Und noch eine M.U.T. in dieser Kiste nebst Gebrauchsanweisung.
DUX: Was ist mit der Munition?
WAFFENHÄNDLER: Zu jeder Waffe ist ein Standardsatz an Munition beigefügt. Fünfzig Bolzen je Armbrust, für die Bögen zwanzig Standardpfeile und zehn Feuerpfeile, und drei Hochkalibergeschosse für die M.U.T.
DUX: (leise.) Ausgezeichnet.
WAFFENHÄNDLER: Darf ich fragen, wofür Sie das alles brauchen.
DUX: Oh, wir wollen nur mit ein paar Freunden eine kleine caeremonia veranstalten.
WAFFENHÄNDLER: Ach so, na dann wünsche ich Ihnen viel Spaß! Auf Wiedersehen! (Ab.)

Szene 14

Die Bibliothek in der Unsichtbaren Universität. Der Bibliothekar läuft beschäftigt hin und her. Auftritt Ponder Stibbons und Hegelkant.
PONDER: So, da wären wir. Der Bibliothekar ist im Moment nicht bei bester Laune, denn er muss Inventur machen. Aber fragen kostet nichts.
HEGELKANT: Ich möchte wirklich keine Umstände machen...
BIBLIOTHEKAR: (bleibt bei den beiden stehen.) Ugh. Ugh?
PONDER: Ja, der junge Mann hier hat eine Frage.
BIBLIOTHEKAR: Ugh?
HEGELKANT: Ja, äh, ich wollte fragen, ob ich ein Buch ausleihen könnte. Es ist für meinen Herrn, Feldwebel Sillybos von der Stadtwache.
BIBLIOTHEKAR: Ugh, ugh! Ugh! Iieek. Ugh!
PONDER: Er sagt, er muss Inventur machen, und in der Zeit können keine Bücher ausgeliehen werden. Ja, er ist ziemlich verärgert.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh. Iek ugh iek ugh! Ugh!
PONDER: Nana, jetzt übertreibst du aber.
BIBLIOTHEKAR: Ugh! Ugh Iieek ugh!
PONDER: Ähm, das übersetze ich lieber nicht. Wie gesagt, er freut sich nicht darüber. Hoffentlich hat der Erzkanzler das nicht gehört.
HEGELKANT: Wie lange dauert die Inventur denn?
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh. Ugh ugh ugh. Ieek.
PONDER: So vier bis fünf Tage, schätzt er. Denn die gefährlichen Bücher muss er mit zwei Händen anfassen, und da er auf mindestens einem Fuß stehen muss, kann er mit dem anderen nicht zugleich den Block halten und aufschreiben.
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Iek ugh.
PONDER: Er meint, zu zweit ginge das wesentlich schneller, aber den Professoren vertraut er nicht und die Studenten sind alle faul. Ich persönlich halte das für eine nicht zulässige Pauschalisierung.
HEGELKANT: Hm, also wenn ich irgendwie helfen kann...
BIBLIOTHEKAR: (geht um Hegelkant herum und betrachtet ihn genauer.) Ugh ugh. Ugh ugh iek.
PONDER: Er sagt folgendes. Wenn du ihm bei der Inventur hilfst, darfst du dir ein Buch ausleihen, sofern es kein magisches oder sonstwie gefährliches Buch ist.
HEGELKANT: Magisch ist es nicht, aber... Hm. Ist Philosophie gefährlich?
BIBLIOTHEKAR: Ugh. Ugh.
PONDER: Er hält Philosophen für harmlos. Harmlose Irre, um genau zu sein, und bei weitem nicht so schlimm wie gewisse Mitglieder der Fakultät. Was sagst du zu dem Vorschlag?
HEGELKANT: Naja, ich weiß nicht, ob mein Herr damit einverstanden ist, aber andererseits komme ich ansonsten auch nicht an das Buch. Insofern dürfte er nichts dagegen haben. (Er nickt dem Bibliothekar zu.) Also gut.
BIBLIOTHEKAR: Ugh ugh. Ieek. Ugh.
PONDER: Er ist einverstanden. Da es heute schon spät ist, sollst du morgen früh um acht hierher kommen. Er bereitet bis dahin alles vor.
HEGELKANT: In Ordnung, also dann bis morgen.
BIBLIOTHEKAR: Ugh.
Hegelkant ab. Der Bibliothekar winkt zum Abschied.

Szene 15

Diebesgilde. Boggis sitzt an seinem Schreibtisch. Auftritt Pickit.
PICKIT: Ihr habt mich rufen lassen?
BOGGIS: (steht auf.) Ah, Pickit, in der Tat. Ich habe heute einen Brief von Lord Vetinari erhalten, in dem es auch um dich geht.
PICKIT: (überrascht.) Um mich?
BOGGIS: Ja. Hör zu. (er holt den Brief hervor und liest.) Mein lieber Boggis, wenn in einem Wald ein Baum umfällt und niemand da ist, der es hört, macht der Baum dann wirklich ein Geräusch? Diese Frage beschäftigt die Philosophen seit Jahrhunderten; dir, Boggis, möchte ich eine ähnliche Frage stellen. Wenn in Ankh-Morpork etwas gestohlen wird, und niemand da ist, der es bemerkt, ist es dann wirklich ein Diebstahl? Es dürfte lohnend sein, darüber nachzudenken, insbesondere, wenn keine Quittung hinterlegt wurde, da ich auf die Verbrechenskontrolle in der Stadt Wert lege. Bei Gelegenheit könntest du auch das Gildenmitglied Pickit zu Rate ziehen, wie er über diese Frage denkt. Hochachtungsvoll, Havelock Vetinari. (steckt den Brief ein.) Hast du mir irgendwas zu sagen?
PICKIT: (unsicher.) Ich weiß nicht, was Lord Vetinari meint, echt nicht.
BOGGIS: Das glaube ich dir sogar. Ich halte dich einfach für zu dumm, um dir über philosophische Fragen Gedanken zu machen. Aber ich warne dich. Wir haben einen Ruf zu verlieren. Unlizenzierten Diebstahl werde ich rigoros verfolgen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gilde. Haben wir uns verstanden?
PICKIT: Ja, Herr.
BOGGIS: Gut. Ach, die Stadtwache war vorhin hier, sie wollten dich wegen einer Zeugenaussage sprechen. Es geht um einen Todesfall an der Messingbrücke. Du sollst zum Wachhaus kommen.
PICKIT: Äh, ja, ist gut.
BOGGIS: (nickt.) Du kannst gehen.
Pickit ab.

Szene 16

Wachhaus. Büro von Charlie Holm und Sillybos. Auftritt Sillybos.
SILLYBOS: Puh, was für ein Tag. (lässt sich in den Bürosessel fallen.) Ich bin zu alt dafür, den ganzen Tag in der Stadt umherzulaufen. Auch Frau Olpenknoot war nicht sehr erfreut, mich wiederzusehen, meine Güte. Aber das Ergebnis war eindeutig. Ich bin gespannt, ob das bei den anderen auch so war.
Auftritt Olga-Maria Inös.
SILLYBOS: Und?
OLGA-MARIA: (salutiert.) Melde mich zurück, Sir. Keine latatianischen Bücher in den zugeteilten Adressen. Stattdessen identische Bücher mit leeren Seiten.
SILLYBOS: Nicht identisch, denn in den latatianischen Büchern stand ja was drin. Aber ich verstehe, was du meinst. Danke, Gefreite.
OLGA-MARIA: Kann ich jetzt gehen, Sir?
SILLYBOS: Ja, vielen Dank.
Olga-Maria salutiert und geht ab. Auftritt Avalania von Gilgory.
AVALANIA: (salutiert.) Gefreite von Gilgory, Herr Feldwebel, ich melde mich zurück.
SILLYBOS: Ihr immer mit eurem komischen Geradestehen und Hand an die Schläfe halten. Ihr seid keine Rekruten mehr. In der Abteilung grüßt man sich ganz formlos.
AVALANIA: Ja, Sir.
SILLYBOS: Nur bei den Offizieren solltest du salutieren, die sind halt wichtig legen da Wert drauf. Aber davon abgesehen, was hast du erreicht?
AVALANIA: Ich habe keine Bücher gefunden. Nur...
SILLYBOS: ... nur ähnlich aussehende Bücher mit leeren Seiten?
AVALANIA: Genau, Sir. Woher...?
SILLYBOS: Das bestätigt meinen Verdacht. Danke, Avalania, du hast mir einen großen Dienst erwiesen, genauso wie auch Olga-Maria. Du kannst wegtreten.
Avalania setzt zum Salutieren an, nimmt dann die Hand aber wieder runter und geht ab.
SILLYBOS: (steht auf und geht umher.) Die Täter haben es also auf latatianische Bücher abgesehen. Aber warum? Welches Ziel haben sie? Hmm.
Auftritt Charlie Holm.
CHARLIE: Sir, Ich habe die Liste abgearbeitet. Wie zu erwarten hat niemand mehr seine latatianischen Werke. Alle wurden gegen leere Bücher ausgetauscht.
SILLYBOS: Damit habe ich gerechnet.
CHARLIE: In meiner Wohnung übrigens ebenfalls.
SILLYBOS: Bei dir auch? Deine Adresse steht nicht auf der Liste.
CHARLIE: Die Liste ist auch von gestern, Sir. Die Täter sind noch aktiv.
Auftritt Goldie Kleinaxt.
GOLDIE: So, ich habe mit Boggis gesprochen, allerdings ohne großen Erfolg.
SILLYBOS: Inwiefern?
GOLDIE: Pickit ist freischaffend, also ohne festes Aufgabengebiet. Demnach weiß Boggis auch nicht, wo er sich im Moment aufhält. Aber er sagte zu, ihn zu benachrichtigen, dass er sich im Wachhaus melden solle.
SILLYBOS: Hast du ihm auch den Grund gesagt? Den Vorfall an der Messingbrücke?
GOLDIE: Ja, so wie Humph es mir aufgetragen hat.
SILLYBOS: Sehr gut. Hoffen wir, dass er keinen Verdacht schöpft, sondern dieser Aufforderung nachkommt. Denn schließlich würde eine Weigerung unerwünschte Aufmerksamkeit der Gilden auf sich ziehen.
CHARLIE: Trotzdem können wir uns nicht darauf verlassen, dass er uns viel erzählen wird. Wir sind immer mindestens einen Schritt zu spät! Um die Täter zu fassen, müssen wir ihnen einen Schritt voraus sein!
SILLYBOS: Dazu müssten wir sie überholen, metaphorisch gesehen.
CHARLIE: Aus diesem Grund bin ich ja noch mal nach Hause gegangen. Ich habe eine alte Ausgabe der Times gefunden, in der ein Bericht über die Linguistengilde abgedruckt war. Eine relativ kleine Gilde, die sich mit allem, was mit Sprache zu tun hat, befasst, insbesondere auch mit der latatianischen Sprache. Dort werden wir etwas über das Motiv erfahren.
SILLYBOS: Hm. Kann ich den Artikel mal sehen?
CHARLIE: Sicher. (reicht Sillybos die Zeitung.)
SILLYBOS: (überfliegt den Artikel.) Interessant. Dort könnte man uns mit Sicherheit erzählen, was es mit diesen latatianischen Büchern auf sich hat. So kommen wir vielleicht bezüglich des Motivs weiter.
CHARLIE: Ein Versuch ist es sicherlich wert.
SILLYBOS: Könnte ich mir die Zeitung für heute Abend ausleihen? Ich würde den Artikel gern in Ruhe lesen.
CHARLIE: Sicher. Bring' sie morgen einfach zum Dienst wieder mit.
SILLYBOS: Selbstverständlich. Bis morgen dann!

Szene 17

Ein stilles Kämmerlein. Tractatus sitzt über seinen Entwürfen. Auftritt drei Revisoren.
TRACTATUS: Die neue Sprache ist fast fertig. Ich habe alle Anforderungen erfüllt und das Konzept zudem noch um einige Aspekte erweitert. Zu Ihrer vollsten Zufriedenheit, da bin ich sicher.
ERSTER REVISOR:
Die Revisoren stecken die Köpfe zusammen und beraten.
ERSTER REVISOR: Welche Art von Veränderungen?
TRACTATUS: Nun, ich habe noch Begriffe für Liebe, Freiheit, Moral, Schönheit und ähnliches hinzugefügt.
Die Revisoren stecken erneut die Köpfe zusammen und beraten.
TRACTATUS: Und dass es nicht so etwas wie einen Konjunktiv gibt, muss wohl ein Versehen sein. Auch dieses Konzept ist nun in der neuen Sprache enthalten.
Die Revisoren stecken erneut die Köpfe zusammen und beraten erneut.
ERSTER REVISOR: Nein.
TRACTATUS: Was? Aber was ist daran falsch? Es gibt garantiert keine Missverständnisse!
ZWEITER REVISOR: Es wird nicht benötigt.
DRITTER REVISOR: Sprache ist die Gesamtheit der Sätze. Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.
ERSTER REVISOR: Der Elementarsatz behauptet das Bestehen eines Sachverhalts.
ZWEITER REVISOR: Sprache schlägt sich somit nieder in Protokollen und Berichten.
DRITTER REVISOR: Zudem drückt Sprache aus, wie die Welt sein soll.
ERSTER REVISOR: In Paragraphen und Verordnungen.
ZWEITER REVISOR: Richtlinien und Normen.
DRITTER REVISOR: Mehr soll die Sprache nicht leisten.
TRACTATUS: Aber... aber... das ist doch dann keine Sprache mehr! Das ist ... erbärmlich! Wie soll man jemals über Sachen wie Liebe, Schönheit, Moral, Philosophie reden können, wenn man keine Begriffe dafür hat?
ERSTER REVISOR: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.
Revisoren ab. Tractatus sinkt enttäuscht über seinem Schreibtisch zusammen.

Szene 18

Sillybos' Fass. Hegelkant deckt den Tisch für das Abendessen. Auftritt Sillybos.
HEGELKANT: Guten Abend, Herr.
SILLYBOS: Guten Abend, Hegelkant. Oh Mann, was für ein Tag.
HEGELKANT: War euer Tag auch so aufregend?
SILLYBOS: Anstrengend war er. Ich bin quer durch die Stadt gelaufen und habe Adressen abgeklappert. Jetzt ein gutes Essen und dann ein entspannendes Bad.
HEGELKANT: Es gibt heute Nudeln mit Pilzsoße, und als Nachtisch Mus-o-Schoklah.
SILLYBOS: (setzt sich.) Das hört sich doch gut an. Aber ist heute nicht Fisch dran?
HEGELKANT: Dazu hatte ich leider keine Zeit mehr, Herr. Ich kam erst spät nach Hause. Darum habe ich heute etwas gemacht, das schneller zubereitet ist.
SILLYBOS: (füllt sich Nudeln auf.) Nanu? Was hast du gemacht?
HEGELKANT: (setzt sich ebenfalls.) Ihr hattet ja gesagt, ich solle die Ars Dialogi für Euch besorgen. Allerdings ist das in keiner Buchhandlung mehr verfügbar.
SILLYBOS: Hmm. Eigenartig. (nimmt sich Soße.)
HEGELKANT: (nimmt sich Nudeln.) Ja, Herr Schepter hat mir auch sein Leid geklagt. Aber dann meinte er, ich könnte es ja mal bei der Unsichtbaren Universität versuchen, ob ich mir das Buch ausleihen könnte. (nimmt sich Soße.) Als ich dann dort war, kam das nächste Problem, denn in der Bibliothek wird gerade Inventur gemacht und da dürfen keine Bücher ausgeliehen werden.
SILLYBOS: (schenkt beiden Wein ein.) Hmm... Die Bibliothek, natürlich...
HEGELKANT: Aber dann hat der Bibliothekar - wusstet ihr eigentlich, dass der Bibliothekar ein Affe ist?
SILLYBOS: (beginnt zu essen.) Hm? Mja, ich hatte mal mit ihm zu tun.
HEGELKANT: Naja, der Bibliothekar hat mir jedenfalls angeboten, dass ich das Buch ausleihen kann, wenn ich ihm bei der Inventur helfe. (isst ebenfalls.)
SILLYBOS: Und was hast du gesagt?
HEGELKANT: Ich dachte, wo ihr das Buch doch unbedingt haben wollt, hättet ihr sicher nichts dagegen.
SILLYBOS: (ernst.) Hegelkant, als mein Sklave ist es deine Pflicht, mir bedingungslos und jederzeit zu dienen und zur Verfügung zu stehen. Ich kann nicht dulden, dass du andere Aufgaben wahrnimmst, mit denen ich dich nicht betraut habe.
HEGELKANT: (defensiv.) Ja, Herr, aber ich dachte, wo ihr doch das Buch... ich dachte...
SILLYBOS: Allerdings ist es die Aufgabe interessant, und es könnte für meinen derzeitigen Fall vielleicht sogar nützlich sein, wenn du in der Bibliothek bist.
HEGELKANT: Danke, Herr.
SILLYBOS: Aber sei vorsichtig. Magische Bücher können gefährlich sein.
HEGELKANT: Ich bin sicher, dass der Bibliothekar darauf aufpassen wird.
SILLYBOS: (legt sein Besteck auf den Teller.) Es hat gut geschmeckt, Hegelkant. Aber was anderes. Hat Herr Schepter gesagt, warum das Buch nicht mehr verfügbar ist?
HEGELKANT: Nicht nur das, sondern kein latatianisches Buch. Es sind wohl alle latatianischen Bücher aufgekauft worden, und die Gilde gibt keine Bücher mehr raus.
SILLYBOS: Welche Gilde?
HEGELKANT: Das habe ich mich auch gefragt. Er meint die Linguistengilde. Es scheint eine relativ neue Gilde zu sein, die sich wohl um alle Aspekte der Sprache kümmert. Und insbesondere verlegt sie eben alle latatianischen Bücher, die in Ankh-Morpork erscheinen, hat Herr Schepter gesagt.
SILLYBOS: Das ist interessant.(trinkt.) Charlie Holm hat mich heute auf einen Zeitungsartikel über diese Gilde aufmerksam gemacht. Das was du gerade erzählt hast, spricht noch mehr für einen Besuch dort. (holt die Ausgabe der Times hervor, schlägt den Artikel auf und beginnt zu lesen.) Hm. Ich bin neugierig. Hegelkant, wie spät ist es?
HEGELKANT: Zwanzig vor neun, Herr.
SILLYBOS: Gut. Bring mir meinen Mantel, ich gehe noch mal aus.
HEGELKANT: (steht auf.) Aber Herr, es ...
SILLYBOS: (unterbricht.) Hegelkant, bitte.
HEGELKANT: Wie ihr wünscht, Herr. Aber was ist mit ...?
SILLYBOS: (hebt mahnend den Finger.) Hegelkant.
HEGELKANT:Ja, Herr. (holt den Mantel.)
SILLYBOS: Ich werde der Linguistengilde einen Besuch abstatten. Warte nicht auf mich, ich weiß nicht, wie spät es wird. (wendet sich zum Gehen.)
HEGELKANT:In Ordnung, Herr, aber... aber...
Sillybos ab.
HEGELKANT: Aber was mache ich jetzt mit dem Mus-o-Schokla?

Szene 19

Unsichtbare Universität. Der Dekan, der Dozent für neue Runen und der Professor für unbestimmte Studien sind beim Abendessen. Der Dekan schreibt immer wieder in sein Notizbuch.
DOZENT: Was schreibst du da eigentlich die ganze Zeit?
DEKAN: Der Erzkanzler hat uns aufgefordert, über unseren Tagesablauf Buch zu führen. Und genau das tue ich.
PROFESSOR: Wir sollen nur über unsere wissenschaftliche Tätigkeit Buch führen.
DOZENT: Insbesondere sollen wir unsere Mahlzeiten ausdrücklich nicht aufschreiben.
DEKAN: Ich schreibe nur das auf, was ich für wichtig halte. Der Erzkanzler wird sehr zufrieden sein.
Auftritt Erzkanzler.
ERZKANZLER: So, ein weiterer Tag neigt sich dem Ende. Ich hoffe, ihr wart alle produktiv.
DOZENT: Ich, äh...
PROFESSOR: Nun ja, äh...
DEKAN: (lehnt sich zufrieden zurück.)
ERZKANZLER: Und habt eure Arbeit auch gründlich protokolliert.
DOZENT: Ich darf erwähnen, dass wir diese Büchlein erst nach dem Mittagessen bekommen haben.
PROFESSOR: Genau. Wir pflegen unsere wissenschaftliche Arbeit morgens zu verrichten.
DOZENT: In aller Frühe.
PROFESSOR: Direkt nach dem Aufstehen.
DOZENT: Kurz nach Sonnenaufgang.
PROFESSOR: Darum sind wir nachmittags so erschöpft, dass wir nicht mehr wissenschaftlich arbeiten können.
ERZKANZLER: Jaja, nun zeigt mal, was ihr bisher gemacht habt.
Der Dozent und der Professor reichen dem Erzkanzler ihre Bücher.
ERZKANZLER: (liest die erste Seite des Buches vom Dozenten.) Oh, interessant. Es gab Himbeerkuchen zum Tee?
DOZENT: Ja, ähm, er war sehr lecker.
ERZKANZLER: Und was hat das mit Magie zu tun?
DOZENT: Es könnten magische Himbeeren gewesen sein. Denn normalerweise schmeckt er nicht so gut...
ERZKANZLER: Soso. (blättert zur zweiten Seite, die aber leer ist.) Das war's?
DOZENT: Nun, wie ich bereits sagte...
ERZKANZLER: Ein bisschen dürftig, findest du nicht?
DOZENT: Ja, aber heute früh, da...
ERZKANZLER: Nun, ich bin gespannt, was ihr morgen vorzuweisen habt. (er gibt die Bücher zurück.) Hast du auch Buch geführt, Dekan?
DEKAN: Selbstverständlich. (reicht dem Erzkanzler sein Notizbuch.) Du wirst zufrieden sein.
ERZKANZLER: Nun, wir werden sehen. (beginnt zu lesen und durch das Buch zu blättern.) Hmhm. Ahja.
DOZENT: Der Dekan schummelt! Er war den ganzen Nachmittag in unserer Nähe.
PROFESSOR: Und hat nichts anderes gemacht außer Essen und Auf-den-Abort-gehen.
DEKAN: Ich schwöre, es steht kein einziges falsches Wort in dem Buch. Das ist eben meine neue Methode. Ich verbinde das Angenehme mit dem Produktiven.
DOZENT: Sogar in der Mittagspause hat er sich nicht mit Magie beschäftigt, sondern sich noch eine zweite Portion vom Hackbraten geholt.
ERZKANZLER: (ist auf der letzten Seite angekommen.) Ausgezeichnet, Dekan! Das nenne ich mal einen produktiven Tag!
DEKAN: Danke Erzkanzler. Mit dem zweiten Buch habe ich gerade angefangen.
ERZKANZLER: Sehr gut, so habe ich mir das vorgestellt. Weiter so!
Der Erzkanzler gibt dem Dekan sein Buch zurück und geht ab. Der Dekan lehnt sich wieder zufrieden zurück.
DOZENT: Neue Methode? Was für eine neue Methode?

Szene 20

Lagerhaus. Llyfer sitzt an einem Tisch und hat einen Ordner vor sich. Auftritt Magius mit einem Sack voller Bücher.
MAGIUS: Ich bringe hier die Beute vom heutigen Tag, Herr Buch.
LLYFER: In Ordnung. Ich trage sie in meine Liste ein.
Magius leert seinen Sack und stapelt die Bücher auf dem Tisch.
MAGIUS: Ich hoffe, dass wir morgen fertig werden. Es sind nur noch zwei Straßen übrig mit dreizehn Adressen. Wenn wir uns ranhalten, schaffen wir es.
LLYFER: Hmhm. (geht die Bücher durch und trägt sie ein.)
Auftritt Referentin und Papillo
REFERENTIN: Sie sind da, Herr Magus, sehr gut. Wo ist Herr Schnapp?
MAGIUS: Er wurde kurz nach unserer letzten Adresse zur Diebesgilde gerufen in einer dringenden Angelegenheit. Er wird so bald wie möglich kommen.
REFERENTIN: Ich hoffe, es gibt keine Unannehmlichkeiten.
MAGIUS: Bis auf die Tatsache, dass er ein völlig inkompetenter Trottel ist?
REFERENTIN: Herr Magus, das von mir erwartete Mindestmaß an Professionalität gebietet respektvollen Umgang miteinander. Zumindest bis zum Ende Ihrer Aufgabe.
MAGIUS: Bei diesem Mitarbeiter fällt es mir zunehmend schwer.
PAPILLO: Immer kuhl bleiben, Mann. Wenn ihr damit durch seid, zieht ihr euch am besten erstmal einen rein, und schon sieht die Welt total iehsi aus.
REFERENTIN: Was Sie nach Beendigung Ihrer Aufgabe unternehmen, ist mir gleich. Aber bis dahin erwarte ich volle Konzentration. Insbesondere jetzt, denn die kritische Phase des Projekts steht bevor. Ich werde Sie jetzt mit den Plänen für morgen bekannt machen.
LLYFER: Sollten wir nicht noch auf Herrn Schnapp warten?
REFERENTIN: Herr Schnapp kennt seinen Auftrag für morgen - nämlich mit Herrn Magus alle Bücher aus den Privathaushalten zu beschaffen. Mit unserer Aufgabe wird er nicht in Kontakt kommen. Zudem könnte es ein Sicherheitsrisiko sein, wenn er davon weiß.
MAGIUS: Soll ich gehen?
REFERTENTIN: Nein, Herr Magus. Sie sind kein Sicherheitsrisiko, weil Sie vorsichtiger sind und nicht von der Diebesgilde und der Stadtwache gejagt werden. Außerdem werden Sie für unsere Pläne bezüglich der Universität gebraucht, weshalb es nicht schaden wird, wenn Sie unser Vorgehen kennen.
MAGIUS: In Ordnung.
REFERENTIN: In Ordnung, fangen wir also an. Ich habe in den letzten Monaten mehrfach den Palast beobachtet. Die Palastwache scheint mir aus ziemlichen Taugenichtsen zu bestehen, allerdings sehr penibel was die Sicherheit und Kontrollen angeht. (holt drei Umschläge hervor.) Allerdings sind wir angekündigt. Wir werden eine Delegation von quirmischen Historikern mimen. (gibt Llyfer und Papillo jeweils einen Umschlag.) Hier finden Sie alle wichtigen Papiere, die Sie für den Auftrag brauchen. Die Unterschriften auf den Genehmigungspapieren sind echt; unser Komplize im historischen Institut in Quirm hat gute Arbeit geleistet. Er hat auch die offizielle Nachfrage des Palastes, ob Quirm denn wirklich eine solche Delegation geschickt hätte, bestätigt. Wir müssen nur hoffen, dass man keinen Verdacht schöpft und die Sache ihre Kreise bis Vetinari zieht. Solange das nicht geschieht, werden wir in die Archive kommen. Was Sie dort zu tun haben, steht in dem individuellen Ablaufplan in Ihrem Umschlag. Haben Sie Fragen, meine Herren?
LLYFER: Zu diesem Plan direkt nicht. Aber ist es nicht sinnvoll, unmittelbar danach zur Bibliothek zu gehen und die beiden Einrichtungen direkt hintereinander zu erledigen? Dadurch würden wir die Gelegenheit nutzen, solange die Augen der Öffentlichkeit noch auf die Archive gerichtet sind.
REFERENTIN: Ein guter Gedanke, aber unvorsichtig. Je üppiger die Pläne blühen, desto verzwickter wird die Tat. Es gäbe wesentlich mehr Variablen, und die Gefahr, dass etwas schief ginge, wäre nicht mehr kalkulierbar. Deswegen werden wir es so machen wie bisher vorgesehen, nämlich einen Tag später.
PAPILLO: Das geht schon klar, Mann.
Llyfer und Papillo ab. Auftritt Pickit.
PICKIT: Schlecht, alles ganz schlecht. Wir müssen das ganze abblasen.
REFERENTIN: Herr Schnapp, beruhigen Sie sich. Was ist passiert?
PICKIT: Boggis weiß von den Büchern. Vetinari hat's ihm gesteckt, in einem Brief. Jetzt bin ich dran wegen unlizenziertem Diebstahl.
REFERENTIN: Vetinari? Das ist in der Tat nicht gut. Sie müssen jetzt besonders vorsichtig sein.
PICKIT: Außerdem soll ich morgen zur Wache wegen dieser Sache an der Messingbrücke.
REFERENTIN: Das werden Sie nicht tun, Herr Schnapp.
PICKIT: Aber es war eindeutig ein Unfall, die können mir gar nichts!
REFERENTIN: Das ist doch nur ein Vorwand, die Wache hat längst spitzgekriegt, was wir hier machen. Sie sind die einzige Spur, deswegen sucht die Wache Sie nun, Herr Schnapp. Sie werden nicht zur Wache gehen.
PICKIT: Aber wenn die Wache davon weiß, dann haben sie doch bemerkt, dass die Bücher geklaut wurden. Und damit ist es Diebstahl! Oh weh, ich bin verloren! Boggis wird mich lynchen oder Schlimmeres mit mir machen...
REFERENTIN: Die Wache hat nichts davon, wenn sie der Diebesgilde von den Diebstählen erzählt, ohne Sie vorher verhört zu haben, Herr Schnapp. Denn dann würde die Diebesgilde Maßnahmen ergreifen und die Wache würde Sie nicht mehr verhören können. Wenn Sie also nicht zur Wache gehen, wird Ihnen nichts passieren.
PICKIT: Aber was mache ich, wenn Boggis von woanders von den Diebstählen erfährt? Vetinari weiß davon! Und auch andere werden es irgendwann bemerken!
REFERENTIN: Noch zwei Tage, Herr Schnapp. Solange werden Sie wohl noch in dieser Stadt überleben können. Arbeiten Sie weiterhin vorsichtig und gewissenhaft und gehen Sie jeglichen Konfrontationen mit der Wache oder der Diebesgilde aus dem Weg. Danach brauchen Sie sich keine Sorgen mehr um Ihren Kopf zu machen.

Szene 21

Empfangsraum der Linguistengilde mit einer Sitzecke. Es klopft. Auftritt Pförtner.
PFÖRTNER: Klopf klopf klopf. Welch' fragend Klopfen zu so später Stund'? Wer verlangt Einlass in unser beschaulich' Heim? Öffnet' ich nicht, würd' ich's nie erfahren. Eine Begegnung, doch ungefragt, würde versagt geblieben; nie erführe ich...
Es klopft erneut.
PFÖRTNER: Klopf klopf klopf. Schon wieder! Ist's derselbe, ich mag's fast vermuten. Doch wie kann ich's wissen? Ich möchte versuchen... (nähert sich der Tür.)
Es klopft erneut.
PFÖRTNER: Klopf klopf klopf, wer ist da? Ich bin hier, eine Antwort erwartend.
SILLYBOS: (off.) Mein Name ist Sillybos, und ich erbitte Einlass.
PFÖRTNER: Ein Name erschallt, mein Gedächtnis befragend. Wie lautete er? Silly... bos? Klingt irgendwie... blöd. Aber sollt' ich ihm deswegen den Einlass verwehren? (greift zum Türgriff.) Namen sind Schall und Rauch. Herein!
Er öffnet die Tür. Auftritt Sillybos.
SILLYBOS: Danke, guter Mann. Ich suche das Gildenoberhaupt und wünsche es zu sprechen.
PFÖRTNER: Ich fürchte, der hohe Herr ist unpässlich. Ich vermute, er hat sich zum Schlafen zurückgezogen. Ihr habt eine ungewöhnliche Zeit gewählt, werter Herr.
SILLYBOS: Das ist ungünstig. Gibt es jemanden, der noch pässlich ist und mir Auskunft über die latatianische Sprache geben kann?
PFÖRTNER: (nimmt Sillybos' Mantel.). Oh, da könntet Ihr in der Tat Erfolg haben. Im stillen Kämmerlein habe ich noch Licht brennen sehen. Unser Experte für die latatianische Sprache, Tractatus, arbeitet dort seit Monaten, niemand weiß woran. Ich werde versuchen, ihn zu holen.
Pförtner ab.
SILLYBOS: Tractatus? Sagte er 'Tractatus'? Das wäre ein Wiedersehen, das ich mir nicht unbedingt gewünscht habe, nicht seit der Zeit damals in Ephebe. Aber vielleicht...
Auftritt Tractatus.
SILLYBOS: Tractatus.
TRACTATUS: Sillybos. Nach so langer Zeit hätte ich mir eine Begrüßung herzlicher vorgestellt.
SILLYBOS: Gerade deswegen ist die Begrüßung nicht sehr herzlich.
TRACTATUS: Ich nehme nicht an, du ist hier, um über alte Zeiten zu reden?
SILLYBOS: Mein Gewissen ist rein, im Gegensatz zu deinem.
TRACTATUS: Es ist Jahre her...
SILLYBOS: Jaja, du warst jung und brauchtest das Geld. Ich kenne die Ausreden. Du hast mich um den Sieg gebracht!
TRACTATUS: Ich werde hier nicht über den Wettkampf damals reden. Nicht jetzt. Warum bist du hier?
SILLYBOS: Es geht um die latatianische Sprache. Ich würde gern mehr darüber erfahren.
TRACTATUS: Hm. Setzen wir uns doch.
Sie nehmen Platz.
TRACTATUS: Geht es um etwas Bestimmtes?
SILLYBOS: Latatianische Bücher werden gestohlen. Keine speziellen, sondern alle. Ich möchte rausfinden, warum.
TRACTATUS: Wieso interessiert dich das? Bist du bei der Stadtwache?
SILLYBOS: Zufälligerweise ja.
TRACTATUS: Ach nein, wie interessant. Der große Sillybos, vielversprechender und talentierter Philosoph aus Ephebe, der bei den nationalen Streitmeisterschaften leider nur zweiter geworden ist, kommt nach Ankh-Morpork und geht zur 'Stadtwache'.
SILLYBOS: Hast du damit irgendein Problem?
TRACTATUS: Ich? Aber nein. Es ist nur... ungewöhnlich, für einen Philosophen. (beiseite.) Ich darf ihm nicht zuviel verraten, aber ich darf auch nicht zu unkooperativ wirken, um mich nicht verdächtig zu machen.
SILLYBOS: Nun?
TRACTATUS: Ich habe offen gesagt keine Ahnung. Weder habe ich eine Vermutung, wer die Bücher stehlen könnte, noch warum. Wir haben jedenfalls in unseren Messungen keine signifikanten Veränderungen feststellen können.
SILLYBOS: Was für Messungen?
TRACTATUS: Na die Messungen für Latatianisch. Mehr oder weniger konstant seit Menschengedenken.
SILLYBOS: Moment Moment... man kann Sprache messen?
TRACTATUS: Ach Sillybos, du kennst wohl nur noch die alte ephebianische Sprachphilosophie, oder? Ja, man kann Sprache messen, sogar sehr gut. In Ephebe kennt man so was nicht, weil man dort mit Magie nicht viel am Hut hat. Dabei ist Sprache durch und durch magisch. Und Magie kann man messen.
SILLYBOS: Hm. Es gelingt mir noch nicht, diese Idee zu fassen.
TRACTATUS: Ein kleiner Exkurs in Ankh-Morporkianischer Sprachphilosophie?
SILLYBOS: Nur zu.
TRACTATUS: Nun gut. Jedes Wort hat einen Sinn, eine Bedeutung. Aber welchen Einfluss hat die Bedeutung der einzelnen Wörter? Erst durch Assoziationen, durch eine Verbindung zur realen Welt entfaltet Sprache ihre Wirkung, und was für eine Wirkung. Wörter können verletzen, mehr als die schlimmsten Waffen. Wörter können von einer realen Welt ausgehend auch neue Welten erfinden. Wörter können die Zukunft beschreiben. Wörter verändern die Realität. Wie ein Zauberspruch. Aber wenn diese Wörter eine solche Macht haben, müssen es magische Wörter sein. Sprache ist magisch. Die Magie ist in den Wörtern. Und jede Sprache enthält diese Magie.
SILLYBOS: Soweit kann ich folgen.
TRACTATUS: Jede Sprache hat ein Potential, eine Menge von Realitäten, die sie ausdrücken kann. Wenn irgendeine Sprache in den Spitzhornbergen oder sonst wo fünfzig Wörter für die verschiedenen Nuancen von Schnee hat, Morporkianisch aber nur eines, dann ist das Potential verschieden.
SILLYBOS: Das ist aber nicht alles, was das Potential ausmacht. Es gibt Wortspielereien und Doppeldeutigkeiten.
TRACTATUS: Du lernst schnell, Sillybos. In der Tat, tropische und insbesondere metaphorische Sprachfiguren sind von großer Bedeutung für das Potential und enthalten viel Magie.
SILLYBOS: Und euch ist es gelungen, diese Magie zu messen?
TRACTATUS: Ja. Das Prinzip ist sehr einfach. Jede mehr Bedeutungen ein Wort hat, in je mehr Zusammenhängen es gebraucht wird, desto mehr Magie besitzt es. Für jede Bedetung erhält es eine Magieeinheit hinzu. Diese Einheit nennen wir 'Linguum'.
SILLYBOS: Und wenn mir spontan ein neues Wortspiel einfällt, dann verändere ich die Magie der Sprache, ja?
TRACTATUS: Theoretisch ja, praktisch nein. Solange Sprache nicht niedergeschrieben wird und sich sozusagen auf Dauer manifestiert, ist die sprachliche Magie flüchtig und verschwindet sofort wieder. Morporkianisch ist ständig in Bewegung, so wie alle lebendigen Sprachen, in denen Leute tagtäglich etwas aufschreiben. Tote Sprachen wie Latatianisch verändern sich hingegen kaum, nicht mal kurzfristig. Bis auf wenige Ausnahmen werden nicht nur keine neuen Schriften aufgezeichnet, nein, es liest auch niemand die latatianischen Bücher.
SILLYBOS: Und was passiert, wenn ein latatianisches Buch zerstört wird.
TRACTATUS: Dann wird die Sprache, also die Magie der Sprache schwächer, und zwar um den Anteil des Potentials, der nur in diesem Buch enthalten war. Diese Magie wäre verloren. Der Rest der Sprachmagie, die sich auch noch in anderen Büchern findet, verteilt sich zu gleichen Teilen auf die anderen Bücher. Heutzutage ist das weniger ein Problem, weil Bücher in hohen Auflagen gedruckt werden. Aber viele latatianische Bücher sind Einzelstücke, zum Teil sehr magisch, da würde es uns auffallen.
SILLYBOS: Also werden sie nicht zerstört, sondern vermutlich irgendwo gesammelt. Aber zu welchem Zweck?
TRACTATUS: Das weiß ich leider auch nicht, Sillybos.
SILLYBOS: Hm. Gibt es eine Möglichkeit, diese Magie der Sprache umzuwandeln und für andere Zwecke zu nutzen?
TRACTATUS: Mit ist nichts dergleichen bekannt.
SILLYBOS: Ist diese Magie in irgendeiner Weise gefährlich?
TRACTATUS: Gefährlich kann die Sprachmagie nur für Leute sein, die die entsprechende Sprach auch verstehen. Für alle anderen ist sie harmlos.
SILLYBOS: Und was wäre, wenn man nun alle Bücher einer Sprache zerstören würde?
TRACTATUS: (wird unsicher.) Wie meinst du das? 'Alle'?
SILLYBOS: Wenn jemand alle latatianischen Bücher zerstören würde.
TRACTATUS: Das... willst du gar nicht wissen, glaub' mir.
SILLYBOS: Was ist los?
TRACTATUS: Das ist sehr kompliziert. Lass es mich so ausdrücken; Latatianisch hat noch wesentlich mehr Einfluss als man glaubt. Wenn eine Sprache zerstört wird, dann hat das Auswirkungen auf sämtliche Sprachen, die aus ihr hervorgegangen sind. In diesem Fall also insbesondere Morporkianisch.
SILLYBOS: Inwiefern?
TRACTATUS: Sprache erfindet sich andauernd neu. Es kommen neue Wörter hinzu, alte werden vergessen. Dieser Prozess ist nur möglich, wenn die Sprache ein festes Fundament hat. Eine Orientierung. Das benötigt sie so lange, bis sie ihr eigenes Fundament gebildet hat. Aber das ist bei Morporkianisch nach unseren Erkenntnissen noch nicht der Fall. Wenn es kein Latatiansich mehr gäbe, hätten wir keine Orientierung, wenn wir neue Worte erfinden, und die Sprache würde ihre Struktur verlieren. Und nach und nach würden die Menschen, obwohl sie es nicht wollten und tagtäglich benutzen, Morporkianisch regelrecht verlernen. Morporkianisch würde zersplittern und sozusagen auseinanderfallen.
SILLYBOS: Eine düstere Vorstellung.
TRACTATUS: Zumindest, wenn man nur diese eine Sprache spricht, ja.
SILLYBOS: Aber es ist ja nur eine theoretische Frage. Ich könnte mir niemanden vorstellen, der an dieser Vision auch nur das geringste Interesse hätte.
TRACTATUS: (nickt.) Ich hoffe, ich habe dir weiterhelfen können.
SILLYBOS: Das war sehr aufschlussreich. (Er steht auf.) Ich danke dir für die neuen Erkenntnisse und deine Zeit.
Auftritt Pförtner mit Sillybos' Mantel.
SILLYBOS: Danke. (nimmt den Mantel entgegen und zieht ihn an.) Es war ein interessantes Treffen, Tractatus. Ich wünsche noch einen schönen Abend, auf Wiedersehen.
Sillybos ab.
TRACTATUS: Ja, mein lieber Sillybos. Wir sehen uns wieder.
Vorhang.

Szene 22

Vorbühne. Auftritt Erzähler.
ERZÄHLER: Eine in der Philosophie viel diskutierte Frage ist die, ob Gedanken ohne Sprache möglich sind. Können wir wirklich klare Gedanken fassen, wenn wir kein Mittel haben, sie auch auszudrücken? Und wenn ja, wie sähen diese Gedanken dann aus? Und wie verlief die evolutionäre Entwicklung? Was gab es zuerst, die Gedanken oder die Sprache? Das sind alles Fragen, auf die wir in diesem Stück keine Antwort finden werden. Aber vielleicht gibt dieses Stück Anlass, sich selbst ein wenig mit diesen Fragen zu beschäftigen. Denn wenn der Philosoph Wittgenstein Recht haben sollte und die Revisoren Erfolg haben sollten, würden sie mehr erreichen, als sie sich je erhofft haben. Mit ihrer neuen Sprache gäbe es keine neuen Ideen mehr, keine Innovation, keinen einzigen kreativen, konstruktiven Gedanken! Aber vielleicht gibt es ja noch Hoffnung für Ankh-Morpork... Wir werden es erleben.
Erzähler ab.

Pause.

Nehmen Sie sich einen Drink, vertreten Sie sich ein wenig die Beine und diskutieren Sie über das Stück, bevor es weitergeht. Vielen Dank.



[1] vinum, -i, n. (lat.): Wein

[2] veritas, -tatis, f. (lat.): Wahrheit

[3] infinus, -a, -um (lat.): unendlich

[4] feritas, -tatis, f. (lat.): Gewalt

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Laiza Harmonie

21.07.2006 23:26

Super ! Endnote entspricht voll und ganz meiner persönlichen Bewertung!
Ich hatte die Single ja schon einige Zeit vorhab lesen durfren und war ja schon mit dem Trailer voll und ganz begeistert.
Die Single in Form eines Dramas zu schreiben fand ich sehr erfrischend zu lesen, dabei hab ich in der Schule Dramen immer gehasst ;-)
Ich fand auch die Art des Humores sehr toll und war richtig traurig als der erste Teil vorbei war. Ich weiß nicht was ich dir noch alles zur Geschichte gesagt habe, aber vielleicht erinnerst du dich :-D

Auf jeden Fall freu ich mich auf den zweiten Teil der Geschichte!!!!

Mach immer schön weiter so :-D

Von Lilli Baum

21.07.2006 23:27

Glückwunsch zum Patch. Ich freue mich schon wirklich darauf, deine Single zu lesen, will das aber erst machen, wenn Teil 2 heraußen ist; bisher habe ich nur ein paat Teile überflogen. Lob aber an den genialen Titel; Servus ist eines der wenigen Worte, die ich mir aus dem bayrischen angeeignet habe ;)

Oh, und deinen Trailer fand ich auch überaus fesselnd. Bin schon sehr gespannt auf das komplette Werk.

Von Magane

21.07.2006 23:44

Wahnsinn!
Mit dem Humor voll ins Schwarze.
Die Idee ist grenzgenial.

Bin total gespannt auf den zweiten Teil.

Von Kolumbini

22.07.2006 13:10

Hi, Silly!

Endnote is ok, obgleich ich ja noch einen Punkt mehr bewertet hatte. Die Charaktere waren äußerst gut dargestellt, die einzelnen Szenen gut geschrieben und aufeinander abgestimmt, der Spannungsbogen gut gespannt und die Witze kongenial*g*.

Besonders herausragend fand ich die immer wieder auftretenden philosophischen Einschübe:). Ich bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.

Weiter so!

Von Sillybos

25.07.2006 23:12

Hi,
Ich danke euch für das positive Feedback. Bevor ich mich an den zweiten Teil mache, vielleicht noch ein paar unzusammenhängende Anmerkungen von mir...

Warum ein Theaterstück? Ich hatte die Single als normale Prosa angefangen, allerdings schon in den ersten paar Szenen so viel geschrieben, dass die Single wohl Breguyanische Ausmaße angenommen hätte. Aber ich stellte fest, dass ich sowas nicht kann. Darum habe ich mich auf das beschränkt, was mir beim Schreiben am meisten Spaß macht, nämlich die Dialoge. ;)
Für die, die weniger als zweieinhalb Jahre dabei sind: dies war nicht mein erstes Theaterstück. Es war für mich also nicht ungewohnt, eine solche Single zu schreiben.

Ich habe lange abgewägt, ob ich einen oder zwei Teile daraus mache. Letzten Endes überwogen die Zweiteiler-Argumente:
- zum einen ist es bei einem Theaterstück üblich, dass das Publikum sich in der Pause über das Stück unterhält, darum schrieb ich auch den letzten Satz darunter (der war übrigens ursprünglich zu diesem Forum verlinkt. Vielleicht hätte ich den Link drin lassen sollen?).
- zweitens habe ich von einigen gehört, dass sie zu lange Singles einfach aufgrund der Länge nicht lesen (der zweite Teil wird nach dem jetzigen Stand zirka eineinhalb mal so lang wie der erste).
- drittens (am wichtigsten) habe ich festgestellt, dass ich schon an der ersten Hälfte so lange rumgeschustert habe, dass die Single wohl nie fertig geworden wäre, wenn ich sie in einem Stück geschrieben hätte. So ist der erste Teil schon mal fix, an dem kann ich nichts mehr ändern, und außerdem motiviere ich mich somit und setze mich unter Druck, auch den zweiten Teil fertig zu schreiben.

Fast alles, was die Revisoren von der neuen Sprache fordern, habe ich aus Wittgensteins "Tractatus logico-philophicus" übernommen. Aber um Wittgenstein in Schutz zu nehmen: er hat in seinen späteren Werken viele grundlegende Prämissen dieses Werks selbst widerrufen (Ob ich dazu was im zweiten Teil schreibe, weiß ich noch nicht).

Ich denke, dass ich den Erzähler im zweiten Teil öfter auftreten lassen kann, sofern gewünscht (und es nicht zu weit vom Stück wegführt).

Der zweite Teil wird sicherlich etwas anders als der erste (es geht halt etwas mehr zur Sache ;)), aber ich hoffe, ich kann die Erwartungen erfüllen. Ich hoffe, dass ich es bis Weihnachten schaffe (vorher wohl leider kaum). :)

Gruß
Silly

Von Magane

26.07.2006 08:14

[quote:c095b7c8aa="Silly"]Fast alles, was die Revisoren von der neuen Sprache fordern, habe ich aus Wittgensteins "Tractatus logico-philophicus" übernommen. Aber um Wittgenstein in Schutz zu nehmen: er hat in seinen späteren Werken viele grundlegende Prämissen dieses Werks selbst widerrufen (Ob ich dazu was im zweiten Teil schreibe, weiß ich noch nicht).[/quote:c095b7c8aa]
Das erinnerte mich stark an die Neue Sprache in 1984...

Von Tussnelda von Grantick

26.07.2006 08:41

Ja! Bitte mehr von dem Erzähler, ich mochte seine Rückschlüsse nämlich sehr gern. Und den Buchhändler, den mag ich auch, der ist so schön schrullig.

Von Mohrtischa Unmagisch

26.07.2006 13:06

Hm, okay, also wenn das dann doch noch bis Weihnachten dauert, ehe es weitergeht -erinnert mich irgendwie an einen anderen Mehrteiler im jährlichen Rhytmus ;) - dann lese ich doch erstmal rein und harre verzweifelt der Auflösung :D

Von Sillybos

26.07.2006 13:37

@Maggie: Tractatus hat ja nicht umsonst das Synonym Herr Neusprech. ;) Ja, der Idee der Revisoren liegt sicherlich eine ähnliche Vorstellung zugrunde. Allerdings gehen sie in ihren Anforderungen noch über Newspeak in 1984 hinaus, würde ich sagen (ich erinnere mich nicht mehr so genau, kann sein, dass ich mich irre).

@Mohrtischa: Jährlicher Rhythmus? Hmmm.... :scheinheilig: :D

Von Lilli Baum

26.07.2006 14:24

[quote:469779111e](...)Wittgensteins "Tractatus logico-philophicus"(...)[/quote:469779111e]

OmG! Davon besitze ich ein Exemplar. (Von meinem Relilehrer, der hat jeder von uns sieben Leuten aus der K13 ein Bändchen zum Abschied geschenkt.) Ich habe zwar noch nicht genauer hineingesehen, aber JETZT bin ich verdammt neugierig geworden... Ich muss mich zusammenreißen, damit ich den ersten Teil nicht doch etwas lese, bevor der zweite erschienen ist ;)

Von Magane

26.07.2006 15:08

[quote:9aaaaf3034="Silly"]@Maggie: Tractatus hat ja nicht umsonst das Synonym Herr Neusprech. ;) Ja, der Idee der Revisoren liegt sicherlich eine ähnliche Vorstellung zugrunde. Allerdings gehen sie in ihren Anforderungen noch über Newspeak in 1984 hinaus, würde ich sagen (ich erinnere mich nicht mehr so genau, kann sein, dass ich mich irre).[/quote:9aaaaf3034]
Wollt mir auch nur bestätigen lassen, dass ich nicht wahnsinnig bin... hab schon mal überall Verbindungen zu diesem Buch gesehn (brachte mir ne 1 in Englisch und schiefe Blicke vom Lehrer). Ist schon 6 oder 7 Jahre her das ichs las, aber wenn ich mich recht entsinne ging es darum alle überflüssigen Worte zu streichen.

[i:9aaaaf3034]It's a beautiful thing, the distruction of words. Of course the great wastage is in the verbs and adjectives, but there are hundreds of nouns that can be got rid of as well...[/i:9aaaaf3034] dann kommt das Beispiel mit gut, plusgut, doppelplusgut und ungut, plusungut, doppelplusungut... und irgendwann später dann der Satz: [i:9aaaaf3034]Do you know that Newspeak is the only language in the world whose vocabulary gets smaller every Year?[/i:9aaaaf3034]

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