Bisher hat keiner bewertet.
Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Tarnung" - unauffälliges Aussehen als Grundlage für verdeckte Ermittlungen. Doch wo ist die Schminke? Und warum der ganze Schlamm und das Grünzeug?
Dafür vergebene Note: 9
Langsam schlenderte Rekrutin Anna Orientierungslos durch die Straßen von Ankh-Morpork. Sie achtete nicht auf den Weg. Das hatte noch nie dazu geführt, dass sie ihr Ziel erreichte. Sie lies sich einfach treiben.
Damals in ihrem kleinen Dorf war alles einfacher gewesen. Ganz klar: zwei Straßen, sechs Häuser. Die Leute wussten, zu welchem Haus sie gehörte, wenn sie mal das Falsche betrat. Keiner schrie und griff sie an. Wenn sie sich verlaufen hatte, konnte sie sicher sein, dass sie innerhalb der nächsten Stunde nach Hause finden würde - irgendwie.
Aber hier in Ankh-Morpork, hier gab es so viele Straßen und Häuser und Leute, die schrieen, wenn man versehentlich ihr Haus betrat.
Bekümmert dachte Anna an den Ausbildungstag, an dem "Ortskenntnis" auf den Lehrplan gestanden hatte. Anfangs lief es gar nicht so schlecht. Fünf Rekruten und Korporal Feinstich vor ihr, die restlichen Rekruten hinter ihr. Da konnte selbst sie sich nicht verlaufen. Die Schwierigkeiten fingen an, als Korporal Feintisch mitten in Ankh-Morpork anhielt und von ihren Rekruten verlangte, einzeln loszugehen. Sie sollten dann alleine zurück zur Wache finden.
Anna dachte nicht gerne an das Gespräch zurück, welches sie mit Korporal Feinstich geführt hatte, nachdem sie erst nach drei Tagen zurück zur Wache gefunden hatte. Die anderen Rekruten hatten sie ausgelacht, aber am nächsten Tag hatte Anna eine Stadtkarte in ihrem Schrank gefunden.
Nach diesem Ausbildungsabschnitt wusste sie, wie sich ihr Vater gefühlt haben musste, als er sich in den Bergen verirrt hatte. Nur leider war er nie wieder aufgetaucht. So war sie auch nach Ankh-Morpork gelangt. Ihre Mutter hatte gehört, dass es hier viele reiche Männer geben sollte. Kurzentschlossen erklärte sie ihren Mann für tot und reiste mit ihren Kindern nach Ankh-Morpork - dort wollte sie sich einen dieser reichen Männer "angeln" und ein gemütliches Leben führen.
Leider versteckten sich die reichen Männer alle ziemlich gut und ihre Mutter landete bei der Gilde der Näherinnen. Aus irgendeinem Grund, den Anna nicht verstand, ließen die anderen "Näherinnen" ihre Mutter in dem Glauben, sie würden tatsächlich mit Nadel und Faden arbeiten. Wahrscheinlich brauchten sie einfach nur jemanden, der ihre Näharbeiten erledigte.
Ihr Bruder hatte Anna und ihre Mutter zwei Stunden nach ihrer Ankunft in Ankh-Morpork verlassen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Es breitete sich jedoch hartnäckig das Gerücht aus, dass er sich einfach nur verlaufen hatte.
Da der Plan ihrer Mutter, einen reichen Mann zu heiraten, gescheitert war, musste Anna sich Gedanken darüber machen, womit sie Geld verdienen konnte. Sie war nicht hübsch genug, um sich den Näherinnen anzuschließen. Wegen ihrer Nadelphobie konnte sie sich auch nicht ihrer Mutter anschließen. Sie musste sich also nach einer anderen Beschäftigung umsehen.
So wandere sie mehrere Tage auf der Suche nach einer entsprechen Beschäftigung durch die Straßen von Ankh-Morpork. Ihr blieb auch nichts anders übrig, denn sie hatte mal wieder die Orientierung verloren.
Anna tat also das, was sie immer machte, sie holte ihr Pendel heraus und folgte den Zeichen. Die Zeichen führten sie viermal an der Tür der Stadtwache in der Kröselstraße vorbei. An der Tür hing ein Plakat:
"Bewirb dich jetzt! Die Wache braucht DICH!"
Deutlichere Zeichen gab es nicht. Sie ging hinein und bewarb sich als Wächter.
Anna blieb stehen und schaute sich um. Langsam wurde sie nervös. Wenn sie nicht bald die Wache finden würde, würde sie zu spät kommen. Lächelnd zog sie ihr Pendel aus der Jacke. Sie schüttelte den Kopf. Dass sie nicht früher daran gedacht hatte.
Jetzt wusste sie, dass sie es rechtzeitig schaffen würde. Das Pendel und die Zeichen hatten sie schließlich noch nie im Stich gelassen.
Aufmerksam beobachtete Anna, in welche Richtung ihr Pendel ausschlug und machte sich dann auf den Weg, in die Richtung, in die das Pendel zeigte.
Und genau wie sie es erwartet hatte, dauerte es keine fünf Minuten, bis sie vor der Wache in der Kröselstraße stand.
Sekunden vor Korporal Feinstich betrat sie den Unterrichtsraum. Ihre Ausbilderin lies ihren Blick abschätzend über ihre Rekruten schweifen. Vor ihr stand ein Tisch, auf dem sich Schlamm, Grünzeug und diverse andere undefinierbare Dinge befanden - einige von ihnen bewegten sich sogar.
"Heute fteht Tarnung auf dem Lehrplan. Für Wächter ift ef manchmal fehr wichtig, daff fie fich tarnen können. Zum Beifpiel bei längeren Obfervationen, muff ein Wächter fafft unfichtbar werden. Ich möchte am Ende diefer Ftunde daf Gefühl haben, alleine in diefem Raum fu ftehen."
Rogi Feinstich deutete auf den Tisch. "Wer möchte ef fuerft verfuchen?"
Zweifelnd musterten die Rekruten die Dinge, die auf dem Tisch lagen bzw. versuchten, sich von diesem wieder zu entfernen.
"Nun kommt fon, traut euch!" forderte Korporal Feinstich die Rekruten auf.
Rekrutin Anna Orientierungslos griff unentschlossen nach einer blubbernden Schale, die ihrem Geruch nach zu urteilen ein Stück vom Ankh beinhaltete. Schnell stellte sie die Schale wieder weg.
"Korpral Feinstich? Wäre es nicht einfacher -", wandte sie sich zögernd an ihre Ausbilderin.
"Waf wäre einfacher? Ef wäre einfacher, wenn ihr euch überwinden würdet. Nur keine Feu vor dem Dreck. Daf Feug kann Leben retten."
"Leben retten?" hinter dem Rücken ihrer Ausbilderin wechselten die Rekruten ungläubige Blicke.
Ausbilderin Feinstich schaute Rekrutin Anna Orientierungslos ungeduldig an. Je schneller die Rekruten diese Lehrstunde hinter sich brachten, desto eher war sie sie wieder los.
Jetzt bildete sich eine tiefe Denkfalte auf Annas Stirn. "Wäre es nicht einfacher, die Uniformen auszuziehen, wenn wir uns tarnen wollen? Wir könnten dann in der Menge untertauchen."
Begeistert schlossen sich die anderen Rekruten ihrer Meinung an, da sie eine Möglichkeit sahen, der Übung zu entkommen.
Korporal Feinstich schüttelte den Kopf.
"In der Menge untertauchen? Waf aber macht ihr, wenn ef keine Menge gibt?"
Ihr Kopf fuhr herum zu den Rekruten Robinropel und Keule, die nach Annas Einwand heftig genickt hatten.
"Wie wollt ihr beiden in einer Menge untertauchen? Glaubt ihr wirklich, daff zwei Trolle unauffällig in einer Menge untertauchen können?"
Die beiden angesprochenen Rekruten schauten betroffen zum Boden.
"Wie wollen sich zwei Trolle in einer Stadt mit dem Zeug unauffällig tarnen?" flüsterte Anna den umstehenden Rekruten zu. Diese grinsten ihr zustimmend zu.
Anna schaute vielsagend zu dem Grünzeug auf dem Tisch.
"Aber Mäm, fallen wir mit dem ganzen Grünzeug nicht noch mehr auf? Ich glaube es wäre sehr auffällig, wenn plötzlich mitten in Ankh-Morpork ein Busch steht?"
Anna wich ein paar Schritte zurück, als sich ein breites Lächeln auf dem Gesicht ihrer Ausbilderin ausbreitete.
"Rekrutin Orientierungflof, warum zeigft du unf dann nicht, wie man fich richtig fu tarnen hat? Du feinft ja fu wiffen, wie daf geht."
Hilfesuchend blickte Anna sich um. Aber ihre Kameraden interessierten sich plötzlich nur noch für ihre Stiefelspitzen. Widerwillig griff sie in eins der Gefäße, von denen sie hoffte, dass es nur einfache Erde enthielt und begann damit, die klebrige Masse auf Gesicht und Hände zu verteilen.
Korporal Feinstisch nickte zufrieden.
"Worauf wartet ihr, Rekruten? Ran an die Tarnung."
Nach einigen Minuten standen die Rekruten getarnt vor ihrer Ausbilderin. Langsam ging sie an ihren Rekruten vorbei und musterte kopfschüttelnd die Tarnungen.
"Rekrutin Unmagifch, wir werden unf noch einmal darüber unterhalten: Nur weil du die Augen fu machft und dann niemanden mehr fiehft, heift daf noch lange nicht, daff dich keiner fieht."
Bevor Rekrutin Unmagisch hierauf erwidern konnte, schritt Korporal Feinstich die Reihen weiter ab und gab Verbesserungsvorschläge und Anregungen. Vor Rekrutin Orientierungslos blieb sie stehen.
Anna hatte ihre Tarnung darauf beschränkt, ihre Uniform unkenntlich zu machen und Schlamm auf Gesicht und Hände zu verteilen. Sie wollte kein Grünzeug benutzen, da sie immer noch der Meinung war, dass dies nur mehr Aufmerksamkeit auf sie gezogen hätte. Andererseits hatte sie auch Angst sich mit Dingen zu tarnen, um die sie normalerweise einen Bogen von mindestens fünf Metern machte.
Korporal Feinstich nickte zufrieden, wandte sich an die anderen Rekruten und zeigte auf Anna. "Da habt ihr ef, ef ift noch lange nicht perfekt, aber ef ift ein Anfang. Ihr müft immer daran denken, daff ihr euch nicht immer vorbereiten könnt. Ef kann fein, daff ihr euch von einem Moment fum anderen Tarnen müfft."
Sie lies ihren Blick über die Rekruten schweifen.
" Rekrutin Orientierungflof hatte recht. Woher wollt ihr Grünzeug nehmen, wenn ich euch in der Ftadt tarnen wollt? Abgefehen davon, daff ef vollkommen unbrauchbar dafu ift?"
Korporal Feinstich ignorierte Annas staunenden Blick, die mit allem gerechnet hatte, nur nicht damit, dass ihre Ausbilderin ihr Recht geben würde.
Noch einmal blickte sie auf den auffälligsten getarnten Haufen von Rekruten, den sie seit langem gesehen hatte und seufzte resigniert. "Ich glaube ef fteht noch ein gutef Ftück Arbeit vor unf, bif ihr euch richtig tarnen könnt."
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.