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Eine kleine Geschichte, über vergangene Lieben, Morde, Intrigen, Missgünste, Schlafmützen, angestaute Aggressionen und DOG. Der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten.
Dafür vergebene Note: 12
Was den Stil angeht, habe ich mich ein wenig von dem österreichischen Schriftsteller Wolf Haas inspirieren lassen. Daher wünsche ich mir, dass die ungewöhnliche Grammatik und der Ausdruck mehr als Stilmittel und nicht als Mängel betrachtet werden. Danke für Euer Verständnis!
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"Verschont mich mit schlauen Sprüchen und Zitaten von Personen, die schon längst tot sind!"
Christian Ansorge
Willkommen bei meiner kleinen Geschichte, die ich Euch nun gerne erzählen möchte. Ihr müsst sie nicht lesen, aber ohne Euch zu etwas verführen zu wollen - verpassen würdet Ihr schon etwas! Nichts Großartiges oder Geniales - es geht einfach nur um DOG. Und um die Menschen, Zwerge, Vampire und Gnome, die an dem mitarbeiten, was wir heute so selbstverständlich als DOG abtun. Der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten!
Hundeleben oder alles für die Katz?
Eines kann ich schon mal all dem, was in den folgenden Seiten geschrieben wird, vorwegnehmen. Sie hatten es geschafft! Sie hatten den Fall gelöst!
Was an sich ganz toll klingt, verblasst dadurch, dass eben jener Fall nichts Außergewöhnliches darstellt. Nicht dass die DOGs vor lauter Erfolgserlebnissen abgestumpft wären. Dem war sicher nicht so. Seit die ganze Abteilung hinter Kasimir hergejagt war, ist es ein wenig ruhiger in den Mauern der Boucherie geworden. Und auch das ist mal wieder nicht so zu verstehen, wie es geschrieben steht. Ruhig war es in dem Haus beleibe nicht geworden. Das älteste Gewerbe der Welt ließ nach wie vor, jede Nacht aufs Neue die dünnen Wände des alten Gebäudes erbeben. Nun ja nicht erbeben an sich, denn die meisten Kunden der Damen des Erdgeschoßes waren schon betagter und nicht mehr nun ja - sagen wir nicht mehr allzu "sportlich". Der allabendliche Geräuschpegel der Damen dagegen war beachtlich.
Um auf die letzten Aktivitäten der Dienststelle zur Observierung von Gildenangelegenheiten zurückzukommen könnte man den Vergleich heran ziehen, dass die Damen an einem Abend mehr Wirbel veranstalten können, als die Gruppe Wächter in den oberen Geschossen in einem halben Jahr zusammen. Also nicht was Ihr jetzt denkt! Nein! Was ich meinte ist, dass gerade diese Truppe jetzt ordentlich Grund zur Freude hat. Warum das so ist, dazu kommen wir noch. Aber dass hier bei den Jungs und Mädels, die sich einbildeten in den oberen Stockwerken des Näherinnenstadls ein perfektes Versteck gefunden zu haben, alles rund und glatt gelaufen wäre, würde noch nicht mal ihr Chef, der Fähnrich Picardo behaupten. Und das obwohl der noch nicht mal alles wusste, was sich dabei so abgespielt hatte. Und es ist noch nicht mal so, dass der besonders viel von dem wusste, was seine Untergebenen so den ganzen Tag taten. Egal was man sich über ihn erzählte und sagte, einige Sachen wusste er durchaus.
Aber ich schweife schon wieder ab. Also für die wenigen Wächter der kleinsten Abteilung der hiesigen Stadtwache waren glorreiche Erfolge selten geworden. Nicht dass sie jemals sonderlich erfolgreich gewesen wären. Ein paar kurze Lichtblicke in einem Meer der Misserfolge und der Frustration. Nicht dass die Abteilung zur Observierung von Gildenangelegenheiten nutzlos oder sinnlos gewesen wäre. Nein - so war es sicher nicht, denn sonst hätte der Kommandeur der Wache, ein humorloser Vampir namens Ohnedurst, sie längst dichtgemacht. Nur dass ihre Aufgaben, die sie verrichteten nicht sehr spektakulär waren. Beobachten, aufschreiben und archivieren. Also mehr Leseratte als Superwächter. Dafür war die Abteilung mit dem Namen DOG da. Auch wenn es bei den einzelnen Wächtern sicher einige andere Ansichten des Aufgabenspektrums gab, gehörten Verfolgungsjagden, Kämpfe und Verhaftungen doch eher zu den seltenen Ausnahmen. Für so etwas waren unsere kleinen DOGs ja im Grunde auch weder zuständig noch ausgebildet. Sie waren nicht so erfolgreich, wie ihre Kollegen von RUM, die die Fälle, mit einem Fingerschnipp auflösen konnten. Sie waren nicht so stark wie die Trolle und Gnome von FROG oder SEALS. Aber dafür waren sie wiederum halbwegs froh ihre Arbeit machen zu können und nicht wie ihre Kollegen von SUSI Leichen aufschneiden und nach mikroskopischen Spuren suchen zu müssen.
Es war halt ein ganz eigener Haufen Wächter diese DOGs, die sich in den oberen Geschossen der Boucherie verschanzt hatten, und glaubten, dass niemand ihr ach so gutes Versteck erahnen könnte. Ein wenig belächelt von ihren Kollegen, aber letztes Jahr hatten sie es allen gezeigt. Sie hatten den Abteilungspokal gewonnen. Sozusagen "heimgeholt", wie der Fähnrich zu sagen pflegte. Und es schien, als ob ihm irgendwie bewusst gewesen wäre, dass die kleine Abteilung diesen schönen glänzenden Pokal nicht sehr lange behalten würde. Zumindest würde man zu eben diesem Schluss kommen, wenn man den Fähnrich Tag für Tag dabei beobachten würde, wie er den Pokal ansah, wie er ihn putzte und polierte. Also ich selbst glaube ja auch nicht, dass der Fähnrich Picardo diesen Pokal nächstes Jahr noch bewundern kann, aber man weiß ja nie, was sich noch so alles tut im Lauf der Zeit. Vielleicht kommt ja noch die ganz große Zeit der so genannten Hunde. Aber wie bereits gesagt, wer weiß das schon?
Und außerdem ist es nicht so ein Hundeleben, wie Du jetzt sicher glaubst. Vergiss den Ehrgeiz und das Herzblut nicht, was manche da schon gelassen haben. Also deshalb will ich da nichts sagen. Es könnte aufregender sein, aber an sich ging es den kleinen DOGs doch ganz gut. Also kein Hundeleben!
Derzeit zumindest sitzen sie alle im Eimer und begießen ihren Erfolg. Was sie auch dürfen - meiner Meinung nach. Denn schließlich haben sie alle etwas dazu beigetragen. Einige mehr andere weniger und einige sind sowieso mehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. So wie es halt immer ist und immer sein wird. Der Fähnrich sagt seinen Leuten dann "Habt ihr gut gemacht, DOGs!" und alle gehen was trinken.
Wo wir gerade bei dem Wort alle sind, hätte ich fast vergessen, Euch zu sagen, dass fast alle der DOGs derzeit im Eimer waren. Fast alle deshalb, weil eine die war nur selten mit dabei. Wo sich selbst Laudes zu dem fröhlichen Haufen gesellt hatte, war von der Zwergin mit dem wohlklingenden Namen Kleinaxt nichts zu sehen. Aber dazu kommen wir gleich. Denn wie der Fähnrich zu einer seiner berühmten Geschichten aus der guten alten Zeit ausholte und sich am Tisch eine erwartungsvolle Stille gebildet hatte, platzte die eben erwähnte Zwergin durch die Tür. Sie war abgekeucht und verschwitzt. Und noch bevor sie die Tür wieder geschlossen hatte, sagte sie.
"Fähnrich?! Könnte ich sie kurz sprechen?"
Der Fähnrich, zum einen böse, weil dem seine tolle Geschichte war nun dahin, noch bevor sie begonnen hatte und zum anderen entnervt, weil er eigentlich heute Abend was anderes vor hatte, als sich mit der Kleinaxt rumzustreiten, hat sie nur böse angeschaut. Aber von der feinen subtilen Art des Fähnrichs hat sich die Zwergin noch nie wirklich stören lassen. Auch den Spruch der nun folgte, in Tonlage und Betonung fast jedes Mal gleich, hätte sie schon vorhersagen können.
"Ja Goldie! Was gibt es?"
Der letzte Satz des Fähnrichs war weniger als Frage, denn als Aufforderung gemeint sich schnellstmöglich... na ja Ihr wisst schon ...ihn halt schnellstmöglich in Ruhe zu lassen. Aber wie gesagt, Goldie hatte diese subtilen Spitzfindigkeiten ihres Vorgesetzen noch nie so recht verstanden. Und während ihre Kollegen gegenseitig entnervte Blicke austauschten, betrachtete dies die Zwergin als Einladung ihr Anliegen vorzubringen. Ihr habt sicher schon gemerkt, dass Euch das hier vielleicht irgendwie bekannt vorkommt. Praktisch eine Endlosschleife. Denn so wie eben beginnen viele Geschichten bei DOG. Auch diese jetzt gerade würde so losgehen, aber um die geht es hier heute gar nicht.
Aber egal, wie es jetzt mit Goldie und dem Fähnrich weitergehen wird. Sie bringt uns eigentlich vielmehr zu dem Beginn der ganzen Sache. Man könnte sagen, andere Zeit ähnliche Szene. Und anderer Ort. Aber es ist irgendwie immer wieder dasselbe, aber was erzähl ich Euch das, Ihr kennt solche Szenen ja sicher selbst aus leidlicher Erfahrung.
Puff oder Geheimversteck?
Fangen wir besser mal ganz vom Anfang an.
Ich könnte Euch jetzt von der wunderschönen Stadt namens Ankh-Morpork erzählen. Praktisch die funkelnde kleine Perle der Scheibenwelt. Das Juwel am Strom mit dem wohlklingenden Namen Ankh. Der Hort der angenehmen Düfte und Klänge. Die Heimat edler Menschen und Kreaturen. Die Quelle des Friedens und der Gerechtigkeit. Ich weiß ja nicht, ob einer von Euch jemals in dieser Stadt war? Aber wenn, dann werdet Ihr sicher feststellen, dass all das hier irgendwie nicht auf jene Stadt mit dem Namen Ankh-Morpork zutrifft, in der Ihr damals wart. Und natürlich habt Ihr Recht. Es ist alles irgendwie ein bisschen gelogen, was da steht, aber ich fand es wäre kein schöner Einstieg in unsere Geschichte über die DOGs gewesen. Und ich finde, wir könnten mit gegenseitigem Einvernehmen wenigstens so tun, als wäre Ankh-Morpork nicht der Moloch und das Dreckloch, das wir kennen.
Schweifen wir mit unseren Blicken doch mal über die Stadt, vorbei an der Unsichtbaren Universität und ihrem weithin sichtbaren Turm. Vorbei an all den Straßen, Gassen und Plätzen die gegenseitig auch noch um das letzte Fleckchen Platz buhlen. Vorbei an alten schmutzigen schiefen Häusern und Hütten. Aber eines dieser Gebäude wollen wir uns dann doch etwas genauer anschauen.
Was es vor allem ausmachte und dafür sorgte, dass es auf der kleinen schmalen Gasse weithin zu erkennen war, war die große rote Laterne über der massiven Eingangstür aus Eichenholz. Abgesehen von dem matten roten Licht in welches die Laterne die Front des alten Hauses tauchte, hob es sich kaum von den tausenden anderen Häusern der Stadt ab. Dem Betrachter wäre vielleicht noch das über die Tür genagelte Brett aufgefallen, welches den mit längst vergilbter Farbe geschriebenen Schriftzug Boucherie trug. Aber lassen wir uns nicht länger von der Fassade ablenken und dringen wir lieber schnell in das Innere des Hauses vor.
Da vielen von Euch ja schon schwanen sollte, um welches Gebäude es sich da gerade dreht, erspare ich Euch hier die detailreiche Schilderung des unteren Stockwerkes. Ich will nur soviel sagen. Mit Gilden oder Wacheermittlungen hat das, was dort vor sich geht, nur sehr entfernt etwas zu tun. Aber zerbrecht Euch jetzt bloß nicht den Kopf über etwas, was mit dem, was ich Euch erzählen will, überhaupt nichts zu tun hat.
Denn genau in diesem Augenblick klopfte es an einer der Türen im oberen Geschoss des Hauses. An einer Tür an welcher ein Zettel mit dem Namen Picardo - Kein Eintritt vor 9 Uhr! prangte.
Der Fähnrich und die Zwergin
Kommen wir zu dem Mann, dessen Name auch auf dem Zettel an jener Tür stand. Was uns zu dem Rückschluss verleitet, dass eben diese Tür auch zu dem Zimmer gehörte, in welchem sich ein Herr namens Picardo zu jenem Zeitpunkt aufgehalten hat. Ich will mir die spannenden Effekte lieber für andere Stellen meiner kleinen Erzählung aufheben, deswegen mache ich es hier kurz.
Ja! Es war sein Zimmer, er war auch darin und hatte wie immer den Schreibtisch voller Akten. Wie so viele Morgen schon in seiner Funktion als Abteilungsleiter hatte er sich vorgenommen, Ordnung in das Aktenchaos zu bringen. An sich ein frommer und guter Vorsatz, das find ich auch, aber wenn man sah was Morgen für Morgen aus diesem Vorsatz wurde, dann ist das aber schon wieder die andere Seite der Medaille. Denn eigentlich weiß das ja keiner und es passt ja auch gar nicht zu dem Bild was der Fähnrich gerne vermittelt hätte - so von wegen Offizier und Vorbild und so weiter. Jeden Morgen nahm er sich die oberste Akte, öffnete sie, las ein wenig, blätterte hin und her und legte sie wieder auf den Stapel. Dann wartete er. Auf was er genau dabei wartete, weiß ich auch nicht. Er saß einfach nur da und starrte auf die Tür oder manchmal aus dem Fenster auf die Straße hinunter. Und dann nach einer Weile nahm er sich wieder eine andere Akte, las darin und so weiter. Jeden Morgen ging das so vor sich hin bis ...
Ja! Bis zur Erlösung aus dem Teufelskreis aus Akten und Langeweile. Die Erlösung konnte vieles sein. In dem Fall aber war es ein Klopfen, welches der Fähnrich Picardo schon am Klang erkannte. Und daran, dass es seinen akustischen Ursprung auf einer Höhe von unter einem Meter an seiner Bürotür hatte.
"Herein!" knurrte der Fähnrich, während er hastig noch zu einer Akte griff und schnell eine beliebige Seite aufschlug.
Und nun war es auch für Picardo keine allzu große Überraschung, dass es die Hauptgefreite Kleinaxt war, die seine erste Erlösung des Tages bedeutete.
Ob es jetzt eine Erlösung in dem Sinne war, wie sie sich der Fähnrich gerade gewünscht hatte, weiß ich nicht, aber zumindest konnte er für kurze Zeit wieder an dem teilhaben, was er als echte Wachearbeit ansah. Und ich glaube sogar, die Hauptgefreite Kleinaxt war ihm lieber als den ganzen Tag in trauter Zweisamkeit mit all dem staubigen und toten Papier in seinem Büro. Aber der Fähnrich hatte schon lange zuvor gelernt, dass es auf das Bild ankam, was seine Untergebenen von ihm hatten. Nun ist es ja ein weit verbreitetes Phänomen, dass die Untergebenen nicht den blassen Schimmer haben, was ihr Chef so den ganzen Tag tut - so was führt zu schlechter Moral und Aufmüpfigkeit, hab ich mir sagen lassen. Und obwohl in unserem konkreten Fall nicht mal Robin Picardo selbst wusste, was er den ganzen langen Tag machen sollte, hatte er gelernt, dass es wichtig war, ein zutiefst beschäftigtes und angestrengtes Bild zu vermitteln. Daher blickte er nur ganz kurz von der frisch aufgeschlagenen Akte auf, warf der Hauptgefreiten einen kurzen mürrischen Blick zu und las dann wieder konzentriert in der Akte.
"Was gibt's, Goldie?" knirschte er aus seinem fast geschlossenen Mund hervor, ohne die Zwergin dabei anzusehen.
"Fähnrich, SEALS hat eine Leiche am Ufer der Docks gefunden!"
"Aha, eine Leiche! Interessant!" Die Stimme des Fähnrichs tropfte vor Ironie "Und wieso stehst Du jetzt vor mir und erzählst mir das? Wozu haben wir RUM und SEALS?"
Das sagte er jetzt so kaltschnäuzig, als würde ihn die Tatsache, dass sich ein weiterer Fall anbahnte fürchterlich ärgern. Aber innerlich sah er seinen Tag für heute wirklich schon als gerettet an. Und das jetzt die Kleinaxt vor ihm stand, hatte in dem Fall sogar wieder etwas Gutes an sich, denn die würde niemals lockerlassen, wenn sich ein Verbrechen anbahnte. Das wusste der Picardo natürlich, als er alle seine schauspielerischen Talente hervorkramte, die er je besessen hatte.
Und so tat sich der Fähnrich leicht, den beschäftigten Offizier zu spielen, als ihm die Kleinaxt verzweifelt versuchte, den Fall schmackhaft zu machen. Selbstzufrieden räkelte er sich in seinem Sessel. Es war einer jener Momente, in denen er sich selbst gratulierte. Endlich wieder raus aus diesem Büro. Endlich wieder draußen sein und den Geruch der Straße einatmen. Der einzige Makel war derjenige, dass er die kleine Hauptgefreite als Partner hatte. Aber ehrlich, unter uns, wenn der "Chef" ermittelt, haben die anderen wenig zu sagen. Ist es nicht so? Nur wusste Picardo, der ja bekanntlich Einiges wusste, dass die Hauptgefreite Kleinaxt von eben diesem Grundsatz zeitgenössischer Polizeiarbeit wiederum nichts wusste. Also wusste er, dass es wohl an vielen Stellen in mühsame Diskussionen über die Moral und Methoden der Wache hinauslaufen würde. Es war immer so mit der Kleinaxt. Es lag an der kleinen Hauptgefreiten. Schon bei dem Gedanken daran, bekam der Fähnrich Kopfschmerzen. Aber irgendwie war es auch erfrischend jemand zu haben, dem das Recht und die Ordnung der Stadt Ankh-Morpork nicht egal waren. Oder besser gesagt, jemand zu haben, der bereit war, Verdächtige bereits wegen kleiner Delikte zu Tode zu foltern und sie zur Abschreckung öffentlich aufhängen zu lassen. Irgendwann würde sie es schon noch lernen, dass es zwischen Gut und Böse noch ein paar kleine Zwischengruppen gab. Und dass die Wache seiner Meinung nach eine dieser Zwischengruppen darstellte, hob sich der Fähnrich Picardo für eine andere anstrengende Diskussion auf.
Aber lassen wir an dieser Stelle den Fall um dem sich diese Geschichte dreht nicht völlig außer acht. Der eigentliche Grund warum die Hauptgefreite Kleinaxt den Fähnrich sprechen wollte und jetzt mit ihm zusammen ermittelte, liegt im Ankh. Also nicht direkt im Ankh, sondern eher auf dem Ankh. Der Grund warum das so ist, sollte jedem, der diese merkwürdige Stadt schon einmal besucht hat, klar sein. Die Leiche lag also auf dem Ankh. Nun ist dies an sich nichts Besonderes. So wie eine Drachenschuppe in einem Drachenpflegeheim. Ich weiß, dass sicherlich die Hälfte aller Leichen auf dem Ankh gefunden wird. Aber ich habe ja auch nie behauptet, dass der Fall hier etwas Besonderes wäre.
Also es handelte sich um die Leiche eines heruntergekommenen älteren Mannes mit weißem Kittel. Oder - da wir uns heutzutage um eine korrektere Ausdrucksweise bemühen - es handelte sich um die Leiche eines Mitgliedes der Alchimistengilde. Eine Streife der SEALS hatte sie entdeckt und eigentlich wäre der Fall nicht in der Boucherie gelandet, hätte es sich bei dem Toten nicht um einen Informanten aus der Alchimistengilde gehandelt.
Und nun ist auch klar, warum sich der Fähnrich gerade so sehr auf eine Ermittlung gefreut hat. Denn der Fähnrich ist ja nicht immer nur der Abteilungsleiter, sondern auch mal so was wie ein Ermittler gewesen. Von klein angefangen bis nach oben sozusagen. Bei DOG nennt man das Dobermann und die Hauptgefreite Kleinaxt ist auch so eine. Und jetzt kommt's. Bevor der Picardo zum Abteilungsleiter ernannt wurde, war der ein Dobermann und zwar zuständig für die Alchimistengilde.
Na ja normal ist das ja bei DOG nicht, dass der Chef mit seinen Leuten zusammen draußen ermittelt. Aber der Picardo hat natürlich die Gelegenheit, wie die Kleinaxt da bei ihm im Büro steht ergriffen, um selbst mal wieder das Gefühl echter Wachearbeit zu spüren.
Kommen wir aber zurück zu dem Mann, der der Auslöser des Ganzen gewesen ist. Obwohl er es nicht willentlich - das unterstelle ich ihm hiermit - getan hat. Waldimir Sommerbraun, ein niederes Mitglied der Alchimistengilde - ein so genannter "Kesselhalter" - hatte schon zu Zeiten, als der heutige Abteilungsleiter noch in den Tiefen der Gilde ermittelt hatte, als Informant für die hiesige Stadtwache gearbeitet. Damals war die Hauptgefreite Kleinaxt übrigens noch nicht mal bei der Grundausbildung angelangt, wie ihr der Picardo auch soeben vorgeworfen hatte. Aber wir kennen alle die Chefs mit ihren "Damals"-Geschichten. Oder?
Wie auch immer. Dieser Waldimir - dass der so hieß hatten die DOGs bis dahin zumindest geglaubt - wurde natürlich auch aus einem bestimmten Grund umgebracht, wie die DOGs auch bald herausgefunden hatten, aber dazu später. Es hätte natürlich auch kein selektives Verbrechen, sondern einfach ein Straßenraub mit Todesfolge sein können. Aber dem Fähnrich kam das von Anfang an sonderbar vor, dass plötzlich einer seiner ehemaligen Informanten aus den guten alten Tagen tot auf dem Ankh liegt.
Schlittenhund oder fetter Köter
Wenden wir aber den Blick von diesem ungleichen Pärchen ab und wenden wir uns zwei zumindest optisch anspruchsvolleren Gestalten des hiesigen Hundezirkels zu. Langsam und zäh zogen die Nebelschwaden am Ankh, dem Fluss der diesen beschaulichen Moloch in zwei Teile gliedert, entlang. Neben einigen anderen, die sich an diesem Morgen am langen Lauf des Flusses aufhalten, interessieren uns besonders zwei Personen, die eigentlich so gar nicht in das Bild der heruntergekommenen und depressiven Menschen passen. Der eine war ein großer Mann, fast schon ein Hüne. Seine langen blonden Haare klebten ihn durch die morgendliche Feuchtigkeit als Strähnen im Gesicht. Die andere Person war eine junge Frau mit für die Region fremdartigen Gesichtszügen. Sie entstammte dem fernen Achatenen Reich und war von ihrer Abstammung her klein und schlank. Ihre sonst zarten und feinen Gesichtszüge waren durch die Kälte und das unangenehme Wetter verzerrt und wirkten eher wie eine bösartige Grimasse. So standen die beiden in lange graue Mäntel gehüllt und fröstelnd ob des Wetters.
Das an sich ist nichts Besonderes. Es gibt auch in Ankh-Morpork Menschen - und andere Spezies, ich will mir hier ja nicht den Mund verbrennen - die Wert auf ein gepflegtes Äußeres legen. Aber sie passten nur schwer ins Bild der Personengruppe, die sich am Morgen in der Nähe des Ankh aufhalten würde. Die verarmten und heruntergekommenen Randgruppen der städtischen Gesellschaft. Und die Stadtwache. Diese beiden Gruppen waren eigentlich die Einzigen. Und die Leute der Stadtwache auch nur eher selten und wenn, dann kamen die in größeren Rudeln.
Also wüsste ich es nicht besser hätte ich die beiden dort unten keiner der beiden Gruppen zugeordnet. Aber ob ihr es glaubt oder nicht, sie gehörten tatsächlich zur hiesigen Wache. Auch wenn sie so gar nicht wie typische Wächter aussahen und das hatte sogar System. Denn der Große - er hört übrigens auf den Namen Patrick Nichts - war ein so genannter Husky. So heißen die verdeckten Ermittler bei den DOGs. Und die Zweite - na ja so ein richtiger Husky war sie noch nicht. Nicht dass sie nicht das Zeug dazu hatte, sondern es lag wohl eher daran, dass sie und die Stelle des Schlittenhundes mehr eine Zweckheirat als eine Liebesbeziehung gewesen sind. Aber das gehört hier wohl nicht hin.
Denn wenn wir uns die beiden noch genauer anschauen, dann sehen wir, dass da etwas im Busche ist. Sie starrten stur auf den Ankh. Nur dass der Ankh derzeit von dichten Nebelschwaden umlagert war und es dort absolut nichts zu beobachten gab.
"Und was ist nun?" Fragte die junge Frau mit zusammen gepessten Zähnen, ohne die Lippen zu bewegen.
"Pssst! Sei leise. Es kommt näher!" Gab Nichts zurück. Bemerkenswerterweise ebenfalls ohne die Lippen dabei zu bewegen. Beide standen weiter still am Ufer mit sturem Blick in die Nebel.
Unter uns gesagt, wenn ich bemerken würde, dass mich jemand verfolgt und beobachtet, dann würde ich nicht am Ankhufer stehen und so tun als würde ich davon nichts gemerkt haben. Aber wie Ihr vielleicht sowieso schon erahnt habt, hatte der Nichts einen Plan gehabt und die Dlei Hunglige Mäulel spielte diesen zähneknirschend mit.
Zähneknirschend ist eigentlich noch ein sehr milder Ausdruck. Dlei Hunglige Mäulel hatte diese ewigen Versteckspielchen satt. Was nicht an dem Dasein eines Huskys lag, sondern mehr an dem Dasein eines Huskys in Ausbildung. Und wenn man als Ausbilder einen Herrn namens Patrick Nichts hat. Was nicht daran lag, dass dieser Nichts ein schlechter Husky gewesen wäre. Nein, das war es bestimmt nicht. Er war vielleicht ein wenig tollpatschig, sehr großspurig und oft sehr schwer von Begriff, aber Dlei Hunglige Mäulel war immer noch überzeugt, dass er auch gute Seiten hatte. Aber eigentlich hätte ihm der Fähnrich seit der Geschichte mit Arwan keinen Auszubildenden mehr zuteilen dürfen. Seit dieser Sache nämlich war der Nichts ein wenig traumatisiert. Ist ja aber auch kein Wunder. Da kommt so ein kleiner Rekrut und absolviert seine Ausbildung mehr schlecht als recht, ohne dass ihn sein Ausbilder je richtig gesehen hatte. Das allein wäre ja schon eine Kerbe im Ego des Lance-Korporals gewesen. Aber dass sich eben jene Rekrutin zum schwarzen Schaf der Abteilung entwickelt, macht dem Herrn Nichts noch schwerer zu schaffen. Wobei der sich ja nichts vorzuwerfen hatte, der Nichts, die Arwan hatte halt ein Autoritätsproblem, Lance-Korporal hin oder her. Und da ihm jetzt sogar noch die stellvertretende Abteilungsleiterin anvertraut wurde. Na ja ihr könnt verstehen, warum der jetzt keinen Fehler mehr machen will. Nun ja - aber wir wissen auch, dass man gewisse Dinge übertreiben kann. Und nun kann man auch die Laune von Dlei Hunglige Mäulel verstehen.
Erst wurde sie ins Haupthaus versetzt - praktisch unter Dauerbeobachtung des Knollensaugers - und dann auch noch den Nichts als Ausbilder. Und als Krönung schickte ihr der Fähnrich auch noch diesen Khai als Assistenten. Und dann heute schon drei Stunden bei der Kälte am Ankh stehen.
Aber egal kommen wir zurück zu dem Grund, warum die beiden eigentlich dort unten standen. Wenn man genau hinhört, dann bemerkt man ganz leise Schritte, die sich ihnen näherten. Einzelne Schritte. Eben diese Schritte, die die beiden auch gehört hatten. Ein ganz leises Knirschen im Gras und dem Schlamm, der das Ufer des Ankh zierte.
"Und was machen wil dann?" Zischte Dlei Hunglige Mäulel kaum hörbar hervor.
"Überlass das mir!" kam die ebenso leise Antwort des blonden Mannes. Aber die Betonung lag eindeutig auf dem Wort mir.
"Wieso dil?! Glaubst du du bist del Einzige del hiel gloß und stalk ist?"
Nichts überlegte kurz. Es schien ihm eine Antwort auf der Zunge zu liegen, aber er verkniff sie sich.
"Der Busch!" Sagte er stattdessen.
"Del linke oder del dolt dlüben?"
"Der linke!"
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stieß Dlei Hunglige Mäulel einen lauten spitzen Schrei aus und stürzte sich auf den linken der beiden verkrüppelten Büsche.
Ach ja - was an dieser Stelle vielleicht auch noch erwähnenswert wäre, ist die Tatsache, dass genau zu dieser Zeit, sich auch der Rest der DOGs auf den Weg gemacht hatte einander zu suchen, jemanden zu überwachen oder einfach schmollend durch die Stadt zu laufen. Aber das war den beiden dort unten am Ankh kein rechter Trost, was auch daran lag, dass sie davon gar nicht wussten. Und das ist wohl auch eines der großen Erfolgsgeheimnisse der kleinen DOGs. Praktisch hoffnungsloses Chaos im gottgleichen Vertrauen auf den Zufall. Zumindest manchmal. Und eines sage ich Euch, es klappt! Nicht immer, aber manchmal. Aber ich will hier nichts schön reden, vielleicht wären sie ja anders schneller dahinter gekommen. So haben sie ja nicht wissen können, dass derjenige der dort vor ein paar Stunden noch auf dem Ankh gelegen ist, gar nicht derjenige gewesen ist, weswegen der Fähnrich so einen Schreck gekriegt hat. Aber nicht das Du jetzt denkst - na dann ist ja gut. Denn es kommt ja noch viel schlimmer. Und obwohl der Fähnrich sich den Toten nie angeschaut hat und daher auch nicht wissen konnte, dass das ja ein ganz anderer war, hat er richtig gehandelt, indem er gleich mal seine ganze Truppe auf die Jagd geschickt hat.
Denn wenn wir mal ganz tief in die Kammern der Alchemistengilde schweifen, da brodelt schon so einiges. Und damit meine ich nicht nur die kleinen Gläschen und Kolben. Worauf ich eigentlich hinaus will, ist Folgendes. Der Fähnrich war ja mal Ermittler bei den Alchemisten, aber seit der von dem Hauptmann hoch gehieft wurde, war der nicht mehr wirklich auf dem Laufenden gewesen. Sonst wäre dem wohl nicht entgangen, dass dort der Haussegen schon lange schief hängt. Nehmen wir mal den alten Chef der Gilde. Ich sage deshalb bewusst alt, obwohl der ja noch gar nicht so alt war. Und zwar deshalb, weil der jetzt tot ist. Offiziell ein Unfall. Aber gildenintern ist denen das schon alles sehr komisch vorgekommen. Und hätte der Fähnrich damals nicht soviel mit dämonischen Hasen zu tun gehabt, hätte er es sich wohl auch nicht nehmen lassen, seine Nase oder die Nase eines seiner DOGs dort rein zustecken. Aber so ist das ein klein wenig an dem viel beschäftigten aufstrebenden Offizier vorbeigegangen.
Kann ja mal passieren, sage ich da!
Die Vampirin und der Rest
Langsam und leise schlich sich Timotheus Trobar durch die Schatten des anbrechenden Morgens. Die ersten Strahlen der Sonne wurden von den Dünsten und Gasen der Stadt förmlich zurückgeschmettert und ihr Licht drang wie ein träger grauer Schleier in die Straßen und Gassen der Stadt ein. Dieses trübe Licht und der Nebel der durch die Straßen zog, war seiner Meinung auch der Grund, warum sie ihn noch nicht gesehen hatten. Denn der Moloss hatte ihre Schritte soeben nahe vor sich vernommen. Vielleicht noch ein paar Meter schätzte Trobar.
Nun werden sie sicher sagen, was ist denn das für ein Typ, der sich morgens durch die Straßen schleicht. Und unter uns - nicht sehr geschickt, praktisch von einer Wasserpfütze zur nächsten. Platsch platsch platsch. Und seine Laune können wir uns auch vorstellen. Die Laune eines DOGs, der mit zwei nassen Hosenbeinen durch den kalten Morgen schleicht und von seinen zu Observierenden nicht mehr als die Umrisse erkennen konnte. Langsam aber kam er ihnen näher und zum anderen hatte er auch den Eindruck, dass die Gegend ihm wieder bekannt vorkam. Als die Schritte verstummten, blieb auch er hinter einem alten vertrockneten Busch und wartete.
Und während der Herr Trobar, von Straßenecke zu Straßenecke - eine Orientierung hatte er schon lange nicht mehr - durch die Stadt schlich, fragt Ihr Euch sicher, ob alle DOGs so sind. Ob die alle wie Verbrecher durch die Stadt schleichen oder zu Schreibtischtätern verkommen sind? Gute Frage, aber ich kann Euch beruhigen, sie sind nicht alle so. Es gibt tatsächlich noch DOGs die anders sind als die, von denen sie schon gehört haben. Zum Beispiel dieser Mückensturm oben auf dem Dach. Die meiste Zeit eh mit seiner Taubenanlage beschäftigt. Von dem hatten die neuen DOGs bisher kaum was gesehen, aber eines konnte man von dem mit Sicherheit behaupten. Er schlich gerade nicht in der Stadt herum, sondern schlief, wie normale Bürger es um diese Zeit tun sollten. Das entspricht doch schon eher Eurem Bild eines echten DOG, oder? Nur kein Stress, oder?
Aber die Vorstellung, dass zu DOG auch ganz andere Leute gehören, fällt doch eher schwer. Aber das ist schon ok, denn seid versichert, dass es eher eine Ausnahme ist, wenn einer oder eine dort einen vorbildlichen Dienst schiebt. Aber es gibt sie. Nehmen wir doch mal den Neflie, der tut was ihm geheißen wurde und bewacht aus seinem Versteck in einer Astgabel heraus, die Vorgänge in der Alchimistengilde. Und das gute daran ist, dass er dies einfach tut. Er versucht weder dabei die Stadt anzuzünden, noch die Gilde zu sprengen und erst recht versucht er nicht einzuschlafen. Ich sage dabei ganz bewusst, er versuchte es, denn sicher zählt dabei auch der gute Wille, aber das Ergebnis ist auch nicht völlig unwichtig. Besonders .. nein ganz besonders beim Observieren! Und da ist das dann eher suboptimal, wenn jemand sich toll versteckt hat, aber dabei zusammen mit seinem Eichhörnchen ein Nickerchen hält. Also da könnte man sagen, dass das nichts ist, was der Fähnrich nicht auch öfters tun würde, aber im Gegensatz zum Fähnrich ist dem Neflie durchaus bewusst gewesen, dass er nicht völlig grundlos dort oben im Baum saß. Denn er hatte den ganz konkreten Auftrag einen gewissen Rudolph Kirmberger zu überwachen. Und nebenbei eine gewisse Alice zu beschatten. Warum und wieso genau er jetzt hier oben saß, wusste der Neflie natürlich nicht. Es ist ja auch nicht so, dass ihn das brennend interessiert hätte. Aber wie sagt man so schön, wer schläft, der sündigt nicht. Der Fähnrich hat das später zwar nicht so gesehen, aber kommen wir lieber zu dem eigentlichen Grund. Oder besser zu diesem ominösen Kirmberger.
Um diese Geschichte zu erzählen müsste man aber weiter ausholen. Fragt den Fähnrich nach den Details. Eines allerdings kann ich Euch sagen. Der Fähnrich hatte mal eine Affäre mit der Alice. So richtig feurig und leidenschaftlich. Man denkt es ja nicht, aber der Picardo soll ja aus Quirm stammen und da sind die Männer halt irgendwie anders. Das wird der Alice wohl imponiert haben, dieses gewisse Etwas am Fähnrich. Na ja, der Neflie und die anderen haben an ihrem Chef noch nie etwas Besonderes bemerkt, aber vielleicht sieht man das ja auch nicht so deutlich, wenn man es die ganze Zeit vor der Nase hat.
Egal, auf jeden Fall war die Alice ein Mitglied der Alchimistengilde und da der Fähnrich ja mal Dobermann bei den Alchimisten war, konnte die Alice sagen - praktisch auf der Arbeit kennen gelernt. Und so schlecht sah die ja auch nicht aus. Nicht so auf den ersten Blick. Vielleicht eher auf den dritten. Und vielleicht hat sich der Fähnrich auch immer die wilden Haare, den fleckigen Kittel und die dicke Brille weggedacht. Und die Augenbrauen waren auch ein wenig angesengt. Aber eines, das weiß nicht nur der Picardo - ein toller Charakter!
Und Ihr habt es Euch vielleicht schon längst gedacht. Wie der Fähnrich von der Kleinaxt gehört hatte, dass da in der Gilde was am brodeln war, hat der natürlich zuerst an seine Teilzeitgeliebte gedacht. Wobei die "Teilzeitgeliebte" ist so ein gewagter Ausdruck, den die Alice sicher so nicht gerne hört, aber aus der Sicht vom Fähnrich war sie das. Na ja er hat es ja nur gut gemeint und sich Sorgen gemacht. Auch wenn da schon lange nichts mehr zwischen denen gelaufen ist. Ein Blumentopf auf dem Schädel des Fähnrichs hatte die Geschichte ein wenig getrübt, kurz nachdem sie ihre Eltern mit ins Spiel bringen wollte.
Oder vielleicht gerade weil da schon länger nichts mehr gelaufen ist, dachte der Fähnrich - jetzt muss ich wieder mal. Auf jeden fall hat er sich Sorgen gemacht, weil der erste Tote ist schon sein Informant bei der Gilde gewesen und die Alice ist nebenbei auch seine Informantin bei der Gilde gewesen. Und sonst hatte er keine Informanten. Und jetzt ließ er den Neflie auf die Alice aufpassen. Und natürlich auch auf den Kirmberger. Denn den hatte der Fähnrich schon lange auf dem Kieker. Und der Kirmberger hatte die Alice auf dem Kieker. Praktisch abgelegter Liebhaber, der es nie überwunden hat. Und dann noch die Sache mit dem Fähnrich. Der Rudolph war da sehr nachtragend gewesen und das hat es der Alice nicht leicht gemacht. So mit einem liebeskranken eifersüchtigen Vorgesetzen auf der einen und einem selbstverliebten unzuverlässigen Liebhaber auf der anderen Seite. Und an den hat der Picardo natürlich zuerst gedacht. Und ganz so falsch hat er damit auch gar nicht gelegen, aber auch nicht völlig richtig.
Aber egal ich schweife schon wieder ab. Worum es eigentlich ging, ist dass der Neflie oben, gut versteckt auf dem Baum eingeschlafen war. Und ein ganz besonderes Augenmerk möchte ich auf das lenken, was der Neflie vielleicht gesehen hätte, wenn er nicht geschlafen hätte. Aber dazu müssen wir noch weiter ausholen. Oder sagen wir besser umschwenken dazu. Und zwar zu der Person, die ein weiterer Grund für die anhaltend schlechte Laune der Frau Dlei Hunglige Mäulel gwesen ist. Und zwar heißt der Grund Breda Krulock. Ihres Zeichens ebenfalls Dobermann hatte die durch eine Recherche schon längst rausgekriegt, dass mit dem Kirmberger was nicht stimmte. Denn die Krulock war tough und genau das war es, was unsere Frau stellvertretende Abteilungsleiterin an ihr so sehr störte. Man sagt ja immer Männer haben Probleme mit erfolgreichen, intelligenten Frauenpersönlichkeiten. Was ja auch sicher irgendwie stimmte, aber das hieß nicht, dass Frauen sich nicht auch an Personen wie der Krulock störten. Und hier wieder der Gegensatz. Der Nichts und sogar der Fähnrich konnten die Krulock wirklich gut leiden und die Dlei Hunglige Mäulel wiederum nicht. Aber dass die Männer der Abteilung sie so sympathisch fanden, hat natürlich auch etwas mit ihrem Aussehen zu tun. Zwar war die Krulock eine Vampirin, aber nicht so ein Vampir, wie wir ihn uns immer vorstellen. So dürr und schrumpelig. Der Kommandeur zum Beispiel, strotzte ja auch nicht grad vor positivem Charisma. Nein, bei der Breda - ich nenn sie mal Breda, weil sie wirklich sehr nett ist - war das ein wenig anders. Sogar sehr viel anders. Zum Beispiel stellen sich die wenigsten Wächter einen Vampir als junge Frau vor. Und noch dazu als gut aussehende junge Frau. Nun die Details erspar ich mir jetzt hier, wir wollen ja nicht von der Geschichte ablenken. Denn was nutzt es, wenn die Breda stundenlang in den Akten recherchiert und etwas raus findet, was ihren Kollegen wirklich geholfen hätte, wenn die Dlei Hunglige Mäulel die Nachricht von ihr einfach ignoriert. Ignoriert ist hier vielleicht ein harter Ausdruck - sagen wir vielleicht besser, sie hat die Nachricht bemerkt und sich für später aufgehoben. So in etwa, denn wie gesagt, hatte die Dlei Hunglige Mäulel allen Grund dazu auf die Krulock sauer und eifersüchtig zu sein. Zumindest aus ihrer eigenen Sicht heraus. Auch verständlich finde ich. Wenn Du einen großen Schlag gegen die Triaden führen willst und es endlich die Molossstelle bei DOG gibt. Und wenn man in Folge dessen diese Stelle aber nicht kriegt und dafür die ganze Zeit im Wachhaus hocken darf. Und alles was man von der Boucherie noch mitbekommt ist, Breda hier Krulock da. Also ich finde es da doch durchaus menschlich, dass die Dlei Hunglige Mäulel die Nachricht einfach ungeöffnet in die Tasche gesteckt hat. Denn wer weiß, worüber die Krulock schon wieder brütete.
Nun ja. Wir wissen schon, was die Breda da herausgefunden hatte. Die war nämlich ganz schön auf Draht. Denn da kann der Fähnrich sagen, das Mädchen ist klasse - nicht weil die so nett aussieht, sondern weil die raus gefunden hat, dass da gar nicht die Leiche von Picardos ehemaligen Informanten, sondern jemand anderes gewesen ist. Die hat sich nämlich mal in den Akten umgesehen, die die Kleinaxt ein halbes Jahr lang sortieren durfte. Und da ist die drauf gestoßen, dass der Mann den der Fähnrich meinte schon vor einem Jahr ... na ja sagen wir Haushaltsunfall mit einem von der Decke baumelnden Seil. Schlimme Sache und der Fähnrich hätte sich das sicher genauer angeschaut, wenn ... ja wenn der nicht immer so beschäftigt gewesen wäre. Und die anderen, die Dlei Hunglige Mäulel und die Kleinaxt hat das auch nicht gestört, denn die Alchemisten waren ja die Sache vom Chef und der hat da auch niemand anderes an seine Alchimisten rangelassen.
Und die Krulock hat sich eigentlich gar nicht darüber gewundert, dass sie keine Antwort von der Dlei Hunglige Mäulel bekommen hat. Irgendwie scheint der Einfluss vom Nichts abzufärben, dachte die sich wahrscheinlich. Also nicht das Nichts sondern der Nichts, der Husky und ihr Ausbilder wieder Willen - ihr wisst schon. Der Typ der viel zu wenig machte und viel zu schnell befördert wurde, wie die Breda fand. Und eigentlich hatte die Krulock ja auch Recht, wie wir wissen, denn die Dlei Hunglige Mäulel hat den Zettel wirklich erst gelesen, wie es schon vorbei war. Und nachher war die auf die Krulock noch schlechter zu sprechen gewesen als vorher, das könnt ihr glauben.
Aber nun zu dem, was Euch wahrscheinlich schon die ganze Zeit interessiert, nämlich wer denn nun wirklich derjenige gewesen ist, der dort auf dem Fluss gelegen ist.
Die Alice hat sich ja eigentlich keine Sorgen mehr wegen der Eifersucht von Kirmberger machen müssen, denn der hatte einen ziemlichen Dämpfer bekommen. Einen ziemlich starken Dämpfer sogar. Und zwar genau auf den Hinterkopf, der dann ziemlich übel gebrochen ist. Und das auch mit gutem Grund, denn so einen Schlag von einem Hammer überlebt kaum eine Schädeldecke, wenn man nicht gerade ein Troll ist. Was uns auch gleich zu der Vermutung führt, dass der schwere Vorschlaghammer nicht rein zufällig den Kopf des Kirmberger getroffen hat.
Und da muss ich Euch Recht geben, wenn Ihr sagt, dass das bestimmt kein Versehen war. Der Fähnrich und seine DOGs werden bald dahinter kommen, aber Euch kann ich ja schon mal etwas mehr erzählen. Der Kirmberger war ja nicht der einzige, der in der Gilde hinter der Alice her gewesen ist. Das ist auch kein Wunder, denn so verschroben sah die Alice ja bekannter weise nicht aus, denn der Fähnrich leidet ja auch nicht an Geschmacksverirrung. Und da sie so ziemlich die einzige Frau in einer fast reinen Männerumgebung war, kannst Du Dir vorstellen, dass da der Lenz ausgebrochen ist, obwohl der Frühling schon längst vorbei gewesen ist. Und da ist jetzt auch die Zahl der Verehrer nicht gerade klein und übersichtlich. Und eines steht auch fest, um wieder bei der Alice zu landen, hätte sich der Fähnrich ziemlich ins Zeug legen müssen. Da waren zum Beispiel der "kleine Klock". Der hatte die Alice versucht mit Blumen zu erobern. An sich eine tolle Idee, muss man ihm lassen. Sozusagen das altbewährte Hausmittel. Hat leider nicht gewirkt, denn die Alice hat fürchterlich geweint und sich geschnäuzt und hinterher hat auch der kleine Klock gewusst, dass die Alice Allergikerin gewesen ist. Oder der weiße Heinrich. Hat es mit dem wissenschaftlichen Ansatz versucht und den Weg über den Liebestrank gesucht. Nun was soll ich sagen - wenn die Sache mit dem Liebestrank funktionieren würde, wäre es sicher längst kein Geheimnis mehr. Und gestunken hat es auch ganz sonderbar - ein Weihrauchfass ist nichts dagegen. Also hat es auch beim Heinrich nicht funktioniert und es wundert mich nicht, dass da noch viele andere waren, die der Alice den Hof gemacht haben.
Aber die Alice hat nie einen so richtig rangelassen. Das ist halt so bei den Frauen. Die einen nehmen alles was Spaß macht mit und die anderen denken sich, sie warten bis es so richtig ... na ja so richtig Spaß macht. Und die Alice hat es eher aus der letzteren Perspektive gesehen. Und der perfekte Mann war bisher nicht dabei gewesen. Mit dem Fähnrich hätte sie sich das schon vorstellen können, aber das war ja auch so eine einzige große Enttäuschung gewesen. Was immer man so an Vorurteilen über quirmianische Männer haben kann, hat sich dann nachher in ihr angestaut. Und wenn der Alice heute ein Mann mit brauner Haut und schwarzen Locken begegnet, dann will sie dem am liebsten den Spaß für alle Zeit verderben. Und mit so einer Haltung ist auch der Zugang zur restlichen Männerwelt leicht gestört. Das hat es dann auch dem Richard nicht leicht gemacht. Aber der war von allen am Nahesten dran gewesen. Da müsst ihr Euch vorstellen, der Richard sieht zum einem nicht schlecht aus. So ein schlanker großer Kerl mit blauen Augen, mit der er ganze Heerscharen an Frauen bezaubern könnte. Und zum anderen war der auch nicht dumm gewesen. Wobei dumm das falsche Wort ist, denn dumm war in der Gilde ja eigentlich keiner. Sagen wir er hatte Humor und Charme. Und Frauen hatte der schon, frage nicht. Aber bei der Alice hatte er dann doch ein wenig länger gebraucht. Aber zumindest war er so nah dran wie kaum ein anderer aus der Gilde.
Aber zu dem Zeitpunkt wo der Neflie selig auf dem Baum von herumtollenden Eichhörnchen träumt, steckt die Alice nämlich in einem tiefen und sehr unangenehmen Schlamassel. Und noch dazu in einem dunklen finsteren Keller. Aber ich nehm jetzt mal vorweg, dass der Alice dort unten nichts geschehen wird, denn sicher habt ihr längst alle durchschaut, dass auch in dieser kleinen Geschichte dem weiblichen Hauptdarsteller nichts passieren wird.
Und nun stellen wir uns mal diesen Zufall vor, der hier mit hineinspielt. Denn genau zu dem Zeitpunkt, wo die Dlei Hunglige Mäulel wütend auf den Busch losgeht, in dem sich der Trobar im Nebel versteckt hält und dem verblüfften Moloss eine überbrät, dass es ein Wunder ist, dass die bläulich gelbe Schwellung je wieder zurückgegangen ist - genau in diesem Moment kommt ein weiter Wächter ins Spiel. So neu ist der aber nun auch wieder nicht, und griesgrämig noch dazu, denn dass in seinem Laden so mal wieder überhaupt keiner was vom anderen weiß, das hat den Fähnrich immer schon ein wenig wütend gemacht. Und das Ausschlaggebende an seiner miesen Stimmung war, dass er die Kleinaxt immer noch nicht abschütteln hatte können. Sie schien es regelrecht darauf angelegt zu haben, ihm zu folgen und ihn zu belauern. Innerlich verfluchte der Fähnrich den Tag, an dem er die Zwergin in seine Abteilung geholt hatte. Zu viel Engagement und viel zu viel Enthusiasmus - das war die Diagnose Picardos und seiner Meinung nach würde der gute alte Geist der Wache nie auf sie abfärben.
Aber die Kleinaxt war nicht das Einzige, was dem Fähnrich derzeit die Stimmung vermieste. Da waren schließlich noch die anderen Wächter seiner Abteilung. Sie waren da - davon war Picardo überzeugt, aber wo waren sie. Der Fähnrich wanderte nervös von einer Ecke seines Büros zur anderen.
Wo waren Nichts und Dlei Hunglige Mäulel? Er hatte sie schon vor Stunden ausgeschickt, sich im Milieu rund um die Gilde umzuhören. Wieso bekam er keine Nachrichten von ihnen? Das Fieber war in ihm ausgebrochen und er wollte dringend mehr Informationen, über seine so arglos vernachlässigte Gilde. Wo waren die beiden bloß? Und wo steckte dieser Trobar schon wieder?
Kleinaxt war gerade mit den Nachrichten von der Krulock in sein Büro geplatzt. Und als würde das alles nicht reichen, hatte die kleine Zwergin noch mehr schlechte Nachrichten für ihn.
Und das alles hatte die Sorgen vom Fähnrich allesamt nur schlimmer gemacht. Der konnte nämlich gar nicht mehr so richtig stillsitzen, obwohl das sonst zu seinen leichtesten Übungen gehört hatte. Dass er schon seit Tagen nichts mehr von Dippwin und Laudes gehört hatte, hat ihn jetzt grad auch gar nicht mehr beschäftigt. Der hat nämlich nur noch zur Kleinaxt gesagt:
"Goldie, schnapp Dir Deine Sachen, jetzt gehen wir selbst raus!"
Das hatte schon irgendwie etwas Prickelndes für den Picardo gehabt, endlich wieder an der frischen Luft zu sein. Praktisch wieder auf der Jagd. Tief sog er den Atem der Stadt ein und schlug zielsicher den Weg in Richtung der Alchimistengilde ein. Vielleicht nicht grad prickelnd, aber zumindest ungewohnt war es auch für die Kleinaxt gewesen, so hinter ihrem Chef herdackeln zu dürfen. Denn sonst immer den beschäftigten Abteilungsleiter abgeben und kaum passiert irgendwas mit seiner Ehemaligen, wird der nervös wie Espenlaub. Ein Rekrut ist nichts dagegen. Und sonderlich viel Spaß hat das der Hauptgefreiten da jetzt auch nicht gemacht, mit diesem Bürohengst. Der hatte doch ihrer Meinung nach schon längst aufgehört, ein echter Dobermann zu sein. Cockerspaniel oder Zwergpinscher, dass waren die Namen, die die anderen DOGs ihrem Abteilungsleiter gaben, wenn der grad nicht da war. Auch die Kleinaxt fand diese Namen viel passender, während sie hinter im herlief und sich beeilen musste, um mit dem Fähnrich schritt zuhalten.
Keine Angst das Ende naht!
Aber lassen wir die beiden ruhig durch die Stadt laufen und wenden uns einer Partie zu, die mindestens genauso viel Spaß hatte, wie die beiden. Kommen wir doch zu den beiden Huskys, die noch vor ein paar Stunden am Fluss gefroren haben. Da ist nämlich auch ne Menge passiert in der Zwischenzeit. Wo waren wir da eigentlich stehen geblieben - ah ja genau - der Trobar und die Dlei Hunglige Mäulel!
Also es ist nicht so, dass die Dlei Hunglige Mäulel gewusst hat, dass der Trobar sich dort in den Büschen versteckt hatte, aber als sie es gemerkt hat, hat es ihr auch nicht so richtig leid getan. Denn danach ging es ihr wirklich merklich besser, das könnt ihr glauben. Damit meine ich natürlich die emotionelle Ebene und das hat nichts mit dem Trobar persönlich zu tun, sondern eher damit, dass sie gerade einen Moloss verprügelt hatte. Manche Dinge können halt unglaublich befreiend wirken. Später hat sie dann zu Protokoll gegeben, den Trobar erst erkannt zu haben, wie ihr Fuß schon den seinen Schädel getroffen hatte und der Nichts hat dann auch nichts anderes behauptet und entschuldigt hat sie sich auch. Damit sollte es aber dann auch wirklich gut sein! Schließlich ging es danach allen - bis auf den Trobar - besser und die Huskys wussten nun, dass keine Gildenhäscher hinter ihnen her gewesen sind. Ich möchte hier noch sagen, dass das blaue Auge vom Trobar nach zwei Wochen fast nicht mehr zu sehen war. Aber dafür glaube ich, erschreckt er sich auch heute noch, wenn er der kleinen Achaterin nachts irgendwo begegnet. Und der Nichts hat dann auch irgendwie mehr Respekt vor der Dlei Hunglige Mäulel gehabt. Was so ein kleiner Tritt doch alles bewirken kann!?
Na ja aber jetzt halten die Drei eine zitternde und verstörte Alice in den Armen. Und nun werdet ihr Euch sicher fragen, wie geht denn das? Eben noch versehentliches Verprügeln von Kollegen und jetzt plötzlich die großen Retter? Ich geb ja zu, dass es nicht gerade nahe liegend war, aber hier hat wie bei vielen großen DOG-Erfolgen, das Glück seinen Rest dazu getan. Aber wollen wir den Erfolg hier nicht unnötig schmälern, denn die Wächter haben sich natürlich mal wieder vorbildlich richtig verhalten. Die haben gerade den Trobar in die Boucherie schleppen wollen, wie plötzlich die Alice wie von der Tarantel gestochen aus einem der kleinen Häuschen gerannt ist. Die Dlei Hunglige Mäulel und der Nichts haben die dann auch gleich wieder erkannt, denn vor etwa einem Jahr hatte der Fähnrich die Alice schon mal in die Wache geschleppt. Und nun ist eben diese junge Frau nur mit einem Nachthemd bekleidet aus dem Haus gerannt und direkt über eine am Bordstein stehende Kiste geflogen. Ich sage jetzt mal nur, das war ein kurzer Flug und dafür eine harte Landung auf dem Pflaster. Sonst hat die Alice ja ganz gut ausgesehen, das hatte ich ja schon erwähnt. Aber derzeit hätte es der Fähnrich bereut sie beschatten zu lassen. Die Nase saß ein ganz klein wenig schief und auch die Platzwunde über dem rechten Auge hatte nur wenig Feminines an sich gehabt. Auch wenn wir jetzt sagen, nach Prinzessin sah die nicht gerade aus, aber der Nichts wollte sich trotzdem auf sie stürzen. So von wegen Beschützerkomplexe und so weiter. Das war schon immer seine Rolle gewesen, da ist auch der Nichts ein kleiner Zwängler gewesen. Und wenn da eine im Nachthemd, genau vor ihm voll auf die Schnauze fällt, dann will der immer sofort hinrennen und helfen. Da sind ihm das Blut und die Nase völlig egal. Nun hat der aber neben der Dlei Hunglige Mäulel gestanden und die war ja bekanntlich nicht weniger gescheit wie die Krulock. Sozusagen die beiden echten "Köpfe" von DOG. Und wie der Nichts da schon losrennen wollte, hat die ihm gleich leicht einen Ellenbogen in die Seite gerammt. Denn die Dlei Hunglige Mäulel war heute bekanntlich nicht sonderlich gut aufgelegt. Die hat dann nur noch Etwas gezischt von wegen "Pfoten weg! Das ist Flauensache!", hat dem Nichts dafür den Trobar in den Arm gedrückt und hat sich selbst um die Alice gekümmert. Na ja ein wenig das Blut wegwischen, die Haare aus der Wunde entfernen und mehr konnte die Dlei Hunglige Mäulel da auch nicht machen. Dafür hat die sich die Alice geschnappt und nun sind sie wie ein kleiner Zug der Kriegsversehrten durch die Stadt in Richtung Wachhaus. Und unterwegs hat die erschöpfte Alice den Wächtern alles erzählt.
Jetzt werdet Ihr Euch sicher fragen, wie die Alice dazu kommt, einfach so auf die Straße zu laufen. Ich finde Ihr habt es verdient, auch den Rest zu erfahren. Die Alice hat da zwar in dem Keller gehockt, aber ganz untätig war die dabei nicht gewesen. Wenn man nämlich eingesperrt ist, dann versucht man ja für gewöhnlich irgendwie da raus zukommen. Und die Alice hat das genauso versucht. Zuerst hatte die eine Viertelstunde gebraucht, um mit ihrer Haarspange das Schloss der Kellertür aufzubekommen. Es war zwar ein einfaches Schloss, aber so was macht man ja nicht alle Tage. Und als sie das Ding dann endlich geknackt hatte, ist die natürlich ganz vorsichtig und langsam die Kellertreppe hinauf geschlichen. Aber nicht ohne sich vorher den alten Knüppel zu schnappen, der unten in einer Ecke des Keller vor sich hin gammelte. Und oben ist sie dann auch gleich demjenigen begegnet, der sie da unten eingesperrt hatte. Und da hat die Alice nicht lange gezögert und feste drauf geschlagen. Ein oder zweimal nur. Und immer auf den Kopf. Der ist dann auch gleich in sich zusammengesackt, wie jeder gute Körper es tun sollte, wenn einen ein Knüppel am Hinterkopf trifft. Davon, dass die Alice dann noch in die - sagen wir mal, dorthin wo es richtig weh tut - getreten hat, hat der dann gar nichts mehr mitbekommen. Aber so ein bisschen Rachegöttin wollte die Alice schon sein. Ist ja irgendwie auch verständlich, oder? Und dann hat sie alles fallengelassen und ist ein wenig überstürzt nach draußen gelaufen. Und den Rest kennt ihr ja schon!
Und wenn ihr euch jetzt fragt, ob es das schon alles gewesen sein soll, habt ihr natürlich Recht, wenn ihr vermutet, dass der Bösewicht noch mal irgendeine Rolle spielt. Denn wären unsere Wächter noch ein wenig länger in der Gasse geblieben, anstatt gleich in Richtung Boucherie weiter zuziehen, hätten sie noch erlebt wie eben dieser Mann benommen, aber wütend aus dem Haus gerannt ist.
Aber das macht alles nichts, denn wir haben ja noch den Fähnrich und die Kleinaxt, die genauso planlos durch die Stadt gelaufen sind. Und nun werdet ihr sagen, dass es das doch nicht geben kann, dass der Fähnrich ausgerechnet dem Richard begegnet, der gerade wütend auf der Suche nach "seiner" Alice durch die Stadt rennt. Aber da es meine Geschichte ist, passiert nämlich genau das!
Also wie der Fähnrich, die Kleinaxt hinter sich herschleifend um eine Straßenecke in der Nähe der Alchimistengilde biegt, läuft er natürlich direkt in den Richard hinein. Aber dabei müsst ihr wissen, dass der Fähnrich den Richard gar nicht erkannt hatte, denn als der Picardo damals in der Gilde mit der Alice geturtelt hat, hat der Richard die Beiden immer nur durch das Schlüsselloch beobachtet. Und deshalb hat der Picardo jetzt den Richard überhaupt nicht erkannt. Dafür hat der den Fähnrich schon erkannt und wie, dass könnt ihr Euch sicher vorstellen. Und den Fähnrich hat das dann schon überrascht und reagiert hat der vor lauter Schreck auch nicht, wie der die Faust auf sich zu kommen gesehen hat. Na ja und da lob ich mir doch eine echte zwergische Tugend. Und da sagt keiner in der Wache mehr Rasenschmuck oder Ähnliches zu den kleinen Leuten. Denn wenn die sich einmal auf einen stürzen, dann geht es ordentlich zur Sache! Und egal wie nervtötend der Fähnrich die Kleinaxt fand, als der sich nach der ersten Faust, die in seinem Gesicht landete gemerkt hat, dass das heute nicht sein Tag wird, war es gut, dass er die Kleinaxt mitgenommen hat. Den wie die ihren Chef zu Boden gehen gesehen hat, ist die natürlich auf den Richard losgegangen - ein Berserker ist nichts dagegen! Und da denkst Du vielleicht, die kleinen Kerle in der Stadt wären irgendwie verweichlicht, aber wenn ihr sehen könntet, wie die Kleinaxt den Richard zugerichtet hat, dann würdet ihr glauben, so was sei angeboren. Später wird der Fähnrich dann sagen, dass alles notwendig war - so von wegen Notwehr und Angriff auf Offiziere und so weiter - aber die Kleinaxt hat er fortan aus anderen Augen gesehen und "Rasenschmuck" hat der nie wieder in den Mund genommen. Es haben ja auch alle weggeschaut und nachdem klar war, dass der Richard den Kirmberger aus Eifersucht umgebracht hat, war es dann auch nicht mehr wichtig, dass der keine Zähne mehr hatte. Er hätte sich halt nicht so sehr zur Wehr setzen dürfen, der Richard!
Und nun denkt Ihr sicher, dass soviel Gewalt völlig unnötig ist und mit moderner Polizeiarbeit nichts zu tun hat. Aber ich kann Euch versichern, dass keiner außer dem Richard - weder die Alice, noch der Fähnrich und der Trobar - bleibende Schäden davongetragen haben. Und die Kleinaxt war auch ganz stolz, weil die hat ja alleine den Richard und den Fähnrich zurück zur Boucherie geschleppt. Praktisch den Fall gelöst und den Chef gerettet. Ein Dankeschön hat sie dafür natürlich nicht bekommen und auch keine Auszeichnung, aber das schien der irgendwie nichts auszumachen.
Und einen Tag später haben sich alle DOGs zum Feiern in den Eimer eingefunden. Alle bis auf eine, aber das wisst ihr ja alles schon. Jetzt wisst ihr auch, wie es bei DOG manchmal so zugeht. Aber vielleicht kommen sie auch wieder, die großen glorreichen Tage der DOG, der Dienststelle für Gildenangelegenheiten.
Ach ja und wenn Ihr unbedingt eine Moral bei dieser Geschichte sucht, wie wäre es damit: Es gibt zwei Dinge die Du niemals unterschätzen solltest, den Zufall und das zwergische Gemüt!
Kritik:ja
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