Nachdem aus einer Entführung ein Mord geworden ist, muß Pyronekdan sich mit dem Fall beschäftigen. Schwer kann das eigentlich nicht werden, da FROG den Täter schon verhaftet hat, oder?
Dafür vergebene Note: 9
Pyronekdan saß in seinem Büro, und blätterte in einer Akte, die von FROG an ihn weitergeleitet wurde. Da Aven und Thymian nicht da waren, fragte er sich wozu er eigentlich aufgeräumt, und die alten Akten ins Archiv gebracht hatte
[1]. Allerdings sah es im Büro inzwischen schon fast wieder so aus, wie vor der Aktion. Für seine Akten benutzte er auch die freien Schreibtische mit, und man mußte schon genau hinsehen, um zu erkennen, daß das Büro im Moment nur von einer Person benutzt wurde.
Bianka Blutblau wurde vor vier Tagen von Kuno Keller entführt, entnahm er in der für ihn neuen Akte. Bruno Blutblau, ein reicher Kaufmann, deponierte das Lösegeld von 10000 Ankh-Morpork Dollar an der vereinbarten Stelle. Mehrere Mitarbeiter von FROG beobachteten den Täter beim Abholen des Geldes von den Dächern nahegelegener Gebäude. Nach einer Verfolgungsjagd wurde der Täter Kuno Keller verhaftet. Leider war aber weder das Geld, noch die Entführte auffindbar. Kuno Keller sitzt seit dem in Zelle drei des Wachhauses, schweigt aber bei allen Verhören. Gestern wurde Bianka in der Nähe des Anwesens der Blutblaus tot aufgefunden. Der Hausarzt Pierre Placebo fand die Leiche zufällig bei einem Hausbesuch, identifizierte und untersuchte sie, und leitete seine Ergebnisse an SUSI weiter. Danach war die Frau schon seit ein paar Tagen tot, so daß davon auszugehen ist, daß sie schon vor der Geldübergabe getötet wurde. Da es sich jetzt um Mord handelte, wurde der Fall an RUM übergeben.
Endlich mal eine einfache Aufgabe, dachte der Zauberer. Da Kuno jetzt wegen Mordes angeklagt werden würde, durfte er wohl kaum hoffen, das versteckte Geld noch ausgeben zu können. Wenn er das Versteck jedoch verriet, würde das Urteil vielleicht etwas milder ausfallen
[2].
Nach einer Stunde hatte er seine Meinung jedoch geändert. Kuno Keller schwieg weiterhin wie ein Grab. Vielleicht habe ich die falsche Taktik angewandt, dachte der Zauberer. Aber zum Glück haben wir eine Kollegin, die das besser kann. Er ging in ihr Büro, und holte sie. Auf dem Weg zu den Zellen gab er ihr Anweisungen:
"Setz dich eine Weile vor die Zelle von dem Entführer, und beobachte ihn", wies er die Verdeckte Ermittlerin an. "Schreib alles auf, was er sagt oder tut."
Schweigen ist einfach, so lange jemand mit einem redet, dachte sich der Zauberer auf dem Weg zurück zu seinem Büro. Aber wenn einem jemand gegenübersitzt, der auch nur schweigt, fällt es viel schwerer. In so einem Fall ist eine Kollegin wie Lilli Baum eine große Hilfe.
In seiner Kaffeepause versuchte sich Pyronekdan zu entspannen, um neue Kräfte für den Fall zu sammeln. Ein Problem bestand allerdings in der Diskussion mit dem Kaffee-Dämonen, warum dieser nicht zur selben Zeit eine Kaffeepause einlegen konnte. Ein weiteres war das Kreuzworträtsel in der Ankh-Morpork Times. Seit ein gewisser Kukaro Soduko aus dem achaten Reich dafür verantwortlich war, hatte er Schwierigkeiten damit.
Wieso mußte man jetzt Ziffern statt Buchstaben in die Felder eintragen?, fragte er sich.
Er versuchte es einfach trotzdem mit Buchstaben:
In die oberste Zeile trug er das Wort RAUB ein. In die erste Spalte paßte dann RUM. Hinter das 'M' schrieb er noch 'ORD' für MORD. Unter das 'U' von RAUB trug er ein 'H' ein, womit er das Wort UHR erhielt. Das ging doch schon ganz gut, meinte der Zauberer.
Nach der Pause ging Pyronekdan wieder zu den Zellen. Lilli Baum und Kuno Keller saßen sich Wortlos gegenüber. Der Zettel, der neben der Gefreiten lag, war noch immer leer.
"Wollen sie jetzt endlich über den Mord an Bianka Blutblau reden?", wendete dich der Zauberer an den Inhaftierten. "Oder soll meine Kollegin noch eine Weile alleine bei ihnen bleiben?"
"Wieso Mord?", platzte es aus Kuno heraus. "Ich habe sie doch nur entführt! Und ich versichere Ihnen, daß ich sie nicht mehr festhalte."
"Aber wir halten jetzt Sie fest. Und Biankas Leiche wurde inzwischen entdeckt."
"Sie ist wirklich tot? Wo wurde sie gefunden?"
In den Anweisungen für Verhöre stand klar und deutlich, daß die Wächter dem Verdächtigen Fragen stellten, die dieser dann beantworten sollte. Warum hielten sich die befragten Personen in seinen Fällen nie an diese Anweisungen, sondern stellten statt dessen immer selbst Fragen?, überlegte sich der Zauberer. Mache ich vielleicht irgendetwas verkehrt?
"Haben Sie einen Komplizen, der sie umgebracht haben könnte?", fragte er zurück, ohne Kunos Fragen zu beantworten. "Und wollen Sie für ihn büßen, während er mit dem Lösegeld ein schönes Leben hat?"
"Nein", antwortete Kuno, und nach einer Pause, in der Pyronekdan sich schon überlegte, vielleicht doch immer nur eine Frage auf einmal zu stellen: "Ich glaube nicht, daß sie tot ist. Das ist doch nur ein Trick, um mich zum Reden zu bringen!"
Mehr bekam der Zauberer aus Kuno nicht heraus. Auch der Totenschein, und die Tatsache, daß sich jetzt RUM um den Fall kümmerte, schienen Kuno nicht überzeugen zu können, daß Bianka tot war. Er würde ihm wohl schon die Leiche zeigen müssen, damit er es nicht abstreiten konnte. Aber wo war die überhaupt?
Zurück in seinem Büro blätterte er erneut in der Akte. Wie einfach waren doch die Zeiten als Informantenkontakter gewesen, als er noch nicht die Informationschnittstelle der ganzen Abteilung war. Aber als Kontakter mußte er die Informationen nicht nur sammeln, sondern auch aufbereiten und auswerten.
SUSI hatte nur den Bericht des Arztes bekommen, nicht aber die Leiche. Da der Täter schon verhaftet war, hatte es bei SUSI wohl niemand für notwendig gehalten, sie erneut zu untersuchen.
Möglicherweise war Bianka sogar schon beerdigt worden. Und selbst wenn nicht, wäre es wohl ziemlich pietätlos, sich die Leiche von den Angehörigen "auszuleihen", um den Täter damit zu einem Geständnis zu bewegen. Vielleicht aber könnte ein Teil der Kleidung des Opfers, das es bei der Entführung getragen hat, dasselbe bewirken. Falls Bianka allerdings ohne Kunos Wissen von einem Komplizen getötet worden ist, würde das wohl nicht ausreichen, da es nur der Beweis dafür wäre, daß Bianka gefunden wurde, und nicht, daß sie tot war. Es war schon kurios: Jetzt mußte er schon dem Täter beweisen, daß das Opfer tot war. Die Anweisungen für Verhöre mußten wohl wirklich mal überarbeitet werden. Er beschloß sich Rat bei einem der Püschologen zu holen, wie er weiter vorgehen sollte.
Um nicht erst in den zweiten Stock laufen zu müssen, klopfte er an die Bürotür, hinter der Doris ihren Dienst tat. Zum Glück war sie gerade in ihrem Büro. Nachdem er ihr die Lage erklärt hatte, kam sie zu folgendem Schluß:
"Ich vermute, daß es sich bei dem Komplizen um eine Frau handelt, die er liebt. Deshalb will er sie auf keinen Fall verraten."
"Und wie bringen wir ihn zum Reden?", fragte der Zauberer nach.
"Tu einfach so, als wüßtest du schon, wer der Komplize ist. Wenn du erwähnst, das es eine Frau ist, glaubt er dir vielleicht."
"Das könnte klappen", meinte Pyronekdan, und verabschiedete sich dankend von seiner Kollegin.
"Ich habe eine schlechte Nachricht für sie", sagte er zu Kuno, als er wieder bei ihm war. "Wir haben ihre Komplizin gefunden!"
"Das erwähnten Sie bereits", antwortete Kuno, und hielt sich zu spät selbst den Mund zu, als er merkte, daß er sich verplappert hatte.
Der Zauberer brauchte eine Weile, um aus der unerwarteten Antwort schlau zu werden. Dann dämmerte es ihm: Bianka war Kunos Komplizin bei der Entführung! Diese war also nur vorgetäuscht. Aber wer hatte dann Bianka umgebracht?
"Ich muß Ihnen leider sagen, daß Ihre Komplizin Bianka wirklich tot ist", sprach der Zauberer weiter. "Wollen Sie mir dabei helfen, den Mörder zu finden?"
Nachdem er sich von dem Schock etwas erholt hatte, wurde Kuno plötzlich sehr redselig. Er gab zu, seine heimliche Freundin Bianka zum Schein entführt zu haben, weil ihr Vater mit der Verbindung nicht einverstanden gewesen wäre. Dieser wollte sie unbedingt mit dem Arzt Pierre Placebo verheiraten. Mit dem Geld wollten er und Bianka sich in einer anderen Stadt eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Als er gefaßt wurde, hatte er sie nicht verraten, damit sie nicht auch gefaßt wird.
Also stehen wir bei dem Fall wieder am Anfang, dachte sich Pyronekdan. Pietät hin oder her, SUSI mußte die Leiche jetzt untersuchen.
Das stellte sich allerdings als schwierig heraus, da Bianka schon eine Feuerbestattung hinter sich hatte. So blieb SUSI nichts weiter als ein Haufen Asche zum Untersuchen. Trotzdem machte sich Lady Rattenklein daran, den Inhalt der Urne zu untersuchen. Um über Ergebnisse sofort informiert zu sein, setzte sich der Zauberer daneben, und schlug wieder die Zeitung mit dem Rätsel auf.
"Diese neuen Rätsel mußt du als Ganzes sehen", erklärte die Hauptgefreite dem Lance-Korporal. "Es funktioniert nicht, wenn du versuchst eine Lösung zur Zeit zu finden."
"Mir scheint, das ist bei dem Fall Blutblau genauso", überlegte der Zauberer laut. "Wir sollten uns wohl den Vater noch einmal genauer ansehen. Vielleicht weiß er mehr, als er bis jetzt gesagt hat."
Feldwebel Kanndra Mambosamba war von dieser Idee weniger begeistert. Pyronekdan hatte ihr Büro aufgesucht, um von seinen Fortschritten im Fall zu berichten, und die weitere Vorgehensweise abzustimmen.
"Wie kommst du auf die Idee, daß Bruno Blutblau seine Tochter umgebracht haben könnte?", fragte sie.
"Vielleicht hat er herausgefunden, daß sie ihre Entführung nur vorgetäuscht hatte, um an sein Geld zu kommen."
"Wenn ich dich richtig verstanden habe, stützt sich diese Vermutung nur auf die Aussage, von Kuno Keller, der die Entführung nicht nur zugegeben hat, sondern auch von mehreren FROG-Mitarbeitern als der Mann identifiziert wurde, der das Lösegeld abgeholt hat."
"Ja", mußte der Zauberer zugeben.
"Und selbst wenn seine Aussage stimmt, könnte jeder Bianka, nachdem sie das Lösegeld übernommen hatte, ausgeraubt und getötet haben."
"Ihre Leiche wurde aber in der Nähe des Anwesens der Blutblaus gefunden", versuchte der Lance-Korporal seinen Standpunkt zu verteidigen.
"Was vermutlich der letzt Platz wäre, wo ihr Vater sie hätte liegen lassen", schloß Kanndra. "Außerdem war er doch wohl reich genug, um einen Assassinen damit zu beauftragen, seine Tochter zu töten, wenn er das wollte."
"Aber dann würde Kuno nicht des Mordes verdächtigt werden, was Bruno mehr Genugtuung verschaffen würde", meinte der Zauberer. "Außerdem entspricht es selbst in Ankh-Morpork nicht dem guten Ton, sein eigene Tochter umbringen zu lassen."
"Sollen wir deshalb jetzt zu dem Mann gehen, der nicht nur seine Tochter, sondern auch 10000 Dollar verloren hat, um ihm zu sagen, daß ihn seine Tochter betrogen hat, und ihn außerdem noch fragen, ob er sie vielleicht umgebracht hat?"
"Vielleicht sollte man etwas diplomatischer vorgehen", schlug Pyronekdan vor.
"Allerdings. Denn ich hatte eigentlich vor, meinen Posten noch eine Weile zu behalten, und nicht wieder zur Gefreiten degradiert zu werden! Schließlich sind die Blutblaus eine einflußreiche Familie."
"Und was sollen wir jetzt unternehmen?"
"Ohne einen stichhaltigen Beweis werden wir Bruno Blutblau nicht verhören", ordnete die Abteilungsleiterin an. "Auch muß unter allen Umständen verhindert werden, daß er etwas von der Vermutung erfährt, seine Tochter sei an der Entführung beteiligt gewesen. Es sei denn, wir können es beweisen. Sieh dir statt dessen noch einmal den Bericht des Arztes an, und befrage ihn noch einmal, falls etwas unklar daran ist. Außerdem sorge ich dafür, daß SUSI den Fundort der Leiche noch einmal gründlich untersucht."
Wieder ging Pyronekdan in sein Büro. Etwas frische Luft sollte beim Denken helfen, hatte er einmal gehört. Also nahm er sich die Akte und ging dann mit Rabe Raben zum Tatort.
Dort setzte er sich auf eine Bank, und blätterte in der Akte, während der Obergefreite die Stelle untersuchte, wo Bianka gelegen hatte. Es dauerte allerdings nicht lange, bis der Zauberer beim Lesen unterbrochen wurde.
"Rate mal, wen ich gefunden habe?", unterbrach ihn Rabe Raben.
"Den Mörder?", hoffte Pyronekdan.
"Nein, das Opfer!", erklärte der Obergefreite. "Sie saß in Gedanken genau an der Stelle, wo sie angeblich tot aufgefunden worden war."
Warum sperren wir sie, ihren Vater und den Arzt nicht einfach alle ein?, überlegte der Zauberer. Dann ist bestimmt auch der Täter dabei, sofern es einen gibt.
"Langsam blicke ich bei diesem Fall nicht mehr durch", sagte er zu der Frau. "Wieso behauptet Ihr Verlobter, daß er Ihre Leiche gefunden hat, wenn Sie gar nicht tot sind?"
"Er wollte, daß Kuno wegen Mordes angeklagt wird", gestand sie unter Tränen. "Er sagte mir auch, daß ich mich zum Schein von Kuno entführen lassen sollte, um an das Geld meines Vaters zu kommen."
"Ich dachte Ihr Vater wollte, daß Sie Pierre Placebo heiraten?", fragte der Lance-Korporal weiter. "Wieso wollten Sie ihn dann bestehlen?"
"Mein Vater weiß nicht, daß ich Pierre liebe. Und er wäre bestimmt dagegen, weil es nicht standesgemäß wäre. Ich habe das Kuno nur gesagt, um einen Grund zu haben, mit ihm durchzubrennen."
"Was Sie aber mit Pierre machen wollten", folgerte der Zauberer. "Warum sind Sie noch hier?"
"Weil ich mit dieser Lüge nicht mehr leben kann. Deshalb bin ich hierher zurückgekehrt, um nachzudenken."
Das Mörder oft an den Tatort zurückkehren war Pyronekdan bekannt. Nicht aber, daß das manchmal auch für das Opfer galt!
"Dazu werden Sie in der Wache noch Zeit genug haben", erklärte der Zauberer, und kehrte mit Bianka und Rabe Raben dahin zurück.
Da es sich jetzt nicht mehr um Mord handelte, ging die Akte zurück an FROG, die sich sofort auf die Suche nach Pierre Placebo machten, der inzwischen geflüchtet war.
Pyronekdan aber hatte Feierabend. Er nahm seine Zeitung mit dem noch immer ungelösten Rätsel, und machte sich auf den Heimweg. Im Treppenhaus konnte er hören, daß Kuno jetzt viel mehr, und lauter redete, seit Bianka in der Nachbarzelle eingesperrt war. Aber das war nicht mehr sein Problem.
[1] siehe Single "Memories"
[2] vielleicht ein paar Schlangen weniger in der Grube
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.