Es ist deine zweite Nacht mit Dienst am Wachetresen. Diesmal ohne Ausbilder aber mit einem Rekruten an deiner Seite. In trüben Herbsttagen ist der Wachedienst noch langweiliger als sonst. Da kommen selbst kleine Zwischenfälle gelegen um sich abzulenken.
Dafür vergebene Note: 9
***
Anmerkung: Diese kurze Geschichte wurde gegen Ende der GRUND Ausbildung geschrieben und mangels zuständiger Ausbilderin nicht mehr veröffentlicht. Sie spielt also vor der SUSI-Ausbildungssingle und der LIVE "Wer die Aubergine nicht ehrt".***
Herbstliche Nacht in Ankh-Morpork, der (für die Stadtbewohner) großartigsten Stadt des Multiversums, na ja, zumindest des bekannten Multiversums.
[1] Nebel wallen in den Straßen und eisige Kälte streift durch die Gassen und über die Plätze der Stadt. In einer solchen Nacht bleiben nach Möglichkeit sogar die Diebe und Meuchler Zuhause
[2] und lassen sich vom Kamin die Füße wärmen. Wer in einer solchen Nacht durch die Stadt geht hat wirklich etwas Dringendes zu erledigen.
Wir blicken auf die Ecke Ulmenstraße - Sirupminenstraße.
Dort kommt Esus von Tara, einer der hoffnungsvollen Rekruten der Stadtwache. Er ist unterwegs um nach Feierabend ein Bad im Eimer zu nehmen
[3]. Was für ihn bedeutet in einen Bierkrug einzutauchen. Kann es einen besseren Grund geben um in einer solchen Nacht unterwegs zu sein?
Auch Herr Schnapper ist hoffnungsfroh unterwegs um heiße Würstchen zu verkaufen. Immer in der Erwartung, dass in einer solchen Nacht heiße Ware gut verkauft werden kann - und sei es nur zum Fingerwärmen.
Und Frau Willichnicht, die sich auf dem Rückweg von Ihrer Schwester verspätet hat und nun durch die Nacht geht und dabei hofft, dass ihr etwas Unschickliches widerfährt über das sie sich am nächsten Morgen bei der Wache beschweren kann.
Hier an dieser Ecke werden sie alle drei zusammentreffen.
Was mag nun geschehen?
Nun, das geht uns heute nichts an, überlassen wir die drei ihrer Geschichte, die uns Esus vielleicht irgendwann einmal erzählen wird.
***
Während Esus sich noch auf dem Weg befand, wartete der Okkultismusexperte in Ausbildung, Ruppert von Himmelfleck im Eimer auf seinen Kollegen. Er saß alleine an seinem Tisch und blätterte in einem Buch, dass er von Laiza Harmonie, seiner Ausbilderin, ausgeliehen bekommen hatte. Er las in den obskuren Ausführungen des ehemaligen Präsidenten der Gilde der Beschwörer, Heribert Geistreich, der über seine Erfahrung mit Kleinstgeistern und Nebenberufs-Daemonen berichtete.
Ruppert gähnte gelangweilt, denn Geistreich beschrieb mehr seine wunderbaren Fähigkeiten als über das Thema seiner Ausführungen.
Als sich die Kneipentür öffnete und eine hübsche junge Frau in der Uniform einer S.U.S.I. Tatortwächterin den Eimer betrat legte er das Buch zu Seite. Sie sah sich um und entdeckte den Gefreiten. Sie zögerte kurz und kam dann an seinen Tisch.
"Hallo, ich bin Alice. Ich bin eine ganze Weile nicht hier gewesen, deshalb kennen wir uns noch nicht."
Ruppert stand auf, reichte ihr die Hand und stellte sich vor: "Ich bin Ruppert, Azubi bei Lance-Korporal Harmonie. Ich bin erst ein paar Tage bei SUSI."
Alice setzte sich und die beiden begannen sich vorsichtig abzutasten.
[4]Als Ruppert einfließen ließ, dass er ein Werwolf war, verkrampfte Alice kaum merklich. Aber das feine Gespür des Okkultismusexpertenanwärters nahm es trotzdem wahr. Er sprach sie direkt darauf an. "Hast du ein Problem damit, dass ich Werwolf bin? Ich meine, ich kann es verstehen, denn immerhin stehen Werwölfe in keinem guten Ruf, so mit Menschenjagden und so ..."
Alice schluckte und murmelte etwas von Kindheit und Überwald.
Ruppert überlegte rasch wie er sie ablenken konnte und begann eine Geschichte über seine Ausbildung zu erzählen.
***
Am Tresen des Wachhauses in der Kröselstraße stand Ruppert von Himmelfleck und starrte gelangweilt an die Decke. Neben ihm räkelte sich Lukela Jibril faul auf einem Stuhl und kämpfte mit dem Schlaf. Seit einer Stunde war niemand hereingekommen und sogar die Daemonen in der Küche schienen zu schlafen. Stille lag über dem Wachhaus, nur unterbrochen von gelegentlichen Schnarchgeräuschen aus dem Schlafsaal.
"Mir ist langweilig.", maulte Lukela.
"Mir auch." Ruppert seufzte. "Noch vier Stunden hier herumstehen und an die Decke gucken, das hält doch keiner aus."
"Womit haben wir das verdient?"
"Ja, womit nur?"
"Nee, irgendwie hab' ich mir die Wache aufregender vorgestellt"
"Stimmt, andererseits - wenn wir die Ausbildung beendet haben wird es bestimmt spannender."
"Meinst du?"
"Nein."
Die beiden seufzten gemeinsam tief und gaben sich wieder der Langeweile hin.
Nach einer Weile ging Ruppert zur Tür des Wachhauses und blickte auf die Straße. Kalter Nebel schlug ihm entgegen. Der Geruch der Stadt, nun ja, der Gestank der Stadt schien in ihm konzentriert zu sein. Ruppert trat schnell zurück und wollte die Tür schließen, als ein Schatten auftauchte und sich als blutüberströmter Zwerg entpuppte, der auf der Schwelle der Tür zusammenbrach. Ruppert konnte ihn noch auffangen bevor er auf dem Boden landete. Er trug ihn zum Tresen, auf dem er ihn kurzerhand auch ablegte. Als er sich abwandte um den Verbandkasten zu holen, schoß die Hand des Zwerges vor, ergriff Ruppert am Arm und zog sich
[5] ein wenig hoch.
"Ratten - Argh - Zwerge - Aaaah - Kaverne - Blubber - Trolle - Ayieehh." Dann ließ er los und sackte leblos auf dem Tresen zusammen. Lukela hatte inzwischen den Verbandskasten hervorgeholt. Bei näherer Untersuchung stellten die beiden Wächter fest, dass der Zwerg offenbar nur eine ziemlich übel aussehende Schnittwunde an der Stirn hatte, die heftig geblutet hatte. Lukela ging schnell und den Schlafsaal und weckte Saphir, die sich mit Sicherheit besser bei der Ersten Hilfe an Zwergen auskannte. Die Zwergin erschien heftig gähnend, schaute sich die Wunde an und verband sie mit einem Lappen. "Ach, der hat nur einen Schlag auf den Helm bekommen," meinte sie schlaftrunken. "Wahrscheinlich eine Kneipenschlägerei. Legt ihn in die Ausnüchterungszelle, morgen früh wird es ihm wieder besser gehen." Sie schlurfte zurück in den Schlafsaal.
Lukela sah Ruppert auffordernd an. "Pack an, wir bringen ihn runter".
Aber Ruppert rührte sich nicht. "Er hat doch was von
Kaverne gesagt, oder? Ist das nicht eine Trollkneipe? Was hat ein Zwerg mit einer Trollkneipe zu tun?"
Lukela zuckte die Schultern. "Ist doch egal, jetzt ist er halt hier."
Ruppert zögerte immer noch. "Ja, aber warum ist er hier, ich meine ausgerechnet hier im Wachhaus? Es ist zwar nicht sehr weit bis zur Kaverne, aber für einen Verletzten doch ein ziemlicher Weg."
Ruppert schnappte sich den Zwerg und trug ihn in die Zelle im Keller in der normalerweise Besoffene die Nacht verbrachten. Dort legte er ihn vorsichtig auf eine Pritsche.
Als er wieder am Tresen war, hatte er einen Entschluss gefasst. "Lukela, es ist ja nicht ganz vorschriftsmäßig, aber ich will nur schnell in die Kaverne. Hier ist ja ohnehin nichts los. Und wenn was passiert, dann musst du halt die Kollegen wecken."
Lukela wollte ihn aufhalten, aber als Ruppert sie fragte ob sie lieber einen der Offiziere wecken wolle um eine Entscheidung zu fällen, gab sie nach und Ruppert verließ das Wachhaus.
Ruppert trug seine übliche Ausrüstung. Der Harnisch glänzte frisch poliert und in den Stiefeln steckte je ein Messer. Ausserdem hatte er vorschriftsmäßig sein Kurzschwert bei sich. Was ihm das in der Trollkneipe helfen sollte, war ihm allerdings schleierhaft.
Er kam zum Steinbruchweg und sah beunruhigt auf die Tür des Lokals vor sich, das als übelste Trollkaschemme weit und breit verrufen war. Es war unnatürlich still. Neben der Tür stand eine Steinplatte, offenbar von jemanden beschrieben, für den die Schreibkunst eindeutig etwas mit Erosion zu tun hatte, denn in ihr waren einige Worte sehr tief eingegraben worden:
"Heutig lisset Atelperd mieht temm Stift auss sseinikem Werke Berkgrisdell"Ihn schauderte, die Rechtschreibung war noch um einiges Schlimmer als das, was bei der Wache alltäglich war.
Ruppert öffnete die Tür und schaute vorsichtig in den Raum. Mindestens zwei Dutzend Trolle konnte er in dem dämmrigen Licht erkennen. Einer drehte sich herum, stutzte als er sah, dass kein Troll eintrat, legte dann aber einen dicken Finger an den Mund und bedeutete Ruppert damit leise zu sein.
Als sich Rupperts Augen an das Licht gewöhnt hatten (es war tatsächlich in der Kaschemme noch trüber als draußen im Nebel) sah er eine Gestalt neben dem Tresen stehen. Rings herum war Platz gelassen worden. Das war erstaunlich, denn der Raum war zum Bersten gefüllt. Als er genauer hinsah, bemerkte er, dass es keine Gestalt
neben, sondern
auf dem Tresen war - ein ... Zwerg.
Der Wächter schob sich zwischen den Trollen hindurch und nahm erstaunt zu Kenntnis, dass die Trolle nach einem Blick auf seine Uniform tatsächlich ein wenig zur Seite rückten um ihn vorbei zu lassen. Er empfand es ein wenig wie eine Wanderung durch die Plattentektonik der Scheibenwelt.
[6] Es war ein erhabenes Gefühl durch au!
sweichende Felsmassen zu gehen.
[7]Schließlich stand er vor dem Tresen und beobachtet aufmerksam den Zwerg. Dieser saß auf einem Hocker und hatte einen kleinen Tisch vor sich stehen, auf dem viel Papier lag. Er trug keine Kleidung aus Eisen, soweit Ruppert es erkennen konnte.
[7a]Der Zwerg trank aus einem kleine Glas eine klare Flüssigkeit, von der Ruppert hätte schwören könne, dass es sich um Wasser handelte. Dann begann er mit lauter Stimme etwas vorzutragen.
"Arkorarghor groalktrorg Sstoomaklit ..."
Offenbar handelte es sich um Trollisch. Ruppert verstand kein einziges Wort, aber er sah, dass einigen der Trollen Tränen (oder eine vergleichbare Substanz) aus den Augen rannen.
Ruppert sah sich weiter um und sah im hintersten Winkel der Kaverne noch einen zweiten Zwerg sitzen. Er schob sich zu ihm und setzte sich ungefragt an den Tisch.
"Kannst du mir bitte sagen, was hier geschieht?", wollte er von dem Zwerg wissen. Der sah von seinem Teller auf (der mit kleinen Nagetierknochen übersät war) auf und musterte Ruppert.
"Ah, ein Wächter", murmelte er. "Was mag dich hierher führen?"
"Ein verletzter Zwerg kam zu uns in die Wache und konnte nicht mehr viel sagen, außer etwas von Zwergen, Ratten, Trollen und der Kaverne."
Der Zwerg nickte bedächtig. "Das muss der junge Hrolf Eisenhammer gewesen sein. Wir hatten ihn engagiert, als Helfer für alle Gelegenheiten. Ich befürchte, dass er die Gegenwart so vieler Trolle nicht ertragen konnte. Er ist erst knappe 70 Jahre alt und hat die Bergwerke seines Stammes erst letztes Jahr verlassen. Er steckt noch voller Vorurteile über die Trolle und ist vorhin beim Abendessen mit dem Meister ausgerastet. Er lief davon und hat dabei den einen oder anderen Troll angerempelt. Mag sein, dass er sich dabei verletzt hat."
"Ja, das würde seine Verletzung erklären.", sagte Ruppert, was ihm böse Blicke einiger Trolle einbrachte. Jetzt flüsterte auch er. "Trotzdem möchte ich gerne wissen, wer der Zwerg auf der Theke ist."
"Das ist Adelbert vom Stiftskopf, einer der größten Dichter unseres Volkes. Er hat nun seinen größten Erfolg, seinen Gedichtzyklus über das Wunderbare der Kristalle, ins Trollische übersetzt und befindet sich auf einer Guter-Wille-Reise um die alte Feindschaft zwischen Trollen und Zwergen zu beseitigen." Er sah Ruppert fragend an. "Kannst du verstehen, was es bedeutet, dass zwei Zwerge hier unter Trollen sitzen und zwergische Gedichte vortragen können?"
Ruppert nickte nachdenklich. "Ja, ich denke dass ich das gut verstehe. Immerhin bin ich in Überwald geboren."
Der Zwerg wiegte den Kopf, blickte Ruppert an und schloss dann die Augen. "Ich glaube, für einen Wächter gibt es hier nichts zu tun. Du solltest wieder gehen."
von Himmelfleck lehnte sich zurück. Er saß in einer Trollkneipe an einem Tisch, der für Zwerge gemacht war, auf einem Stuhl, der die richtige Größe für einen Zwerg hatte und sollte eigentlich im Wachhaus am Tresen stehen. Eine Minute lang saß er dort mit geschlossenen Augen um die Atmosphäre des Ortes einzufangen. Dann stand er leise auf und verabschiedete sich leise bei dem Zwerg. "Nun, Herr, ich würde mich freuen, wenn du und Herr Adelbert morgen mal in der Kröselstraße im Wachhaus vorbeischauen könntet. Dort könnt ihr euren Gehilfen abholen." Der Zwerg neigte zustimmend den Kopf und Ruppert drückte sich so unauffällig wie möglich durch die Trolle zur Tür zurück und stand wieder im Nebel. Er wollte tief durchatmen, aber es gelang ihm sich zu beherrschen. Mit schnellen Schritten marschierte er zum Wachhaus zurück. Dort wartete Lukela schon ungeduldig auf ihn. "Wo hast du nur so lange gesteckt? Ich war drauf und dran einen Suchtrupp los zu schicken."
Ruppert sah sie an und schüttelte leicht den Kopf. "Wenn ich dir erzähle wirst du es mir nicht glauben." Und er erzählte ihr die Geschichte. Und Lukela glaubte ihm nicht. Sie trat nah an ihn heran und forderte "Hauch mich mal an!". Ruppert gehorchte und sie verzog das Gesicht. "Naja, Alkohol ist das nicht, aber putzt du dir eigentlich auch mal die Zähne?"
Ruppert lachte leise und lehnte sich an den Tresen.
Lukela setzte sich auf den Stuhl und gemeinsam starrten die beiden an die Decke des Wachhauses und seufzten
"Mir ist langweilig.", murmelte Lukela.
"Ja, mir auch." Ruppert streckte sich schläfrig aus. "Noch dreieinhalb Stunden hier herumstehen und an die Decke gucken, das hält doch keiner aus."
***
Alice grinste als Ruppert die Geschichte beendet hatte. Ihr war zwar immer noch unbehaglich in seiner Gegenwart zumute, aber sie erkannte sein Bemühen ihr diese Angst zu nehmen und fand das eigentlich ganz nett. Trotzdem war sie froh als sich Ruppert verabschiedete um seinen Nachtdienst anzutreten. Warum Esus nicht erschienen ist? Das könnte etwas mit Eisriesen zu tun haben, aber das ist nicht gewiss.
[1] Wobei die meisten Bewohner Ankh-Morporks eigentlich nur Ankh-Morpork kennen.
[2] Seitdem der Patrizier die Gilden eingeführt hat, beschweren sich Diebe und Meuchler immer häufiger darüber, dass des Nachts finsteres Gesindel unterwegs ist und sie bei ihrer ehrlichen Arbeit stört.
[3] Damit ist natürlich die Stammkneipe der Stadtwache gemeint. Ein Bad in einem Eimer wäre für Esus wie Schwimmen im Pool für einen Menschen.
[4] verbal abzutasten!
[5] Der ganze Zwerg zog sich hoch, keinesfalls nur die Hand.
[6] Über die Plattentektonik der Scheibenwelt ist bisher nur wenig bekannt. Es scheint jedoch so zu sein, dass die Kontinente, die bekanntlich durch den Aufprall des 5. Elefanten entstanden, auf einer riesigen Schicht aus Fett schwimmen. Das mag auch die geringen Hautprobleme der Elefanten erklären, auf deren Rücken ja die Scheibenwelt seit vielen Jahrtausenden rotiert. Das Fett dringt offenbar durch Verwerfungen auf die Unterseite der Scheibenwelt und schmiert so die Drehung. Ob allerdings die Scheibenwelt dann einmal an Arthritis leiden wird, wenn das Fett verbraucht ist, das ist eine recht spekulative Frage und verdiente intensiver diskutiert zu werden.
[7] Was natürlich ein besonderes Licht auf Rupperts Psyche fallen lässt. Die meisten Leute hätten starke Beklemmungen empfunden.
[7a] Was natürlich nicht ausschloss, dass seine Unterwäsche bei Inkontinenz rosten würde.
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