Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Für Wächter trifft das zu. Aber was halten Dienstmädchen davon?
Dafür vergebene Note: 10
"Put, put, put".
Will hing halb aus dem Dachfenster und versuchte eine Taube mit dem Rascheln einiger Körner in einer Tüte anzulocken. "Put, put, jetzt komm doch her. Hier gibt es was Leckeres".
Die Taube fühlte sich leider gar nicht angesprochen und entfernte sich stattdessen weiter vom Fenster.
"Jetzt komm doch her du Vieh.. Vogel", sagte die Kommunikationsexpertin und hielt Elfriede die Hand einladend hin. Ungerührt verharrte die Taube jedoch an Ort und Stelle, so dass sich die Wächterin gezwungen sah auf das Dach zu klettern. Sie fluchte innerlich. Wieso nur in Oms Namen war der neue Taubenschlag im Erdgeschoss? Wussten sie denn nicht das Tauben Tiere sind, die ihre Gewohnheiten nur schwer zu ändern bereit waren?
Hier war sie nun auf dem Dach, was alles andere war als der Ort war an dem sie am frühen Morgen sein wollte. Das alles wegen einer Taube, die sich weigerte sich so leicht um trainieren zu lassen. Sie hielt die Körnertüte zwischen den Zähnen, während sie auf allen Vieren zu der Taube krabbelte. Glitschig waren die Ziegel, nass und kalt. Will sah zu der Taube, die neugierig stehen geblieben war und das Schauspiel beobachtete, das sich ihr da bot. "Elfridef, kommf doch fer", nuschelte sie und fragte sich dabei, ob sie mit Sätzen wie "da hinten ist ein hungriger Wasserspeier", eventuell bessere Chancen auf Erfolg hätte. Vorsichtig näherte sie sich dem Vogel, bis sie nah genug war. Sie raschelte abermals mit den Körnern über ihrer geöffneten Handfläche und endlich geschah das was hätte schon einige Minuten und ein paar Meter näher am Fenster eintreten hätte sollen. Mehr oder weniger graziös hob Elfriede ab und setzte sich auf Wills Hand, glücklich gurrend und nach dem Futter pickend.
Erleichtert seufzte Will und nahm die Nachricht an sich, die der fliegende Bote trug. Dann versuchte sie halb gebückt den Rückweg zum Fenster einzuschlagen. Das Ganze gelang ihr auch einigermaßen, bis kurz vor dem Ziel ein Ziegel es passend fand sich zu lockern und sein Glück einige Stockwerke weiter unten zu suchen. Die Wächterin sah über den Rand des Daches ob nicht aus Versehen jemandem etwas geschehen war. Nein, stellte sie fest, selbst der Ziegel war unbeschädigt auf einem Heuhaufen gelandet. Frierend begab sie sich daraufhin endlich ins Innere des Wachhauses.
"Werft ihr nun schon mit Gegenständen nach ehrlichen Bürgern der Stadt?", empörte sich Frank Ahrer und funkelte den Wächter neben sich böse an.
"Nein, natürlich nicht", versuchte Steven den Mann zu beruhigen und fischte nach dem Ziegel in dem Heu. "Sehen Sie? Es ist nur ein Ziegel". Triumphierend hielt Träumer seinen Fund hoch und sprach mit einem siegessicheren Lächeln auf den Lippen weiter. "Ziegel fallen nun mal ab und zu vom Himmel. Eine Zeit lang war es sogar gesetzlich vorgeschrieben, dass einer jeden Tag vom Dach zu fallen hatte um der Traditions Willen. Nur leider wurde das Gesetz kurz darauf wieder abgeschafft, als sich die Meldungen über Kopfverletzungen häuften".
"Aber deswegen bin ich gar nicht hier", lenkte der Mann wieder das Gespräch in die richtige Richtung.
Steven nickte. "Ja, Sie haben eben noch behauptet, dass sich in ihrem Heu zu viele Stecknadeln befinden, nicht wahr?"
Ahrer sah den Wächter erbost an. "Das habe ich tatsächlich gesagt und ich behaupte es nicht nur, es stimmt sogar!", betonte er ein weiteres Mal.
Der Rechtsexperte überlegte kurz. "Es gibt da ein Gesetz aus dem Jahr des humpelnden Flusspferdes, das besagt, dass nur eine Stecknadel erlaubt ist pro Heuhaufen. Also dürfen Sie diesen Heuhaufen, sollte ihre Behauptung stimmen, nicht in einem Stück transportieren, sonst können sie davon ausgehen deswegen ihre Eselskarrenführerlizenz zu verlieren", stellte er sachlich fest.
Entsetzt starrte Frank sein Gegenüber an. "Bist du noch bei Sinnen?", rief er und fügte etwas leiser hinzu, "ich bin doch nicht hier um Angeklagt zu werden sondern um Anklage zu erheben gegen diesen, Io möge ihn erblinden lassen, Händler, der es wagte mir solche Ware zu verkaufen!"
Träumer lächelte wissend. "Nun, wenn das so ist, dann müssen wir Ihren Karren beschlagnahmen und Sie gehen hinein zu dem Wächter am Tresen und erstatten Ihre Anklage. Dann kümmern wir uns darum".
"Wie bitte?", empörte sich der Karrenbesitzer. "Ich wusste gar nicht das die Wache dafür da ist das Leben der Steuerzahler dieser Stadt noch schwerer zu machen, als es schon ist!" Mit einem Seitenblick zu dem Obergefreiten und nachdem sich seine Gedanken überschlugen entschied er endlich das Rückzug die klügste Taktik war. Wer wusste schon ob er sein Eigentum wieder sehen würde und das Futter brauchte er dringend für seine Tiere. "Nein, nein, ist schon in Ordnung", meinte er beschwichtigend, "ich habe mich wohl getäuscht was das Heu und die Stecknadeln angeht. Da ist bestimmt nicht mehr als eine drin, ganz bestimmt".
Eilig setzte sich Frank Ahrer, nachdem er sich knapp verabschiedet hatte, auf den Karren und lenkte seinen Esel in Richtung Ausgang.
Lächelnd blieb der Wächter zurück. "Die Wache hilft immer gerne", sagte er noch, bevor er mit dem Ziegel in der Hand das Wachhaus betrat.
Passdochauf war in der neusten Ausgabe der Times vertieft, als ein Ziegel genau auf die Stelle gelegt wurde, die sie gerade lesen wollte. Stirnrunzelnd sah sie auf und erblickte einen grinsenden Steven.
"Haben Sie diesen Ziegel schon mal gesehen?", fragte er und hob einen Stuhl geschickt über Anettes Puppenhaus.
Will schmunzelte. "Ja, er wird bereits dringend vermisst".
Träumer schob sich den Stuhl zurecht und setzte sich zu der Omnierin. "Ich dachte da oben ist eine Leiter, die zu den Klackerpaddeln führt".
Sie nickte und legte den Ziegel auf den Stapel Bücher und Omnischer Broschüren, die sich auf dem Tisch türmten. "Hmm, nur war es nicht der Turm, der eine Nachricht hatte, sondern eine Taube, die nicht in den Schlag fliegen wollte. Seit der Umgestaltung des Wachhauses sind die Tauben verwirrter als die Wächter". Sie deutete auf eine Stelle der Zeitung, "hast du schon gelesen, was hier Heute wieder steht?"
Der Rechtsexperte versuchte, die für ihn auf dem Kopf stehenden Buchstaben zu lesen. "Wache tappt immer noch im Dunkeln", murmelte er. "Ganz unrecht haben sie leider nicht damit", stellte er fest und sah zu seiner Kollegin.
"Möglicherweise wissen wir bald mehr, denn die 'heldenhafte Dienerin Katti Sieg, fünfzehn, die sich dem hinterlistigen, gewitzten Dieb furchtlos in den Weg stellte' ist wieder ansprechbar. Vorhin bekam ich die Nachricht von dem Lazarett der Balancierenden Mönche, dass man sie entlassen hat".
Steven nippte an seinem Kaffee. "Dann wird es ja Zeit das wir dem Mädchen einen Krankenbesuch abstatten", sagte er und stand auf.
Will folgte seinem Beispiel, nachdem sie die Zeitung hastig zusammengefaltet hatte. "Wer kauft dieses mal die Blumen?"
Schwache Sonnenstrahlen fielen durch den Mottenzerfressenen Vorhang und ließen eigenartige Muster auf dem Boden vor dem Fenster erscheinen. Will sah über den Rand ihrer Teetasse zu dem Fräulein Sieg.
Ein dicker Verband war noch immer um ihren Kopf gewickelt und sie hob die Hand zu ihrer Stirn, als sie unsicher anfing zu sprechen. "Weswegen sind Sie denn nun genau hier?".
Steven schob ihr eine ältere Ausgabe der Times zu und tippte auf den Artikel über den Diebstahl. "Hast du mitbekommen, was man über dich schrieb? Die ganze Stadt redete über deine Tat".
Katti schien verwirrt. "Aber ich habe doch gar nichts bewirkt. Außer dass ich meine Stelle verloren hab', weil ich deswegen so lange Zeit nicht erscheinen konnte. Ich war heute bei der Madame und warf mich raus, mit den Worten, dass in ihrem Hause keine Dienerinnen mit Bandagen herumlaufen dürfen. Handtuchköpfe gäbe es schon genug in der Stadt, hat sie gemeint", murmelte das Mädchen und zupfte betrübt an dem Blumenstrauß vor ihr. "Ich hatte mir doch soviel von dem Abend versprochen", sagte sie leise und konnte einzelne Tränen nicht mehr zurückhalten.
Geistesgegenwärtig fischte Träumer schnell nach einem Taschentuch und reichte es Katti, während Will den Niedergang des Blumenstraußes gebannt zu beobachten schien.
Die Hauptgefreite sah auf und lächelte zu dem Mädchen, das sich gerade hinter Stevens Taschentuch versteckte. "Mit Oms Hilfe wird sicher alles wieder gut, aber wieso erzählst du uns nicht die ganze Geschichte? Es gehen mittlerweile in der Stadt so viele Gerüchte umher, dass man gar nicht weiß, was man glauben sollte. Aber du bist die Person die wohl am meisten weiß und trotzdem noch nicht geredet hat".
Katti nickte und reichte Steven wieder sein Tuch. "Wenn ihr meint dass es euch weiterbringt", murmelte sie und stützte ihren Kopf auf ihre Hand, "das Fest war am Octotag und wir waren schon seit Sonnenaufgang mit den Vorbereitungen beschäftigt..."
Die Abenddämmerung kroch durch die weichen dicken Samtvorhänge. Laut kicherten einige der jüngeren Dienstmädchen, die sich gerade mit zwei der Mitglieder des Streichquartetts unterhielten. Katti strich über den Stoff ihrer weißen Schürze und atmete tief durch. Dies war der große Abend. Sozusagen ihre Gesellenprüfung.
Zu dem Fest waren mehrere hochrangige Mitglieder verschiedenster Gilden geladen. Zwar waren es keine der hoch angesehenen Gilden, doch es waren welche. Oder würde jemand je behaupten die Bäckergilde sei unwichtig, wenn gerade eines ihrer Mitglieder in der Nähe war? Katti schmunzelte bei dem Gedanken, dass jemand, der so etwas zu sagen wagte, sich seine Brötchen in Zukunft viel genauer ansehen müsste. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie sah der zwinkernden Köchin ins breite weiche Gesicht.
"Na, Mädchen, aufgeregt?", fragte sie gutmütig, worauf die schwarz gelockte Dienerin nur nickte und all das dachte was sie sich für den Abend vorgenommen hatte.
Die Köchin lächelte ihr aufmunternd zu. "Gut, gut, etwas Spannung ist immer gut. Sonst wird es ja noch langweilig". Mit einem weiteren Zwinkern ging sie zurück an ihren Herd, wo Suppe gemächlich vor sich hin köchelte.
Die kleine Glocke in der Ecke der Küche läutete. Das war das Zeichen, das nun, das hoffentlich gut abgestimmte Uhrwerk, in Bewegung setzte. Der Jüngere der Musiker zwinkerte Katti noch kurz zu, ehe er den Raum mit seinem Kollegen verließ, um seinen Platz auf dem kleinen Podest im Salon einzunehmen.
Abermals füllte das Klingeln des Glöckchens den Raum. Das hieß die ersten Gäste trafen gerade im Saal ein. Einige der Dienerinnen verließen nun mit gefrorenem Lächeln im Gesicht und einem gut gefüllten Tablett in der Hand den Raum. Katti sah ihnen sehnsüchtig nach. Wenn sie je gut werden wollte in ihrer Arbeit, so musste sie Erfahrung sammeln und der Abend schien wie geschaffen dafür.
Fast erleichtert war sie somit, als ihr der Chefbutler mit den Worten, "nun, dann wollen wir mal, Fräulein Sieg", ein Tablett mit mehreren gefüllten Weingläsern reichte.
Ruhig und bestimmt, so als hätte sie noch nie etwas anderes getan, betrat Katti den Saal. Unzählige Kerzen brannten auf dem großen Kronleuchter. Die festliche Aufmachung der Gäste raubte ihr den Atem und erst die Musik! Die Paare auf dem Parkett in der Mitte des Raumes folgten der meisterhaft gespielten Melodie.
Geschickt, mit einem erstarrten Lächeln auf ihren Lippen, schlängelte sie sich durch die Reihen der Diskutierenden.
Der Abend versprach lang zu werden. Die Eingeladenen schienen sich zu kennen und unterhielten sich in kleine Gruppen geteilt angeregt untereinander. Katti übergab auch das letzte gefüllte Glas an eine Dame in einem Hellblauen Kleid und begab sich dann in Richtung Küche, um sich ein neues Tablett zu holen.
Kurz vor dem Erreichen der schwingenden Holztür hielt eine gepflegte Hand das Mädchen zurück.
"Schätzchen", säuselte die weiche Stimme der Madame, "geh und hol mir doch meinen Fächer aus meinem Schlafzimmer".
Katti nickte und legte ihr Tablett auf dem nächsten Tisch ab. 'Endlich eine Gelegenheit hier kurz wegzukommen', dachte sie erleichtert.
"Viel zu viel Wärme spenden diese Öllampen", hörte sie noch ihre Arbeitgeberin sagen, ehe sie die ersten Stufen der Treppe hinauf kletterte.
Sie schob die Tür auf und schon sah sie ihn. Aus gehetzten blauen Augen sah er sie an. Sein blondes strähniges Haar fiel ihm ins Gesicht. Der Vorhang wehte im Windzug vor dem offenen Fenster, an dem ein Hacken mit einem Seil hing. In der Hand hielt er einen Stoffsack aus dem es verdächtig klimperte.
Katti atmete tief ein. "Er schwang den Beutel und dann wurde alles schwarz um mich", murmelte sie.
Will nickte leicht enttäuscht. Für den Einsatz eines ganzen frischen Blumenstraußes hatte sie sich etwas mehr versprochen, als nur eine so wage Beschreibung des Täters.
"Und du hast ihn nicht erkannt? Hattest du ihn vielleicht schon mal in der Nähe des Hauses gesehen?", hackte Steven nach.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, während sie ein weiteres Farnblatt zerrupfte. "Nein, noch nie".
Katti schob den Vorhang beiseite und beobachtete die beiden Wächter, die unten die Straße entlang gingen. Sie legte die Hand auf einen Blumentopf in dem eine Tulpenzwiebel langsam wuchs. Nur sie wusste was darunter versteckt lag. Im Licht der untergehenden Sonne lächelte sie.
Flehend sah er das Mädchen an der Tür an.
Sie erkannte ihn, als den Neffen des Gärtners wieder. "Ich könnte schreien, Hannes", merkte sie an und ihre Gedanken rasten.
"Aber du wirst es nicht tun", stellte der junge Mann fest und sie nickte bestätigend. "Was verlangst du um mich nicht zu verraten?"
Sie trat in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Eigentlich war sie ja hier um selbst etwas zu stehlen, war das doch die Aufgabe für den Abschluss ihrer Ausbildung in der Gilde. Vielleicht sollte sie den Dieb überwältigen, aber andererseits...
"Die Lilienbrosche", meinte sie knapp und berechnend, "und ich werde dich verraten".
Er wollte gerade protestieren, aber sie sprach weiter. "Mir wird gar nichts anderes übrig bleiben als dich den Wächtern zu beschreiben, aber bis dahin kannst du schon längst über alle Berge sein", erklärte sie. "Schick mir meinen Anteil mit ein Paar Genesungswünschen".
Er verstand und schlug zu, ehe er aus dem Fenster sprang.
Gemächlich schaukelte die Kutsche von einer Seite auf die andere. Die vier Insassen nahmen es Wortlos hin und versuchten sich mit sich selbst zu beschäftigen. Hannes beobachtete gelangweilt die flinken Finger, der Frau ihm gegenüber, bei ihrer Arbeit mit Nadeln und Wolle. Der Stoß des Mannes neben ihr lies sie zusammen zucken.
"Entschuldigung", murmelte dieser halbherzig. "Diese Zeitungen werden auch immer größer", meinte er noch erklärend, ehe er die Zeitung ausbreitete und hoch, mit ausgestreckten Armen, vor sich hielt.
'Da ist jemand zu eitel das Augenglas aus der Westentasche zu holen', dachte Hannes belustigt. Nichtsdestotrotz nutzte er die Gelegenheit und las die Schlagzeilen. Bei dem Titel "Die Wache tappt immer noch im Dunkeln" blieb sein Blick hängen. Neugierig beugte er sich vor um den Rest des Artikels zu lesen.
..Untröstlich scheint die Bestohlene zu sein besonders um ein Stück des Diebesguts. Damit ist eine Brosche in Form einer Lilie gemeint, die ein persönliches Geschenk des berühmten Künstlers L'age war. Der Wert des Schmuckstückes wird auf mehrere tausend Ankh-Morpork Dollar geschätzt...Hannes lehnte sich auf der Bank zurück. Er schob den Vorhang leicht beiseite und lächelte der untergehenden Sonne entgegen.
"Schlaues Mädchen".
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