Was treiben die reichsten Männer Ankh-Morporks nachts in einer alten Bruchbude? Werden dort etwa Umsturzpläne gegen den Patrizier geschmiedet? Ganz klar, ein Fall für einen Moloss.
Dafür vergebene Note: 10
Gespannt blickten mehrere Augenpaare auf Timotheus Trobar. Ein Schweißtropfen bahnte sich seinen Weg über die Stirn des Gefreiten. Er wischte ihn mit seinem Handrücken weg.
"Nun sag schon", drängte eine schnarrende Stimme von rechts.
Timotheus überlegte fieberhaft, sollte er auf Risiko gehen?
***
Eine Stunde zuvorTimotheus zog sich die Kapuze seines Mantels weiter in die Stirn und drückte sich in einen Schatten.
Schon seit Tagen observierte er diese Baracke. Seit letzter Zeit trafen sich immer öfter die einflussreichsten Männer der Stadt in diesem heruntergekommenen Haus.
Was wollte die Creme de la Creme Ankh-Morporks in diesem Haus, dessen Putz von den Wänden blätterte und Fenster vernagelt waren?
Er blickte sich schnell um und lief geduckt in eine kleine Seitengasse. Ein strenger Geruch wie auf einer Toilette drang ihm entgegen. Schnell band sich der Moloss ein Tuch vor die Nase und versuchte seinen
Würgereflex zu unterdrücken.
'Wollen doch mal sehen, was unsere netten Herren hier treiben', dachte er sich und blickte die Mauer hoch.
Oben im Dach gab es ein unvernageltes Fenster. Der Gefreite nahm den Umhang ab, wickelte ihn zusammen und steckte ihn in einen kleinen Stoffbeutel. Den Beutel stellte er in eine Ecke, er würde nur beim klettern hinderlich sein.
'Mal sehn, ob die Messer halten, was sie versprechen.'Er zog zwei besonders stabile Messer aus einer Scheide und stieß sie in eine Ritze zwischen den Mauersteinen.
Langsam arbeitete er sich die marode Fassade herauf, Meter um Meter, immer näher an sein Ziel.
Als plötzlich...
***
"Wenn du mir hilfst, können wir unserem Freund aus
Klatsch vielleicht in den Rücken fallen."
Der Mann neben Timotheus blinzelte ihm verschwörerisch zu.
Timotheus überlegte nicht mehr lange, sondern nickte nur und beschloss das Risiko einzugehen.
***
"Verdammt!"
Der Gefreite schwang nur noch an einem der Messer. Der Griff des anderen hatte sich gerade in den Abgrund verabschiedet.
Er versuchte sich wieder an dem Griff des verbleibenden Messers zum Fensterbrett hoch zu ziehen.
Hinter dem Fenster war ein alter Speicher. Verstaubte Kisten stapelten sich auf dem ebenso verstaubten Boden. Der Moloss kratzte die Staubschicht von einer der Kisten. Ein vergilbter Schriftzug verkündete
Gebissreiniger - für strahlende Sauberkeit im ganzen Mund.
Leise schlich Timotheus weiter über den knarzenden Holzboden, bis er bei einer Tür angekommen war. Er drückte gegen die Tür, leise quietschend schwang diese auf und gab den Blick auf einen dunklen Gang frei. Am anderen Ende schien eine Treppe zu sein. Man konnte Licht sehen und Stimmen drangen von unten herauf.
"Das wichtigste beim
Hochseefischen ist, dass man den Köder immer in Bewegung hält. Sonst beißen die wirklich großen Fische nicht an, verstehen sie. Das ist es, worauf es dabei ankommt."
Der Gefreite schlich sich zur Treppe. Die Dielen des Bodens knarrten und er fragte sich besorgt, ob es laut genug war, dass man es unten hören konnte.
Langsam schob er sich immer weiter an der Wand entlang und machte einen vorsichtigen Schritt auf die erste Stufe.
Staub von vielen Jahren wirbelte auf und die Stufe gab ein protestierendes Ächzen von sich.
Timotheus hielt die Luft an und lauschte, doch bis auf das Klopfen seines Herzens schien alles ruhig, also tastete er sich weiter, Stufe für Stufe innehaltend und lauschend, herab.
Im spärlichen Licht stieß er gegen eine Kiste, welche sich mit Poltern die restlichen Stufen hinab verabschiedet.
Der Moloss unterdrückte ein Fluchen und lauschte besorgt.
Unten hörte man ... nichts.
Schließlich fragte jemand: "Was war das gerade?"
"Keine Ahnung, vielleicht irgendwelche Ratten", antwortete jemand anderes.
"Ich denke, wir sollten doch einmal nachschauen. Denn ich habe keine Lust mich morgen vor meiner Frau verantworten zu müssen, weil unser kleines Unternehmen aufgeflogen ist."
Diesmal fluchte Timotheus, leise.
Er drückte sich in den Schatten und versuchte möglichst schnell und geräuschlos die Treppe wieder hochzukommen.
Genau in dem Augenblick, als er am oberen Treppenabsatz angekommen war, öffnete sich unten die Tür und mehrere Männer versuchten sich, ohne Erfolg, möglichst leise auf den Flur zu schleichen.
"Am besten wir verteilen uns, damit er uns nicht entkommt", flüsterte einer.
Die Männer teilten sich auf und ein kleiner, untersetzter Mann kam genau auf die Treppe zu. Timotheus glaubte in dem flackernden Licht der Fackeln das Gesicht von Ruben Wasmuth, dem Großhändler, zu erkennen. Eben jenem Ruben Wasmuth, welcher letztes Jahr als Kaufmann des Jahres von Vetinari höchstpersönlich ausgezeichnet worden war.
Timotheus Gedanken rasten.
Was sollte er machen? Wie kam er hier weg, bevor sie ihn entdeckten? Ein Gedankenblitz zuckte durch seinen Kopf.
'Hoffentlich habe ich genug Zeit.'
"He, hier sind Fußspuren auf der Treppe!"
Die Männer sammelten sich am Fuß der Treppe um Ruben Wasmuth.
"Er ist nach oben gelaufen. Da kriegen wir ihn mit Sicherheit!"
Die Truppe setzte sich in Bewegung, die Treppe hinauf und Timotheus hielt den Atem an.
Er wünschte sich gerade sehnlichst zurück an seinen Schreibtisch im Boucherie. Zu seinen Büchern über Verschwörungen und Umstürze und zu den langweiligen Broschüren über den
Gildenbesteuerungserlass.
Besonders zu den langweiligen Broschüren.
'
Bitte, ihr Götter dort oben, wer auch immer mir gerade zuhört, lasst sie mich nicht entdecken.'
"Hier sind weitere Fußspuren, dort vorm Fenster, da muss er rein gekommen sein."
"Sie führen zu der Tür da. Da ist er durch geflohen."
"Nichts wie hinterher."
"Das ist ja wie in einem dieser Detektiv Romane", stieß Ruben Wasmuth freudig aus und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
Die Männer verschwanden hinter der Tür und die Stimmen wurden leiser.
Timotheus wagte es wieder einzuatmen und zog sich mit zittrigen Händen wieder auf das Fensterbrett.
Es war ein alter Trick gewesen, in den eigenen Fußspuren zurückgehen und so keine neuen zu hinterlassen, aber es hatte funktioniert.
Er hebelte schnell das Fenster auf und kletterte wieder in das Haus.
'
Jetzt kann ich mich einmal unten umsehen.'
Er ging die Treppe hinunter, vor der Tür hielt er inne und zückte seinen Ikonographen.
Beweisfotos, sonst wäre die Anstrengung umsonst gewesen.
Vorsichtig schob Timotheus die Türe mit der Spitze seines Dolches auf. Knarrend öffnete diese sich und gab den Blick auf ein verrauchtes Zimmer frei.
In der Mitte standen mehrere Clubsessel um einen runden Tisch. Karten lagen dort und in einem Aschenbecher rauchten Zigarren und Pfeifen vor sich hin.
Der Gefreite blickte etwas verwirrt, wo waren die Umsturzpläne, wo die Verschwörungsmanifeste?
Er ließ den Dolch sinken und trat weiter in den Raum, als plötzlich die Tür hinter ihm mit einem Knall zuschlug.
"Ich habe sie schon erwartet Herr Trobar", schnarrte eine feine Stimme. Ein Stuhl drehte sich geräuschlos und ein hochgewachsener Mann kam darauf sitzend ins Blickfeld, das Gesicht im Schatten verborgen.
"Ihre Spitzeleien sind mir, wenn auch den anderen, nicht unverborgen geblieben. Aber setzen sie sich doch erst einmal. Karl, bieten sie unserem Gast einen Sessel an."
Eine große Gestalt trat aus dem Schatten hinter dem Gefreiten und zog einen der großen schweren Clubsessel heran. Dann machte er eine auffordernde Geste und stellte sich hinter den Sessel.
Timotheus setzte sich notgedrungen mit einem flauen Gefühl im Magen auf den angebotenen Platz.
"Wie bereits erwähnt, sind mir ihre Spitzeleien nicht unverborgen geblieben. So habe ich ein paar Nachforschungen über sie angestellt und ich war doch einigermaßen überrascht, als ich einen ganz normalen... Wächter vorfand."
Timotheus hatte das Gefühl, als ob er etwas sagen sollte, doch er wusste nicht, was jetzt angemessen wäre und so schwieg er erst mal.
Nach einer kurzen Pause sprach die Person im Schatten dann weiter.
"Ich fragte mich, was die Wache von uns will und so beschloss ich es herauszufinden."
"Und, was wollen wir von ihnen?", fragte der Gefreite, der endlich seine Sprache wieder gefunden zu haben schien.
"Das sind wir gerade dabei herauszufinden."
Die Person beugte sich etwas nach vorne, so dass nur noch die Augen im Schatten lagen, und lächelte.
Timotheus Gedanken rasten. Wo hatte er sich hier reingebracht? Und, was viel wichtiger war, wie kam er hier wieder raus?
"Was,... welchem Zweck dient dieser Club hier?", fragte Timotheus, um zeit zu gewinnen.
"Welchem Zweck? Sie haben uns eine Woche lang hinterher spioniert und wissen immer noch nicht, was wir hier machen?"
Der Wächter schüttelte den Kopf.
"Nun gut, ich denke, es ist nicht mehr sonderlich schlimm, wenn ich sie in die Geheimnisse unseres Clubs einweihe. Im Gegenzug dazu verraten sie mir, wer sie mit diesen Nachforschungen beauftragt hat. Zuerst einmal möchte ich mich vorstellen, mein Name ist Martin Semmelmann. Der Mann hinter ihnen ist Karl
Kieferknacker, wir sind hier als offizielle Beobachter der Spielergilde. Sorgen dafür, dass die Regeln eingehalten werden und alles mit rechten Dingen zu geht."
"Wollen sie damit sagen, dass dies hier... einfach nur ein... ein Spielclub ist? Ein paar Männer die sich zum Kartenspielen treffen?"
Timotheus guckte Semmelmann entgeistert an, dieser nickte jedoch nur.
"Aber... wieso hier, in solch einer Bruchbude?"
"Nun, dies ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Besonders für einen Junggesellen."
Er überlegte kurz und sprach dann weiter : "Sagen wir es so: zu Hause gibt es gewisse Personen, die diesen Tätigkeiten eher ablehnend, wenn nicht sogar feindlich, gegenüber stehen."
Er lächelte kurz und beugte sich näher an Timotheus heran. Zum ersten Mal konnte dieser nun seine Augen sehen.
"Das ist natürlich für einen Junggesellen schwer zu verstehen, aber die Frauen, sind die wahren Herren im Haus. Und was nützt es reich zu sein, wenn man zu Hause nicht einmal einfach die Füße auf den Tisch legen, eine Zigarre rauchen, billigen Wein trinken und mit Freunden Karten spielen darf?"
***
Viele Schritte auf der Treppe ließen darauf schließen, dass die suchenden Männer zurück kamen. Die Tür wurde aufgestoßen und Stimmen drangen in den Raum.
"Er ist uns entwischt."
"Wie konnte das passieren?"
"Ich war mir sicher er wäre durch die Tür gerannt."
"Wir hätten ihn erwisch...", die Person stockte mitten im Satz, als sie Timotheus dort sitzen sah.
Mittlerweile waren alle Mitglieder der 'Suchmannschaft' wieder im Raum und der auf dem Sessel sitzende Wächter zog alle Blicke auf sich.
Herr Semmelmann stand auf und unterband alle Fragen, welche den noch etwas perplexen Männern auf der Zunge lagen, mit einer einfachen Handbewegung.
"Darf ich vorstellen, Timotheus Trobar", er deutet auf den im Sessel Sitzenden, "Wächter der Stadtwache und als Experte für Bruderschaften, Spionage geheime und offizielle Bündnisse mit dem Ausspionieren von Geheimbünden und Zirkeln betraut, und der Club der fünf Asse, ein kleiner Zirkel der reichsten Männer Ankh-Morporks. Welche zu Hause leider allesamt unter der Fuchtel ihrer Ehefrauen stehen. Und nun meine Herren, Herr Wächter, was halten sie von einer Runde
Schlag die Patrizierin?"
Schnell wurden die Karten ausgeteilt und schon bald musste Timotheus einsehen, dass er in diesem Spiel viel zu unbegabt war, um auch nur eine Chance zu haben. Da plötzlich gab es einen Lichtblick auf seinem Blatt, es war riskant, aber er würde gewinnen. fieberhaft rasten seine Gedanken.
"Nun sag schon", drängte Ruben Wasmuth.
***
Es war schon bald früher Morgen, als die Gruppe, manch einer mit deutlich leichteren Taschen, aus dem Haus trat.
Die Männer sahen sich schnell um und verschwanden dann möglichst schnell, um nicht gesehen, oder womöglich erkannt zu werden.
"Es würde mich freuen sie hier ein anderes mal wieder begrüßen zu dürfen", sagte Semmelmann, schüttelte Timotheus die Hand und verließ dann auch schnell mit Karl im Gefolge das Haus.
Timotheus holte schnell seinen Beutel aus der Seitengasse und machte sich dann, um einige Erfahrungen reicher und einige Dollars ärmer auf den Weg zum Boucherie.
'
Auch die reichsten Männer Ankh-Morporks waren nur Männer, mit denselben Bedürfnissen wie alle anderen auch.'
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