RUM auf dem Prüfstand

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vollendet am 20.07.2011

RUM hatte in der letzten Zeit einige Todesfälle zu beklagen, weswegen der Patrizier zu der Meinung gekommen ist, dass eine gründliche Inspektion notwendig ist.
(Nur für RUMler und Sebulon!)

Lilli Baum

Der Himmel hatte an diesem Morgen kein Einsehen mit dem Werwolf und schüttelte Unmengen an Wasser aus den Wolken. Missmutig betrat Romulus das Wachhaus, wo nur stapelweise Büroarbeit auf ihn warten würde, wie üblich. Er wollte schon die Treppe hoch zu seinem Büro, als er feststellte, dass dieses gewaltige Golemförmige Ding, was er aus den Augenwinkeln erspäht hatte, ein Golem in einem dunkelblauen Anzug mit passender Fliege war. Dafür war weit und breit kein Rekrut am Wachetresen zu sehen. Ergeben seufzte der Abteilungsleiter und beschloss die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wenigstens konnte er das Aktenjonglieren damit noch ein bisschen herauszögern.
"Guten Tag. Ich bin Feldwebel Grauhaar, kann ich Ihnen helfen?"
Der Golem nickte ihm zu: "Ja, In Der Tat. Ich Bin Hier Wegen Der Inspektion, Die Der Patrizier Angeordnet Hat."
"Inspektion?", fragte Romulus und kratzte sich am Kinn. "Ich weiß nichts von einer Inspektion!"
"Das Stimmt", entgegnete der Golem. "Ich Bin Hier, Weil Die Abteilung Raub Und Unlizenzierter Mord Überprüft Werden Soll. In Letzter Zeit Sollen Einige Mitglieder Der Abteilung Zu Tode Gekommen Sein, Was Den Patrizier In Gewisser Weise Beunruhigt. Deshalb Hat Er Seinen Besten Inspektor Geschickt."
Der Werwolf schluckte unwillkürlich. "Nun... Ich bin der Abteilungsleiter von RUM-"
"Das Weiß Ich Bereits."
"Ähm... wie wäre es, wenn wir in meinem Büro diese Inspektion erst einmal besprechen?" Diese ganze Sache hatte ein unbehagliches Gefühl in seiner Magengrube ausgelöst. Romulus fühlte sich überrumpelt...
"Nein", erwiderte der Golem.
"Nein?", fragte Romulus.
"Nein. Ich Werde Hier Weiter Warten."
Der Abteilungsleiter wusste nicht, was er darauf antworten sollte, und zuckte schließlich mit den Schultern. "Ganz wie Sie wollen. Ich werde mich nun in mein Büro begeben um mich meiner Büroarbeit zu widmen. Falls Sie es sich anders überlegen - Sie wissen, wo Sie mich finden können."
Damit verschwand Romulus Richtung Treppe und widerstand dem Drang, sich nach dem Golem umzudrehen. Ein Inspektor! Das hatte Ihnen gerade noch gefehlt!
Er öffnete die Tür zu seinem Büro und setzte sich an seinen Schreibtisch.
Seltsam war das schon. Der Patrizier hatte einige Golems in seinem Diensten, aber dass er einen als Inspektor beschäftigte, kam ihm doch etwas klatschianisch vor. Waren die überhaupt geistig dazu in der Lage eine Inspektion durchzuführen?
Er griff nach einem Aktenblatt, offensichtlich ein Antrag für ein höheres Fundusbudget, griff nach seinem Fundus-Antrags-Stempel, drückte ein "Abgelehnt" drauf und legte ihn in die Ablage.
Es war ja nicht, dass er Golems für dumm hielt oder etwas in der Richtung, aber sie hatten nun mal fürchterlich eingefahrene Gedankenbahnen; sie waren darauf ausgelegt, präzise Befehlen zu folgen. Und eine Inspektion war doch aus rein geistiger Hinsicht ein höchst komplizierter Akt.
Der Werwolf starrte auf das nächste Blatt und überflog den Text. Mina bat um eine erneute Untersuchung eines Beweismittels durch SUSI auf einen ganz bestimmten Umstand hin. Der Werwolf setzte flott seine Unterschrift zur Bewilligung unter das Dokument, steckte es in eine Rohrpostkapsel und flump! zischte sie auch schon Richtung Rohrpostsammelstelle davon.
Nein, ein Golem-Inspektor schien ein Ding, der völligen Unmöglichkeit zu sein...
Er schaute auf die Akte, die als nächstes an der Reihe war und seufzte. Es war mal wieder eines dieser 100-Seiten Ungeheuer. Um sich da durch zu ackern, würde er eine Weile brauchen...
Sein Kopf schmerzte. Er hatte schon seit Stunden nichts mehr getrunken. Resigniert schob er seine Schreibtischschublade auf und entnahm ihr eine Dose Superbulle. Mit einer geübten Handbewegung öffnete er den Verschluss und gönnte sich einen großen sprudeligen Schluck. Er starrte einige Augenblicke gedankenverloren aus seinem Bürofenster.
Hatte der Golem sich eigentlich ausgewiesen? Natürlich, das war des Rätsels Lösung - das war ein Hochstapler! Oh bei seinem Gehaltscheck, er musste sofort etwas unteneh-
Erschrocken fuhr er zurück, als er sich zu seinem Schreibtisch zurückgedreht hatte und bekleckerte sich dabei zu allem Überfluss auch noch mit Superbulle.
Da stand ein Gnom auf seinem Schreibtisch, sah ihn mit höchst tadelnden Blick an und notierte sich dann etwas auf einem Klemmbrett, während er leise mitredete: "Offensichtlich so viel Überkonsum, dass Motorik beeinträchtigt..."
Das Geräusch seiner inneren Alarmglocken wurde unglücklicherweise durch die ganze Watte in seinem Kopf gedämpft.
"Wer sind SIE?!", fragte Romulus verärgert und rieb sich die Flüssigkeit von seinem Hemd. "Was haben Sie in meinem Büro verloren?!"
Der Gnom - genau genommen war es eine Sie - strich sich eine Strähne seines goldblondes Haars aus dem Gesicht und meinte in einem neckischen Tonfall: "Verloren habe ich hier nix."
"Was suchen Sie hier?", Romulus spürte, wie ihm langsam der Kragen zu platzen drohte.
"Den Abteilungsleiter."
Der Feldwebel rieb sich die Schläfen. "Das bin ich."
"Ja, das habe ich mir schon gedacht", erwiderte die Gnomin in einem beschwingten Tonfall. "Sonst würde es mich auch sehr wundern, dass sie seine Büroarbeit erledigen." Sie kicherte.
"Was wollen Sie von mir? Ich mag es nicht, wenn man einfach ungefragt in mein Büro kommt!"
"Nun, zunächst hätte ich gerne eine Frage beantwortet! Wie oft leeren Sie denn Ihren Papierkorb? Ich habe 36 leere Dosen dieses anregenden Getränks darin gezählt, und würde gerne mal Ihren Tagesverbrauch hochrechnen!", erklärte sie in einem hochernsten Tonfall.
Romulus antwortete nicht, sondern starrte diese komische Gnomin an, die da in ihren rüschenbesetzten altrosa Kleidchen vor ihm stand, und ihn mit einem breiten Grinsen bedachte, während sie auf seine Antwort wartete.
"Raus!", knurrte der Werwolf.
"Ähm, was?", fragte die Gnomin irritiert, doch Romulus hatte einfach keine Lust mehr auf den ganzen Mist, nahm die Akte, auf der sie stand, hoch, öffnete seine Tür und setzte sie draußen wieder vorsichtig auf den Boden ab. Dann ging er wieder in sein Büro und knallte demonstrativ die Tür hinter sich zu.
Endlich Ruhe! Dieser Tag heute war wirklich von bescheidener Natur.
Er hörte ein leises Klopfen an der Tür, doch ignorierte er sie geflissentlich, und als endlich das Pochen aufhörte, atmete er auf und widmete sich wieder dieser Monsterakte. Er hatte gerade Seite drei erreicht, als es erneut klopfte, laut und dumpf, wie Hammerschläge.
Ach, der Inspektor, an den hatte er gar nicht mehr gedacht...
"Herein!", rief Romulus und sah zu, wie der Golem in sein Zimmer kam: "Schön, dass sie nun doch mit mir diese Inspektionssache bereden wollen!"
"Nein", entgegnete der Golem.
"Aber Sie sind der Inspektor! Sie sind in mein Büro gekommen! Wieso nicht?!"
"Weil Ich Nicht Der Inspektor Bin", erklärte der Golem, und eine Stimme vom Fußboden fügte hinzu: "ICH bin der Inspektor!"
'Nein', dachte Romulus: 'Nein, nein, nein, nein.'
Der Golem hob eine gewisse Person hoch und die Gnomin schaute Romulus mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck an: "Das haben Sie wohl nicht erwartet, was? Aber es ist nun mal Fakt, ich bin ein offiziell anerkannter Inspektor des Patriziers - der beste, wenn ich das mal hinzufügen darf - und deshalb haben Sie auch auf mich zu hören! Ich bin nämlich so was von autorisiert, das geht auf keine Kalbshaut!"
Romulus runzelte die Stirn. Die Inspektoren, die er kannte, trugen keine Schleifchen im Haar.
Demonstrativ verschränkte er die Arme und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. "Na, dann wird es für Sie sicherlich kein Problem darstellen, sich auszuweisen!" Der Patrizier war ein Mann voller Würde. Der stellte doch keine Püppchen als Inspektoren ein!
"Nichts leichter als das!", erwiderte die Gnomin und deutete auf eine winzige goldene kleine Brosche, die gut sichtbar in der Mitte ihres Dekolletees angebracht war, "dies ist eine offizielle Inspektorenmarke, vom Patrizier persönlich."
"Die ist zu klein, als das man etwas erkennen könnte!", konterte Romulus, doch der Golem reagierte schon. Er zog eine Lupe aus der Anzugtasche und hielt sie vor die Gnomin, und vergrößerte damit auch die Marke.
"Das... sieht tatsächlich aus, wie eine Inspektorenmarke...", gab Romulus zähneknirschend zu.
"Natürlich!", erwiderte die Gnomin. "Und falls Ihnen das nicht genügt, Herr Assistent händigt Ihnen mit Vergnügen auch das offizielle Schreiben des Patriziers aus!"
"Natürlich, Trudi." Herr Assistent, der Golem, nickte, zog ein Stück Papier hervor und reichte es an Romulus. Der entfaltete es und las es aufmerksam. Es stimmte alles daran, der Wortlaut, das Siegel... In der Tat, das war ein offizieller Auftrag. Mist.
Er schaute Edeltraut Wohlgemuth [1] an und seufzte ergeben: "Anscheinend geht alles mit Rechten Dingen zu, Fräulein Wohlge-"
"Inspektor!"
"Inspektor Wohlegemuth, aber - ähm... Müsste es nicht Inspektorin heißen?"
Sie kicherte und machte eine abweichende Handbewegung: "Ach, ich bin Frau genug, dass ich nicht auf Feminisierungen angewiesen bin. Ich will genauso ernst genommen werden, wie andere Inspektoren auch! Und das beginnt bei der normalen Anrede!"
"Schon gut, schon gut... Kann ich erfahren, wieso eine Inspektion? Und was genau soll eigentlich inspiziert werden?"
Trudi lächelte und wippte auf den Füßen vor und zurück: "Och... ich dachte, dass hat Ihnen Herr Assistent schon gesagt. Ihre Abteilungsmitglieder haben die dumme, dumme Angewohnheit, in letzter Zeit zu sterben wie die Fliegen. Dem Patrizier gefällt das gar nicht. Bisher hatten wir noch Glück, weil die Hinterbliebenen keine Ansprüche gestellt haben, und der Patrizier will, dass das so auch bleibt."
"Moment!", warf der Abteilungsleiter ein: "Das waren gerade mal zwei Todesfälle, beide durch einen Unfall!"
Sie machte eine abwiegelnde Handbewegung: "Nun, wer weiß schon wirklich, ob ein "Unfall" wirklich ein Unfall war... Fakt ist, der Patrizier will nicht, dass die so großzügig eingerichteten Fonds für Wachehinterbliebene schamlos ausgenützt werden. Wir sind nämlich keine Versicherung."
"Das... ist eine Unterstellung! Eine impertinente Unterstellung!" Romulus spürte langsam die Wut in sich hochkochen...
"Natürlich wollen wir nur das Beste von den Mitgliedern Ihrer Abteilung annehmen", fügte Trudi hinzu. "Und genau deswegen bin ich ja hier. Ich soll überprüfen, ob die Abteilunsgmitglieder überhaupt für diesen gefährlichen Job geeignet sind! Das umfasst sowohl den physischen Aspekt - den Sie irgendwie etwas zu vernachlässigen scheinen, wenn ich mir die Bemerkung mal erlauben darf - als auch den psychischen!"
Romulus hätte dieses kleine Miststück am liebsten aus den Fenster geworfen, doch der starre Blick von Herrn Assistent hielt ihn davon ab.
"Wie... soll diese Inspektion denn aussehen?", fragte Romulus zähneknirschend.
"Ach, das wird eine schnelle, einfache Angelegenheit. Der Patrizier hat einen kleinen Gefallen beim Tempel der Rhododendra eingefordert, die so freundlich sind, uns ihre Räumlichkeiten und geschultes Personal für einige... nun "Fitnesstests" zur Verfügung zu stellen. Sie wissen schon, der übliche Kram, Dauerlauf, Selbstverteidigung, Teamwork, Schwimmen... Die psychologische Überprüfung mache ich selbst nebenbei, mit einigen persönlichen Gesprächen. Die Personalakten habe ich selbstredend schon ausgiebig studiert. Da fällt mir ein, sie sollten sich ein besseres Schloss für den Aktenschrank zulegen, das kriegt ja sogar ein Fünfjähriger auf!" Erneut kicherte Trudi.
Romulus rieb sich wieder die Schläfen: "Wir sind eine vielbeschäftigte Abteilung. Ich glaube nicht, dass meine Leute eben mal Zeit für irgendwelche "Fitnesstests" haben werden..."
"Dann werden die sich die Zeit dafür nehmen! Ich kann sehr überzeugend sein!"
Romulus schaute vom Gnom auf den Golem. Klar, wer einen Golem als Hilfe hatte, fing doch jeden irgendwann ein, das war doch nur eine Frage der Zeit.
Herr Assistent reagierte auf Romulus' Blick, indem er anfing zu lachen. "Ha! Ha! Ha! He! He! He! Ho! Ho! Ho! Hi! Hi! Hi!" Es klang dumpf, mechanisch und seltsam hohl.
Der Werwolf erschauerte zutiefst. Er hatte noch nie einen Golem lachen gehört.
"Ich Musste Noch Nie Jemanden Verfolgen", erklärte Herr Assistent, der anscheinend seine Gedanken gelesen hatte, und als der Werwolf wieder auf die breit grinsende Gnomin blickte, bemerkte er dieses gewisse Funkeln in ihren Augen. Wie konnte er das bisher nur übersehen? Seine Nackenhaare stellten sich auf.
"Ich sollte noch erwähnen, dass der Ausgang der Inspektion weitreichende Konsequenzen haben wird, wenn ich einen Wächter als ungeeignet für den Dienst einstufen muss", fügte Trudi noch hinzu."Das geht über Versetzungen in andere Abteilungen bis zu Entlassung aus dem Wachedienst. Aber man muss das positiv sehen, es dient nur dazu, das RUM eine bessere und vitalere Abteilung wird!"
Romulus starrte sie nur an.
Sie machte einen kleinen Knicks und wandte sich dann ab. Herr Assistent nahm sie auf die Hand und wollte schon den Raum verlassen, doch sie rief: "Halt, halt, mir ist da noch was eingefallen!"
"Was denn noch?!", knurrte Romulus.
"Ich brauche noch eine Aufstellung über Mitglieder, die kürzlich abgeordnet worden sind, oder die Abteilung gewechselt haben. Wir wollen doch fair sein, auf die Weise kommt auch keiner in der Abteilung auf dumme Ideen, wie sich versetzen zu lassen oder so! Ich werde die ganze Abteilung überprüfen - außer Ihnen natürlich."
"Natürlich", echote Romulus und stutzte dann: "Was... wieso?"
Trudi rümpfte die Nase: "Liegt das nicht auf der Hand? Zum einen stammen Sie aus einer sehr einflussreichen Familie - als Ag... Inspektor des Patriziers kenne ich mich da aus - weshalb ihre psychische Eignung außer Frage steht - und außerdem sind Sie ein Werwolf. Wenn nicht gerade einer etwas erfindet, was Silberkugeln um sich schießt, sind Sie doch fast unkaputtbar! Ganz im Gegensatz zu Vampiren, die sind ja gegen alles allergisch... Sonnenlicht, religiöse Symbole, Pflöcke... Ich konnte einen mit einem Zahnstocher erledigen!"
'"Könnte, Trudi", korrigierte Herr Assistent.
"Oh stimmt", entgegnete sie kichernd: "Naja, dann wäre jetzt alles geklä - oh Moment, der Zombie muss auch nicht zum Test, der ist so tot, da können weder er noch seine Hinterbliebenenen irgendwelche Ansprüche geltend machen! Aber gut, wir machen uns mal wieder vom Acker, ehe ich noch mal durch die Krankenakten stöber... Ich habe vorhin Hackbraten gerochen, wir sollten also in der Kantine vorbeischauen, Herr Assistent, ich habe Gerüchte gehört, dass der hier superleckerschmackulös sein soll!"
"Das Klingt In Der Tat Gut, Trudi."
Das ungleiche Gespann verließ das Büro.
Und Romulus starrte Ihnen eine Weile hinterher. Dann entschied er, dass er möglichst wenig mit dieser verdammten Inspektion mit diesem verdammten Inspektor zu tun haben wollte und wandte sich wieder seinem Aktenberg zu, der auf bedrückend vertraute Art und Weise Stunden voller entspannender Langeweile versprach.

21.02.2011 10: 24

Mina von Nachtschatten

Zufrieden sah sich Trudi im Raum um. Er war geräumig und alles was sie an Mobiliar benötigte vorhanden. Ja, so konnte das durchaus etwas werden! Zwar war alles ein wenig eingestaubt und das leicht schief stehende Regal im hinteren Teil des Raumes hatte wohl auch schonmal bessere Tage gesehen, aber das waren ja alles keine Hinderungsgründe. Die Leute unterschätzen allgemein, was man mit Hilfe eines Staubwedels und eines Golems so alles bewerkstelligen konnte. Natürlich musste auch noch ein anderes Schild draußen neben die Tür - schließlich war das hier nicht mehr länger "nur" Raum 307a.
Es war nicht weiter schwer gewesen, den Schlüssel zu diesem leerstehenden Büro im dritten Stock zu bekommen - so ein offizielles Schreiben vom mächtigsten Mann der Stadt öffnete einem fast überallhin Tür und Tor. Auch wenn der Kommandeur nicht unbedingt begeistert ausgesehen hatte, als sie diesen Vorschlag unterbreitete. Aber die Gnomin hatte sich nun einmal entschlossen, ihr Lager - ihre Schaltzentrale, ihren Ausgangspunkt - hier im Wachhaus einzurichten. Zum einen vermied sie so unnötig lange Wege und konnte ihre Zeit dafür nutzen, ihre, nun ja, "Inspektionsobjekte" genauer in Augenschein zu nehmen. Und zum anderen war dieser Hackbraten in der Kantine vorhin wirklich eine Klasse für sich gewesen - da bot es sich an, in der Nähe zu bleiben.
Die Tür hinter ihr knarrte und Herr Assistent trat mit schweren Schritten ein, einige Akten unter dem Arm.
"Ich Habe Die Hinweisblätter An Den Betreffenden Bürotüren Befestigt", meinte er und ließ die Gnomin auf seine freie Hand steigen, um sie zum Schreibtisch hinüberzubringen.
Trudi nickte. Diese Schreiben waren eine reine Vorsichtsmaßnahme - niemand solle im Nachhinein sagen können, er habe ja gar nicht gewusst, dass eine derartige Abteilungsinspektion durchgeführt würde. Zumal sie darauf geachtet hatte, dass das Papier Signalfarbe hatte.
Am Tisch angekommen wischte der Golem einmal kräftig mit seiner tönernen Hand über die Fläche, setzte die Gnomin vorsichtig ab und legte die Akten daneben, während die Staubflocken langsam auf den Boden hinab rieselten.
"Danke, Herr Assistent." Sie wies auf den Stapel neben sich. "Ist die Liste dabei?"
Der Golem nickte.
"Der Abteilungsleiter Hat Sie Mir In Die Hand Gedrückt, Als Ich Gerade Wieder Auf Dem Weg Nach Oben War. Er Schien Es Eilig Zu Haben, Wieder In Sein Büro Zurück Zu Kommen."
Die Gnomin konnte sich ein Kichern nicht verkneifen; bestimmt war der Werwolf heilfroh, dass sie ihn von vornherein von der Inspektion ausgeschlossen hatte. Doch lange hielt sie sich nicht damit auf, sich den Gesichtsausdruck des RUM Abteilungsleiters auszumalen. Amüsieren konnte sie sich später noch - jetzt musste gearbeitet werden.
Trudi holte ihr eigens kleines Notizbuch aus der Tasche und zog das für sie viel zu große Blatt Papier mit den Namen der abgeordneten oder sonstwie anderweitig beschäftigten RUM Wächtern zu sich hinunter. Jetzt hatte sie also die Namen aller beisammen, die es zu überprüfen galt. Sie konnte sich also daran machen, einen groben Plan zu erstellen, wann sie mit wem zu sprechen gedachte, noch ein paar Dokumente sichten und alles, was ihr an Informationsmaterial noch entgangen sein sollte, anfordern. Gute Vorbereitung war schließlich alles. Bei dem Gedanken daran, was sie sich während des Lesens der Personalakten schon alles ausgedacht hatte, musste sie erneut lächeln. Das würde hochinteressant werden.

21.02.2011 19: 47

Sebulon, Sohn des Samax

Als Romulus sich sicher war, dass der Golem ihm wieder den Rücken gekehrt hatte und in Richtung seines herrischen Herrchens unterwegs war, lief er leise wie schon lange nicht mehr aber dafür mit großen Schritten die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Nach einigen Stufen spürte er kaum noch die Treppe unter sich; kurz vor dem Erdgeschoss klammerte er sich mit der rechten Hand ans Geländer, nutzte mit diesem Anker den Schwung, um beinahe zwei weitere Meter ohne Bodenkontakt auszukommen, landete etwas unsicher aber wohlbehalten und kam schlitternd vor dem Bereitschaftsraum der Seals zum stehen. Ohne sich groß mit Klopfen aufzuhalten öffnete er die Tür, schloss sie hinter sich und lehnte sich verschnaufend dagegen.
"Sör?", fragte Jargon Schneidgut, der verwundert von "Auslandsrächt, laicht gemacht" aufsah.
Ob des schweren Atmens noch unfähig zu sprechen, legte der Werwolf den Finger an die Lippen. Das erste Wort, das er herausbekam, war: "Wasser ..."

Kurze Zeit später versuchte ein sehr nervöser Jargon möglichst unauffällig an neugierigen Rekrutenaugen vorbeizuschlendern. Er ähnelte dabei sehr einem Pinguin mit Magenverstimmung, der sich zwecks Erleichterung nach potentiellen Örtlichkeiten umsah.
Der Grund für die Aufregung des Obergefreiten waren zwei Nachrichten, die Jargon überbringen sollte. Die eine war für Ruppert ag LochMoloch bestimmt, die andere für ein ehemaliges Mitglied der Abteilung RUM: Pyronekdan. Der Inhalt beider Botschaften stimmte weitgehend überein. Er lies sich so zusammenfassen: 'Findet mir allen Dreck, den "Edeltraud Wohlgemuth" und ihr Assistent am Stecken haben, haben könnten und hatten!'
Wer diese Edeltraud war, wusste Jargon zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch der Tonfall des Abteilungsleiters, als er die Worte "Mission" und "strengstens geheim" benutzte, nahm ihm alle innere Ruhe.
Er konnte nur hoffen, dass er seine Kollegen fand, bevor sein Körper ihm ob des Adrenalinspiegels den Gehorsam verweigern würde ...

Unterdessen saß Sebulon, Sohn des Samax, nichtsahnend in der Kantine, am Zwergenstammtisch[2], zusammen mit Glum Steinstiefel, Braggasch Goldwart und Avalanie von Gilgory. Alle vier waren nach einer kurzen Umfrage überraschend zu der Ansicht gekommen, dass der Hackbraten an diesem Tage überraschend gut schmeckte. Als sie gerade überlegten, ob Nachtisch in diesem Fall angebracht sein könnte oder nicht doch den seltenen Konsens gefährden würde - und einen Dissens mit Avalanias AxtArgumenten überstand Glum erst seit seiner letzten Beförderung ohne Blessuren -, betraten Inspäctor Kolumbini und Mina von Nachtschatten mit Sieben-Tage-Donnerwetter-Gesichtern die Kantine und steuerten auf den Zwergentisch zu.
"Was hat das zu bedeuten?", fragte Kolumbini in scharfem Ton und ließ einen offensichtlich von seiner Bürotür abgerissenen Zettel vor Sebulons Augen hin- und herbaumeln.
Wie auf ein Stichwort erhoben sich die drei anderen Zwerge langsam und gingen eilig und doch mit gesenktem Blick in verschiedene Richtungen vom Epizentrum des Ärgers weg. Von IA-Angelegenheiten wollten sie nicht überflüssig gestreift werden, wenn sie es vermeiden konnten.
Sebulon hingegen sah am Zettel vorbei zuerst fragend zu Mina, dann zum Inspäctor, und als beide ihn noch immer so ansahen, als wüsste er sehr wohl, was da vor sich ginge, nahm er schließlich mit einem knappen "mal sehen" das Papier vom fuchsigen Kolumbini entgegen.

21.02.2011 21: 58

Fynn Düstergut

Mit der Zungenspitze im Mundwinkel beendete Fynn Düstergut den Eintrag in das Protokollbuch der Asservatenkammer, in die er einen blutbefleckten Stein und ein mittlerweile angeschimmeltes Käsebrot zurückgebracht hatte, nachdem sein Ausbilder die Beweisstücke noch einmal einer Begutachtung unterzogen hatte. Kolumbini hatte dabei die ganze Zeit mit seinem Pfeifenstiel gegen sein Glasauge gepocht, eine Angewohnheit des Ermittlers, die der Gefreite irritierend fand.
Als Fynn seine Eintragung beendet hatte, nickte er dem Rekruten Theodosius von Buttenhaim zu, der seine Bemühungen amüsiert beobachtet hatte.
"Alles in Ordnung?"
"Alles korrekt", grinste der Vampir. "Bis auf die Rechtschreibung von 'Käsebrot'. Es schreibt sich ohne h."
Der Ermittler in spe warf seinem Kollegen einen finsteren Blick zu und verließ grußlos den Raum.
Ein Kichern schwebte durch den Flur. Es klang so, als wäre es fehl am Platz hier in dem Haus voller Wächter, so - mädchenhaft. Mit gerunzelter Stirn lauschte Fynn, bis er schließlich herausfand, das es aus dem eigentlich abgeschlossenen, großen Eckbüro drang. Neugierig geworden, drückte er sein Ohr an die Bürotür.
Kein Laut war zu hören. Düstergut fragte sich gerade, ob er sich geirrt hatte oder bereits anfing, zu halluzinieren, als sich plötzlich nichts mehr zwischen seinem Ohr und einem fremden Golem befand.
"Kann Ich Dir Helfen?"

"Kann ich dir helfen?", fragte Ruppert freundlich, als der nervöse Jargon es in sein Büro geschafft hatte, ohne unnötig viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen [3].
"Ich habe eine Nachricht für dich", flüsterte der Rechtsexperte, nachdem er in jede Ecke geschaut hatte, ob sich nicht ein potentieller Lauscher dort versteckte.
"Achja?" Ruppert blieb unbeeindruckt. "Von wem denn?"
"Von Feldwebel von Grauhaar." Langsam entspannte sich Jargon etwas. Bald hatte er es geschafft.
Die Miene des Vektors verfinsterte sich. "Was will der denn von mir?"

22.02.2011 18: 07

Lilli Baum

"Ähm... du sollst jemanden für ihn untersuchen, zwei Personen um genau zu sein, schaun ob, sie Dreck am Stecken haben, oder so. Ihre Namen si-"
Ruppert unterbrach Jargon mit einem verächtlichen Schnauben: "Was in Llamedos Namen bringt Romulus auf die Idee, ausgerechnet mir diesen Job aufhalsen zu wollen?"
"Nun, ich glau-"
Der Vektor unterbrach ihn mit einer abwinkenden Bewegung. "Schneidgut, ich bin Vektor. Meine Kernkompetenz liegt darin, Leute mit Worten davon abzuhalten, dumme Dinge zu tun. Ich gehe dabei alles andere als heimlich und subtil vor, ganz im Gegenteil, man sieht auf den ersten Blick, dass ich ein Wächter bin; außerdem bin ich jeden Tag in Uniform auf Streife. Die Menschen kennen mich, zumindest vom flüchtigen Sehen her - und das ist auch der Grund warum meine Tätigkeit funktioniert, weil die Leute wissen "Ach, das ist doch dieser eine Wächter!". Was Romulus will, das erfordert Heimlichtuerei und Herumgeschnüffel. Ich habe von beiden keine Ahnung. Und mir fehlt auch so was wie ein Informantennetzwerk; aber mir persönlich macht das auch überhaupt nichts aus, ich brauche keines, um mich mit Menschen zu unterhalten."
Ruppert hattte während dieser Rede einen Arm kumpelhaft auf Jargons Schulter gelegt und führte ihn nun wie nebenbei zur Tür. "Aber du kannst Romulus gerne ausrichten, dass er sich keine Sorgen machen muss; es gibt da eine Abteilung in der Wache, die sich das Herumschnüffeln und die Heimlichtuerei auf die Drachenschuppen geschrieben hat. Er dürfte schon von ihr gehört haben; schließlich ist er ihr Abteilungsleiter."
Damit standen sie auf den Flur, und Ruppert wandte sich ab, um in sein Büro zurückzukehren.
"Aber Ruppert!", warf Jargon ein: "Du... kannst doch nicht einfach einen Befehl verweigern! Denk doch an die Konsequenzen!"
Ruppert lachte auf: "Hm... Du hast recht! Ich sollte unbedingt das machen, was der Abteilungsleiter einer fremden Abteilung von mir will! Insbesondere, weil es nichts mit meiner Spezialisierung zu tun hat und er ein Dutzend Leute zur Verfügung hat, die das alle besser als ich könnten! Hm... Aber vorher muss ich dann zu meinem Abteilungsleiter und ihm erklären, wieso ich nicht seinen Befehl ausführen und die Verhandlungen wegen dieser Parade vorbereiten kann, es geht ja nur darum, dass einige Zwerge durch ein Trollwohngebiet ziehen wollen; aber das ist nicht so schlimm, bei der Parade vom letzten Jahr war ja auch nur ein paar Dutzend Tote zu beklagen!"
Ruppert verengte seine Augen zu Schlitzen: "Wenn Romulus darauf besteht, dass ich diesen Job mache, dann soll er das mit meinem Abteilungsleiter klären. Ansonsten wünsche ich dir noch einen schönen Tag!" Und damit schloss er seine Bürotür, direkt vor Jargons Nase.
Der Wächter seufzte und dachte an die andere Person, die er kontaktieren sollte. Hoffentlich würde Pyronekdan sich kooperativer verhalten. Seine Taube müsste ihn ja mittlerweile erreicht haben.

Der Zauberer war von der Anfrage sehr erstaunt gewesen. Er fühlte sich etwas überfordert, sein alter Job hatte eigentlich hauptsächlich daraus bestanden befreundete Zauberer zu "kontaktieren". Das war einfach gewesen, einem kleinem Plausch im Ungemeinschaftsraum waren die wenigsten abgeneigt gewesen. Aber nun sollte er Informationen zu einem Gnom und einem Golem einholen... Er hatte eine Weile überlegt ob er sich wirklich dieser Aufgabe stellen sollte, beugte sich aber schließlich. Wie hieß es so schön: "Einmal RUM - immer RUM!".
Also schlüpfte er nach einem ausgiebigen Mittagessen in einen unauffälligen Mantel und machte sich auf zur Zentrale der Golem-Stiftung. Seine Anhaltspunkte waren abgesehen spärlich, und das schien ihm noch der beste zu sein. Die wussten alles über Golems.
Er betrat das Gebäude und ging gestellt selbstsicher auf den Tresen zu: "Guten Tag! Ich würde gerne Informationen über einen Golem einholen!"
Die Sekretärin, die am Empfang saß, kaute auf etwas herum, und fragte dann schließlich: "Ja?"
"Sein Name ist Herr Assistent!", meinte Pyronekdan in seinem besten Verschwörertonfall.
"Tut, mir leid, leider können wir keine Auskunft zum Beschäftigungsverhältnis bestimmter Golems-" Sie reckte während sie redete den Hals und sah zu, wie der Kunde vor Pyronekdan das Gebäude verließ. Kaum war er draußen, begann sie breit zu grinsen: "So, sie wollen also Informationen zu EW, stimmt's?"
"EW?", fragte Pyronekdan: "Nein, ich will nur was über Herrn Assistent und Edeltraut Wohlgemu... ach so!"
Sie nickte ihm zu und bedeutete ihn mit einer Handbewegung, leiser zu sprechen: "Ja, ganz wie ich es mir dachte. Sie sind hier genau an der richtigen Stelle, mein Herr, sie sind nicht der erste, der nach Informationen zu dieser Person sucht. Da es über die Stiftung zu versuchen, versteht sch ja da ganz von selbst! Und sie können sich freuen, ich kann Ihnen mehr Informationen geben, als sie ihr Leben lang brauchen werden!"
Sie zog einen rosa Ordner unter dem Tresen hervor und legte ihn darauf ab. Es war ein wirklich voluminöses Exemplar.
"Na, das nenne ich mal Service!", lobte Pyronekdan. "Es wäre schön, wenn alles im Leben so unkompliziert ablaufen würde!" Er wollte nach den Ordner greifen, doch die Sekretärin zog ihn blitzschnell aus seiner Reichweite.
"Also wirklich, haben Sie gedacht, dass ich Ihnen die Informationen einfach so gebe? Natürlich kosten die was! Ich will Bares sehen! Zehn Dollar, das ist ein echter Freundschaftspreis!"
"Was?!", empörte sich Pyronekdan: "Wieso sollte ich so viel Geld ausgeben wollen?!"
"Weil Sie Informationen über EW brauchen. Und alle anderen Informationsquellen genauso viel verlangen. Versuchen sie es beim Patrizierpalast, einer der Wächter verkauft da genau die gleichen Infos wie ich - aber er will 12 Dollar dafür. Der einzige, der es billiger abgeben würde, wäre EW selbst."
"Oh, wie praktisch, dann... moment mal - wie? Ähm..."
"Ich verstehe, dass Sie verwirrt sind, dass sind viele, wenn sie es mit EW zu tun bekommen."
Die Sekretärin lehnte sich locker gegen den Tresen und blies eine kleine Kaugummiblase, ehe sie mit Sprechen fortfuhr: "Diese Information sollen Sie gratis erhalten: EW war vor ihrem Dienst beim Patrizier Mitglied der Betrügergilde. Und was für ein Mitglied! Sie hat bereits fünf Mal den Preis für den besten Betrüger des Jahres gewonnen - was insofern besonders bemerkenswert ist, dass dieser überhaupt erst zwei Mal vergeben wurde. Deswegen hat sie der Patrizier auch in seinem Dienst genommen und ihr eine Liszenz erteilt."
"Eine Liszenz? Für was?"
"Das wissen nur der Patrizier und EW selbst! Aber lass uns mal Tacheles reden, Schnuckel! Du gibst mir die zehn Dollar und ich gebe dir nicht nur diesen schicken Ordner mit allerlei nützlichen Indormationen über EW, sondern verrate dir gleich die wichtigsten Dinge, die man über sie wissen muss."
Pyronekdan ging einen Moment lang in sich und dachte nach. Sollte er dieses Angebot wirklich annehmen? Er überlegte mögliche Alternativen und kam zu den Schluss, dass er die Alternative war.
"Hier!", sagte der Zauberer und schob ihr einige blitzende Geldmünzen hin.
"Ich danke vielmals!", sagte die Sekretärin und verließ die Münzen in ihrer Rocktasche verschwinden: "Also hör mir gut zu: Das wichtigste über EW ist - du kannst sie nicht wegen irgendwelcher Gaunereien oder so was angreifen. Es ist nicht, so, dass sie etwa alles vertuscht, oder keinen Dreck am Stecken hat - nein, der besteht aus Dreck! Aber über sie sind so viele Gerüchte und Unwahrheiten im Umlauf, dass es an ein Ding der Unmöglichkeit grenzt, die Wahrheit herauszukratzen. Außerdem soll sie sich bei allem was sie tut, gründlich absichern; auch indem sie selbst einen Haufen Unsinn über sich selbst im Umlauf bringt. Deswegen kann man auch über sie selbst an Infos herankommen - sie macht gar keinen Hehl aus dem was sie tut. Sie ist so gut, dass sie sich deshalb keine Sorgen macht."
"Oh, das klingt nicht gut", stellte der Zauberer fest.
"Nun... auch so jemanden wie EW kann man knacken. Sie hat einige entscheidene Schwachstellen... Zum einen ist sie furchtbar omnistisch [4]. Sie lässt sich furchtbar leicht von irgendwelchen Adelstiteln und ähnlichen beeindrucken und Gnome hält sie für so etwas wie eine höhere Spezies. Aber das ist noch nicht das Beste: Sie ist eine hemmungslose Romantikerin! Ein Gnom der die richtige Stimmung schafft, kann sie schnell herumkriegen; aber sie ist schnell enttäuscht, wenn sie feststellt, dass es doch nicht die Liebe ihres Lebens ist. Ich empfehle da übrigens den Abend für Verführungsversuche; von acht bis neun hat Herr Assistent seine Pause und "schläft". Wenn man auf Nummer sicher gehen will, besorg t man ein paar Pralinen, sie ist ein echtes Schleckermäulchen. Und falls alle Stricke reißen - sie hat furchtbare Angst vor Marienkäfern."
"Marienkäfer?", fragte Pyronekdan.
"Keine Ahnung", entgegnete die Verkäuferin: "Mehrere Personen haben bestätigt, dass sie beim Anblick eines Marienkäfers in Angstarre verfällt. Aber man sollte nicht übertreiben, ihre Rache soll angeblich furchtbar sein."
"Okay... Omnistisch, Romantiker, Schleckermaul, Golem hat von acht bis neun Pause, Marienkäferphobie. Ich glaube ich habe alles!"
"Nicht ganz", meinte die Sekretärin und drückte ihn den Ordner in die Arme: "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, ich hoffe, Sie beehren uns bald wieder!"
Beschwingt machte sie Pyronekdan auf den Weg zum Wachehaus. Das war ja gar nicht so schwer gewesen! Vielleicht sollte er seinen alten Posten wieder antreten, das war ja geradezu ein Kinderspiel.

23.02.2011 18: 13

Septimus Ebel

Licht flutete über die Innenseite seiner Lider. Er erwachte davon, dass Schmerz wie eine Schlange langsam sein Rückenmark hinaufkroch und auf dem Weg zu seinem Schädel jeden einzelnen Muskel kitzelte. Dort angekommen drehte die Schlange sich noch ein paar Mal, um sich deutlich ins Bewusstsein zu reiben, bis sie sich schließlich konzentriert auf einen Punkt zusammenrollte.
Septimus rieb sich verschlafen stöhnend die Schläfen. Gemächlich erinnerte sich sein Geist daran, wie er hierher gekommen war und woher dieser verdammte Schmerz in den Gliedern stammte. Routiniert stellte er fest: Er musste am gestrigen Abend über der Akte zum Raubüberfall an der Pfirsischblütenstraße eingenickt und die Nacht in einer mehr als ungünstigen Position schlafend verbracht haben. Er nahm sich vor, sich das nächste Mal wenigstens zu seinem Kissen auf dem Fensterbrett zu schleppen, wenn es wieder einmal im Büro zu spät wurde.
Gerade wollte er seine Rückenwirbel in die Position bringen, die die Biologie für sie vorgesehen hatte, da drang eine schmerzhaft kreischende Stimme an sein Ohr: "Pooooohooooost!!!"
Der Rohrpostdämon verschwandt glücklicherweise sofort wieder. Ein Memo segelte auf den Boden. Septimus verlor einige nicht druckreife Worte über den ungeschickten Boten und überzeugte seinen Körper davon, sich der Nachricht zu widmen.

Schauigt alle an eure Türen. Wichtige Nachricht. Den Anordnungen von Inspäktor Wohlgemuth und Herrn Assistent ist unbedingt Folge zu leisten. Gruß Grauhaar

Septimus reagierte mit den angemessenen Gesten der Verwirrung: ein Kratzen am Hinterkopf und ein Zusammenkneifen der noch müden Augen. Dann ging er zur Tür, die er, wenn er alleine war, immer einen spaltbreit offen stehen ließ, und stieß sie auf. Hoch oben klebte ein Blatt Papier. Ein pinkes Blatt Papier. Das konnte nur Unheil bedeuten.

***


"M-Mir helfen?"
Normalerweise neigte Fynn Düstergut nicht zum Stottern. Aber er brauchte Zeit, um sich eine Taktik zu überlegen, wie er aus dieser - gelinde ausgedrückt - unangenehmen Situation herauskommen konnte. Sollte er behaupten, er habe sich in der Tür geirrt? Das würde so aussehen, als kenne er sich in seiner eigenen Abteilung nicht aus. Er konnte so tun, als wollte er eine fiktive Nachricht überbringen... aber ihm fiel nichts ein, das die passende Mischung zwischen Wichtigem und Belanglosem enthielt. Oder sollte er behaupten, er hätte einfach nur vorbeischauen wollen? Nein, es war nie gut den Eindruck zu vermitteln, man hätte mehr Zeit als andere Wächter. Vielleicht sollte er einfach so tun, als wollte er diesen Magmargiganten vor sich und die Quelle des weibischen Kicherns begrüßen wollen? Ohne zu wissen, wer sie waren und was sie hier machten, war das etwas riskant. Aber... hey, er war Wächter... was war naheliegender als einfach eine oder zwei Gegenfragen zu stellen?
Doch seine ausführliche innere Befragung hatte zu viel reale Zeit in Anspruch genommen, der Golem öffnete bereits wieder den steinernden Mund: "Du Hast Offenbar Ein Anliegen. Außerdem Hast Du Offenbar Ein Problem Damit Türen Zu Öffnen. Ich Wollte Nur Behilflich Sein. Ich Nehme An, Du Hast Unsere Nachricht Erhalten Und Willst Dich Vorstellen."
"Herr Assistent!", ertönte eine Stimme aus dem hinteren Teil des Büros. Es war eine weibliche Stimme, die, zu dem das mysteriöse Kichern gehört hatte. Jetzt klang die Stimme nicht mehr sehr amüsiert. Sie rieb sich spitz an Fynns Ohrmuschel und quetschte seinen Gehörsinn leicht, aber beständig. "Das ist doch absoluter Quatsch, Herr Assistent. Der Gefreite hat schlicht und einfach gelauscht. Er will uns ganz offenbar ausspionieren."
Der Golem wandte sich dem Stuhl hinter dem Bürotisch zu, der für Fynn nicht aussah, als würde dort jemand sitzen. "Ich Wollte Unseren Ersten Prüfungskandidaten Nur Nicht Verschrecken Und Ihm Gelegenheit Geben Sich Eine Ausrede Einfallen Zu Lassen."
"Prüfungskandidat?" Ein Schauer jagte über Fynns Rücken und packte sein Herz für einen Moment mit Eiseskälte. [5] Die Kälte verwandelte sich nicht in Panik. Vorläufig.
"Das ist wirklich zuvorkommend von dir, Herr Assistent", sagte der Stuhl. "Aber es ist nicht nötig, die Ermittler von RUM so zu verhätscheln. Wir wollen uns ja ein Bild von ihrer tatsächlichen Tauglichkeit machen, da können wir Samthandschuhe nicht gebrauchen. Ein Ermittler muss jederzeit auf neue, überraschende Situationen regieren können."
Es war das erste Mal, dass Fynn das Gefühl hatte, von einem Stuhl belehrt zu werden. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Schließlich beschloss er, dem Vorschlag des Golems nachzukommen und sich ersteinmal vorzustellen. "Ich bin Gefreiter Fynn Düstergut. Stets zu Diensten, wer auch immer ihr seid."
"Wir Wissen Das Bereits", sprach der Stein.
"So, Gefreiter", sprach der Stuhl, "komm herein! Ich habe da ein paar Fragen an dich."


25.02.2011 12: 58

Reiner Rundumschlag

"Gute Arbeit, Pyronekdan, gute Arbeit," sagte Romulus von Grauhaar, als er sich von den Ereignissen in der Golem-Stiftung berichten ließ. "Ich habe jetzt sicherlich genug Informationen, um damit zu arbeiten. Wir melden uns bei dir, du kannst jetzt gehen."
Zufrieden watschelte der Zauberer aus dem Büro des RUM-Abteilungsleiters, währenddessen macht sich Romulus schon einige Gedanken über die nächsten Schritte, um diese unangenehme Gnomin aus der Reserve zu locken. Nach kurzer Zeit des Überlegens rief er einen Rohrpostdämon.
"Bring diesen Zettel Septimus, er soll mit den aufgelisteten Gegenständen in mein Büro kommen, am besten so ungefähr um... sagen wir kurz vor 8 Uhr." Septimus' ungutes Gefühl sollte sich bald bestätigen.

Derweil schlurfte Reiner durch das Wachhaus in Richtung seines Büros. Eigentlich war es schon zu viel zu spät zum Dienstantritt und er hatte auch überlegt, sich heute krank zu melden und gar nicht zu erscheinen. Jedoch befürchtete der Zwerg, dass seine häufigen Fehlzeiten schon auffielen und daher beschloss er widerwillig, seiner Arbeit nachzugehen. Obwohl erst kurz bei der Wache und RUM, fühlte er sich leer und ausgebrannt. Der Anwerbertätigkeit kam er meistens nur deswegen noch nach, da diese ihn in oft Kneipen und Tavernen führte, die auch in seiner Freizeit seine erste Anlaufstelle waren. Dort trank er mehr als nötig, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und blieb so lange, bis schon fast keiner mehr da war. Spät in der Nacht kam er erst dann nach Hause, um zu schlafen oder ins Koma zu fallen, je nach Verfassung.

Endlich kam er vor seinem Büro an, wo schon ein pinkfarbener Zettel auf ihn wartete. Er überflog das Stück Papier, empfand die Inspektion eine Zumutung und Eingriff in seine Privatsphäre[6] , warf ihn jedoch nicht in den Papierkorb, sondern legte ihn auf seinen zu-erledigen-Stapel. Danach setzte er sich an seinen Schreibtisch, sah sich den Stapel an, verzog angewidert das Gesicht und überlegte, was er den Tag machen sollte.

Konträr zu Reiner war Sebulon voller Tatendrang. Schlimm genug, für die Inspektion verantwortlich gemacht zu werden. Aber dass jemand von außerhalb in seine Wache kommt und ohne ihm Bescheid zu sagen seine ehemalige Abteilung inspiziert, war einfach unglaublich. Er musste unbedingt mit dieser Frau sprechen.
So ging der Püschologe durch das Wachhaus, doch erst als er vor seinem Büro stand, wurde ihm bewusst, dass er gar nicht wusste, wo die Verantwortlichen für diesen ganzen Aufstand waren. Plötzlich erschien eine Gestalt hinter ihm und eine töpferne Hand legte sich auf seine Schulter.

25.02.2011 20: 57

Mina von Nachtschatten

"Er hat uns einfach hier stehen gelassen ..."
"Ja, er hat uns einfach so hier stehen gelassen. Aber über solche Sachen wundere ich mich bei Sebulon schon gar nicht mehr."
Bedächtig nahm Mina den viel zu pinken Zettel vom Tisch und überflog erneut den Text, während Kolumbini noch immer kopfschüttelnd in Richtung der Tür blickte, durch die der Zwerg soeben entschwunden war - ohne ein einziges weiteres Wort der Erklärung, dafür allerdings mit sehr entschlossener Miene. Der Ermittler fragte sich anscheinend immer noch, wie er auf solch eine Missachtung des Dienstälteren [7] angemessen reagieren sollte. Er entschied sich schließlich für ein Schulterzucken und einen verkniffenen Gesichtsausdruck, zusammen mit einem gemurmelten Kommentar über "Unhöflichkeit" und "diese Typen von der Internen". Dann wandte er sich wieder an seine Kollegin.
"Ich schätze wir können das dann als ein "Nein, ich habe keine Ahnung, worum es hierbei geht." interpretieren", brummte er.
"Eigentlich hätte uns die Farbe gleich stutzig machen sollen", bemerkte Mina, "Es ... passt einfach nicht." Das und die Blümchen in allen vier Ecken des Blattes schienen jetzt im Nachhinein eindeutige Indizien dafür, dass nicht die normalerweise für solche Angelegenheiten zuständige Abteilung der Wache hinter der Inspektion steckte. Allerdings hatte es exakt zwei Worte in dem Text gegeben, die die Aufmerksamkeit der verdeckten Ermittlerin zunächst von solchen Nebensächlichkeiten abgelenkt hatten: Das eine war "Tempel" und das andere "Rhododendra". Diese dann auch noch in direktem Bezug aufeinander hatten ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend verursacht, welches wohl so schnell auch nicht wieder verschwinden würde. Abgesehen davon, dass sie mit diesem speziellen Exemplar schon einmal zu tun gehabt hatte, waren Tempel und die Besuche solcher ja ohnehin nie so eine wirklich gute Idee für Vampire... Aber vielleicht war diese Inspektorin ja eine umgängliche Person und ließ über gewisse ... Aspekte mit sich reden. Und wenn nicht konnte man nur noch auf den zugegebenermaßen unwahrscheinlichen Fall hoffen, dass das Ganze offiziell gar nicht abgesegnet war.
"Vielleicht sollten wir doch noch beim Chef nachfragen", meinte sie langsam.

***


Zugegeben, sie kannte die Wachebelegschaft nicht auswendig, aber das ein Golem dazugehören sollte, dass wäre ihr dann doch neu gewesen. Dementsprechend staunte Mimosa nicht schlecht über den Anblick, der sich ihr bot: Mitten auf dem Gang stand eine der tönernen Gestalten und diskutierte mit einem Zwerg, den die Wächterin nach nur kurzem Überlegen als den ehemaligen RUM-Abteilungspüschologen erkannte. Der war ja jetzt bei IA ... und insofern war das hier vielleicht nicht unbedingt für ihre Ohren bestimmt, aber auf der anderen Seite hatte es unter Umständen auch etwas mit diesen seltsamen Zetteln an den Bürotüren auf der zweiten Etage zu tun. Denn was es damit auf sich hatte, war Mimosa noch nicht ganz klar - sie hatte sich bis jetzt davor gedrückt, sie sorgsam zu lesen, denn das bereitete ihr ja immer noch gewisse Schwierigkeiten ... und es war ja auch relativ viel Text. Als dann Lilli Baum aufgetaucht war und sie mit Hilfe weniger Gesten aufgefordert hatte, ihr beim Tragen einiger Kisten in die Asservatenkammer behilflich zu sein, war sie nicht unglücklich gewesen, die Angelegenheit ersteinmal zu verschieben. Vielleicht konnte sie sie sich nun tatsächlich ganz sparen... Mimosa warf Lilli einen fragenden Blick zu, konnte allerdings nicht erkennen, ob diese ihn erwiderte - das Gesicht der Kollegin befand sich hinter einem gut gefüllten Pappkarton. Allerdings war auch sie stehen geblieben, notgedrungen, denn neben dem Golem und dem Zwerg war nicht mehr so viel Platz, als das man sich einfach hätte durchdrängeln können. Vielleicht war höfliches Abwarten die beste Taktik. Das man dabei noch ein paar Sachen aufschnappen konnte, war ein sehr angenehmer Nebeneffekt.
"Du Kannst Jetzt Leider Nicht Zu Inspektor Wohlegemuth, Sie Befindet Sich In Einem Gespräch", meinte der Golem gerade. Es klang, als habe er das in den letzten Minuten schon des Öfteren erwähnt.
Sebulon schien dies als Erklärung allerdings nicht auszureichen.
"Ich will nur wissen, warum solch eine Maßnahme über den Kopf von Intörnal Affärs hinweg durchgeführt werden soll. Für derartige Befragungen und deren Umsetzung sind normalerweise wir zuständig." Der Zwerg hatte sich sich zu seiner ganzen Größe aufgerichtet, jedoch verfehlte das neben der riesenhaften Statur des Golems komplett seine Wirkung. "Wenn hier jemand etwas verbrochen hat, dann ist IA dafür zuständig."
"Es Wurde Nichts Verbrochen", erklärte der Golem geduldig, "Zumindest Ist Uns Das Zum Aktuellen Zeitpunkt Noch Nicht Bekannt. Wenn Du Noch Etwas Geduld Haben Könntest ..."
"Was sagt eigentlich die Abteilungsleitung dazu?"
"Der Feldwebel Ist Informiert. Wenn Du Es So Eilig Hast, Kann Er Dir Sicher Besser Weiterhelfen; Ich Bin Nicht autorisiert, Ohne Eine Entsprechende Anordnung Informationen An mir Nicht Bekannte Personen Weiterzugeben."
Der Zwerg schien noch etwas erwidern zu wollen, wurde sich dann aber offenbar seiner Zuschauer bewusst.
"Ihr fallt nicht zufällig in den "ihm bekannten" Personenkreis, oder?", fragte er resigniert.
"Äh ... nein", erwiderte Mimosa hastig und fühlte sich irgendwie ertappt während ein dezentes Klappern darauf hindeutete, dass auch Lilli hinter ihrem Karton beherzt mit dem Kopf schüttelte.
"Na wenn das so ist..." Sebulon seufzte, dann warf er dem Golem einen ungnädigen Blick zu.
"Ich komme wieder."
"Ich Werde Warten."

***


Septimus hatte sich entschlossen abzuwarten, bis jemand, der groß genug war, vorbeikam, um ihm entweder den Zettel von der Tür herunterzureichen oder ihn über dessen Inhalt zu unterrichten. Solange würde er ihn ignorieren, basta! Es konnte ja schlecht von ihm erwartet werden, sich zu Zwecken der Informationsbeschaffung vor dem eigenen Büro den Hals zu brechen! Und außerdem ... man musste ja nicht aktiv nach dem Ärger suchen, der kam früh genug von allein. Er konnte seine Zeit viel sinnvoller verbringen, zum Beispiel konnte die Grünpflanze in der hinteren Ecke des Büros mal wieder Wasser vertragen, ja genau, die ließ schon seit Tagen die Blätter hängen. Armes Geschöpf!
Voller Enthusiasmus wandte sich Septimus um, tat zwei Schritte und wäre beinahe von einer Rohrpostkapsel getroffen worden, die nur knapp vor seiner Nase vorbeiflog.
"Pooohooost!", erklang es nun schon zum zweitem Mal innerhalb weniger Minuten aus Richtung des Rohrposteingangs aber diesmal hatte die Stimme eindeutig etwas schadenfrohes. Empört fuhr Septimus herum und sah sich einem breit grinsenden Reggie gegenüber, der aus dem Loch in der Wand schielte. Der Gnom ballte die Hände zu Fäusten.
"Das ... das hast du absichtlich gemacht, du hast auf mich gezielt!", zetterte er und sah sich nach etwas um, das er nach dem Dämon werfen konnte. Dieser schien allerdings nicht sehr beeindruckt.
"Wie kommst du denn darauf? Würde mir im Traume nicht einfallen", krächzte er hämisch, "Erstens will ich meinen Tschob hier behalten und zweitens", er hob wichtigtuerisch den Zeigefinger, "wenn ich gezielt hätte, dann hätte ich auch getroffen."
Septimus hatte unterdessen ein kleines Steinchen auf den Fußboden gefunden, doch als er sich umwandte, war von dem Rohrpostdämon schon nichts mehr zu sehen und nur sein meckerndes Gelächter hallte noch einige Augenblicke nach.
Leise vor sich hinschimpfend widmete sich der Gnom nun der Nachricht, welche bis zum anderen Ende des Büros geschlittert war. Erneut war sie vom Abteilungsleiter. Seltsam, sollte er etwa seine Anweisung von vorhin zurücknehmen? Septimus entfaltete das Papier und las ... las es noch einmal ... und kam dann zu dem Ergebnis, dass hier ein furchtbarer Irrtum vorliegen musste. Ein Irrtum, der bestimmt nicht bis acht Uhr warten konnte, um aufgeklärt zu werden.

26.02.2011 23: 38

Fynn Düstergut

"Was denn für Fragen?" Fynn hatte kaum die Frage zu Ende gestellt, als er schon von dem Golem vollends in den Raum hinein geschoben wurde. Der Lehmmensch schloss anschließend die Tür hinter ihm und die leichten Erschütterungen, die von außen herein drangen, ließen vermuten, dass er den Gang hinunter stapfte.
"Einige wichtige Fragen im Rahmen der Inspektion von RUM natürlich", antwortete der Stuhl mit der Mädchenstimme. "Aber davon weißt du noch gar nichts, habe ich Recht?"
Dem künftigen Ermittler wurde es jetzt zu bunt, sich mit einem Möbelstück zu unterhalten. Also trat er so dicht an den Schreibtisch heran, dass er darüber hinweg sehen konnte. Auf dem Stuhl stand ein weiterer in Gnomengröße, komplettiert durch einen ebenso großen Tisch, auf dem sich winzige Papiernotizen befanden, sowie eine Gnomin, die wirkte, als ob sie aus einem Puppenhaus eines sehr mädchenhaften Mädchens entsprungen war. Ihr strenger Blick und der anklagend auf ihn gerichtete Stift relativierten den Eindruck jedoch und hatten den Effekt, dass das Grinsen des Gefreiten sich gar nicht erst auf seinem Gesicht breit machte, sondern irgendwie stecken blieb.
"Du kannst gar nicht lesen, deswegen hat dich die Information auf den Zetteln an den Bürotüren auch nicht erreicht!"
"Ich kann lesen!", empörte sich Fynn. "Was für Zettel überhaupt? Wer bist du?"
Plötzlich erhellte ein reizendes Lächeln die Miene der Inspektorin. "Gestatten, Edeltraud Wohlgemuth, anerkannter Inspektor des Patriziers. Ich führe, wie gesagt, im Auftrag von Lord Vetinari und mit Genehmigung deines Abteilungsleiters eine Inspektion von RUM durch. Und jetzt lies mir das hier vor!"
Mit plötzlich sehr schlechtem Gefühl beugte sich Düstergut zu dem Fetzen Papier hinunter, den diese seltsame Gnomin ihm hin hielt. "Das ist viel zu klein geschrieben, wie soll ich das denn entziffern!"
Edeltraut Wohlgemuth nickte. "Wie ich es mir dachte. Schließlich nimmst du ja nicht umsonst Unterricht bei deiner Kollegin Ziegenberger." Sie schrieb etwas in eine Mini-Kladde, dann machte sie den Deckel mit einer entschlossenen Bewegung wieder zu.
"Erzähl mir, warum du ein Wächter wurdest."
Die Gedanken des Gefreiten rasten. Diese Frage führte auf noch weit gefährlicheres Terrain. Aber sie musste ja nicht alles wissen, schließlich gab es da auch ganz harmlose Gründe...
"Also das war mehr so Zufall. Da gab es eine Taube, die ich es... äh gefunden habe. Vielmehr hat sie mich gefunden und..."
"Jaja, die Geschichte kenne ich", unterbrach ihn die Inspektorin. "Meine Informationen besagen, dass deine Weste nicht so weiß ist, wie man es sich von Angestellten der ehrenwerten Stadtwache wünschen würde. Es gibt da einen Fynn Düstergut, der von seinem Adoptivvater als vermisst gemeldet wurde, sowie einen, der diverse Delikte mit einer Straßenbande namens "Affenstraßen-Gorillas" begangen hat."
"Woher..." Fynn schluckte, weil er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte.
"Aha! Dann sind dieser Fynn Düstergut und du also identisch! Ich wiederhole meine Frage: Wieso bist du ein Wächter geworden?"
Dem Ermittler in spe wurde immer schwummeriger. Was wusste diese Inspektorin noch alles über ihn?
"Das... das waren doch bloß Jugendsünden. Ich habe schon seit zwei Jahren nichts mehr angestellt."
"Seit zwei Jahren, Gefreiter? Interessant. Und warum nicht, frage ich mich? Warum bist du so plötzlich ehrlich geworden?"
"Äh..." Wie sollte er das nur erklären? Ihm war, als hätte sich ein zähflüssiger Sirup in seinem Gehirn breit gemacht, der seine Gedanken aufhielt. "Äh..."
Die Gnomin nickte. "Das war es vorerst, du kannst jetzt gehen. Wir sprechen uns dann später noch."
Erleichtert stolperte Fynn aus dem Raum. Erst als er schon fast an seinem Büro angekommen war, fiel ihm auf, dass er nicht nur ihre Frage nach seiner Ehrlichkeit , sondern auch die nach seinem Wacheeintritt nicht wirklich beantwortet hatte. Und Edeltraut Wohlgemuth kam ihm nicht wie jemand vor, der einen von der Angel ließ, ehe man genau dies zu ihrer Zufriedenheit getan hatte. Warum hatte sie ihn also gehen lassen, einfach so? Wusste sie etwas schon alles, kannte sie auch den dunkelsten Punkt in seinem Leben? Geschockt von dem Gedanken blieb er ruckartig stehen, was Septimus Ebel davor bewahrte, von dem in Gedanken weit weg weilenden Gefreiten einfach über den Haufen gerannt zu werden.
"He, pass doch auf", motzte dieser prompt. Heute war einfach nicht sein Tag.
Fynn warf seinem Kollegen einen schnellen Blick zu und murmelte "Entschuldigung." Dann sah er ein zweites Mal hin. "Was schleppst du denn da mit dir rum?"

27.02.2011 11: 19

Ophelia Ziegenberger

"Nun gut, wenn es nicht zu ändern ist, müssen wir stattdessen das Beste daraus machen."
Ophelia versuchte sich an einem aufmunterndem Lächeln, welches Romulus allerdings wenig hilfreich mit einem entnervten Seufzer kommentierte.
"Als wenn es uns noch unter die Nase gerieben werden müsste, dass eine optimale Besetzung anders auszusehen hätte! Und dann noch die versteckten Drohungen! Ich will gar nicht wissen, wie wir auch nur einen einzigen unserer Leute entbehren sollten!"
Vor der Tür des Abteilungsleiters trafen aufgeregte Stimmen aufeinander.
Die beiden hochrangigen Wächter sahen einander bedeutungsvoll an, bis die Stellvertreterin mit einem zaghaften Wink ihrer gesunden Hand zur Tür fragte: "Soll ich..."
"Wenn es sein muss, dann geh' nur hin und lass sie rein. Wir werden eh' nicht drum herum kommen. Dann sollten wir die kleine Ansprache lieber kurz und schmerzlos hinter uns bringen."
So war es an Ophelia, das einige Sekunden später die Tür in ihrem Rahmen erschütternde Klopfen dadurch zu beantworten, diese noch im selben Moment mit einem freundlichen Lächeln zu öffnen.
Vor der Tür schien sich die halbe Abteilung in dem schmalen Gang zusammen zu drängen.
"Wie können wir Euch weiter helfen?"

27.02.2011 20: 32

Lilli Baum

Von ihrem Büro aus konnte Trudi den Lärm draußen hören. Sie grinste ein wenig, während sie ein paar Notizen sortierte. "Ist es nicht witzig, wie immer alle in Panik geraten, wenn ich eine kleine Inspektion durchführe? Genau das liebe ich an diesem Job! Die Leute sind so unbedarft und denken 'Oh, Gott, man hat alles herausgefunden, jetzt geht es mir an den Kragen!' Als ob ihre kleinen Gaunereien und Fehlerchen bei meiner Urteilsfindung wirklich derart von Belang wären... Ich bin nur da, um mir ein Bild zu verschaffen, und vielleicht ein paar Psychen zu korrigieren, also gibt es gar keinen Grund sich wegen mir zu sorgen."
"Du Hinterlässt Eben Einen Bleibenden Eindruck."
"Nun, das will ich aber auch hoffen! Du hast keine Ahnung wie unbequem dieses Kleid ist! Aber was tut man nicht alles, um einen vertrauenswerten Eindruck zu hinterlassen?! Aber genug geplaudert, ich finde für heute haben wir genug Akten durchgeschaut. Du stattest bitte der Tischlergilde einen kleinen Besuch ab und besorgst einen ordentlichen Schrank für dieses Büro, einen in den ich auch ein paar Utenslien lagern kann, und ich werde mir ein bisschen Zusatzinformationen besorgen. Zuerst schaue ich mich bei GRUND um, dorthin soll diese eine verdeckte Ermittlerin abgeordnet worden sein und dann werde ich einen Tisch im klatschianischen Palast reservieren, für ein Gespräch mit der Stellvertretenden Abteilungsleiterin."
"War Das Nicht Dieses Reastaurant Mit Diesem Gigantischen Aquarium?"
"Ganz genau, du hast es erfasst! Wir sollten beide nicht länger als ein paar Stunden brauchen. Wir treffen uns kurz vor Acht vor der Scheibe ich habe uns Karten für Mac Best besorgt. Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, dort deine Pause zu verbringen?"
"Nein, Das Klingt Sehr Schön, Trudi."
Sie nickte ihm zu: "Dann mal frisch ans Werk, mein Freund."

01.03.2011 22: 42

Septimus Ebel

Sogleich strömte der stellvertretenden Abteilungsleiterin ein Schwall von Worten entgegen. Neben eindeutigen Tönen von Verwirrung, Empörung und einer Menge Fragezeichen, konnte sie durch das Durcheinander hindurch nur einige lautliche Fetzen heraushören:
" ...was hier eigentlich vor sich geht?"
" ...das alles mir in die Schuhe geschoben wird!"
" ...autorisiert... ?"
" ... gefallen lassen... ?"
" ...Prüfung vollkommen unnötig... !"
" ...mit welchem Recht?"
" ...unerhörter Eingriff... "
" ...fiese Unterstellung!"
" ...allein der kommandierende Tonfall ... und warum gerade pink?"
" ...Tempel nicht gerade mein favorisiertes Einsatzgebiet... "
Die einzigen, die stumm blieben, waren Mimosa und Lilli, beide hinter ihren Kartons versteckt. Mimosa konnte die Situation noch nicht konkret genug einordnen, um zu wissen, was sie hätte fragen können. Unter solchen Voraussetzungen hielt sie sich lieber zurück und lauschte nur neugierig.
Lillis Hände waren mit den Tragen der Kartons beschäftigt, sie kam nicht dazu, ihren Sprechdämon zu nutzen. Einige Worten versuchten die Aufregung auszunutzen und über ihre Lippen zu kommen, konnten es aber nicht. Diesmal lag es nicht allein an ihrem generellen Unwillen zu sprechen. Nein, sie spürte ein unangenehmes Gefühl im Hals. Es war, als hätte ihr jemand eine Flasche hinein gesteckt und drauf getreten. Es fühlte sich so an, als wäre da, wo ihre Stimmbänder hätten sein sollen, nur noch eine Schicht zertretenes Glas.
"Ruhe jetzt!" Romulus gebot dem akustischen Chaos einhalt und bewies damit erneut, dass er auf seiner Seite des Schreibtisches gar nicht so schlecht untergebracht war. "Reinkommen, still stehen, zuhören!"
Diese Befehle verursachten zunächst ein unkoordiniertes Drängeln und Drücken im Eingangsbereich des Büros. Die Tür verteidigte vehement ihre Position, nicht alle Wächter gleichzeitig hindurchtreten lassen zu können. Einige Kartons fielen zu Boden. Jemand fluchte. Es dauerte einen Moment, bis sich die halbe Abteilung in dem Raum aufgereiht hatte, wie die Perlen einer Halskette vom Trödelmarkt.
Ophelia konnte nicht umhin die Nase über dieses Gewirr zu rümpfen. Einerseits wusste sie, dass ein solches Verhalten nicht immer Tagesordnung bei den RUM-Mitgliedern war. Andererseits fand sie es angesichts dieses Mangels an Disziplin gar nicht so schlecht, die Wächter durch eine Prüfung daran zu erinnern, dass man immer besser werden konnte.
Romulus bedeutete der Mannschaft erneut, still zu sein und beantwortete die Fragen, von denen er dachte, dass Sebulon, Mimosa, Lilli, Kolumbini und Mina sie stellen würden. Was es mit der Inspektion auf sich habe, wie weit die Autorität von Inspektor Wohlgemuth und Herr Assistent reichte, was auf dem Spiel stand, et. cetera, et cetera.
Eigentlich hatte er eine kurze Ansprache geplant, doch er wollte seiner Abteilung sehr deutlich machen, was für Konsequenzen es haben konnte, wenn sie sich keine Mühe gaben, ja, wenn sie nicht alles aus sich und dem Team heraus holten. Je länger er redete, desto stärker schob sich vor sein inneres Auge das Bild eines kleinen rosafarbenen Monsters mit einer Haarschleife, was drauf und dran war, mit einem zuckersüßen Lächeln seine Untergebenen physisch und psychisch vollkommen zu zerrütten. Ihm fiel die Geschichte von Monis ein, der nach einer alten Legende dazu verdammt war, am Eingang zur Hölle zu thronen und die Sünder zu ihrer letzten Bestimmung zu weisen... mit jeder Prüfung ging es einen Kreis tiefer in die Hölle.
Ein Kopfschütteln sollte die schrägen Visionen vertreiben. Romulus warf der Dose in seiner Hand einen fragenden Blick zu und warf sie in den vollen Mülleimer. Vielleicht trank er wirklich zu viel von dem Zeug.
Gerade wollte er die Anwesenden mit einer Mischung aus Mitleid und Entschlossenheit in die Arena schicken, da machte eine wohlbekannte Stimmte mit einem sarkastischen Unterton auf sich aufmerksam: "Und wen darf ich jetzt damit beglücken?"
Die Augen der Abteilungsmitglieder richteten sich alle gleichzeitig auf einen Punkt nahe über dem Boden am Büroeingang. Dort stand Septimus Ebel. In der einen Hand trug er eine Schachtel Pralinen, in der anderen ein großes Glas, in dem einige Käfer krabbelten.

03.03.2011 13: 06

Sebulon, Sohn des Samax

Bevor die vielen fragenden (und auch an den Pralinen interessierten) Blicke sich zu nach Antworten verlangenden Fragen wandeln konnten, hatte der Werwolf den Raum durchschritten und schloss die Tür hinter dem Gnom.
"Danke, Ebel", sagte er knapp und nahm beide Gegenstände ab. "Die Spesen werden dir ersetzt."
"Na, will ich doch auch hoffen", brummte der Gnom, zog ein Taschentuch hervor und wischte sich die Hände von der dreckigen Arbeit, den Chemikalien und vielleicht auch von ein wenig Trage-Schweiß.
"Romulus?", fragte Ophelia. Kolumbini fiel auf, dass die stellvertretende Abteilungsleiterin mit dem Fuß tappte.
"Private Besorgungen, die diesen Kreis nicht interessieren müssen", erwiderte dieser kühl. Wer Romulus schon länger kannte, konnte die gedruckte Lüge in seinem Gesicht lesen. 'Wenn wir abgehört werden', dachte Kolumbini, 'und das würde ich dieser Inspektöse zutrauen, dann wäre jede Nachfrage schädlich.'
Ophelia rümpfte die Nase. "Darüber reden wir noch." Den Wächtern zugewandt fuhr sie fort: "Derlei 'private Besorgungen' sind in einer Abteilung unangebracht, die durch professionelle Leistungen überzeugen will."
"Und schwer zu tragen, dafür dass man das zum Selbstkostenpreis macht, jawohl ...", brummelte Septimus.
"Ich erwarte von euch, dass ihr den beiden Inspektoren helft, wo ihr nur könnt ..."
"... wobei die langen Wege jeder Beschreibung spotten ..."
"... und dass ihr den Anweisungen folge leistet, die sie geben."
"... vom Einsatz des eigenen Lebens mal ganz zu schweigen ..."
"Habt ihr das verstanden?"
Verhalten und auch etwas widerspenstig wurde genickt.
"Du auch, Septimus?"
"Jaja, was immer die Chefetage sagt."
Der strafende Blick Ophelias prallte an Septimus Ego schlicht ab.
Die Augen verdrehend wandte sich der Chief-Korporal wieder den versammelten Wächtern zu: "Weitere Fragen?"

21.03.2011 12: 59

Lilli Baum

Als alle Fragen gestellt und irgendwie beantwortet waren, löste sich die Versammlung auf. Am nächsten Morgen hingen neue pinke Zettel an die Türen, die ihnen Ort und Beginn des ersten Tags der praktischen Überprüfung mitteilten.

"Ihr wollt also Wächter sein!", stellte Schwester Flinkhieb mit hinter dem Rücken verschränkten Armen fest. Sie maß die Anwesenden Frauen mit strengen Blick und die männlichen Wächter zusätzlich noch mit einer Spur Verachtung.
Ophelia bemühte sich inständig die Amazone nicht allzu lange anzusehen, weil zu ihrem Entsetzen die Erinnerung daran hochkam, wie sie diese versehentlich beim Umziehen gesehen hatte. Wie konnte eine Frau nur dermaßen muskulös sein?
"Wo steckt eigentlich Kolumbini?", fragte Reiner flüsternd Sebulon, der mit den Schultern zuckte. "Ich glaube er wurde von der Überprüfung ausgenommen. Keine Ahnung, warum gerade wir hier mitmachen müssen. Das man Thask nicht überprüft, kann ich verstehen, aber warum Jack nicht? Er ist genauso ein Püschologe wie ich und-"
"Hier wird nicht getratscht!", fuhr sie Schwester Flinkhieb an und hielt ihnen ihren Säbel vor die Nase: "Schlimm genug, dass dieser Tempel durch die Anwesenheit von Männern verunreinigt wird!! Ich lasse nicht auch noch meine Authorität nicht untergraben!!"
"Gnade!", rief Reiner und streckte die Hände in die Höhe.
"Winselndes Weichei!", stieß Schwester Flinkhieb verächtlich aus und spuckte auf den Boden, ehe sie ihren Säbel wieder wegsteckte.
Ophelia und Mimosa waren die einzigen, die sich nicht fragten in was für einer Hölle sie hier gelandet waren, da sie die normalen Mitglieder des Rhododendratempels schon kennen gelernt hatten und wussten, dass sich Schwester Flinbkhieb eher am extremen Ende des Spektrums befand.
Septimus war besonders nervös. Die Rhododendrakriegerin hatte ihn bisher noch nicht so angeschnauzt, wie die beiden Zwerge, wahrscheinlich weil er als Gnom so unter den anderen unterging. Er fühlte sich trotzdem nicht wohl, weil er völlig ungewohnterweise von Romulus dazu verdonnert worden war, Uniform zu tragen, statt seiner üblichen Kutte. Er musste unbedingt einen guten Eindruck auf die Inspektorin machen, damit Operation "Tätatät" gelingen konnte. Aber bisher hatte sie sich noch nicht blicken lassen.
Schwester Flinikhieb beendete ihren Vortrag über Ehre, Kampf, Schwesterlichkeit und was Blumenbinden damit zu tun hatte und wies die Wächter harsch an, ihr zu folgen.
Gehorsam trotteten ihnen die Wächter hinterher und fanden sich schließlich in einer Rüstkammer wieder, wo ihnen allen Kürasse ausgehändigt wurden.
"Wie werden mit einem kleinen Konditionstest beginnen, sobald ihr anständig angezogen seid! Kein Wunder dass in eurer Abteilung alle verweichlicht sind, wenn sie nie Rüstzeug tragen! Diese roten Hemden bieten keinerlei Schutz!"
"Konditionstest?", fragte Fynn wenig begeistert.
"Ja!! Konditionstest!! Ihr werdet ein paar hundert Runden im Hof laufen! Das wird nicht nur zeigen, aus welchen Holz ihr geschnitzt seid, sondern auch genug Zeit geben, den Hindernisparcours für euch aufzubauen!! Und jetzt vorwärts marsch, sonst mache ich euch Beine!!!"
Sebulon und Reiner blickten unglücklich an sich herab, wo an den Kürassen deutliche Ausbeulungen für gewisse weibliche Dinge waren. Es war entwürdigend und in ihren Augen überflüssig. Sie hatten extra in Abetracht der zu erwartenden sportlichen Aktivitäten ein leichtes Freizeit-Kettenhemd angezogen. Das war doch Schutz genug, oder nicht?

03.04.2011 14: 35

Mina von Nachtschatten

"Und die Herren warten auf was?" Schwester Flinkhiebs Stimme riss die beiden Zwerge aus ihren Gedanken. "Vielleicht eine Extraeinladung? Oder etwas zum ausstopfen?" Die Amazone grinste gemein.
Hastig schlossen die Wächter die letzten Schnallen an ihren Kürassen und während Reiner etwas von "... verstößt sicher gegen die Bestimmungen ..." murmelte und Sebulon im Stillen hoffte, dass das mit den 'paar hundert Runden' nicht ganz ernst gemeint gewesen war, stand Septimus immer noch mitten im Raum und ließ seinen Blick zweifelnd über die übrig gebliebenen Rüstungsteile an der Wand schweifen. Entweder hatte er es einfach noch nicht entdeckt oder es gab hier nichts in Gnomengröße... Und die Aussicht, diese Xanthippe dort drüben - welche inzwischen ziemlich energisch die anderen aus der Rüstkammer scheuchte - darauf ansprechen zu müssen, trug auch nicht gerade dazu bei, seine Nervosität zu lindern. Wenn er allerdings noch viel länger durch blosses Nichtstun auffiel dann... Der Gnom hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als ein Schatten auf ihn fiel. Ein sehr großer Schatten. Beinahe war es ihm, als spüre er heißen Raubtieratem im Genick...
"Hast du Watte in den Ohren, oder was???"
Die durchdringende Stimme Flinkhiebs hätte unter normalen Umständen wohl einen Fluchtreflex in ihm ausgelöst - die Phrase "zum davonlaufen" schien Septimus in diesem Augenblick speziell für das lautstarke Organ der Schwester ersonnen worden zu sein. Aber das hier waren keine normalen Umstände und so zwang sich der verdeckte Ermittler seine kurzen Beine noch etwas fester in den Boden zu stemmen und einen Blick nach oben zu riskieren. Bei allen Krustenbrecherfröschen, wie konnte jemand so, so ... eben so wirken?[7a]
"Äh, nein Frau, ich meine, Schwester Flinkhieb, es ist nur so, dass ich nicht in diese Blechdosen, äh ich wollte sagen, in dieses schmucke Rüstzeug da hineinpasse."
"Natürlich passt du da rein. 20 mal mindestens. Denkst wohl, du kannst dich mit solchen Ausreden vor dem Test drücken, was?" Sie mass den Gnom mit strengen Blicken, dann schnaubte sie abfällig und wedelte mit der Hand, als wolle sie ein lästiges Insekt verscheuchen. "Den Gang runter ist ein Lagerraum mit ausrangierten Rüstteilen. Vielleicht findet sich dort etwas in deiner Größe. Geradeaus, zweimal links und dann die dritte Tür auf der rechten Seite. Der Schlüssel befindet sich in dem Kasten an der Wand daneben."
"Aber ..."
"Sieh zu, dass du niemandem in die Quere kommst; hier sind nicht alle so nachsichtig wie ich."
"Äh..."
"Bist du ein Wächter oder eine Memme???", donnerte die Rhododendrakriegerin und irgendwie schaffte sie es, die Frage von vornherein rhetorisch klingen zu lassen.
"Wächter", wagte Septimus in einem Anflug von Trotz zu erwidern.
"Na dann hopp hopp hopp und bilde dir ja nicht ein, dass du weniger Runden als die anderen laufen musst, nur weil du später dazukommst."

07.04.2011 20: 36

Reiner Rundumschlag

Recht zügig bildeten sich unter den Läufern einzelne kleine Gruppen aus, da sich Ausdauer und Fitness innerhalb der Abteilung recht stark unterschieden. Die beiden Zwerge unter den Prüflingen waren schon zu Beginn das Schlusslicht, immerhin mussten sie mehr Schritte machen als die anderen, und nach kurzer Zeit war jeder Anschluss zu ihren Kollegen verloren. Schwester Flinkhieb hielt sich überraschenderweise sehr zurück, lediglich ein paar Rufe wie "Weicheier! oder "Strengt euch an, ihr Flaschen!" konnte sie sich nicht verkneifen.
Reiner tat sich jedoch auch wirklich schwer mit dem Konditionstest, ein Zwerg war seiner Meinung nach auch nicht für einen Langstreckenlauf geschaffen. Wobei er allerdings auch nach kurzer Zeit so sehr schnaubte, keuchte und schwitzte, dass es richtiger wäre zu sagen, er sei enfach unsportlich. Sein Mitläufer Sebulon schien weniger Probleme zu haben, er lief langsam, konzentriert aber noch entspannt.
Fynn führte das Feld an, aus seiner Vergangenheit als Kleinkrimineller kannte er offensichtlich das (Weg-)rennen sehr gut. Nach einiger Zeit, den meisten Wächter schien es ewig vorgekommen zu sein, forderte Schwester Flinkhieb sie auf, das Laufen zu beenden oder besser gesagt, sie brüllte solange, bis sie jeder verstanden hatte und zu ihr gekommen war. Die Rhodendrakriegerin stand vor einer Reihe hintereinander aufgestellter Tore. Nachdem sie zufrieden sah, wie einige Teilnehmer mehr zu ihr gekrochen als gelaufen kamen, erklärte sie in donnerndem Tonfall: "Wie bereits gesagt, kommt jetzt der zweite Test, der Hindernisparcours. Hört jetzt zu, das sage ich nur einmal, verstanden?", fuhr sie den sich immer noch schwer atmenden Reiner an. "Der Test besteht aus drei Teilen. Teil eins seht ihr hier vorne, dazu müsst ihr einfach über diese Hürden springen..."
"Darüber? Ich kann durch die Dinger durchgehen", beschwerte sich Sebulon.
"... und dann geht es auch schon zum zweiten Teil." Finkhieb ließ sich in ihren heiligen Hallten nicht von irgendwelchen Männern unterbrechen. "Danach findet ihr ein Podest vor, geht darauf hoch, nehmt euch eines der Seile und springt auf das gegenüberliegende Podest. Zum Schluss rennt ihr dahin", sie zeigte dabei auf ein Schlammloch, über dem sich in geringer Höhe Stacheldraht befand, " und kriecht einfach hindurch."
"Ich soll da durchkriechen?" fragte Mina angewidert. Als Vampir gefiel es ihr nicht, sich ihre Kleidung dreckig zu machen.
Die Amazonin sah sie scharf an und erwiderte: "Dann solltest du dir vielleicht eine andere Arbeitsstelle suchen, dieser Test soll eure Sprungkraft und Geschwindigkeit testen, Sachen die für einen Wächter UNABDINGBAR sind! Also stellt euch nicht an, wer will als Erster? Und wo ist überhaupt euer Gnomenfreund? Denkt er, er kann sich drücken?"

An Flucht hatte Septimus zwar kurzzeitig gedacht, jedoch ließ der erste Schreck, seit er sich auf die Suche nach der Rüstkammer begeben hatte, schnell nach. Zurück kam sein Trotzigkeit und ein neues Problem. Er hatte es trotz der verwirrenden Wegbeschreibung geschafft, zu der Eingangstür des Lagerraums zu gelangen, jedoch war der Schlüsselkasten für ihn außer Reichweite in 1,50 Metern Höhe.
"Wer steckt eigentlich einen Schlüssel direkt neben der passenden Tür in einen Kasten? Das ist doch unsinnig, außer man will einen armen Gnomen diskriminieren", klagte er den Tempel und seine Umgebung an. Als keine Antwort oder Entschuldigung kam, musste er wohl oder übel nach Hilfe suchen. Jedoch schienen momentan alle Ordensmitglieder unterwegs zu sein, denn alle Räume, die Septimus durchsuchte, waren menschenleer. Ganz am Ende eines Flures, durch eine Türm, hörte der Gnom Stimmen. Er öffnete die mit Blumenmustern verzierte Tür und fand eine weibliche Gnomin, die einen altrosafarbenen Alptraum trug, zumindest empfand der Wächter dies so. Von einer genaueren Betrachtung lenkten ihn die anderen Anwesenden ab, eine ältere Dame, die sowohl Würde als auch Strenge ausstrahlte und noch viel mehr ein Golem. Dies war an sich nicht besonders ungewöhnlich, doch der Golem war selbst für Golemverhältnisse merkwürdig. Er sah aus, als hätte jemand ein Golemkostüm in aller Eile und nicht besonders sorgfältig angezogen. Zudem saß der Kopf merkwürdig schief und nicht so, wie man es von einem ordentlichen Kopf erwarten würde. Trotzdem konnte es kein Kostüm sein, jedenfalls kein normales, denn der Golem bestand offensichtlich aus Lehm und wenn er sich bewegte, könnte man fast meinen, Staub würde von ihm auf den Boden fallen. Eine helle Stimme durchbrach seine Überlegungen: "Nanu, wen haben wir denn da? Das ist ja ein ganz besonders hübsch aussehenden, männliches Exemplar. Du musst Septimus Ebel sein, nicht wahr? Ich wollte schon die ganze Zeit einmal mit dir reden."
Während die Inspektorin ihn so schmeichelte, fasste sich Spetimus ein Herz und läutete, früher als geplant, die Operation "Tätätä" ein.

16.04.2011 21: 50

Lilli Baum

Trudi verabschiedete sich von Oberin Löwenzahn und verließ mit dem Golem zusammen das Büro und lächelte dann den Gnom an.
Septimus strich sich mit einer Hand über seine Haare, zumindest die paar, die er hatte und lächelte dann verführerisch zurück. Zumindest hoffte er, dass sein Lächeln verführerisch war. Trudi starrte ihn an.
"Ooh, das trifft sich aber gut, ich wollte Sie auch schon mal die ganze Zeit treffen, nachdem ich gehört hatte, wie wohlgebildet und liebreizend sie sind."
Sie hielt sich eine Hand vor dem Mund und gab komische Geräusche von sich.
"Ähm... ist Ihnen schlecht?", fragte Septimus verunsichert. Er war den Umgang mit Gnominnen einfach nicht gewohnt.
Trudi konnte ihr Lachen einfach nicht mehr halten und prustete lauthals los. Als sie sich wieder eingekriegt hatte, wischte sie sich ein Tränchen aus den Augenwinkel und fragte: "Sollte das etwa ein Anmachversuch sein?"
"Ähm...nein?", erwiderte Septimus und hoffte, das nicht halb so errötete, wie er glaubte, dass er es tat.
"Du hast wohl gar keine Ahnung von Frauen" stellte Trudi fest: "Es reicht nicht einfach ein "Hey, du bist hübsch, hier bin ich!". Frauen wollen sich besonders fühlen, ist doch klar. Zumindest ich stehe nicht auf so vollkommen plumpe Anmachversuche... Außerdem habe ich ein gewisses Niveau."
"Was soll das denn heißen?!", empörte sich der Gnom.
"Nichts...", erwiderte Trudi und lächelte schelmisch.
Septimus erinnerte sich an ihre Begrüßung: "Wie war das mit "gutaussehend"?"
"Tja...", erwiderte Trudi: "Das habe ich natürlich nur gesagt, um dich aus der Reserve zu locken... oder vielleicht auch weil ich die wirklich attraktiv finde." Ihr Lächeln wurde intensiver: "Wir sollten das bei einem Gläschen Wein genauer besprechen." Sie wandte sich an den unregelmäßig geformten Golem: "Fräulein Ton, würden Sie bitte Schwester Flinkhieb Bescheid geben, dass Herr Ebel mit mir unterwegs ist?"
"Das Werde Ich", erwiderte der Golem und stampfte los.
"Das ist nicht Herr Assistent?" fragte Septimus verwirrt.
"Natürlich nicht", erwiderte Trudi: "Herr Assistent ist unterwegs und führt ein paar Gespräche. Ich bin nicht ständig mit ihm zusammen."
"Und was hat es mit Fräulein Ton auf sich?"
"Die habe ich an den Tempel hier vermittelt. Eigentlich habe Golems eigentlich kein Geschlecht, aber da das hier eine reine Frauenveranstaltung hier ist, haben wir ihn kurzerhand zu einer sie erklärt. Was in Ordnung ist, da missgeformte Golems generell schwierig zu vermitteln sind. Aber zum Glück hat es hier geklappt, ich freue mich für sie."
"Sie vermitteln Golems?"
"Nur ab und an, um der Stiftung ein wenig auszuhelfen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie mich mit Herrn Assisstent bekannt gemacht haben und will etwas zurückgeben. Aber nun sollten wir beide langsam mal aufbrechen, ich kenne da eine kleine nette Weinstube, nicht weit weg von dem Tempel hier. Ich bin schon sehr gespannt darauf dich besser kennen zu lernen."
Sie legte einen Arm um seine Schultern: "Deine Eltern haben mir einige sehr interessante Dinge über dich erzählt..."
"Was?!!" Septimus schnappte nach Luft.

19.04.2011 8: 30

Ophelia Ziegenberger

Ophelia runzelte missbilligend die Stirn, während sie gleichzeitig versuchte, ihre Röcke mit einer Hand zu fassen zu bekommen und diese gerade weit genug anzuheben, um noch in möglichst schicklicher Manier die Hürden nehmen zu können.
Wirklich repräsentativ konnte man die Untersuchung der Inspekteurin nicht mehr nennen. Sie selber hätte es, an deren Stelle, anders gehandhabt. Erst ließ die Gnomin den Abteilungsleiter außen vor, der ja wohl fraglos mit zu seiner Abteilung gehörte, dann wurden einzelne Wächter aus Prinzip aus den Leistungstests ausgeklammert, wie beispielsweise Kolumbini, und dann verschwanden während der Tests auch noch sang- und klanglos weitere Abteilungsmitglieder, wie im Falle von Septimus. Denn dass dieser nicht wieder von seiner Küraßsuche aufgetaucht war, blieb ihren Augen wohl kaum verborgen. Nicht, dass sie solch einen Leistungsparcours initiiert hätte! Sie wusste selbst ohne pyschologische Fragespielchen oder mörderische Leibesertüchtigung den Status ihrer Kollegen einzuschätzen. Die vielen Überstunden und scheinbar privaten Unterhaltungen nach Feierabend mussten sich in irgendeiner Form auswirken und wirklich war es ihr immer schon wichtig gewesen, dass es den Anderen gut ging. Und dass sie dort, wo dies nicht der Fall war, ihre Hilfe anbot.
Der metallene Küraß drückte mit seinem Gewicht auf die Atmung und die vielen Lagen Stoff taten ihr Übriges, um Ophelias Elan zu dämpfen. Ihr Fuß fand nicht genug Kraft, um sowohl gegen die Röcke, als auch die Schwerkraft anzugehen, so dass sie das Hindernis riss. Der Aufbau fiel zu Boden, die Stange krachte gegen die Seitenwand und Ophelia verhedderte sich stolpernd in den Röcken. Sie fiel schliddernd auf das Knie und wollte sich instinktiv mit der gelähmten Hand abstützen. Im letzten Moment registrierte sie wieder den an ihren Leib geschnürten Arm und rollte sich stattdessen über die Schulter ab. Schwer atmend hockte sie sodann kniend im aufgewirbelten Staub und blinzelte durch die gelösten Haarsträhnen in die heiße Sonne des Innenhofes.
Vielleicht sollte sie sich mehr um sich selbst sorgen, denn um die Kollegen? Trotz des wöchentlichen Selbstverteidigungstrainings mit dem Kommandeur war es ihr immer noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, auf den nutzlosen Arm zu verzichten. Instinktiv wollte sie auf ihn zurückgreifen, wenn es darauf ankam. Diese Testspielchen hier waren unbedeutender Kinkerlitz, im Vergleich zu dem, was im Ernstfall geschehen könnte, wenn sie im Einsatz falsch reagierte.
Ophelia senkte den Blick, als einige ihrer Kollegen sie wortlos passierten und dabei scharrend weiteren Sand aufwirbelten. Vom Rand des Parcours hörte sie Schwester Flinkhiebs Anfeuerungstiraden, wie immer gespickt mit pointierten "Aufmunterungen".
"Hopp! Hopp! Hopp! Ein gerissenes Hindernis ist schlimm genug aber sich dann auch noch auf dem faulen Hintern auszuruhen ist eine Schande! Kaum zu glauben, dass ihr beiden Heuchlerinnen euch bei uns einschleichen wolltet. Mit einer derart jämmerlichen Verfassung wärt ihr nicht einmal zu Novizinnen ernannt worden, egal wie viele Unregelmäßigkeiten wir dank euch entdecken und ausräumen konnten! Los! Aufstehen und weitermachen!"
Sie rappelte sich auf, atmete tief durch und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Während sie das Hindernis einhändig wieder aufbaute, kam der zweite Gedanke in ihr auf, der sie seit einigen Stunden irritierte: Die Gnomin hatte um ein Gespräch unter vier Augen mit ihr als Stellvertretender Abteilungsleiterin gebeten. Dieses Gespräch sollte im 'Klatschianischen Palast' stattfinden, dem Restaurant mit dem großen Wasserbecken. Was die Inspekteurin aus pyschologischer Sicht damit bezweckte, war Ophelia sofort bewusst gewesen. Doch das beunruhigte sie wesentlich weniger, als die Frage, ob das Gespräch darauf hinauslaufen würde, dass von ihr Indiskretionen zu den einzelnen Kollegen erwartet würden.
Die junge Wächterin holte tief Luft und rannte auf den nächsten Aufbau mit aufgebockter Querstange zu. Sie raffte die Röcke und stieß sich mit aller Muskelkraft ab, die sie in den Beinen aufbringen konnte. Ihre schmalen Stiefelabsätze rammten tiefe Kerben in den harten Untergrund.
Über sich selbst würde sie in angemessenem Maße freimütig Auskunft geben. Die Angelegenheiten der anderen Wächter ihrer Abteilung jedoch gingen niemanden etwas an.

19.04.2011 10: 06

Mina von Nachtschatten

Und sie sprangen ... und schwangen ... und krochen ... und sprangen erneut ... und schwangen ... und krochen ... solange bis man die einzelnen Wächter eigentlich nur noch anhand ihrer Körpergröße unterscheiden konnte - alles andere war unter einer dicken Schlammschicht verborgen. Schwester Flinkhieb schien es eine diebische Freude zu bereiten, sie solange über den Parcours zu hetzen, bis nur noch vereinzelt Stangen zu Boden knallten oder sich irgendjemand im Stacheldraht über der Grube verhedderte. Im Grunde war das die pure Schikane ... und zu einem anderen Zeitpunkt hätte Mina es vielleicht auch gewagt, etwas in der Hinsicht anzumerken. Aber das wäre hier und jetzt ganz bestimmt nicht die beste Idee gewesen und man musste es ja nicht unbedingt darauf anlegen, die Sache noch schlimmer zu machen, als sie es ohnehin schon war. Das vorhin war eine unbedachte Bemerkung gewesen, eigentlich hatte sie es sich fest vorgenommen gehabt, die Aufmerksamkeit der Amazone nicht mehr als nötig auf sich zu ziehen. Aber die erbarmungslos vom Himmel scheinende Sonne zusammen mit dem doch etwas mulmigen Gefühl, sich in einer tendenziell heiligen Umgebung aufzuhalten, machten ihr mittlerweile doch zu schaffen. Verglichen damit war das ganze Rennen und Springen und was sich die Flinkhieb noch so einfallen lassen würde das wesentlich kleinere Übel - in dieser Hinsicht war eine nicht obligatorische Atmung wirklich von Vorteil. Allerdings waren ihre Kollegen da bestimmt ganz anderer Meinung, deren viel zu schnelle Herztöne darauf schließen ließen, dass der ein oder andere kurz vor dem Kreislaufkollaps stand. Eigentlich war es ein kleines Wunder, dass noch niemand einfach umgekippt war. Doch das war bestimmt nur noch eine Frage der Zeit...
"Das reicht jetzt, alle hier herüber!" Schwester Flinkhiebs Stimme dröhnte erneut über den Platz. Während der letzten Minuten hatte sie unter einem Vordach auf der anderen Seite des Hofes ein paar Eimer aufgestellt. "Na wird's bald? Das habe ich aber alles schonmal viel schneller gesehen!" Sie tippte mit dem Fuß gegen eines der blechernen Behältnisse. "Lasst es euch ja nicht einfallen, das mit einer Pause zu verwechseln, aber hier habt ihr etwas Wasser - damit ihr wenigstens wieder aus den Augen schauen könnt, ohne das euch der Schlamm hineinläuft."
Schon allein das Wort "Wasser" schien in Einigen ungeahnte Kraftreserven freizusetzen. Auf einmal führte Reiner die Gruppe an; mit nach vorn ausgestreckten Armen torkelte er auf das verheißungsvolle Nass zu und wäre wohl am liebsten ganz in den Eimer hineingeklettert, wenn dieser denn ein wenig größer gewesen wäre. So aber hängte er sich kopfüber hinein und man hörte nur noch ein langgezogenes Schlürfen.
Schwester Flinkhieb rümpfte die Nase. "Genau solch ein Verhalten habe ich erwartet!", bemerkte sie in spitzem Tonfall und bedachte die übrige Gruppe mit strengen Blicken, während diese sich mit nicht ganz so viel überbordendem Enthusiasmus über ihre Bottiche hermachte: Die meisten waren schon damit zufrieden, sich einfach für ein paar Minuten hinsetzen zu können und sich mit den Händen etwas Wasser ins Gesicht zu schöpfen - bis auf Lilli, welche ihre Stiefel auszog, diese dann sorgsam nebeneinander und sich selbst in den Eimer stellte, wo sie genießerisch die Augen schloss.
"Seht zu, dass ihr den schlimmsten Dreck los werdet, sonst könnt ihr heute Abend noch das Becken putzen", trieb die Schwester sie an. "Und in die Kühlkammer werde ich euch so ohnehin nicht lassen."
Fynn sah auf; ein Rinnsal aus Wasser-Erd-Gemisch lief ihm quer über das Gesicht.
"Welches Becken?", erkundigte er sich. So etwas wie ein leiser Funken Hoffnung war in seiner Stimme zu hören. Stand vielleicht noch mehr Wasser in Aussicht?
Allerdings schien er diesen Gedankengang nicht mit jedem zu teilen:
"Kühlkammer?", echote Sebulon beinahe entsetzt.
Die Rhododendrakriegerin nickte und hakte etwas auf einer Liste ab, welche an einem Klemmbrett befestigt war.
"Eine kleine Prüfung in Sachen Teamfähigkeit und Nervenstärke. Leider hat mir eure Frau Inspektor keine diesbezügliche Genehmigung für den Todesparcours gegeben." Aufrichtiges Bedauern zeichnete sich auf Schwester Flinkhiebs Gesicht ab, ein ebenso unerwarteter wie verstörender Anblick. Glücklicherweise währte er nur einen Augenblick. "Sie wollte euch, wie sagte sie? Ach ja, 'lebend und an einem Stück' wieder im Wachhaus sehen. Obwohl ich daran noch so meine Zweifel habe." Sie sah auf. "Aber nun werdet ihr zunächst einmal schwimmen. Und zwar mit Kürass!"
Bei dieser Ankündigung warf Mina einen raschen Blick zu Ophelia hinüber, wohl wissend, wie diese zu allem stand, was mit größeren Wasserflächen zu tun hatte. Und tatsächlich: Der Teil, den man vom Gesicht des Chief-Korporals schon wieder erkenne konnte, war kreidebleich geworden.

20.04.2011 10: 31

Sebulon, Sohn des Samax

"Sebulon?", flüsterte Reiner und rückte näher an den anderen Zwerg.
"Ja?", hauchte dieser zurück.
"Kannst du schwimmen?"
Sebulon sah auf seine schlammverkrusteten Finger. "Ich bin mir nicht sicher. Hab es nie probiert. Kannst du?"
"Nein."
Der Püschologe versicherte sich mit einem knappen Blick, dass Schwester Flinkhieb noch immer mit einer Novizin über Kürass-Größen debattierte, bevor er erwiderte: "Wenn es hart auf hart kommt: Lass dich einfach auf den Boden sinken und dann läufst du den Rest." Er versuchte ein aufmunterndes Lächeln.
Reiner blickte nüchtern zurück. "Wann hast du zuletzt einen Kürass getragen?"
"Keine Ahnung. Warum?"
Ein kurzes Schweigen ließ erahnen, dass Reiner nach Worten suchte.
"Er ist schwer. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mit einem laufen kann."
Sebulons Gedanken waren mindestens genauso schwer. Ertrinken. Sicher gab es Sicherheitsvorkehrungen. Es musste Sicherheitsvorkehrungen geben. Lebendig und in einem Stück. Da war relativ wenig interpretationsspielraum. Ihnen drohte keine direkte Gefahr. Bestimmt.
Sein Blick glitt unabsichtlich zu Mina. Konnten Vampire ertrinken? Sie atmete nicht, aber er konnte sich auch nicht vorstellen, dass ihre Lungen vor Freude jauchzen würden, wenn Wasser ...

In diesem Moment stand Fynn auf. "Ma'am, ich protestiere."
Ophelia blickte verwundert auf. Das hatte sie nicht von dem Gefreiten erwartet.
"Du ..."
"Ich protestiere", wiederholte Fynn. "Das hier ist kein Test, das ist Folter." Leise kam von den Kollegen zustimmendes Murren.
"Protest zur Kenntnis genommen", erwiderte Ophelia. Niemand wagte zu fragen, wo die Standhaftigkeit in ihrer Stimme geblieben war.

20.04.2011 22: 08

Lilli Baum

Manche Leute konnten mit Blicken töten, aber Iris Flinkhieb hatte das ungemein nützlichere Talent Leute durch gezieltes Anstarren zum Schweigen bringen zu können, und dabei gleichzeitig deren Proteste geflissentlich zu überhören. "Wir werden jetzt losgehen, also los los, ihr schlaffen Säcke!"
Die Amazone führte die Wächter im Gänsemarsch durch den Tempel zu dem Becken. Ein, zwei Wächter wollten sich unbemerkt absetzen, aber ihren Adleraugen entging niemand, nicht einmal, als sie sich mit dem Golem unterhielt, der ihr den Abwesenheitsgrund von Septimus Ebel mitteilte. Schließlich erreichten sie ihr Ziel, wo eine andere Rhododendrakriegerin schon auf sie wartete.
"Rhododendra zum Gruße!", schmetterte Schwester Flinkhieb ihr entgegen,
"Rhododendra zum Gruße!", erwiderte die andere.
Schwester Flinkhieb nickte zufrieden und deutete dann auf die Wächter: "Bei Kurkuma, sieh dir diesen Haufen Wächter an! Petunia, du glaubst nicht wie erbarmlich sich die angestellt haben. Du hättest sie auf den Hindernisparcours sehen sollen, du weißt schon den einen, den ich mit zusammengebundenen Armen gemeistert hatte, als man mir beide Beine gebrochen hatte!"
"Ich... kann es mir vorstellen, Iris. Nun, ich übernehme dann mal."
Schwester Flinkhieb wandte sich wieder an die Wächter: "Ich werde euch nun verlassen, weil ich noch anderweitige Pflichten habe und den Schwertlilien-Fechtkurs leiten muss. Ich überlasse euch also dem Kommando von Schwester Petunia, wehe ihr bereitet mir Schande!"
Damit rauschte sie davon, um anderswo arme Novizinnen zu quälen.
Schwester Petunia wartete einige Momente mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ab und stellte sich dann selbst noch einmal vor: "Ein herzliches Willkommen, Wächter, ich bin Schwester Petunia und werde mit euch die Schwimmprüfung abhalten. Sie findet hier in diesem Becken statt. Es handelt sich dabei um das Zuchtbecken für unsere Unterwasser-Orchideen, deswegen hat es eine Tiefe von etwa 5 Metern. Die Pflanzen nehmen den untersten Meter ein, deswegen bitte ich euch, vorsichtig zu sein."
"Können wir uns etwa verheddern?!", fragte Reiner entsetzt.
Petunia nickte. "Außerdem könntet ihr die Pflanzen beschädigen, was noch schlimmer wäre. Unterwasser-Orchideen sind sehr teuer, weswegen wir außerhalb der Schwimmstunden hier auch unseren Wach-Seelöwen hier haben. Aber keine Sorge, der ist für diese Unterrichtseinheit hier weggesperrt." Sebulon sog heftig die Luft ein um lauthals zu protestieren, doch Petunia maß ihn mit einen strengen Blick und unterbrach ihn, ehe er überhaupt ein Wort gesagt hatte: "Beschwerden erst, wenn ich euch über alle Modalitäten aufgeklärt habe!"
Sie musterte die lange Reihe der Wächter und blieb einen kurzen Augenblick an Ophelia hängen, die vor Angst fast schon apathisch war.
"Entgegen Schwester Flinkhiebs Benennung dieser Veranstaltung als "Schwimmen im Kürass", müsst ihr nicht im Kürass schwimmen. Der eigentliche Kurs ist Standart bei der Novizenausbildung, deshalb hat sie das wohl durcheinandergebracht. Oder sie wollte euch ein bisschen zusätzliche Angst einjagen... Ihr dürft also alles ablegen, was ihr ablegen möchtet. Ich habe außerdem ein paar leichte Hemden und kurze Hosen bereitgelegt für diejenigen unter euch, die nicht in ihrer eigenen Kleidung schwimmen wollen. Die eigentliche Prüfung besteht darin, vorsichtig ins Becken zu springen - denkt an die Orchideen - und dann eine Bahn hin und zurück zu schwimmen, natürlich ohne sich am Beckenrand fest zu halten. Wer das schafft, muss dann noch Teil zwei erledigen. Hierzu müsst ihr eine 'Person' aus dem Becken retten. Wer Teil zwei nicht schafft, oder nicht machen möchte, muss nach der Untersuchung einen Rettungsschwimmkurs hier ablegen. Wer bei Teil eins versagt oder ihn nicht machen möchte, der fliegt aus der Wache."
"Was?!", entfuhr es Mina entsetzt, die über Ophelias Problem Bescheid wusste.
Petunia lächelte: "Nun, ich könnte mich natürlich überreden lassen, euch trotzdem bestehen zu lassen... aber ich erwarte im Gegenzug, dass ihr nach der ganzen Angelegenheit hier bei mir einen Schwimmkurs macht, natürlich wäre das in eurer Freizeit, damit man euch nicht einen Strick draus dreht. Was ihr in eurer Freizeit macht, geht die Wacheleitung ja nichts an."
"Und... wenn wir das einfach nicht einhalten würden?"
"Dann verpetze ich euch", erklärte Petunia.
Die Wächter sahen sich gegenseitig an. Romulus und der Kommandeur hätten bestimmt Verständnis.
"Bei Schwester Flinkhieb", fügte Petunia grinsend hinzu.
Das war widerrum besorgniserregend.
Sie griff nach einem Klemmbrett: "Ihr habt fünf Minuten euch umzuziehen, wenn ihr wollt, dann geht ihr alphabetisch ins Becken, beginnend mit" Ihre Augen wanderten über das Klemmbrett: "Baum, Lilli."
Die anderen Wächter gingen Richtung Umkleide, außer Lilli, die auf das Becken starrte.
Sie fühlte sich sehr erschöpft. Den Hindernisparcours und Dauerlauf hatte sie nur mit hölzernen Willen überstanden. Aber das hier ließ sich nicht auf sture Holzkopfart durchstehen, hier ging es um etwas, was einem wirklich das Leben kosten konnte. Sie hatte kein Problem mit der Vorstellung einen intensiven Schwimmkurs zu machen. das Problem war vielmehr, dass sie nicht wusste, ob sie überhaupt jemals schwimmen gelernt hatte Sie versuchte sich zu erinnern, aber ein Großteil ihrer Kindeheit lag völlig im Dunkeln. Gedankenverloren starrte Lilli auf das Wasser. Sie wusste, dass sie wusste, wie man angelt, aber konnte man davon auf eine vorhandene Schwimmfähigkeit schließen?
Sie trat näher an das Becken heran und starrte in die Tiefe. Konnte sie schwimmen, ja oder nein? Sie wollte keine Zeit mit einem Kurs vergeuden, wenn der gar nicht nötig war, aber absaufen wollte sie auch nicht.
'leg mal einen bambus zu", meldete sich ihr innerer Baum zu Wort: "statt zu grübeln, solltest du es einfach tun!'
'das sagst du so einfach, baum! nochbestehe ich nicht aus holz sondern nur aus fleisch und knochen.'
'du musst mir vertrauen, mensch!'
Lilli nickte entschlossen und sprang ins Becken. Kaltes Wasser drang in ihre Kleidung und unter den Kürass und zog sie nach unten.[9] Panisch begann sie mit den Gliedern zu wedeln, doch sank sie weiter in die Tiefe.
'weniger ertrinken, mehr schwimmen!', forderte ihr innerer Baum sie in einem strengen Gedankentonfall auf und instinktiv begann Lilli Arme und Beine koordiniert zu bewegen und schwamm. Vage Erinnerungen wogten durch ihren Kopf, aber viel zu verschwommen um mehr zu erkennen als viel, viel Wasser, bis zum Horizont.

Petunia schaute vom Beckenrand auf die Wächterin herab, als diese wieder auftauchte und nickte ihr zu : "Teil eins bestanden. Wenn du raus steigst, denk bitte dran den Kürass gründlich abzutrocknen, damit er nicht rostet, Als nächster ist.... moment... Ebel, Septimus an der Reihe. Ist der da? Ansonsten kommt der nächste im Alphabet."
Strahlend kletterte Lilli aus dem Becken. Diese Unterwasserorchideen waren wirklich ein wundervoller Anblick gewesen! Schade, dass sie nicht noch ein paar Bahnen drehen durfte.

20.04.2011 22: 37

Ophelia Ziegenberger

Der Anblick des Wasserbassins verhinderte klare Gedanken. Vielleicht wäre es etwas anderes gewesen, wenn sie nur unbeteiligt daneben hätte stehen sollen. Aber in dem sicheren Wissen, dass von ihr erwartet wurde, dort hinein zu steigen und sich dem tödlichen Element zu überlassen, krampften sich ihre Eingeweide in panischen Attacken zusammen. Wie heiße und kalte Wellen überkamen sie diese und schnürten ihr immer mehr die Kehle zu. Sie rang unauffällig um Atem! Die Erinnerungen überlagerten sich gegenseitig und mit dem friedlichen Bild der im Sonnenlicht funkelnden Wasseroberfläche.

Der Druck der Stange, die sie unter Wasser hielt, ließ unvermittelt nach und sie trat verzweifelt Wasser, bis sie wieder Luft bekam. Die vielen Lagen Röcke hatten sich hoffnungslos voll gesogen, behinderten sie wie heimtückische Fesseln. Kaum gelang es ihr noch die nötige Kraft aufzubringen, die Stoffschichten mit den Beinen auseinander zu treten. Sie wollte sich wie die Male zuvor an der Stange fest klammern, zog diese dabei aber ins Wasser, woraufhin das metallbewehrte Holz augenblicklich auf den Grund sank. Sie blinzelte durch das aufspritzende Wasser. Auf Augenhöhe schwankte in einiger Entfernung der Beckenrand. Anstelle der mit Stahl beschlagenen Schuhe blickte sie geradewegs in die starr auf sie gerichteten, offenen Augen von 'Schlitzer'. Seine Stirn war durch einen glatten Bolzeneinschuss gelocht und rote Flüssigkeit breitete sich von seinem nicht sichtbaren Hinterkopf her in einer Lache um ihn herum aus. Das schwappende Wasser zupfte leuchtende Fäden des Blutes mit sich über den Rand, von wo sie einen rosigen Fächer bildeten. Sie sank zum zigsten Mal und das Letzte was sie erahnte, bevor die schwerelose Dunkelheit sie umschloss und ihr brennende Flüssigkeit in die Lunge goss, war ein Mann in Schwarz, der sie fast freundlich in die Arme nahm...

Die friedlich reflektierende Oberfläche blendete sie und riss Ophelia mit einem Blinzeln ins Hier und Jetzt der Abteilungsprüfung zurück. Lilli entstieg mit einem glücklichen Strahlen dem Becken, als wäre sie die Gestalt gewordene Personifizierung einer Wassergöttin.

Ophelia holte zitternd Luft und atmete tief durch. Dies war ein Test, kein realer Einsatz, in dem einem von ihnen Schaden zugefügt werden sollte. Sie selber war nicht die Ausnahme, mit ihrer Unfähigkeit zu schwimmen, wie sie sehr genau wusste, traf dies in unterschiedlicher Schwere ebenfalls auf mindestens drei der Anwesenden zu und ihr als Stellvertretender Abteilungsleiterin oblag es, die Kollegen vor vermeidbaren Gefahren zu schützen. Das hatte nichts mit persönlichen Ängsten zu tun, sondern mit Verantwortung und Logik.

Sie streckte möglichst selbstbewusst den Arm nach den Kollegen aus, die schon auf halbem Wege zum Umkleiden waren.
"Moment!"
Die Rhododendrakriegerin sah sie aufmerksam an. "Ja?"
"Dieser Prüfungsbestandteil entspricht nicht den genehmigten Anforderungen. Selbstverständlich möchte ich das Prozedere nicht gänzlich verändern aber die Einwürfe dagegen sind durchaus berechtigt und ich befinde mich in der Position, ihnen Nachdruck zu verschaffen. Wie es scheint überschreitet die Inspekteurin vielleicht in ihrem freundlichen Bemühen um uns unwissentlich ihre Kompetenzen, wenn sie mit Konsequenzen zu den Tests argumentiert, die eventuell Ausschluss aus dem aktiven Wachedienst beinhalten? Die Fähigkeit zu Schwimmen war niemals Voraussetzung der Aufnahmekriterien, was sich meines Wissens definitiv nicht geändert hat. Insofern kann diese Fähigkeit auch nicht nachträglich abgefordert werden. Eine gegenteilige Aussage steht ihr nicht zu."
Petunias gefährliches Funkeln in deren Augen während Ophelias Ausführungen nahm zu und die Stellvertreterin kam einem Einwand zuvor, indem sie zum Staunen ihrer Kollegen erklärte: "Ich möchte den Tests nicht grundsätzlich abwertend gegenüber stehen und bin selbstredend zu einer Zusammenarbeit bereit, wie wir alle es ja schon unter Beweis gestellt haben." Ihr leichter Wink mit der gesunden Hand schloss die näher gerückten Abteilungsmitglieder ein. "Aber dieser spezielle Test sollte nur von Freiwilligen absolviert werden. Jemanden, der des Schwimmens nicht mächtig ist, sich ohne irgendeine Art der Vorbereitung innerhalb eines tiefen Wasserbeckens selbst zu überlassen, wäre gefährlicher Leichtsinn und nicht zu rechtfertigen." Mit möglichst entspanntem Tonfall ergänzte sie: "Da ich persönlich eine ähnliche Situation bereits erlebt habe, kann ich das, denke ich, sehr genau beurteilen."

21.04.2011 14: 37

Lilli Baum

Petunia runzelte die Stirn. "Von Zwang würde ich nicht reden. Ihr habt immer noch die Alternative, statt heute ins Becken zu steigen, in Zukunft bei mir Schwimmen in aller Ruhe zu lernen. Oder gehört es zur Abteilungsphilosophie auf das Beherrschen einer möglicherweise lebensrettenden Technik zur verzichten? Es geht hier nicht darum, euch irgendwie zu trietzen, sondern um eure Überlebensfähigkeit zu steigern. Und hättet ihr nicht das allergrößte schlechte Gewissen, wenn einer eurer Kollegen sterben würde, weil er nicht Schwimmen wollte?! Eure kürzlich verschiedenen Wächter mögen zwar nicht ertrunken sein, aber sie hätten ihrem Schicksal vielleicht entkommen können, wenn sie etwas trainierter gewesen wären - oder zumindest sich selbst genug gekannt hätten, um der entsprechenden Situation mit mehr Vorsicht zu begegnen. Wenn ihr Schwimmen könnt, dann gibt es zumindest eine Sache weniger durch die ihr ums Leben kommen könnt. Und ich sehe keinerlei Nachteil daran, dass man sich aktiv damit auseinandersetzt. Oder gehört etwa Ignoranz zu den Einstellungsvoraussetzungen bei der Stadtwache?-"
Die Wächter schwiegen, nur unterbrochen von einem leisen Plätschern, als Lilli ihre Haare über dem Becken auswrang,

21.04.2011 17: 53

Sebulon, Sohn des Samax

Sebulon hob die Stimme. "Ohne respektlos sein zu wollen, Schwester, Test hin oder her: Mir fallen auf Anhieb dreißig Orte ein, an denen ich lieber das Schwimmen trainieren würde, als hier." Selbst der Ankh erschien ihm derzeit angenehmer, weil dort der hypothetische Weg zur nächsten Darmentleerung zumindest nicht mit Sicherheit tödlich enden würde. "Im Übrigen bin ich noch nie geschwommen und mit Sicherheit wird eine schwere Rüstung meinen ersten Versuch nicht unterstützen. Diesen Test kann ich beim besten Willen nicht bestehen. Ich ziehe freiwillig zurück und werde bei Gelegenheit nachholen, was bisher nicht vonnöten war."
Er sah seine Kollegen an. Reiner war blass und seine Beine zitterten ein wenig aber er sah nicht aus, als würde er sich vor gesammelter Mannschaft bloßstellen lassen wollen. Minas Gesichtsausdruck war schwer zu deuten und Fynn ... - wo war Fynn?

21.04.2011 21: 01

Mina von Nachtschatten

"Für den Fall, dass du mir nicht richtig zugehört hast: Du kannst die Rüstung vorher ablegen." Es klang nicht unbedingt verärgert, vielmehr machte Schwester Petunia den Eindruck, als würden sie die ganzen Debatten zum Prüfungsablauf langsam aber sicher ermüden. "Aber meinetwegen. Möchtet ihr euch nicht vielleicht lieber doch gleich kollektiv für den Schwimmkurs anmelden?" Sie sah in die Runde, doch es waren noch immer mehrere unentschlossene Gesichter, in die sie blickte. Allerdings kamen auf der anderen Seite auch keine Widerworte mehr; die kurz in den Wächtern aufgeflammte Gegenwehr war anscheinend wieder zu einem winzigen Funken zusammengeschrumpft, der sich hinter der viel größeren Angst vor dem eigentlich Bevorstehenden versteckte. Schulterzuckend sah die Amazone erneut auf ihrem Klemmbrett nach.
"Gut dann also: Fynn, Düstergut." Sie runzelte die Stirn. "Hmm, da muss wohl ein Fehler vorliegen. Ich schätze mal, dein Vorname ist nicht Düstergut?" Niemand antwortete. Sie runzelte die Stirn und ließ ihren Blick schweifen - und sah gerade noch so den Fuß einer Gestalt, die sich in eines der Nebengebäude absetzen wollte.
"He, hier wird nicht abgehauen!", rief sie ungehalten.
Fynn sank in sich zusammen. Als die Schwester den Nachnamen seines Kollegen Septimus vor dem seinen aufgerufen hatte, hatte er sich schon Hoffnungen gemacht, vielleicht in der Aufzählung vergessen worden zu sein ... und dann hätte es ja auch keinen gestört, wenn er einfach gegangen wäre.
"Na komm schon, stell dich nicht so an! Und wer sich von den anderen noch umziehen will tut das bitte jetzt, wir verlieren sonst zu viel Zeit."
Fynn zögerte und warf einen Blick zurück zum Wasserbecken hinüber. Sehr verschwommen zeichneten sich einige grüne Ranken und Blätter auf dem Grund ab.
"Ich ...", begann der Ermittler in Ausbildung langsam, "Also, es tut mir leid, aber ich wollte nicht einfach so gehen, wirklich nicht. Es ist nur so ... ich habe eine Wasserpflanzenallergie. Ja, ich bekomme Ausschlag. Und das besonders schlimm, wenn ich in ein Gewässer muss, in dem Unterwasserorchideen wachsen. Welche allerdings zweifelsohne sehr schön sind", fügte er mit einem entschuldigendem Lächeln hinzu.
Schwester Petunia seufzte.
"Na ja, damit bist du nicht der Einzige, wir hatten auch schon die ein oder andere Novizin mit dem Problem. Im Umkleideraum findest du eine Salbe, die sollte dich für die Dauer der Prüfung schützen. Lass sie zehn Minuten einwirken und komm dann wieder." Das alles hatte sie in einem sehr nüchternen Tonfall vorgetragen und es war schwer abzuschätzen, ob sie den Gefreiten ernst nahm oder die Ausrede von Anfang an durchschaute. Welcher Fall auch immer zutraf, Fynn verzog sich mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck in die genannte Richtung. Wenn es schon zu nichts anderem gut war, so hatte er zumindest ein wenig Zeit geschunden.
"Nächster: Nachtschatten, Mina von."
"Sollte das "von" nicht vorn stehen und ich damit erst weiter hinten im Alphabet ..."
"Keine Diskussionen! Und du kannst mir nicht erzählen, dass du irgendwelche Pflanzen nicht verträgst."
Die Vampirin warf ihren Kollegen eine unsicheren Blick zu und sah dann zu Lilli hinüber, die einige Schwimmbewegungen mit den Armen andeutete und dann strahlend beide Daumen nach oben streckte. Na ja, so schwer konnte das doch eigentlich nicht sein und was konnte schlimmstenfalls schon passieren? Das sie ein bisschen Wasser verschluckte ... oder die längste Zeit bei der Wache gewesen war. Sie sah auf die glitzernde Oberfläche, die so vollkommen ruhig und friedlich das Sonnenlicht reflektierte. Mina hatte im Grunde keine Ahnung, ob sie schwimmen konnte; in Überwald war sie nie in die Verlegenheit gekommen, es versuchen zu müssen und in Ankh-Morpork waren die Gelegenheiten dazu nicht gerade üppig gestreut. Dann hieß es wohl Versuch und Irrtum. Sie legte den Kürass ab, trat dann an den Beckenrand, machte noch einen Schritt ... und fand sich gleich darauf in einer vollkommen anderen Welt wieder. Alles hatte auf einmal einen blaugrünen Farbton und die Geräusche von über der Wasseroberfläche waren nicht mehr als ein fernes, unverständliches Raunen. Die Wände des Beckens waren auf halber Höhe mit filigranen floralen Mustern verziert und die sich leicht wiegenden Pflanzen am Boden waren in der Tat wunderschön. So übel war das hier gar nicht...
Vollkommen unerwartet stubste sie da etwas in den Rücken und vor Schreck verschluckte Mina gefühlt mehrere Liter Wasser. Es war ein sehr sehr ... garstiges Gefühl und nur mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, zu versuchen es wieder auszuspucken - was wohl auch eher den gegenteiligen Effekt gehabt hätte. Die Vampirin drehte sich einmal um die eigene Achse und sah sich einer schwarzen Nase gegenüber, die zu einem gelbbraunen und ziemlich großen Etwas gehörte, welches sie durch ein Gitter anstarrte, dass knapp über dem Beckenboden in die Wand eingelassen war und irgendwie so gar keinen stabilen Eindruck machte. Anscheinend war das Orchideenbecken durch einen Tunnel mit einem anderen verbunden, welcher sich irgendwo im Tempelinnern befinden musste. Doch das wie und wo rückte vor diesem doch sehr beeindruckenden Exemplar - ja von was eigentlich? - in den Hintergrund. Schwester Petunia hatte einen Wach-Seelöwen erwähnt ... ansonsten hätte Mina das Tier auch in keiner Weise einordnen können. Worüber sie sich aber trotz allem ziemlich sicher sei konnte war, dass diese Masse an Muskeln vollkommen problemlos das lächerliche Schloss am Gitter hätte aufdrucken könnte, sollte es darauf ankommen. Zumal anscheinend nicht einmal abgeschlossen war. Hmm, kein uninteressanter Gedanke...
Einen Augenblick später durchbrach Mina prustend und mit den Beinen strampelnd die Wasseroberfläche und griff mit der Hand nach dem Beckenrand.
Schwester Petunia, die vor einer Sekunde noch beinahe ein wenig besorgt ausgesehen hatte, stemmte nun die Hände in die Hüften.
"Ohne festhalten habe ich gesagt!", schimpfte sie.
"Ja gleich", erwiderte Mina keuchend, da sie immer noch Wasser spuckte. "Da unten habe ich so ein Gitter gesehen; ich frage mich nur..." , ein weiterer Schwall Wasser unterbrach sie für einen Moment, "... ich frage mich nur, ob es seine Richtigkeit hat, dass es offen steht?"
Petunia öffnete den Mund, wahrscheinlich um eine schneidende Antwort zu formulieren, doch dann schloss sie ihn wieder, ohne auch nur ein Wort verlautbart haben zu lassen. Ihre Augen wurden groß. Doch das konnte auch an dem dunklen Schatten liegen, der sich unter der Wasseroberfläche näherte.
"Raus da!", brüllte sie den Bruchteil einer Sekunde später so laut, dass es wohl der ganze Tempel gehört haben musste. "Das ist ein Wach-Seelöwe! Der ist abgerichtet!"
Das ließ sich die Vampirin dann doch nicht zweimal sagen und nur einen Augenblick nachdem sie das Wasser verlassen hatte, biss das Tier genau in die Stelle des Beckenrandes, wo sie sich eben noch befunden hatte. Die Zähne hinterließen ein paar tiefe Scharten im Untergrund, während der Seelöwe ein dumpfes Grollen von sich gab und dann abdrehte.
Das Gesicht der Amazone war knallrot angelaufen und Mina befürchtete schon eine Schimpftirade, die sich gewaschen hatte, da wandte sich die Schwester dem Gebäude hinter sich zu.
"Wer beim heiligen Löwenzahn hatte heute Beckendienst?", verlangte sie mit unverminderter Lautstärke zu wissen. "Ich habe euch schon hundertmal gesagt, dass ihr den Seelöwenverschlag auch abschließen sollt!!!"
Dann wandte sie sich den Wächtern zu, die in unterschiedlichen Abständen zur Umkleide innegehalten hatten.
"Die ... die Prüfung muss verschoben werden", meinte sie schwer atmend. "Bis wir den wieder eingefangen haben wird es eine Weile dauern ... ja, vor morgen können wir nicht weiter machen." Sie schnaufte, um sich abzuregen. "Am besten ihr meldet euch bei Schwester Flinkhieb ab, wahrscheinlich können wir dann gleich den ganzen zweiten Teil des Fitnesstests auf morgen verlegen. Entschuldigt mich, ich habe ein ernstes Wort mit jemandem zu reden. Und haltet euch bloß von dem Becken fern!" Mit diesen Worten verschwand sie eilig durch eine Tür in den Tempel, ohne sich noch einmal umzusehen.

21.04.2011 22: 00

Septimus Ebel

Gerne hätte Septimus von sich behauptet, dass es nicht viel gab, was ihn aus dem Konzept bringen konnte. Gerne hätte er damit angegeben, selbstsicher und charmant im Umgang mit dem anderen Geschlecht zu sein. Gerne hätte er auch sagen können, dass er viele Kollegen und Freunde hatte, die regelmäßig nach seiner Familie fragten und mit denen er sich austauschen konnte; dass es ihn nicht im Geringsten überraschte, wenn jemand sich andersherum mit seinen Eltern unterhielt. Aber das wären alles Lügen gewesen.
Der Feind in altrosa brachte ihn definitiv aus dem Konzept. Dementsprechend wirkte er alles andere als selbstsicher und konnte nur hoffen, dass es sich bei dieser Gnomin um ein 'Exemplar' handelte, welches daraus einen gewissen Charme ableiten konnte. Zumindest - immerhin - fand es Frau Wohlgemuth doch interessant, sich mit ihm einzulassen. Vielleicht barg gerade seine mangelnde Erfahrung für sie den Reiz des Neuen. Denn diese Dame vermittelte mit ihrem ganzen Körper und ihrer kecken Art, dass ihre Liste an sogenannten männlichen Erobern, die selbst von ihr erobert worden waren, sehr lang war. Wohlmöglich lag in Septimus' Unschuldigkeit auf diesem Gebiet sein größtes Potential.
Nur wusste er noch nicht so recht, wie er es einsetzen konnte. Die Situation kam zu überraschend. Er bereute es, sich nicht schon besser auf die Operation 'Tätätä' vorbereitet zu haben. Er hätte die Vorbereitung gut gebrauchen können. Es war nie gut, nein, es war immer eine außerordentlich schlechte Basis für eine erste Kontaktaufnahme, wenn der Feind mehr über einen selbst wusste als andersherum. Er, der Wächter, hätte derjenige sein müssen, der mehr weiß. Er hätte es sein müssen, der die Operation leitete. Stattdessen fühlte er sich wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
Zugegeben, es war die jüngste, blondeste und süßeste Schlange, der er jemals begegnet war. Im Grunde viel zu keck für seinen Geschmack, hatte sie doch ein zauberhaftes Lächeln mit nur leicht spitzen Zähnen. Ein Lächeln, das Septimus nicht richtig einordnen konnte. Noch nicht.
Momentan wusste er nur so viel: Es war das Lächeln einer Frau im Katz-und-Maus-Spiel zwischen einem 'Das-will-ich' und einem 'Das-hab-ich-anzubieten'. Es war das Lächeln einer Frau, die etwas haben wollte. Septimus spürte unter der Oberfläche, dass es dabei nicht nur um ihn ging. Vielleicht sogar gar nicht in erster Linie um ihn. Es war das Lächeln einer sehr scharf kalkulierenden Persönlichkeit, die mehr wusste als sie sagte und gleichzeitig deutlich zeigte, dass sie mehr wusste.
Es war das Lächeln einer Spielerin.
Als sie die Weinstube erreicht hatten, war es ihm gelungen, sich zu sammeln. Jetzt konnte er operative Hektik durch geistige Zielgerichtetheit ersetzen. Jetzt wurde er zum Spieler.
Er musste nur noch die Spielregeln herausfinden.

22.04.2011 21: 06

Fynn Düstergut

Erfreut nahm Fynn die Nachricht zur Kenntnis, dass der Schwimmtest für heute ins Wasser fiel - oder eben nicht. Er hatte nämlich nie schwimmen gelernt. Als Kinder hatten sie auf dem und am Ankh gespielt, doch sie waren dabei nie in Verlegenheit gekommen, diese Technik anwenden zu müssen. Einmal jedoch, da hatten sie nach einer intensiven Regenphase eine Art Mutprobe durchgeführt, die beinahe in einer Katastrophe geendet wäre. Sie hatten Glück gehabt, dass sie Marco noch aus dem dünnflüssigen Schlamm hatten ziehen können.
Da die Inspektorin noch immer mit Septimus verschwunden war und sich nun auch niemand von den Schwestern mehr um sie kümmerte, ordnete Ophelia den Rückzug ins Wachhaus an.
″Schließlich wartet dort auch noch ein bisschen Arbeit auf uns″, meinte sie mit genervtem Unterton. Dass sie diese Gereiztheit durch klingen ließ, zeigte den Anderen, unter welchen Stress sie dieser Test gesetzt hatte.
Hastig kamen alle dem Befehl ihrer stellvertretenden Abteilungsleiterin nach und sammelten ihre Sachen ein, während Ophelia Schwester Flinkhieb ausfindig machte.

23.04.2011 11: 06

Ophelia Ziegenberger

Lilli und Mina hatten in einhelligem Schweigen darauf verzichtet, noch einmal die Umkleidekabinen aufzusuchen. Die Sonne brannte ungewöhnlich warm auf sie nieder, so dass sie einfach nur etwas abseits des großen Innenhofes, in dem sie die ersten Tests absolviert hatten, warten und vor sich hin trocknen mussten. Während dessen bot sich ihnen ein ungehinderter Blick auf Ophelia, die sich in einer intensiven Diskussion mit Schwester Flinkhieb befand. Beide Frauen wirkten gleich bleibend unnachgiebig, zu hören war jedoch nur der wesentlich lauter geäußerte Part des Gespräches, der von der Rhododendrakriegerin bestritten wurde.

"Du hast selber zugegeben, dass deine beiden Kolleginnen nicht mal einen Kratzer abbekommen haben. Wo ist denn da bitte der Unterschied, ob man von ihm weiß oder nicht? Ich glaube ja viel eher, dass die Männer in deinem Trupp Weicheier sind und Du sie auch noch schützen willst!"
Ophelia musste bestimmt Einiges an Selbstbeherrschung aufbringen, wie sie dort lächelnd argumentierte und der getrocknete Schlamm aus ihren Haaren zu rieseln begann.
Schwester Flinkhieb schnaufte abfällig, was sich wie eine dieser mit Dampf betriebenen Maschinen der Zwerge anhörte, dann brüllte sie die Novizinnen ihres Kampfkurses an, die sich inbrünstig mit langen, schlanken Stängeln aufzuspießen versuchten. "Bei Kurkuma! Seid ihr Frauen oder seid ihr Waschlappen? Zustoßen, parieren, auf die Beinarbeit achten!" Sie würdigte ihre Diskussionspartnerin nicht einmal eines Blickes, als sie fortfuhr: "Meinetwegen. Aber nicht aus Rücksicht auf Versager, sondern nur aus Rücksicht auf unseren armen Wachseelöwen. Nach all der Aufregung wird sie etwas Ruhe benötigen." Auf dem sandigen Viereck des Innenhofes ging eine der Novizinnen stöhnend zu Boden. Schwester Flinkhieb schnalzte ungeduldig mit der Zunge. "Kornblume, hab' dich gefälligst nicht so zimperlich! Das ist eine Fleischwunde und nicht tödlich, also steh' gefälligst wieder auf und steh' deine Heldin! Willst du dich etwa auf dem Schlachtfeld auch erst mal schlafen legen, wenn dein Feind sich bewegt? Wechsel die Schwerthand und weiter geht's!"
Ophelia redete nun in einem etwas längeren Redefluss freundlich lächelnd auf die Kriegerin ein und betonte das Gesagte mit vagen Gesten der rechten Hand. Schwester Flinkhieb verschränkte die Arme schlecht gelaunt vor dem Körper, tappte ungeduldig mit dem Fuß und auf ihrer Stirn sammelten sich waagerechte Falten an.

Mina verfügte, trotz des restlichen Wassers in ihren Ohren, über das vampirtypische Gehör. Sie informierte Lilli flüsternd: "Das wird den Anderen nicht gefallen. Sie handelt einen Schwimmkurs anstelle des entsprechenden Tests aus. Aber vermutlich muss sie guten Willen demonstrieren. Geben und Nehmen. Wobei ich mich ehrlich gesagt etwas um sie sorge. Meint sie das wirklich ernst, dass sie ebenfalls daran teilnehmen würde?"
Lilli lächelte strahlend und nickte ihr zu, was sowohl deren Vorfreude Ausdruck verleihen konnte, bald wieder in das Unterwasserorchideen-Becken zu dürfen, als auch der festen Überzeugung, dass ihre Vorgesetzte stets zu deren Wort stand. Die Sache schien aus Lillis Sicht somit geklärt und sie schloss der Sonne zugewandt genüsslich die Augen.
Die zwei Zwerge kamen in finster gebrummter Unterhaltung aus den Umkleiden zurück und hinter ihnen schloss Fynn zu der Gruppe auf. Sie alle blickten abwartend zu ihrer Stellvertreterin hinüber.

Schwester Flinkhieb kniff die Lippen zusammen, bevor sie ungnädig und in ihrer typischen Lautstärke antwortete. "Ich sehe das anders. Bei mir lernt jeder, indem er ins 'kalte Wasser' gestoßen wird und alle meine Schülerinnen lernen verdammt schnell! Aber ich werde mich nicht mehr als unbedingt nötig mit deiner Verlierertruppe herumschlagen. Wenn du dermaßen darauf bestehst und Schwester Petunia schon den Vorschlag gemacht hat, dann soll sie sich auch darum kümmern. Du kannst ihr aber ausrichten, dass das dann ganz genauso in ihre eigene Freizeit fällt! Hier gibt es keine Extraportionen für schlaffe Möchtegern-Wächter!" Ophelia Wangenmuskeln zuckten zwar aber vielleicht lag das auch an ihrem Lächeln. Auffälligerweise verzichtete sie auf Abschiedsworte und wandte sich stattdessen einfach von der Ordensschwester ab, um zu ihren Kollegen zurück zu kehren.

Als sie vor diesen stand blickte sie von einem zum anderen und seufzte müde. "Nun denn. Wir kehren für heute ins Wachhaus zurück. Die körperlichen Leistungstests werden morgen früh mit dem angekündigten Besuch der hiesigen Kühlkammer abgeschlossen werden, wobei unter anderem unsere Zusammenarbeit überprüft werden soll, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Schwimmprüfung habe ich in Absprache mit Schwester Flinkhieb ausgesetzt, wobei diejenigen unter Euch, die sie schon abgelegt haben, ganz sicher keinen Nachteil davon haben sollen. Das wird positiv vermerkt werden." Sie lächelte unverbindlich in die Runde, bevor sie fortfuhr. "Allerdings ist die Argumentation, dass vermehrtes Wissen und angelernte Fähigkeiten einen Wächter im Einsatz schützen können, richtig. Und wenn ich auch nichts davon halte, unnötige Risiken wie diesen unvorbereiteten Test einzugehen, ein angeleiteter Kurs unter kontrollierten Bedingungen ist etwas anderes und wir sollten gewiss guten Willen demonstrieren, indem wir die gebotenen Möglichkeiten nutzen. Morgen am späten Nachmittag, im Anschluss an unsere offizielle Schicht, werden wir daher gemeinsam die gewünschten Übungen absolvieren. Ich bitte also darum, dass jeder einzelne von Euch sich dann freiwillig hier einfindet und zur Verfügung stellt!" Sie blickte bedeutungsschwer in die sie umgebenden Gesichter und ließ das Gesagte nachwirken. Dann nickte sie einmal kurz und entließ ihre Kollegen mit den Worten: "Wie es aussieht, seid Ihr schon fertig. Bei mir wird es noch einen Moment dauern, bis ich wieder vorzeigbar aussehe. Geht also ruhig schon vor. Es wäre schön, wenn wir trotz dieser... Tests noch etwas von der regulären Arbeit im Wachhaus schaffen würden."

25.04.2011 9: 51

Reiner Rundumschlag

Ein leicht angetrunkener Gnom rannte durch das nächtliche Ankh-Morpork. Doch es war nicht der Alkohol, der seine Art zu laufen bestimmte, die zahlreichen umgetretenen Mülltonnen und Rufe wie: "So etwas können die die doch nicht von mir verlangen, verdammt noch mal!" oder "Ich werde nicht gut genug bezahlt für so 'nen Mist!" ließen auf eine andere Ursache für das angeschlagene Gemüt von Septimus schließen. Immer wieder ging ihm der vergangene Abend durch den Kopf, der doch so gut begonnen hatte.
Nachdem er sich von dem Schock erholt hatte, den Trudi mit ihrer Aussage, sie habe mit seinen Eltern gesprochen, auslöste, schien die Initiative immer mehr zu ihm rüberzugehen. Vermutlich wollte sie ihn nur damit testen, da die angeblich so interessanten Informationen hauptsächlich seine Jugend und B.A.U.M. betrafen und nicht viel enthielten, was nicht zumindest einigen wenigen Auserwählten bekannt sein dürfte. Trotzdem beschloss er, bei nächster Gelegenheit mal ein ernstes Wörtchen mit seinen Eltern zu reden.
Im weiteren Verlauf des Gespräches kamen sich die beiden immer näher. Der Wein und die Pralinen wirkten als Schmiermittel für eine lockere Atmosphäre, Septimus Charme schien wider Erwarten bei Trudi anzuschlagen und obwohl er sich kaum vorbereitet hatte, gelang es ihm möglichst vornehm und edel rüberzukommen oder zumindest so zu tun. Dies alles schien gut anzukommen. Vielleicht war sie auch so vernarrt in ihn, dass er erzählen konnte, was er wollte. Zahlreiche Schmeicheleien und ihr breites Lächeln waren Ausdruck ihrer anscheinend leicht getrübten Wahrnehmung.
So vergingen die Abendstunden und als die Nacht hereinbrach, schlug Trudi einen kleinen "Spaziergang" vor. Obwohl er ein ungutes Gefühl dabei hatte, willigte der Wächter angesichts der Möglichkeit, nach den Belanglosigkeiten zu Tisch noch etwas Nützliches herauszufinden, ein.
Was danach geschah, hat sich in sein Gedächtnis eingebrannt:
"Ist heute ein wunderbar romantischer Abend, mein lieber Septimus?", trällerte die Inspektorin.
"Das seh ich ganz genau wie Sie, er wird nur getrübt durch den momentanen Druck der Inspektion, die morgen ja weitergeht", kam etwas übertrieben traurig als Antwort zurück. Das förmliche Sie hielt er aufrecht, wie eine letzte Bastion der Distanz zwischen ihnen, als alles andere trennende schon weggeschmolzen schien.
"Aber, aber, mach du dir mal keine Gedanken. Wie könnte ich denn auf einem so gutaussehenden, eleganten Gnom Druck ausüben wollen. Konzentrier dich lieber auf das hier und jetzt." Ein keckes Lächeln begleiteten diese Worte. Septimus fühlte sich zunehmend unwohl. Zum einen, da er sich nicht erinnern konnte, schon einmal dermaßen heftig angebaggert worden zu sein. Zum anderen schien sie alles andere als bereit zu sein, über die Inspektion oder sich selbst zu reden. Zahlreiche Anspielungen und Themenwechsel blieben bisher erfolglos. Er wusste nicht, ob er das Katz-und-Maus-Spiel gewonnen hatte. Oder ob alles so ausgelegt war, dass es dazu kommen würde. Vielleicht spielte er auch gar nicht mehr mit. Jedenfalls schien Trudi immer näher zu kommen.
"Nun was machen wir beiden Hübschen denn noch heute Abend?", fragte sie Septimus, bei dem der Schweiß ausbrach. "Wir könnten zu mir gehen und noch einen Kaffee oder etwas anderes trinken."
"Ich, ähh, muss, ähm, ja...", stammelte Septimmus. Was danach geschah, erschien ihm auch später noch merkwürdig, jedenfalls löste sich sein Glas mit den Marienkäfern, welches er in seiner Jacke versteckt hielt, ob von alleine oder nicht, konnte er nicht mehr sagen und fiel zu Boden. Dort zerbrach es, die Marienkäfer kamen frei und Trudi schien plötzlich wie betäubt. Keine Bewegung ging mehr von ihr aus, sie schien nicht einmal zu atmen.
Septimus Ebel beschloss sich abzusetzen, bevor sie wieder zu sich kam.

27.04.2011 19: 45

Mina von Nachtschatten

Es war etwa eine Stunde nach Mitternacht und ein dünner Bodennebel wallte durch die Straßen der Zwillingsstadt. In der Nähe des Pseudopolisplatzes kletterte ein unlizensierter Dieb über die Dächer, auf der Suche nach einem Opfer, das die Mühe wert war. Man ging schließlich nicht für ein paar läppische Cent ein unnötiges Risiko ein. Weiter unten trat eine große Gestalt zwischen den Häusern hervor und gerade als der Halunke überlegte, ob das vielleicht schon ein lohnendes Ziel sein konnte, streifte ihn ein Blick aus zwei glutroten Augen. Dies genügte allerdings schon, um seine Meinung zu ändern und anstatt sich mit einem heiseren "Geld oder Leben!" auf den Lippen in die Gasse unter ihm fallen zu lassen, änderte er seine Richtung in der Hoffnung, dass die Kundschaft an anderer Stelle dankbarer war. Mit einem Golem legte man sich besser nicht grundlos an. Aber es war ohnehin eine dumme Idee gewesen, sich so nah beim Wachhaus auf die Lauer zu legen ... viel zu gefährlich ...
Herr Assistent bot in der Tat einen beeindruckenden Anblick, während er schweren Schrittes und vollkommen ohne Eile durch das nächtliche Ankh-Morpork stampfte. Nachdem dieser Gnomenwächter vorhin ziemlich aufgelöst und ohne Trudi ins Wachhaus zurückgekehrt war, hatte sich der Golem seinerseits auf den Weg gemacht. Eine Suche in dem Sinne war nicht nötig gewesen - er wusste immer, wo sich die Inspektorin aufhielt. Einige Leute konnten es durchaus übel nehmen, wenn sich ein relativ kleines Wesen in mancher Hinsicht etwas weiter aus dem Fenster lehnte, als sie es für angebracht hielten. Da war es gut, im Notfall auf eine zuverlässige Rückendeckung vertrauen zu können - auch wenn solch ein Notfall bisher noch nie eingetreten war.
Trudi hatte sich mittlerweile wieder von ihrem Schrecken erholt; sie saß auf der großen, tönernen Hand des Golems und schrieb emsig in ihr kleines Notizbuch - die Entschlossenheit und der Schwung, den sie dabei an den Tag legte, ließ nicht unbedingt Gutes erahnen.
"Unverschämtheit!", zischte sie leise zwischen den Zähnen hindurch. "Aber wenn sie mir so kommen, bitte, ich kann auch ganz anders." Sie verzog angewidert das Gesicht. "Käfer! Ich hasse Käfer!" Die Gnomendame setzte noch einen letzten Vermerk unter ihre Notizen und verstaute die Schreibutensilien in einer Tasche, die unsichtbar in den Rüschen ihres Kleides verborgen war. "Gibt es ansonsten etwas, das ich wissen sollte?", wandte sie sich dann an den Golem.
Mittlerweile hatten sie das Wachhaus erreicht und während Herr Assistent sie die Treppe hinauftrug, berichtete er ihr von den neusten Entwicklungen bezüglich des Fitnesstests - Fräulein Ton hatte ihn am Abend während seiner Pause aufgesucht und war in dieser Hinsicht sehr ausführlich gewesen.
"Soso, abbrechen mussten sie also." Trudi zog kritisch die Augenbrauen zusammen. "Scheint mir eine recht wasserscheue Bande zu sein."
Herr Assistent nickte bestätigend und dabei rieselten einige wenige Krümel Ton zu Boden.
"Übrigens Ist Dein Schrank Heute Mittag Geliefert Worden, Trudi", fügte er dann noch hinzu.
"Na DAS sind doch mal gute Nachrichten."
Im dritten Stock angekommen, öffnete der Golem die Tür zum zeitweiligen Inspektorenbüro und setzte die Gnomin ab.
Weiter hinten im Raum stand nun tatsächlich ein neues Möbelstück; der leichte Geruch von frischem Holz ließ darauf schließen, dass seine Fertigstellung noch nicht lange zurückliegen konnte. Es handelte sich auch durchaus um einen Schrank, nur war es keiner in der üblichen Quaderform: Diese Exemplar war etwa einen Meter hoch, zylinderförmig und rundherum ließen sich Schubladen verschiedenster Größen öffnen. Um dem Ganzen noch den letzten, gnomengerechten Schliff zu verpassen, hatte man eine kleine Stiege mit Handlauf angebracht, welche sich spiralförmig um den Schrank nach oben wand. Trudi nickte zufrieden. Das war ein Schrank, der Möglichkeiten bot. Schade, dass ihre Zeit hier zu begrenzt war, um diese vollkommen ausnutzen zu können. Aber es war immer besser, über zu viel als zu wenig Stauraum zu verfügen. Zumindest einige Fächer würde sie trotz der fortgeschrittenen Stunde gleich noch füllen ... schließlich wollte sie den kommenden Vormittag vollends ausnutzen und sich dann nicht mehr mit Vorbereitungen beschäftigen müssen.
"Herr Assistent, ich möchte dich um einen Gefallen bitten", meinte sie.
"Natürlich."
"Du wirst den ersten RUM-Wächter, der morgen eintrifft, abpassen und direkt hierher bringen. Ich hatte bisher kaum Gelegenheit, mich wirklich eingehend mit dem psychischen Teil dieser Inspektion zu beschäftigen. Und bevor sie alle wieder in den Tempel verschwinden ... hätte ich gern noch ein kleines Erfolgserlebnis."

29.04.2011 10: 37

Sebulon, Sohn des Samax

Vier Uhr in der Frühe stand ein müder Zwerg vor dem Wachhaus und fragte sich, ob er eintreten oder lieber wieder umkehren und in einer Kneipe verschwinden sollte. Die Kneipe hatte eine gewisse Anziehungskraft, wenn er sich überlegte, was heute auf die RUM-Ermittler warten würde. Nur sein Pflichtgefühl ...
Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter.
"Weißt du, Reiner", sagte Sebulon, "ich halte große Stücke auf dich."
"Danke, Sör", erwiderte der Unschlüssige und drehte sich um. "Guten Morgen, Sör."
"Das wird sich noch zeigen. Allerdings finde ich, du solltest hier draußen nicht so rumstehen. Schau mal möglichst unauffällig über meine Schulter auf das Dach hinter mir."
Die braunen Augen des Anwerbers glitten über die dunklen Dachvorsprünge. Möglicherweise sahen sie etwas, doch es war dunkel und im Dunkel konnte auch eine Katze bedrohlich wirken.
"Ich mache dir einen Vorschlag", fuhr der Chief-Korporal fort, "ich besorge dir einen Kakao und du legst dich ein wenig ins Lazarett. Da wird ohnehin gerade wenig los sein und du kannst noch ein paar Stunden schlafen. Was meinst du?"
Der Gefreite biss sich auf die Unterlippe. An Krankenbetten hatte er in der letzten Zeit eher unangenehme Erinnerungen. Der Gehorsam überwand die Abscheu und eine Hand wanderte langsam salutierend zur Stirn.

Der Agent betrat die leere Kantine. Er sog tief die Luft ein. Ruhe und Einsamkeit hatten im Licht des letzten Tags etwas für sich.
"Tut mir leid, dass ich euch stören muss", sagte er in den spärlich erleuchteten Raum hinein und näherte sich dem Schrank mit den Kaffeedämonen.
"Lügner", knurrte eine Stimme aus dem Schrank.
"Hey, ich mach's wieder gut, ok? Ich hätte gern zwei Kakao."
Der Dämon stöhnte. "Musses heiß sein?"
"Wenn es keine Umstände ..." Eine Minute lang hörte sich der Zwerg das Lamentieren des Dämons an, dann stoppte er ihn: "Heiß ist nicht nötig."
Den verbalen Schwung nutzend brabbelte der Dämon leise weiter, zwei Becher mit lauwamem Kakao erschienen im Ausgabeschacht und Sebulon nahm sie freudig entgegen.
"Gute Nacht und vielen Dank."
"Mach das Licht aus, wenn du gehst", kam's als Antwort.
Die Dielen hinter dem Zwerg ächzten hörbar, als eine massive Person zum Stillstand kam. "Ich Wünsche Dir Einen Guten Morgen, Sohn Des Samax."

Das Lazarett war beinahe leer. Nur eine junge Wächterin mit struppigen Augenbrauen und markantem Kinn lag auf einem Bett. Sie sah nicht unbedingt krank aus, vermutlich hatte sie den gleichen Drang nach etwas Schlaf verspürt. Ihr leises Schnarchen verlieh dem Raum eine gewisse Gemütlichkeit.
In wenigen Zügen kletterte der Gefreite auf das Bett neben der schlafenden Rekrutin und ergab sich dankbar der Ohnmacht des Schlafes, der ihn überzwergte.

"Oh, wie nett von dir, dass du mir einen Kakao mitbringst", trällerte Trudi und ließ die Beine von dem Tisch in ihrem Arbeitszimmer baumeln.
Der Püschologe ging gedanklich seine Optionen durch. Der Golem hatte ihn nicht den Umweg über sein Zimmer machen lassen, also hatte er nichts für den Notfall einstecken können. Die Inspektorin verletzen stand nicht zur Debatte, auch wenn er den Drang dazu kaum leugnen könnte. Flucht war auch ausgeschlossen, denn Herr Assistent würde vor der Tür warten, bis die Wölfin ihr grausames Werk vollbracht hatte.
Trudi kicherte auf ihre Penetrante Art.
Er sah in ihre Augen. 'Hyäne', dachte er. Laut sagte er: "Ohne Zucker?"
"Ich bin da nicht so. Setz dich doch."
Der Zwerg stellte den Kakao neben der Gnomin ab, rückte den Holzstuhl ein wenig vom Schreibtisch weg, und nahm dann darauf Platz. Er strich sich mit der nun leeren Hand über die Augen und verkniff sich ein Gähnen.
"Also worüber wolltest du mit mir reden?", begann er den unvermeidlichen Schwerttanz.

Ophelia schlief unruhig.
Ihre Schwester, Dschosefien, stand neben ihr auf einer kleinen Insel. Bis zum Horizont war furchtbar viel Wasser zu sehen. Über ihren Kopfen flogen sieben Krähen dahin.
"Was machen wir jetzt, Mä'äm?", fragte Dschosefien.
Ein kühler Wind blies Ophelia in den Nacken. Ihr fröstelte. Das Wasser vor ihr wurde glasig und gefror. Wellen erstarrten, das funkelnde Sonnenlicht brach sich auf der neu gebildeten Eisfläche. In der Ferne kam ein Schiff mit schwarzen Segeln zum stehen und ein betrunken klingender Pirat fluchte.
"Laufen?", fragte Ophelia und setzte vorsichtig einen Fuß vor. Das Eis hielt. Sie drehte sich um und streckte die Hand aus. "Komm, Dschosefien ..."
Doch sie war allein auf der Insel.


"Reden wir über dich", sagte Trudi und schlug die Beine übereinander. Sie trug einen Rock. Sebulon zwang sich, ihr in die kalten Augen zu sehen.
"Warum möchtest du über mich reden?"
"Das ist nichts persönliches, Sebulon - ich darf doch Sebulon sagen?"
Der Zwerg war dankbar, dass seine Eltern ihm keinen zweiten Vornamen gegeben hatten. Mir einem Namen musste man klar kommen, bei Zweien konnte man einen verabscheuen. Er wusste, dass die Inspektorin sich nicht an den Bevorzugten gehalten hätte.
"Bleiben wir doch beim förmlichen Du, Frau Inspektorin."
Kampfesgeist blitzte in den Augen der Gnomin auf. Ihre Mundwinkel formten ein Humorloses Lächeln. "Wie du meinst, Chief-Korporal. Hast du noch Kontakt mit deinem Bruder?"
"Kaum."
"Mit deinem Onkel?"
"Mit welchem?"
"Saban."
"Nein."
"Warum nicht?"
"Er fand meine Arbeit hier nicht eines Zwergs würdig", sagte der Zwerg und zuckte absichtlich mit den Schultern um seine emotionale Beteiligung zu verwischen. "Hast du Kontakt mit deinen Eltern, Frau Inspektorin?"
"Das tut nichts zur Sache."
"Da sagen deine Augenbrauen etwas anderes."
Trudi atmete scharf ein. "Chief-Korporal, hier geht es um dich. Erzähl mir, warum du aus dem Kreideland verschwunden bist."
"Meine Vergangenheit scheint dich ja sehr zu interessieren."
"Nicht über das professionelle Maß hinaus." Sie notierte sich etwas auf ihrem Notizblock. "Also?"
"Ich wurde fort geschickt. Ankh-Morpork schien eine vernünftige Wahl, hier kann jeder Arbeit bekommen, der sich bemüht."
"Warum wurdest du verstoßen?"
"Du hast dich verhört, Frau Inspektorin. Ich sagte 'fort geschickt'. Zu meinen Eltern habe ich noch immer Kontakt."
"Du hältst viel von deiner Familie, nicht wahr?"
"Ich bin Stolz darauf zum Siebgut-Clan zu gehören, ja."
"Bist du auch stolz auf deine Arbeit hier?"
Sebulon dachte an Reiner und an die Bespitzelungen der letzten Wochen. "Was ich mache, ist richtig."
"Aber es macht dich nicht stolz."
"Ich spüre gefallene Wächter auf. Es macht mich nicht stolz, dass meine Kollegen an der Realität scheitern." Er sah auf den Boden vor dem Stuhl. Er selbst hatte mit der Realität ja schon so genug zu ringen. Ein Glück, dass sie ihn nicht darauf ansprach. Seine Augen richteten sich wieder auf den Gegner. Angriff statt Verteidigung. "Macht dich deine Arbeit stolz?"
Die Körpersprache der Gnomin bejahte. "Nein. Ich werde anständig bezahlt, das ist alles."
"Der Golem ist dein privates Eigentum, nicht wahr?"
Trudi wechselte abrupt das Thema. "Was isst du am liebsten?"
"Ratte am Spieß", erwiderte er ohne nachzudenken.
"Wie heißt dein bester Freund?"
"Braggasch Goldwart."
"Was sind deine größten Schwächen?"
"Zwergenbrot, Vampirinnen und ..."
Die Gnomin lächelte. "Goldwart hieß dein bester Freund?"
Sebulon stutzte. Etwas in seinem Inneren machte spoing, als ein mentales Zahnrad seine gewohnte Bahn verließ. "Und wie heißt dein bester Freund?"
"Herr Assistent ist alles für mich, was ich brauche. Wie ..."
"Aber er wird dich nie lieben", unterbrach er sie.
"Er liebt mich."
"Weil er nicht anders kann. Er ist ein Golem. Du hast keinen Freund."
"Er liebt mich!", rief sie.
'Jetzt haben wir also beide eine Nulllinie', dachte Sebulon. 'Fragt sich, wer den anderen zuerst auf seine Defizite festnageln kann.' Er legte die Hände auf seinen Werkzeuggürtel und sah die Gnomin abwartend an.
"Erzähl mir eine Lüge", sagte sie mit beherrschter Stimme. "Irgendeine."
"Ist das ein Befehl?"
"Chief-Korporal, ich kann dir keine direkten Befehle erteilen."
"Dann ist das eine Bitte?"
"Wenn du so willst, ja."
"Du bittest mich darum dich anzulügen?"
"Ja."
"Außer Herrn Assistent ist niemand ehrlich mit dir, oder?"
"Du weichst aus."
"Das wollte ich auch gerade sagen."
Trudi seufzte. "Schau, hier geht es nur um eine kleine Untersuchung, ob eine ausreichende Diensteignung vorliegt."
"Du hast mich durchschaut", sagte Sebulon und stand auf. "Ich habe was ich brauche. Keine weiteren Fragen von meiner Seite."
Die Gnomin schnappte nach Luft. Sie blinzelte zweimal, kicherte routiniert und klatschte dann in die Hände.
Herr Assistent öffnete.
"Unser Gast möchte gehen."
"Einen Schönen Tag Noch."
Sebulon salutierte vor dem Golem. "Ja, jetzt kann es einer werden."

01.05.2011 10: 55

Reiner Rundumschlag

Nach einigen Stunden wachte Reiner im Lazarett auf. Die Wächterin vom Morgen schien genug geschlafen zu haben, jedenfalls war der Zwerg alleine im Raum. Kaum ausgeschlafen blickte er sich um, jedoch gab es keine Spur von dem Kakao, den Sebulon versprochen hatte. Etwas enttäuscht machte sich Reiner daran, ein einigermaßen akzeptables Frühstück zu organisieren. Zu dem angekündigten letzten Teil des physischen Tests würde er wahrscheinlich eh nicht mehr rechtzeitig erscheinen - da konnte er sich die zu erwartende Schelte auch mit vollem Magen abholen.

In der Kantine waren nur einige wenige Wächter als Reiner noch schlaftrunken eintrat. Zu spät erst entdeckte er den Golem und seine gnomische Begleitung, die in ihrer piepsigen Stimmlage mit dem Kaffeedämon stritt.
Schockiert schaute er sich nach einer Möglichkeit zur Flucht um, doch es gab keine, da Trudi ihn schon bemerkt hatte und sich nun ihm widmete, während der Dämon sich zufrieden in seinen Schrank zurückzog. Sie wirkte auf Grund der Ereignisse der letzten Stunden, von denen Reiner jedoch nichts wusste, mehr als aufgeregt.
"Gefreiter Reiner Rundumschlag, was tust du hier? Solltest du dich nicht im Rhododendratempel in einer Kühlkammer befinden? Warum bist du noch hier?", trotz ihrer Größe hatte ihr Tonfall eine unglaubliche Schärfe, die Reiner durch Mark und Bein ging.
"Ich, äh, nun ja, ich wollte vorher noch eben frühstücken." Mehr als diese für Reiner recht lahme Antwort brachte er nicht zu Stande, worüber er sich im Nachhinein ärgerte. Doch statt eine Standpauke zu halten, lächelte die Inspektorin auf eine umheimliche Art und Weise, die nicht weniger beunruhigend als ihr Verhalten vorher war.
"Ich will gar nicht wissen, wieso du nicht da bist und dich deinen Befehlen widersetzt. Oder wieso du dich erst jetzt überhaupt blicken lässt. Du kennst deine Fehler aber wiedergutmachen, indem du mir in mein Büro verfolgst und mir einige kurze Fragen beantwortest. Herr Assistent, geleite den Herr doch bitte auf seinem Weg." Damit war jeder Gedanke an Flucht überflüssig geworden.

Als hinter ihm im Büro die Tür zuknallte, tat sie dies mit solch einer Entschlossenheit, dass Reiner sich sicher war, nie wieder heil herauszukommen. Sein Stuhl war unbequem und das ganze Büro war in seinen Augen recht geschmacklos eingerichtet. Trudis berechnender, kühler Blick verbesserte die Atmosphäre auch nicht. Auf das Schlimmste gefasst und mit einer ganzen Zwergeportion Trotz ausgestattet wartete der Anwerber auf seine "kurzen" Fragen.
"Ob es dir bewusst ist oder nicht, aber ich habe dich gerade bei einer Befehlsverweigerung ertappt. Passiert dir so etwas häufiger?" Sie holte Stift und Papier raus und machte sich daran, jedes seiner Worte aufzuschreiben, vermutlich um ihn zu verwirren oder später gegen ihn verwnden zu können. Jedenfalls hatte Reiner diesen Eindruck.
"Nein, ich versuche derartige Zwischenfällte zu vermeiden", startete Reiner diplomatisch.
"Aber sie kommen vor? Wie stellst du dir eigentlich deine Zukunft in der Wache vor, wenn du nicht mal einfachste Befehle befolgen kannst?"
"Auch einfach erscheinende Befehle können manchmal schwer zu befolgen sein, vor allem wenn andere Pflichten einen davon abhalten."
"Die Wache ist aber die oberste Pflichte!", pfefferte Trudi mit schriller Stimme gegen Reiner. Er hatte so einen Ausbruch nicht so rasch erwartet, die jüngsten Ereignisse hatten sie sehr aus der Fassung gebracht.
"Aber manchmal kann man auch der nicht nachkommen, zum Beispiel wenn man durch Fragestunden mit einer hysterischen Keiftante aufgehalten wird." Der Zwerge wurde rot, er konnte nicht glauben, was er soeben gesagt hatte. Lag es an dem Stress der letzten Tage? An der gefühlten Freiheitsberaubung durch die Inspektion? Auf jeden Fall schien Trudi einfach weitermachn zu wollen, als wäre nichts passiert.
"Kommen wir zu etwas anderem. Wie bist du zur Wache gekommen? Eines Tages bist du mit einem Empfehlungsschreiben hier aufgetaucht. Dies ist doch recht ungewöhnlich."
" Auf Grund politischer Vorkommnisse, wurde ich gezwungen ins Gefängnis oder nach Ankh-Morpork zu gehen. Ich entschied mich für Letzteres, vor allem, da mich die Stadt schon immer faszinierte."
"Also bist du ein Aufrührer und Unruhestifter?" Reiner hatte Schwierigkeiten, sich zusammenzureißen. Auch wenn er Gewalt verabscheute, ließ er sich nicht alles gefallen. Um sich zu beruhigen holte er ein Brillenputztuch heraus und begann seine Brille in aller Ruhe zu putzen.
"Nein, ich handelte nur nach meinem Gewissen."
"Auch wenn dich dies mit dem Gesetz in Konflikt bringt?"
"Ich bin Wächter geworden, um das hiesige Gesetz zu verteidigen."
"Es ist zweifelhaft, wie jemand, der praktisch als Verbrecher in die Stadt kam, ein guter Wächter sein kann." Reiner fragte sich, ob sie das ernst meinte oder ob sie ihn nur aus der Reserve locken wollte. Jedenfalls brauchte es seine gesamte Selbstbeherrschung um ruhig zu bleiben. Er beschloss nichts zu sagen.
"Ich glaube, ich bin da auf einen wunden Punkte gestoßen."
"Nein."
"Und wieso sagst du dann nichts? Ich will dir doch nichts Böses, ich will nur deine Einstellung zur Wache und geistige Verfassung herausfinden."
"Aha."
"Dein ehemaliger Ausbilder Amok Laufen ist im Dienst gestorben, danach gab es ein Verfahren gegen dich wegen Befehlsverweigerung, die der Grund an seinem Tod sein sollte. Anscheinend war das heute keine Ausnahme."
Ein Schauer überkam Reiner bei dem Gedanken an die vergangenen Ereignisse. Er machte sich noch immer Vorwürfe und hatte Amoks Tod nie richtig verarbeiten können. Aber das musste Trudi nicht wissen.
"Ja. Es war schrecklich. Aber es war nur ein Unfall."
"Nur ein Unfall? Machst du dir keine Gedanken darüber, ob Amok noch am Leben sein könnte, wenn du auf ihn gehört hättest?"
Das war zuviel. Er wusste nicht, wann er zuletzt Gewalt angewendet hatte, dazu auch noch an eine Frau. Doch er packte sie unter heftigem Protest und hielt sie hoch, sodass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Herr Assistent wollte sich auf den Zwerg stürzen, unterließ es aber, als Trudi in Reiners Gewalt war und sie ihm ein Zeichen gab, ruhig zu bleiben.
"Er hätte noch leben können. Ich hätte auf ihn hören können. Aber ich hab ihn nicht gebeten, sich zu opfern. Ich bin ein guter Wächter. Und Sie
tun alles Mögliche, um mich und meinen Kollegen an unserer Arbeit zu stören. Ich sollte sie in irgendein dunkles Loch stecken, wo niemand Sie findet und Sie uns nicht mehr schaden können. Wegen Behinderung der Justiz. Ich glaube, keiner würde Anstoß daran nehmen. Aber ich bin ein guter Wächter." Er setzte die nun stumme Trudi wieder auf ihren Platz und verließ das Büro. Auch diesmal blieb er friedlich. Aber jetzt wollte Reiner nur noch weg, irgendwohin, wo er Ruhe hatte vor Inspektoren und Tests. Und vielleicht würde er dann auch irgendwann selbst daran glauben, was er Trudi vorhin mit Nachdruck erhählt hatte.

11.05.2011 17: 43

Lilli Baum

Voller Zweifel und Schuldgefühle machte sich Reiner nach einer Weile schließlich auf den Weg zum Rhododendratempel. Es widerstrebte ihm zutiefst, vor allem, weil da ja schon wieder Trudi sein würde, aber auf der anderen Seite würde er eine Menge Ärger einkassieren, wenn er nicht kommen würde.
Die Mauern des Tempels tauchten vor ihm auch und er wollte schon an Gladiola Klinge vorbei schlüpfen, als die urplötzlich ihr Säbel zog und ihm damit den Weg versperrte. "Hey! Was glaubst du, was du da machst?!!"
Reiner hob abwehrend die Hände. "Oh, bitte, ich muss hier rein, wegen dem Test in der Kältekammer! Ich war doch gestern schon da, erinnern Sie sich nicht mehr an mich?"
Gladiola hob nur eine Augenbraue, ehe sie ein verächtliches "Hmpf!" ausstieß.
"Ich war mir nicht mehr ganz sicher. Dachte bisher eigentlich, dass ihr Wächter ein halbwergs organisierter Haufen seid und nicht einfach irgendwo zu Tests auftaucht, die längst abgesagt worden sind."
"Abgesagt?", wiederholte Reiner verwirrt.
"Abgesagt", bestätigte Schwester Klinge, "Wobei 'auf unbestimmte Zeit verschoben' es eher treffen würde. Letzte Nacht ist unsere Kühlkammer ausgefallen und es wird zwei, drei Tage dauern, bis sie wieder läuft. Deshalb hat der Inspektor beschlossen, den Test abzublasen und irgendwas von irgendwelche Gesprächen hinzugefügt. So genau weiß ich das nicht, war langweilig, also hatte ich nicht mehr richtig zugehört. Aber es wundert mich doch, dass du hier auftauchst, alle anderen Wächter wussten anscheinend alle Bescheid."
Reiner schnappte nach Luft, während vor seinem inneren Auge Trudi ihn angrinste. Dieses Miststück! Anstatt ihm zu sagen, dass der Test ausfällt, hatte sie ihn einfach umsonst zum Tempel latschen lassen! Voller Wut im Bauch marschierte er zurück zum Wachhaus.


Trudi hatte sich gerade ein neues Kleidchen angezogen, diesmal in einem milden Grünton und es sich im Anschluss gemütlich gemacht. Ihren Assistenten hatte sie fortgeschickt, den nächsten Wächter wollte sie ganz alleine ausquetschen.
Es klopfte an ihrer Tür. "Herein!", flötete Trudi und Lilli Baum betrat den Raum.
Sie salutierte und begann dann auf der Platte des Sprech-Kastens zu tippen.
"Oh, so nicht!", rief der Inspektor, ehe Horatius auch nur einen Pieps von sich geben konnte. "Ich will dass wir ganz im Privaten hier miteinander reden. Stell ihn ruhig in dein Büro, ich warte derweil hier."
Lillis Finger huschten erneut über die Platte.
Trudi stemmte sich die Arme in die Seite: "Was habe ich eben gesagt? Weg mit dem Dämon! Aber zack zack!"
Lilli seufzte ergeben und verließ das Büro. Günther sah sie an und sagte: "Meine Belohnung weil ich brav war und nur das gesagt hatte, was ich sagen sollte, kriege ich trotzdem, oder?"

Wenig später kehrte die Ausbilderin zurück in Trudis Büro. Die Gnomin lächelte. "Schon viel besser. Setz dich doch, Chief-Korporal!"
Gehorsam setzte Lilli sich.
"Nun, ich bin sehr erfreut, dass du auf meine Nachricht hin hierher gekommen bist", begann Trudi im Plauderton.
Die Wächterin verschränkte nur demonstrativ die Arme.
"Ich bin mir sicher, du hast kein Problem dich kollaborativ mir gegenüber zu verhalten, oder?"
Lilli nickte. Dann schüttelte sie den Kopf. Dann nickte sie wieder, ehe sie den Kopf erneut schüttelte. Formulierungen mit oder am Ende waren immer verwirrend.
"Ich bin nicht dein Feind", stellte Trudi fest.
Lilli lachte nur auf.
Die Gnomin stemmte sich die Arme in die Seite: "Wenn du aber willst, kann ich gerne Feind werden." Sie schnippte mit dem Fingern. "Ich habe da einen äußerst interessanten Püscho-Bericht, wenn ich das mal sagen darf! Wenn ich den richtig einsetze, dann könnte ich dir damit das Rückgrat brechen - und das meine ich nicht im wörtlichen Sinn, auch wenn ich das auch hinbekommen würde."
Verbissen starrte Lilli zurück und gemahnte sich innerlich zur Ruhe. Die Püschositzungen mit Tusnelda von Grantnik waren schon eine halbe Ewigkeit her und Romulus kannte die Berichte. Daraus konnte man ihr keinen Strick drehen.
"Oder soll ich lieber von deinem "Stamm" reden?"
Die Wächterin verzog das Gesicht. Ihr schwante übles. Dieser Bericht war doch nicht etwa von...
"Übrigens habe ich auch den Anfang einer äußerst interessanten Studienarbeit eines Zauberers hier. Der wird dir sicher bekannt vorkommen..."
Der Chief-Korporal schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. Das konnte doch nicht wahr sein, dieses blöde Stück hatte sie doch tatsächlich beim Inspektor verpetzt. Und einen Bericht geschrieben. Einen Bericht geschrieben!!
'das hätte ich nicht von dir gedacht", stellte ihr Innerer Baum fest.
'Jetzt ist nicht die Zeit für Scherze', erwiderte ihm Lilli in Gedanken und grinste dann den Inspektor an, als wäre die Welt lauter eitel Sonnenschein durchsetzt mit taktisch günstig platzierten Regenschauern.
Trudi begann zu grinsen, immer breiter und breiter. "Du glaubst doch nicht wirklich, dass du einfach nur so tun brauchst, als wüsstest du von nichts", stellte die Gnomin fest: "Ich habe schriftliche Beweise. Allein schon der Name der Ausstellerin der Püschologischen Akte könnte dir eine Menge Ärger einbringen. Ich sage nur 'Dokumentenfälschung' und 'Amtsanmaßung'!"
Erbost sprang Lilli auf. Das konnte doch nicht war sein! Und das schlimmste daran wart, dass diese blöde Akte echt war...
"Setz dich, bitte!", befahl Trudi scharf und zerknirscht setzte sich Lilli wieder hin.
Die Gnomin ging einige Schritte auf und ab: "Ich wünsche mir, dass du die nächsten Minuten mir einfach nur still zuhörst und mich nicht unterbrichst, verstanden? Ich bin optimistisch, dass du zu den wenigen Wächtern gehörst, die das tatsächlich auf die Reihe bekommen würden."
Die Wächterin gab keinen Mucks von sich.
"Wunderbar, du hast verstanden, was ich von dir möchte.
Als erstes möchte ich noch mal betonen, dass ich nicht dein Feind bin. Im Gegenteil - ich bin dein Freund!"
Verwirrt starrte Lilli die Gnomin an.
"Ich könnte dich mit Leichtigkeit in Schwierigkeiten bringen, aber ich tue es nicht. Weil ich nett bin! Ich bin nicht hier um euch Wächter zu feuern, nur dafür, um die Personen heraus zu fischen, die vielleicht Gefahr laufen könnten die nächsten Einsätze nicht unbeschadet zu überstehen. Ich bin hier um zu helfen! Das hast du doch sicher schon gemerkt, stimnmt's?"
Unsicher blickte die Wächterin sie an.
'"Ach bitte, bestes Beispiel ist die stellvertretende Abteilungsleiterin! Hast du überhaupt bemerkt, was für eine Angst sie vor Wasser hat?"
Ihr Mund klappte auf und Lilli schluckte... Tatsächlich... Wenn sie sich richtig erinnerte, dann hatte Ophelia beim Schwimmtraining deutlich angespannt gewirkt. Trudi hatte Recht. Verdammt, Trudi hatte Recht!
"Na also, das ist doch der eindeutige Beweis. Ich konfrontiere nicht nur Ophelia mit ihren Charakterschwächen, sondern auch deine Kollegen. Ich bin mir sicher, irgendwann sind sie mir dankbar, dass ich sie drauf aufmerksam gemacht hatte. Und du wirst mir sicher auch eines Tages dankbar sein."
Die Wächterin verzog nur zweifelnd das Gesicht.
"Nein, ich bin mir sicher, du wirst mir dankbar sein. Auch wenn ich zugeben muss, dass du ein sehr interessanter Fall bist. Ich kann nämlich nicht umhin kommen, zu bermerken, dass du anscheinend irgendwie Erfolg bei deiner Arbeit zu haben scheinst. Ansonsten kann ich mir nämlich nicht erklären, wieso es ein Wächter, der nie spricht es bis zum Feldwebel geschafft hat.
In der Püschologischen Akte steht, dass du ziemlich paranoid bist - und weißt du was, ich halte das für eine äußerst erstrebenswerte Tugend, man kann nie vorsichtig genug sein."
Lilli war sich nicht sicher, ob sie nicken oder den Kopf schütteln sollte. Einserseits fand sie das mit der Paranoidität eine lächerliche Behauptung, die völlig übertrieben war, aber auf der anderen Seite stimmte das mit der Vorsicht. Man konne nie zu vorbereitet sein.
"Um ehrlich zu sein, letzten Endes sehe ich nur zwei Optionen für dich: Entweder du kletterst die Karriereleiter weiter hoch, bis du dich irgendwann für eine Spezialisierung mit Büroaufenthalt entscheidest und munter mit anderen herumplauderst; oder du wirst ein Baum. Bei der ersten Möglichkeit ist es ziemlich sicher, dass du die nächsten zehn, zwanzig Jahre ohne größere Schäden überlebst - was genau in dem Sinn dieser Untersuchung ist; und im zweiten Fall befindest du dich dann in einem Zustand, den wir nicht abdecken müssen. Schließlich hast du ihn absichtlich selbst herbeigeführt. Und wir zahlen nur Rente an die Hinterbliebenen von (vollständig) toten Personen."
Lilli begann zu lächeln. Es stimmte tatsächlich - der Inspektor hatte keinen Grund sie aus der Abteilung werfen zu lassen. Erleichtert entspannte sie sich etwas.
"Nichts desto trotz", fuhr Trudi fort: "Kann ich deine Unkommunikative Art nicht guten Gewissens einfach gutheißen."
Bei Lilli schrillten sämtliche Alarmglocken.
Trudi zog plötzlich eine Visitenkarte hervor: "Ich möchte dir helfen, schließlich sind wir Freunde. Allerdings befindet sich die Art Hilfe, die mir vorschwebt im grauen Bereich, rechtlich gesehen... Aber ich glaube, dass das der richtige Weg für dich wäre."
Die Wächterin nahm die Visitenikarte entgegen und las: "Eduard Schlonz - professioneller Improvisisateur, Phantomime und Puppenspieler" darunter stand eine Adresse. Sie sah Trudi an.
"Ich fände es gut, wenn du dich bei Eddie melden würdest, der hat den einen oder anderen Kniff drauf... Allerdings erwarte ich, dass du Stillschweigen über diese Sache behältst, Eddie ist ein wirklich guter Freund von mir. Sonst könnte es glatt passieren, dass ich diese eine Akte zufällig ins Büro des Kommandeurs verlege..."
Lilli schnaubte. Sie erkannte eine unverhohlene Drohung, wenn man ihr unverhohlen drohte.
"Eines noch", fuhr Trudi ein letztes Mal an. "Ich werde ein, zwei Püschologische Sitzungen empfehlen, damit sich dein Abteilungsleiter nicht wundert. Am, besten bei... wie hieß der impertinente Kerl noch mal? Ach, Sebulon. Geh ihm ein bischen auf die Nerven von mir, ja? Du kannst gehen."
Erleichtert sprang Lilli auf und verschwand schleunigst aus dem Büro. Hinterher hielt sie inne und fragte sich, ob es eigentlich gut oder schlecht für sie ausgegangen war...

13.05.2011 0: 06

Septimus Ebel

Septimus Ebel schlief. An dem Abend vorher, dem katastrophalen Abend, war er noch viel zu lange aufgeblieben. In seinem Zuhause angekommen, hatte er zunächst seine Eltern aus dem Bett gescheucht und eine familiäre Krisensitzung gefordert.
Immer und immer wieder hatte er ihnen eingetrichtert, niemandem, den sie nicht kannten und der keine glaubwürdige Wächter-Marke vorzulegen hatte, Auskunft über ihn zu geben. Er hatte ihnen mit möglichst spektakulären und grausamen Visionen ins Gedächtnis gerufen, wie gefährlich so etwas sein konnte, dass es im Ernstfall Leben kosten konnte.
Ja, er hatte übertrieben. Seine Mutter im Morgenmantel, weinend. Sein Vater mit vor der Brust verschränkten Armen, in den verfilzten Bart herab starrend.
Aber so etwas war nun einmal für den verdeckten Ermittler eine ernste Situation!
Leider musste er durchaus zugeben, dass er seinen Frust über den Verlauf des gestrigen Abends an seinen Eltern ausgelassen hatte. Sein schlechtes Gewissen und sein Stolz gegenüber Trudi plagten ihn noch lange. Es war fast drei Uhr nachts, als er sich endlich ins Bett legte.
Als ihn das Klappern von Töpfen, welches das Mittagessen ankündigte, jäh aus dem Schlaf riss, befand er sich mitten in einem Traum. Der Moment des Aufwachens trug die Farbe Rosa und blonde Locken mit in den Morgen. Es war kein unangenehmer Traum gewesen. Das ärgerte ihn.
Plötzlich wurde ihm bewusst, wie spät es sein musste. "So ein verdammter... !"
Septimus fiel aus dem Bett, während er versuchte nach seinem Flickenmantel zu greifen. Hektisch setzte er sich auf und tastete nach den Sandalen. "Von wegen Uniform", brummte er dabei.
Er zog sich rasch an, ohne sich zu waschen, stürmte in die Küche und ließ sich von seiner Mutter einen Fingerhut lauwarmen Kaffee eingießen. Ein übernächtigter Blick aus dem Fenster erfasste hellgrüne Blätter und ein paar verlorene Sonnenstrahlen. Er dachte darüber nach, dass er heute eine Menge wieder in Ordnung bringen musste. Einige soziale Probleme lösen musste, neutral formuliert. In seinen Worten formuliert, war es eher ein Ins-Chaos-Stürzen. Septimus dachte, dass er für eine Begegnung mit dem Chaos schlecht gerüstet war.
Mit einem auffällig betontem Seufzer ließ sich Octavia Ebel auf einem Stuhl neben ihrem Sohn nieder. "Eigentlich Schade."
"Mmh?"
"Nun ja", sie rückte leicht auf dem Stuhl vor, "eigentlich fand ich die kleine Dame so furchtbar nett, weißt du?"
Septimus schwenkte seinen Fingerhut und brummte: "Ich dachte, wir hätten das gestern Nacht geklärt."
"Ja, aber sie war so höflich und wirkte ehrlich nett. Sie hatte ein so bezauberndes Lächeln... und du kannst ja nicht gerade behaupten, dass wir häufig einen so reizenden Damenbesuch bekommen, der dich zu sehen wünscht und... "
"Mama!"
Sie zückte die Schulter und setzte sich gerade auf. "Ich wollt' s ja nur gesagt haben."
"Ja, vielen dank, Mutter", erwiderte er mit ironischem Unterton.
"Außerdem", fügte Octavia hinzu, "dachte ich, es könnt doch was Offizielles sein, weil sie doch den Patrizier kennt und so... "
Er kippte den letzten Schluck hastig herunter und erhob sich. "Ist schon gut, Mama."
Dann hastete er zum Wachhaus.


Schließlich stand der Lance-Korporal vor der Bürotür, hinter der das Chaos wartete. Er versuchte regelmäßig Atem zu holen und sich auf das Kommende zu konzentrieren.
Sollte er lügen? Worum nicht einfach die Wahrheit sagen? War eine Entschuldigung und ein Ich-schätze-Sie-sehr-Frau-Wohlgemut, hinter dem sich ein Ich-mag-dich-eigentlich versteckte, so schwer über die Lippen zu bringen?
Septimus wollte sich einen Ruck geben, hielt aber inne. Er hatte das Gefühl, als würde ihn dort etwas furchtbar Unangenehmes erwarten. Ein diabolisches Schießgericht.
Immerhin war er einfach weggelaufen, hatte sie einfach liegen gelassen. Kopfloser Idiot! Was war nur in ihn gefahren?
Auch die Sache mit dem Glas ließ ihn nicht los. Er hätte schwören können, dass er es im Wachhaus gelassen hatte, als er zu dem Konditionstest aufgebrochen war...
Ach, ja. Der Test... Wie es den anderen wohl ergangen war?
Hätte ihn die sich öffnende Tür nicht unterbrochen, dann wäre Septimus noch lange Zeit den Pfaden gefolgt, die seine Assoziationsketten führ ihn legten.
Lilli stolperte nicht einmal über ihn, sie bemerkte ihn gar nicht erst. Sie war aufgeregt. Das erkannte er an ihrem leicht stampfendem Schritt mit dem sie sich entfernte. Nach ein paar Metern blieb sie im Flur stehen und schien über etwas nachzudenken. Dann verschwand ihre große Gestalt.
Durch die offene Tür trat er langsam in das Zimmer. Septimus Ebel spürte, wie ihm ein süßlicher Parfümgeruch entgegen schlug.
Die Schlange räkelte sich gerade mit einem selbstzufriedenen Lächeln auf ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch. Sie bemerkte ihn nicht, widmete sich ihren Notizen.
Septimus trat näher. "T-Trudi?"
Das war überhaupt nicht das, was er zu sagen geplant hatte.
Sie bemerkte ihn immer noch nicht oder tat zumindest so.
Ein Räuspern. Noch ein paar Schritte. "F-Frau Wohlgemuth?"
Immer noch dieses verdammte Stottern.
Er stand nun in deutlicher Sichtweise. Sie ignorierte ihn definitiv.
"Inspektor!" Er merkte, dass seine Stimme begann, aggressiv zu klingen.
Sie schenkte ihm nur ein vor Desinteresse triefendes: "Mh.Mh."
"Ich bin hier wegen des geforderten Gesprächs." Er bemerkte, dass sein rechte Hand die linke krampfhaft umschloss. "Errr... ich, wollte sagen... dass es mir lei-"
"Warten Sie bitte draußen, bis Sie an der Reihe sind, Lance-Korporal. Andere haben Vorrang."
Die förmliche Anrede brannte wie Gift. Gestern Abend hatten sie sich so gut unterhalten. Sie hatte sich sogar für B.A.U.M. interessiert. Er wäre sogar fast bereit gewesen, ihr Dinge anzuvertrauen. Persönliche Dinge.
"Aber-"
Sehr langsam hob sich ihr Blick und fixierte ihn bedrohlich. Dann lächelte sie plötzlich aufgesetzt. "Bitte warten Sie, bis Sie an der Reihe sind. Sie stehen als letztes auf meiner Liste."
Die Wörter wurden wie ein schmerzhaftes Staccato der Doppeldeutigkeit gesprochen. Nun gut, sie wollte ihn erstmal eine Weile leiden sehen.
"Natürlich", antwortete er widerstrebend und drehte sich der Tür zu.
Auf der Schwelle stand ein paar Schuhe. Ein Blick nach oben identifizierte die Besitzerin. Septimus wusste nicht, ob seine Kollegin ihm leid tun sollte oder, ob er froh sein sollte, weil er noch etwas Aufschub bekommen hatte. Er entschied sich für ersteres.
Er hasste warten.

21.05.2011 18: 42

Mina von Nachtschatten

Für einen kurzen Moment verharrte Septimus noch unentschlossen auf der Schwelle und konnte sich einen letzten Blick zurück nicht verkneifen, doch anscheinend deprimierte ihn das Ergebnis: Seine Schultern sanken nach unten und er kletterte über die Schuhe vor ihm nach draußen in den Gang. "Viel Glück", murmelte der Gnom noch undeutlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wobei er sich in diesem Fall ganz sicher sein konnte, dass die Kollegin ihn verstanden hatte.
Ja, Glück würde sie tatsächlich gebrauchen können. Mina hatte seit dem frühen Morgen im Geiste mehrere Möglichkeiten durchgespielt, wie sie sich vielleicht vor diesem Gespräch drücken könnte, doch hatte im Endeffekt keine eine glaubhafte Alternative abgegeben. Leider. Denn der Vampirin fielen auf Anhieb wenigstens ein halbes Dutzend Themen ein, über die sie sich keinesfalls ausführlicher mit der Gnomin da auf dem Schreibtisch unterhalten wollte. Allerdings stand zu befürchten, dass Trudi Wohlgemuth sich genau auf eben jene stürzen würde, wie ein Aasgeier auf einen Schafkadaver. Sie schien genau der Typ dafür - hinter einer derartig unschuldigen Aufmachung, garniert mit einem zuckersüßen Lächeln, lauerte für gewöhnlich das Grauen. Wie viel davon wohl in so eine kleine Person passte?
"Ich hoffe, du hast ein wenig Zeit mitgebracht, Lance-Korporal", begann die Inspektorin, kaum das sich die Bürotür geschlossen hatte. "Es gibt da die ein oder andere Sache, die mich ein wenig näher interessiert. Aber setz dich doch erstmal."
Schon die ersten zwei Sätze gefielen ihr ganz und gar nicht. Kommentarlos nahm Mina auf dem angebotenen Stuhl Platz und verschränkte die Arme.
Trudi schüttelte amüsiert den Kopf.
"Ich kann nicht behaupten, dass mir dieses Bild unbekannt ist; in der Tat habe ich das heute schon ein paar Mal gesehen. Diese Abwehrhaltung. Dabei tue ich doch nichts weiter, als ein paar simple Fragen zu stellen. Wollen wir?"
"Ich glaube nicht, dass das Wollen eine allzu große Rolle spielt", wagte Mina anzumerken. Sie wusste nicht, wie weit sie gehen konnte, ohne die Inspektorin unnötig zu provozieren; aber das jemand quasi vom grünen Tisch aus über die Arbeit einer ganzen Abteilung richten sollte, anscheinend ohne selbst zu wissen was es hieß, Wächter zu sein - dafür fehlte ihr das Verständnis. Die Kleine hatte sie alle in der Hand, wusste das und spielte ihre Trümpfe großzügig aus. Sie würde ihr nicht auch noch die Freude machen, von vornherein klein beizugeben.
"Oh, ich lasse immer eine Wahl; ich bin eine große Freundin von Entscheidungsfreiheit." Die Gnomin lächelte immer noch, allerdings glomm nun noch ein anderer Glanz in ihren Augen auf. Es war eine beinahe unmerkliche Veränderung, aber ihr Blick bekam dadurch etwas unangenehm Bohrendes. "Du kannst gern wieder gehen, die Tür ist nicht abgeschlossen."
Für einen Moment herrschte Schweigen und keine der beiden rührte sich auch nur einen Zentimeter vom Fleck. Dann klatschte Trudi in die Hände.
"Ich wusste, dass man sich mit dir vernünftig unterhalten kann. Also Fräulein von Nachtschatten, was macht ein Vampir bei der Wache?" Sie hob den Zeigefinger, bevor die verdeckte Ermittlerin auch nur den Mund aufmachen konnte und fuhr fort: "Mich interessiert gar nicht so sehr deine Motivation, du hast sicher gute Gründe für dein Hiersein. Aber man muss sich manchmal einfach fragen, ob das ausreicht. Ich selbst könnte zum Beispiel die nobelsten Motive haben um, sagen wir mal, mir einen Namen beim Trollboxen in der Schwergewichtsklasse zu machen." Trudi zuckte mit den Schultern. "Ich würde es aber trotzdem nicht tun. Weil ich realistisch bin."
"Wenn Sie damit andeuten wollen, dass Sie Vampire als für den Wachedienst ungeeignet halten", erwiderte Mina langsam und um einen neutralen Tonfall bemüht, "dann sparen Sie sich doch die Metaphern und sagen es gleich".
"Und was hättest du dann darauf geantwortet?", fragte Trudi neugierig.
"Ich hätte es wohl zur Kenntnis genommen, ohne irgendetwas dazu zu sagen."
"Sehr diplomatisch. Das ändert aber nichts am Kern der Sache. Sieh es als Denkanstoß" Die Gnomin pochte mit einem winzigen Bleistift auf ein viel zu großes Blatt Papier, dann wechselte sie das Thema.
"Weißt du, was mir bei Lesen deiner Akte aufgefallen ist? Du hast in den letzten zwei Jahren an ein paar Fällen gearbeitet, die manche Leute als traumatisch bezeichnen würden: Nehmen wir nur diese Valtieri-Affäre als Beispiel oder die Mopsvestia Ermittlung in der Unsichtbaren Universität. Du hast gesehen, wie sich ein Kollege in ein Tentakelmonster und wieder zurück verwandelt. Von den kopflosen Zauberstudenten ganz zu schweigen."
Trudi hatte angefangen, auf der Tischplatte auf und ab zu gehen, aber so brach wenigstens für einen Moment der direkte Blickkontakt ab, was Mina nicht ganz ungelegen kam. Egal wie tief sie die Erinnerungen an diesen letztgenannten Vorfall im Unterbewusstsein vergrub, die Sache verfolgte sie noch immer und hin und wieder brachen sich die Bilder Bahn - im Grunde noch viel zu oft. Aber sie würde sich hüten, Trudi auch nur im Entferntesten wissen zu lassen, dass sie hier einen Treffer gelandet hatte ... obwohl die verdeckte Ermittlerin das dumpfe Gefühl nicht los wurde, die Gnomin wäre sich darüber ohnehin im Klaren.
"Dann auch noch zuletzt der Einsatz deiner stellvertretenden Abteilungsleiterin; du warst bei dem verheerenden Ende ja dabei, also muss ich dich nicht extra an die Einzelheiten erinnern", fuhr die Inspektorin fort, "Mit der gleichen Kollegin hast du ein paar Monate zuvor verdeckt in einem Tempel ermittelt, was für deinesgleichen ja nicht unbedingt gesund ist. Und weiß du was?" Sie blieb stehen. "Trotz all dem habe ich kein einziges püschologisches Protokoll in deinen Unterlagen gefunden."
"Ich ... komme zurecht", antwortete Mina knapp, "Aber wenn ich daran erinnern dürfte, dass wir gestern aufgrund Ihrer Anordnung in eben diesem Tempel ..."
Trudi schob den Einwand mit einer unwirschen Geste beiseite.
"Das ist nicht dasselbe", beharrte sie, seufzte dann und setzte sich wieder. "Und wenn es nur das wäre, könnten wir uns das Ganze hier wahrscheinlich auch sparen, aber ... deine Familie lebt in Überwald?"
Plötzlich war sie wieder da, die harmlose kleine Gnomin, die "nur ein paar Fragen" stellte und unschuldig lächelte. Allerdings fühlte sich Mina durch diesen erneuten und nicht ganz nachvollziehbaren Themenwechsel doch ein wenig aus dem Konzept gebracht.
"Ja, und?"
"Kein Kontakt?"
"Nein."
"Warum?"
Nächster Treffer. Die Vampirin ließ sich einen Moment Zeit mit der Antwort.
"Bei allem Respekt, ich glaube kaum, dass dieses Thema für diese Untersuchung relevant ist. Sagen wir einfach, wir haben unsere ... Differenzen. Und der Rest geht Sie ehrlich gesagt auch nichts an."
Trudi schüttelte bedauernd denn Kopf.
"Schade. Vielleicht hätte ich doch eine Anfrage über die überwaldischen Botschaft stellen sollen", überlegte sie laut, "Auch wenn das mit der Antwort bestimmt ein wenig gedauert hätte, es wäre sicher sehr aufschlussreich gewesen, denkst du nicht?"
Für jeden anderen wäre das nur ein harmloser Satz gewesen, aber in den richtigen Zusammenhängen war es eine lediglich notdürftig versteckte Drohung. Und beide Seiten wussten, dass die Botschaft angekommen war. Trudis Mundwinkel waren immer noch nach oben gezogen, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht mehr. Ein kleiner Brief und die Familie weiß genau Bescheid. Stell dir vor, was ich noch alles hineinschreiben könnte ...
Mina ballte die Hände zu Fäusten und zwang sich, Trudi weiterhin ins Gesicht zu sehen. Sie würde vor dieser miesen kleinen Erpresserin nicht die Fassung verlieren.
"Wer weiß?", erwiderte sie nur.
"Tja, wir werden es wohl nie erfahren, was?" Die Gnomin lachte perlend. "Aber wenn du mir einen Versuch gestattest: Ich tippe darauf, dass die ganze Sache nicht wenig mit deinen kleinen ... Besonderheiten zu tun hat?"
"Es ist ja auch sehr schwer, darauf zu kommen."
"Kein Sarkasmus bitte. Aber lass uns kurz bei dem Thema bleiben: Ein Vampir der kein Blut verträgt? Sehr eigenwillig."
"Ich habe doch schon gesagt, dass ich zurecht komme."
"Ja, noch." Trudi erhob sich und baute sich direkt an der Tischkante auf, die Hände in die Seiten gestemmt. "Du bist nicht bei den Schwarzbandlern?"
"Ich wüsste nicht, das es dazu einen Anlass gäbe."
"Gibt es nicht, nein? Gut, du hast doch aber bestimmt trotzdem einen Ersatz."
"Wie, Ersatz?"
"Na ich denke das läuft so? Dass ihr euer Verlangen auf etwas anderes projizieren müsst, um eure Instinkte unter Kontrolle zu halten?", erwiderte Trudi in naivem Tonfall.
Das war jetzt nicht wirklich wahr! Musste es immer und immer wieder auf die selbe Sache hinauslaufen? Die Inspektorin bediente sich tatsächlich der trivialsten Stereotypen um sie aus der Reserve zu locken? Das Dumme war nur, dass es nach der bisher geleisteten Vorarbeit anscheinend funktionierte. Mina hatte einige Mühe, das Zittern in ihrer Stimme unter Kontrolle zu halten, als sie antwortete. "Was wollen Sie eigentlich?"
Trudis Augen blitzen.
"Ich mache mir ehrlich gesagt nicht so sehr um dich Sorgen. Außerdem gibt es so wie ich das verstanden habe im Fall der Fälle keine Hinterbliebenen, zumindest keine, die irgendwelche Forderungen stellen würden. Worauf ich hinauswill: Was ist mit deinen Kollegen? Wenn du eben ... mal nicht mehr zurecht kommst?"
Einen Augenblick lang war es so still, dass man die Spinnen in der Zimmerecke hätte niesen hören können. Doch dann:
"Könnten Sie das vielleicht noch einmal wiederholen, ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass ich das richtig verstanden habe. Sie wissen schon, was sie da gerade unterstellen?" Es war nur ein kleiner Teil ihres Unterbewusstseins der registrierte, dass sie Trudi jetzt anschrie - und dem war es in diesem Moment auch herzlich egal.
Die Gnomin schien allerdings völlig unbeeindruckt. "Habe ich denn berechtigten Anlass, so etwas zu tun?"
Die verdeckte Ermittlerin holte Luft, um ihrer Gegenüber noch irgendetwas an den Kopf zu werfen ... aber da kam nichts mehr. Es war vielmehr eine Art Resignation, die sich breit machte. Trudi hatte gewonnen. Daher gelang es Mina, den nächsten Satz erstaunlich emotionslos über die Lippen zu bringen.
"Ich glaube nicht, dass ich mich noch weiter mit Ihnen unterhalten möchte."
"Wie gesagt, da ist die Tür."
Ohne ein weiteres Wort erhob sich die Vampirin und verließ den Raum. Die Tür fiel allerdings etwas heftiger in Schloss als beabsichtigt.

24.05.2011 0: 10

Ophelia Ziegenberger

Ophelia zog den dünnen Lederriemen mit leichtem Nachdruck an und hakte die Schnalle um ein Loch kürzer ein. Ihr linker Arm lag jetzt unverrückbar am Körper an, den Unterarm quer über die Körpermitte geführt, als wenn sie sich mit der tauben Hand die Seite hielte. Sie griff mit der freien Hand an den Garderobenständer und warf sich die Pelerine modisch über die linke Schulter, bevor sie sie mit einer Brosche feststeckte. Den kleinen Hut mit der langen Nadel quer durch die Hochsteckfrisur fest zu pinnen erforderte schon etwas mehr Geduld, wobei sie sich bei dem kritischen Blick im Spiegel vor allem darüber ärgerte, dass eben jene Frisur am Morgen von Märrie, der Haushaltshilfe der Familie gestaltet worden war.

Ophelia drehte sich mit durchgestrecktem Rücken seitlich, um zu kontrollieren, ob auch alles zur Zufriedenheit säße. Sie nickte grimmig und wandte sich dann entschlossen der Tür zu.

Die Inspektorin wollte sie im Restaurant treffen - dann sollte es so sein.

24.05.2011 21: 48

Lilli Baum

Irritiert sah sich die stellvertretende Abteilungsleiterin im Restaurant um, denn es waren weder Personal noch Gäste anwesendl. "Hallo?", fragte sie in den anscheinend menschenleeren Ort herein.
"Hier oben!", quäkte Trudi und Ophelia sah auf. Da war das gewaltige Aquarium. Und oben ,auf der Kannte, stand der Inspektor. An den Rändern des Beckens war ein dickes Holzgitter und eine Treppe führte da hinauf, inklusive einer kleinen Plattform, auf der einige große Pflanzenpötte mit ausufernd wuchernden achatenen Gewächsen standen.
Furchtlos balancierte der Gnom die Kante entlang und meinte im Plauderton: "Es ist immer wichtig, die Dinge aus der richtigen Perspektive zu sehen!"
Ophelia wandte ihren Blick ab, leichte Ãœbelkeit kroch in ihr hoch... Das... war einfach viel zu viel Wasser! Wie sollte sie da nur....
Ein spitzer Schrei und ein lautes Platschen riss die Wächterin aus ihren Gedanken und ihr Blick heftete sich auf das Aquarium. Trudi war hineingefallen und sank reglos wie eine Puppe nach unten zu einigen neugieriegen Garnelen, während sich Rot von ihrem Kopf aus im Wasser ausbreitete.
Die Wächterin wusste sofort, dass nur Minuten den Inspektor vom sicheren Tod trennten. Und sie war ganz allein...

24.05.2011 22: 19

Ophelia Ziegenberger

Ophelia musste nicht lange nachdenken. Ihre Hilfe wurde gebraucht, also rannte sie quer durch das merkwürdig leere Restaurante auf das riesige Becken zu. Ihre Sinne hatten schon, seit sie den Klatschianischen Palast betreten hatte, ununterbrochen Informationen gesammelt und nun schlug ihr Instinkt Alarm: Alles deutete auf eine Falle hin!
Sie blickte sich schnell um, rannte dabei jedoch weiter, inzwischen mit einer Hand ihre Röcke raffend die hölzerne Treppe zu der Plattform hinauf. Ihre kleinen Stiefelabsätze schlugen ein hartes Stakkato auf die polierten Holzstufen, neben ihrem schnellen Atem die einzigen Geräusche in dem großen Raum.
"Ist hier jemand? Wir brauchen Hilfe!"
Die Tische und Stühle antworteten in einvernehmlichem Schweigen, die achatenen Blütenranken schlenkerten sacht beiseite, als sie in den Luftzug ihres Wettrennens gegen die Zeit gerieten.
Ophelia hatte nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet. Alles an diesem menschenleeren Ort wirkte falsch, wie eine Kulisse der Klickerfilme, die nur auf ihren Einsatz wartete. Sicher, es war noch früh am Tag aber sie wusste von dem Ruf des Klatschianischen Palastes. Unter normalen Umständen war hier immer mit Gästen zu rechnen!
Sie kniff frustriert die Lippen zusammen und hielt Ausschau nach etwas, mit dem sie die Gnomin aus dem Becken holen konnte. Es musste doch irgendetwas dazu Geeignetes geben? Schließlich war es sehr unwahrscheinlich, dass die Angestellten nach der Wahl eines Gastes ins Wasser sprangen, um das gewünschte Wassertier für ihn herauszufischen und bratenfrisch zu servieren.
Die Wächterin erreichte die Plattform. Ein kurzer Blick in das Becken reichte um festzustellen, dass die Gnomin am Ende einer rosa schimmernden Spur im Wasser auf dem Grund angekommen war. Ihre verschwommene Gestalt ruhte scheinbar friedlich mit geschlossenen Augen auf einem großen Blatt, umspielt von winzigen Fischen mit grellbunten Streifen.
Unzählige Blumentöpfe nahmen den meisten Platz auf der Plattform ein. Doch schnell fand sie, was sie halb erhofft, halb erwartet hatte. Die Plattform war nicht einfach nur ein schlicht zusammen gezimmertes Floss, das man aufgebockt hatte um über den Rand des Beckens zu reichen. Das hätte dem kostspieligen Ambiente widersprochen. Es handelte sich um ein rundum schön geschreinertes Podest, nach allen Regeln der Kunst mit Schnitzereien versehen - und mit einem Hohlraum im Inneren ausgestattet, um darin Gerätschaften aufzubewahren, die zwar sinnvoll waren, wenn man so ein außergewöhnliches Biotop zu betreuen gedachte, die aber ganz sicher nicht den überkritischen Blicken der Gäste zuzumuten waren.
Die Ermittlerin kniete sich neben die etwa zwei Meter lange Klappe am Boden und zerrte an den Riegeln, bis diese sich mit einem Schnappen öffneten. Sie schlug den Deckel zurück, so dass die Holzplanke protestierend in ihren Scharnieren knatterte, bevor sie mit einem dumpfen Knall aufschlug. Im Inneren des schmalen Hohlraums lagen unzählige Stangen, etwas, das wie ein Entermesser mit Stiel aussah, unhandliche Drahtgebilde mit feinmaschigen Beuteln daran und Seile. Sie griff ohne zu zögern nach einem dreieckig geformten, etwas festerem Draht, an dem ein weiches Netzt befestigt worden war. Mit fliegenden Fingern suchte sie nach einer Stange, deren Gewinde mit dem des Netzbügels übereinstimmen mochte. Glücklicherweise schienen die Gewinde alle miteinander kompatibel zu sein. Im Stillen sandte sie ein Dankgebet an Annoia, während sie die fertig zusammengefügten Teile zwischen ihren Beinen einklemmte und gleichzeitig mit der rechten Hand neue Stücke anfügte.
Stange fügte sich an Stange, bis Ophelia schätzte, dass die Länge der Apparatur ausreichen musste, bis zum Grund des Beckens zu gelangen. Es waren auch alle Einzelstangen aufgebraucht.
Sie sprang auf, griff sich den Köcher und eilte zum Beckenrand.
Die kleine Inspektorin hatte sich keinen Millimeter fort bewegt.
Schnell senkte Ophelia das Netz an dem Draht ins Becken hinab, platzierte es unterhalb des Blattes auf dem die Gnomin lag und begann es dann vorsichtig hochzuziehen, in der Hoffnung, dass diese in das Netz rutschen würde.
Da sie das Ende der Stange, welches aus dem Wasser wieder heraufkam, abwechselnd unter dem Arm festklemmen und unter der Achsel weiterrücken musste, um ihren Halt weiter vor zu versetzen, war ihre rechte Seite bald vom Arm abwärts in Aquarienwasser eingeweicht.
Sie fühlte sich beobachtet und konnte einen frustrierten Kommentar nicht unterdrücken. Sie rief in die Stille, die nur vom Geräusch des überschwappenden und herabtropfenden Wassers erfüllt wurde: "Wenn dieser Person etwas passiert, dann auch weil Ihr nicht geholfen habt!" Das Personal würde wohl kaum auf einen Schlag verschwunden sein. Warum auch immer sie sich zurück hielten, das hier ging auch den Besitzer des Restaurante und seine Angestellten etwas an.
Endlich erreichte das Netz mit seiner kostbaren Fracht die Oberfläche und sie konnte es über den Beckenrand ziehen und auf der Plattform ablegen. Ophelia stürzte sich auf das Netz, kniete auf den Dielen und zog dessen schlaffen Inhalt vorsichtig aus den Schichten hervor.
Sie blickte erstarrt auf das, was sie in der Hand hielt. Ihre Finger begannen zu zittern, ob aus einem Übermaß an Adrenalin oder aus aufkochendem Zorn, wusste sie nicht so genau zu beurteilen. Sie blickte in dem Moment auf, als nicht einmal einen Meter von ihr entfernt kleine Gnomenhände langsam zu klatschen begannen.
"Gar nicht mal so schlecht, für eine Spontanreaktion auf einen unangekündigten Test. Ich bin beinahe gerührt von so viel Mitgefühl."
Plötzlich war das Restaurante gefüllt von aufgeregten achatenen Stimmen und dicht neben ihr tauchte eine kleine Frau mit schmalen Augen auf, die aufgeregt mit starkem Akzent auf Ophelia einredete.
"Wil möchten betonen, dass wil nichts mit diese Sache zu tun haben. Fläulein Tludi hat uns mit einem sehl offiziellen Schleiben davon übelzeugt, dass wil zu einel Zusammenalbeit velpflichtet walen. Wil bitten vielmals um Velzeiung, welte Flau Ziegenbelgel!"
Ophelia konnte ihren Blick kaum von der dreist grinsenden Inspektorin abwenden und merkte nur am Rande, dass ihre Hand sich derart krampfhaft um die Puppe geschlossen hatte, dass sie das darin eingesaugte Wasser auf ihren Schoß und dort durch die diversen Stoffschichten wrang.
"Im Ernstfall würdest Du mich jetzt doch noch umbringen.", sagte die Gnomin und nickte zu der Puppe hin.
Ophelia atmete tief durch. Ein Wutanfall würde nichts bringen, außer die Situation dadurch zu verschlimmern, sich selbst lächerlich zu machen. Sie senkte den Blick und legte die Puppe betont vorsichtig auf das Podest, bevor sie sich mit raschelnden und triefenden Stoffschichten erhob und sich ohne einen Blick zurück der Treppe zuwandte.
Die hohe Stimme hinter ihr begleitete sie offenbar mit in den Restaurantebereich, denn sie behielt den Abstand bei.
"Wie wäre es mit diesem Tisch dort? Er ist noch frei. Was für ein Glück, wo es doch immer so schwierig ist, hier ein Plätzchen zu bekommen."
Ophelias Instinkte wollten nichts sehnlicher, als sie zum Ausgang zu lenken. Ihre Vernunft riet ihr jedoch anderes. Vielleicht ließ sich diese Sache ein für allemal klären, indem sie der Inspektorin Rede und Antwort stand und es dann hinter sich hätte? Die kleine Dame war definitiv niemand, den man langfristig ungestraft mit Ignoranz hätte behandeln können.
Sie seufzte tief und ließ sich dann von Trudi zu dem gewünschten Tisch geleiten. Der reservierte Platz war nicht zu verwechseln, da auf einer Seite ein Aufsatz die Sitzfläche nahezu auf Tischniveau brachte.
Eine junge Angestellte verbeugte sich rituell vor der Gnomin und streckte ihr beide Handflächen einladend hin. Ein Angebot, welches diese kommentarlos gnädig gewährte. Kaum dass Ophelia gemeinsam mit der kleinen Kontrolleurin am Tisch saß, biederte sich ihr eine weitere junge Dame in eng geschnittenem Kleid und mit mehrfachen Verbeugungen an.
"Es wäle uns eine Ehle, wenn Du als Entschuldigung fül all die Unannehmlichkeiten unsele Dienste in Anspluch nehmen wüldest, welte Wächtelin. Dülfen wil Dil etwas von unselem ausgezeichneten Teesoltiment anbieten? Vielleicht einen leichten Jasminblütentee? Ja?"
Ophelia nickte leicht und versuchte sich unter dem observierenden Blick Trudis so schnell und gründlich wie möglich zu sammeln. Konnte es noch schlimmer kommen?
Die Gnomin ließ keine Zeit verstreichen und noch während sie auf die Bestellungen warteten, begann sie mit ihrem schlecht verhüllten Verhör in Form des von ihr geliebten Frage-und-Antwort-Spiel.
"Du bist nicht ins Becken gesprungen, um mich zu retten."
Ophelia mied ihren Blick und ließ diesen stattdessen auf dem nun friedlich wirkenden Wasserbassin ruhen.
"Es war offensichtlich nicht nötig."
"Und wenn es dies gewesen wäre?"
"Dann hätte ich gewiss das Richtige gemacht."
"Das Richtige im Sinne von doch hineinspringen?"
"Das Richtige im Sinne von angemessen. Wäre es denn angemessen gewesen sich zusätzlich in ernste Gefahr zu bringen, indem man als Nichtschwimmer hinterher springt?"
Aus dem Augenwinkel registrierte sie, das Trudis Mimik zwischen Triumph und Verärgerung zu schwanken schien. Hoffentlich war ihr eigener Ausdruck nicht annähernd so leicht zu durchschauen. Nun denn, dies konnte wohl kaum anstrengender werden als die mit Gelassenheit zu ertragenden 'Verhöre' durch Großtante Pätrischa!
Sie saß aufrecht auf dem zerbrechlich wirkenden Stuhl du legte ihre Hand auf dem Schoß ab. Ihren Blick wandte sie mit aller aufzubringenden Gelassenheit auf die Inspektorin. Machte diese wirklich 'nur' ihren Dschob? Sie bezweifelte es.
"Mir ist bewusst, dass es ein ernstes Anliegen zu sein scheint, uns allen bei R.U.M. unsere Fehlbarkeiten deutlich vor Augen zu führen. Dies ist wohl zur Genüge gelungen. Wir sind keineswegs ignorant und über unseren Kooperationswillen hinaus haben wir beispielsweise den Verbesserungsvorschlägen, wie dem Schwimmkurs, zugestimmt. Niemand möchte auf dem alten Stand stehen bleiben. Wir werden weiterhin an uns arbeiten, um Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erlernen oder zu erweitern, die es uns ermöglichen werden, unseren Aufgaben noch besser nachzukommen."
Die Getränke erreichten ihren Tisch und Ophelia bemerkte mit dem Teil ihrer Aufmerksamkeit, der sich mit ihrer Umgebung und vor allem den Vorgängen in ihrem Rücken beschäftigte, dass die Lokalität wieder für den normalen Kundenverkehr geöffnet worden war. Das Restaurante füllte sich mit Gästen und die Geräuschkulisse näherte sich einem normalen Pegel an.
Sie nippte an dem duftenden heißen Tee, wobei sie dankbar feststellte, dass das Zittern aus ihrer Hand verschwunden war.
Als sie wieder aufblickte, war der Blick in Trudis Augen schwer zu deuten.

26.05.2011 13: 00

Sebulon, Sohn des Samax

Zum ersten Mal in seinem Leben bemerkte Sebulon, dass ihm Achatener suspekt waren, als er mit wackelndem Werkzeuggürtel und grimmigem Blick in das Restaurant stapfte. Er hatte sich nie für speziistisch gehalten, doch Leute, die ihn kollektiv mit diesem Blick anlächelten ...
Eine Gnomin in einem Haufen Achatener zu finden war nicht weiter schwer.
"Frau Inspektor", begann er, noch bevor er am Tisch angekommen war, doch dann wurde er der stellvertretenden Abteilungsleiterin gewahr und entschied sich zu einem angemesseneren Tonfall und einem kurzen Salut. "Ma'am."
"Sebulon", sagte Ophelia überrascht, nickte jedoch und deutete auf einen freien Stuhl. Sie schien erleichtert zu sein, nicht länger alleine mit der Gnomin reden zu müssen. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass er seine Entscheidung schon bald bereuen würde.
Er setzte sich auf den Stuhl, ließ die Beine frei schwingen und tippte auf die Tischplatte.
"Frau Inspektor", versuchte er es erneut, "ich bitte um ein paar Erklärungen."
"Herr Agent", flötete die Gnomin, "sie dürfen bitten. Ob die Antworten genehm sind, liegt nicht in meinem Ermessen."
"Heute war Lilli Baum bei mir. Sie bat um ein püschologisches Gespräch." Der Zwerg ließ die Stille ein wenig wirken, was den Kellner ermunterte, um die dritte Bestellung aufzunehmen, doch Sebulon ignorierte den Mann, der sich erkundigte, ob er etwas "tlinken" wolle. "Wie oft kommt es vor, dass nach Ihren Untersuchungen die Untersuchten Hilfe erbitten?"
Ophelia lehnte sich zurück. Sie konnte eingreifen. Sie konnte den Püschologen davor bewahren, sich selbst zu schaden. Andererseits hatte die Gnomin in den vergangenen 24 Stunden an mehr als einer Dienstehre gekratzt. Warum sollten die verborgenen Energien der Wächter nicht auf etwas sinnvolles gerichtet werden? "Ist das so?", fragte sie zurückhaltend.
"Einen Allwettertee mit extra Minze für den Zwerg, bitte", schickte Trudi den Ober fort, bevor sie sich dem Zwerg zuwandte.
Für eine geschlagene Minute sahen sich die beiden in die Augen. Nach und nach wurde es im Raum ruhiger, bis der Straßenlärm lauter war als das übrig gebliebene zaghafte Gemurmel.
"Hier sind zwei erwachsene Leute im Gespräch miteinander", sagte Trudi und ihre Stimme klang tiefer als erwartet. Knarriger. Männlicher - nein: zwergischer.
Sebulon blinzelte.
"Meinst du nicht, dass es höflich wäre zu warten, junger Zwerg?"
Der Magen des Wächters verkrampfte sich. Das sind nur püschologische Spielchen, sagten seine Gedanken, doch sein Rückenmark wehrte sich dagegen, diese Gedanken durch zu lassen.
"Ich dachte, ihr hättet eine Pause ..."
"Was sagt man da?", fuhr ihm Trudi ins Wort.
Sebulon presste die Lippen aufeinander. Das war unter der Gürtellinie. Deutlich unter der Gürtellinie. Mühsam presste er hervor: "Du ... bist ... nicht ... mein Vater."
Ein siegreiches Lächeln schlich sich auf die gnomischen Lippen. "Du meinst wohl: Mutter."
Ophelia wurde sich schlagartig bewusst, nach welchem Schema Trudi vorging. Das hier war zwar ganz anders als vorhin bei ihr - aber es war nicht angenehmer. Und es ging dem Befragten tief unter die Haut. Der alte Knollenbeißer erschien ihr auf einmal als ein vergleichsweise fröhlicher, geselliger Zeitgenosse, der zumindest direkt war.
"Du hast kein Recht über meine Eltern zu sprechen", knurrte Sebulon. "Ich will eine Antwort auf meine Frage, warum ..."
"Du vermeidest das Wort "Mutter". Und ich sehe in deinem Gesicht, dass ich richtig liege. Da, deine Augenbrauen", quiekte die Gnomin und fuchtelte mit dem kleinen Zeigefinger in Richtung des zwergischen Gesichts.
"Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute." Kräftige Zwergenfinger schlossen sich um das ausgestreckte Handgelenk der Inspektorin. "Weißt du", sagte Sebulon, "ich habe noch nie versucht, jemandem einen Knochen zu brechen, vor dem ich Respekt habe."
"Dann sieht die Situation für mich ja schlecht aus", grinste Trudi, "oder spielst du auf deine Mutter an?"
"Genug", sagte die Frau mit bestimmtem Tonfall und setzte die Teetasse ab. "Lass sie los, Chief-Korporal. Das ist ein Befehl." Als sich die Hände voneinander lösten, zeichneten sich die Druckspuren markant auf dem Handgelenk ab. Ophelia bemerkte, dass Trudi versuchte keine Schwäche zu zeigen, obwohl der Wächter offensichtlich die Grenze überschritten hatte, jenseits der die Welt der Schmerzen geduldig harrte. "Wir sind alle etwas angespannt, würde ich meinen." Ihr kritischer Blick traf den Zwerg nicht, der noch immer versuchte seine Wut unter Kontrolle zu bringen. "Vielleicht sprecht ihr beide später noch einmal, wenn sich die Gemüter beruhigt haben, hmm?"
Sebulon blickte Ophelia fragend an.
"Wegtreten", sagte sie.
Widerwillig erhob sich der Zwerg. "Ma'am", sagte er. Dann hielt er inne und räusperte sich: "Mir wäre fast entfallen ... der Lance-Korporal Ebel bat mich darum, herauszufinden, wie lange er noch vor dem Wohlgemut'schen Büro warten soll, er würde sich nämlich gern in die Kantine setzen und eine kurze Dienstpause einlegen."
Ophelias Gesicht verdunkelte sich. Funkelnde Blicke trafen auf das Unschuld heuchelnde Gesicht der Gnomin. Persönliches hin oder her: Ihre Wächter hatten Arbeit zu tun und sie davon abzuhalten war regelrecht gegen das Gesetz - einmal ganz davon abgesehen, dass auch Septimus nicht verdient hatte, stundenlang darauf zu warten in der Hölle zu schmoren.
- Wo war dieser Gedanke gerade her gekommen?
"Richte ihm aus", sagte der Chief-Korporal, "dass wir auf dem Weg sind und Frau Wohlgemut ihn in der Kantine abholen wird, wenn sie soweit ist. Sag ihm, er soll sich etwas Papierkram mitnehmen. Er hat sicher noch genug zu tun; wir sollten ihm nicht die Gelegenheit nehmen seine Arbeit zu tun, wenn er schon, nichts für ungut, sinnlos wartet. Wir werden hier noch bezahlen und dann kommen wir nach."
Der Zwerg salutierte und ging. Er rempelte den Kellner ein wenig an, der sich und das Tablett in seiner Hand jedoch in Balance hielt.
"Allwetteltee?", fragte er Trudi höflich.

30.05.2011 11: 18

Septimus Ebel

Als Sebulon im Wachhaus ankam, fand er Septimus bereits in der Kantine sitzend vor. Der Lance-Korporal hatte das sklavische Warten vor dem Büro wohl aufgegeben. Dort saß er auf einer der Tischflächen, über eine große Akte und einen Fingerhut Tee gebeugt.
Als der Püschologe sein Gesicht sah, wusste er, dass den kleinen Kollegen etwas bedrückte. Er musste nicht lange spekulieren, um darauf zu kommen, wer der Grund dafür sein konnte. Es gab derzeit vermutlich nur wenige in der Abteilung RUM, die nicht ebenfalls unter dem Inspektor litten.
Sebulon, Sohn des Samax, und Septimus Ebel, der Sohn von Octavia, waren allein in der Kantine. Beide waren müde, erschöpft, gestresst. Aus der Ferne konnte man kurz den Lärm eines Betrunkenen hören, der empört dagegen protestierte, in Gewahrsam genommen zu werden. Zwei junge Stimmen, offenbar Rekruten, beruhigten den Mann und es wurde wieder still.
Sebulon holte sich eine heiße Schokolade und setzte sich dem Gnom gegenüber.
"Ich soll dir von Chief-Korporal Ziegenberger ausrichten, dass du dir deine Pause nehmen kannst. Und sie erwähnte noch, dass man lange Wartezeiten durchaus für Aktenarbeit nutzen kann." Sebulon deutete auf die Blätter unter Septimus. "Mir scheint diese Nachricht allerdings nun etwas überflüssig."
"Nun ja", Septimus setzt sich gerade hin und zuckte mit den Schultern. "Es gibt nicht viel, was diesen Tag noch schlimmer machen kann. Wenn ohnehin nichts meine Laune noch mehr senken kann, dann kann ich genauso in den alten Akten wühlen."
"Sag mal", horchte Sebulon langsam nach, "kann es sein, dass du den Eindruck erwecken willst, fleißig zu sein?"
"Was heißt denn hier 'Eindruck erwecken'?" meckerte der verdeckte Ermittler. "Ich bin fleißig."
Sebulon konnte sich ein kleines belustigtes Lächeln über seinen Kollegen nicht verkneifen. Gemächlich nippte er an seiner Tasse Schokolade. "Und, gibt es jemanden bestimmten, den du beeindrucken willst? Du musst meine Frage verstehen, schließlich hast du in letzter Zeit ja nicht gerade durch Anwesenheit und Arbeitsfleiß geglänzt." Der kundige Blick des IA-Agenten flog über den Inhalt der aufgeschlagenen Akte. "Und nun sitzt du hier und bearbeitest einen Fall, von dem ich dachte, dass er längst abgeschlossen sei."
"Worauf willst du hinaus? Spreche ich gerade mit dir als IA-Agent oder als Sebulon?"
"Du sprichst mit jemandem", erklärte Sebulon, "der vor nicht allzu langer Zeit laufen musste, lange laufen musste. Du sprichst mit jemandem, der Runde umr Runde im Dreck Hindernisse überwunden hat. Und du sprichst mit jemandem, der eine Beinahe-Begegnung mit einem - "
"Falls du auf meine Abwesenheit beim Konditionstest anspielst", unterbrach ihn der Gnom, "dann schiebe ich die volle Verantwortung auf Trudi. Sie war es, die mich davon abgehalten - "
"Trudi? Du nennst sie beim Vornamen?" Leichtes Entsetzen, gemischt mit unverhohlenen Ekel und einer großen Portion Überraschung waren Sebulons Stimme anzuhören.
Dass der Gnom rasch die Hände an die Hüften stemmte und einen Moment nach Luft schnappte, verriet seinen wunden Punkt nur zu gut. "Darum geht es überhaupt nicht", schnappte er. "Es geht darum, dass in diesem Fall hier noch ein paar Details geklärt werden müssen. Das ist alles."

31.05.2011 23: 29

Mina von Nachtschatten

An anderer Stelle war man unterdessen nicht ganz so fleißig wie der Gnom in der Kantine und wenngleich auch hier Tee- und Kaffeetassen auf dem Tisch standen, so war doch keine Spur von irgendeiner Akte oder anderem Papierkram zu sehen. Obwohl das so nicht ganz richtig war: Reiner saß am Tisch und zerpflückte ein ganz bestimmtes pinkes Blatt Papier in winzige Fetzen, die er dann offensichtlich frustriert zu Boden schnippte. Der grimmige Gesichtsausdruck des Zwergs hatte die anderen bisher davon abgehalten, sich nach dem Sinn dieser Tätigkeit zu erkundigen. Fynn unterdessen tappte nervös mit dem Fuß auf den Boden und lief aller paar Minuten zum Fenster, um einen kurzen Blick hinaus auf den Pseudopolisplatz zu werfen, während sich die beiden verbleibenden Wächterinnen damit begnügten, nachdenklich Löcher in die Luft zu starren: Ob nun reiner Zufall oder kollektiv-unbewusste Handlung, Mina und Lilli schafften es in vier von fünf Fällen, ihre Tassen beinahe synchron an die Lippen zu heben, ohne das aber von der jeweils anderen wahrzunehmen.
Wie auch immer es im einzelnen Fall genau aussehen mochte, man wartete - auf etwas, von dem zwar nicht genau wusste wann, aber durchaus das es kommen würde. Zumindest war man sich im Stillen einig, einen geeigneten Platz für diese Aktivität gewählt zu haben: Der RUM-Aufenthaltsraum war allemal besser als eine Kantine, von der man nicht ganz genau sagen konnte, wann sie sich wieder mit Wächtern füllen würde. Bedauern konnte man sich schließlich auch ziemlich gut allein: Seit die Sache mit der Inspektion die Runde gemacht hatte, sparten Kollegen andere Abteilungen nicht mit mitleidigen Blicke. Das ging mit der Zeit auf die ohnehin schon angespannten Nerven und bevor es noch zu irgendeinem Zwischenfall kam, blieb man lieber unter sich. Wobei in diesem Fall geteiltes Leid nicht unbedingt eine tatsächliche Halbierung dessen bedeutete.
"Sie will mich ganz bestimmt noch mal durch die Mangel drehen, ich weiß es!", brach Fynn schließlich das Schweigen.
"Und wenn, dann lass dich bloß nicht provozieren. Denn noch ein tätlicher Angriff auf eine Mitarbeiterin des Patriziers ... macht sich bestimmt nicht so gut im Gesamtbild," knurrte Reiner, ohne den fragenden Gesichtsausdruck des anderen Gefreiten zu beachten.
Lilli hob die Hand zum Zeichen, dass sie sich an der Konversation beteiligen wollte, holte dann Kärtchen und Stift hervor und begann zu schreiben - Horatius und sein Kasten befanden sich noch immer in ihrem Büro. Nach einer kleinen Weile schob sie ihrer Kollegin das Stück Papier zu.
"Zumindest leben wir alle noch", las Mina laut vor und Lilli nickte bekräftigend. Allerdings hatten diese aufmunternd gemeinten Worte nicht unbedingt den gewünschten Effekt.
"Ja, noch!"
"Na ja, wie man's nimmt."
"Nur gut, dass dieser Kühlkammertest ausgefallen ist."
"Die ist doch darauf aus, uns fertig zu machen", fügte Fynn noch hinzu und schüttelte sich. In seinen Augen glomm ein klein wenig Panik auf. "Ich will nicht noch mal mit der reden. Da fühlt man sich wie das Schaf vor der Schlachtbank."
"Nun warte doch erst einmal ab, vielleicht passiert ja auch gar nichts mehr. Und im Notfall kannst du dich ja auch immer noch weigern." Mina trank einen weiteren Schluck Tee und zuckte dann mit den Schultern. "Ich für meinen Teil hätte auch kein Bedürfnis nach einer weiteren ... Unterredung."
"Aber ob sich das wiederum so gut macht ..."
"... wäre mir in dem Fall wohl ziemlich egal."
Lilli schrieb.
"Kopf hoch Leute, sie kann ja wohl kaum eine ganze Abteilung feuern", erschien auf dem Zettel.
"Ach, der trau ich alles zu!" Reiner knüllte den noch verbliebenen Rest Papier zu einem Ball zusammen und warf ihn in die Richtung, in der er den Papierkorb vermutete - allerdings machte er sich nicht die Mühe nachzusehen, ob er auch tatsächlich getroffen hatte. Anstelle dessen hob der Zwerg bedeutungsvoll den Zeigefinger und sah in die Runde. "Übrigens könnte man mit einer gut organisierten Wächtergewerkschaft derartigen Sachen effektiv ..."
Er wurde vom leisen Quietschen der Tür unterbrochen. Ein reichlich verdattert dreinblickender Sebulon betrat den Raum und ließ sich auf den erstbesten Stuhl fallen.
"Er nennt sie beim Vornamen ...", murmelte er leise vor sich hin und schüttelte ungläubig den Kopf. "Wenn das so weitergeht ..." Dann wurde er sich der fragenden Blicke der restlichen Anwesenden bewusst und räusperte sich. "Septimus wird wohl unten bleiben, bis Frau Inspektor Wohlgemuth eintrifft", informierte er seine Kollegen.
Lilli schrieb, Mina las: "Armer Kerl." Die Vampirin seufzte. "Hoffentlich hat die Inspektorin wenigstens halbwegs gute Laune und nimmt ihn nicht zu sehr auseinander."
"Hast du da Hoffnung?"
"Also ... nein, nicht wirklich."
"Sag ich ja, wie Schafe vor der Schlachtbank", murmelte Fynn und warf beinahe schon routinemäßig einen weiteren Blick nach draußen. Diesmal sah er allerdings gleich noch einmal hin und wurde dann etwas blass um die Nase.
"Sie ist im Anmarsch", gab er dann mit vor Nervosität kieksender Stimme bekannt.
Hälse reckten sich und der ein oder andere begab sich ebenfalls zum Fenster: Zwei nicht unbekannte Gestalten hatten den Pseudopolisplatz überquert und würden in wenigen Augenblicken das Wachhaus betreten.
"Chief-Korporal Ziegenberger sieht nicht gerade glücklich aus", merkte Sebulon an, "Aber das war ja auch nicht anzunehmen."
"Vielleicht sollten wir besser in unsere eigenen Büros zurückkehren", meinte Mina, schon auf halbem Weg zur Tür. Sie wollte der Gnomin wohl keinesfalls einmal mehr als nötig über den Weg laufen. "Sonst versucht sie uns am Ende noch irgendwelche konspirativen Treffen gegen ihre Person in die Schuhe zu schieben."
Der Vorschlag stieß auf allgemeine Zustimmung, obwohl Reiner so aussah, als wäre er einer kleinen Verschwörung gar nicht mal so abgeneigt. Man tauschte noch letzte betroffene Blicke, dann scharrten Stühle über den Boden und kurz darauf lag er RUM-Aufenthaltsraum wieder verlassen da. Lediglich unzählige kleine und großzügig über den Boden verteilte farbige Papierfetzen deuteten darauf hin, dass überhaupt jemand hier gewesen war.

12.06.2011 20: 37

Septimus Ebel

Ein pikiertes Räuspern ließ Septimus hochschrecken. Er hatte Trudis Ankunft nicht bemerkt, bis sie direkt vor ihm auf der Tischplatte stand. Sie sah auf ihn hinab - im wörtlichen und metaphorischen Sinne, das machte ihr Blick allzu deutlich.
Alles geht schief, dachte er.
Eine Weile lang schwiegen sie sich an. Jeder versuchte die Gefühlslage des anderen an seiner Mimik abzulesen, ohne zuviel von sich selbst zu verraten. Da kam Septimus auf die Idee, dass Trudi vielleicht genauso unsicher war, wie er. Es konnte sein, dass sie genauso wenig wusste, wie sie mit der Situation umgehen sollte. Ihm schien es, alles wolle sie etwas sagen, aber nicht wusste, wie sie anfangen sollte. Ein unterdrücktes Zucken ihres linken Auges ließt ihn vermuten, dass sie ihrem Hass oder ihrer Rache zunächst Ausdruck verleihen wollte. Dann schluckte sie, schien es sich anders zu überlegen und setzte ihr Inspektor-Lächeln auf, das gleichzeitig zuckersüß und eiskalt war.
Es muss noch etwas anderes geben, dachte er. Etwas ganz Persönliches, das sie schützen will. Etwas, das mit ihrer Fassade nicht zusammenpasst.
"Ist das Ende der Liste nun erreicht, Frau Inspektor?", erkundigte er sich ruhig.
Sie nickte nur. Septimus bemerkte, dass sie nicht sonderlich ausgeschlafen wirkte. Jeder, der viel schauspielern muss, wird irgendwann müde, ist es irgendwann leid. Vielleicht hatte er heute Glück und dieser Augenblick war nun gekommen.
"Soll ich Kaffee holen?", fragte er.
"Das wäre nett." Sie schluckte schwer. In diesem Moment entschied sie sich wohl, die Unterhaltung etwas entspannter zu führen als geplant. "Aber für mich keinen Zucker. Damit habe ich aufgehört."
Septimus holte zwei Becher mit Kaffee und verschaffte ihnen beiden damit noch etwas mehr Zeit. Wenn sie nur offen mit ihm reden würde! Etwas stimmte nicht mit dieser Gnomin, das ihn beunruhigte. Etwas, das bisher nur eine vage Ahnung war und es vielleicht auch bleiben würde. Aber als erfahrener Wächter wusste er, dass er dieses Gefühl der Unruhe nicht ignorieren durfte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Wenn sie nur mit ihm reden würde. Und er selbst? Wie ehrlich durfte er sein? Wie viel Schwäche durfte er zeigen? Immerhin konnte sie ihm durchaus gefährlich werden. Auf der anderen Seite: Einer musste den Anfang machen. Er hielt es für das beste, erst einmal eine belanglose Unterhaltung zu beginnen.
Septimus stellte die dampfenden kleinen Becher auf der Tischplatte ab und sank in den Schneidersitz. Trudi setzte sich ihm gegenüber, schlürfte ihren Kaffee und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
"Wussten Sie, dass Wächter ungewöhnlich oft an Magenproblemen leiden?", fragte er.
"Natürlich weiß ich das", erwiderte sie. "Liegt sicher an dem schlechten Kaffee."
Sein Blick wanderte über die stille Kantine. "Viele Fälle wurden hier schon über Kaffeetassen gelöst."
"Wie unserer zum Beispiel?" Ihr aufgesetztes Lächeln war verschwunden und machte einem ernsthaft besorgten Gesichtsausdruck platz.
"Ich weiß es nicht genau." Er ließ sich auf das Gleichnis ein: "Ich habe etwas Probleme unseren Fall zu ordnen, die Strukturen zu erkennen, die Perspektiven und Absichten zu durchschauen. Was haben wir eigentlich für Anhaltspunkte?"
Sie seufzte. "Wir haben einen Inspektor, die von allen gehasst wird, obwohl sie nur helfen will, indem sie das Beste aus ihren Prüflingen herausholt und sie mit ihren dunkelsten Problemen konfrontiert, indem sie sie zwingt, über die Wahrheit nachzudenken. Wir haben eine Gnomin, die sich für einen unsicheren und gutaussehenden Gnom interessiert. Dieser Gnom lässt sich auf sie ein, unterhält sich aufrichtig und begeistert mit ihr, macht ihr Hoffnungen. Hoffnungen darauf, dass es jemanden gibt, der sie nicht wie einen Parasiten behandelt. Dann, wenn es darauf ankommt, den logischen weiteren Schritt zu gehen, bekommt er Angst. So viel Angst, dass er ihr etwas Grausames antut, um sie los zu werden, nur um sich selbst zu schützen. Und jetzt steht die Gnomin, die gleichzeitig die Inspektorin ist, vor der Frage, ob sie die Wahrheit über den Gnom dazu einsetzen soll, ihm ebenfalls etwas Grausames anzutun."
Erst jetzt wurde Septimus klar, was er angerichtet hatte. Warum genau die Käfer so schrecklich für Trudi waren, konnte er jetzt annähernd erahnen. Es tat ihm leid, sie enttäuscht zu haben. Aber irgendwie konnte er immer noch nicht ganz an ihre völlige Aufrichtigkeit glauben. Trudis letzter Satz enthielt ohne Zweifel eine Drohung. Jedoch stellte sie diese Drohung zur Diskussion, ließ ihm die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Er musste jetzt sehr vorsichtig sein und jedes Wort sorgsam wählen.
"Darf ich offen sprechen, Frau Inspektor?"
"Alles andere wäre unklug", erwiderte sie.
"Die Wahrheit", sagte er langsam, "ist eine faszinierende Sache. Alle glauben, sie stehe fest, statisch, objektiv, nicht diskutierbar. Dabei ist sie höchst flexibel. Alle glauben entweder, sie sagen die Wahrheit oder sie lügen für die Wahrheit. Dabei benutzen sie sie nur für sich selbst. Sie erinnern sich nur an das, was sie im Gedächtnis behalten wollen. Sie lassen Fakten oder Gefühle weg oder erfinden welche, um vor anderen und vor sich selbst besser darzustehen. Es gibt dabei solche, die dafür nichts können, es ist einfach ihre Art mit den Dingen umzugehen. Und es gibt solche, die sich dessen bewusst sind, die meinen, sie beherrschen die Wahrheit. Das eine ist genauso fatal wie das andere. Aber so ist das Leben nun einmal. Ich glaube, wir beide, wir gehören zu der zweiten Sorte. Und ich glaube, wir beide wollen, dass das ein Geheimnis bleibt."
Er sah, wie sich ihre Hand verkrampft um den Becher schloss. Ihre Fingerknöchel wurden weiß. Kein gutes Zeichen. Er versuchte, sie mit einer Handbewegung zu beruhigen und sie dazu zu bringen, weiter zuzuhören.
"Wir sind nun unter uns und können ehrlich miteinander sein. Natürlich werde ich unser Geheimnis für mich behalten. Es ist besser so. Es erfüllt einen Zweck. Denn wir können Schein und Sein einsetzen, um die Welt besser zu machen. Ich glaube fest daran. Das mag eine Illusion sein. Aber es ist eine nützliche. Die Leute wollen nicht die Wahrheit. Deswegen hassen sie auch die Inspektorin in unserem Fall. Die Wahrheit interessiert niemanden. Ob eine Geschichte wahr ist, ist für die meisten egal, solange sie gut erzählt wird und ihre Wirkung zeigt. Es ist aber trotzdem wichtig, dass es jemanden gibt, der sie erzählt. Es ist wichtig, dass es die Inspektorin gibt."
Er schluckte schwer, dann fuhr er fort: "Was unseren Fall betrifft, so bin ich mir nicht sicher gewesen, warum die Gnomin sich für den Gnom interessiert. An dem Abend schien es mir wie ein Spiel, bei dem ich nicht immer erkennen konnte, was wahr war und was nicht. Denn die Gnomin beherrscht das Spiel Wahrheit und Lüge zu vermischen perfekt. Aber jetzt weiß ich es. Die Gnomin sucht nach jemandem, der sie als Gnomin sieht und ihr als Gnomin zuhört. Ich kann dieser Jemand sein. Aber dann will ich Aufrichtigkeit. Es ist schwer, das in meiner Position zu fordern. Ich habe der Gnomin etwas Grausames angetan, aber sie muss mir glauben, bitte: Es war keine böse Absicht. Es war ein Unfall. Dass ich weggerannt bin, war dumm und feige. Ich bitte die Gnomin ehrlich um Verzeihung und hoffe, sie gibt dem Gnom eine zweite Chance."
Trudis Zeigefinger tippte rhythmisch auf den Kaffebecher. Sie dachte gründlich nach. Schließlich sah sie ihm fest in die Augen und wechselte wieder zum persönlichen Du: "Ich habe dich vollkommen in der Hand, Septimus."
Er hielt ihrem Blick stand. "Ja, das hast du, Trudi."
"Ich muss einen Bericht über dich abgeben."
"Und was willst du darin vermerken?"
Sie zog eine Braue hoch. "Das kommt darauf an, ob die Aufrichtigkeit, die du von mir verlangst, nur in privaten Dingen gelten soll, oder auch im Beruflichen. Wenn ich die Wahrheit schreiben würde, dann würde in dem Bericht stehen, dass du - mal abgesehen von dem Püschologen - püschig gesehen das schwächste Glied in der Abteilungskette bist. Du kannst Beruf und Privates nicht genug von einander abgrenzen. Allen drängst du deine Ansichten über den Umweltschutz auf. Fälle, die einigermaßen etwas mit Natur und Tieren zu tun haben, bearbeitest du sehr viel sorgfältiger und mit mehr Eifer als die anderen. Du hast in den letzten eineinhalb Jahren nicht gerade durch hervorragende Leistungen geglänzt, bist immer nur mit geschwommen, hast nur das Nötigste erledigt und das oft nicht einmal. Du hast eine gespaltene Persönlichkeit, die irgendwann eine Ermittlung ernsthaft gefährden könnte. Du hast deine Gefühle nicht immer unter Kontrolle. Du hast keine Freunde, zu denen du ehrlich stehst und keine sozialen Kontakte, die dir in einer püschologischen Krise Halt geben könnten. Du hast Probleme emotionale Bindungen aufzubauen und kennst die Mitglieder deiner Abteilung kaum näher. Alles in allem sieht es für dich ziemlich schlecht aus."
Septimus Magen verkrampfte sich so stark, dass ihm schlecht wurde. Ich bin erledigt, dachte er.
"Aber", begann Trudi.
Er horchte auf. Es gab ein Aber!
"Aber, ich denke, dass du ein guter Wächter bist. Dass du viel Ahnung hast von dem, was du tust. Du bist momentan in einer schwierigen Phase, wenn du dich mehr motivierst, dann bist du zu mehr fähig. Du hast Potential."
Septimus atmete erleichtert aus.
"Nichtsdestotrotz hast du ernsthafte Probleme da oben." Sie deutete auf seine Stirn. "Wenn ich daran glauben würde, dass er dir helfen könnte, dann würde ich dir eine Menge Sitzungen bei eurem Püschologen aufzwingen. Aber das tue ich nicht. Du hattest oft genug die Möglichkeit dazu und hast sie nicht genutzt. Es ist wohl besser, Samaxsohn bleibt ein Freund für dich, denn ich glaube, das ist er, auch wenn du es nicht zugeben willst, und nicht ein Püschologe."
"Und, was schlägst du vor?", fragte der Gnom nervös.
"Ich denke, ich werde in dem Bericht nicht das schreiben, was wir beide jetzt wissen. Ich denke, ich schreibe die Wahrheit, die am besten ist für dich. Und ich denke, wir sollten uns öfter mal auf ein Glas Wein treffen, um unsere", sie tippte sich an ihre eigene Stirn, "Püscho-Macken gegenseitig zu kurieren."
Sie machte eine kunstvolle Pause und ließ das Gesagte wirken. "Nun, was hält der Gnom aus unserem Fall davon?"
Septimus lächelte breit und dieses Mal war es die Gnomin, die von diesem Lächeln gefangen genommen wurde.
"Der Gnom glaubt", sagte er und streckte ihr die Hand entgegen, "das könnte der Beginn einer Freundschaft von zwei Gnomen sein, die ehrlich zueinander sind und die andere wunderbar in den Wahnsinn treiben."
Sie ergriff seine Hand feierlich, strich langsam mit dem Daumen über die Handfläche und lächelte verführerisch mit einem kleinen Hauch boshafter Vorfreude.

15.06.2011 19: 09

Sebulon, Sohn des Samax

Romulus fand seine Stellvertreterin im RUM-Aufenthaltsraum über einem Wust an Zettelstücken. Er klopfte von innen noch einmal an die Tür, damit sie ihn bemerkte.
"Du puzzelst?"
"Erst seit zehn Minuten", sagte sie und erhob sich schulterzuckend. "Manchmal bin ich überrascht, was hinter unserem Rücken alles in der Abteilung passiert."
"Ein konspiratives Treffen?", mutmaßte Romulus.
"Vielleicht. Es ist aber schwer, aus den Fetzen, die ich gefunden habe, irgendeinen Sinn herauszulesen."
Romulus hockte sich hin und nahm die Zettel in Augenschein. "Sieht ein wenig nach Lillis Handschrift aus."
"Und es liest sich wie eine Codesprache", gab Ophelia zu. "Schau hier: Armer Kerl. Und dort: leben wir."
Der Werwolf grinste. "Da erwacht tatsächlich mein Ermittlerinstinkt ... aber leider habe ich dafür gerade keine Zeit. Die Inspektorin und ihr Golem erwarten uns zur vollen Stunde im Hof. Sie will uns als Abteilung etwas sagen."
Eigentlich wollte der Werwolf ihren bitteren Gesichtsausdruck unkommentiert stehen lassen, doch ihre geballten Fäuste ließen ihn nachfragen: "Was genau ...?"
Sie schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht darüber reden, was alles in ihr aufstieg, wenn sie an die Inspektion dachte. Und jetzt sollte die ganze Abteilung noch einmal vorgeführt werden, bevor irgendeiner der Geprüften zu gehen hatte? Wenn es nur irgendeine Instanz gab, die das verhindern könnte ...
Ein Gedanke blitzte durch Ophelias Geist, der ihr ein kleines Stück weit Genugtuung verschaffte. "Wird der Kommandeur da sein?"
"Ich weiß es nicht. Hab ihn heute noch nicht gesehen."
"Danke, dass du mir Bescheid sagst, Rom. Ich muss eben etwas erledigen. Wir sehen uns nachher unten im Hof."
"Und ich gehe mal einen Besen suchen", brummte der Abteilungsleiter seiner Stellvertreterin halbherzig hinterher.

Ein Zettel wurde unter Breguyars Tür hindurchgeschoben. Der ehemalige Pirat hob ihn auf, las ihn, juckte sich an der Nase und entschied sich dann mit Mühe gegen einen kräftigen Schluck aus der geöffneten Flasche.

Sebulons Bürotür öffnete sich kurz einen Spalt breit, ein Formular flatterte in sein Zimmer und schon war die Tür wieder verschlossen.
"Hey!", rief er, eilte zur Tür, doch als er nachschaute war im Gang bereits niemand mehr zu sehen. "Wie seltsam." Er hob das Formular auf. Es war ein Beschwerdevordruck, gerichtet an die Wacheleitung. Die kritischen Gedanken verschwanden und gänzlich unbewusst wanderten seine Füße zum Schreibtisch.
Kompetenzüberschreitung, dachte er mit Bezug auf die vergangenen Tage. Behinderung von Wachearbeit. Entwürdigendes Verhalten. Püschologische Kriegsführung. Mobbing.
Ihn packte die Lust, das Formular auszufüllen. Er nahm sich vor, zurückhaltend zu sein.

Wenige Minuten, bevor Araghast sein Büro verlassen wollte, kündigte sich die Rohrpostauslieferung von mehreren Beschwerdeformularen durch das Keifen multipler Dämonenstimmen an.
Der Kommandeur hielt sich den Kopf. Und nahm dann doch einen Schluck aus der Flasche.

16.06.2011 11: 54

Lilli Baum

In Ruhe schaute sich der Kommandeur jedes einzelne ausgefüllte Formular an, wog die Einwände gewissenhaft ab und warf sie schließlich zusammengeknüllt in seinen Papierkorb [10]. Beim letzten Exemplar blieb er einen Moment lang hängen, las es zur Sicherheit ein zweites Mal und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er holte eine Rohrpostkapsel aus seinem Schreibtisch, legte das Beschwerdeschreiben hinein und adressierte das ganze an die Abteilungsleitung von RUM, ehe er sie einwarf. Dann setzte er sich wieder an seinen Schreibtisch, um sich wieder wirklich wichtigen Dingen zuzuwenden und noch einen Schluck aus der Flasche zu nehmen, ehe er sie wieder an ihren angestammten Platz verstaute.

Die Wächter hatten sich draußen versammelt und warteten darauf, dass Trudi endlich sagte, was sie zu sagen hatte. Aber sie sprach nicht.
Der Inspektor saß nur auf der Schulter von Herrn Assistent und feilte sich mit einer winzigen Nagelfeile die Fingernägel, während sie von der Abteilung RUM angestarrt wurde. Schließlich wurde es einen der Wächter zu dumm. "Was willst du von-"
"Nein nein nein!", unterbrach die Gnomin: "Ihr müsst schon warten, bis ich hier fertig bin."
"Was soll der Scheiß?", zischte Jack zu Kolumbini hinüber, der nur mit den Schultern zuckte.
Schließlich setzte Trudi die Nagelfeile ab und pustete einmal über ihre Fingerspitzen. Dann steckte sie die Nagelfeile wieder ein und musterte die Wächter lang und ausgiebig. Schließlich schnippte sie mit ihren Fingern und stellte fest: "Jetzt habe ich eure Zeit vergeudet."
Die meisten Wächter waren im ersten Moment zu verdattert, um zu reagieren, außer Sebulon, der sogleich mit einer Schimpftirade dem Gnom mal gehörig die Meinung geigen wollte. Doch ehe er genug Luft in seine Lungen hinein gepumpt hatte um das auch in einer ordentlichen Lautstärke zu tun, legte ihm Ophelia eine Hand auf die Schulter und schüttelte den Kopf. Deshalb grummelte der Zwerg nur wütend in seinen Bart hinein.
"Aber hey, so wertvoll kann eure Zeit nicht sein, sonst würdet ihr nicht so viel mit Beschwerdeschreiben vertrödeln. Übrigens seid ihr nicht die einzigen, die welche verschicken können."
Aus Romulus' Richtung war ein leises und deutlich genervtes Stöhnen zu vernehmen.
"Anstatt eure Zeit für Unsinn zu vergeuden, solltet ihr euch lieber auf die erfolgreiche Durchführung der Inspektion konzentrieren. Dadurch, dass ihr so unkooperativ seid, hat sich alles nur unnötig in die Länge gezogen. Wenn ihr gleich ordentlich mitgemacht hättet, wäre diese Untersuchung schon längst vorbei. Auf der anderen Seite - wenn ihr von vorneherein ordentlich gearbeitet hättet, wäre diese Untersuchung niemals notwendig geworden."
Sie ließ den Blick über die Wächtermenge schweifen.
Ophelia schnappte zornig nach Luft, doch wurde sie zurückgehalten. "Das ist sie nicht wert", meinte Sebulon leise.
'"Ihr könnt nun gehen", fügte Trudi in einem gönnerhaften Tonfall hinzu: "Der letzte Test wird in zwei Stunden im Tempel der Rhododendra stattfinden. Die betroffenen Wächter wissen Bescheid. Ich erwarte Pünktlichkeit."
Sie machte eine kurze Handbewegung und Herr Assistent stampfte mit ihr wieder davon.
"Was für eine blöde Kuh!", grummelte Fynn leise vor sich hin, was die meisten anderen Wächter nur dachten.

Zwei Stunden später standen die Wächter im Innenhof des Tempels und sahen einigen Anhängerinnen Rhododendras beim Training zu, während sie selbst darauf warteten, dass der Inspektor endlich erschien.
Reiner schaute auf die Uhr, die er mitgenommen hatte und kratzte sich am Kopf. "Die zwei Stunden sind um. Wo bleibt sie?"
"Hoffentlich wo der Pfeffer wächst", meinte Mina und die anderen nickten zustimmend.
Ein tönernes Räuspern riss sie aus der Lästerlaune.
"Inspektor Wohlgemut Wird Sich Wegen Einer Dringenden Angelegenheit Verspäten", erklärte Herr Assistent. Die Augen glimmten wie eh und je, man konnte ihm nicht ansehen, ob und wie lange er zugehört hatte. "Um Die Zeit Sinnvoll Zu Nutzen, Hat Sie Mich Beauftragt Euch Zu Beschäftigen."
"Uns zu beschäftigen?!", platzte es aus Sebulon erbost heraus: "Sind wir Hunde, oder was?!"
"Ich wäre jetzt gerne ein DOG", murmelte Reiner fast unhörbar leise.
"Beruhige dich!", wies Ophelia den Agenten zurecht: "Ich glaube nicht, dass er mit uns Gassi gehen will." Ein entnervter Unterton schwang deutlich in ihrer Stimme mit. Diese Inspektion zerrte an ihren Nerven.
"Nicht Gassi", bestätigte der Golem: "Nur Zum Überwälder."
"Zum Überwälder? Was sollen wir denn da?", fragte Septimus neugierig.
"Essen", erklärte Herr Assistent.

Den Wächtern bot sich ein verlockender Anblick. An einer langen Tafel standen unzähligeSchüsseln mit überwaldischen Spezialitäten wie Borschtsch, Soljanka, Schtschi, Rassolnik, Oladji, Bubliki, Piroggen und Kissel.
Sebulon hob misstrauisch eine Augenbraue: "Wie viel soll der Spaß denn kosten?"
"Nichts", erwiderte Herr Assistent: "Inspektor Wohlgemut Wird Alle Anfallenden Kosten Ãœbernehmen."
"Ach, wenn das so ist...", meinte Sebulon und zog einen Teller mit Piroggen heran und begann sie sich genüsslich hineinzuschaufeln. Die anderen Wächter sahen das als Startsignal und begannen sich ebenfalls an den Speisen gütlich zu tun.
"Gar nicht übel", stellte Reiner fest: "Schmeckt fast so gut wie Ratte."
"Buärks, musst du uns den Appetit verderben?", fragte Fynn halb im Scherz, während er seine Suppe weiterlöffelte.
Lilli ließ sich davon nicht irritieren, sondern aß bedächtig und behielt einen kleinen eingetopften Farn im Auge.
"Kann mir einer mal ein paar Bubliki rüberreichen?", erkundigte sich Septimus, woraufhin man ihm eine Platte voll hinschob.
Nur Mina starrte auf ihren Teller voll Suppe und rührte skeptisch mit ihrem Löffel drin herum.
Ophelia sah zu ihr hin und meinte dann: "Du kannst ruhig probieren. Es ist zwar kein Blut enthalten, aber ich bin dennoch überzeugt, dass so etwas einem Vampir genauso gut schmeckt." Sie zwinkerte der Kollegin unauffällig zu und löffelte dann an ihrem eigenen Teller weiter.

Nachdem etwa eine halbe Stunde vergangen war, spazierte Trudi hinter ihrem grünen Versteck hervor und ließ sich von ihrem Golem-Partner auf den Tisch heben, wo sie mit einem Räuspern auf sich aufmerksam machte. "Sehr schön, sehr schön, ich habe genug gesehen, damit wäre die Prüfung eures Teamgeistes abgeschlossen. Hiermit ist die Inspektion offiziell beendet; der eine oder andere von euch kann noch mit einer schriftlichen Mitteilung von mir rechnen, aber nichts ernstes."
Kaum hatte sie das gesagt, drehte sich Herr Assistent auf der Stelle um und spazierte zusammen mit ihr aus dem Lokal.
"Was war das denn?", fragte Reiner verwirrt, bekam aber keine Antwort.

Als Ophelia in ihr Büro zurückkehrte, fand sie zu ihrer Erleichterung keinen pinken Brief vor. Als sie sich jedoch niedersetzen wollte, piekste sie etwas unangenehm und als sie nachschaute entdeckte sie eine kleine Visitenkarte. Dort stand die Anschrift des Rekrutierungsbüro des Patriziers und darunter in Trudis Handschrift: "Falls du jemals die Wache verlassen willst... Vetinari hat immer Verwendung für gute Inspektoren. (P.S. Den Schwimmkurs musst du trotzdem machen.)"
Die Wächterin griff sich mit der Hand an die Stirn und seufzte ergeben.

Sebulon fühlte sich viel wohler in seiner Haut, als er wieder in sein Agentenreich zurückkehren konnte. Den Brief von Trudi machte er erst gar nicht auf, sondern hüpfte zum Papierkorb, zerknüllte ihn und warf ihn mit Schwung treffsicher in das Aktengrab. Dann kniff er ungläubig die Augen zusammen, "Was zur..." Da drin lag ein Buch. Wie war das denn da rein gekommen? Verwirrt fischte er es hinaus und las den Titel "Du bist, wie du isst - ein etwas anderer püschologischer Ratgeber," Er klappte das Buch auf die erste Seite auf, wo ihm die Widmung direkt ins Auge sprang: "Du bist vorhersehbar, Zwerg. Sieh das trotzdem als kleine Anerkennung an deine Fähigkeiten als Püscchologe an." Sebulon klappte das Buch zu und fischte den zerknüllten Umschlag wieder aus den Papierkorb und öffnete ihn jetzt doch noch. Er war leer.
Diese kleine...
Sebulon nahm sich einige Augenblicke Zeit um auf das Buch zu starren und dabei zwischen "verbrennen" und "behalten" abzuwägen.

Septimus war ein wenig wehmütig, als er in sein Büro zurückkehrte. Irgendwie hatte er nach der ganzen Sache einen befriedigerenden Abschied von Trudi erwartet. Klar, sie konnten sich beide ja immer noch sehen, aber trotzdem... Plötzlich wurde alles schwarz und erschrocken japste der Gnom nach Luft, ehe ihm klar wurde, dass man ihm hinterrücks einen Hut aufgesetzt hatte. "Was soll das?", protestierte er und riss die Kopfbedeckung wieder herunter, nur um die Gnomin zu sehen, die ihn schelmisch angrinste.
"Du solltest ein bisschen vorsichtiger mit dem umgehen, den brauchst du morgen."
"Wie... was... wieso?"
"Na, weil wir morgen zusammen miteinander bei meinen Eltern essen werden. Und da meine Brüder immer unheimlich gerne Glatzenwitze machen, solltest du deine Pläte bedecken."
"Wir gehen morgen bei deinen Eltern essen?", fragte Septimus:; "Ähm... ist das nicht ein bisschen plötzlich?"
"Hey, mich kennen deine Eltern schon, da ist es auch nur fair, wenn wir das umgekehrt auch noch machen. Aber wenn dir die Sache zu schnell geht - wir können den Abend heute auch gerne in trauter Zweisamkeit verbringen, wenn dir das lieber ist." Trudi zwinkerte ihm zu. "Ich habe Karten fürs Theater. Und danach können wir gerne noch einen Kaffee bei mir trinken..."
Septimus lief von einem Ohr zum anderen rot an: "Ähm... oh... ich..."
"Das Stück wird dir sicher gefallen, sie spielen den Froschkönig. Wenn du also Lust hast mich zu begleiten, dann treffen wir uns heute Abend um Acht vor der Scheibe."
Sie drückte Septimus einen leichten Kuss auf die Wange und verschwand dann ebenso schnell, wie sie gekommen war. Verdattert schaute ihr der Gnom noch eine ganze Weile hinterher.

ENDE

12.07.2011 23: 50

[1] ihren Namen hatte er aus dem Schreiben

[2] Genau genommen gibt es keinen Zwergenstammtisch im engeren Sinne. Im Laufe der letzten beiden Jahre hatte sich nur in manchen Kreisen des Wachhauses die Tradition eingebürgert, Zwerge unter sich die Pause verbringen zu lassen. Das Getränke-Schlabbern und die Rattenspieße waren für die meisten Wächter eher appetitmildernde Umstände.

[3] nicht mehr als die prustenden Rekruten und ein, zwei seltsame Blicke

[4] omnistisch ist die Steigerung von spezizistisch und enthält auch so Sachen wie Herkunft und Stand, einfach alles [11]

[5] Jeder kennt diese Art von Schauer. Es ist die plötzliche Angst, die aufkommt, wenn man in der dritten Klasse ist, zur Schule kommt und erfährt, dass man vergessen hat für einen Test zu lernen. Strebern bereitet sowas jahrelang Alpträume. Gut für Fynn, dass er kein Streber ist.

[6] Trotz Müdigkeit und deprimierter Stimmung, hatte er noch genug Kraft, um sich über manches, was ihm nicht passte, aufzuregen.

[7] Aber eben leider nicht mehr Ranghöheren und das war wahrscheinlich der Knackpunkt. Abgesehen davon hätte sich eine solche Diskussion mit einem IA-Agenten wohl kaum gelohnt.

[7a] Es ist wohl mehr als verzeihlich, dass ihm in dieser Situation nicht gleich das passende Adjektiv einfiel.

[9] Sie hatte glatt vergessen ihn auszuziehen.

[10] Die Formulare, nicht die Einwände

[11] Auch Om, aber nicht mehr als irgendetwas anderes.


Wörter:

Fynn Düstergut   1265
Reiner Rundumschlag   3042
Sebulon, Sohn des Samax   4168
Ophelia Ziegenberger   4433
Septimus Ebel   5471
Mina von Nachtschatten   8034
Lilli Baum   10298



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