Der betagte Rasputin Flankenschwarz hat sich in seiner Verzweiflung an die Stadtwache gewandt. In einer offenbar detailliert geplanten Aktion wurden die drei Jüngsten seines Werwolf-Clans entführt, darunter auch sein zwölfjähriger Sohn Rachnar. Erst versuchte Flankenschwarz, allein mit dem Problem fertig zu werden. Doch dieser Versuch scheiterte fatal, nachdem eines der Kinder heimlich des Nachts als Leiche hinter dem Haus abgeliefert wurde, zusammen mit einer weiteren Drohung. Kann die Wache die beiden anderen Wer-Welpen finden und die Verbrecher dingfest machen?
Ophelia Ziegenberger
"Wir haben es daher eindeutig mit einem durchgeplanten Verbrechen zu tun", sagte Ophelia Ziegenberger mit ernstem Gesichtsausdruck an die Runde gewandt.
"Der Clan derer von Flankenschwarz gehört zu den einflussreicheren Familien der Ankh-Morporker Mittelschicht. In unseren Wacheakten gab es bisher keine Auffälligkeiten diese Familie betreffend."
Tut'Wee schnaufte verächtlich. "Was ja wohl für sich genommen schon eine ziemliche Auffälligkeit ist! Ich hab noch von keinem Werwolfsrudel gehört, bei dem nicht irgendein Gör mal den Koller bekommen hätte und über die Strenge schlug. Das ist in denen so drin!"
Die drei frischen Gefreiten hinter Tut'Wee sahen sich bedeutungsvoll untereinander an, blieben aber angesichts der viel erfahreneren Kollegen um sie herum lieber unauffällig und still.
Die stellvertretende Abteilungsleiterin von R.U.M. nickte verhalten, ging jedoch nicht weiter auf die Äußerung des kleinen Oberfeldwebels ein. Stattdessen deutete sie in einer alles- und nichtssagenden Geste zugleich auf die Aktenkopien, die vor jedem Anwesenden auf dem Tisch lagen. Sie strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
"Ich denke, dass ich nicht nur im Namen von ganz R.U.M. spreche, wenn ich mich für Euer aller Interesse an einer Zusammenarbeit bedanke, sondern besonders auch im Namen meiner geschätzten Kollegin, der Obergefreiten von Nachtschatten, die bisher hauptsächlich mit dem Fall betraut war." Bei diesen Worten blickte Ophelia freundlich in Richtung ihrer ehemaligen Auszubildenden. Sie fuhr fort: "Mina hat sich um alles Organisatorische, ab der Erstellung der Akte Flankenschwarz, gekümmert, so dass sie momentan vermutlich den besten Überblick haben dürfte. R.U.M. arbeitet dieser Tage rund um die Uhr. Die anstehenden Feierlichkeiten bringen viel Unruhe in die Stadt und führen in tödliche Auseinandersetzungen in den Familien. Dahingegen darf ein dermaßen wichtiger Fall dabei nicht zu kurz kommen! Weswegen von Grauhaar zu dem Schluss kam, dass eine spezielle Untersuchungsgruppe zusammengestellt werden müsse. Ihr habt Euch freiwillig gemeldet und wir haben dafür gesorgt, dass Ihr für die Dauer des Einsatzes von Euren bisherigen Aufgaben freigestellt seid." Ihr ansonsten milder Blick wurde etwas härter, als sie vor allem die drei Frischlinge ansah. "Als Gegenleistung erbitten wir volle Einsatzbereitschaft."
Der mittlere von ihnen, ein blond gelockter dürrer Zwerg lief prompt knallrot an, als er sich angesprochen fühlte, nur um sofort darauf doppelt so heftig zu erblassen und stotternd zu versichern: "Äh... das ist aber doch... äh, Ehrensache... es geht immerhin um... äh... Kinder, nicht wahr?"
Sebulon zu seiner Rechten hakte beide Daumen grimmig entschlossen zwischen seinen festgezurrten Taschengürtel und den Bauch, während der hühnenhafte Menélaos' zustimmend nickte. Die schwarzen Koteletten verdeckten beinahe seine Mundbewegungen, als er finster vor sich hin grummelte: "Dieser fettig-triefende Abschaum! Sich an Kleinen zu vergreifen!"
In der Ecke des Raumes regte sich mit lautlosem Rascheln ein grünäugiger Schatten. Die Gildenspezialistin der D.O.G.s, Breda Krulock, meldete sich mit emotionsloser Stimme zu Wort.
"Es ist gleichgültig, wie alt ein Opfer ist. Der oder die Täter legen sich nicht nur mit der Gilde an, sondern auch mit der Wache. Mich würde der Grund dafür interessieren."
Der Püschologe in Ausbildung, Sebulon, räusperte sich aufgeregt: "Vielleicht sollte man ein Täterprofil erstellen?"
Die rothaarige schlanke Frau vor ihnen hob andeutungsweise eine Hand, um noch ein letztes Mal die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
"Die Möglichkeiten, um an zusätzliche Informationen zu gelangen, sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Wie gesagt: Wendet Euch gerne deswegen an unsere Obergefreite von Nachtschatten. Das einzige, was wir bisher mit Sicherheit sagen können, hatte ich aufgelistet und dies sollte als Ausgangspunkt für alle weiteren Nachforschungen dienen: Die Kinder wurden gezielt entführt, als sie gemeinsam mit dem Sohn des Rudelsführers etwas Süßes von einem Straßenhändler kaufen wollten, einem Herrn Zuckerli. Das Jüngste, ein Mädchen, wurde noch am selben Abend heimlich am Hinterausgang der Stadtresidenz abgeliefert, wobei die Todesursache noch nicht ermittelt werden konnte, da sie die Kinderleiche aus rituellen Gründen erst in diesen Minuten in die Gerichtsmedizin bringen. Und darüber hinaus... Die beiden Drohbriefe enthalten völlig überzogene politische Forderungen, bei denen jedem klar sein müsste, dass der Clanführer ihnen nicht nachkommen können wird. Immerhin schließen sie auch ein, dass er sämtliche Ämter aufgibt und mitsamt seinem Clan die Stadt verlässt. Wer als Absender in Frage käme, ist nicht sicher. Es könnten alle möglichen Personen und Personenkreise sein!"
Sie holte tief Luft und wurde prompt von dem grauhaarigen Mann mit dem langen Zopf unterbrochen. Seine Stimme klang nett und freundlich, mit einer Prise Ungeduld und einer Höchstdosierung an kalter Neugier: "Bleibt noch etwas Wichtiges zu besprechen? Ansonsten gehe ich runter und beginne mit meiner Arbeit an diesem Projekt."
Ophelia blickte in die Runde. "Gibt es noch Fragen?"
Der Gnumien-Okkultismusexperte brummelte halblaut in seinen nicht vorhandenen Bart und es klang annähernd wie ein "Jede Menge, Mädchen!", bevor er lauthals zu den anderen Gesichtern hochrief: "Na, dann wollen wir mal!"
Ophelia neigte leicht den Kopf in Richtung des Oberleutnants. "Ich nehme an, dass Du das Kommando über die Spezialgruppe übernehmen und ihnen jeweils ihre Aufgaben zuteilen wirst. Einmal täglich, nämlich gegen Abend bitte ich um einen Lagebericht, damit von Grauhaar und ich den Fall weiter im Auge behalten können."
Sie knickste leicht, was deutliches Anzeichen ihrer tatsächlichen Nervosität war. Dann lächelte sie scheu und wünschte, nach einem letzten unruhigen Blick in die Runde, den dieserart neuen Kollegen "Viel Erfolg!"
17.11.2008 21: 45Sebulon, Sohn des Samax
Schweigend verließen die drei frischen Gefreiten den Raum, nachdem alle anderen bereits gegangen waren. Braggasch schloss die Tür hinter ihnen, und sah Menélaos und Sebulon dann eindringlich an.
"Äh, habt ihr einen Moment Zeit für ein Gedankenexperiment?", fragte er, vor Aufregung zitternd.
"Was ist denn los, Brag?", fragte der Kondochemiker. "So nervös hab ich dich schon lange nicht mehr erlebt."
"Nur so als Beispiel", begann der Blondgelockte und ging langsam den Gang hinunter, in dem sie standen, "äh, also, nur so als Beispiel. Wer würde, äh, so, äh, völlig überzogene Forderungen stellen?"
"Vier Möglichkeiten", meinte Sebulon, zog einen Schraubenzieher aus seinem Gürtel und begann ihn in einer Hand zu rotieren. "
Eins: Jemand, der keine Ahnung hat. Da kommen viele in Frage.
Zwei: Jemand, der sich einen groben Scherz erlaubt. Aber mit der Gilde der Narren und Spaßmacher haben wir eigentlich gerade keine Probleme, dachte ich.
Drei: Jemand, der dumm tut aber es eigentlich besser weiß, um sich zu schützen; das könnte besonders auf diesen Zuckerli zutreffen. Den sollten wir uns unbedingt mal vorknöpfen. Und schließlich
vier: Jemand der tatsächlich glaubt, er könnte mit diesen Forderungen Erfolg haben."
Menélaos nickte schweigend; er trug maßgeblich dazu bei, dass der Raum einen dezenten Senfgeruch annahm.
"Äh, gut. Wer hätte denn einen Vorteil davon, wenn die ... äh ... Forderungen umgesetzt würden?"
Die Gefreiten schwiegen einen Moment, dann brummte Sebulon: "Ist das nicht völlig unwichtig? Die Forderungen würden auf keinen Fall umgesetzt werden."
Der angehende Szenekenner legte die Stirn in Falten.
"So einfach ist das nicht", meinte er, "immerhin wäre der Personenkreis ein recht kleiner, wenn ..."
"'Äh, Wesenskreis.", fiel ihm Braggasch ins Wort.
"Was?"
"Wesenskreis. Äh, der Begriff 'Person' ist nicht weit genug gefasst, weil damit im allgemeinen nur, äh, Menschen und Ähnliche gemeint sind. Es könnte genausogut ein schwarzer Mann, eine Dämonin, ein ..."
"Beruhige dich, Brag; ich hab's verstanden", seufzte Menélaos. "Also der
Wesenskreis wäre klein, wenn nur die in Frage kämen, die direkt von einem Clanführerwechsel betroffen wären. Und die sollte ich namentlich in Erfahrung bringen können."
Sebulon sah den anderen Zwerg an und hob die Augenbraue. "Willst du mir sagen, ich soll ein Täterprofil anhand von Annahmen basteln, die wir daraus ziehen, dass der Brief einfach nur existiert?"
"Nein." Braggasch grinste. "Du darfst dir den Brief auch auf ... äh ... Unregelmäßigkeiten in den I-Punkten untersuchen und so. Püschologenzeugs. Tu, äh, was dir richtig erscheint - und was die Tiehmleiterin, äh, genehmigt. Aber du nimmst mir eine weitere Frage aus dem, äh, Mund, die sich zwingend ergibt und, äh, etwas weiter führt: Wer würde ... äh ... bereits einen Vorteil davon haben, wenn, äh, so ein Brief auftaucht?"
*
Obduktionsbericht(Aus den Akten der Gerichtsmedizin)
Fall-Nr.: | 1722/d/2-8 |
untersuchender Wächter: | O.Lt. Pismire (Unters.), G. Avalania v. Gilgory (Prot.) |
Ort: | Pathol., zur Atps. |
Datum: | 26. Sektober |
Zeit: | Kurz nach Mittag |
Verdächtig: | noch unbek. |
Zeuge: | Herr Gunther Milbrand (fand den corp.) |
gesch. Wert d. Raubes: | --- |
bzw. Todesart: | Erwürght? Neben vielen verfärbten W-Spuren einige Bisse an collum, dorsum & auch sonst; H-lauf links grünlich => Hinw. auf Ursache? |
Opf.: | n. id. weibl. Wer-Welpe; vmtl. ges. Mtgld v. Flankenschwarz-Clan |
Bes. Bem.: | Sehr steif, starb unter Stress. Blut-Probe zeigt keine Vgftg.; Mageninh. vohrrangig Huhn (?), gebraten. Komplettes Obd.-Prot. bei obigen u.W. |
Fortgang: | corp. wird überführt. |
---|
18.11.2008 0: 14Pismire
Die Übertragung der Leitung dieser Spezialeinheit hatte Olt. Pismire überrascht, da er vermutet hatte, er sei hauptsächlich in seiner Eigenschaft als dienstältester Pathologe der Wache zu diesem Fall hinzu gezogen worden. Außerdem war so zwischen zwei Aufgaben hin- und hergerissen: die Obduktion der Leiche des Kleinen musste so früh wie möglich erfolgen - die Einteilung der Ermittlergruppe in sinnvolle Einheiten und die Verteilung von Aufgaben duldete keinen Aufschub. Die Stimme von Ofw. Tut'Wee hinter ihm war von daher eine Antwort der Götter auf ein nie gesprochenes Gebet.
"Du willst die Obduktion selbst machen?", klang es hinter ihm.
"Aber ja, OFw. Oder dachtest du, ich geh von dannen und schmier mir ein Butterbrot?", bemerkte der Pathologe mit einem Zwinkern.
Die Gnumie reagierte mit einem optimistischen: "Ich könnte ..."
"Nein, Tut'Wee. Ich weiß deine Erfahrung zu schätzen, aber Avalania ist ebenfalls in Dienst und verfügt über einen großen Schatz an Erfahrungen", wehrte der alte Mann ab. "Und du könntest etwas ebenso wichtiges machen: sammle den Rest der Verstreuten wieder zusammen und geh mit ihnen die Punkte durch, zu denen Mina von Nachtschatten euch Auskünfte geben kann. Und überleg dir schon mal, wie man die Arbeit sinnvoll aufteilen kann. Ich möchte nicht mit einem siebenstimmigen Chor quer durch Ankh-Morpork ermitteln."
Damit eilte er weiter in die Pathologie.
Nach fünf Stunden war die Obduktion - was seinen Teil anging - abgeschlossen, und die wesentlichen Gewebeproben waren an das Labor weitergeleitet.
"Vor sechs Stunden bekommen wir von dort keine Ergebnisse", bemerkte Avalania und schloss den Bericht damit, dass sie fein und akkurat eine Zusammenfassung auf dem ersten Blatt der Akte mit sauberen und lesbaren Buchstaben schrieb, nein: malte.
"Hupps", meinte die Zwergin auf einmal. "Ich hab mich verschrieben".
"Wo?", fragte der Oberleutnant, dem der ordnungsgemäße Zustand seiner Akten in der Regel reichlich schnurzegal war. "Auf dem Titelblatt? Das interessiert eh' keinen, was da steht. Ich hab das immer nur ausgefüllt, damit ich meine Ruhe habe."
"Nun, Kollege", meinte die Zwergin ein wenig steif, "nicht
jede und jeder hier teilt deine Auffassung von Aktenführung. Das ist mir schon bei den Notizen, die du mir diktiert hast ..." Sie brach ab unter Umständen heikle Thema ab und fuhr dann fort: "Und so, wie es da steht, klingt es missverständlich. Denn eigentlich können wir noch keine Aussage zu einer möglichen Vergiftung machen - wie gesagt: die Tests sind zeitaufwändig."
"Nun, das ist ja auch nur so eine Art Anhaltspunkt für die weiteren Ermittlungen", meinte der Pathologe gleichgültig. "Wichtig zu wissen ist: es liegt eindeutig Fremdeinwirkung vor. Das Kleine ist in seiner Wolfsgestalt verstorben und danach nicht in eine andere Gestalt gewechselt - es wäre interessant zu erfahren, woran das liegt. Die finale Metamorphose ist ansonsten ein gut dokumentierter Topos in der Literatur über Lykantropen."
"Es wäre mehr als interessant, die Ursache hierfür zu erfahren", stimmte die Pathologin ihm zu. "Ich könnte mich ein wenig in der Literatur dazu umsehen", bot sie an.
"Gefreite Avalania, das wäre mir eine große Hilfe", dankte Pismire ihr aus ehrlichem Herzen. "Dann werde ich mal Fräulein Ziegenberger darüber in Kenntnis setzen, dass dieser Punkt der Ermittlungen so weit abgeschlossen ist und ich mich nun dem Rest meiner Sonderermittlergruppe zugesellen werde."
"Ist das nicht ein ein wenig", Avalania hüstelte leicht, "äh, mageres Ergebnis, Oberleutnent?"
"Nun, RUM wünscht jeweils einen Tagesbericht gegen Abend. Dieser - in Klammern: der Abend - steht sozusagen drohend vor der Tür und ich möchte auf keinen Fall unkooperativ erscheinen", sprachst und schloss eine Rohrpostnotiz an RUM ab.
"Auch das könnte ich für dich übernehmen", bot seine Kollegin, der die Pöbeleine zwischen dem Rohrpostdämon Aaps und dem Pathologen bekannt waren, mit einem Grinsen an.
"Oh, besten Dank. Und dann kannst du einfach Feierabend machen." Mit diesem Satz verließ Pismire den Raum.
"A pro pos: Feierabend. Ich hoffe mal, dass keiner dieser Ermittlergruppe auf die irrsinnige Idee kommt, um sechs Uhr Feierabend machen zu wollen", grinste Pismire in sich hinein.
"Außerdem bin ich gespannt, wie Rib äh Tut'Wee" - noch immer fiel es ihm schwer, sich an den neuen Namen des einstigen SUSI-Pathologen zu gewöhnen -
"sich die Zwischenzeit vertrieben hat." Und außerdem war er gespannt, wen der nicht nur spezistische Feldwebel mit seiner Art bereits zur Weißglut getrieben hatte - denn das er das geschafft hatte, stand für den Oberleutnant außer Frage.
Von daher wunderte es ihn nicht, dass er aus dem Besprechungszimmer, in dem sie mit dem Fall betraut waren und dem er sich näherte, laute Stimmen hörte.
18.11.2008 17: 11Menélaos Schmelz
Damien G. Bleicht hatte bisher nicht wirklich viel Zeit gefunden sich um Menélaos' Ausbildung zum Szenekenner zu kümmern und war auch seit Tagen nicht im Büro erschienen. Eine Notiz im Büro gab Auskunft:
Andakawa!"Das, was er über die Aufgaben des Szenekenners wusste, wusste er aus einem zerfledderten Leitfaden, der im Büro seit einiger Zeit Staub jagte, und aus kurzen Gesprächen mit abteilungseigenen Informantenkontaktern und Ermittlern aus R.U.M.. Braggasch und Sebulon holten sich ihre Ausrüstung. So saß Menélaos also im Büro des Lance-Korporal und ein nachdenklicher Zitronengeruch rang mit dem muffigen Büroaroma um die Vorherrschaft.
Der alte Zuckerli also, eigentlich ein feiner Kerl, hat mir damals eine Zeit lang unter die Arme gegriffen. Aber sein Geschäft läuft zur Zeit wohl eher nicht so gut, seitdem er bei der Zuckerbäckergilde in Ungnade gefallen ist wegen dieser Sache mit der nackten Zwergin in der Torte beim siebzigsten Geburtstag von...Ein vermeintlich lautes Räuspern, aufmerksame Menschen würden es künstlichen Hustanfall nennen, riss Menélaos aus den Gedanken und er blickte langsam in die grauen Augen von Korporal Ziegenberger. Schlagartig sprang Menélaos mit errötetem Gesicht auf, riss den Stuhl zu Grunde und salutierte.
"Verzeihung Korporal! Ich war... in meiner Planung..äh...vertieft!"
Ophelia Ziegenberger salutierte und setzte eine bestimmte, aber keineswegs erboste Mine auf.
"Ich wollte eigentlich nur kurz bei Damien vorbei schauen, aber es scheint, das er immer noch unterwegs ist. Wir hätten ihn gut gebrauchen können."
"Wenn ich dir irgendwie helfen kann, Ma'am?"
Menélaos errötete erneut und eine Brise Himbeerduft zog ihm durch die Nase.
"Ich werde ihm einfach eine Notiz da lassen, danke. Du solltest dich beeilen, Oberfeldwebel Tut'Wee trommelt bereits alle zusammen zur Aufgabenverteilung."
"Ja, Ma'am!"
Er grüßte erneut und lächelte schief, verließ dann schnell das Büro und wunderte sich draußen, warum er sich so ausgesprochen nervös aufgeführt hatte.
Das war ja schlimmer als Braggasch! An den Umgang mit Vorgesetzten hatte er sich lange gewöhnt, aber irgendetwas an der R.U.M. Ermittlerin machte ihn ein wenig nervös. Er mochte sie...
Erneut wurde der Gefreite aus seinen Gedanken gerissen. Er war vor dem Besprechungsraum angekommen, zog sein Hemd straff und betrat den Raum. Die meisten Mitglieder der Spezialgruppe waren bereits anwesend, nur Ophelia und Oberleutnant Pismire fehlten. Mina von Nachtschatten diskutierte mit Breda Krulock, Braggasch schob Stühle zu einem Kreis zusammen, Tut'Wee sprach mit Sebulon der eifrig nickte und dabei etwas nervös auf die Gnumie herab blickte. Menélaos trabte zu seinem guten Freund Braggasch herüber.
"Aufgaben schon erteilt?"
"Nein, noch nicht, aber ich denke äh..."
Ein Schrank neben der Türe knallte mit einem Schlag auf den Boden und der Raum verstummte. Tut'Wee stellte den Schrank ab, als er bemerkte, dass er sich Gehör verschaffen hatte.
"Ich bin mir nicht sicher ob irgendeiner von euch Frischlingen etwas von seiner Arbeit versteht," er blickte skeptisch in die Richtung der Gefreiten, "aber ich habe für jeden hier eine Aufgabe. Der Oberleutnant ist den Tag über mit der Obduktion beschäftigt und hat mich gebeten diesen Haufen hier sinnvoll aufzuteilen. Wir treffen uns in sechs Stunden wieder für eine Besprechung. Du da!"
Er sprang auf einen Stuhl und zeigte auf Braggasch, der stumm und gebannt auf die Gnumie starrte, ein leises "Ähhh..." auf den Lippen.
"Du willst mal Späher werden oder? Dann wirst du dich mal bei der Familie von Flankenschwarz umsehen. Lageplan machen und sowas. Halt einfach die Augen offen! Hier ist ein Zettel mit Anweisungen. Weggetreten!" Braggasch salutierte schnell, nahm den Zettel und verließ das Büro. Die Augen der Gnumie funkelten in die Richtung von Lance-Korporal Krulock.
"Du wirst dich mal bei den Asassinen umhören und deine Quellen innerhalb der Gilde überprüfen. Diese verflixten Meuchelmörder wissen meistens mehr als mir lieb ist. Weggetreten!"
Breda Krulock nickte, salutierte und machte sich auf den Weg.
Menélaos spürte als nächstes den durchdringenden Blick der Edelsteinaugen des Okkultismusexperten.
"Du wirst dich für heute mal hübsch zivil bei diesem Zuckerli und Konsorten umhören. Keine sonstigen Ausflüge und keine Experimente! Verstanden? Weggetreten!"
Menélaos hatte mit so einer Aufgabe gerechnet und verließ mit einem Salut den Raum. Vor der Türe traf er auf Ophelia und er wurde ganz automatisch nervös, hielt ihr übertrieben weit die Türe auf, schob seine riesige Gestalt zur Seite und lächelte schüchtern. Sie nickte ihm zu, betrat den Raum, er schloss die Türe und war für eine Sekunde einfach nur verwirrt. Die Neugier packte ihn jedoch und er verließ das Wachhaus.
Akten-Bemerkung von OG Mina von Nachtschatten bezüglich des Falls 1722/d/2-8 :
Brief wurde mit einem Silberdolch (Beweismittel 1929B) an der Holztüre befestigt. Keine Spuren von Fingerabdrücken oder sonstige Hinweise auf Herkunft, Fabrikat ö.ä. Zustand des Dolches. Dolch ist bemerkenswert fein gearbeitet, seltsam geschwungen. 19.11.2008 4: 35Mina von Nachtschatten
Eine kurze Stille entstand, nachdem Menélaos gegangen und dafür Ophelia hereingekommen war und sich auf einen Stuhl gesetzt hatte. Sie sollten sich nicht von ihr stören lassen und einfach fortfahren.
Oberfeldwebel Tut'Wee ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und schien darüber zu grübeln, wozu er die noch anwesenden Mitglieder der Ermittlungsgruppe verdonnern konnte, als ein dezentes Räuspern die Aufmerksamkeit auf sich zog. Mina von Nachtschatten strich nachdenklich mit den Fingerspitzen über einige ausgebreitete Papiere auf dem Tisch neben sich.
"Hast du dir deine Aktenkopie schon einmal genau durchgesehen, Oberfeldwebel?", fragte sie in höflichem Tonfall, konnte aber nicht verhindern, dass ein schwacher Anflug von Ärger darin durchklang.
"Noch nicht vollständig, dazu wollte ich in Kürze kommen", meinte die Gnumie knapp und legte die bandagierte Stirn in Falten. "Warum?"
"Dann wäre die aufgefallen, dass wir bereits einen Lageplan des Anwesens der Familie Flankenschwarz besitzen. Tut mir leid, Sör, aber ich fürchte, dass du denn Gefreiten Goldwart umsonst losgeschickt hast."
"Und warum hast du das nicht gleich gesagt?", blaffte der Oberfeldwebel barsch. Es gefiel ihm ganz und gar nicht, gleich zu Anfang etwas übersehen zu haben und auch noch von einem Wächter niedrigeren Ranges darauf hingewiesen werden zu müssen. Das ging ihm gehörig gegen den Strich - oder eben gegen die Wickelrichtung, wie man wollte.
"Du hast gleich mit der Aufgabenverteilung begonnen und vorher niemanden zu Wort kommen lassen", antwortete die Obergefreite ruhig.
"Hmm." Tut'Wee schnaubte verärgert. "Vielleicht findet er doch noch etwas heraus, das übersehen wurde!"
Mina schüttelte den Kopf.
"Das kann natürlich durchaus sein", sagte sie langsam - um des lieben Friedens Willen schien es ihr ratsam, dem Oberfeldwebel nicht zu widersprechen, zumindest nicht ausschließlich - "aber die Umgebung ist recht gut einzusehen, das Gebäude an sich befindet sich auf einem klar umgrenzten Grundstück und die umliegenden Dächer sind nicht hoch genug, als das man über die Mauern blicken könnte. Und hineinlassen wird den Gefreiten auch niemand, da die Familie in Trauer keinen unangemeldeten Besucher empfängt. Es wird wohl nicht einmal jemand die Tür öffnen. Zumindest in dieser Hinsicht hat sich Florentina Flankenschwarz sehr deutlich ausgedrückt."
Florentina? Wer war das schon wieder? Und warum...? Ja, warum verdammt noch mal hatte er sich diese blöde Akte nicht sofort angesehen? Derartige Gedanken gingen Tut'Wee durch den Kopf, als er seinen Blick schweifen ließ, in der Hoffnung irgendwo in seiner unmittelbaren Nähe eine Kopie der gesammelten Aufzeichnungen zu entdecken, welche ihm weiterhelfen konnte.
Verflucht, hier musste doch irgendwo...Da fiel ihm der Gefreiten Sebulon ins Auge, der die Diskussion zwar aufmerksam aber doch mit leicht besorgtem Gesichtsausdruck verfolgt hatte. Was das auf die Neuen wohl für einen Eindruck machte, einen Vorgesetzten so gar nicht auf dem aktuellen Stand der Dinge vorzufinden, wie blamabel! Die mittlerweile ohnehin nicht mehr als gut zu bezeichnende Laune der Gnumie stürzte in bodenlose Tiefen.
"Und was sitzt du noch da und glotzt?", herrschte der Oberfeldwebel den Zwerg an, "Lauf dem Gefreiten Goldwart hinterher und hol ihn zurück, aber flott!" Sebulon sprang erschrocken auf, vergaß sogar zu salutieren und floh aus dem Raum.
Tut'Wee erklomm einen der im Kreis angeordneten Stühle und warf der Obergefreiten von Nachtschatten einen finsteren Blick zu.
"Tun wir einmal so, als wüsste ich nichts von einer Florentina ...", brummte er übellaunig.
"Florentina Flankenschwarz ist die Nichte des Clanoberhauptes Rasputin Flankenschwarz, der sich bezüglich dieses ganzen Falls an die Wache gewandt hat. Er ist allerdings nicht selbst ins Wachhaus gekommen, sondern schrieb lediglich einen Brief mit der Bitte um Hilfe, welchen besagte Nichte nebst den schon vorhandenen Drohbriefen an uns übergab. Laut ihrer Aussage seien die Nerven des alten Herren zu angegriffen, als das er schon vernehmungsfähig wäre. Allerdings wurde für morgen ein Termin vereinbart, an welchem wir
wahrscheinlich ins Haus könnten, um uns
wahrscheinlich überall umzusehen und dann wäre
wahrscheinlich auch der Hausherr selbst zu sprechen ... aber vielleicht macht es jetzt keinen Sinn, das weiter auszuführen, wo doch nicht einmal die Hälfte der Ermittlungsgruppe anwesend ist, oder Sör?", schloss die Vampirin plötzlich und sah dem Oberfeldwebel abwartend entgegen.
"Vermutlich." Jetzt musste er ihr Recht geben, auch das noch! "Dann in ein paar Stunden. Mach dich bis dahin irgendwie nützlich." Er sprang vom Stuhl, nickte Ophelia Ziegenberger knapp zu, die bisher noch kein Wort gesagt hatte, und verließ das Besprechungszimmer, nicht ohne die Tür ordentlich ins Schloss knallen zu lassen. So, und wo hatte er jetzt seine Aktenkopie hingelegt? Er würde das blöde Ding auswendig lernen und wehe, jemand würde es wagen ihn dabei zu stören! Nie wieder würde er nicht auf dem neusten Stand sein, nie wieder!
19.11.2008 11: 54Braggasch Goldwart
Sebulon hastete im militärischem Eilschritt die Treppe hinab und sah sich im Vorraum um. Niemand war zu sehen, außer einem Rekruten, der sich aufmerksam umsah.
"He, du!", rief ihm der Zwerg zu.
Der recht leger gekleidete Mann zuckte leicht zusammen und fixierte Samax Sohn. "Ja?"
"Was machst du hier?"
Michael von Wollig zog eine Augenbraue in die Höhe und antwortete: "Mich umsehen."
"Warum?", hakte Sebulon skeptisch nach.
"Bald werde ich mich einem der Abteilungen hier anschließen. Ist es da verboten, schon mal zu schauen, wo man bald ist?"
Der Püschologe in Ausbildung schüttelte knapp den Kopf. "Nein. Ist auch egal. Hast du einen dünnen, blonden Zwerg gesehen?"
"Du meinst Braggasch?"
Sebulon war beeindruckt. "Ja, genau den. Woher kennst du ihn?"
"Habe schon mal mit ihm zusammen gearbeitet. Seltsamer Kerl. Aber ja, ich habe ihn gesehen. Er ist an mir vorbei aus der Tür gestürmt, als wäre ein Dämon hinter ihm her.", meinte Michael mit einem achselzucken.
Samax Sohn stieß einen zwergischen Fluch aus und eilte nach draußen.
Keuchend blieb Braggasch von dem großen, dunklen Eichenportal stehen und versuchte zu Atem zu kommen. Er hatte die Adresse, welche auf dem Zettel notiert war, schnell gefunden, denn sie lag im reicheren Bezirk der Stadt, und hier waren die Straßen beschildert. Leider waren dies auch schon alle Informationen, die das Papier her gab, denn ansonsten stand darauf nur noch:
Sih dich um!Wirklich hervorragende Aufgaben.
Während er verzweifelt versuchte, die Taktzahl seinen Pulses unter die eines Kolibris zu bringen, versuchte Braggasch, sein weiteres Vorgehen fest zu legen. Er sollte Informationen über das Anwesen sammeln, gut. Die Werwölfe waren sicherlich hilfsbereit, schließlich handelte es sich um ihren Auftrag. Goldwart hoffte, das die Lykanthropen seine wahre Natur nicht erkennen würden, denn er hatte gelesen, dass sich die Wolfsmenschen nicht besonders gut mit Vampiren verstanden.
[1]Zaghaft klopfte er an das dicke Holz.
Einen Moment später, öffnete eine junge Frau mit hartem Gesicht.
"Ja?", bellte sie.
"Äh..." Braggasch besann sich und hob seine Dienstmarke. "Stadtwache, Mäm. Ich, äh, würde mich gerne-"
"Habe ich euch nicht gesagt, das ihr morgen kommen sollt? Verschwinde, Zwerg!" Und mit diesen Worten wurde die Tür zugeschlagen.
Goldwart blinzelte. Sie hatte ihn Zwerg genannt, was bedeutete, dass ihr seine vampirische Art nicht bewusst war. Das war gut. Ansonsten war leider alles schlecht. Warum wollten sich diese Werwölfe nicht helfen lassen? Sie hatten der Wache gesagt, dass diese morgen kommen solle - wer's glaubt. Warum hätte ihn Oberfeldwebel Tut'Wee dann hierher geschickt? Braggasch war nicht bereit, sich mit einer solch plumpen Lüge von seiner Arbeit abhalten zu lassen.
Dies war ein wichtiger Fall, und man hatte
ihn hinzugezogen, sollte er versagen, wäre das ein sicherer Hinweis für seine Unfähigkeit.
Der Zwerg versuchte die dürre Brust aufzuplustern, es gelang ihm nicht recht.
Also
schön.
Abermals sah er auf den Zettel. Er hatte klare Anweisungen erhalten. Niemand würde es ihm vorwerfen können.
Der Späher in Ausbildung umrundete das Gebäude und lächelte, als er eine Hintertür fand. Sein Lächeln wurde breiter, als er einen Dietrich aus dem Beutel an seinem Gürtel zog.
Menélaos Schmelz musste nicht lange suchen. Der alte Zuckerli hatte seinen Süßwarenstand stets an der Ecke Sirupminenstrasse-Ankertaugasse errichtet, wie auch heute.
"Guten Tag, Herr Zuckerli.", grüßte der Szenekenner in Ausbildung höflich.
"Hmm?" Mit einem großväterlichen Lächeln hob der dünne, faltige Mann den Kopf. "Oh!" Andeutungen von Erkennen flossen auf den Zügen des alten Mannes umher.
"Menélaos.", half der ehemalige Konditor nach und tatsächlich hellte sich die Miene von Zuckerli direkt auf.
"Menélaos. Natürlich. Menélaos Schmelz!", freudig trat der Verkäufer hinter seinem Tisch hervor und hielt dem großen Mann die Hand hin. "Wie lange das her ist! Wie geht es dir?"
Schmelz ergriff vorsichtig die dünnen Finger und antwortete: "Ganz gut, Herr Zuckerli. Ich arbeite jetzt bei der Wache."
"Oh je! Was ist passiert?"
"Eine lange Geschichte."
"Ich habe Zeit."
"Ich leider nicht, Herr Zuckerli. Vielleicht ein anderes mal. Es geht um etwas wichtiges.", kam der Gefreite direkt zur Sache. "Es haben letztens, vor zwei, drei Tagen vielleicht, drei Kinder und ein älterer Junge Süßes von dir gekauft."
Zucherlis Stirn zog sich kraus. "Weißt du, es kaufen täglich so viele Kinder bei mir ein..."
"Sie wurden an deinem Stand entführt, heißt es."
Der alte Verkäufer riss die Augen auf. "Oh, ja, natürlich! Es war schrecklich! Die armen Kleinen!"
Menélaos bat ihn mit einer Geste zum schweigen. "Hast du die Angreifer erkennen können, Herr Zucklerli?"
Zuckerli legte nachdenklich den Finger ans Kinn. "Es ging alles so schnell.", murmelte er. "Und mein Gedächtnis ist nicht mehr das beste. Ich weiß noch... Es waren vier. Vier schwarz gekleidete Leute, ja, ganz vermummt. Das muss... vorgestern gewesen sein. Sie kamen aus den Schatten... also aus den richtigen Schatten, nicht aus dem Viertel... Und sie hielten erst dem Jungen, dann den Kindern Tücher vor den Mund... Also, eigentlich eher gleichzeitig, als hätten sie es abgesprochen. Und alle sackten zusammen. Ich habe noch gerufen: 'He!', und 'Aufhören!', aber sie haben nicht auf mich gehört... Ich habe Bonbons nach ihnen geworfen... aber ich bin ein alter Mann und mein Wurfwarm ist nicht mehr so gut... Früher, da hätte ich dir einen Ganoven mit einem einzigen Lutscher zu Strecke gebracht, aber heute..."
"Was ist dann passiert?", hakte Menélaos sanft nach.
Zuckerli nahm eine Zuckerstange aus einem der Körbe und leckte nachdenklich daran, bevor er fortfuhr: "Sie haben sie auf die Schultern genommen. Jeder eines der Kinder. Nun, also, den Jungen haben sie natürlich liegengelassen, vielleicht war er ihnen zu schwer... und einer von den vieren ist vorrausgelaufen... ja, und die mit den Kindern hinterher. Ich habe weitergerufen, aber sie haben mich nicht beachtet... ja."
Schmelz nickte langsam, doch dann fiel ihm ein: "Wohin sind sie gelaufen?"
"In diese Gase dort." Zuckerli deutete in eine entsprechende Richtung. "Oder war es diese? Ich... ich bin mir nicht sicher... mein alter Kopf..."
"Schon gut. Danke, für deine Auskünfte, Herr Zuckerli."
"Menélaos?"
"Ja?"
Der alte Mann grinste. "Erinnerst du dich noch an die Sache mit der Torte und der n-"
"Ich muss jetzt gehen, her Zuckerli.", unterbrach der Kondichemiker rasch.
"Warte!" Zuckerli verschwand kurz hinter dem Stand, und kam mit einem gelben Bonbon wieder hervor. "Hier, nimm diesen extra starke Zitronendrops, der hilft gegen den Geruch."
Verwundert nahm Menélaos die Süßigkeit entgegen. "Welcher Geru... Ach so. Danke..." Peinlich berührt drehte er sich um und wanderte zurück zum Wachhaus.
Ohne durchzuatmen klopfte Sebulon an der großen Tür.
Es dauerte eine Weile, dann erschien ein weiblicher Kopf mit verärgert verzogenen Mundwinkeln. "Was ist denn?"
"Stadt...wache...", keuchte der Zwerg. "Ich..."
"Noch einer? Ihr sollt
morgen kommen, zum Donnerwetter noch mal! Geht das nicht in eure Schädel rein?"
"Nein, ich... suche..."
"Ich weiß was ihr sucht, den Täter, das ist eure verfluchte Pflicht! Aber unser Klanvater steht euch heute nicht zur Verfügung, zeigt doch etwas Mitgefühl!"
"Aber...", murmelte Sebulon verzweifelt.
"Morgen!", kreischte die Frau. "Und sag das auch deinem blonden Freund und allen anderen!"
Damit fiel die Tür ein weiteres Mal ins Schloss.
20.11.2008 16: 44Sebulon, Sohn des Samax
Fest klopfte Breda Krullock an der Haustür der Familie Kimmeundkorn.
Sie hatte ihre feinste schwarze Arbeitskleidung angezogen und sah sich beiläufig um. Außer ihr war niemand auf der Straße. Verdächtig.
Eine Frau in der Blüte ihrer Jahre öffnete gutgelaunt die Tür und als sie den DOG-Dobermann ansah wurde ihr lächeln sogar noch herzlicher.
"Hallo, Mathilda.", sagte Breda in kühlem Tonfall.
"Du bist im Dienst?", fragte Frau Kimmeundkorn.
Breda nickte.
"Kann ich reinkommen?"
"Aber nicht lang, mein Mann kommt in einer halben Stunde heim. Willst du eine Tasse Tee oder einen Keks? Ich habe frisch gebacken."
"Danke, gern. Es wird auch nicht lange dauern.", sagte Lancekorporal Krullock im Eintreten und während sie lächelte, blitzten ihre spitzen Eckzähne kurz im Licht. "Mich interessiert lediglich, ob du etwas über die Sache mit dem Flankenschwarz-Clan weißt."
*Leise und am ganzen Körper zitternd schlich Braggasch Burkhardsohn Goldwart durch das abgedunkelte Anwesen der Familie Flankenschwarz. Bei jedem Schritt hatte er das Gefühl, dass die Bohlen unter seinen Füßen ein regelrechtes Ächzkonzert anstimmten. Dennoch schlich er tapfer weiter und zählte akribisch jeden Schritt und Halbschritt, um später einen Plan zeichnen zu können.
Durch die Hintertür war er zunächst in eine Art Küche gekommen, die jedoch erstaunlich sauber aussah. Da er sich jedoch von den Räumen in den oben gelegenen Stockwerken mehr versprach, war der blondgelockte Zwerg einer Tür gefolgt, die in Richtung des Haupteingangs führen musste, wenn ihn sein Orientierungssinn nicht trügte.
An den Wänden des Ganges, der sich nun anschloss, hingen finstere Gemälde, die mal grimmige Menschen und dann wieder zottige Hunde zeigten.
Werwölfe, dachte Braggasch abschätzig,
von allen Wesen der Nacht. Werwölfe. Warum müssen es ausgerechnet Werwölfe sein?Er erreichte das Ende des Flurs und klinkte vorsichtig die Tür auf.
Dies war offensichtlich die Eingangshalle: Viel Platz, um Gäste würdig zu empfangen oder eine komplette Feier abzuhalten. Im gedämmten Licht fielen dem Zwerg die Brokat-Vorhänge und die Ebenholz-Möbel auf. Hier hatte man offensichtlich nicht gespart. Die große Tür musste der Eingang sein; er war also tatsächlich einmal durch das Haus gekommen. Zur Linken eine Tür mit Vorhängeschloss; dem kühlen Luftzug nach vermutlich eine Kellertür. Und zur Rechten ... Bingo: Eine Treppe in die oberen Gefilde.
Mit größter Vorsicht schlich Braggasch zur Treppe, als er plötzlich ein hämmerndes Klopfen von der Tür her hörte.
Siebenmal.
Innerlich schreckte er doppelt zusammen. Das war Sebulon.
Er unterdrückte den Impuls, die Tür selbst zu öffnen, und sah sich nach Versteckmöglichkeiten um. Die Kellertür? Abgeschlossen; das Risiko sie nicht schnell aufzubekommen, war zu groß. Die Vorhänge? Sie lagen nicht am Boden auf; jeder würde seine Stiefel sehen können.
Adrenalingestützt entschied sein Überlebensinstinkt, dass er die beste Chance mit dem Schatten unter der Treppe haben würde. Zumindest solange die Dame des Hauses nur die Treppe hinunterlief und sich nicht umdrehte.
Lautlos und gerade rechtzeitig verschwand der Zwerg im Dunkel, denn über ihm knarrte es, als eine Frau langsam die Stufen hinunterschritt.
Erneut ergriff sein Überlebensinstinkt Besitz von Burkhards Sohn und in dem Moment, als die Frau übellaunig die Tür öffnete, und seinen Freund mit den Worten "Noch einer? Ihr sollt
morgen kommen, zum Donnerwetter noch mal!" anraunzte, sprintete er die Treppe hinauf, ließ sich in das erste Zimmer zur Linken fallen, das sich als Abstellkammer entpuppte, schloss die Tür hinter sich so leise wie möglich, ließ sich auf den Boden sinken und zitterte vor Aufregung. Innerlich fluchte er, denn er wusste nicht mehr, bei welchem der Schritte er sich in der Aufregung verzählt hatte.
Da schoss ihm der Gedanke durch den Kopf,
Etwas ist seltsam: Warum hat sie mich nicht gerochen?Sein Unterbewusstsein hatte sofort eine Antwort, die ihn mit einem Anflug von Stolz lächeln ließ: Vampire waren den Werwölfen eben doch überlegen.
Als sein Puls sich auf ein erträgliches Maß beruhigt hatte, stand er auf, öffnete die Tür einen Spalt und spähte den Gang im ersten Obergeschoss in beide Richtungen hinunter. Niemand war nach ihm die Treppe wieder hinaufgekommen; das bedeutete, dass die Luft rein sein musste.
Darauf bedacht, keinen Laut zu machen, schlich er den Flur entlang.
Was er nicht bemerkte, war der Hauch von Blut, der in der Luft hing.
25.11.2008 0: 39Mina von Nachtschatten
"Ja, Flankenschwarz, ich erinnere mich. Das ist noch gar nicht so lange her, eine Aufregung hat das gegeben. Und jetzt die Sache mit den Kindern, furchtbar!"
Frau Kimmeundkorn führte Breda bis zu einer Tür ganz am Ende des Flures und bat sie dort einzutreten. Das Zimmer sollte wohl ein Wohnraum sein - ein mit dunklem Stoff bezogenes Sofa sowie mehrere Sessel, welche um einen kleinen Tisch angeordnet waren, sprachen dafür - auf der anderen Seite drängte sich dem Besucher unweigerlich das Gefühl auf, ein Museum betreten zu haben: An den Wänden stand eine auf Hochglanz polierte Vitrine neben der nächsten, in welchen sich ein ganzes Arsenal an Waffen unterschiedlichster Art befand: Dolche, Armbrüste und Degen ruhten auf roten Samtkissen; Schwerter mit halb zersplitterten bis goldglänzendem Griffen standen neben rostigen Hellebarden. Was noch an freier Wandfläche übrig war, hatte man mit Gemälden und Porträts der unterschiedlichsten Epochen behangen, alle fein säuberlich mit einem kleinen Messingschild darunter beschriftet. In diesem Raum verspürte man das dringende Bedürfnis sich nur flüsternd zu unterhalten, auch wenn man nicht zum ersten Mal hier und mit dem Anblick eigentlich vertraut war.
Die Hausherrin ließ ihren Gast Platz nehmen und machte es sich ihrerseits in einem der Sessel bequem.
"Sieh dir nur diesen ganzen Krempel an", begann sie und schloss in einer Handbewegung den gesamten Raum ein. "Es wird immer mehr, mein Mann sammelt ja, ich weiß langsam nicht mehr wohin mit all den Sachen. "
Lance-Korporal Krulock lächelte unverbindlich, ging allerdings nicht weiter auf die Bemerkung ein, um erst gar kein nettes Schwätzchen unter Bekannten aufkommen zu lassen.
"Die Familie Flankenschwarz, Mathilda", kam sie stattdessen auf das eigentliche Thema und den Grund ihres Besuchs zurück, "Was weißt du darüber?"
Frau Kimmeundkorn seufzte und schüttelte traurig den Kopf.
"Die armen Kinder", murmelte sie, dann wurde ihr Ton geschäftsmäßig. "Gut, soviel ich weiß hatte vor einiger Zeit jemand eine Inhumierung in Auftrag gegeben, das Opfer sollte ein Mitglied des Flankenschwarz-Clans sein, aber bitte", Mathilda Kimmeundkorn hob abwehrend die Hände, kaum das Breda den Mund aufgemacht hatte, "frag mich nicht nach Namen, solche Details dringen im Allgemeinen nicht bis zu mir durch. Ich kann allerdings versuchen, etwas aus meinem Mann herauszubekommen, wenn es dir etwas nützt."
"Das wäre in der Tat sehr hilfreich ... was war denn mit dem Auftrag?"
"Er wurde abgelehnt."
Die Wächterin hob überrascht die Augenbrauen.
"Tatsächlich? Warum?"
Frau Kimmeundkorn warf Breda einen entschuldigenden Blick zu.
"Das kann ich dir leider auch nicht sagen. Aber sie müssen wohl gute Gründe gehabt haben, angeblich hat Lord Witwenmacher selbst die Ablehnung angeordnet."
Die Vampirin nickte langsam. Es musste also um eine Angelegenheit gehen, mit der die Gilde absolut nichts zu tun haben wollte. Nur warum? Und was genau war das für eine Angelegenheit?
"Und du kannst dir sicher vorstellen, dass man nun nicht gerade begeistert ist, dass ein ausgerechnet mit dieser Familie in Verbindung stehender unlizensierter Mord begangen wurde", fuhr Mathilda unterdessen fort, "Wenn ihr den damaligen Auftraggeber finden wollt, bevor ein paar Kollegen meines Mannes das tun, müsst ihr euch wohl beeilen."
"Das werden wir. Fällt dir sonst noch irgendetwas zu der Sache ein?"
"Nein, aber ich lasse es dich wissen, sollte mir noch etwas zu Ohren kommen."
Ein erneutes Nicken der Wächterin. Eigentlich hatte sie sich mehr von diesem Besuch erhofft - aber immerhin hatte sie jetzt wenigstens einen neuen Ansatzpunkt, einen Anfang, erste Informationen mit denen es sich weiterarbeiten ließ.
"Gut, ich danke dir." Breda erhob sich und ging zur Tür. "Dann auf bald."
Mathilda Kimmeundkorn blinzelte irritiert. "Du willst schon gehen? Und was ist mit Keksen und Tee?"
"Das nächste Mal", versprach die Vampirin, "Jetzt muss ich noch ein paar Dinge recherchieren gehen."
28.11.2008 0: 11Pismire
Untersuchungsbericht(Aus den Akten S.U.S.I.-Labors)
Fall-Nr.: | 1722/d/2-8 |
untersuchender Wächter: | LK Lady Rattenklein |
Art der Untersuchung: | Labor - zur Untersuchung |
Datum: | 26. Sektober |
Zeit: | Kurz vor Feierabend |
Art des Gegenstandes | ca 20 cm langer Lederriemen von 1 cm Breite und 0.02 cm Höhe |
Funktion: (falls bekannt) | Flohhalsband |
ggf. Hersteller: | Entwurmelich & Co. - Der Akssessoahr-Hersteller für den Werwolf von Welt |
gefunden bei: | weiblichem Werwelpen (Opfer) |
Ergebnis: | das Halsband weist - entgegen der vom Herst. behaupt. Funktion keinerlei Hinweis auf flohvernichtende/flohschädliche suppschtanzStoffe auf. Ikonographerdämon hingegen nimmt thaumaturgische Hintergrundstrahlung wahr /(s. beigefügte Ikonographie) |
Weitergehende Untersuchung | mit den Mitteln des Labors (sein Montaten wurde ein Thaumometer nicht (!!) bewilligt) z. Zt. unmöglich |
Fortgang: | Erg. an Olt. Pismire weitergeleitet, Objekt im Labor verblieben (falls das dringendst(!!!) benörigte Thaumometer doch noch kurzfristig bewilligt werden sollte) |
---|
Nachdenklich betrachtete Lady Rattenklein des Bericht. Dann seufzte sie kurz und entschlossen und schnörkelte ihre Unterschrift darunter. Jawohl. Eine Schande war das mit dem unbewilligten Gerät und das sollte auch jeder von denen da oben sehen. Dann rückte sie das Blatt auf dem Schreibtisch Pimsires zurecht, als der Schamane geraden die Tür öffnete. "Oh, du bist schon fertig? Danke, Lady Rattenklein. Was gefunden?"
"Meine Tests können nichts finden - wenn das ein Flohhalsband sein soll, dann weiß ich nicht, auf welcher Grundlage seine Wirkung beruht. Aber auf der anderen Seite meint der Ikonographierer, thaumaturgische Strahlung wahrnehmen zu können. Hier", sie schob Pismire die Ikonographie zu, "da, wo du nichts siehst, da sieht er", und sie deutete zu dem Gerät an der Wand, "eine feine Hintergrundstrahlung. Und da er keine entsprechende Farbe hat, hat er die Fläche freigehalten."
"Ein auf Magie beruhendes Fliohhalsband!? Ist das nicht ein wenig - nun ja - aufwändig? Es gibt eine ganze Reihe von gut wirksamen und erprobten Kräutern gegen Flöhe. Flohkraut meinetwegen oder Pfefferbaumrinde.", wunderte sich der Alte.
"Tja, am besten fragst du den Hersteller", entgenete die kleine Laborantin.
"Und woher soll ich den kennen?", grantelte Pismire.
"Da. Da auf der Rückseite des Leders ist eine Brandgravur: Entwurmelich & Co - feine Akzessoahrs. Des-Königs-Daunen 3a."
Vewrblüfft starrte der Schamane auf die Schrift, die er mit seinen Augen nicht gut entziffern konnte. "Es gibt nichts, was es nicht gib. Vielleicht sollte cih ihn einfach mal zu dem Halsband befragen. Ich könnte einen längeren Spaziergang gebrauche."
"Und du meinst nicht, dass der Laden das hat, was ich schon längst habe - Feierabend?"
"Es handelt sich um einen Laden für Werwölfe - da gehe ich von nächtlichen Öffnungszeiten auf und im übrigen: seit wann gibt es Ladenöffnungszeiten in dieser Stadt!?"
Und mit diesen Worten machte der Oberleutnant sich auf den Weg.
Eine Stunde später - wobei er zugab, dass er sich nicht beeilt hatte - erreichte er die angegebene Adresse. Doch zu seiner Enttäuschung war der Laden, der über ein vornehm und dezent mit einem überdimensionierten, rohrgeflochtenen Korb auf einem einfachen, mit rotem Samt bedeckten Podest geschücktes Schaufenster verfügte, das von einem verschbnörkelten Rollgitter gesichert war, geschlossen. Und auch wenn er sich die Nase an der Scheibe plattdrückte, vermochte er im Inneren weder ein Fünkchen Licht noch einen Schemen von Leben entdecken. Also griff er zu anderen Mitteln und hämmerte unter dem fröhlichen Ruf: "Holla, heda, heraus und herbei, Kundschaft!" an die verschlossene Tür.
Nachdem er solcherart Lärm veranstaltet hatte, wunderte es ihn nicht, das kurze Zeit später die umliegenden Türen sich öffneten und verärgerte Anwohner - beziehungsweise ihre Dienerschaft, denn in dieser feinen Gegend schickte man zur Beschwerde bei ruhestörendem Lärm den Butler an die Tür - zu sehen waren.
"Guter Mann, da kannst du hämmern, bis du schwarz wirst", näselte es ihm von links entgegen. "Das Geschäft ist geschlossen, und das wohl für längere Zeit."
Pismire blickte in das typisch ausdrucklose Gesicht des gut geschulten Dieners. "Und woher willst du das wissen?", fragte er.
"Nun,
ich kann lesen. Und da - auf dem kleinen Schild an der Tür, ein wenig links unterhalb deiener Nase steht groß und deutlich - natürlich nur für den, der lesen kann:
Wegen Insolvenz geschlossen.
Debitoren und Kriditoren wenden sich bitte
an die Involvenzverwalter in der Kanzlei:
Mohnblüten, Sargfeger und Zwiebel,
Siebenschläfer 15.
AM den 24. Sektober. Und jetzt sei bitte ein wenig leiser, guter Mann, das ist eine anständige Gegend."
"Ich bin Oberleutnant Pismire von der Wache. Und den
Guten Mann kannst du stecken lassen, mein Bester. Wann war das letzte Mal jemend in dem Laden?"
Der Bulter schaltete zwei Register reservierter Höflichkeit dazu, da er keine Lust hatte, es sich mit der Wache zu verscherzen - die Götte mochten Wissen, ob seine Herrschaft nicht doch irgentwann einmal herausfinden mochte, was Lebensmittel in dieser Stadt wirklich kosteten.
"Nun, zufällig weiß ich das, weil das verdammte Rollgitter quietsch und kreischt wie ein Rudel verlorener Seele. Vor drei Tagen und das mitten in der Nacht. Und es waren vier Leute, die da reingingen. Ich habe sie nämlich vom Fester aus beobachtet, weil ich nicht schlafen konnte. Sie müssen einen Schlüssel gehabt habe, soviel ist sicher. Aber ob der Besitzer, Herr Wurmelich dabei war, das kann ich dir nicht sagen. Und jetzt entschuldige mich bitte, Oberleutnant, aber meine Herrin hat nach mir gerufen", sprachs und schloss die Tür.
29.11.2008 11: 36Breda Krulock
"Er hat ihn losgeschickt, obwohl es schon eine Karte gibt?"
"Ja, hat er."
"Irgndwie fiemlich unprofeffionell, fo kenn' ich ihn gar nift."
"Das dachte ich mir auch, ich ... Sag mal: kannst du
bitte aufhören in meiner Anwesenheit dieses Zeug zu trinken? Ich kann es bis hier her riechen!" Mina rümpfte ihre kleine Nase.
Breda stellte lachend ihren Warmhaltebecher zurück auf den Tisch und fing einen dicken, roten Tropfen Flüssigkeit vom Becherrand auf, der dann in ihrem Mund verschwand.
"Stell dich nicht so an", sagte sie und deutete wage mit ihren schmalen Fingern auf die Butterstulle vor Mina, "Das da ist viel widerlicher. Würd' gern mal wissen wie du das verträgst. Da ist doch nichts Nahrhaftes mehr dran. Absolut Blutleer."
Die Verdeckte Ermittlerin zuckte nur mit den Schultern und biss herzhaft in die weiche Stulle, wobei sie ihre Kollegin direkt in die Augen sah. "Mir 'fmecktf."
Der Dobermann lachte erneut kurz auf und schob dann eine ziemlich dünne Akte zu sich hinüber. "Sind das alle Informationen?"
"Nein", begann Mina, "es fehlen die aktuellsten Ereignisse. Braggasch und Sebulon sind noch nicht wieder da und Menelaos wird bald zurück erwartet. Was konntest du herausfinden?"
"Noch nichts Genaues. Aber ich würde gerne warten, bis alle anwesend sind. Zumindest der Oberfeldwebel oder der Oberleutnant."
Breda hielt es für unklug zu erwähnen, dass sie diesem merkwürdigen alten Mann nicht einem Meter über den Weg traute. Seine ganze Aura war falsch, sein Wesen und alles was sich sonst noch so darin versteckte. Mysteriöser Magischer Unfall? Ja genau! Aber Vorgesetzter war nun mal Vorgesetzter. Das in Bredas Augen keine Staubfluse einen so hohen Rang bekleiden sollte, behielt sie auch lieber für sich. Wenn sie eines gelernt hatte in der Wache, dann manche Dinge für sich zu behalten. Manchmal sogar Fall-relevante Dinge.
Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür zum RUM Versammlungsraum und Menealos trat herein, sichtlich erschöpft von dem weiten Fußmarsch den er hinter sich hatte. Kurze Zeit später waren dann auch Pismire und Tut'Wee anwesend und die Ergebnisse wurden zusammen getragen.
"Da, wie wir alle wissen, Vampire und Werwölfe sich nicht besonders, nun, leiden können, fallen Mina und Breda für den morgigen Besuch der Flankenschwarz weg. Tut' mir leid Mädels." Pismire wandte sich an Menealos. "Wo sind deine beiden Kollegen? Die anderen Gefreiten?"
Der Angesprochene schaute sich nervös um und zuckte mit den Schultern. "Ich weiss nich', Sir. Sie scheinen noch nicht zurück zu sein."
"Der eine sollte doch nur den anderen zurückholen, mehr nicht! Was zum Teufel lernt ihr Rekruten heutzutage noch bei GRUND?"
"Ganz ruhig, Feldwebel." Pismire legte die Stirn in Falten. "Es gefällt mir ganz und gar nicht das uns am ersten Tag schon zwei verloren gegangen sind." Er legte seine Hand an sein Kinn und schaute nachdenklich zu Boden. Bevor sich die niederlegende Stille einnisten konnten, ergriff' der Leutnant erneut das Wort.
"Also, folgendes. Krulock und von Nachtschatten: ich möchte das ihr beide noch ein Nachtschicht einlegt und für zwei drei Stunden Patrouille läuft in der Gegend des Anwesens. Irgendwo dort müssen die beiden sich ja aufhalten und außerdem ist dies eine gute Gelegenheit zu sehen, ob sich noch jemand um das Anwesen schleicht. Von irgendwo her mussten die Täter ja wissen, wann die Herrschaften das Haus verließen um beim Zuckerli einzukaufen. Habt eure Ohren und Augen auf alles gerichtet, was euch merkwürdig erscheint, aber keine Sperenzien. Geht in zivil, wir wollen die Flankenschwarz nicht unnötig unter Stress setzen. Ja ... bitte?"
Breda hatte die Hand gehoben und gewartet, bis der Oberleutnant sie zu Wort kommen liess. Sie erläuterte kurz ihr morgiges Vorgehen, nämlich ein weiteres Treffen. Diesmal mit einem Kontakt direkt in der Gilde. Sie würde sich Hilfe holen müssen von ihren DOG Kollegen, dies sei aber kein Problem aber sie wäre durch diese Aktion den Tag über nicht erreichbar.
"Ist zur Kenntnis genommen, Lance-Korporal." Pismire machte sich eine Notiz und drehte sich zu Rib. "Feldwebel, geh' du bitte, in Ermangelung anderer Möglichkeiten, morgen alleine mit dem Gefreiten Schmelz zu dem vereinbarten Termin der Flankenschwarz'. Ich werde mich mit dem Insolvenzverwalter der Kanzlei unterhalten. Ich will wissen, wo ich den Hersteller dieses magischen Hundehalsbandes finde. Denn wenn es schon Magie in Halsbändern gibt, gibt's bestimmt auch Magie gegen die Halsbandträger. Und was unsere anderen beiden Kandidaten angeht hoffe ich, dass sie nichts unbedachtes anstellen."
07.12.2008 0: 17Mina von Nachtschatten
Braggasch war durch Flure geschlichen. Hatte gelauscht. Durch angelehnte Türen gespäht. Und sich beeilt möglichst schnell weiterzukommen wenn sich eine oder mehrere Gestalten vor dem flackernden Schein einer Kerze oder eines Kaminfeuers abgezeichnet hatten.
Eine fast unwirkliche Stille herrschte im Haus, die Trauer der Familie war beinahe körperlich spürbar, eine graue Tristesse welche auf allem zu lasten schien. Demnach war auch nicht viel, ja, eigentlich gar nichts in Erfahrung zu bringen gewesen was dem Wächter hätte von Nutzen sein können - zumindest nichts, das man aus eventuellen Gesprächen hätte entnehmen können. Dafür wusste Braggasch nun, dass der erste Stock des flankenschwarzschen Anwesens neben der Abstellkammer über wenigstens eine Besenkammer verfügte, Inhalt: Drei Staubwedel, zwei Reisigbesen, ein Eimer, diverse Lappen und ein muffiger alter Wischmob. Zweimal schon war ihm während seiner Erkundungen auf diesem Flur jemand entgegengekommen, zweimal hatte der Raum in letzter Sekunde als Versteck gedient - und nie hatte er die vorbeigehende Person durch den Türspalt erkennen können, es war schlicht zu dunkel, der Gang unbeleuchtet. Konnten Vampire nicht eigentlich im Dunkeln sehen? Warum er dann nicht? Oder musste sich das erst noch entwickeln und wie lange dauerte das? Vielleicht sollte er sich bei Gelegenheit einfach einmal an einen seiner Kollegen wenden, ältere Vampire gab es in der Wache ja einige. Über diesen Überlegungen einige Schritte zurückgetreten und immer noch mit eingeschränktem Nachtsichtvermögen geschlagen, war der Zwerg über besagte Putzutensilien gestolpert und hatte sie unter beachtlicher Lärmerzeugung zu Boden gerissen. Seltsamerweise war danach niemand herbeigestürmt und hatte ihn aus der Kammer geschleift, alles war so ruhig wie zuvor geblieben, aber Braggasch hatte die nächsten Minuten damit verbracht vorsichtig tastend alles wieder in eine wenigstens relative Ordung zu bringen. Leise und langsam aufräumen unter Stress - danach weiß man, was man in der Hand gehabt hat. Und hütet sich vor unnötigen Bewegungen wenn man dann ein zweites Mal genötigt wird, den gleichen Ort aufzusuchen.
Wieder zurück auf dem Gang, ein paar Meter weiter und ereignislose Minuten später, begann sich der Gefreite Goldwart so langsam zu ärgern, dass er noch immer nichts relevantes herausgefunden hatte. "Sieh dich um", ja, das klang so einfach! Er kannte die ungefähre Lage einiger Zimmer und deren Anzahl im ersten Stock, aber ansonsten...
Und es gab noch einiges mehr, was Braggasch nicht wusste: Das sein Kollege Sebulon immer noch unschlüssig vor dem Haus stand, von einem Fuß auf den anderen tretend und hoffend, Braggasch würde wieder auftauchen. Das er einige Zeit später von zwei Kolleginen auf Nachtschicht dort angetroffen werden würde, denen aber auch keine weitere Auskünfte geben können und so unverrichteter Dinge zum Wachhaus zurückkehren würde. Und das die Treppe, an welcher der Zwerg in diesem Moment zum Stehen kam über eine mehr als morsche Stufe verfügte.
Es war eine kleine, schmale Holzstiege am Ende des Ganges, welche wieder hinunter ins Erdgeschoss zu führen schien. Diesen Weg würde er sich noch ansehen und dann wäre es vielleicht eine gar nicht so schlechte Idee, das Haus wieder zu verlassen, viel schien ja momentan ohnehin nicht auszurichten zu sein und außerdem wurde der Zwerg zunehmend nervöser. Das ihn noch gar niemand bemerkt haben sollte und das bei einem Haus voller Werwölfe... Vorsichtig stieg Braggasch Stufe um Stufe hinab, horchte auf jedes Geräusch, bemerkte nicht die feine Staubschicht auf dem Geländer welche einen eindeutigen Hinweis gab, dass dieser Weg in letzter Zeit wohl nicht benutzt worden war. Er hatte beinahe die Hälfte hinter sich gebracht und sah unten schon eine Tür, welche ihn hoffentlich nach draußen oder zumindest in die Nähe eines Ausgangs bringen würde - als sein Fuss plötzlich wegsackte. Der Knall von splitterndem Holz hallte im Treppenhaus wieder, ließ den Zwerg zusammenfahren und instinktiv zur Flucht ansetzen - diesen Lärm konnte nun wirklich niemand überhört haben. Doch ein hastiger Schritt nach vorn und eine Stiefelspitze, welche noch im Loch festhing, wurden zum Verhängnis, Braggasch stolperte, fiel und kam - nach unangenehmer Bekanntschaft mit einigen Treppenstufen - Zwergenhelm voran am Fuß der Treppe zu liegen. Die Welt drehte sich noch einige Sekunden weiter und schien dann zu kippen, bevor dem Zwerg schwarz vor Augen wurde.
10.12.2008 13: 27Breda Krulock
Rachnar Fredrick, seines Zeichen ältester Zögling des Flankenschwarz Clans, hatte seine karge Behausung bereits mehrere Male gründlich überprüft. Seit Tagen wurde er in diesem Keller festgehalten und er sah keine Möglichkeit, sich in der Außenwelt irgendwie bemerkbar zu machen. Mit seinem, durch die ihm zugeführten Drogen, gedämpften Hörvermögens nahm der Wer-Junge das wilde Treiben auf den Strassen Ankh-Morporks wahr. Er konnte hören, wie die Karrenräder über das Kopfsteinpflaster ratterten und die Hühner auf dem Karren, aufgescheucht durch den harten Ritt wild gackerten und in ihren Käfigen umherflatterten. Er fühlte mit ihnen. Seit seiner Ankunft hatte er nichts mehr gegessen, geschweige den etwas zu trinken bekommen. Er hatte Hunger und Durst. Aber er jammerte nicht.
Mit wachsamen Augen behielt er die Tür vor sich fest im Blick, während er sich seinen Unterarm rieb. Diese Bastarde hatten ihn mit glühenden Stäben malträtiert und versucht, ihn so zum Reden zu bringen. Doch ein Flankenschwarz ließ sich nicht bedrohen. Einzig und allein die silbernen Gitterstäbe, welche seine Zelle zu allen vier Seiten umzäunten, hielten ihn davon ab, seinen Peinigern an die Gurgel zu springen.
"Dafür werdet ihr büßen!" hatte er ihnen durch zusammengepresste Kiefer gesagt, doch die Männer hatten nur gelacht und das Blasebalg tiefer in die glühenden Kohlen gehalten. Er ertrug die Körperlichen Schmerzen. Er war so gut wie erwachsen und hatte gelernt, solche Sachen an einer harten Schale abprallen zu lassen. Doch die seelische Pein, der tiefe Schmerz des Verlustes nagte an ihm wie eine hungrige Flamme an einem ausgedörrten Wald. Er hatte mit ansehen müssen, wie diese Schweine seine beiden Schwestern von ihm trennten und ihnen etwas antaten. Er konnte nicht sehen, was die Männer mit ihnen machten. Doch er hörte ihre Schreie und Wimmern durch die Wände hindurch. So laut, dass er dachte sein Herz müsse in tausend Stücke zerspringen um diese Qualen nicht länger mit anhören zu müssen.
Er spürte die Kälte, die ihn wie eine Lawine überrollte, als das kleine Herz von Marie stehen blieb und ihn aus seiner bisher so heilen Welt riss. Die Welt, der er bisher ins Gesicht gelacht hatte, legte ihm nun die Rechnung vor. Und er bezahlte teuer.
Blinde Wut überfiel ihn, als Marie an seiner Zelle vorbei getragen wurde. Seine kleine Schwester, Marie! Ein vor Lebenskraft strotzender kleiner Wirbelwind! Schlaff und leblos hing sie dort in den Armen des Mannes, der ihren Tod zu verantworten hat. Ihre Augen weit aufgerissen. Rachnar wandte seinen Blick ab, als er darin die hilflose Panik sah, die Marie spürte als sie starb. Unweigerlich spürte er sie auch und ließ ihn in kalten Schweiß ausbrechen, als er sich Bewusst wurde, dass er der Willkür dieser Männer hilflos ausgeliefert war. Er war...allein ... er...
"Nein!" sagte er zu sich selbst, als der leblose Körper seiner jüngsten Schwester hinausgetragen wurde. Nein, nicht
er. Er war nicht allein. Tiara. Ja, wie konnte er nur ... Tiara war noch am Leben, das spürte er. Er würde alles daran setzten, dass sie beide hier lebend herauskommen, koste es was es wolle... Marie soll nicht umsonst gestorben sein. Sie würden dafür bezahlen. Alle!
Rachnars Augen verengten sich, als sich die stählerne Tür an der ihm gegenüberliegenden Wand öffnete. "Na mein kleiner Bello", frotzelte der Kerl, "magst du spielen?" Rachnars Augen fixierten die Metallzange in der Hand des Mannes und trat einen Schritt zurück.
10.12.2008 18: 01Tut'Wee
Tut salutierte.
'Salutieren kann nie falsch sein.' dachte er und erinnerte sich wehmütig an alte Zeiten.
Es war heute so selten geworden, mal Befehle zu bekommen. Stattdessen nahmen die Aktenberge immer mehr zu. Die Gnumie schüttelte sich. Dieser Fall war auf dem Papier jedenfalls ein ziemlichen Grauen. Und mit Grauen kannte Tut als Untoter sich ja aus.
Ein einziges Durcheinander an Blättern, die, falls sie jemand eine bestimmte Ordnung gehabt hatten, nun jene auf ewig verloren hatten. Aber nun war Praxis angesagt und das war eher Gnumiending.
"Ich würde mir vorher gern noch einmal das Halsband anschauen." meinte er. "Magische Hintergrundstrahlung? Klingt nach einem Auftrag für einen Okkultismusexperten."
Der Exkobold vermied es, darauf hinzuweisen, das er so oder so zumeist die magischen Gegenstände untersuchen musste, da Oktarin, die Farbe der Magie wie manche Ikonographiedämonen sehen konnte. Besonders Truhen hasste er in Untersuchungen: Versoffene, bissige Mistviecher nannte er sie liebevoll.
"Tut das." antwortete Pismire.
Der Feldwebel nickte und nickte Menélaos zu, dann kletterte er auf dessen Schulter.
"Gut, Melli. Nächster Halt: Susi-Asservatenkammer." intonierte er.
Dreißig Minuten später hockte das zehn Zentimeter große Wesen neben einem für ihn überdimensionalen Halsband. Menélaos sah desinteressiert zu: Es gab nichts langweiligeres als ein Spiel "Ich sehe was, was du nicht siehst", bei dem die Regeln besagten, das man
tatsächlich nichts sah. Besonders, wenn die Mitspieler nicht zum Zug kommen wollten, wie in diesem Fall.
"Sir." sagte er deshalb, weniger aus wirklicher Not. "Wir müssen los. Wir haben eine Verabredung."
Tut stand auf und klopfte sich die Beine ab. Soviel Staub, dahinter konnte nur ein Igor stecken. Die Gnumie hatte da einen Verdacht.
"Wenn es ein Fetisch ist..." meinte er mit einem Grinsen. "...dann bestimmt nicht für eine Zeremonie. Aber etwas anderes ist interessant."
Der Gefreite schaute irritiert. Das wäre das erste Interessante aus dem kleinen Bindenmund. Menélaos ärgerte sich immer noch über diesen dummen Spitznamen, den der Oberfeldwebel ihm gegeben hatte.
Tut räusperte sich, nicht weil er eine trockene Kehle hatte, die Szene erforderte es. Dramatik oder so.,
"Was auf der Graphie nicht zu sehen war:" er räusperte sich noch mal. "Das Oktarine pulsiert. Im Laufe von einer Minute blitzt es ungefähr einmal auf."
Der Okkultismusexperte überlegte, ob er nun einen Vortrag darüber halten sollte, wieso man auf gemalten Bildern keine Bewegung sehen konnte. Immerhin würde das von der Frage ablenken, WARUM das Halsband pulsierte. Darauf konnte sich die Gnumie noch keinen Reim machen.
17.12.2008 12: 36Menélaos Schmelz
"Sir, warum..."
"Wir haben eine Verabredung Melli, um das Halsband kümmern wir uns später." unterbrach ihn die Gnumie schnell und machte eine Handbewegung in Richtung Türe. Er seufzte innerlich. Der Termin bei den Flankenschwarz ist nicht einmal halb so interessant, wie die Sache mit dem Magiepuls in diesem merkwürdigen Floh-Halsband.
"Sir, wie wird die Sache ablaufen, wenn wir mit dem Clanführer sprechen?"
Die Frage war berechtigt, dachte Tut'Wee, dennoch gefiel sie ihm gar nicht, da er selber nicht wirklich viel von diesem Flankenschwarz wusste.
"Ich weiß, dass du dich zurück halten wirst. Wir müssen vorsichtig sein."
Menélaos freute sich, die muffige Kammer mit den vielen Waffen und Beweismitteln verlassen zu können. Dennoch war er müde und der Fakt, dass dieser Rasputin Flankenschwarz eine Vorliebe für Treffen um 1 Uhr nachts zu haben schien, ärgerte ihn etwas. Sie stapften wortlos, beide in ihren eigenen Gedanken versunken, durch die spärlich erleuchtete Ankertaugasse.
"Es könnte sein das...was ist los Gefreiter?" Die Gnumie funkelte den wie erstarrten Halb-Epheben an. Menélaos hatte die Augen weit aufgerissen und starrte in die Richtung einer kleinen Holzbude, an deren Verschlag eine Fahne hing, mit einer schwarzen Torte bedruckt. Die Gnumie runzelte die Binden und versuchte etwas ungewöhnliches daran auszumachen.
"Melli, du sagst mir jetzt was los ist bei allen Höllenhunden oder du bleibst für den Rest der Nacht genau da stehen!" zischte Tut'Wee.
"Zu...Zuckerli ist ...tot!" stotterte er und deutet auf die Fahne.
"Die schwarze Torte! Sie wird nur gehisst, wenn ein bedeutender Konditor-Meister verstorben ist. Der arme Zuckerli...er war noch so j...nein war er nicht, aber sein wacher Geist...nunja eigentlich..."
Die Gnumie ließ Menélaos weiter stottern und verschränkte die Arme. Erneut schaute er in Richtung Holzbude.
Der Hauptzeuge tot. Das wird ja der Beginn einer ganz hervorragenden Nacht. Ein Schatten an der kleinen Türe seitlich der Bude erregte seine Aufmerksamkeit.
"Melli komm mit, da vorne ist jemand an der Bude. Schließt vermutlich gerade die Türe ab. Wahrscheinlich die- oder derjenige, die oder der die Fahne gehisst hat. "
Menélaos verdrängte seine traurigen Gedanken an das freundliche Lächeln des alten Freundes und trottete los. Kurz darauf runzelte er die Stirn.
"Zuckerli hatte keine Verwandten oder Angehörigen mehr."
"Dann wird es vermutlich eine Kollege oder..."
"Um diese Zeit?" Menélaos hielt inne und schaute den Vorgesetzten fragend an.
"Wer denn sonst?" fragte Tut'Wee genervt, der nun ebenfalls stehen geblieben war. Seine Gedanken schwebten zwischen dem Halsband und einem garstigen Werwolf-Adeligen. Der Schatten hing noch immer an der Türe. Die Ankergasse war ansonsten wie leer gefegt.
"Nun jemand, der... der..." Das Gesicht des Gefreiten wurde nachdenklich.
"dafür sorgen will, das man die Leiche entdeckt!" endete der Gnom den Satz, grinste grimmig und machte eine schnelle Kehrtwende um den potentiellen Mord-Verdächtigen nicht aus den Edelsteinen zu verlieren.
"Jemand, der bedroht wird und seinen eigenen Tod vortäuschen muss, um zu fliehen. Oder zumindest etwas in der Art. Ein Verdächtiger oder Mörder wäre längst geflohen." antwortete Menélaos ruhig und trottete an der Gnumie vorbei, hatte er doch das leise Schniefen und Wimmern, das von der Türe herrührte, längst vernommen. Eine mitfühlende Schwade aus Himbeer-Geruch zog sich hinter Menélaos her. Doch auch ein Hauch stolzer Orangenduft ging von ihm aus.
Kurz vor der Holzbude erkannten sie nun die dünne Silhouette des alten, faltigen Mannes, der langsam und unter leisem Gewimmer am Schloss der Türe herum fummelte. Er schien die Wächter nicht zu bemerken.
"Das erledigst du, Melli. Ich will ein detailliertes Verhör und den passenden Bericht dazu in 3 Stunden auf meinem Schreibtisch sehen. Ich halte währenddessen unseren Termin ein!"
Menélaos salutierte und murmelte beinahe unhörbar "Geht klar, Tutti..."
Braggasch erwachte hustend aus einer schmerzhaften Ohnmacht. Als ihn die Erinnerungen an die Geschehnisse auf der Treppe einholten, erstarrte er und lauschte angespannt. Es war dunkel, kühl und nichts war zu hören oder zu sehen. Seine noch frischen Vampiraugen gewöhnten sich zwar schnell an die Dunkelheit, doch der Staub, der von seinem Hustenanfall aufgewirbelt wurde, tat sein übriges. Nach kurzer Zeit erspähte er ein Loch in der Holztreppe über ihm. Da musste er durch gefallen sein. Das Knacken und der Sturz hatten einen immensen Krach verursacht und er wunderte sich, wieso ihn noch niemand gefunden hatte, oder warum er überhaupt noch am Leben war. Vorsichtig tastete er sich durch die morschen Holzsplitter um ihn herum. Als er das linke Bein bewegen wollte, erfasste ihn ein jäher Schmerz und er hatte Mühe einen gellenden, hohen Schrei zu vermeiden. Er biss die Zähne zusammen und rollte sich unter brennenden Schmerzen auf den Bauch, um den Raum näher in Augenschein zu nehmen. Fässer, Weinregale, Kisten und tote Ratten ließen auf einen geräumigen Lagerraum im Keller schließen. Ein Stück Seil baumelte von der Decke. Braggasch vermutete, dass einmal Schinken daran aufgehangen wurde. Er sammelte eine längere Stücke der kaputten Stufen zusammen und robbte vorsichtig an die Stelle, wo das Seil hinab baumelte. Er zog es mühelos von der Decke ab und schiente zusammen mit dem Holz sein linkes Bein, das mit Sicherheit gebrochen war.
Braggasch verbrachte eine volle Stunde damit, sein
Gefängnis zu durchrobben. Eine Dachluke mit eingeklappter Leiter am Südende des Raumes entfachte einen Funken Hoffnung in ihm, doch bei seinem Zustand würde es wohl dabei bleiben, dachte der Zwerg.
Wenn ich doch nur diesen verdammten Trick mit der Fledermaus könnte! Das Öffnen einer großen Türe knarrte dumpf durch die Ritzen der dünnen Dachluke. Aufgeregt robbte der Zwerg so nah wie möglich heran. Ein frischer, konstanter Luftzug verriet dem Gefreiten, dass die Luke nach draußen ins Freie führen muss. Eine unfreundliche Stimme erklang von über ihm, etwas entfernt, aber dennoch verständlich.
"Was oder wer sind sie?!" keifte eine ihm bekannte, raue Frauenstimme. Das war diese Flankenschwarz, erinnerte sich Braggasch.
"Madame, ich bin Oberfeldwebel Tut'Wee von der Stadtwache. ich habe einen Termin bei..."
Braggasch hielt den Atem an.
Der Oberfeldwebel! Das ist meine Chance! Mit Sicherheit weiß er von meinem Verschwinden bereits! Doch seine Gedanken gaben nur ein mentales "Ähhh..." wieder und er entschied sich, zunächst dem Gespräch über ihm zu lauschen, vielleicht fällt ihm ja etwas ein.
18.12.2008 3: 34Sebulon, Sohn des Samax
Müde und erschöpft betrat Sebulon das Wachhaus - es musste etwa Mitternacht sein - und stützte sich auf dem Wachetresen ab, um nicht umzufallen.
"S'bulon'xsohn 'ldet sich r'ck - Dienst.", brachte er hervor und gähnte.
"Was ist denn mit
dir los?", fragte Ophelia, die offensichtlich gemeinsam mit einem Rekruten die Nachtschicht übernommen hatte, um auf dem Laufenden zu bleiben und nebenbei Aktenkram zu erledigen. "Du bist doch nicht betrunken, hoffe ich?"
Nein, aber ich wäre es gerne, dachte er.
Der Zwerg seufzte und schüttelte den Kopf.
"Gut. Und da du schon da bist ...", sagte sie und reichte ihm einen Schein.
"Wus?", brummte der Zwerg und öffnete seine Augen halb.
"Das ist dein püschologisches Verhörsubjekt.", stellte Korporal Ziegenberger mit Nachdruck fest. "Ist gerade reingekommen. Wir machen alle überstunden; ist immerhin ein wichtiger Auftrag für die Wache."
Jeder Auftrag ist für die Wache wichtig, der auch für die Stadt wichtig ist, knurrte es in seinem Kopf.
Als wenn ich ein Niemand wäre, der ...Der Gefreite schob seine Gedanken beiseite und musterte den Schein, den ihm seine Vorgesetzte überreicht hatte. Er las den Namen. Er las ihn erneut. Dann deutete er mit dem Finger drauf.
"Wus?", fragte er.
"Du
bist Püschologe in Ausbildung."
Seine Vorgesetzte sah ihn mit einem Lächeln an, das für ein Lächeln vielleicht etwas zu breit geraten war.
"Nichdeinernst.", murmelte er und seine Augen öffneten sich seiner Müdigkeit zum Trotz beinahe ganz.
Doch. Es ist ihr Ernst, dachte er,
sonst würde sie ihre Schadenfreude nicht hinter einem mitleidigen Grinsen verstecken. Hinter einem breiten mitleidigen Grinsen. Du meine Güte. Wenn mir wenigstens Kaffee schmecken würde ...Ophelia nickte, sagte "Verhörraum drei" und wandte sich wieder ihren Akten zu.
*Gegen zwei Uhr morgens schleppte sich Sebulon zum Wachetresen. Er hatte genug von dieser Nacht. Zugegeben, das Verhör hatte ihm Spaß gemacht, denn er konnte endlich einmal die klassische Tintenklecks-Methode ausprobieren, von der er bisher nur gehört hatte. Trotzdem konnte die Nacht in einer Viertelstunde in seinem eigenen Bett enden, fand er.
"Ma'am", meinte er, deutete einen Salut an und ließ das Vernehmungsprotokoll auf den Tresen fallen.
Ihm fiel auf, dass der Rekrut noch immer an seiner Stelle saß, jedoch mittlerweile leise und ausdauernd schnarchte.
Der Glückliche, dachte er.
"Oh, Sebulon, du bist schon zurück.", meinte Korporal Ziegenberger und sah zu ihm auf. "Warst doch eben erst hier. Ist was bei rausgekommen?"
"Steht da.", brummte er unwirsch. Seine Sprache war zwar klarer, seine Laune jedoch nicht besser als vor ein paar Stunden. "Bitte, schlafen gehen zu dürfen."
"Na, na, na. Es ist zwar spät aber dieser Tonfall ist unangemessen.", sagte sie. Sie sah ihm in die Augen, während ihre Hand das Dokument unterschrieb, das vor ihr lag.
"Du wirst es nicht glauben: Ich habe eine ..."
"Überraschung für dich.", brummte der Zwerg.
"Überraschung für dich.", beendete Ophelia ihren Satz. "Woher weißt du das?"
Sebulon zuckte mit den Schultern.
"Menélaos ist zurück.", sagte sie.
"Hmm. Da bin ich überrascht.", brummte er. "Bitte, schlafen gehen zu dürfen."
"Er wartet auf dich.", fuhr sie fort.
"Istnichtdeinernst.", seufzte der Zwerg.
"Unten."
"Unten?"
"Verhörraum zwei."
*
Fall-Nr.: | 1722, vermutlich d-irgendwas. |
anw. Wächter: | G. Sebulon, Sohn des Samax, Püschologe i. A. |
Leitung des Verhörs: | G. Sebulon, Sohn des Samax, Püschologe i. A. |
Ort: | Wache, VH3 |
Datum: | 27.? Sektober |
Zeit: | Nach Mitternacht |
Befragt.: | Wer-Kind |
körperl. Merkmale: | etwa 1,20m, 40kg, schwarzes, schulterlanges Haar, dunkelbraune Augen, Linkshdg., diverse Bissspuren am Bein (am besten noch einmal nachsehen) |
Inventar: | Hose, Unter- &Hemd, Schuhe (2), Taschenmesser, Rest v. Backware |
---|
Bes. Bem.: | Werwolf. Hat sich aber nicht verwandelt. Befragungsergebnisse: Ist ängstlich. Gibt an: "Ein Täter roch nach Käse, ein anderer nach Zimt." Hält Schmetterlinge für böse Männer und eindeutige Leitern für sich am Hals würgende Männer. Para-dings. Und Größenwahnsinnig. Mutter-Komplex. Weiß mehr, als es verrät. |
Fortgang: | Püschologische Behandlung dringlichst empfohlen. Sorgsam vorgehen. Ihm zuerst Schlaf gönnen. |
---|
Ophelia sah von dem Protokoll auf.
Vielleicht war der Gefreite doch schon etwas müde. Aber eine präzise Angabe, was Gerüche angeht ... da gab es einen Fachmann.
Sie stubste den Rekruten an, der erschrocken aufwachte und sich, schamrot, nach Bedrohungen umsah.
"Rekrut, ich habe mich entschlossen, dem Gespräch in Verhörraum zwei beizuwohnen und anschließend muss ich noch mit dem Gefreiten Schmelz reden. Ich muss dich also hier allein lassen. Deine Ablösung müsste in drei Stunden kommen. Viel Spaß."
Sie sammelte die Akten ein und ließ den verwirrten Rekruten zurück.
18.12.2008 10: 41Mina von Nachtschatten
"...einen Termin bei Rasputin Flankenschwarz", vollendete die Gnumie ihren Satz und sah abwartend zu der Frau empor. Diese erwiderte den Blick - abschätzend, unter hochgezogenen Augenbrauen. Und stechend. Der Oberfeldwebel konnte sich nicht mehr erinnern, jemals jemanden getroffen zu haben, der derart authentisch die Anforderungen des Ausspruchs "Wenn Blicke töten könnten..." erfüllte. Nur gut, das ihn so etwas nicht mehr zu interessieren brauchte, einer der wenigen Vorteile eines untoten Daseins.
Schließlich zuckte seine Gegenüber mit den Schulter.
"Ich hätte zwar gedacht, dass die Wache, wenn sie schon hier aufkreuzt, jemanden schickt, der etwas mehr ... repräsentabel ist, aber wenn du schon einmal hier bist ...", sie seufzte und trat zur Seite, damit die Gnumie eintreten konnte. "Folge mir, er ist in seinem Arbeitszimmer."
Mit raschen, festen Schritten ging die Frau voran, bevor der Oberfeldwebel etwas erwidern konnte, die Absätze ihrer Schuhe pochten energisch auf den Fußboden.
"Welch freundlicher Empfang", murmelte Tut'Wee leise vor sich hin und drehte seine Dienstmarke nachdenklich zwischen den Fingern. Sie hatte sie nicht einmal sehen wollen, da hätte ja jeder kommen können. Aber wahrscheinlich nicht um ein Uhr in der Nacht.
"Und nimm doch bitte Rücksicht auf seine Nerven, ja?", die kalte Stimme der Frau riss ihn aus seinen Gedanken, "Etwas Feingefühl ist in solch einer Situation wohl nicht zu viel verlangt."
Die Gnumie nickte kommentarlos, musste sich innerlich allerdings krampfhaft von einer süffisanten Antwort abhalten. Bei allen Göttern, wenn dieser Clanführer auch so eine Type war, dann konnte das noch heiter werden!
Seine Begleiterin führte den Oberfeldwebel unterdessen die Treppe hinauf und bis vor eine Tür, wo sie einmal kurz anklopfte und ohne eine Antwort abzuwarten eintrat.
"Die Stadtwache", bemerkte sie knapp und in einem Tonfall, der mehr als deutlich machte, was sie von diesem Besuch hielt.
Tut'Wee trat ein und sah sich um: Ein flackerndes Kaminfeuer erhellte den Raum, warf seinen rötlichen Schein auf vollgestopfte Regale, diverse niedrige Schränke und einen alles beherrschenden Schreibtisch aus dunklem Holz. Der dort sitzende Mann hatte ihnen den Rücken zugewandt und starrte regungslos ins Feuer, es war nicht sicher, ob er ihr Eintreten überhaupt bemerkt hatte. Erst als die Frau ein nachdrückliches Räuspern hören ließ zuckte er kaum merklich zusammen.
"Ja, Stadtwache, gut, ja, schick sie rein, Florentina", meinte er daraufhin ohne sich umzudrehen.
Ah, Florentina. Die Nichte.
"Er ist bereits hier", schnaubte diese. Der Oberfeldwebel spürte ihren missbilligenden Blick im Rücken, während er den Raum durchquerte.
"Ja, ja, gut. Also ... äh, wo?"
"Hier mein Herr." Die Gnumie erklomm den Schreibtisch, schob ein Tintenfass beiseite und stellte sich in die Mitte der riesigen Arbeitsfläche.
Ein erstaunter Blick aus zwei eisgrauen Augen traf den Oberfeldwebel aber gleich darauf zuckte Rasputin Flankenschwarz mit den Schultern und sank wieder in seinen Stuhl zusammen. Tut'Wee sah sich einem Mann gegenüber, der zwar durchaus schon zu den älteren Jahrgängen zählte, dessen tatsächliches biologisches Alter aber ganz bestimmt nicht dem seines momentanen Äußeren entsprach: Haar und Bart waren nur unordentlich gestutzt, die Wangen eingefallen und seine Gesichtsfarbe von einem ungesunden gräulichen Ton, die Augen stumpf und ausdruckslos. Das er schlecht aussah, war eine glatte Untertreibung. Mitgenommen oder gebrochen traf es auch nicht. Ein Schatten seiner selbst? Ansatzweise.
"Herr Flankenschwarz?"
Ein leichtes Nicken signalisierte Aufmerksamkeit.
"Oberfeldwebel Tut'Wee", stellte er sich erneut vor, "ich hätte da einige Fragen bezüglich ..."
"Ich weiß, ich weiß", der Werwolf seufzte, lehnte sich schwer in seinem Stuhl zurück und gab dem Oberfeldwebel mit einer Geste zu verstehen, er möge anfangen.
Tut'Wee sortierte noch einen Moment lang seine Gedanken, bevor er seine erste Frage formulierte.
"Wie lief der Tag des Verbrechens hier ab? Gab es irgendwelche Auffälligkeiten?"
Ein Kopfschütteln. Und Schweigen.
"Es wäre natürlich hilfreich, wenn du das etwas genauer formulieren könntest." Die Gnumie trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.
So eine Befragung würde das also werden.
"Das ist doch nicht so schwer zu verstehen, die Kinder sind am Morgen aus dem Haus und nicht wieder zurückgekommen. Woher sollen wir den mehr wissen?", schimpfte es plötzlich und gleich darauf traf Florentina Flankenschwarz hinter ihren Onkel, die Arme verschränkt, den Mund zu einem dünnen Strich zusammengekniffen. Tut'Wee hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich noch im Zimmer befand. "Und bevor du fragst, die Drohbriefe erreichten uns immer nachts und nein, keiner hat etwas bemerkt. Einer lag auf der Türschwelle und der andere war an den Rahmen eben dieser Tür genagelt. Mit einem Silberdolch! Wenn das keine Provokation ist!"
"Florentina, Liebes, bitte", Rasputin Flankenschwarz schob fahrig ein Blatt Papier auf seinem Schreibtisch hin und her. "Beruhige dich, ich bin sicher, dass, ja, dass das die Damen und Herren der Stadtwache schon wissen."
"Na, dann muss er ja nicht fragen!", kam die schnippische Antwort.
"Doch muss ich." Die Gnumie funkelte die Werwolfdame ärgerlich an. "Immerhin ist das mein Tschob und den würde ich jetzt gern fortsetzten, wenn die Dame es gestatten."
Und geht, bitte, einfach geht, da ich mich sonst vergessen könnte und glaub mir, das will niemand hier, fügte er in Gedanken hinzu, doch da Werwölfe bekanntlich nicht in der Lage waren, solche zu lesen, blieb die Nichte des Clanführers wo sie war. Und schien auch nicht gewillt sich etwas mehr zurückzunehmen.
"Warum wurde die Wache nicht sofort nach dem Verschwinden der Kinder benachrichtigt?"
"Ich weiß mittlerweile, dass dies ein Fehler war, aber ..."
"Wie ziehen es vor, unsere Angelegenheiten allein zu regeln und niemanden Fremdes darin herumschnüffeln zu lassen."
"Herr Flankenschwarz, hast du einen Verdacht, wer einen Nutzen aus der ganzen Angelegenheit ziehen könnte?"
"Ich weiß es nicht. Ich bin jetzt seit über zwanzig Jahren Clanführer und natürlich kann man es nicht jedem immer Recht machen ..."
"Er weiß es nicht. Wahrscheinlich niemand den wir genauer kennen. Allerdings hat er nie etwas getan, was eine Tat in diesem Ausmass rechtfertigen würde. Und jemand aus der Familie war es ganz sicher nicht, wenn du darauf hinauswillst."
"Florentina, würdest du uns vielleicht einen Tee bringen? Das würde meinen Nerven jetzt gut tun."
Endlich, ein Akt der Vernunft! Tut'Wee unterdrückte eine erleichtertes Seufzen, als die Frau aus dem Raum gerauscht war.
"Ja, also, verzeih meiner Nichte ihr Benehmen, sie macht sich nur Sorgen, das ist alles." Rasputin Flankenschwarz warf der Gnumie einen entschuldigenden Blick zu. "Aber in einem Punkt muss ich ihr Recht geben: Auch ich kann mir nicht vorstellen, dass, ja, jemand aus unserem näheren familiären Umfeld in die Sache verwickelt ist. Ja, dazu steht man sich zu nah."
Der Oberfeldwebel beschloss, nicht näher darauf einzugehen, am Ende wäre ihm nur eine nicht ganz höfliche Bemerkung über die Lippen gekommen. Stattdessen beschloss er, sich zunächst auf ein anderes Thema zu verlegen.
"Herr Flankenschwarz, was würde eigentlich passieren, wenn du den Forderungen in den Briefen nachkommen würdest? Wer würde die Clanführung übernehmen, wenn auch dein Sohn ... äh, verhindert wäre?"
20.12.2008 16: 47Pismire
Es war bereits ziemlich spät in der Nacht, als Pismire wieder im Wachhaus eintraf. Und er war ziemlich erschöpft, denn es war ein langer, harter Tag gewesen, der unschön begonnen hatte. Am Morgen war er zu diese dämlichen Anwaltskanzlei, die die Insolvenz dieses verdammten Hundeartikelladens regelte, aufgebrochen und hatte sich aufs höflichste als Wächter von diesem verdammten Anwaltsgesindel schikaniert gesehen.
Mohnblüten, Sargfeger und Zwiebel, Siebenschläfer 15 - mindestes einer würde sich als gottverdammter Zombie oder sonstiger Untote herausstellen, da war der alte Mann sich sicher. Auf jeden Fall würde es schwierig werden, vermutete der Oberleutnant, denn nicht einmal die korruptesten und abgefeimtesten der Rechtsverdreher diese Stadt standen in dem Ruf, der Wache helfen zu wollen.
"Gerade die nicht!", korrigierte sich Pismire in Gedanken.
In der Tat entpuppte sich die Kanzlei als recht dunkle Angelegenheit im vierten Stock des zweiten Hinterhauses in einem der preiswerteren Viertel von Morpork. Allerdings schien die Anwältedichte in diesem Haus bemerkenswert zu sein, denn an der Vorderfront bedeckten die unterschiedlichsten Ausprägungen von Kanzleischildern die Fassade bis zum ersten Stock, so dass das Haus im Erdgeschoss wie gekachelt wirkte. Das achte Schild von links in der dritten Reihe von oben wies ihm denn auch den Weg. Das Haus musste hunderte von Anwälten beherbergen, spekulierte der Wächter und beschloss, diese komische Frau von DOG einmal darauf hin anzusprechen - vorausgesetzt, sie war bei seiner Rückkehr greifbar.
In der Kanzlei empfing ihn eine grämlich und verbittert aussehende Empfangsdame unbestimmt fortgeschrittenen Alters, die ihn mit säuerlicher Miene musterte und ihm mit Grabesstimme bedeutete, dass er - ohne einen festen Termin bei einem ihrer Arbeitgeber - sich auf eine lange, sehr lange Wartezeit einstellen könne. Sein Versuch, mit Hilfe von billigem Charme und verlogenen Komplimenten an ein paar Vorabinformationen über die Kanzlei zu kommen, führten zur deutlichen Absenken der Raumtemperatur bis hin zur Schneegrenze - sozusagen.
Fräulein - eine Anrede, die ihr wirklich wichtig war - Gertrude Rüberundrunter erwies sich als ebenso zugeknöpft, wie ihre steifleinene Bluse. Außerdem sei Herr Sargfeger heute nicht vor Mitternacht im Hause, während Frau Zwiebel einen Termin außerhalb der Stadt wahrnehme. Er müsse also mit Herrn Mohnblüte und seinem übervollen Terminkalender vorlieb nehmen. Dieser werde ihm sicherlich im Verlauf des Tages ein paar Minuten widmen können - wenn er sich bitte wieder setzten würde. Im Wartezimmer - einem fensterlosen Raum, dem man die ehemalige Besenkammer ansah - liege bestimmt ein wenig Lektüre aus, mit der er sich die Zeit vertreiben könne, vorausgesetzt er könne lesen, vom Herumschleichen jedenfalls werde die Zeit auch nicht kürzer.
Mit einem deutlichen Grummeln setzte sich Pismire wieder. Leider erwiesen sich die Türen, an denen er vorhin versucht hatte, wein wenig zu lauschen, als gepolstert und schalldicht. Was ihn allerdings wirklich zur Weißglut trieb, war die Tatsache, dass außer ihm niemand sonst die Kanzlei betrat und die Warterei also mit Sicherheit reine Schikane war. Man wollte ihn offensichtlich zum Gehen bewegen - also wartete er verbissen weiter, während der Vormittag langsam verging.
Endlich öffnete sich eine der Türen und eine helle Männerstimme näselte, der Wächter könne jetzt reinkommen.
Als Pismire sich endlich in der halb geöffneten Tür Herrn Mohnblüte in seiner mit glitzernden Dingen geschmückten, schwarzen Seidenrobe gegenüber fand, musste er feststellen, dass er es vermutlich lieber mit einem Untoten als einem verdammte Halbelfen zu tun gehabt hätte, als das sich sein Gegenüber beim ersten Anblick entpuppte.
Und auch hier kam er nicht weiter. Bedauere, aber über die Angelegenheiten von Klienten könne auch vor Wächtern nicht gesprochen werden, nein, der Aufenthaltsort des Inhabers der Firma sei ihm nicht bekannt, und im übrigen liege der Fall in den bewährten Händen von Maître Sargfeger, über dessen Aufenthalt er, Maître Mohnblüte, leider nichts verlauten lassen könne. Darüber hinaus sei man mit den anstehenden Vorbereitungen für das Fest bereits schon ausreichend ausgelastete, so dass einem zügigen Verlassen der Kanzlei seitens des - wie auch immer - Oberleutnants nichts mehr im Wege stünde, näselte es vor sich hin.
"Hör zu, du geputztes Bürschchen", platzte dem alten Mann der Kragen. "Versuch nicht, mich zu verarschen! In dieser Kanzlei ist sein Stunden niemand mehr ein und ausgegangen. Du hast soviel Zeit, wie du willst. Und was für ein verdammtes Fest bereitest du Flitterschwester hier eigentlich vor?"
"Soll ich die Wache rufen, Maî?", mischte nun sich die Empfangsdame ein, worauf dem Oberleutnant ein rohes: "Halt dich da raus, du vertrockneter Sauerapfel!" sowie der Satz: "Die ist schon da, wertes Fräulein!" entschlüpften. Wobei er ersteres sogar ein wenig bedauerte, während er Herrn Mohnblüte in sein Büro bugsierte und hinter sich die Tür schloss.
Unsicher ob dieser groben Reaktion schauter das Wesen Pismire aus großen Augen an.
"Oberleutnant, ich bin wirklich nicht mit den Angelegenheiten der Firma Entwurmelich und Co vertraut. Das war allein Herrn Sargfegers Metier. Immerhin kannten die beiden sich ja schon aus Rimsfelden in Ãœberwald. Was nun die Familie Flankenschwarz angeht ..."
" ... die ich bis jetzt nicht einmal erwähnt habe!", sagte der Wächter deutlich. "Interessant, Maître, du vermutest also einen Zusammenhang zwischen der Firma Entwurmelich und der Familie Flankenschwarz?!"
Mohnblüte schluckte vernehmlich und begann zu schwitzen. Er verspürte echte Panik bei dem Gedanken, was seine beiden Partner mit ihm anstellen mochten, wenn sie erfuhren, dass er an den Türen lauschte. Und dass er so dämlich gewesen war, sich ausgerechnet einem Wächter gegenüber zu verplappern.
"Angst?", erkundigte Pismire sich scheinbar voller Sorge. "Kann ich verstehen, guter Mann. Kleine Betrügereien sind eine Sache - hier geht es unter Umständen um mehrfachen Kindsmord. Du weißt, was ein aufgehetzter Mob in dieser Stadt mit einem halbelfischen Kindermörder - und dafür werden sie dich halten, glaub mir - so alles anzustellen pflegt? Hast du genug Phantasie, es dir wirklich detailliert vorzustellen?", schob er leise nach, um die Angst bei seinem Gegenüber noch ein wenig zu schüren.
"Ich, ich weiß nichts. Ich meine - nicht viel. Ich habe Herrn Wurmelich nicht gesehen. Nur einmal, da stand die Tür auf und ich habe nur gehört, dass das mit den Halsbändern unter allen Umständen geheim bleiben müsse. Und dann fiel noch der Satz:
"Wir wollen ja das Flankenschwarzrudel nicht schon zu früh auf die Jagd schicken". Und Herr Sargfeger und der andere Mann haben dabei gelacht. Dann schaute Frau Zwiebel zur Tür und bemerkte, dass sie nicht geschlossen war und dann hat sie sie zugemacht und ich haben nichts mehr gehört. Ich flehe dich an, du musst mir glauben."
Und in der Tat, viel mehr über die Halsbänder, die ominöse Firma und die Verbindung zur Familie Flankenschwarz war bei dem verängstigten Halbelfen nicht zu holen.
Die einzige weitere, verwertbare Information bestand darin, dass es sich bei dem bevorstehenden Fest um die Einweihung eines neuen Tempels einer überwaldischen Göttin handelten, und das die Kanzlei federführend den Ankauf und die Abwicklung der Bau- und Umbauphasen begleitet hatte. Auch darüber waren Frau Zwiebel und Herr Sargfeger gegenüber ihrem Mitkanzlisten nicht sehr mitteilsam gewesen.
Normalerweise interessierte Pismire sich wenig für Götter und hatte auch seit seinem letzten Kontakt mit ihnen
[2] keinen Grund gesehen, diese ablehnende Haltung zu revidieren. Also machte er sich an das lange und nervenaufreibende Geschäft des Klinkenputzens in den Tempeln der Stadt, wo er den ein oder anderen Priester (der in der Regel im Rang kaum höher als der Unteraushilfsbruder Finkenmus, der bei dem Fall der Göttin vom Dachboden Pismire als eine Art theologischer Ratgeber gedient hatte, war) kannte und sich Informationen erhoffen konnte. Im Gegenzug musste er nur Zeit und einen robusten Magen für literweise dünnen Tee und schlechte Kekse mitbringen. Nicht das Pismire zuviel Zeit hatte, aber er war sich fast sicher, dass diese Dinge in irgendeinem Zusammenhang mit den Geschehnissen im Fall Flankenschwarz standen.
Am Ende eines langen Arbeitstages hatte er das Folgende in Erfahrung gebracht: In Überwald war eine neue, religiöse Bewegung entstanden, deren Anliegen es sei, die in der Reichsnacht der Würmer (1880 AM)
[3] beschlossene Ächtung des Abbaus, der Verhüttung und der Verarbeitung von Silber aufzuheben. Dieses habe eine Gottheit - welche es war, konnte Pismire nicht wirklich in Erfahrung bringen (genannt wurden unter anderem der ziemlich durchgeknallte Gott Nuggan
[4], die Göttin der gerechten Nahrungsverteilung Anorexia oder der Gott der freien Bastelarbeiten Uhu-Ra) - einer Prophetin (was Nuggan ein wenig aus dem Rennen warf) offenbart, die damit nun durch die Lande zog und predigte. Allerdings zuerst einmal in der nicht unerheblichen überwaldischen Bevölkerung von Ankh-Morpork, weswegen hier auch dieser Tempel entstehen sollte. Pismire hatte zu seinem Erstaunen vernommen, dass ausgerechnet überwaldische Zwergenklans diese Religion fördern sollten und auch das Geld für den Tempel bereit gestellt hätten. Zwar hatten Zwerge definitiv keine Religion, aber ausgesprochen eigenen Ansichten, was das Fördern von Metallen anging.
Zurück in der Wache wollte er eigentlich nur noch einen Kräutertee und sich dann in der Pathologie ein wenig aufs Ohr legen, als ihm zu seinem Bedauern das Protokoll von Sebulon in die Finger fiel. Bereits beim Lesen der achten Zeile wallte der Zorn in ihm hoch. Da verhörte so ein dämlicher Anfänger ein verletztes, traumatisiertes Kind mitten in der Nacht in einem Verhörraum, der normalerweise so eingerichtet war, dass er potentielle Verdächtige einschüchtern sollte, und wunderte sich dann noch darüber, dass das verängstigte Wesen ihm nicht sofort alles erzählte!? Und dann das:
"diverse Bissspuren am Bein (am besten noch einmal nachsehen)" - und niemand hatte daran gedacht, sich erst um die Wunden zu kümmern, dann das Kind schlafen zu lassen und sich anschließend behutsam mit ihm zu befassen!? Und wie bitte war dieser Unfug zu verstehen:
"Para-dings. Und Größenwahnsinnig. Mutter-Komplex."? Es gehörte ja wohl mehr zu Püschologie, als eine Handvoll halb verstandener Ausdrücke aus fremden Sprachen. Aber am schlimmsten war die Tatsache, dass nur ein Wächter anwesend gewesen war. Jegliche aus dieser Befragung entstandene Beweisführung würde in den Händen eines gerissenen Anwaltes vor einem Gericht nicht einmal zwei Sekunden überleben. Die ganze Aktion war wertlos. Sie hatte - unter Umständen - lediglich aus einem auskunftswilligen Opfer ein verstocktes Kind gemacht, das sich von nun an vor den Wächtern fürchtete. Na Bravo! Das hatte ihm noch gefehlt. Aber da er wusste, dass der Zorn ein schlechter Ratgeber war, beschloss Pismire, dieses Problem auf den Morgen zu verschieben. Er hoffte nur, dass seine (so genannten)
'Experten' wenigstens das Kind in dieser Nacht in Ruhe schlafen ließen.
25.12.2008 13: 15Braggasch Goldwart
Müde erhob sich Pismire ein weiteres Mal. Das konnte nicht so stehen gelassen werden. Obwohl es nun sicherlich gut über Mitternacht war, wollte der alte Mann, der seiner Meinung nach seinen Schlaf mehr als verdient hatte, wenigstens einen der Fehler des jungen Püschologen oder vielmehr der ganzen Abteilung glattbügeln.
Erschöpft schleppte er sich die Treppen zum Taubenschlag hoch und griff dort nach den bereitgelegten Schreibmaterialien.
Kurz darauf verließ eine Taube mit einer dringenden Bitte an Rogi Feinstich den Turm. Sie würde sich nicht nur am besten um die Wunde des Kleinen kümmern können, sondern auch den Vorteil haben, dass sie als Igor weit besser mit Werwölfen klar kam, als die meisten anderen Wächter.
Braggasch verfluchte sein Pech. Nun hatte er so lange gewartet, dass Tut'Wee schon außer Hörweite war. Hätte er sich doch bemerkbar machen sollen? Aber nein - die Wache stand bei den Flankenschwarzens wohl ohnehin nicht im besten Ruf, und einen verletzten Wächter im eigenen Keller zu finden, würde ihre Meinung bestimmt nicht gerade in positive Richtung ändern. Aber irgendwie musste der Zwerg hier heraus kommen. Verzweifelt sah Goldwart sich um. Der große Raum schien sich unter jenem zu befinden, zu dem die Treppe führte, durch die er gebrochen war - nur die Luke in der Decke und sein neu gemachtes Loch schienen die einzigen Ausgänge zu sein. Er war also mehr als ein Stockwerk tief gefallen. Wer baute denn bitte noch einen Raum unter einen Keller?
Zwerge ging es dem Späher durch den Kopf und in Gedanken entschuldigte er sich sofort bei seinem Volk.
Die Schmerzen ignorierend humpelte er über den staubigen Boden, bis er eine Öllampe fand, die an einem Haken an der Wand hing und Braggasch erlaubte, sein Gefängnis einmal im Licht zu sehen. Geistesabwesend steckte er den Feuerstein, der auf der Lampe gelegen und ihm diesen neuen Luxus beschert hatte ein, während sich seine Augen an die neuen Verhältnisse anzupassen versuchten.
Deutlich konnte er jetzt erkennen, dass dieser zweite Keller mitnichten so vernachlässigt war, wie es zuerst den Anschein gemacht hatte. Klar zeichneten sich Fußabdrücke und die Schiebespuren von Kisten in der dicken Staubschicht ab. Kisten, die viel zu groß waren, um durch die kleine Luke gereicht zu werden.
Mithilfe seines Dolches hebelte Burkhards Sohn eine beliebige Kiste auf. Waffen. Recht fein gearbeitete Klingen. Eine weitere enthielt Marschverpflegung. Eine Dritte Halsbänder. Kurz war Braggasch versucht, etwas als Beweisstück mitzunehmen, doch er entschied sich dagegen. Zwar würde das Loch in der Decke seine Anwesenheit verraten, doch er musste ja nicht jedem auf die Nase binden, dass man herausgefunden hatte, dass in diesem Keller höchstwahrscheinlich geschmuggelt wurde. Ob die Flankenschwarzens davon wussten? Oder war dies einer der vielen Geheimkeller unter Ankh-Morpork, von denen die eigentlich Eigentümer nichts ahnten?
Doch viel interessanter als all diese Fragen war die Tatsache, dass der Zwerg nun wusste, wonach er suchen musste. Tatsächlich entdeckte er nach kurzer, schmerzvoller Suche die Schleifspuren einer Tür im Staub und das direkt vor einem Regal.
Schmunzelnd nahm Goldwart den Griff der Lampe zwischen die Zähne, griff an den Rand des Regals und zog.
Kurze Zeit später war er in dem dunklen Gang dahinter verschwunden, nachdem er sorgsam die Laterne zurück gehangen und die Geheimtür geschlossen hatte.
"Hm. Florentina, denke ich. Ja, sie wäre die nächste, sollte... mein...", zitternd brach der alte Werwolf ab.
Mitfühlend schwieg die Gnumie einen Moment, bevor sie wieder ansetzte: "Und sollte sie nicht...?"
"Dann... Ja, dann käme wohl einer unserer Verwandten aus Überwald als nächstes in Frage. Ja."
"Was gedenkst du als nächstes zu tun?"
Dieses mal schwieg der Clanführer lange. "Ich weiß es nicht.", brachte er schließlich hervor. "Ich kann den Forderungen nicht nachgeben. Aber, verstehst du? Die Kleinen? Mein Sohn..."
"Ich verstehe."
"Erst kam mir Florentinas Idee, die Wache außen vor zu lassen, sinnvoll vor. Aber nun... Ihr seid im Moment meine einzige Hoffnung. Ja."
27.12.2008 15: 53Tut'Wee
Tut'Wee beugte sich interessiert vor: "Florentina? Warum ausgerechnet sie? Haben sie nur einen Sohn?"
Diese Frage brannte ihm auf den Lippen. Wölfe hatten pro Wurf üblicherweise zwei bis vier Kinder.
Der alte Werwolf schaute die Wächter verwirrt an: "Sie ist die Stärkste. Es ist immer der Stärkste. Wir adeln nicht Nachkommen, wir adeln die Kraft. Und mein Sohn hatte die Knochen, um sehr stark zu werden."
Diese Antwort brachte Tut auf den Boden der Tatsachen zurück, was seine Umgangsformen anging. Flankenschwarz war in Wahrheit weder gebrechlich, noch eine Frau. Nichts was Schutz in seinen Augen bedurfte. Er war ein Leitwolf, der immer noch an der Spitze stand. Ein Leitwolf kämpfte bis zum Tode, denn wenn er verlor, machten ihn Nummer drei und vier auf der Rangliste fertig. Die alten Überwaldtraditionen galten auch in dieser Stadt, egal was die Gesetze dazu sagten. Auch kam es ihm seltsam vor, das eine Horde Werwölfe nicht die Geruchsspur einiger der ihren auf sich nehmen konnten. Irgendwie kam es ihm so vor, als würde er hier verschaukelt... und zwar in einem Puppenbett.
"Aber was meinen sie mit verschwunden?" fragte Rasputin zitternd.
Tut räusperte sich ironisch. Die kleine Gnumie stand auf und stützte verschränkt die Hände provokant vor der Brust, eine Haltung, die nichts Gutes verhieß.
"Ich meine damit, das jemand sich einen Klumpen Silber schnappt und ihn den süßen Kleinen in den Hintern schiebt, bis sie winselnd verrecken." säuselte Tut in einem fast liebevollen Ton.
Flankenschwarz schnappte überrascht nach Luft.
"WAS", knurrte er gefährlich, "erlaubst du dir?"
Die Gnumie blieb ungerührt stehen: "Was ich mir erlaube? Die Frage ist eher, was ich DIR erlaube. Ich erlaube DIR, Bürger, mich zu Siezen. Und ich erlaube Dir, mir alle Beweißmittel zu bringen. Und ich erlaube Dir, mir bis morgen schriftlich mitzuteilen, was ihr bisher unternommen habt. Weißt du was ich mir erlaube? Solltest du auch nur eine der Sachen nicht erfüllen, erlaube ich mir, dich in ein Gefängnis zu stecken. Wegen Behinderung der Ermittlungen."
Flankenschwarz fing an zu Jaulen, beugte sich vorne herüber, bis seine Hände den Boden berührten: Stoff riss und Knochen brachen in neue Positionen, als Flankenschwarz' Wandlung vom Humanoiden zum Wolf begann.
Die Gnumie wartete gemächlich ab.
Blanke monströse Zähne näherten sich einem Miniuntoten.
Tut lächelte unter den Binden: "Na bitte, alter Wolf. Kein Zittern mehr und nix. Diese Masche 'Ich brauche eine warme Decke und einen Kauknochen' nimmt dir eh keiner ab. Hast du wirklich gedacht, deine angebliche letzte Chance wäre ein Haufen von Feiglingen. Also, du holst jetzt die Sachen und wir Wächter hier ziehen los. Wir pfeifen schon, wenn wir deine Meute brauchen, aber bis dahin halten du und die deinen die Pfoten still. Wenn ich nur einen Pieps von einem einzigen Bürger höre, komme ich vorbei und haue dir einen Silbernapf um die Ohren. Klar?"
Die Zähne umschlossen nun fast das sich nicht rührende Bindenwesen. Dann zuckte das Maul leise kichernd zurück
Flankenschwarz rannte auf die Tür zu und verschwand durch eine Hundeklappe.
Tut nickte sich still selber zu. Seine Taktik war aufgegangen. Durch ihre Hinhaltetaktik hatte diese Florentina den Alten geschwächt. Wahrscheinlich hatte sie sogar den Anderen befohlen, nichts zu unternehmen. Der Alte war nun wütend und hoffnungsvoll, mehr als genug Kraft vielleicht, um sie davon abzuhalten, Anführerschaft zu erreichen und die Spuren zu verwischen. Tut fragte sich selber, ob diese Florentina hinter all dem steckte. Aber er hatte im Grunde nicht die leiseste Ahnung. Es war ebenso gut möglich, das sie die Situation ausnutzte, dass der Alte geschwächt war. Oder dass sie wirklich allein ermitteln wollte. Aber das hier verschaffte ihnen zumindest etwas Zeit. Wenn Flankenschwarz es geschluckt hatte.
31.12.2008 22: 20Breda Krulock
Circa 3 Uhr
Langsam schloss die Igorina die Tuer des notduerftig eingerichteten Erholungsraumes hinter sich und setzte sich an den Tisch. Sie seufzte kurz auf. Vor ihr ausgebreitet lagen diverse Unterlagen und Berichte ueber den Werwolfsjungen, welcher nun in der Kammer neben Rogis Buero tief schlief. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis der junge Mann einigermaßen ansprechbar war, geredet hatte er dennoch nicht viel. Er bat nur darum, bald entlassen zu werden, damit er im Hause Flankenschwarz von seinem Versagen berichten konnte. Trotz Rogis Einwaenden war er nicht von seinem Wunsch abzubringen gewesen und so musste sie klein beigeben. Im Anschluss an die koerperliche Untersuchung, gab sie ihm ein Beruhigungsmittel und bat ihn, sich wenigstens die Nacht ueber auszuruhen, um am Morgen eine genauere Aussage im Beisein von Olt. Pismire machen zu koennen. Er war einverstanden.
Rogi hatte sich waehrend der Untersuchung die Wunden genauer ansehen koennen, konnte aber nichts außergewoehnliches feststellen. Sebulons Bericht, so merkwuerdig er auch war, stimmte mit ihren Entdeckungen ueberein. Die als Bisspuren titulierten Schrammen am linken Bein waren tatsaechlich Bisspuren. Aber wie Malko, so der Name des jungen Werwolfes, ihr erklaerte, stammten diese von den Flankenschwarz Kindern, fuer welche er verantwortlich war. Er war sozusagen ihr Hundesitter und der einzige "Erwachsene" der Familie, der am Tag der Entfuehrung mit den Kindern zusammen war. Es war ein routinierter Ausflug in die Stadt gewesen. Der Besuch beim Zuckerli gehoerte zu den regelmaeßigen Ausfluegen, die die vier gemeinsam unternahmen. Das die Kinder ein potenzielles Ziel fuer Entfuehrungen darstellten, war allen bewusst gewesen, doch Malko gehoerte trotz seiner jungen Jahre zu der Kaempfer-Elite im Hause des Clanfuehrers. Die Entfuehrer hatten ihn hinterruecks ueberfallen, bevor sie sich die Kinder griffen. Malko beschrieb, dass ihm von einer Sekunde auf die andere schwarz vor Augen wurde und seine Knie nachgaben. Irgend etwas, so sagte er, schien ihn zu blockieren. Weder Arme noch Beine wollten reagieren und als sich dann eine Hand um seinen Mund schloss und er das Betaeubungsmittel einatmete, war alles vorbei.
Rogi beendete den letzten Satz in ihrem Bericht, legte den Federkiel beiseite und nahm Malkos Halsband in die Hand. Er war ziemlich erschuettert gewesen, als Rogi ihm mitteilte, dass die kleine Marie tot aufgefunden worden war. Er beantwortete aber die Frage, was es mit diesen Halsbaendern auf sich hatte. Die Antwort war ziemlich enttaeuschend, dienten diese doch lediglich dem Zeichen der Zugehoerigkeit zum Clan. Von einem Vibrieren oder Pulsieren wusste er nichts und wollte auch nie etwas bemerkt haben. Die Bänder waren noch nicht eingetragen und kniffen leicht. Den Zeitpunkt der Neuanschaffung schaetzte er auf etwa vor zwei Wochen.
Fein saeuberlich beschriftete die Igorina den Beutel und legte das Halsband hinein, welches dann zusammen mit den Akten und Berichten in einer Box per Eilboten ins Wachhaus z. Hd. Korporal Ziegenberger geliefert würde, mit der Bitte um Teilnahme am morgigen Gespraech.
Zur selben Zeit
Menélaos saß mit gefalteten Haenden am Tisch und schaute seinem Idol Zuckerli ins Gesicht, welcher sich an einem Glas trueben Wassers festklammerte.
"Herr Zuck...erli," Ophelia sah von ihren Notizen auf. "Sie haben also ihren eigenen Tod vorgetaeuscht, um einem eventuellen Racheakt zu entkommen, ist das korrekt?"
Der Mann nickte und nahm einen Schluck aus seinem Glas.
Ophelias Stift kritzelte ueber das Papier.
"Und sie haben den Jungen versteckt, um ..."
"Ich wusste nicht, was ich machen sollte!", warf der alte Mann ein. "Ich musste mich verstecken. Wissen sie, was es heißt, ein so gut laufendes Geschaeft aufzugeben? Ich habe lange dafuer gearbeitet, dort zu sein, wo ich jetzt bin... war." Mit zitternder Hand stellte der Baecker das Glas zurueck auf den Tisch. "Mit dieser Sache will ich nichts zu tun haben. Das ist mir zu heikel. Mit diesen Leuten ist nicht zu spaßen."
"Mit welchen Leuten?" Menélaos beugte sich vor. "Wer waren die Entfuehrer?"
"Ich, ich weiß es nicht. Ich habe sie nicht gesehen."
"Ich bitte sie, Herr Zuckerli. Halten sie uns nicht zum Narren." Ophelia konnte den scharfen Unterton in ihrer Stimme kaum verbergen. Sie wuerde es nie zugeben aber diese Verhöre machten ihr Spaß. "Wenn sie die Maenner nicht gesehen haben, warum wollten sie dann fluechten, wenn von ihrer Person keine Gefahr fuer die Entfuehrer ausgeht? Und wie sie selbst sagten,
ihr so gut laufendes Geschaeft: wuerden sie das fuer etwas aufgeben, das sie gar nicht gesehen haben?"
Der Mann schwieg.
"Wenn du sie gesehen hast, musst du uns sagen wie sie aussahen! Sag uns, was du weißt!", forderte Menélaos.
Zuckerli sah auf, seine Wangen waren traenenueberflutet und aus seinen Augen sprach die pure Angst.
"Ich... ich kann nicht!"
Zur selben Zeit
"Scheiße!" Hatscha fluchte. "Dabei haben wir uns so beeilt."
"Wenn die Gilde so schnell reagiert, muss es was ganz Uebles sein. Diese Flankenschwarzsache scheint was Großes zu werden."
Hatscha schneuzte in ihr Taschentuch. "Ich denke, sie ist schon was Großes. Ich werde die anderen Abteilungsmitglieder anweisen, sich umzuhoeren. Mehr kann ich derzeit nicht fuer dich tun. Durch die Eroeffnung dieses Mega-Tempels ist die Stadt wie verrueckt und die Gilden beschaffen uns eine Menge Arbeit."
"Danke Hatscha, das weiß ich zu schaetzen." Breda zog ihren Umhag enger. "Aber es gibt da ja noch den einen oder anderen, der mir vielleicht weiter helfen koennte. Entschuldige mich bitte, ich hab noch Einiges zu erledigen."
Breda verabschiedete sich von ihrer Kollegin und bog in eine kleine Seitengasse ein.
01.01.2009 22: 58Mina von Nachtschatten
Er konnte nicht schlafen. Kein Wunder, die Pritsche, auf der man ihm ein Lager für die Nacht gerichtet hatte war hart und er war nicht müde genug, um diesen Umstand einfach zu ignorieren. Und außerdem jagten sich in seinem Kopf die Gedanken, er wusste gar nicht, mit was er sich zuerst befassen sollte.
Malko drehte sich auf die andere Seite und starrte die Wand an. Morgen also die Aussage. Die genaue Aussage. Blieb nur das Problem, wie diese aussehen würde. Oder besser: Was würde die Familie
nicht wollen, dass er sagte? Es wäre besser gewesen, dies vorher noch einmal im Clan besprechen zu können... dessen Oberhaupt ihm zuvor wohl gehörig den Kopf gewaschen hätte. Darum würde er ohnehin nicht herum kommen. Wie er nur so hatte versagen können! Malko konnte es beinahe schon hören. Und auch da würde er aufpassen müssen, was er selbst erwiderte. Was würden
sie nicht wollen, dass er es ausplauderte? Der junge Werwolf kniff die Augen zusammen. Zwei komplett verschiedene Geschichten und in keiner durfte ihm ein Fehler unterlaufen. Was die Sache noch schlimmer machte war eigentlich nur das Gefühl, beide Versionen nicht vollständig zu kennen. Und dabei hatte die ganze Angelegenheit am Anfang gar nicht so kompliziert geklungen! Nie war er davon ausgegangen, dass die Sache so aus dem Ruder laufen könnte! Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zu den entführten Werwelpen und er spürte einen dicken Kloß im Hals. Das mit Marie war so nicht geplant gewesen. Soweit er den Plan kannte... Und auch dass er solange bewusstlos sein würde hatte ihm vorher keiner gesagt. Dann aufzuwachen, diesen alten Süßwarenverkäufer direkt vor der Nase, welcher ihn besorgt musterte und gar nicht mehr aufhörte zu reden, war auch nicht unbedingt das gewesen, womit er gerechnet hatte. Malko hatte in seinem Zustand zwar zunächst noch nicht alles mitbekommen, jedoch stand außer Frage, dass der Mann etwas wusste. Vielleicht zu viel? Wer würde wohl noch alles in die Angelegenheit mit hineingezogen werden? Und er hatte es doch nur gut gemeint, bei allem nur an den Clan gedacht, sonst hätte er doch nie...
Malko setzte sich auf und schüttelte den Kopf, als könnte er damit seinen Gedanken eine klare Bahn geben. Allerdings war im ersten Moment das Gegenteil der Fall, noch immer leicht benommen vom Beruhigungsmittel der Igorina wurde ihm zunächst nur schwindelig und es dauerte einige Sekunden, bis Wände, Decke und Boden wieder ihren ursprünglichen Platz einnahmen. Was konnte er jetzt tun? Sein Vater hatte ihm irgendwann einmal beigebracht, ein Werwolf solle auf seine Instinkte vertrauen. Und diese rieten ihm schleunigst dorthin zurückzukehren, wohin er gehörte. Zu denen, die er kannte und denen er noch eher vertraute als der Wache und irgendeinem Oberleutnant dem er Rechenschaft ablegen sollte und dessen Absichten er gar nicht kannte. Also zurück zum Clan... auch wenn er denen ebenso wenig die ganze Wahrheit anvertrauen konnte, was der alte Flankenschwarz dann mit ihm anstellen würde, mochte er sich nicht ausmalen.
Malko sah sich im Raum um und bemerkte ein schmales Fenster an der gegenüberliegenden Wand.
Kurz darauf sah man einen Wolf quer über den Platz vor dem Wachhaus huschen und, immer noch gelegentlich leicht schwankend, im Dunkel der Nacht verschwinden.
02.01.2009 19: 57Ophelia Ziegenberger
Ophelia hatte inzwischen erhebliche Mühen, sich wachzuhalten. Den letzten Schlag einer der Turmuhren, den sie bewusst wahrnahm, hatte die anbrechende fünfte Stunde vor dem Morgengrauen angezeigt. Es wurde allmählich unwahrscheinlich, dass sie vor der nächsten Schicht nach Hause und etwas Schlaf aufholen könnte.
Sie setzte einen akkuraten Punkt unter den letzten Bericht und stellte die Glasfeder leise klirrend in den Halter zurück, bevor sie in Gedanken versunken das Tintenfass schloss.
Sie blätterte langsam diverse Unterlagen durch, die sich innerhalb der letzten Stunden auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatten.
Die Ermittlungstruppe leistete gute Arbeit. Sie war froh, dass Mina damit nicht mehr allein dastand. Ihre ehemalige Auszubildende war zwar eine sehr fähige Wächterin, sie hielt hohe Stücke auf die Obergefreite, aber selbst die höfliche Vampirin konnte unmöglich in 24-Stunden-Schichten und ohne Beistand einen so komplizierten Fall lösen.
Ophelia blinzelte die Müdigkeitsschleier aus den Augenwinkeln und fokussierte den Blick auf den dicht beschriebenen Bericht der Igorina, der eben von einem heftig atmenden Rekruten in einer an sie persönlich adressierten Box abgegeben worden war. Rogi schrieb im Großen und Ganzen nichts Neues. Zumindest nichts, was für den Fall von entscheidender Bedeutung wäre. Aber es war dennoch ein gutes Gefühl, ihr Schreiben in den Händen zu halten. Es mochte albern sein, doch irgendwie vermittelte das der Stellvertretenden Abteilungsleiterin das Gefühl, nicht allein zu sein. Ihre ehemalige G.R.U.N.D.-Ausbilderin saß einige Straßenzüge weiter ebenso am Schreibtisch und widmete sich den anstehenden Problemen. Sie nahm sich trotz der stets reichlich vorhandenen Sorgen rund um die Neuen dennoch die Zeit, ihnen hier am Pseudopolisplatz zu helfen.
Sie legte den Bericht mit in die gut gefüllte Aktenmappe.
Was sollte sie in wenigen Stunden von Grauhaar berichten? Was wären die wichtigsten Informationen, die sie ihm in Kürze zusammenfassen sollte? Denn darin bestand ihre Aufgabe. Der Abteilungsleiter hatte so viele verschiedene Aufgaben, die in seine Zuständigkeit fielen, dass seine Zeit nicht mit überflüssigen Details vergeudet werden durfte. Eine Anfrage, beispielsweise des Kommandeurs oder gar des Patriziers musste er umgehend beantworten können. Gleichzeitig durfte sie nichts unterschlagen, was letztlich noch wichtig werden könnte. Es lag an ihr, ihm auf diese Weise den Rücken frei zu halten.
Die junge Frau ließ die Finger spielerisch über die ausgebreiteten Akten gleiten und versuchte sich an einer Formulierung dieses speziellen Berichts.
"Es besteht der dringende Verdacht, dass..." Ja, welcher Verdacht? Der Verdacht, dass die Familie Flankenschwarz ihnen etwas verheimlichte? Eine gewagte These, für die sie Beweise benötigt hätte.
Ihr Blick fiel auf das zweigeteilte Kurzprotokoll des Oberfeldwebels Tut'Wee und unwillkürlich verglich sie es mit den Bemerkungen Rogis. Die Clanabzeichen verbargen ein magisches Geheimnis und weder schien irgendwer von den Flankenschwarz' davon gewusst zu haben, noch konnte eine Erklärung zur Wirkungsweise dieses angeblichen Pulsierens gefunden werden. Romulus würde sich gewiss besonders dafür interessieren, wo die Bänder doch solch eine Spezientradition darstellten und ihre unterschwellige Wirkweise sicherlich auf den Metabolismus eines Werwolfes abgestimmt worden waren. Alles andere hätte überhaupt keinen Sinn ergeben.
Überhaupt! Innerhalb der wenigen Stunden waren so viele Informationen zusammengeflossen, dass sie den Überblick zu verlieren drohte! Was wäre jetzt das Wichtigste? Sollten sie ihre Kräfte darauf konzentrieren, die suspekten Anwälte zu befragen? So etwas war nicht nur schwierig, es konnte auch verflixt kostspielig werden. Ohne den Jüngeren damit zu nahe treten zu wollen, dafür kam nur einer der älteren Kollegen im Ermittler-Thiem in Frage. Und der Betreffende sollte zuvor ausgeschlafen haben!
Oder wäre das eine Fehlentscheidung, eine Vergeudung ihrer personellen Ressourcen und mochte dem nächsten Wer-Kind das Leben kosten? Sollten sie lieber der Spur über den verängstigten Ex-Konditor folgen? Er hatte nicht mit sich reden lassen und alles, was er womöglich wissen mochte, vor ihnen verschwiegen.
Ophelia fühlte sich schuldig.
Hatte sie während des Verhörs einen Fehler gemacht? War sie nicht einfühlsam genug mit dem alten Herrn umgegangen, so dass er sich ihretwegen nicht geöffnet und so der Wache nicht weiter geholfen hatte? Was, wenn er etwas wusste, was ihnen ansonsten helfen könnte, die vermissten Kinder zu retten?
Der Gedanke krampfte ihr Inneres zusammen. Sie fühlte sich elend. Sie stützte ihr Gesicht verzweifelt in beide Hände und zog, solcherart über die Schreibtischfläche gebeugt, den Kopf zwischen die hochgezogenen Schultern.
Die Kinder! Sie durfte nicht über die Kinder nachdenken. Das ging ihr einfach zu nahe, so dass sie unmöglich die nötige Konzentration aufzubringen imstande war! Allein, wenn sie an die zartgliedrige Leiche des Wer-Mädchens dachte, wie diese auf dem kalten Metalltisch bei S.U.S.I. gelegen hatte!
Ein zittriges Schluchzen löste sich leise aus ihr, als sie Luft holte. Schnell ballte sie beide Fäuste vor den Mund und sah sich in ihrem nur spärlich beleuchteten Büro um. Als sie sich ihrer Reaktion bewusst wurde, lachte sie bitter auf. Wer sollte um diese Zeit schon im Wachhaus danach lauschen, ob die Stellvertretende Abteilungsleiterin von R.U.M. nicht mit der angebrachten Contenance bei der Sache war?
Sie straffte die Schultern und holte tief Luft. Schon besser.
Sie musste sich entscheiden, in welche Richtung die Ermittlungen weiter laufen sollten. Dann galt es, ein entsprechendes Gespräch mit dem Oberleutnant zu suchen, um seine Ansicht dazu einzuholen. Das schadete nie. Und dann war es sicherlich auch schon an der Zeit, Romulus Bericht zu erstatten.
Sie legte die vielen Seiten ordentlich geschichtet in die Akte, ließ sich von dem verschlafenen Dämon einen weiteren Tee aufbrühen und zog sich ein blütenreines Blatt näher, um mit einer Stichwortauflistung zu beginnen. Ohne dieses Eingeständnis an ihre Müdigkeit wäre es ihr kaum noch gelungen, eine sinnvolle Struktur in ihre Überlegungen zu bringen.
Sie öffnete das soeben verschlossene Tintenfass wieder und tunkte die gläserne Spitze in die schwarze Flüssigkeit.
Was hatte es mit dieser Prophetin auf sich, die die Tempel-Einweihung und den neuerlichen Silberabbau in Überwald vorantrieb und dadurch zu noch mehr Unruhen in der Stadt beitrug? Sollten sie diese Dame suchen? Wäre sie in ihrem voraussichtlichen Domizil aufzufinden oder war es schwieriger an sie heranzukommen? Ein Memo an D.O.G. wäre sicherlich ebenso angebracht, wie ein Hinweis an die S.E.A.L.S.
Unwillkürlich schlichen sich auch private Gedanken in ihre Überlegungen, als sie daran dachte, dass sie den anstehenden Geburtstag von Rea Dubiata nicht vergessen durfte. Die Kollegin hatte es nicht leicht in ihrer permanent unterbesetzten Abteilung und es wäre absolut angebracht, sich mit einer freundlichen Karte und einigen Pralinen für das Ausleihen des hühnenhaften Szenekenners erkenntlich zu zeigen.
Sie rief sich selber zur Ordnung. Konzentration! Wo war sie gerade gewesen? Ah, ja! Diese vermutlich werwolffeindliche neue Religiösität. Es wäre interessant oder gar wichtig herauszufinden, wie weit die Offenbarungen und das Vertrauen dieser ominösen Gottheit gingen oder ob die verkündeten Überzeugungen etwas zu deutlich mit gewissen finanziellen Neigungen der Prophetin einhergingen. Welche Kontakte pflegte sie? Konnte die Wache an diese Informationen gelangen?
Hinter Ophelias Rücken färbten sich die dunklen Samtvorhänge in morgendliches orange.
02.01.2009 21: 56Menélaos Schmelz
Mit blinzelnden Augen hievte Menélaos seinen noch immer müden Körper von seiner provisorischen Pritsche im S.E.A.L.S. Büro der Szenekenner. Menélaos hatte es nach dem Verhör nicht für nötig gehalten, extra für die wenigen Stunden Schlaf nach Hause zu laufen. Der Schlafraum kam auch nicht in Frage, denn dort hatte man den vollkommen übermüdeten Sebulon hinein getragen, der den Geräuschpegel durch sein mächtiges, sägendes Schnarchen stark anhob. Er kratze sich ausgiebig am Kopf und begab sich schlurfend in den Waschraum des Wachhauses, die Gedanken unsortiert in seinem noch schlaftrunkenen Kopf. Er beugte sich über einen der Wascheimer und betrachtete sein verschwommenes Spiegelbild. Mit jedem Schwung Wasser in seinem Gesicht kehrte auch mehr Ordnung in seinen Kopf zurück und er erinnerte sich vor allem an das Verhör mit Zuckerli. Nichts und keine Überzeugungsversuche der Welt konnten den alten Konditor dazu bringen etwas zu verraten. Immerhin konnte man ihn davon überzeugen in Ankh-Morpork zu bleiben. Er wurde vorübergehend in der Bäckergilde einquartiert und ein Rekrut wurde zu seinem Laden geschickt, um die Trauerflagge abzuhängen und die Lage zu überprüfen. Korporal Ziegenberger hatte instruiert, dass Verhör später fortzuführen. Ziegenberger...Ophelia....
Irgendwie hing der Gedanke an diese beeindruckende Frau eine Weile fest in seinem Kopf. Er mochte sie, wirklich. Während dem Verhör hatte er immer wieder die einfühlsame und dennoch bestimmte Art bemerkt, mit der Ophelia auf Zuckerli einging und ihn nur dadurch dazu bewegen konnte, nicht Hals über Kopf aus der Stadt zu fliehen. Aber Menélaos war viel zu schüchtern und hatte Schwierigkeiten, sich nichts anmerken zu lassen. Sebulon hatte ihm, während dem Verhör, ab und zu, wenn der Halb-Ephebe Ophelia etwas zu deutlich beipflichtete oder sie verträumt ansah, vielsagende, müde Blicke zu geworfen. Einmal hatte er ihn auch zwinkernd in die Seite gestupst, wobei Menélaos da nicht sicher war, ob den Zwerg da nicht einfach ein kurzer Schlafanfall übermannt hatte. Und überhaupt, was hielt sie eigentlich von ihm? Hatte sie ihn überhaupt wirklich wahr genommen? Wahrscheinlich hielt sie ohnehin nichts von unprofessionellem Verhalten dieser Art am Arbeitsplatz, vor allem bei Gefreiten wie ihm. Verdammt, wieso musste er bei so etwas immer so pessimistisch sein.
Menélaos schüttelte seinen Kopf, um sich wieder in die Realität zu rufen und er begann sein krauses, schwarzes Haar zu kämmen. Dann kam ein kleiner Haufen aus Schmutz, Unrat und Schlamm in den Waschraum gewackelt. Ungläubig drehte sich der Gefreite um und starrte auf den schmutzigen, verdreckten Zwerg mit den einst blonden Haaren und einem geschienten Bein. Sein Unterkiefer bebte gefährlich und seine Augen zwinkerten heftig.
"Bra...Braggasch?!"
Der Zwerg nickte stumm und sah aus, als bräuchte er einfach eine Umarmung. Und ein Bad.
"Wo warst du? Wir haben nichts mehr von dir gehört. Sebulon hat nach dir gesucht."
Braggasch atmete tief durch und schüttete sich den Wassereimer beherzt über den Kopf. Er sah aus, als hätte er mit dem stinkenenden, alten Ron in der Kanalisation um eine Flasche Fusel gerungen.
"Ich war in der...äh...Kanalisation, aber eigentlich war ich im Haus der Flankenschwarz und da bin ich durch die Treppe...äh...und es gibt einen Keller und...ich muss ganz, ganz dringend zu Chief-Korporal Feinstich."
"Ich bring dich zu ihr."
Menélaos klopfte seinem Kollegen aufmunternd auf die Schulter.
Braggasch nickte ihm dankbar zu. Wortlos und langsam brachte er den zerschundenen Gefreiten vor das Büro der Igorina. Er bewunderte den Einsatz von Braggasch: Er drückte sich nie vor irgendeiner Aufgabe und setzte sich voll und ganz für die Wache ein. Das mochte nicht immer klug sein, dennoch kam er nicht umhin zuzugeben, dass so ein Verhalten eine gewisse Anerkennung verdient hatte. Das erfolglose Verhör des gestrigen Abends nagte noch immer etwas an der Ehre des angehenden Szenekenners. Kurzerhand beschloss Menélaos es seinem guten Freund Braggasch gleichzutun und sich von nun an doppelt ins Zeug zu hängen. Mit einem entschlossenem Gesichtsausdruck stapfte er zurück in sein Büro, zog sich ein frisches, ziviles Hemd an, steckte sich die Dienstmarke in die Hose und eilte aus dem Wachhaus. Er hatte noch zwei Stunden bis die Dienstbesprechung anfängt.
Es wäre doch gelacht, wenn er, als angehender Szenekenner, nicht irgendwie an Informationen heran kommen könnte, vor allem, wenn sie von einem alten Freund wie Zuckerli stammen. Doch dazu musste er sich seiner alten Nemesis stellen, der Bäcker- und Konditorengilde. Gedanken aus der Vergangenheit drohte sich in sein Bewusstsein zu drängen, doch er konzentrierte sich vehement auf das, was vor ihm lag. Er würde Zuckerli schon knacken. Und wer weiß, vielleicht konnte er dadurch ein wenig Eindruck bei Ophelia machen...
Die noch ziemlich neuen Kacheln auf dem schrägen Dach der Gilde spiegelten das sehr frühe Sonnenlicht und blendeten Menélaos. Er fühlte sich bereits jetzt schon als ungebetener Gast denunziert. Eine schmerzliche Erinnerung, an die Zeit, in der er beinahe zu einem der besten Konditoren der Stadt ernannt wurde
[5]. Dennoch schritt der ehemalige Zuckerbäcker weiter auf die verzierte Türe des Gildengebäudes zu. Nervös begann er stark nach Himbeere zu riechen. Er hasste diesen Duft und er hasste ihn in diesem Moment ganz besonders, da er diese häufig störende Eigenschaft ebenfalls den Geschehnissen innerhalb dieses Hauses verdankte.
Er klopfte an.
"Jaaa herein."
Menélaos öffnete langsam die Türe und lächelte verlegen in das Gesicht einer alten Bekannten.
"Mené? Bist du das?"
Die junge, sommersprossige Frau, die hinter dem kleinen Empfangstresen der Gilde saß, sprang auf.
"Hallo Maria."
Menélaos lächelte sie schief an. Maria Safranov war schon seit seiner Zeit damals die Empfangsdame der Gilde. Die kleine, attraktive junge Frau freute sich ehrlich über das Auftauchen ihres alten Freundes.
"Das ist ja ewig her. Wieso hast du dich so lange nicht mehr blicken lassen?"
Menélaos verzog das Gesicht und winkte ab.
"Später Maria, ich bin...privat hier."
"Privat?" Die kleine Frau spielte mit einer ihrer vielen roten Locken und schaute Menélaos fragend an.
"Ja, ich suche Herrn Zuckerli."
"Oh, der ist tatsächlich hier, hat eines der Gästezimmer oben genommen, war vollkommen aufgelöst und gar nicht mehr wieder zu erkennen. Die Wache hat ihn gestern hierher geschickt. Komisch das du fragst."
"Wieso?"
"Vor fast einer Stunde waren zwei Männer hier, die haben sich erkundigt wo man ihn finden könne."
"Wer war das?"
Maria verengte die Augen und stemmte die Hände in die Hüften.
"Weizenmehl und Mandeleis! Du bist ganz schön dreist. Nach all der Zeit einfach auftauchen und mir Löcher in den Bauch fragen."
Menélaos grinste.
"Tut mir Leid. Ich verspreche dir, wir gehen bald mal wieder was trinken. Das ist wichtig für mich. Also, sagst du mir jetzt wer das war?"
Maria grinste zurück. Es ist gut, alte Freunde zu haben, dachte Menélaos. Er ermahnte sich noch einmal, diese Freundschaften intensiver zu pflegen. Das konnte ihm, als angehender Szenekenner, nur helfen.
"Also sie haben sich als Kunden ausgegeben und sich nicht weiter vorgestellt. Der eine war ein großer, breiter Kerl mit einer tiefen Stimme, der andere etwas kleiner, der hat aber kein Wort verloren. Beide waren recht dunkel gekleidet und trugen breite Hüte. Ich konnte nicht mehr erkennen. Seltsame Kerle waren das. Sag mal, riecht's hier nach Himbeere?"
Menélaos wurde rot, blieb aber am Ball.
"Was hast du ihnen geantwortet?"
"Ich hab ihnen gar nichts gesagt, bloß die Adresse seines Ladens. Sie meinten, die kennen sie schon und sie wollten wissen ob er nicht zufällig hier wäre. Ich habe sie höflich vertröstet und raus geschickt und sie sind dann auch ohne ein Wort gegangen."
Verdammt. Zuckerli scheint da wirklich etwas zu wissen, das von Bedeutung sein muss, wenn sie ihn jetzt schon so scharf verfolgen. Vermutlich haben sie ihn eingeschüchtert und jetzt, wo sie eventuell wissen, dass er bei der Wache war, wollen sie vielleicht schlimmeres mit ihm anstellen. Aber wieso schicken sie keinen Assasinen oder Spion?
"Alles in Ordnung Mené? Du siehst so nachdenklich aus."
"Ja alles in Ordnung Maria. Vielen Dank, du hast mir sehr geholfen. Kann ich zu ihm?"
"Kein Problem, du kennst ja den Weg." Maria lächelte ihn an und widmete sich dann wieder ihren Notizen. Menélaos eilte die Treppe hoch, ignorierte einige bekannte, verdutzte Gesichter auf dem Flur und klopfte am besagten Gästezimmer an.
"He...herein bitte." antwortete eine leise, alte Stimme.
Der Wächter betrat den Raum, schloss die Türe und atmete tief durch. Zuckerli saß auf seinem Bett und schaute den Wächter erwartungsvoll an.
"Das mit gestern tut mir sehr Leid Herr Zuckerli. Ich wollte sie so spät nicht aufhalten, aber verstehen sie doch bitte, dass wir ihnen nur helfen wollen."
"Ich habe doch gesagt, dass ich euch nicht helfen kann." Zuckerli schien ehrlich traurig über diesen Umstand zu sein.
"Ja, das hast du gesagt. Ich wollte mich auch nur entschuldigen. Weißt du, das Problem..." Der plötzliche Geruch nach starkem Alkohol ließ Menélaos stocken. Das Fenster stand offen und eine leichte, konstante Brise zog durch das Zimmer. Mit ihr zusammen wehte der unverkennbare Geruch von zu viel billigem Gennuacardi herein. Zuckerli blickte Menélaos verwirrt in die Augen.
Der Wächter schaute sich genauer um. Das Fenster, und somit auch das Zimmer, lagen auf der schattigen Westseite des Hauses. Menélaos sah gerade noch die Armbrust im Fenster auftauchen. Er sprang mit voller Wucht vor den verblüfften Zuckerli, als es klirrte und ein Bolzen in der linken Schulter des Wächters einschlug. Menélaos fluchte laut und biss die Zähne zusammen. Er rappelte sich auf und sprang zum Fenster, lehnte sich hinaus und sah eine kleine Gestalt über das Dach davon huschen. Beherzt brach er den Rahmen aus dem Fenster und kletterte wütend hinter dem Attentäter her. Verfluchte Assasinen! Aber, Marzipan und Kandiskuchen, was für ein verdammter Anfänger! Menélaos hatte Probleme auf dem sehr schrägen Dach der Gilde zu laufen ohne zu fallen. Der Assasine floh gegen den Wind. Ein gewaltiger Fehler. Jedes Werwolfbaby hätten ihn gegen Meilen gerochen. Menélaos balancierte eilig über die Kacheln. Die Gestalt stand am Ende des Daches und blickte hinter sich. Menélaos konnte unter dem Hut und dem Umhang des Attentäters nichts erkennen. Die Gestalt drehte sich erneut hastig um, sprang elegant vom Rand des Daches ab, der Umhang flatterte im Wind, wie ein Schatten im Licht näherte sie sich dem gegenüberliegenden Dach. Dann schlug sie mit dem Unterkiefer zuerst auf der Dachrinne auf und klatschte dann geräuschvoll auf den Boden der kleinen Gasse zwischen den beiden Häusern. Menélaos ging vorsichtig zum Rand des Daches und versuchte etwas zu erkennen. Auf dem Boden lag ein schwer atmender Kerl, der sich den Mund fest hielt und langsam hin und her wälzte.
Menélaos kletterte vorsichtig am Dach hinab, hielt sich dabei an der Dachrinne fest und sprang auf den Boden. Der Bolzen in seinem Arm machte sich schmerzhaft bemerkbar. Wütend packte er den Assasinen am Kragen und zog ihn hoch. Panik erfüllte den Blick des unrasierten, stinkenden Mannes. Die andere Hand des Wächters drehte ihm den linken, dünnen Arm auf den Rücken, damit er auch nicht auf die Idee kommt irgendeine Waffe zu ziehen.
"Wer, bei allen Torten, bist du und was hast du da oben abgezogen?"
Der Mann wurde bleich und atmete heftig. Blut sickerte aus seinem Mund und der Kiefer schwoll an.
"Ich...Du hast kein Recht mir das anzutun! Ich bin ein lizen...auuuu."
Menélaos ließ den Wicht fallen und begann ihn zu durchsuchen. Er fand einige alte Dolche, Bolzen, einen Flachmann und einige vulgäre Bildchen auf altem Papier.
Ein Assasine ohne Lizenz. Vermutlich der nächstbeste der den man auftreiben konnte. Er stellte den übel zugerichteten, betrunkenen Assasinen wieder auf und führte ihn ab. Allerdings nicht ohne Maria zu sagen, sie solle Zuckerli in den sichersten Raum der Gilde schicken, bis einige Wächter kämen, um ihn abzuholen...
03.01.2009 5: 27Sebulon, Sohn des Samax
Die Dienstbesprechung fand zugunsten der geschundenen Wächter Goldwart und Schmelz im Dienstzimmer von Chief-Korporal Rogi Feinstich statt. Dem Gefreiten Schmelz wurde ins Gewissen geredet, dass das eigene Leben sehr wertvoll sei und eine Verfolgungsjagd auf den Dächern der Stadt nicht rechtfertige. Der Gefreite Sebulon wurde scharf zurechtgewiesen, wie eine Vernehmung vorzunehmen ist. Oberleutnant Pismire begleitet ihn zur Vernehmung des inhaftierten Assassinen; ein Rekrut wird zu Ausbildungszwecken hinzugezogen werden. |
---|
Breda Krulock rieb sich das Handgelenk. Eine Pause wäre jetzt gut - aber sie wollte lieber den aktuellen Stand der Dinge niederschreiben, bevor sich wieder neue Ereignisse dazwischenschoben, die alles verschleierten.
Und, bei allen Göttern, es geschah viel in den letzten Tagen.
Sie schüttelte die Hand noch einmal, dann setzte sie erneut an zu schreiben:
Obergefreite Mina von Nachtschatten wird den Bericht von Braggasch Goldwart zu Papier bringen. Sie hat angekündigt, dass sie anschließend verdeckt im Gebiet der Flankenschwarz's ermitteln wird. Oberfeldwebel Tut'Wee und Korporal Ophelia Ziegenberger ... |
---|
Erneut setzte sie ab.
Was war verabredet? 'Die Mistkerle kräftig beuteln, wenn sie aus ihren Höhlen kriechen' konnte man kaum in einen offiziellen Bericht schreiben, den am Ende Pismire unterschrieb und weiterreichte.
Ihr Blick wanderte durch den kleinen Raum und blieb auf dem alten Mann liegen, der in der Ecke saß und ein Backbuch las.
Sie dachte kurz nach und fuhr dann fort:
... werden sich der beiden Unbekannten annehmen, die Zuckerli sehen wollten. Da dieser unser wichtigster Zeuge ist, wird er von Lance-Korporal Krulock persönlich bewacht. Bis keine unmittelbare Gefahr für sein Leben mehr besteht, verbleibt er in seiner Gilde. Die verletzten Wächter haben Ruhe verschrieben bekommen. Nächste Dienstbesprechung: gegen Mittag. |
---|
Sie nickte und faltete das Blatt. Bis Mittag hatten hoffentlich alle etwas Schlaf bekommen.
Der alte Bäckermeister richtete sich auf. "Darf ich uns etwas Kochen, Frau Krulock?", fragte Zuckerli mit strahlenden Augen.
"Nun ... warum nicht? Ich habe heute noch nichts gegessen. Wo wäre denn eine Küche?"
"Eine Küche ist kein Problem, immerhin sind wir die Bäckergilde. Nur die Zutaten müsstest du uns heranschaffen lassen. Warte, ich schreibe dir kurz das Wichtigste auf.", rief er vor Freude und begann eine halbe Seite mit seiner ordentlichen Schrift zu füllen.
*"Könnt ihr aufhören, zu tratschen?", brummte Tut'Wee.
"Aber es ist doch spannend, was Maria über Menélaos zu berichten hat, findest du nicht?", fragte Ophelia.
"Meine Güte, ich wünschte, ich hätte etwas sinnvolleres zu tun, als hier zu warten, dass es endlich klopft und zwei Kerle vor der Tür stehen, die unseren wichtigsten Zeugen sehen wollen. Wenn sie sich wenigstens blicken lassen würden ..."
Es klopfte.
In stiller Übereinkunft verschwand die Gnumie unter einem Tischchen im Eingangsbereich, während Maria und Ophelia sich gegenseitig kurz die Frisur richteten.
Lächelnd öffnete Frau Safranov die Tür und strahlte die beiden Männer förmlich in Grund und Boden, die vor ihr standen.
"Die Herren.", sagte Ophelia höflich und knickste.
"Ist Herr Zuckerli ...", sagte der Größere der beiden mit tiefer Stimme, doch dann hielt er inne und starrte das Empfangstischchen an. Langsam wich er zurück, den Kleineren schützend hinter sich.
"Halt sie auf.", zischte der Oberfeldwebel dem Korporal zu.
Diese ließ sich das nicht zweimal sagen und sprintete an Maria vorbei, dicht von der weitaus langsameren Gnumie gefolgt.
"Bleibt stehen.", sagte der Kleinere. "Wir wollen nur mit Zuckerli reden."
Die Wächter kamen der Aufforderung nach und tauschten einen Blick.
"Ihr tragt da eigenartige Halsbänder.", stellte die Gnumie fest. "Was wollt ihr wirklich?"
Mit einem Mal öffnete der Kleinere seinen Mantel.
"Du bist Malko, nicht wahr?", flüsterte Ophelia.
"Können wir drinnen weiterreden?"
*"
Ghnnn."
"Fo. Jetft follte ef halten. Fon eine föne Verletfung, die fo ein Bolfen hinterläfft, findeft du nicht?"
"Ich wünschte, ich hätte deine Ruhe, Rogi.", brummte Menélaos, doch es klang mehr wie fluchen.
"Na fuper. Jetft ift Braggaf aufgewacht.", seufzte Rogi und setzte sich neben den geschundenen Zwerg. "Wie geht'f dir?"
"Äh ..."
"Klingt normal.", quittierte Rogi.
Menélaos lachte, bereute es jedoch sofort, als er einen stechenden Schmerz in der Schulter fühlte. Qualvoll sog er Luft ein.
"Ich laff euch fwei mal noch Kraft föpfen.", sagte der Chief-Korporal, erhob sich, ging zur Tür und schloss sie leise hinter sich.
"Wer hat dich denn, äh, angeschossen?", fragte Braggasch seinen Kollegen.
"Ein dummer Assassine.", brummte der Kondichemiker. "Hat mir einen verfluchten Bolzen verpasst."
Neugierig sah der Zwerg auf die Schale, in der der blutige, herausgezogene Bolzen lag.
"Äh ... der da? Komisch, der sieht gar nicht nach einem Amateurbolzen aus. Schau mal, die Rillen an der Seite. Das ist ein stabilisiertes Teil, keine schlechte Ware. Und da er noch fast ganz ist, hält er auch einiges aus; gutes Holz, der Maserung nach würde ich sagen ..."
"Braggasch?", unterbrach ihn Menélaos.
"Äh, ja?"
"Gut, ich wollte nur wissen, ob du es bist. So lange Sätze ohne ein einziges 'Äh' klingt gar nicht nach dir."
"Oh. Äh. Ja. Äh ..."
Der angehende Szenekenner grinste.
"Du musst es auch nicht übertreiben. Verstehe ich dich richtig, dass der Bolzen ein teurer Bolzen ist?"
Der Zwerg nickte.
"Aber warum gibt ein betrunkener Einfallspinsel viel Geld für Bolzen aus?"
"Vielleicht, äh, ..."
"Ich glaube, ich muss nochmal ein Wörtchen mit ihm wechseln.", stellte Menélaos entschlossen fest und schwang sich von der Liege.
"Äh ..."
"Ich bin in einer halben Stunde zurück, denke ich. Falls Rogi fragt: Sag ihr, ich bin auf dem Abort."
Und dann war Braggasch allein im Zimmer.
13.01.2009 19: 28Mina von Nachtschatten
Gut, ich werde jetzt also verdeckt ermitteln. Allein. Direkt vor den Nasen einiger sehr nervöser Werwölfe. Als Vampir. ... Ich muss komplett den Verstand verloren haben!Es war eine dieser Entscheidungen gewesen, die sie ohne groß nachzudenken getroffen hatte. Eigentlich gar nicht ihre Art - aber vielleicht lag es daran, dass sie das dringende Bedürfnis verspürt hatte, wieder irgendetwas zu tun, dass sich nicht nur auf das hin- und herschieben von Inhalte der Flankenschwarzakte und ihre endlosen Sortiermöglichkeiten beschränkte. Mina seufzte. Es war ja nicht so, dass sie Einwände gegen die Arbeit in einer Ermittlergruppe hatte, eher im Gegenteil: Sie war froh, bei der Bearbeitung dieses immer verzwickter werdenden Falls nicht allein dazustehen. Aber nach der Nachtschicht mit Breda so gar nichts mehr zu tun gehabt zu haben, was die Angelegenheit sichtbar weiterbrachte war ein seltsames Gefühl gewesen - man kam sich etwas nutzlos vor. Und als dann vorhin bei der Dienstbesprechung die Frage im Raum gestanden hatte, ob sich nicht vielleicht noch einmal jemand genauer im Gebiet der Flankenschwarz' umhören sollte, war ihre Hand schneller oben gewesen als Ophelia Ziegenberger ihren Satz hatte beenden können...
Die Vampirin straffte die Schultern. Nun gut, jetzt würde man etwas daraus machen müssen. Und Mina hatte immerhin schon eine ungefähre Idee, wo es sich vielleicht lohnen könnte, anzusetzen:
Braggaschs Bericht war interessant gewesen, die Sache mit dem Keller und dessen Verbindung in die Kanalisation sollte nicht unbeachtet bleiben. Obwohl übermüdet und etwas durcheinander, hatte der Zwerg die Stelle, an welcher er wieder auf die Straße getreten war, noch gut im Gedächtnis gehabt: Der Hinterhof eines leerstehenden Hauses, nur einige Straßenecken entfernt vom flankenschwarzschen Anwesen - eine dieser ungenutzten Flächen, die gern von den Nachbarn zum Abladen von Sperrmüll verwendet werden. Und vielleicht hatten eben diese Nachbarn ja das eine oder andere bemerkt, während sie auf eine günstige Gelegenheit gewartet hatten, ihren alten Sessel, fadenscheinige Teppiche oder sonstwas unbemerkt dorthin verfrachten zu können. Unter dem Vorwand, sich für das Grundstück zu interessieren sollte da eigentlich etwas herauszufinden sein - und sei es nur, dass die Stelle vom Flankenschwarznachwuchs für heimliche, nächtliche Ausflüge genutzt wurde. Obwohl das bei Kisten mit Waffen im Keller des Anwesens der Familie eher unwahrscheinlich war.
Ihr Ziel kam in Sicht und Mina nahm sich einen Moment, um das fragliche Gebäude genauer in Augenschein zu nehmen. Das Ergebnis war eher unspektakulär: Sehr schmal und mit Schwerpunkt auf Höhe gebaut, schien es eher eine Überbrückung darzustellen, um die Lücke zwischen den benachbarten Häusern zu füllen. Die Fassade bröckelte bereits hier und da, die wenigen Fenster waren blind oder fehlten ganz - das gesamte Gebäude schien am Rande des Zerfalls zu stehen, nur noch aufrecht gehalten durch den Umstand, dass es seine Seitenwände mit wesentlich stabilerer Architektur teilte. Es würde nicht ganz einfach sein, dafür überzeugend Interesse zu heucheln.
Die Vampirin trat an die nächstbeste Tür, setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und klopfte. Mal sehen, wie tratschfreudig die hier ansässige Bevölkerung war.
Pismire wurde langsam ungeduldig. Das Verhör des Assassinen gestaltete sich schwieriger als gedacht und bis auf den Namen hatten sie noch nichts erfahren. Was unter anderem an den sehr unterschiedlichen Vorstellungen lag, wie ein Verhör abzulaufen hatte: Während die Wächter nach der altbewährten 'Kooperieren-bekommt-dir-besser'-Methode ihre Fragen stellten, saß der Verdächtige, trotzig die Arme verschränkt, auf einem unbequemen Holzstuhl und starrte die Tischplatte an. Er hatte gleich zu Anfang eine Bedingung gestellt und wenn man ihm die nicht erfüllte, dann würde er gar nichts sagen, basta! Pismire wiederum vertrat die Ansicht, dass man sich zwar durchaus entgegenkommen könnte, aber dem kriminellen Subjekt nicht gleich zu Anfang das Gefühl geben durfte, die Sache zu kontrollieren, indem man zu schnell nachgab. Immerhin war das hier ein Verhör und kein Kaffeekränzchen. Und so befand man sich gerade in einer Phase trotzigen bis ratlosem Schweigen, als es an der Tür klopfte und der Gefreite Schmelz eintrat. Der Oberleutnant warf ihm einen missbilligenden Blick zu, der deutlich machte, was er von Menélaos Auffassung von "ausruhen" hielt, wandte sich dann aber wieder dem Assassinen zu.
"Also Herr Schluckspecht, du hast also keine Ahnung, was du auf dem Dach gemacht hast, noch warum du da warst, noch wer dich beauftragt hat?"
Der Assassine zuckte gleichgültig mit den Schultern und fuhr sich langsam über den mittlerweile zum doppelten seiner Größe angeschwollenen Unterkiefer.
"Isch könnt misch ja vielleischt erinnern", nuschelte er undeutlich, " Aber nisch scho."
In einer Ecke des Verhörraumes gähnte Nyria Maior. Die Rekrutin war mit dem protokollieren des Gesprächs beauftragt worden und hatte diese Antwort nun schon mehrfach gehört als auch notiert. Gelangweilt ließ sie den Stift durch die Finger wandern.
"Dir ist aber klar, dass du aus dieser Haltung keinen Nutzen ziehen kannst. Du bist auf frischer Tat ertappt und durch einen Wächter festgenommen worden", schaltete sich nun Sebulon ein, bemüht seine Fehler beim Verhör des Werwolfs durch vorbildliche Arbeit in diesem Fall wieder wett zu machen.
Ein erneutes Schulterzucken.
"Wie geschagt, isch würd ja, isch ja nun eh allesch egal ... aber dann will ich erscht dasch wiederhaben, wasch die Pappnase da mir weggenommen hat." Der Mann versuchte zu grinsen - der Zustand seines Gesichts machte ihm einen Strich durch die Rechnung - und deutete auf Menélaos.
"Sör, vielleicht sollten wir doch ...", begann Sebulon, wurde aber harsch von Pismire unterbrochen:
"Meine Güte, dann hol denn verfluchten Flachmann!"
Der Gefreite eilte davon, während der Schamane unwirsch seine Unterlagen ordnete. Menélaos nutzte die Gelegenheit, um an den Oberleutnant heranzutreten und ihm von Braggaschs Einschätzung bezüglich des Bolzens zu berichten. Er nickte langsam.
"Gut, sonst noch etwas?"
"Nein, Sör."
"Dann geh dich jetzt wieder hinlegen, du hast die Ruhe
verordnet bekommen."
In diesem Moment kehrte Sebulon zurück und reichte dem Assassinen, nach einem letzten fragenden Blick auf den Oberleutnant, eine zerkratzte und schon stark angelaufene Flasche.
"Na alscho, esch geht doch. Wenn isch schon verschagt habe, dann will isch wenigstensch noch was von meiner Anzschalung haben."
"Anzahlung?" Sebulon kratzte sich am Kopf.
"Na klar, mit Geld hätt ich eh nisch viel anderesch gemacht. Und wenn isch dann einen guten Tropfen gratisch bekommen kann ... hab ihn ja noch nisch mal angerührt gehabt ... war übrigensch Bedingung."
Er nickte den Wächtern gönnerhaft zu und leerte den Inhalt in wenigen Zügen. Dann warf er den Flachmann achtlos hinter sich.
"Und jetzt keine Kompromisse mehr", grollte Pismire, der immer mehr das Gefühl hatte, einem Schmierentheater beizuwohnen. "Ich will Namen hören."
Schluckspecht öffnete den Mund und holte bedeutungsschwer Luft, erstarrte dann aber mit geweiteten Augen mitten in der Bewegung. Er gab ein gurgelndes Geräusch von sich und krümmte sich zusammen, krampfhaft nach Luft schnappend. Dann war es plötzlich wieder vorbei, der Assassine kippte vom Stuhl und rührte sich nicht mehr.
14.01.2009 13: 35Braggasch Goldwart
Während bei allen Umstehenden Panik ausbrach, hilflose Blicke, hektische Gesten und abgehakte Sätze getauscht wurden, seufzte Pismire nur.
"Verdammt. Das musste ja so kommen.", murrte er leise, schob Sebulon beiseite, der gerade versuchte, den Assasinen aufzurichten, und beugte sich über den wieder zu Boden gesunkenen Mann. Ein professioneller Druck mit dem Finger
hier und
dort kurz das Ohr angelegt... "Todeszeitpunkt: Früher Mittag am achtundzwanzigsten Sektober. Todesursache: Vermutlich Gift."
Die anderen Wächter sahen den alten Mann fragend an.
"Nun gut.", sagte der Oberleutnant bestimmt. "Sebulon, hilf mir diesen stinkenden Kerl runter in die Pathologie zu verfrachten. Nyria, du bringst den Flachmann hoch ins SUSI-Labor. Ich sehe mir das später an. Danach kannst du dir den Tag frei nehmen und ausschlafen."
Die Rekrutin Major errötete leicht, als sie den Seitenhieb auf ihr Gähnen bemerkte. Mit einem Nicken hob sie die Metallflasche mit einem Tuch auf und eilte davon.
"Menélaos.", fuhr Pismire fort. "Sag Braggasch, er soll sich mal die gesamte Ausrüstung des Fast-Mörders ansehen. Wenn der Bolzen teuer war, dann vielleicht ja auch die Armbrust. Er soll so viel wie möglich über die Sachen rausfinden, im besonderen wo sie zu kaufen sind, vielleicht hilft uns das ja weiter."
Als der Szenekenner sich nicht rührte, sondern den Leichnam anstarrte, fügte er hinzu: "Möchtest du eine Extraeinladung? Oder vielleicht einen Keks?"
"Was?" Schmelz schreckte aus seinen Gedanken hoch. "Oh. Ja. Natürlich."
Als nur noch der Zwerg mit im Raum war, zog Pismire zwei Paar Einweg-Papierhandschuhe hervor und reichte Sebulon eines. "Dann wollen wir mal..."
"Also, was ist jetzt?", forderte Tut'Wee, der auf einer Kiste in dem Abstellraum saß, welcher ihnen auf die schnelle zugewiesen wurde.
Malko sah seinen größeren Begleiter, der sich immer noch fast vollständig in seinem Mantel verbarg, hilfesuchend an, doch dieser reagierte nicht. Statt dessen starrte er auf die Gnumie herab. Der junge Werwolf stöhnte.
"Wir... wir glauben, dass Zuckerli in Gefahr ist!"
"In der Tat.", brummte der Oberfeldwebel. "Wisst ihr von wem die Gefahr ausgeht?"
"N... nein."
Ophelia tauschte einen Blick mit ihrem Vorgesetzten - die Pause war eindeutig gewesen.
"Warum bist du davon gelaufen?", fragte sie sanft.
Wieder ein Blick zu seinem Begleiter. "Ihr solltet euch aus der Sache raushalten.", erwiderte er statt einer Antwort.
Tut'Wee verdrehte die Augen. "Wenn ich nen Dollar bekommen würde, für jedes Mal, wenn ich das höre..."
"Ich meine das ernst! Die Sache ist... Wir werden uns darum kümmern!"
"Das glaube ich dir direkt. Allerdings bezweifle ich, dass eure Art, euch darum zu kümmern, von uns toleriert werden kann. Wisst ihr, auch Schurken kümmern sich sehr gut um ihre Angelegenheiten."
Der große Kerl stieß ein bedrohliches Knurren aus.
Ophelia trat zwischen die beiden Besucher und die Gnumie. Abwehrend hob sie die Hände. "Ich bezweifle, das eine offene Konfrontation hier helfen wird. Wenn ihr uns nicht sagen könnt, warum ihr zu Zuckerli wollt, müssen wir euren Gesuch leider ablehnen."
"Bei allem Respekt, Korporal, aber ich glaube nicht-", setzte Malko an, wurde allerdings von einem gewaltigen Rumsen unterbrochen.
"Das kam von oben.", stellte der große Mann mit rauer Stimme fest.
Tut'Wee sprang auf. "Ihr bleibt hier!", befahl er und eilte aus dem Raum.
Nachdem Breda die Küche gesichtet, und für ungefährlich erachtet hatte - der Raum hatte keine Fenster und neben der Tür zur Speisekammer war der Ausgang zum Flur die einzige Möglichkeit ihn zu betreten. Während der alte Süßwarenverkäufer die nötigen Grundlagen aus dem Lager holte, suchte die Lance-Korporal nach jemanden, dem sie Zuckerlis Zettel in die Hand drücken konnte. Schließlich würde sie nicht selber einkaufen gehen, geschweige denn einen der beiden Wächter von unten schicken.
Immer wieder sah sie zurück zu der Küche, während sie an verschiedene Tür klopfte. Der alte Mann schien vollkommen in seinem Element zu sein. Bereits lagen Säcke mit Mehl und Trockengemüse auf der Arbeitsfläche. Momentan war er dabei, ein Ventil aufzudrehen, um den Gasbetrieben Ofen anzuheizen.
Die Tür, an welche Breda gerade geklopft hatte, wurde geöffnet. Eine dicke Frau, an deren Körper überall roher Teig hing spähte hinaus.
"Ja, bitte?"
"Breda Krulok, Stadtwache, ich würde sie gerne um etwas bitten-" Ein ohrenbetäubender Knall schnitt ihr die Worte ab. Die Druckwelle hätte sie beinahe umgeworfen.
Ungläubig sah sie den Flur hinunter.
Eine dicke Wolke aus Mehlstaub quoll aus der Küchentür.
21.01.2009 11: 55Sebulon, Sohn des Samax
Sebulon stand auf einem Stuhl und beobachtete, wie Pismire den Leib des toten Assassinen mit gelassener Hand und einer gehörigen Portion Routine öffnete. Gleichzeitig versuchte er, gelassen zu bleiben.
"Das hier ist der Magen.", meinte Pismire. "Ganz schön angefressen. Der Tote isst scheinbar gerne zu scharf. Kannst du bitte notieren: '
Cardia des Magens geweitet'?"
"Ist das nicht ... das Herz?", fragte Sebulon und wandte dankbar den Blick von dem Toten ab.
Der alte Schamane nickte anerkennend. "Das auch. Hier ist es der ... Eingang zum Magen ... Reste vom Abendessen; ich würde auf Schnappers Rippchen tippen ... was ist das denn?" Er hob ein durchweichtes, halb verdautes Stück Papier aus dem Magen heraus.
"Widerlich, Sir.", vermutete Sebulon.
"Sonderbar, sonderbar.", entgegnete der Oberleutnant. "Notiere: Papier im
Fundus, schlechter Zustand, in Becher 'A' gelegt und ins Labor geschickt."
Er legte das Zettelchen in einen bereitstehenden Becher und wandte sich wieder der Leiche zu.
"Macht es dir überhaupt nichts aus, Sir?", fragte Sebulon.
"Was? Das Obduzieren? Das Innere eines Wesens ist für es selbst nur natürlich; warum sollte es mir etwas ausmachen?"
"Nun ... es ist jemandes Körper, immerhin. Ich meine ... wenn er etwas dagegen hätte?"
"Das hätte er sicherlich.", murmelte Pismire trocken und besah sich die anderen Körperteile. "Allerdings hätte er nicht deutlich länger gelebt. Sieh dir mal diese Leber an: völlig kaputt. Ich hätte ihm noch eine Woche gegeben."
Ohne hinzusehen wandte der Zwerg ein: "Könnte es nicht sein, Sir, dass ein mögliches Gift die Leber in den letzten Sekunden vor seinem Tod zersetzt und untauglich gemacht hat?"
Nachdenklich sah der alte Mann auf.
"Ja, du könntest Recht haben. Allerdings ist er dafür etwas schnell gestorben, meinst du nicht, Sebulon?"
"Ich bin Püschologe, Sir; von Toten Assassinen habe ich keine Ahnung."
"Dann habe ich eine Aufgabe für dich, du Püschologe.", sagte Pismire und sah ihn ernst an. "Wie bekommt man jemanden, der offensichtlich seinen Flachmann nie aus der Hand geben würde, dazu, dass er ihn los- und mit Gift befüllen lässt?"
"Drei Möglichkeiten, die nahe liegen, Sir: sie kannten sich gut, ein fähiger Dieb mit flinken Fingern war am Werk - oder aber es ist gar nicht sein Flachmann und er hat ihn erst zu Beginn seines Auftrags zugesteckt bekommen."
Schweigen herrschte, während Pismire wiederum den Leichnam sezierte.
"Kann sein", meinte er schließlich, "kann auch nicht sein. Hier ist weiter nichts zu sehen. Bring bitte den Bericht und den Becher weg; ich mache hier kurz sauber und dann nehme ich mir ebenfalls eine kurze Pause."
"Brauchst du keine Hilfe?", fragte Sebulon verwirrt. Die Leiche war auf dem Weg in die Pathologie wirklich schwer gewesen.
"Mach dir keine Sorgen, ich komme schon klar. Aber danke der Nachfrage."
21.01.2009 16: 38Pismire
Nachdem Sebulon gegangen war und Pismire den Assassinen vernäht, beiseite geschafft und den Tisch gesäubert hatte, besorgte er sich einen kräftigen Kräutertee, um noch einmal in Ruhe über den plötzlichen Tod des Mannes nachzudenken.
Gift - kein Gift, das war hier die Frage.
Die Leber des Mannes hatte er vorläufig noch behalten, und nun lag sie vor ihm in einer kleinen Glasschale. Mit einer gesunden, gut durchbluteten und fein strukturierten, ja weichen und fast anschmiegsamen Leber hatte dieses knotige, gefurchte und verwachsene Organ, das hier verkrüppelt in der Glasschale herumlungerte, nicht mehr das geringste zu tun. "Wenn du nur sprechen könntest", fuhr es Pismire kurz durch den Kopf. "Was war das denn", kommentierte er seinen Gedanken automatisch, "immerhin ist meine deine Aufgabe, sie zum Sprechen zu bringen."
Sebulons Schilderung der möglichen Formen den heißgeliebten Flachmann dieses Säufers zu vergiften hatte ihm die bis dahin nicht erkannte Möglichkeit, den Mann zu vergiften, vor Augen geführt. Doch erst als er sich die letzten Worte dieses Subjektes ins Gedächtnis zurück rief, erkannte er, wonach sie suchen mussten.
"Na alscho, esch geht doch. Wenn isch schon verschagt habe, dann will isch wenigstensch noch was von meiner Anzschalung haben", hatte er gelallt, um dann noch
"Und wenn isch dann einen guten Tropfen gratisch bekommen kann ... hab ihn ja noch nisch mal angerührt gehabt ... war übrigensch Bedingung." hinterher genuschelt.
Logisch. Jemand hatte diese Spritnudel mit Fusel geködert, in dem dann irgendein Gift geschlummert hatte. Angesichts der chronischen Entzündung in der Speiseröhre, die bei dem Subjekt zu einem permanent eitrigen Grundgeschmack im Mund geführt haben musste und die eine ebenso deutliche Sprache wir die verwüstete Leber sprach, war es nur zu wahrscheinlich, dass es nicht einmal großartig darauf ankam, ein Gift zu finden, dass geschmacksneutral war. Nein, dieses Individuum hätte so gut wie gar nichts mehr geschmeckt. Es galt nun, ein schnell wirkenden Gift zu finden, eines, das in Sekundenschnelle diese miese Existenz beenden konnte. Nur: Warum musste es so schnell gehen? Warum diese Eile? Denn wie er bereits zu dem Püschologen in spe gesagt hatte: der Mann war eine Leiche auf Urlaub. Einem sehr, sehr kurzen Urlaub. Sozusagen einem Wochenendtrip. Wenn er seinen Kunden richtig einschätzte, dann war das der Typ, der sich unmittelbar nach dem Auftrag, also dann, wenn er
endlich trinken durfte, das Ding auf einen Hopps geleert hätte. Oder bei Stress - beispielsweise dann, wenn er geschnappt wurde und in der Wache schmorte...
Und je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer war Pismire sich , dass der Mann geschnappt werden
sollte - die spannende Frage war nur noch: Warum? Und von welcher Spur sollte er ablenken?
Mit diesem Problem im Hinterkopf zog Pismire sich ein Buch mit dem Titel
"Dess Lord Wittwenmachers Kompendium der töhdlichen Giffte" heran, das zwar mit Sicherheit von keinem Assassinen geschrieben worden war, nicht desto trotz aber einige recht aufschlussreichen Listen von Giften und ihren Wirkzeiten beinhaltete.
"Zumindest Phosphor scheidet aus", fuhr ihm durch den Kopf, "das braucht zu lange. Und Äther wird nicht geschluckt."
21.01.2009 21: 51Sebulon, Sohn des Samax
"Was, bei allen ...", begann Tut'Wee, als er in die Küche gestürmt kam, doch dann sah er den alten Bäckermeister auf dem Boden liegen.
"Er lebt.", meinte Breda, die zum Okkultismusexperten hinübersah. "Allerdings habe ich keine Ahnung, wieviel mehr Mehlbomben hier auf uns warten können."
"Was, um Himmels Willen, macht unser Zeuge in der Küche, Breda?", rief die Gnumie entrüstet.
"Er wollte etwas backen."
"Und das hast du ..."
"Bei allen Göttern, Rib, woher hätte ich denn wissen sollen, dass in der verfluchten Bäckergilde ein verfluchter Mehlsack mit einer verfluchten Bombe ausgestattet ist? Mehlsäcke explodieren doch nicht einfach bei der schlimmstmöglichen Gelegenheit!"
"Stimmt.", meinte die Gnumie und seine Edelsteinaugen funkelten. "Allerdings durchaus dann, wenn jemand sie explodieren lässt."
"Magie?", fragte der Lance-Korporal.
"Wir schaffen erstmal den alten Mann hier weg, bevor noch etwas passiert. Und zwar so unauffällig wie möglich. Du regelst das. Ich gehe nach unten zu den beiden Werwölfen und ..."
"Werwölfe?", unterbrach ihn Breda Krulock.
In eben diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Ophelia trat schwer atmend ein.
"Sie sind weg."
"Wieso hast du sie gelassen?", brummte die Gnumie mit Unmut in der Stimme.
"Gelassen? Sie waren zwei und ich eine. Manches geht einfach nicht, auch wenn ich mich in die Tür stelle, Scheff." Sie rieb sich die blauen Flecken an den Ellenbogen. "Warum sind diese Werwölfe nur so widerlich stark?"
"Lass keine Frau die Arbeit eines Mannes machen.", brummte der Oberfeldwebel mürrisch, jedoch leise genug, dass es keine der beiden Wächterinnen klar verstehen konnte.
"Malko hat gemeint, dass wir ihn in der Grübchengasse finden können. Er ist bereit zu reden."
"Malko?!", rief Breda, die mit den rasanten Entwicklungen nicht mehr mitkam.
"In der Tat. Er ist zurück und fürchtete um das Leben unseres mehlbestäubten Meisterbäckers hier. Was ich übrigens verstehen kann, wenn ich mir Herrn Zuckerli so anschaue. Wenn die
Damen jetzt so freundlich wären, mir ein Händchen zu reichen, damit wir diesen ohnmächtigen Kerl aus der Gilde schmuggeln können?"
23.01.2009 5: 20Braggasch Goldwart
"Was, bei allen Sahnekringeln, ist passiert?", rief der gewaltige Exkonditor, als Breda und Ophelia den leblosen Körper Zuckerlis in den Sanitätsraum schleppten. Menélaos hatte sich, ebenso wie Braggasch - der, auf einer der Liegen in einem Haufen aus Armbrusteinzelteilen sitzend, erschrocken das Geschehen beobachtete - nach einem vernichtenden Blick von Chief-Korporal Rogi Feinstich dazu entschlossen, ihren Anweisungen zu folgen und das Bett zu hüten. Wenigstens bis zur Dienstbesprechung.
Tut'Wee, der im gemütlichen Schneidersitz auf der Brust des alten Mannes saß, funkelte ihn an. "Wonach sieht's denn bitte aus? Legt ihn da hin."
"Keine Sorge, er ist nicht tot.", fügte Ziegenberger hinzu, als sie den Bäcker vorsichtig auf eines der Lager niederließen.
Einen kurzen Moment herrschte Schweigen, dann Ergriff sie abermals das Wort. "Menélaos, such Rogi... abermals... und sag ihr, das wir etwas Neues für sie haben. Alle anderen... Sammelt eure Gedanken, in wenigen Minuten beginnt die Dienstbesprechung in meinem Büro." Ohne ein weiteres Wort rauschte die stellvertretende Abteilungsleiterin von RUM aus dem Raum.
Goldwart berührte seinen Freund, der bei Zuckerlis Lager auf die Knie gegangen war, sanft an der Schulter.
"Soll, äh, ich Rogi holen gehen?"
"Was?", schreckte der Kondichemiker aus seinen unerfreulichen Gedanken auf. "... Nein, danke. Ich... brauche Bewegung." Sprach's und verließ den Raum.
Breda nickte den beiden Verbliebenen zu. "Geht ruhig schon einmal vor, ihr werdet ja länger brauchen." Sie blickte auf Braggaschs geschientes Bein. "Ich warte bei Zuckerli, bis Rogi kommt."
"Wir können nur hoffen, das der Täter denkt, Zuckerli wäre tot. Nur dann können wir absolute Sicherheit für den Mann garantieren. Wer es schafft, ein Attentat in der Gilde zu planen, findet auch Wege, ihm Wachhaus zu schaden." Ophelia legte eine kurze Pause ein. "Aber ich glaube nicht, dass jemand auf den Gedanken kommen könnte, dass der Alte noch lebt, immerhin haben wir ihn wie einen Toten zur Wache gebracht. Falls dies hier länger dauert, sollten wir daran überlegen, eine falsche Beerdigung abzuhalten."
"Hoffen wir, das er jetzt endlich redet.", warf die Gnumie mürrisch ein.
Sebulon meldete sich. "Wie konnte das denn passieren? Ich kenne mich nicht besonders gut mit Bomben aus, aber eins weiß ich: Man braucht einen Auslöser."
"Oder einen auslösenden Magier...", ergänzte Tut.
Breda Krulok ergriff das Wort und blickte zu dem äußerst verstört wirkenden Menélaos. "Benutzt du nicht kleine Mehlbomben, Gefreiter? Ich meine, so etwas gehört zu haben."
Der Kondichemiker sah auf. "Ja..."
"Wie funktionieren sie?"
"Es sind kleine, Zuckerummantelte Mehlkugeln. Die Aufprallkraft reicht aus, um sie zerspringen zu lassen."
"Wäre das in diesem Fall möglich?", hakte Ophelia nach.
Menélaos zuckte mit den Schultern. "Bei der Menge an Mehl, von der ihr berichtet habt... Ich bezweifle es. Auch einen Zündmechanismus würde ich ausschließen, denn wenn dort irgendwo auch nur ein Funke, geschweige denn ein Feuer gewesen wäre, nachdem sich das Mehl ausgebreitet hat, wäre von der Gilde nicht viel übrig geblieben."
"Warum?"
"Mehlstaubexplosion.", antwortete Schmelz düster.
"Äh... und, äh, warum überhaupt der Mehlsack?", schaltete sich jetzt auch Braggasch, in Anbetracht der hochrangigen Wächter noch nervöser als sonst, ein.
"Was meinst du?", wollte Breda wissen.
Der Zwerg rieb sich nervös die Hände. "Na ja, äh, ihr habt doch gesagt, dass, äh, Zuckerli etwas kochen wollte. Am Gasherd."
"Ja, das stimmt, und weiter?"
"Äh... wenn solche Gerätschaften zur, äh, Verfügung stehen, warum, äh, warum baut dann der Täter eine Mehlbombe? Es ist sehr einfach eine Gasbetriebene Apparatur zum explodieren zu bringen. Mann könnte zum Beispiel die Rohre verstopfen, was eine erhöhte Dichte zur Folge hätte, die wiederum schon bei Raumtemperatur-"
"Danke, Braggasch.", schnitt ihm Ophelia das Wort ab. "Am besten gehst du mit Sebulon zur Bäckergilde, und ihr schaut, ob ihr etwas findet. Aber vorerst zu dem Bolzen: Hast du etwas herausgefunden?"
Der Späher zog unruhig an der Lupe, die an seinem Helm befestigt war. "Äh... nicht besonders viel, leider. Auch die Armbrust ist nobel, eine Witwenmacher eins, nach genau
dem Witwenmacher benannt. Eine Burlich und Starkimarm Produktion. Sie ist zielgenau und in den meisten Fällen tödlich." Menélaos schluckte bei diesen Worten schwer. "Außerdem sehr teuer, da nur gutes, abgelagertes Ebenholz verwendet wird und der Stahl des Bogens aus Zwergenminen in Überwald stammt. Es dürfte nicht viele Personen geben, die sich eine solche Waffe leisten können... Und, äh, ganz sicher nicht der, den, äh, wir gefangen haben... hatten."
Die stellvertretende Leiterin von RUM nickte. "Vielleicht weiß dort jemand noch, wer in letzter Zeit etwas derartiges gekauft hat. Breda, bitte kümmere dich darum. Ansonsten müssen wir wohl warten, bis wir Minas Bericht haben. Sie ist noch nicht zurück gekehrt, das hatte ich aber auch nicht angenommen. Hoffentlich wissen wir heute Abend mehr. Ich setze die nächste Besprechung auf morgen früh an."
"Du vergisst Malko.", widersprach Tut'Wee.
"Richtig, wir haben den Treffpunkt. Ich schlage vor, wir beide werden nach diesem Strohhalm greifen, immerhin kennt er uns wenigstens." Eine kurze Pause entstand, als die Korporal überlegte. "Ach ja. Pismire? Du kümmerst dich noch um die Untersuchung des Flachmanns?"
Der alte Mann, der bisher nur ruhig, mit einer Tasse Tee in der Hand, in einer Ecke des Büros gesessen hatte, nickte schlicht.
"Ich werde mich um Zuckerli kümmern.", sagte Menélaos plötzlich.
"Tu das. Sollte er aufwachen, wärst du am ehesten geeignet herauszubekommen was er weiß."
Mit einer Geste beendete Ophelia die Sitzung.
24.01.2009 18: 52Mina von Nachtschatten
Die Tür fiel knarzend ins Schloss, gerade langsam genug, dass es nicht wie ein glatter Rausschmiss aussah. Es war nur eine von vielen. Mina hatte nicht gezählt, aber sie musste jetzt schon mit etwa der Hälfte der Anwohner in der Straße gesprochen haben. Zumindest mit denjenigen, die überhaupt mit sich reden ließen, und ihr die Tür nicht mit einem ärgerlichen "Elender Blutsauger" oder ähnlichem direkt vor der Nase wieder zugeknallt hatten, bevor sie überhaupt den Mund aufmachen konnte. Ja, man spürte den Einfluss des ansässigen Werwolfclans in dieser Gegend. Auch wenn es nur darauf hinauslief, dass man das Misstrauen eben dieser Familie unter keinen Umständen auf sich ziehen wollte. Immer diese blöde alte Werwolf-Vampir-Geschichte!
Diejenigen, welche dann doch etwas gesagt hatten, waren mehr als vage dabei geblieben. Und nach einer Weile hatten sich die Antworten zu wiederholen begonnen, fast, als hätte man sich abgesprochen:
Das Haus da? Keine Ahnung, wem es gehörte. Stünde schon lange leer. Nein, man hätte niemanden dort gesehen, aber man verharrte schließlich nicht stundenlang am Fenster und spähte hinaus. Na ja, vielleicht war dort mal eine dunkle Gestalt entlang gehuscht, irgendwann, schon eine Weile her ... aber die sah man doch überall in Ankh-Morpork, nicht? Das hatte doch nichts zu bedeuten. Ansonsten sei die Gegend ruhig, ja ja, aber mehr könne man wirklich nicht dazu sagen. Am besten beim Nachbarn klopfen. Auf Wiedersehen.
Mittlerweile befand sie sich wieder vor dem fragwürdigen Gebäude und spielte mit dem Gedanken, sich einfach ungefragt etwas umzusehen. In den Hinterhof musste man schließlich hineinkommen, ohne allzu große Hindernisse überwinden zu müssen - Braggasch hatte es schließlich mit einem geschienten Bein auch hinaus geschafft. Oder vielleicht war ja auch die Vordertür nicht abgeschlossen ... vielleicht war ja gerade in diesem Moment jemand im Haus ... Die Vampirin legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nach unten. Nichts rührte sich. Natürlich nicht, das wäre ja auch zu schön gewesen!
"Kann ich dir irgendwie helfen?", erklang da eine Stimme hinter ihr.
Ein alter Mann hatte auf der Straße Aufstellung bezogen und bedachte sie mit der Art von misstrauischen Blicken, zu der nur wirklich alte Leute fähig sind. Und die sie auch gern und großzügig allem und jedem zukommen lassen.
"Ich kann mich nicht erinnern, dich hier schonmal gesehen zu haben." Er wies mit seinem Gehstock auf die Tür. "Und dort ist niemand, das kann ich dir gleich sagen."
Die Obergefreite überging seine erste Bemerkung. "Das Haus gehört jemandem?"
Der Greis wiegte den Kopf bedächtig hin und her, kramte umständlich eine Pfeife aus seiner Manteltasche und zündete sie an.
"Kann sein, ich weiß nicht, mein Gedächtnis ist auch nicht mehr so gut wie früher ... und wer will das eigentlich von mir wissen?"
Das war der Moment, in dem Mina beschloss, die verdeckte Ermittlung aufzugeben. Der offizielle Weg war zwar auch keine Garantie, irgendetwas herauszufinden, aber wenn der inoffizielle schon nichts brachte...
Sie holte ihre Dienstmarke hervor und hielt sie dem Mann direkt unter die Nase.
"Die Stadtwache Ankh-Morpork und wir wären wirklich sehr daran interessiert zu erfahren, wer hier wohnt."
Der Alte starrte einen Moment mit unbewegtem Gesichtsausdruck auf das blanke Metall hinab, dann zuckte er resigniert mit den Schultern.
"Ehrlich gesagt habe ich mir nichts weiter dabei gedacht", brummte er missmutig, "Ich wohne seit 50 Jahren hier und es ist so selten jemand hier hineingegangen ... und der Durchbruch war schon immer da, von der anderen Seite ist er eh nicht zu sehen und ich hab auch nur persönliche Sachen dort gelagert. Die ich übrigens mittlerweile schon woanders untergebracht habe, es ist aber eben nur wenig Platz hier. Werde ich jetzt schon aufgrund meiner beengten Wohnsituation festgenommen?"
"Entschuldigung guter Mann, aber wovon redest du da bitte?"
Die Vampirin hatte, die Hand schon auf halbem Weg zum Notizbuch, innegehalten und warf dem Mann nun einen fragenden Blick zu.
Welchen dieser erwiderte.
"Aber es geht doch um den Durchgang auf meinem Dachboden? Ist vielleicht nicht ganz rechtens, fremder Leute Häuser zu nutzen, aber das deswegen gleich die Stadtwache ermittelt ..."
"Welcher Durchgang?"
Das Gesicht des Mannes hellte sich schlagartig auf.
"Oh nichts, nichts, ein klassisches Missverständnis, hähä. Tja in meinem Alter redet man schon mal Sachen ... du wolltest wissen, wer hier wohnt, richtig?" Mit einem Mal schien er sehr bemüht, auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. "Also, das ist ein Bekannter von meinem Sohn Rudolf, obwohl wohnen nicht das richtig Wort ist, für das was er macht." Der Mann zog an seiner Pfeife. "Er lagert eher, irgendwelchen Kram. Und man sieht ihn selten. Aber erst neulich hat er bei mir geklopft und gefragt, ob der Rudolf ihm mal helfen könnte, er hätte da eine Lieferung und die sei ziemlich schwer. Ich hab dann gleich meine beiden Jungs, den Rudolf und den Friedrich, rausgeschickt und die haben dann ein paar Kisten über die Schwelle gewuchtet und dann wohl irgendwo untergebracht, ziemlich lange hat das gedauert. Eigentlich unverschämt, dass sie das ganz allein machen mussten, der Kerl hat nur zugeschaut und Anweisungen gegeben. Hat die ganze Zeit auf einer Zimtstange rumgekaut, also wirklich, muss doch widerlich schmecken." Der Alte verzog das Gesicht. "Auf jeden Fall hat der dann nur noch abgeschlossen und ist gegangen. Hat sich nichtmal bedankt."
"Den Namen des Mannes kennst du nicht zufällig?"
"Nein, aber da kannst du meinen Sohn auch selbst fragen, einen Moment."
Bevor Mina etwas erwidern konnte, war der alte Mann erstaunlich schnell zu einem Eingang auf der rechten Seite gehumpelt, betrat das Haus, blieb aber gleich hinter der Tür wieder stehen und krächzte ins Treppenhaus:
"Rudolf! Rudolf, komm mal her, hier will dich jemand sprechen!"
Eine gedämpfte Stimme antwortete etwas und nur einen kurzen Moment später erschien eine Gestalt im Türrahmen. Und ihr voraus ging ein so intensiver Geruch, dass Mina sich beherrschen musste, sich nicht die Nase zuzuhalten. Der Kerl roch - stank - ungewöhnlich stark nach Käse.
Die Erkenntnis kam nur einen Moment später.
Das Protokoll der ersten Befragung Malkos durch Sebulon.
Die Geruchsbeschreibung von zwei der Entführer.
Käse und Zimt.
25.01.2009 11: 13Breda Krulock
Bevor Breda Krulock sich aufmachte, die Haupverkaufsstelle von Burlich und Starkimarm in der Ankertaugasse aufzusuchen, machte sie einen kleinen Abstecher ins Boucherie Rouge.
Die
Witwenmacher 1 war der Vampirin nicht unbekannt, sie hatte schon des Öfteren das Vergnügen einer solchen Begegnung gehabt und sie persönlich kannte nur zwei Personen, die diese Armbrust besaßen. Zum einen war das Lord Witwenmacher selbst, der sein Musterexemplar Mithilfe eines kleinen Holzblockes auf seinem Arbeitstisch aufgebahrt hatte, sodass der erste Blick seiner Besucher auf dieses außerordentliche schöne Teil fiel und jede ungeschickte Äußerung im Keim erstickte.
Und zum anderen der Geschäftsführer von der Buhrlich Waffenfabrik, Fred Dienst, welcher intensiv an der Herstellung der Armbrüste involviert ist. Die Fabrik lag etwas außerhalb der Stadt, um so einen reibungslosen Ablauf zwischen der Rohstofflieferung aus Überwald, der Herstellung und der Auslieferung in die Stadt zu gewähren. Das Gebäude war auf das höchste gesichert. Die meisten Prototypen stellten ihr Können unter Beweis, indem sie dazu genutzt wurden, das umliegende Terrain zu bewachen. Erst danach kamen sie in Produktion.
Witwenmacher 1 galt unter den Assassinen als Heiligtum, nur besonders geschickte und qualifizierte Assassinen wurde die Ehre zuteil, mit dieser Waffe zu trainieren. Es verwunderte den Lance-Korporal also ein wenig, dass ein versoffener Kerl wie der gefangen genommene Assassine, wenn er überhaupt einer war, an so eine Waffe kam. Sein Auftraggeber muss also jemand von sehr weiter oben gewesen sein, anders ließ sich das nicht erklären.
Im Boucherie angekommen, ließ die Wächterin eine Nachricht an die vor der Stadt liegende Fabrik schicken, zu Händen Fred Dienst mit der Bitte um ein persönliches Gespräch, für den Fall, dass sie in der Ankertaugasse keinen Erfolg haben wird. Danach suchte sie noch schnell einige Unterlagen aus dem Archiv heraus, unter anderem auch eine etwas veraltete Lieferantenliste der Hauptverkaufsstelle.
Wenig später betrat sie das Geschäft "Buhrlich & StarkImArm" in der Ankertaugasse. Ein kleines Glöckchen bimmelte, als Breda die Tür aufschob.
"Guten Tag, die Dame", begrüßte sie ein Herr mittleren Alters. "Wie kann ich ihnen behilflich sein?"
Der Mann kam direkt auf sie zu und führte sie zu einem kleinen Tresen, unter dessen Glasscheibe einige Armbrüste auslagen. Die Preiskategorie wankte hier von 'Einmal-Armbrüsten' bis hin zum 'Niederstrecker 32'. Es überraschte Breda Krulock nicht, dass sie die
Witwenmacher 1 nirgends erblickte. Sie lehnte sich gegen den Tresen, während der Verkäufer seine Position auf der anderen Seite einnahm.
"Suchen sie etwas Bestimmtes?" fragte dieser nach.
"Allerdings", sagte Breda. "Ich..." Die Vampirin entschied sich anders.
"Mein Mann, wir sind seit einer halben Ewigkeit verheiratet, sammelt außergewöhnliches", Begann Breda und verknotete ihre Finger ineinander. "Und da sein nächster Geburtstag bald vor der Tür steht, wollte ich ihm dieses Jahr etwas ganz besonderes schenken. Denn wissen sie, wenn man so lange zusammen ist, fällt einem das Überraschen nicht mehr so leicht. Er hat auch schon so vieles. Und da dachte ich, könnten sie mir helfen!?!"
Der Mann sog mit einem Pfeifen die Luft ein, als ihm Bredas Augenaufschlag begegnete.
"Ich, äh. Ich denke, ich kann ihnen da weiterhelfen." Er strich sich sein schütteres Haupthaar zurück. "Bitte folgen sie mir!"
Breda folgte dem Mann durch einige Regalreihen, welche angefüllt waren mit den verschiedensten Bolzenarten, in Dosen abgefüllten Schmiermitteln und einer Fachliteraturabteilung, welche dem Bibliothekar den Atem rauben würden. Egal was man über das Armbrustschießen wissen wollte oder bereits wusste, hier wurde man fündig, egal was man suchte. Das Maß an neuen Informationen und Techniken schien ins Unermessliche zu gehen - Buhrlich war nicht ohne Grund in einer Marktbeherrschenden Stellung, was das Ausrüsten an Waffen betraf. Und dieser laden war eindeutig größer, als er es von außen vermuten ließ.
An der hintersten Reihe des Geschäftes blieben sie stehen und der Verkäufer wählte schnell und geschickt den richtigen Schlüssel, um den vor ihm stehenden Schrank zu öffnen. Es zischte und klackte leise, als die Verriegelung entsichert wurde und die Tür sich öffnete. Endlich sah Breda, was sie suchte.
"Oh mein... die ist wunderschön!" sagte sie und fuhr, fast zärtlich, über das kühle Ebenholz der
Witwenmacher 1 und verfehlte mit dieser Aktion nicht ihr Ziel. Der Verkäufer lief rot an.
"Das ist nur das Ansichtsexemplar, Ma'am. Bei einer zustande kommenden Bestellung würde dieses Modell eigens für den neuen Eigentümer angefertigt werden. Angepasst an die Bedürfnisse und Vorlieben sozusagen."
"Was meinen sie mit
angepasst?" Breda stellte sich dumm. "Meinen sie, wie wenn ich mir ein neues Abendkleid bei Luise Wuttong kaufe und dieses dann speziell auf meinem Körper zuschneiden lasse? Und mir dazu dann noch die passenden Stümpfe und Schuhe hole?" Sie kicherte. "Das ist also das Einkaufsparadies für Männer, hm?"
Der Verkäufer sah sie nur an und hob beide Brauen.
"Ja, Ma'am. So ungefähr. Doch leider", er schloss die linke Tür des Schrankes, wo sich die
Witwenmacher 1 befunden hatte. "Leider darf ich ihnen die nicht verkaufen." Er nahm eine andere, fast so ähnlich aussehende Armbrust in die Hand. "Wie wäre es denn mit dieser hier. Limitierte Stückzahl, nur 200 Stück existieren hiervon und die Warentestgilde hat sie zum Jahressieger des Knollenjahres gewählt. Ein wirklich schönes Stück."
"Nein!" sagte Breda barsch. "Ich will
die!" und zeigte auf die geschlossene Schranktür.
"Es tut mir wirklich sehr leid!" Beharrte der Verkäufer. "Diese Waffe darf ich ihnen nicht verkaufen. Ihr Mann muss leider selbst herkommen und sich anhand seines Waffenscheines ausweisen. Das sind die Vorschriften."
"Wieso Vorschriften? Was soll das bedeuten? Mein Mann kauft hier seit Jahren!"
"Ma'am, bitte, beruhigen sie sich." Beschwichtigend hob der Mann die Hände, in der einen immer noch die Armbrust. "Ich kann verstehen, dass sie aufgeregt sind, aber diese Waffe ist
zu gefährlich, als dass wir sie ohne Kontrolle der Schützenfähigkeit des Eigentümers herausgeben können."
"Das bedeutet, dass jeder, der diese Waffe kaufen möchte, einen speziellen Waffenschein benötigt?"
"Allerdings Ma'am."
"Und wo bekommt man so einen Waffenschein her?"
"Nun", sagte der Verkäufer. "Viele meiner Kunden sind Mitglieder in der Assassinengilde, die haben natürlich ein Vorrecht, wenn auch nicht bei dieser Armbrust." Die andere Tür des Schrankes wurde nun ebenfalls verschlossen. "Aber ich kann ihnen sagen, dass der letzte Käufer einen Waffenschein hatte, welcher von der Anwaltsgilde unterzeichnet war."
"Anwaltsgilde?" Breda witterte eine Spur. "Wieso die Anwaltsgilde?"
"Nun, Ma'am." Der Verkäufer wurde langsam etwas ungeduldig, er sah das vorher so sichere Geschäft davon treiben. "Die Anwaltsgilde ist die einzige, welche diese Waffenscheine ausstellt. Auch wenn man gerade denen
nicht trauen sollte, wurde ihnen das Amt zugeteilt zu entscheiden, wer in psychischer und physischer Verfassung ist, diese Waffe zu besitzen. Entschieden wurde dies schon vor längerer Zeit vom Oberhaupt der Assassinengilde und dem Geschäftsführer von Buhrlich. Wenn sie also weitere Fragen haben..."
"Ja, danke. Ich habe verstanden." Die Vampirin nickte dem Verkäufer freundlich zu, als sich dieser anschickte, einen anderen Kunden zu bedienen, welcher soeben das Geschäft betreten hatte.
25.01.2009 15: 51Pismire
"Und, schon was rausgefunden?", fragte Pismire vorsichtig, als er einen kleinen Napf mit Kaffee mit Schuss vor sich herschob, während er die Tür zum Labor, das man mit Fug und Recht Lady Rattenklein Residuum nennen konnte, aufschob.
"Nein, Pismire. Und ich wäre dir sehr verbunden, wenn man mir nicht nur die mir zustehenden Gerätschaften bewilligte, sondern mir auch die Zeit gewährte, meine Untersuchungen durchzuführen", grantelte die kleine Dame.
"Die Reste in der Flasche hier", sie deutete auf den Flachmann, "waren nicht gerade üppig. Für alle Tests ist sowieso nicht genug da. Da muss ich haushalten - und
vorher mir Gedanken machen. Und was das Papierknäuel aus dem Magen dieses", sie machte eine dramatische Pause, bevor sie fortfuhr, "ich sage mal:
Autoassassinen angeht: Alles braucht seine Zeit, bis es trocknet. Aber so viel kann ich dir sagen: es ist eine arschteu - äh, entschuldige mein Klatschianisch - eine
wahnsinnig aufwändige und somit teure Visitenkarte. Alles mit Pergament und echter Tinte aus Gallenblasenfischchen. Und Goldbelag habe ich gefunden - jede Menge. Und drei winzige Edelsteinchen klebten auch drauf - ein weißer, eine rauchfarbener ..."
"... und ein roter", schob Pismire ein, die Gnomin unterbrechend.
"Woher weißt du das?", fragte sie schnell.
"Oh. nur so ein Verdacht", murmelte der alte Mann. "Weißt du, eine Anwaltskanzelei mit dem Namen "Sargfeger, Zwiebel und Mohnblüte" ist irgendwie in den Fall verwickelt."
"Jau, das passt!", rief die Laborantin mit einem breiten Grinsen. "Der Name
erklärt die Farben - weiß für die Zwiebel, rot für die Mohnblüte, rauchfarben für die Asche. Nur - es gab einen mit normaler Tinte geschriebenen Zusatz auf der Karte - aber den hat die Magensäure des Opfers sauber hinweggewischt."
"Sowas wie: "Kommen Sie morgen um 24 Uhr in mein Büro?" - oder so?", fragte Pismire.
"Oder auch: "Essen Sie nicht noch mehr Muskatnüsse - Ihre Leber dankt es Ihnen. Oder - sagen wir es mal so: auf der Karte kann man die Tinte nachweisen - die Buchstaben aber sind perdue. Weg. Fort. Hinweggewaschen von der Magensäure, wenn du so willst."
Pismire schob ihr den Becher mit dem Kaffee hin.
"Du meinst, dass sein Tod etwas mit Muskatnüssen zu tun hatte?", fragte er.
"Nun, ich bin nicht sicher. Ich habe erst mit den Tests begonnen. Und die Dauern ihre Zeit und bringen - wie du weißt - nicht immer das gewünschte Ergebnis. Aber eins ist mir aufgefallen - die Taschenflasche stank gewaltig nach Muskatnüssen. Und nach billigem Muskateller."
"Und", fragte der Schamane. "Er hat keines der typischen Symptome gezeigt, die wir bei Muskatnussvergiftung erwarten können - keine Halluzinationen, keine Schweißausbrüche - äh ...", der alte Mann brach ab.
"Siehst du", kommentierte die Gnomin mit einer großen Portion an Gewissheit. "Du hast gedacht, dass er schwitzt, weil ihr ihm so zusetzt. Also kann ich notieren, das er geschwitzt hat?"
Pismire nickte nur. "Und du meinst, es könnte Muskatnuss im Muskateller gewesen sein?"
"Nun, wie sah seine Leber aus?", fragte sie zurück.
"Abscheulich. Fragil und dem Tode geweiht."
"Eben. Und wir wissen, das irgendetwas in der Muskatnuss auf die Leber wirkt. Und zwar besonders dann, wenn sie bereits angegriffen ist. Und wir wissen, dass das Gift auch töten kann."
"Aber das hätte er riechen müssen!"
"Ein Alkoholiker wie er? Ich bitte dich. Der riecht nicht einmal mehr, wie er selber riecht. Und schau dir mal seine Nasenschleimhäute an - völlig zersetzt. Das deutet schon auf ein Gift hin, das auch über die Atemwegen
und den Magen wirkt. - Aber, wie gesagt: komm morgen vorbei. Dann weiß ich mehr."
In diesen Augenblick schob sich die Tür auf und ein Rekrut namens Marbels meldete sich mit: "Äh, Oberleutnant Pismire!?"Und der Schamane nickte.
"Es wurde gerade eine Leiche eingeliefert. Ein Halbelf und Anwalt ..."
"Namens Mohnblüte von der bekannten Anwaltskanzlei - schon gut . Ich komme sofort. - Du siehst, Lady, wie dringend das Ganze ist."
30.01.2009 21: 27Ophelia Ziegenberger
Malko hatte ihnen in seiner Eile zwar keine Hausnummer genannt aber in der kurzen Grübchengasse kam als ungestörter Treffpunkt nur dieser Ort überhaupt in Frage.
Ophelia blickte an der verwitterten Fassade des leer stehenden Hauses hinauf und der kleine Oberfeldwebel auf ihrer Schulter tat es ihr gleich. Sie schwiegen einvernehmlich. Es schien überflüssig den Gedanken auszusprechen, dass die Ruine den Begriff 'Falle' geradezu herausforderte, um ihren düsteren Charme zu beschreiben. Das schmale Haus wirkte verwinkelt und eingefallen, die Fenster waren teilweise vernagelt. Deutlich sichtbare Trampelpfade rundherum durch das hohe Unkraut legten die Vermutung nahe, dass die Ruine rege für illegale Zwecke genutzt wurde.
Sie blickte unschlüssig die Straße hinauf und hinunter. Es war gut gewesen, sich auf unauffällige Kleidung zu einigen und in einer ihrer sehr schlichten AnderKaffer-Verkleidungen aufzutauchen.
Tut'Wee brummte missmutig: "War ja klar, dass es keine gemütliche Kneipe sein konnte. Ach, was soll's. Gehen wir eben rein. Aber von hinten. Da wird es ja wohl mehrere Möglichkeiten geben, wenn ich das richtig sehe. Und wir gehen getrennt."
Er sprang furchtlos zu Boden und war schon verschwunden.
Ophelia durchschritt mit zweifelndem Blick das schief in den Angeln verrostete Gatter. Ihre Schnürstiefel knirschten auf alten Scherben und die groben Röcke streiften an dem in den Pfad hineinragenden Unkraut entlang, wobei sie jede Menge Blütenpollen und Kletten mitnahm.
31.01.2009 8: 29Sebulon, Sohn des Samax
"Äh, ..."
"Ja, Brag?"
"Hast du manchmal auch das, äh, Gefühl, dass wir für die Aufgaben eingesetzt werden, äh, die keiner machen will, Gürtel?"
"Du meinst: im Mehl nach Spuren wühlen?"
Eine weiße Wolke legte sich langsam in einer gewissen Küche in der Bäckergilde.
"Übrigens stehen dir die weißen Strähen in den Locken gut, Goldi."
"Äh, danke. Dein weißer Vollbart ist auch nicht, äh, übel."
Frustriert sah Sebulon auf den Mehlberg unter ihn und auf die drei Mehlsäcke, die zur Untersuchung noch ausstanden.
"Hast du auch das Gefühl, dass hier ein Vergleich mit Nadeln und Heuhaufen angebracht wäre?"
"Wie, äh, meinst du das?"
"Ach, vergiss es."
Es machte
pling und Braggasch grinste breit.
"Äh, Aha."
"Was hast du da?"
"Äh, sieh mal hier: Ein Wirbler."
"Was ist ein Wirbler?"
"Sebu, du enttäuschst mich. Ein Wirbler ist eine hochinteressante Apparatur, die eine Schalldämmkapsel aus Blech aufgesetzt hat, die normalerweise noch mit einer Legierung von ..."
"Komm zum Punkt.", brummte Sebulon und schneuzte sich ausgiebig in ein Taschentuch.
"Äh, ja, das hier ist die Schalldämmkapsel. Verwendet wird der Wirbler für ..."
"Das ist keine Schalldämmkapsel.", unterbrach Sebulon ihn genervt.
"Äh, nicht?"
"Nein. Das ist nur ein abgebrochener Löffel. Schau mal, hier ist die Bruchstelle. Und hinten drauf steht
'rostarm'."
"Oh, äh, stimmt. 'tschuldigung."
Schweigend wühlten die Zwerge im Mehl.
"Meinst du, wir finden hier irgendwas?"
"Äh, Mehl?"
"Ich meine etwas signifikantes. Für den Fall. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber vielleicht finden wir ja wirklich eine ..."
Braggasch sah zu seinem Freund hinüber, der vollkommen erstarrt auf den Mehlberg vor sich sah. Heraus schaute eine zuckerummantelte Kugel.
"
Deckung!", brüllte Sebulon.
Eine Minute verstrich.
"Du enttäuschst mich, äh, Gürtel.", brummte Braggasch, der langsam aufstand und den Mehlstaub aus seiner Kleidung klopfte. "Es braucht doch einen Auslöser, einen Zünder oder, äh, ähnliches, damit eine Mehlbombe hochgehen kann."
Mit geweiteten Augen warf sich Sebulon auf seinen Freund und flüsterte ihm eindringlich ins Ohr: "Aber siehst du ihn denn nicht? Da, schau ..."
"Äh, wo?"
"An der Mehlkugel."
"Äh, Ja?"
Drückendes Schweigen herrschte. Die beiden Zwerge standen langsam auf.
"Was, äh, hätte ich denn sehen sollen?"
"Da ist nichts.", kommentierte Sebulon frustriert und reichte seinem Freund ein paar Papierhandschuhe. "Pack die Kugel ein, dann lassen wir die untersuchen. Vielleicht findet das Labor irgendwas. Ich nehm eine Probe von dem Mehlsack hier mit. Vielleicht ist der verstärkt oder so, damit er eine Explosion eindämmt. Und dann lass uns endlich von hier verschwinden. Ich mag diesen Mehlstaub nicht."
31.01.2009 13: 00Mina von Nachtschatten
Verdammt, verdammt, verdammt! Mina knirschte mit den Zähnen. Das war so nicht abzusehen gewesen.
Mittlerweile war ein großer Mann mit kurzem, blonden Haar aus der Tür getreten, argwöhnisch die Augenbrauen gehoben, die Arme vor der Brust verschränkt. Er beugte sich zu seinem Vater hinunter, welcher ihm etwas ins Ohr raunte, was garantiert das Wort "Stadtwache" beinhaltete, denn sofort verfinsterte sich das Gesicht des Sohnes noch mehr. Warum hatte sie nicht einfach bei der verdeckten Ermittlung bleiben können? Die Lage wäre nicht halb so prekär.
Gut, was blieb jetzt noch zu tun? Ignorieren konnte man den Kerl schlecht. Festnehmen? Aber das konnte man doch nicht einfach so machen, nur weil jemand zufällig wie einer der Entführer nach Käse roch ... und mit jemandem bekannt war, der Zimt mochte. Dem wiederum das Haus mit Geheimgang zum Anwesen der von dem ganzen Fall betroffenen Familie gehörte. Zufälle? Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Aber wenn er wirklich etwas mit der ganzen Sache zu tun hatte und nicht ganz blöd war, würde er garantiert Lunte riechen ... Doch Mina hatte keine Zeit, sich ausgiebig mit dem Für und Wider der einzelnen Möglichkeiten zu beschäftigen, denn der hochgewachsene Mann trat nun direkt vor sie hin und schielte von oben misstrauisch auf die Vampirin hinunter.
"Jaaa?"
Ihr musste etwas einfallen, eine Geschichte, Ausrede, irgendetwas und zwar sofort! Und nur den Namen Flankenschwarz nicht erwähnen, am besten nicht mal denken! Denn wenn er ihr die Geschichte nicht abkaufte, könnte - nein, würde das katastrophale Auswirkungen auf die Ermittlungen haben, von den Konsequenzen für die entführten Werwelpen gar nicht zu sprechen! Und das wäre dann ganz allein ihre Schuld, die Kinder könnten sogar... Mina wurde schlagartig übel und sie verbot sich, diesen Gedanken weiter zu spinnen. Panik war jetzt nicht angebracht. Stattdessen bemühte sie ihr Gehirn mit einer plausiblen Erklärung herauszurücken, bevor ihr Gegenüber ungeduldig werden würde.
"Äh, ja, Stadtwache. Wir ... ermitteln in einem Fall von ... unlizensiertem Schmuggel in dieser Gegend und haben Grund zu der Annahme, dass ... dass es hier illegal genutzte Räumlichkeiten gibt und müssen daher mit einigen hier ansässigen Hausbesitzern sprechen, ob sie nicht vielleicht ..."
Pismire betrachtete kopfschüttelnd den toten Halbelfen vor sich. Jetzt also auch noch einer der Anwälte - und auch noch der, der anscheinend gar nicht unmittelbar in die ganze Angelegenheit verwickelt gewesen war. Erst der Assassine, jetzt Mohnblüte... Man kümmerte sich nun anscheinend um lose Enden. Leute, die irgendetwas wussten, wurden eliminiert, man hielt das Risiko so gering wie möglich. Wer auch immer hinter der ganzen Aktion steckte - sie gingen sehr gründlich vor. Auch im Fall des Halbelfen war auf den ersten Blick die Todesursache nicht festzustellen: Laut Aussage einiger Augenzeugen war er einfach mitten auf der Straße zusammengebrochen. Also auch wieder Gift? Na, das würde sich zeigen.
Der Schamane wollte eben mit der Obduktion beginnen, als ein hektisches Klopfen ihn innehalten ließ. Stirnrunzelnd legte er das Skalpell beiseite und wandte sich von der Leiche ab.
"Es ist offen", brummte er.
In der Tür erschien eine ziemlich aufgelöste Obergefreite, das Gesicht noch leichenblasser als Herr Mohnblüte auf dem Seziertisch, und salutierte fahrig. Ein ungutes Gefühl stieg in Pismire auf, das Wort "Problem" hing zwar unausgesprochen, aber nichtsdestotrotz dick und schwer in der Luft. Was ihn am heutigen Tag nicht mehr wirklich zu erstaunen vermochte.
"Schon zurück? Gibt es etwas Neues?"
Mina schluckte.
"Oberleutnant, es ist folgendes ... ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht."
31.01.2009 17: 22Breda Krulock
Der Tag neigte sich dem Ende und lange Schatten zogen über die Felder als sich Lance-Korporal Krulock auf den Weg zur Buhrlich Fabrik vor der Stadt machte. Irgendwie war sie froh, der merkwürdigen Stimmung der Stadt für kurze Zeit entkommen zu können. Die anstehenden Festivalitäten schienen in den Leuten eine Art von kranker Euphorie zum erwachen zu bringen, wobei die Wächterin bezweifelte, dass die Aufhebung des Verbotes von Silber in Überwald auf großen Zuspruch treffen würde. Irgendwie war ihr noch nicht ganz klar, wo sich hier die Zusammenhänge verbargen, sie war sich nur sicher, dass es definitiv welche gibt. Der Bau des Tempels wurde von Zwergen finanziert. An sich nichts Schlimmes; nur welche Absichten könnten die Zwerge haben indem sie helfen, einen Tempel hochzuziehen, in welchem eine Gottheit angebeten werden soll die widerrum fordert, dass das Verbot von Silber in Überwald aufgehoben werden soll?! Könnten die Zwerge ein ernsthaftes Interesse daran haben, den Werwolfsclan aus der Stadt zu treiben beziehungsweise ihre alte Heimat in einer Skorpionsgrube zu verwandeln?
Breda stapfte den staubigen Weg weiter und betrachtete die Felder um sie herum. Der Horizont färbte sich bereits in ein Dunkles Rot.
Und dann waren da noch diese merkwürdigen Halsbänder, mit magischen Impulsen. Von den Zwergen waren die nicht, soviel war sicher.
Sie schüttelte den Kopf und biss an ihrer Unterlippe herum.
Und zu allem Ãœberfluss versucht nun jemand, alle Zeugen verschwinden zu lassen. Sie mussten sich beeilen, es war nur eine Frage der Zeit bis es auch die restlichen Kinder erwischte.
"Scheiße!" sagte sie laut und trat einen auf dem Weg liegenden Kohlkopf zur Seite, als sich die Fabrik vor ihr in tiefe Schatten zu legen begann. Sie entschied sich, ein paar Schritte schneller zu gehen und fing an zu Rennen.
Vergebens hatte Rachnar versucht, die junge Frau auf sich aufmerksam zumachen, ohne Erfolg. Jeder Schrei und jeder Versuch, an dem Gitter zu rütteln endeten in einem verzweifelten Weinkrampf als er merkte, dass sie ihn nicht hörte. Der junge Werwolf sah seine Rettung, und konnte dennoch nichts machen. Die Verglasung der Fenster und die dicke der Wände waren zu enorm, als das er hätte sie durchdringen können. Die Frau, keine 10 Meter von ihm entfernt hatte eine Marke gezeigt. Er musste sich beherrschen um seinen Körper unter Kontrolle zu behalten. Er zitterte und er fühlte, wie sich die Transformation anbahnte. Doch Rachnar riss sich zusammen als er das Wimmern seiner Schwester hörte. Sie lag ihm nun gegenüber in einer anderen Zelle. Ihr ehemals weißes Kleid war Blutgetränkt, er erkannte die große Platzwunde an ihrem Hinterkopf, welche sie sich beim verzweifelten Versuch der Flucht zugezogen hatte. Sie lag vollkommen regungslos, nur gelegentlich hebte sich ihr Brustkorb und außer dem blinkenden Halsband war kein weiteres Lebenszeichen von ihr zu sehen.
"Tiara", flüsterte Rachnar so leise wie möglich. "Da ist jemand von der Stadtwache. Sie suchen nach uns, hörst du? Tiara!"
Doch seine Schwester rührte sich nicht. Als er wieder zum vergitterten Fenster sah, konnte er nur noch erkennen, wie die junge Frau ging. Sie ging einfach,..., ohne etwas zu machen. Der Junge konnte es nicht glauben.
"Heeeey!" Schrie er, so laut er konnte. "Wir sind hiiiiiiiiiiiiiiiiiier! Wir
ahhhhhh." Er sackte zu Boden.
"Schrei hier nicht so rum, du Mistkröte." Rudolf übergab schroff den Holzknüppel seinem Vater. "Wie konntest du nur mit der Wächterin reden, du alter Narr!" Er schubste den alten Mann beinahe um, als er an ihm vorbei schritt.
"Ich, ich...was sollte ich denn machen. Sie hat mich direkt angequatscht. Hat mir ihre Marke so dicht unter die Nase gehalten, dass ich's kaum lesen konnte. Es schien fast, als wäre sie stolz darauf..."
"Ach, sei still!" Rudolf warf ihm ein großes Bündel vor die Füße. "Los, fessel beide. Vergiss sein Halsband und die silbernen Handschellen nicht."
Es polterte als jemand eilig die Stufen in den Keller hinunter eilte und die Tür aufstiess.
"Was'sn los, Rudi. Ziehen wir um? Wer war die Schlampe?"
"Halts Maul, Franz. Bedankt dich bei Dad, der hat mit der Wächterin erstmal einen Plausch gehalten." Er schloss Tiaras Zellentür auf. "Wir können hier nicht bleiben. So wie die Kleine aussah, wusste sie mehr als sie zugeben wollte. Packt alles ein, ich setzte mich mit Florentine in Verbindung."
05.02.2009 18: 22Braggasch Goldwart
Pismire lauschte den Ausführungen der Obergefreiten Nachtschatten mit ausdrucksloser Miene. Als die Vampirin ihren nervösen Wortschwall endlich beendet hatte, herrschte nachdenkliches Schweigen, das der Schamane schließlich mit den Worten: "Das sind keine besonders guten Neuigkeiten."
Mina schluckte.
"Wenn aber auch nicht so schlechte, wie du vielleicht angenommen hast.", fuhr der alte Mann fort. "Die Sache wird jetzt komplizierter, das ist klar. Andererseits hast du diese kleine Gruppe aus Attentätern zum Handeln gezwungen, ich denke, wir-"
Er verstummte, als die Tür zur Pathologie aufgestoßen wurde. Zuerst schob sich der Rücken des Rekruten Angelhart in den Raum, ihm folgte, getragen, der leblose Körper einer jungen Frau. Abgeschlossen wurde die kleine Parade von Kathiopeja, die beide Beine der Toten hielt.
"Ah, Pismire, gut, dich zu sehen.", meinte sie, kaum das sie den Oberleutnant erblickte. "Steffan, lass sie uns dort vorne ablegen. Gut. Diese Frau haben wir auf einem routinemäßigen Rundgang in einer Gasse nahe den Schatten gefunden. Schau mal, ob du etwas herausfinden kannst, was nicht schon offensichtlich ist."
Der Schamane nickte nur.
Kathi hatte ihren Schützling schon fast wieder aus der Tür hinaus getrieben, da fiel ihr noch etwas ein. "Ach ja. Wenn es dir hilft, einen Namen konnten wir nicht herausfinden, aber sie arbeitet wohl für die Ledermachergilde. Viel Erfolg, und sag mir bitte bescheid, was du herausgefunden hast, ja? Tschüssi.", sprach's und wart verschwunden.
"Tschüssi?", wiederholte Mina unsicher, als die Lance-Korporal nicht mehr zu hören war.
Pismire zuckte mit den Schultern. "Wahrscheinlich wieder ein Kaffee-Flash." Neugierig beugte er sich über die neue Tote. Obwohl recht klein, hatte sie erstaunlich große, kräftige Hände. Die Todesursache war, wie Kathi erwähnt hatte, recht offensichtlich. Das Gesicht der Frau war kaum noch zu erkennen - eine fleischige Masse, die nach innen eingedrückt war. Der Gerichtsmediziner seufzte. "Zuerst einmal werden wir uns diese beiden Leichen hier ansehen, dann schauen wir weiter."
Einen kurzen Moment beobachtete die Obergefreite fasziniert seine Handgriffe, dann kam ihr ein Gedanke. "Ob die Ledermachergilde auch für Halsbänder zuständig ist?", murmelte sie leise.
Sebulon und Braggasch konnten kaum Atmen. Feine Rauchschwaden durchzogen das Zimmer und es roch penetrant nach Schwefel.
"Sieh mal einer an. Wen haben wir denn da?", ertönte eine kleine Stimme von einem der, im Dunst verborgen bleibenden, Tische. "Kommt ruhig rein, ich beiße nicht! Na ja, jedenfalls nicht oft."
Die beiden Zwerge tasteten sich voran. Plötzlich spürte Burkhards Sohn ein ziehen am Ärmel und konnte gerade so ein ängstliches Keuchen unterdrücken, als eine kleine, zierliche und nicht unattraktive Frau auf seiner Schulter erschien.
"Euch beiden habe ich hier bisher noch nicht gesehen. Willkommen in meinem Labor!"
Braggasch räusperte sich. "Äh... Obergefreiter Goldwart... und, äh-"
"Sebulon.", hakte sein Freund ein.
"Wie goldig.", kommentierte die Gnomin. "Ich bin Lady Rattenklein. Was wollt ihr von mir?"
Der Sohn Samax' hielt die kleine Mehlkugel in die Höhe. "Wir wollen wissen, was das ist."
"Wir, äh, glauben, es ist etwas magisches.", fügte Goldwart hinzu.
Die Laborantin begutachtete sorgsam den kleinen Ball, ohne ihn Sebulons Fingern zu entwenden. "Nun, dann solltet ihr zu einem Okkultismusexperten, nicht wahr. Ich denke, Rib könnte euch da weiterhelfen."
"Sehr gut. Ich hole ihn." Ohne ein weiteres Wort drückte der Zwerg mit dem gewaltigen Gürtel seinem Kollegen den Sprengsatz in die Hand und war aus der Tür, bevor Braggasch überhaupt "Äh..." sagen konnte.
Unsicher räusperte er sich.
"Nun, mein Schnuckel, da sind wir zwei wohl jetzt. Ganz alleine in meinen Räumlichkeiten.", flötete die Gnomin zuckersüß und räkelte sich auf der Schulter des Zwergs.
"Äh...", antwortete dieser.
"Hach, wie poetisch!", spottete die kleine Frau.
Goldwart begann zu schwitzen. "Äh..."
"Sag mal, was hältst du eigentlich von dem Vorurteil, das sexuelle Neigungen nur zwischen den gleichen Spezies ausgetauscht werden sollten?"
"Äh..."
13.02.2009 14: 19Menélaos Schmelz
"Menélaos...du?"
Zuckerli flackerte mit den Augen und hustete ergiebig sein typisches Alte-Herren-Husten. Der Gefreite atmete erleichert auf.
"Hallo Zuckerli, wie geht es dir, du hast lange geschlafen." Rogi war so schnell sie konnte in den Sanitätsraum gekommen und hatte den alten Konditor und Zuckerbäcker untersucht. Neben einer kleinen Platzwunde und einem verstauchten Arm konnte sie jedoch nichts weiter feststellen und hatte Ruhe und Baldrian verordnet.
"Was...ist passiert?" Zuckerlis Augen suchten unruhig nach einem Fixpunkt im Raum und die Erinnerungen schienen sein altes Gedächtnis zu fluten. Er wollte sich hektisch aufrichten, aber Menélaos beruhigte ihn so gut es ging und drückte ihm einen Becher lauwarmen Baldriantee in die Hand.
"Du brauchst Ruhe. Du hast zwar lange geschlafen, aber ich denke du solltest noch etwas liegen bleiben."
"Ich wollte nur...etwas Mehl aus dem Sack... dann war alles weiß."
"Wir haben dich in der Küche gefunden. Hast du irgendjemanden dort gesehen?"
Zuckerli kam nur langsam wieder zur Ruhe.
"Bloß ein junger Mann ... mit spitzen Ohren ... hat mich ignoriert ... hab ihn freundlich gegrüßt... Wo bin ich?"
Menélaos blickte betrübt in die verwirrten Augen des alten Mannes. Der Schock nach zwei Mordanschlägen muss unglaublich tief sitzen, vor allem in seinem stolzen Alter.
"Im Sanitätsraum der Stadtwache. Du bist hier in Sicherheit und man sorgt sich um dich." Konnte Menélaos das selber glauben? Er hatte so seine Zweifel, schließlich war er davon überzeugt gewesen, die Bäckergilde wäre der sicherste Ort für den armen Kerl, denn dort hätte er sich am wohlsten gefühlt und war unter Menschen. Menélaos hatte gerade beschlossen mit seinen Fragen und dem Verhör noch zu warten, als Zuckerli sich allmählich beruhigte und wieder Herr der Lage wurde. Sein Blick wurde trüber und er verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
"Weißt du, mein kleiner Laden ist mein Ein und Alles. Ich weiß noch genau, wie ich das Geschäft von meinem Onkel übernommen habe. Das waren goldene Zeiten. Ich habe viele Kinder erlebt, ihnen Süßigkeiten verkauft oder geschenkt und ich habe sie aufwachsen sehen. So auch...die drei jungen Flankenschwarz-Kinder." Er nahm einen Schluck Tee und Menélaos lauschte aufmerksam seinen Worten. "Am Abend vor ihrer Entführung kamen zwei Männer zu mir, die mir eine Menge Geld anboten, sollte ich am nächsten Tag für ein paar Augenblicke
die Augen zu machen. Ich wusste nicht genau was sie wollten, haben ihnen aber klar zu verstehen gegeben, dass ich nichts mit ihnen zu tun haben will. Ungemütliche Typen waren das, grobschlächtig und unfreundlich. Beide hatten dichte Mäntel an und trugen Halstücher und Hüte. Einer von ihnen roch irgendwie nach Käse oder so etwas. Meine Nase ist auch nicht mehr das, was sie mal war." Menélaos suchte hastig nach seinem Notizblock, um alles aufzuschreiben. Die Beschreibung war grob, passte aber teilweise gut auf die Beschreibungen der beiden seltsamen Männer aus der Bäckergilde.
"Jedenfalls sind die beiden Kerle schlecht gelaunt abgezogen, aber zuvor schmissen sie ... schmissen sie ... meinen süßen Schrank um..."
Menélaos klappte die Kinnlade runter und er ballte die Hände so fest zusammen, dass die Knöchel erbleichten.
"Sie haben
was getan!? Sie haben deinen süßen Schrank, dein Heiligtum, deine Meisterwerke umgeworfen?" Zuckerli lief eine kleine Träne die Wangen herab.
[6] "Ja... das war auch der Grund wieso ich mich eher bedeckt gehalten habe. Als du nach der Sache mit den Kindern und den Entführern bei mir aufgetaucht bist und ich die Marke auf deiner Brust sah, wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten stecke. Ich habe versucht dir die Tat zu schildern so gut es ging, ohne mich in direkte Gefahr zu begeben."
Menélaos nahm seinen Notizblock und einen Stift aus der Tasche und begann hastig damit, alles was Zuckerli sagte, mitzuschreiben.
"Doch das schlechte Gewissen packte mich nachdem du wieder abgezogen warst und ich wollte gerade meinen Laden abschließen, um dir in Ruhe alles nochmal so genau wie möglich zu erzählen, als auf einmal die beiden Kerle vom Vortag im Türrahmen standen. Sie fragten mich, wohin ich denn so eilig gehen wollte und schubsten mich in mein Lädchen zurück. Ich fiel auf den Boden..." Menélaos kochte innerlich vor Wut und die Mine seines Stiftes brach ab. Wer auch immer diese beiden Schergen waren, sie schienen die ausführende rechte und linke Hand dieses Verbrechers zu sein, wenn nicht sogar die Drahtzieher selbst. Zuckerli trank den Tee aus. "Sie kamen rein und schlossen die Türe. Der Größere von den beiden warf die Auslagen um und zog mich dann unsanft auf die Beine. Er fragte mich, was ich euch erzählt habe, aber egal was ich sagte, er ließ mich nie ausreden und stieß mich durch den Laden vor sich her. Sie empfahlen mir, mich schleunigst aus dem Staub zu machen, bevor mir etwas Schlimmeres zustößt. Den Rest der Geschichte kennst du ja bereits. Ich frage mich nur, was ich wissen könnte, dass sie jetzt sogar nach meinem Leben trachten. Ich habe dir eigentlich alles wesentliche gesagt, was mir aufgefallen ist. Naja..." Er machte eine kurze Pause und seufzte bedrückt. Der alte Mann wirkte erschöpft und ausgebrannt, doch seine Augen leuchteten, als wüsste er etwas von Bedeutung und brenne darauf, es endlich loszuwerden.
"Jetzt pass' auf, Junge. Als die beiden aus dem Laden verschwunden waren, versuchte ich meine Auslagen und die Ausstattung wieder auf Vordermann zu bringen. Da habe ich dann den Brief gefunden!" Die letzten Worte flüsterte er und Menélaos beugte sich unwillkürlich zu ihm herunter.
"Was für einen Brief denn?"
"Ich weiß es nicht, ich konnte ihn lesen, aber nicht verstehen. Es war irgendeine seltsame Sprache oder so. Es ergab alles keinen Sinn. Unterschrieben war er auch nicht. Aber ein seltsames Symbol prangte auf dem Rest des Wachssiegels am Umschlag. Einer der beiden Schläger muss ihn bei mir verloren haben, als sie mich aus der Stadt verjagen wollten."
"Wo ist der Brief jetzt?" Ein angespannter Zitronengeruch ging nun von ihm aus.
"Ich wollte ihn ignorieren, hab ihn aber vorsichtshalber und intuitiv behalten. Ich war viel zu eingeschüchtert von den beiden und wollte nur noch verschwinden... Es tut mir so Leid."
"Wo ist der Brief?! Hast du ihn? Vielleicht wissen sie, dass du ihn hast!" Menélaos' Augen waren geweitet und er blickte den alten Konditor erwartungsvoll an.
"Er liegt in meinem Zimmer in der Gilde, unter dem Kissen. Ich wollte ihn dir so gerne geben, aber..." Zuckerli machte Anstalten, sich aufzurichten, doch Menélaos hielt ihn hastig fest.
"Bleib hier liegen, Meister... ich meine..."
Meister...Zuckerli gab seine Bemühungen aufzustehen auf und lächelte Menélaos sogar schief und etwas verdutzt an. Es begann augenblicklich verstärkt nach Himbeere zu duften und Zuckerli starrte an die Zimmerdecke.
"Es ist lange her, Jungchen, nicht wahr? Mir kommt es vor als wäre es gestern gewesen. Du hattest so viel Potenzial. Der junge Helmholz hatte ununterbrochen von dir geredet. Die..."
"Lassen wir doch die alten Karamellen, du brauchst jetzt Ruhe."
Menélaos hatte keine Lust mit seinem alten Gildenbetreuer über seine gescheiterte Existenz als Konditor zu reden, doch Zuckerli blickte ihm fest in die Augen.
"Menélaos Schmelz, lass mich ausreden. Ich bin ein alter Mann, der auf seine späten Tage noch so etwas durchmachen muss wie ... wie in den letzten Tagen. Ich habe viele gute Bäcker gesehen und ich habe viele schlechte Bäcker gesehen. Es bedarf großes Geschick und viel Fleiß, wenn man einen Kuchen perfekt backen oder Bonbons gießen will." Zuckerli nahm die rechte, große Pranke des Wächters in seine alten, schwachen Hände.
"Aber du hast das alles mit Herz gemacht! Du warst mit Leib und Seele bei der Arbeit dabei. Nur hast du... einen seltsamen Weg eingeschlagen, hast experimentiert, bist den traditionellen Meistern unseres Faches auf die Schürzen getreten und hast das Gildenhaus in die... Worauf ich hinaus will Mené, du hast das Richtige getan, trotz all dem, was dir passiert ist. Du musst deinen eigenen Weg gehen und der hat dir gezeigt, dass die Backkunst nicht deine wahre oder einzige Bestimmung sein kann." Menélaos blickte starr neben die Pritsche auf den kleinen Abstelltisch. Gerührt und schwer schluckend musste er aufpassen, dass er nicht Zuckerlis rechte Hand zerdrückte.
"Danke...", murmelte Menélaos, lächelte ihn an und fügte nach einer kurzen Pause "...Meister." hinzu. Er stand von seinem Hocker auf und ging zur Türe.
"Ich gehe in die Gilde, um den Brief zu holen. Hoffentlich ist er noch da. Du ruhst dich hier besser noch etwas aus. Man wird sich hier gut um dich kümmern. Bis später! Du hast mir sehr weiter geholfen."
Zufrieden atmete Zuckerli hörbar aus und schloss die Augen. Menélaos grinste zufrieden und hatte das erste Mal das Gefühl, auf einer heißen Spur zu sein.
"Mehlreste unter den Fingernägeln. Weizenmehl und etwas Quarz, vermutlich bloß Schmutz. Das kann von überall her stammen. Ansonsten will mir auf die Schnelle absolut nichts auffallen, was auf das plötzliche Herzversagen dieses blutjungen Kerls zurückzuführen ist."
Pismire stand gebeugt über der Leiche des jungen Halbelfen, die auf seinem Tisch lag, und untersuchte jeden Winkel seines Körpers, vertieft in ein konzentriertes Selbstgespräch. Der Gedanke an den ganzen Papierkram, der bei den vielen Leichen auf ihn wartete, brachte ihn endgültig dazu, sich zu einer kurzen Pause hinreißen zu lassen. Wenigstens hatte er herausgefunden, dass die junge Frau von etwas sehr schwerem getroffen wurde. Die Frakturen der Gesichtsknochen wiesen auf einen einzigen, gezielten Treffer hin, der sofort tödlich war. Sollte für die gesamten letzten Leichen auf seinem Tisch ein und derselbe Täter verantwortlich sein, so war es ganz sicher ein Profi. Ein kreativer, schlauer Profi ohne Skrupel und schnell noch dazu. Mina hatte sich zum Glück schon auf den Weg gemacht, um Ophelia von der Sache mit den Verdächtigen zu berichten und sich der Sache mit der Ledermachergilde zu widmen. Er hoffte inständig, dass Ophelia sich dem Problem annahm, denn er hatte hier unten mehr als genug zu tun. Es klopfte erneut an der Türe.
Wenn das wieder Kundschaft für den Tisch ist... Der Rekrut Angelhart kam zum zweiten Mal an diesem Abend herein und hob die Hand an die Stirn.
"Sir, Gefreiter Schmelz hat mich gebeten ihnen das hier zu geben. Er konnte Korporal Ziegenberger nicht auffinden und hat mich zu ihnen geschickt, zusammen mit diesem Bericht und diesem Brief hier."
14.02.2009 5: 25Pismire
Kurz überflog Pismire den Bericht des Gefreiten und riskierte einen Blick auf den Brief. Dem Bericht konnte er entnehmen, dass er vermutlich von einem der Entführer der Flankenschwarzkinder verloren gegangen war, somit in Zuckerlis Besitz gelangt und von diesem letztendlich der Wache übergeben worden war. Zuckerli hatte ihn nicht lesen können, Pismire ebenfalls nicht. Die Schriftzeichen wirkten geradlinig und eckig. Vielleicht waren es Zwergenrunen, vielleicht auch nicht. Der Umschlag war ursprünglich versiegelt gewesen und ein Teil des Wachses war noch auf dem Rest der Rückseite erhalten. Es sah aus, wie die Umrisse eines ziemlich verknautschten und in der Mitte durchgesessenen Kissens. Darunter befand sich ein schräger Strich, der dort endete, wo auch das Wachsstück abbrach. Ein Stiel einer Spitzhacke? Was um aller geringen Götter Willen hatte ein Siegel mit der Steinsemmel in diesem Fall verloren!?
"Aaps?", rief er.
"Yo?" Grinsend schob der Kommunikationsdämon sein kahles Köpfchen aus der Wand. "Wass'n los, Fusselkopp?"
Resigniert seufzte Pismire, aber auf die offensichtliche Provokation zu antworten, fehlte ihm jede Lust.
"Halt einfach den Rand, und tu das, was dir gesagt wird", blaffte er das Wasen an. "Du wirst mit diesem Brief die Runde machen bei
den Wächtern, die lesen und schreiben können. Irgendwo in der Wache gibt es einen Wächter - oder Wächterin - die diese Schrift kann. Versuch es meinetwegen zuerst in den Bereitschaftsräumen oder in der Kantine. Und dann schick die entsprechende Person zu mir. Und beeil dich."
"Aber ..."
"
Kein aber. Mach einfach mal deine Arbeit."
Dann wandte er sich wieder seinen beiden 'Kunden' zu.
Nach gründlichem Suchen hatte er das, was er gesucht hatte aus dem Mageninhalt des Halbelfen gefischt. In den mit reichlich Rotwein getränkten Überresten einer durch die Magensäure stark geronnenen letzten Mahlzeit aus Milchsuppe schwamm der weißgelbliche, durchsichtige Rest einer Gelatinekapsel, die das Gift enthalten hatte: Blausäure. Und offensichtlich hoch konzentriert, sonst wäre der Tod nicht so schnell eingetreten. Die Gelatinekapsel hatte dafür gesorgt, dass das Gift erst nach einer gewissen Zeit wirksam wurde. Leicht bräunliche Reste wiesen dem Oberleutnant den richtigen Weg: Offensichtlich war die Kapsel mit dem Gift in einem Praliné verborgen gewesen, das der vernaschte Idiot hier vor ihm offensichtlich in einem Haps verzehrt hatte, und das dann ruhig im Magen darauf wartete, dass die Magensäure ihm den Weg freispülte. Der Rest ging dann ganz schnell: Atemnot, Krämpfe, Ohnmacht und Exitus.
Er tütete das Beweisstück ein, verzichtete mit einem boshaften Grinsen auch nicht darauf, ein wenig schokoladisierten Mageninhalt als Beweismittel abzuzweigen, schüttete den Mageninhalt in den Ausguss, deckte die Leiche des Anwalts provisorisch ab und begann methodisch, gründlich und schnell, die Kleider des Toten zu durchsuchen. In der rechten Hosentasche wurde er fündig. Ein glitzerndes Stück metallischer Folie, mit dessen Existenz Pismire fest gerechnet hatte, kam zum Vorschein. Vorsichtig entfaltete er den winzigen Fetzen und fügte der Beweismittelsammlung eine Praliné-Verpackung mit der Aufschrift:
"Zuckerlis bester Nougat" hinzu. In der Jackentasche des Toten begegnete ihm zwei weitere, interessante Funde. In der Rechten Außentasche fand Pismire zwei Gegenstände, die er bei einem ankh-morporkianischen Anwalt nicht vermutet hätte: die Überreste einer kleinen Mehlbombe, sorgfältig aufgeschnitten und in eine Tüte verpackt, sowie das Gerät, mit dem das Gebilde zum Zwecke der Untersuchung geöffnet worden war, eine Art von Steinmesser, nur das in diesem speziellen Fall die Klinge aus Quarzit bestand. Das wiederum erklärte die Spuren unter den Fingernägeln des Toten aus Mehl und Quarz. In der Brusttasche der Jacke fand Pismre außerdem einen Brief - und diesmal war er für ihn lesbar. Er begann mit
"Mein lieber Bruder,
du wirst erstaunt sein, nach so vielen Jahren wieder einmal von mir zu hören, und noch erstaunter wirst du sein, wenn du erfährst, dass ich wieder in der Stadt bin. Ich werde so bald wie möglich versuchen, dich zu sehen. (...)"
und war unterzeichnet mit:
Nun, um all das würden sich die andere kümmern müssen.
Sein Interesse galt nun der zweiten Leiche.
Der von Lance-Korporal Kathiopeia der Leiche beigefügte Bericht war kurz und knapp gehalten: die Leiche war auf der Unbesonnenheitsstraße, die die Schatten vom Viehmarkt abgrenzte, abgelegt worden. Eine alte Frau, die das ganze vom Fenster aus, hinter deren halb zugezogenen Gardienen sie die Tage und die halben Nächte herumlungerte, um das Treiben auf der Straße zu beobachten, hatte lediglich zwei schemenhafte Gestalten wahrgenommen, die etwas Schweres dort abgelebt hätten - was in der Gegend offensichtlich hin und wieder vorkam. Da die alte Dame darüber hinaus recht kurzsichtig war, hatte sie zu allererst an die übliche illegale Schlachtung gedacht und war mit einem Körbchen und ihrem schärfsten Fleischmesser sofort zur Stelle gewesen, um sich den ihr gewohnheitsmäßig zustehenden Anteil an der Beute zu sichern - was die Wächter allerdings nicht so unverblümt von ihr erfuhren, sondern sich aus dem lückenhaften und an einigen Stellen erstaunlich diskreten Bericht selbst zusammenreimen durften. Als sie jedoch gesehen hatte,
was da vor ihr lag: Pfuidämonobus aber auch, da sei ihr doch der Appetit vergangen und überhaupt werde eine gute Kohlsuppe
ohne Fleisch bei weitem unterschätzt. Bei weitem!
Aus dem gesagten hatte Lance-Korporal Kathiopeia zu Recht gefolgert, dass der Fundort nicht der Tatort sein konnte und hatte lediglich feststellen können, dass auf dem harten Pflaster der Straße keine Fußspuren mehr zu ermitteln waren. Die lederne Tasche der Frau und ihr darin vorhandenes reichhaltiges Sortiment an Werkzeugen ließ leicht auf ihre Profession als Arbeiterin in einer der in dieser Gegend häufigen Lederwarenwerkstätten schließen. Tot war sie auch, also sprach nichts dagegen, sie dem Oberleutnant direkt auf den Tisch zu liefern.
Von ihrem Gesicht war allerdings nicht mehr viel zu erkennen. Der Schlag hatte sie frontal getroffen und war so unvermutet erfolgt, dass keinerlei Parierverletzungen zu erkennen waren. Er hatte sie nicht richtig von vorne getroffen, sondern direkt links der Nase, so als ob das Opfer im letzten Augenblick versucht habe, den Kopf zu drehen. An der rechten Seite des Hinterkopfes ertastete Pismire unter der Masse der blutverklebten Haare einen Bruch des Schädels. Da die Ellbogen unverletzt waren, musste sie von vorne getroffen worden sein, wurde dann durch die Wucht des Aufpralls nach hinten geschleudert und schlug auf dem Hinterkopf auf - bereits tot, da nichts darauf schließen ließ, dass sie den Aufprall instinktiv abzufangen versucht hatte.
Das Gesichtsfeld selber wies regelmäßige Perforierungen auf, die weit in das Gewebe des zerstörten Gesichts hineingingen. Das, was sie getroffen hatte, war zylindrisch geformt, mit Stacheln aus Eisen - soviel verriet ihm ein rostiger Splitter in einer der Perforierungen - bestückt und mindestens dreißig Zentimeter lang gewesen. Die Knochendeformationen wiesen auf einen Durchmesser dieses Gegenstandes von über dreißig Zentimetern hin. Der Gerichtsmediziner war sich darüber hinaus auch recht sicher, dass die Stacheln hier und da zu Widerhaken verformt waren - zumindest würde das das Fehlen des rechten Auges erklären, das (wie der gerissene Sehnerv und die abgetrennten Adern verrieten) zu Lebzeiten noch am Platz gewesen war. Die weißen Splitter, die er hier und da sammelte, würden leider nicht mehr zu einer Rekonstruktion des Gebisses beitragen können, aber auch so würde sich die Identität der Toten leicht ermitteln lassen, wenn sie wirklich in der Gegend arbeitete.
Darüber hinaus konnte er noch sagen, dass die Frau vor vierzehn Stunden noch am Leben gewesen, aber seit über zehn Stunden tot war.
"Wir suchen also nach einer Tür, die mit einer tödlichen Falle in der Art eines aufgehängten Morgensterns gesichert wird. Ein Mechanismus, der zuverlässig den tötet, der sie unbefugt öffnet. Eine Tür, hinter des schon seit längerem etwas sehr wertvolles oder geheimes verwahrt wird. Womit wir als Todesursache in diesem Fall auch "Unfall" eintragen können", schloss er seine Notizen.
14.02.2009 13: 10Braggasch Goldwart
"...Und, äh, da sagt sie doch tatsächlich, äh, zu mir-"
"He, ihr Unterirdischen. Hab' nen Brief für euch. Lest den." Aaps schleuderte den Umschlag gegen Braggaschs Kopf, der soeben, völlig aufgelöst, von seinem Erlebnis im Labor berichtete.
Mit einem quengeligen "Au!" unterbrach der Zwerg seine Erzählung und rieb sich den Helm. Sebulon, der ihm gegenüber saß, bückte sich lachend nach dem Brief, zuckte dann jedoch panisch zurück und starrte auf den Boden, wenige Zentimeter neben dem Schriftstück.
"Äh... Was ist?"
Sein Freund schüttelte den Kopf und kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken. "Nichts. Hebst du bitte den Brief auf?"
Unsicher hob Goldwart ihn auf.
Nach einigen Sekunden konzentriertesten Lesens reichte er ihn an Sebulon weiter. "Kann ich nicht lesen. Ist aber, äh, glaube ich, zwergisch. Aber die Runen sehen, äh, abartig aus."
Samax Sohn griff nach den Blättern, als stünden sie in Flammen. Als nichts weiter passierte, entspannte er sich sichtlich und begann zu lesen.
"Ja, das sind zwergische Runen. Aber aus dem Kupferkopf kommen die nicht und auch sicher nicht aus dem Kreideland. Ãœberwald?"
"Möglich."
"Haben wir einen überwaldischen Zwerg in der Wache?"
"Äh... kennt sich Helmi nicht mit so was aus?"
Sebulon nickte abwesend. "Oder Glum. Der kommt glaube ich daher. Oder Ragnar. Aaps!" Die letzten Worte hatte er in Richtung Wand geschrieen.
"Wasn?" Der Kopf des Kommunikationsdämons kam zum Vorschein.
"Such Helmi, Glum oder Ragnar und gib ihnen den Brief."
"Bin ich euer Sklave?"
"Ja."
"Hör mal zu du-"
"Tu was ich dir sage und verzieh dich!" Sebulon pfefferte dem Dämon den Umschlag auf die Nase und lies sich erschöpft zurück in den Sessel fallen. "Dieser Fall beginnt, anstrengend zu werden."
"Wohl, äh, wahr.", nickte Braggasch weise.
14.02.2009 18: 25Mina von Nachtschatten
Breda ließ ihren Blick über das Fabrikgebäude von Burlich schweifen - ein großer, unförmiger Klotz in der Landschaft, der sich schwarz vor dem Abendhimmel abhob. Auf den letzten Metern hierher waren ihr immer wieder ein paar Zwerge entgegengekommen, welche sie misstrauisch beäugt und irgendetwas in ihre Bärte gemurmelt hatten - offenbar machten sich nicht viele Leute - sofern sie nicht Arbeiter in der Fabrik waren - die Mühe, hier hinauszukommen. Und erst recht nicht nach Feierabend. Blieb nur zu hoffen, dass überhaupt noch jemand anwesend war, der ihr weiterhelfen konnte.
Die Eingangstür war auf jeden Fall schon abgeschlossen und auch auf das Klopfen der Vampirin hin blieb es still. Breda seufzte. Es wäre besser die Angelegenheit heute als morgen zu klären, die Zeit, die mit immer mehr Ermittlungen in immer neue Richtungen verstrich, war einfach zu kostbar. Als sich aber auch einige Minuten später noch nichts rührte, beschloss sie, eine Runde um die Fabrik zu drehen. Solche Gebäude verfügten meist über wenigstens einen Hintereingang oder benötigten zumindest einen Bereich zur Anlieferung von Rohmaterialien zur Weiterverarbeitung. Vielleicht trieb sich ja dort noch jemand herum...
Und tatsächlich, als Breda um die Ecke bog sah sie einige Schritte voraus einen Zwerg, der eifrig damit beschäftigt war, mehrere Schlösser an einem recht großen Eingang zu verriegeln.
"Entschuldigung, hallo, darf ich kurz stören?"
Der Zwerg hielt inne und wandte den Kopf der sich rasch nähernden Wächterin zu.
"Wir haben geschlossen, komm morgen wieder", brummte er in seinen rostroten Bart und verstaute den Schlüsselbund in einer Tasche an seinem Gürtel.
"So viel Zeit habe ich aber nicht", entgegnete die Vampirin ungeduldig und holte ihre Dienstmarke hervor, "Ich würde gern den Geschäftsführer sprechen."
"Das tut mir leid, den hast du um eine Stunde verpasst." Auf den Gesicht des Zwerges - oder vielmehr dem, was davon trotz den Bartes noch zu sehen war - machte sich Verbitterung breit. "Hatte es heute eilig nach Hause zu kommen, irgendein runder Geburtstag in der Verwandtschaft..."
"Ist noch jemand da der ... zu einem gewissen Grad entscheidungsberechtigt ist?"
"... hätten mich ruhig auch einladen können, aber man ist ja nur Neffe fünften Grades, da ist es ja einfach ... was?" Der Zwerg schien aus einer Art persönlichem Tagtraum zu erwachen und blinzelte verwirrt.
"Jemand der mir Informationen geben kann? Möglichst gleich?"
"Kommt darauf an, was das für Informationen sind."
Breda zählte stumm bis zehn und gemahnte sich zur Geduld. Was angesichts des selbst für seine Spezies erstaunlich kleinen Zwerges, der ob der Gesprächspause schon wieder begann, etwas von "Geburtstag" zu murmeln, nicht einfach war.
"Mich würde lediglich interessieren, für wen die letzte
Witwenmacher 1 in dieser Fabrik angefertigt wurde."
"... Zwergenbrot soll es da geben, frisch importiert aus ... äh, wie bitte?
Erneut sah der Zwerg sie an, als würde ihm gerade in diesem Moment bewusst, dass er mit jemandem sprach - seine Aufmerksamkeitsspanne schien durchaus seiner Körpergröße zu entsprechen.
"
Witwenmacher 1!"
Der Zwerg, welcher die Ungeduld seiner Gegenüber nicht einmal ansatzweise zu bemerken schien, kratzte sich nachdenklich den Bart.
"Hm, dazu müsste man in die Auftragspapiere sehen ... aber die darf ich nicht jedem zeigen."
Breda stützte die Hände in die Hüfte und beugte sich nach vorn, bis sie mit dem Zwerg in etwa auf Augenhöhe war.
"Sehe ich etwa aus wie jeder?", zischte sie leise.
Tatsächlich schien der Zwerg einen Moment ernsthaft über diese Frage nachzudenken, zuckte dann aber mit den Schultern.
"Wobei ... der Wache zu helfen dürfte nicht gegen die generellen Bestimmungen verstoßen. Wie du mir so ich dir und vielleicht kann man die Wacheleitung ja auch von der ein oder anderen Neuheit aus unserem Sortiment ... nein?" Langsam schien angesichts Bredas ärgerlich funkelnden Augen doch so etwas wie Sorge in ihm aufzukeimen. Hastig zog er den Schlüsselbund wieder hervor und hielt ihn beinahe entschuldigend nach oben. "Na schön, na schön, aber das dauert einen Moment, du verstehst?"
Etliche Schlösser, Minuten, Gänge und Türen später betrat die Vampirin einen Raum, der bis zur Decke mit Schränken gefüllt war, aus deren zahllosen Schubladen hier und da das Papier schon herausquoll.
"Welche Funktion hast du hier eigentlich inne, Herr ...", begann Breda, während sie die Schublade mit der Aufschrift "E5" misstrauisch im Auge behielt - diese schien kurz davor, den Gesetzen der Schwerkraft zu gehorchen und mitsamt ihrem Inhalt zu Boden zu gehen.
Der Zwerg hatte begonnen, geschäftig in einigen Unterlagen auf dem ebenfalls überfüllten Schreibtisch zu wühlen.
"Burlich-Schleifer, Henry Burlich-Schleifer." Er wandte sich um und reckte stolz das Kinn nach oben. "Angehender stellvertretender Stellvertreter der Geschäftsleitung. Archivverwaltung. Seeehr wichtige Aufgabe! Enger Vertrauter von Herrn Burlich. Bin praktisch seine rechte Hand."
"Tatsächlich?" Breda verdrehte die Augen.
"Ja. Ich kenn mich hier aus, wie keiner. Und hier", er wedelte mit einem Schriftstücke und einer Broschüre, "haben wir auch schon, was wir brauchen. Zunächst einmal die generellen Informationen, was an der Armbrust auf Kundenwunsch modifizierbar ist, das ist kein Geheimnis, das bekommt man auch in jedem Geschäft zu lesen." Er reicht Breda das dünne Heft. "Und dann der Auftrag" Er überflog den Zettel. "Die letzte Armbrust
Witwenmacher 1 ... vor drei Wochen ...Verkaufsstelle Ankertaugasse, ausgestellt auf ..." An dieser Stelle brach er verwirrt ab. Er schüttelte ungläubig den Kopf und las nocheinmal. "Da muss ein Fehler vorliegen. Es ... äh, es ist kein Empfänger eingetragen. Lediglich die Bestätigung des Waffenscheins, ausgestellt durch die Kanzelei Mohnblüte, Sargfeder und Zwiebel ... Moment mal, hier gibt es einen Vermerk auf "intern" ... he, der ist nicht von mir! Unverschämt, ich bin hierfür zuständig, ständig werde ich übergangen! Und dann werde nicht einmal auf Geburtstage eingeladen!" Er hob den Kopf. "Tut mir leid, aber ...", sprach er zu einem mittlerweile leeren Raum.
Breda war gegangen. Sie hatte, was sie wissen wollte.
14.02.2009 20: 38Ophelia Ziegenberger
Der kleine Oberfeldwebel hatte Recht behalten. Auf der Rückseite der Ruine gab es gleich mehrere Einstiegsmöglichkeiten. Drei oder vier davon waren sogar für etwas größere Humanoide nutzbar.
Die AnderKaffer-Ermittlerin ging noch einen weiteren, vorsichtigen Schritt tiefer in die Dunkelheit hinab, streckte sich noch einmal nach der Luke und schloss diese möglichst geräuschlos über ihrem Kopf. Solche Kellereinstiege waren regelrechte Einladungen an Einbrecher, sie sollten im Grunde verboten werden.
Langsam tastete sie sich mit den dünnen Sohlen und Schuhspitzen voran, die Finger suchend seitlich des Körpers ausgestreckt. Sie schwenkte die Arme ganz langsam vor und zurück, um weder seitlich, noch auf Kopfhöhe voraus mit einem tief hängenden Hindernis zu kollidieren. Glücklicherweise waren Häuser dieser städtebaulichen Epoche alle relativ ähnlich gebaut worden, so dass ihr der Grundriss des Kellers vertraut war, ohne ihn jemals gesehen zu haben.
Ophelia stieß mit dem Fuß gegen etwas Hartes. Eine Kiste aus Holz. Sie fühlte mit dem ausgestreckten Fuß an deren Seitenkante entlang, umrundete sie und ging weiter auf die in der Finsternis verborgene Kellertüre zu, hinter der es in den Innenbereich des Hauses hinauf gehen musste.
Sie fand die leicht offen stehende Tür und stand am Fuße der Treppe.
Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Lichtlosigkeit gewöhnt, so dass das wenige davon, was nun von oben zu ihr herab drang, völlig ausreichend war, um den miserablen Zustand der Holzbretter zu erkennen, die wohl die Stufen darstellen sollten.
Die junge Wächterin verzog ironisch die Mundwinkel.
Das würde knarren, ohne Zweifel. Vermutlich wäre sie unauffälliger in die Ruine eingedrungen, wenn sie am helllichten Tage singend den Gartenpfad zur Vordertüre herein getanzt wäre? Aber daran ließ sich nichts mehr ändern.
Sie belastete nur jede zweite Stufe zögerlich mit ihrem Gewicht, wobei sie diese möglichst weit an der Wand betrat. Das Knarren war nicht einmal sehr laut. Sie zog frustriert die Schultern zusammen. Wie ärgerlich! Jedweder Lauscher würde allein durch die Regelmäßigkeit des Geräusches misstrauisch werden müssen.
Sie wartete für jeden weiteren Schritt einen gewissen Zeitraum ab.
Und dann stand sie in einem dunklen Flur und drückte sich reglos an eine abblätternde Tapete.
Draußen war es inzwischen ebenso dunkel wie hier drinnen und nur vereinzelt konnte sie winzige Lichtflecken durch die vor Dreck starrenden Fenster vorbeihuschen sehen.
Es stank. Mit Staub und Mäusekot konnte sie sich ja noch arrangieren. Sogar der ölige Geruch von Lampenflüssigkeit und chemischen Reinigungsmitteln konnte erträglich sein. Aber diese Räume rochen ebenso nach vermoderndem Balkenwerk, nach menschlichen Exkrementen und dem Aufenthalt ungepflegter Nicht-Menschen. Besonders schwer lag der herbe Duft von Werwölfen in der Luft.
Sie war alarmiert.
Ihre Augen suchten fieberhaft nach anderen Anwesenden, während ihr Puls sich merklich beschleunigte.
Am Ende des kurzen Korridors hörte sie ein leises aber tiefes Lachen.
Sie zuckte zusammen und starrte mit angehaltenem Atem auf die Stelle, wo das Geräusch herrühren musste.
Ein großer Umriss bewegte sich schattig in den Gang und blieb undeutlich zu erkennen dort stehen.
"Bist Du allein gekommen, Wächterin?"
Tut'Wee war ziemlich genervt von diesem ganzen Fall. Erst hatte ihm Pismire unvermutet einen Großteil der Verantwortung aufdrücken wollen, dann hatte er sich gerade eben so aus dieser Patsche herauslaviert, da gab es schon den nächsten Schlamassel und ihr Hauptzeuge wurde fast vor ihrer aller Augen in die Luft gesprengt. Ein Wächter des Ermittlungsteams brach sich das Bein, weil er nicht richtig zuhörte, was man ihm sagte, und ein anderer ließ sich auf hirnrissige Verfolgungsjagden mit Assassinen ein, nur um dabei angeschossen zu werden! Die Igorina würde ihnen bald die Tür vor der Nase zuknallen, wenn sie nicht aufpassten. Sie waren ja schließlich nicht die einzigen, um die sie sich kümmern musste und so wie er sie kannte, würde ihr bald der Geduldsfaden reißen. Und ständig neue Leichen! Langte denn nicht eine oder seinetwegen auch zwei?
Er kämpfte sich gedanklich fluchend durch die Spinnennetze und wirbelte dabei regelrechte Staubstürme auf, die sich in zehn Zentimeter hohen Dreckwellen lautlos wie Bodennebel vor ihm ausbreiteten.
Das Zeug würde wieder ewig zwischen den Lagen hängen! Keine angenehme Erinnerung an die kurze Zeit in der Dimension bei Djelibebi. Überall die kratzenden Krümel!
Von irgendwoher hörte er eindeutig eine Diele oder so etwas knarzen.
Er rollte mit seinen Rubinaugen.
Das war doch garantiert diese RUM-Wächterin, die Ziegenberger. Wenn man sich auf etwas verlassen konnte, dann darauf, dass die menschlichen Frauen solche Einsätze vermasselten! Das kam von den ganzen Röcken. Wie sollte man sich auch vernünftig bewegen und schleichen können, wenn man dermaßen viel Stoff mit sich herum schleppte? Wenigstens würde jeder lauernde Beobachter jetzt nach etwas aus der anderen Richtung Ausschau halten und seine eigene Anwesenheit nicht bemerken.
Die Gnumie schlich durch das dunkle Haus und näherte sich ebenfalls der Geräuschquelle. Er hatte kaum den leeren Türrahmen erreicht, als seine edelsteinernen Augen einen oktarinen Impuls auffingen.
Er grinste durch die Binden.
Dieser Idiot! Kam der doch wirklich mit diesem dämlichen Halsband her! Das war ja noch besser, als wenn sie sich mit einer Laterne an die Straßenecke gestellt hätten! Warum hingen die Kerle nur so an den Dingern, wenn sie doch angeblich selber nichts von deren Funktion verstanden? War das nicht hochgradig hirnrissig, sich einer Strahlung auszusetzen, deren Wirkweise man nicht einschätzen konnte? Er würde bei Gelegenheit gleich mal nachfragen.
Links den Gang hinab konnte er den unterdrückten Atem der Kollegin hören und auch der Werwolf vor ihm schien damit keine Schwierigkeiten zu haben, war er doch eben aus dem Schatten des gegenüber liegenden Türsturzes hervorgetreten und hatte sie direkt angesprochen.
Die Ziegenberger zögerte kurz mit ihrer Antwort, trat dann aber einen kleinen Schritt von der Wand fort.
"Nein, ich bin selbstverständlich nicht allein hergekommen."
Der Okkultismusexperte hätte sich am liebsten die Hand vor den Kopf geschlagen. Er wusste schon, warum er lieber allein arbeitete. Egal, da ließ sich jetzt nichts mehr machen. Zur Strafe würde er sie etwas hängen lassen und sich erst mal im Hintergrund halten. Das war vermutlich so oder so besser. Sollte sie doch sehen, wie sie klarkam!
Er suchte Deckung hinter einer stinkenden leeren Bierflasche.
Malko blickte sich misstrauisch um, konnte aber außer der menschlichen Frau niemanden entdecken. Wahrscheinlich log sie ihn an. Oder dieser winzige Wickelgnom war bei ihr, der auch in der Bäckergilde an ihnen vorbeigeflitzt war, nach der Explosion. Normalerweise hätten die sensiblen Instinkte seiner zweiten Natur diesen Teer-Wicht schnell gerochen. So aber... es gab nichts, was in diesem Schuppen
nicht gestunken hätte, von verrottenden Leichenteilen in den Wänden und Böden bis hin zu schimmelnden Abfällen war das Spektrum groß genug, um so einen winzigen Gnom zu verbergen. Und vielleicht bezog sie sich ja sogar auf andere Kollegen. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, dass dort im Wachhaus auch Vampire ein und aus gingen. Allein der Gedanke ließ beinahe ein abwehrendes Grollen in seiner Kehle aufsteigen. Er unterdrückte es und machte einen scheinbar lässigen Schritt auf die schlanke Rothaarige zu.
"Wie auch immer. Das ist für uns beide ein ganz schönes Risiko."
Er war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob er das hier tun wollte. Der letzte Schritt näher zu ihr hin hatte ihn so weit an sie heran geführt, dass er das nebelgraue Schimmern ihrer Augen im Zwielicht des Korridors erkennen konnte. Und trotz der ganzen Umstände und Gegebenheiten blickten diese Augen ihn verständnisvoll an.
Wie, verdammt noch mal konnte das sein, wo sie doch so zerbrechlich war, in ihrem kleinen Frauenkörper? Sie hätte vor Angst zittern und ihm, dem großen bösen Werwolf an diesem offensichtlich kriminellen Umschlagplatz misstrauen müssen. Sah sie denn gar nicht, wie alles hier von einer Falle kündete? Er kam sich so schäbig vor. Es war alles so dermaßen aus dem Ruder gelaufen und niemals wieder würde er gutmachen können, was er seinem Rudel angetan hatte. Und im Grunde ahnte er, dass ihn auch das Erfüllen dieser Aufgabe nicht den anderen näher bringen würde.
Die Wächterin räusperte sich verhalten und beobachtete ihn noch immer ganz genau.
"Ich finde es bewundernswert, dass Du den Mut dazu aufgebracht hast, uns doch bei den Ermittlungen helfen zu wollen, Malko. Wir wissen das sehr zu schätzen."
Er krümmte sich beinahe innerlich bei diesen freundlichen Worten. So arglos - so wohlmeinend!
Sie trat einen weiteren Schritt näher auf ihn zu, so dass sie nur noch knapp außerhalb seiner direkten Reichweite stand. Sollte er sich jetzt dazu entscheiden, sie anzugreifen, hätte sie keine Gelegenheit zur Flucht mehr, dazu wäre es schon zu spät.
Ihre Haltung und ihre Stimme, alles an ihr kündete von Mitgefühl, als sie zögerlich anfügte:
"Das, was mit Marie geschehen ist, tut mir unendlich leid! Es fällt mir selber schwer, daran zu denken, auch wenn ich sie nicht persönlich kannte. Aber die Bilder, die gehen mir nicht mehr aus dem Sinn." Ihre Stimme stockte merklich, als sie hinzufügte, "Wir geben unser Bestes, um den Täter zu finden, das verspreche ich Dir! Wehrlosen Kindern so etwas anzutun, das übersteigt mein Verständnisvermögen. Umso mehr bin ich erleichtert, dass Du dich dazu entschlossen hast, dein Wissen mit uns zu teilen. Auch wenn es für Dich Gefahr bedeuten mag."
Bei der Erwähnung von Maries Namen im gleichen Atemzug mit dem seinen, waren unzählige Erinnerungen in ihm erwacht, all die vielen kleinen Szenen, die sich im Laufe der Zeit angesammelt hatten, während die anderen Kinder ihm anvertraut gewesen waren. Wie Mariechen sich an ihm festkrallte und jauchzend auf seinen Schultern ritt. Oder wie sie sich weinend an ihn ankuschelte, wenn die Erwachsenen einen ihrer Rangkämpfe ausgetragen hatten. Sie hatte ihm vertraut! Ebenso, wie es diese junge Frau vor ihm nun anscheinend tat.
Und er hatte sie alle verraten...
Nein! Er wollte nicht noch mehr Schuld auf sich laden!
Gehetzt sah er sich in den unzähligen Schatten um sie beide her um.
Vielleicht blieb ihnen noch Zeit und er könnte zumindest dieses Vertrauen rechtfertigen, welches in ihn gesetzt wurde?
Sie sah in fragend mit leicht schief gelegtem Kopf an.
"Schnell! Lass uns von hier verschwinden, bevor sie uns..."
Tief in ihm explodierte eine unheimliche Kraft, als wenn das Halsband ein glühend heißer Draht wäre, der seinen Kopf mit einem Ruck vom Rest trennen würde. Er konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken.
Das Bild von Marie tauchte leuchtend vor ihm auf, wie sie ihn anstrahlte mit ihren kleinen weißen Zähnchen, dann verblasste es und er blickte vom Boden aus in das ängstliche Gesicht der jungen Wächterin auf, die sich dicht über ihn beugte, wie um ihn mit dem eigenen Körper zu schützen.
Zu spät... Sie würden keinen Verräter dulden.
Aber waren sie nicht selber Verräter an der Sache? Niemand hatte davon gesprochen, die Kinder umzubringen! Niemand hatte überhaupt von Toten geredet!
Er sah im Blick der Wächterin den gleichen gehetzten Ausdruck, wie in dem Tiaras, als sie hinterrücks betäubt wurde und in den wenigen bewussten Sekunden begriffen hatte, dass ihr Beschützer sie verraten haben musste. Nein, so wollte er nicht sterben, nicht wie ein Verräter! Er hatte wirklich daran geglaubt, dass Rachnar und die Mädchen voraus geschickt würden, um mit ihren besonderen Kräften und dem magischen Einfluss der Bänder einen neuen Clan in der alten Heimat zu gründen. Er hatte an diesem Neubeginn teilhaben von Florentina und deren Verbündeten heimlich zu ihnen geschmuggelt werden wollen!
Aber sie hatten gänzlich anderes vorgehabt, das war ihm nun bewusst geworden.
Florentina hatte anderes vorgehabt. Und er war ihr nur ein Mittel zum Zweck gewesen, ein dummer junger Welpe, dem man noch Stöckchen werfen konnte!
Er nahm all seine jugendliche Willenskraft zusammen, um noch einmal in seinem verlöschenden Leben etwas wirklich Männliches zu tun und seinem offiziellen Status gerecht zu werden - um die Wahrheit zu sagen, bevor es endgültig zu spät dafür wäre!
"Es war... Florentina. Sie will den Clan übernehmen und die junge Generation beherrschen. Die Bänder... sie hat behauptet, sie würden unsere Selbstbeherrschung unterstützen, um dem Clan eine Vorbildrolle in der Stadt einzubringen... aber die Bänder... sie sind gefährlich... und sie lassen sich nicht von jedem lösen... sie geben Macht... und sie hat gelogen... ich wusste nicht, dass sie alle umbringen würde!"
Die Wächterin blickte kurz ängstlich beiseite, rannte aber nicht fort von ihm, sondern blieb.
Er krächzte hilflos, als sich der glühende Draht durch seine Stimmbänder zu schweißen schien.
"Ich weiß nicht, wo die Kinder versteckt werden aber ich weiß, dass die Kerle, die sie mitgenommen haben... Brüder sind... und noch einer. Die Brüder heißen Rudolf und Franz, sie... argh!"
Direkt neben seinem Ohr hörte er eine aggressive Stimme losschreien.
"Verdammt noch mal, komm endlich! Der ist nicht mehr zu retten, das sieht man doch. Willst Du gleich neben ihm verrecken?"
Malko wusste, dass das die Stimme der Wahrheit war. Aber er war trotzdem froh, dass das letzte, was er sah, diese mitfühlenden grauen Augen waren. Grau, wie er sich die Nebel seiner niemals gesehenen Heimat immer vorgestellt hatte. Und schimmernd von klarem Wasser, wie dort die reinen Quellen sein mussten.
15.02.2009 21: 03Menélaos Schmelz
Rachnar kämpfte um die Klarheit seines Verstandes. Die grausamen Männer hatten ihn und seine Schwester in dicke Kisten gesperrt. Er hatte sich mit Zähnen und Klauen wehren wollen, aber die kamen leider nicht zum Vorschein. Die beiden kleinen Löcher in der dicken Kiste boten ihm zumindest etwas Licht. Er lauschte dem knarzenden Geräusch einer Türe, dem das Hämmern von wütenden, festen Schritte folgte. Dann hörte er diese Stimme...
"Ihr drei verdammten Vollidioten! Seit ihr zu dumm, um auf eine Hand voll Bälger aufzupassen? Wieso ruft ihr mich mitten in der Nacht hierher?!"
"Es tut uns Leid, aber..."
"Ich will keine Ausreden hören! Was ist passiert, kurz und knapp, ich habe keine Zeit für irgendwelche Mätzchen und ihr werdet schließlich nicht für lange Reden bezahlt!!"
"Die Stadtwache war hier. Frag uns nicht wieso, irgendjemand hat irgendwas spitz bekommen. Eine Wächterin stand auf einmal vor der Türe und hat irgendwas sinnloses vor sich hin gelabert. Sie war nervös wie ein Sumpfdrache und ich hab mir gleich gedacht, dass etwas nicht stimmt. Und Dad hätte sie anscheinend am liebsten direkt ins Haus gebeten, wenn..."
"Keine Ausreden du Versager! Ihr habt es verbockt. Wieder jemand neues, um den man sich kümmern muss. Wenn die Wache die Kinder findet, ist alles gelaufen! Wo sind die Bälger jetzt? Augenblick... sagt mir nicht, dass in diesen Kisten dort..."
Die Stimme verstummte beinahe und sie schien den Rest des Satzes zu flüstern. Dann erschallte das unverkennbare Geräusch einer saftigen Ohrfeige.
Das konnte einfach nicht möglich sein. Rachnar kannte diese Stimme mehr als nur gut und der Gedanke, dass sie zu der Person gehörte, die dafür gesorgt hat, dass er diese Hölle durchleben muss, ließ ihn würgen. Konnte das wirklich sein? Rachnar kratzte sich vor Wut die Nägel an der Kiste blutig und Tränen liefen über sein zerschundenes Gesicht, ein geiferndes "Florentina!" auf den Lippen. Bei allen Klauen, was ist, wenn Malko mit ihr unter dem gleichen Vollmond steht? Die Erinnerungen an sein großes Vorbild Malko, gepaart mit den Erlebnissen der letzten Tage, zerstörte einen Teil seines kleinen Weltbildes. Malko, der Mörder von Marie, Malko, der Verräter seines Clans. Kalte Hoffnungslosigkeit breitete sich in seinem sonst so trotzigen Herzen aus und seine schwache Verfassung machte sich in jedem Knochen bemerkbar. Er schloss die Augen und ergab sich einem apathischen Tagtraum.
"Hallo Mené! Wo kommst du denn her?" Sebulon begrüßte den großen Gefreiten mit einem Ellenbogenstoße in die Seite. Doch Menélaos brachte einen herben Zitronenduft mit in den Aufenthaltsraum, in dem er zusammen mit Braggasch eine kurze Pause machte.
"Hast du Neuigkeiten? Wir haben äh...einen Brief bekommen." fragte Braggasch.
"Den hat Zuckerli in seinem Haus gefunden. Woher wisst ihr von dem Brief? Ich hatte ihn dem Oberleutnant zukommen lassen. Wenn der Rekrut ihn einfach..."
"Er kam mit dem äh... Rohrpostdämon. Der Leutnant lässt ihn herum schicken, in der Hoffnung, jemand ähh...kann ihn lesen."
Seufzend ließ sich Menélaos auf einen der Stühle nieder und massierte sich das Nasenbein. Er war müde, aber er wusste genau wie die beiden Zwerge, es würde wohl bei einer kurzen Verschnaufpause hier bleiben, da morgens, also in zwei Stunden. schon wieder eine Besprechung angekündigt war.
"Was habt ihr so heraus gefunden? Was gibt es neues wegen der Bombe in der Gilde?"
Sebulon stocherte mit einem Holzspan in den Zähnen herum und zog die Schultern hoch.
"Mehlbombe, wir wissen nicht wie sie gezündet wurde und wir wissen nicht, wer sie platziert hat. Mina hat uns eben auf dem Weg hier hoch getroffen und sie wirkte nicht besonders glücklich. Aber sie hat von einem Halbelfen auf Pis...auf dem Tisch des Oberleutnants gesprochen und von einer jungen Frau mit einem nahezu zerstörten Gesicht erzählt. Die Leichen stapeln sich langsam. Wenn man die Motivation eines Mordes einmal auf die zweite Klasse, also Kontakt-Anreiz, zurück führt, dann kann man..." Braggasch und Menélaos tauschten panische Blicke aus, denn beide wussten, dass sie gleich einer unvermeidbaren Tirade aus püschologischen Überlegungen und Gedanken ausgesetzt werden würden. Zu ihrem Glück platzte der Oberleutnant persönlich in die halbdunkle Stube und seine beschwichtigende Handbewegung erstickte ihre müden Bemühungen, aufzustehen und zu salutieren, im Keim. Wortlos ging er zu einem Tee-Stövchen, dass auf einem anderen Tisch am Ende des Raumes stand, und füllte sich seine Tasse auf.
Mit etwas gedämpfter Stimme wollte Sebulon gerade erneut beginnen, als Gefreiter Jargon Schneidgut in den Raum herein geschlurft kam und dabei überrascht inne hielt. Er hatte nicht damit gerechnet, dass zu dieser späten Stunde dort noch so geschäftiges Treiben herrschte.
"Äh...was macht ihr denn alle hier?" fragte der müde, hagere Azubi der Rechtsabteilung bei den SEALS.
"Pause und du, Jargon?"
Jargon legte ein Bündel seiner Zettel auf den Tisch, an dem die drei Wächter saßen, und gähnte herzhaft.
"Ich muss meine Gedanken irgendwie frei kriegen. Bjorn und ich arbeiten zur Zeit gemeinsam an einigen kleinen Fällen, die so langsam keinen Aufschub mehr dulden. Wir ertrinken quasi in Streitfragen, Steuerbetrügerein und allerlei seltsamen Einsprüchen von Rechtsverdrehern aus ganz Ankh-Morpork. Ihr glaubt nicht was für einen Stress Anwälte machen können! Wenn ich noch einmal den Namen Sargfeger oder Zwiebel höre, dann kann ich wirklich für nichts mehr garantieren." Nach diesen Worten ließ sich ein dezentes Räuspern vom Ende des Raumes vernehmen. Der Oberleutnant kam langsam auf die vier Kollegen zu.
"Entschuldigung Rekrut, du hast da eben Sargfeger und Zwiebel erwähnt."
Jargon bemerkte den Oberleutnant erst jetzt und schluckte.
"Ja... ein Anwalt und eine Anwältin. Sie setzen uns sehr zu. Sie berufen sich fast stündlich durch Mitteilungen oder Boten auf irgendwelche Klienten in einem...Baustreit."
"Und was für ein...Baustreit ist das?" Der Oberleutnant schaute über den Rand seiner Tasse hinweg in das Gesicht des Gefreiten.
"Ein Tempel für irgendeine Göttin wird bald fertig gestellt. Die beiden Anwälte erheben im Namen vieler Klienten Einspruch gegen eine gescheiterte Sicherheitsverfügung bei einer Tempeleinweihung."
"Sicherheitsverfügung?"
"Ja, man rechnet mit einem großen Aufgebot aus Werwölfen, die der religiösen Ausrichtung des neuen Tempels und dessen Anhänger, mehr als feindlich gesonnen sind. Deshalb sollen bei der Einweihung tempeleigene Sicherheitskräfte Aufsicht haben und solche Dinge werden nun einmal bei der Stadtwache beantragt. Wir haben das jedoch abgelehnt, aufgrund mangelnder Notwendigkeit oder so. Den Rest müsste ich noch einmal nachschauen."
Pismire runzelte die Stirn.
"Ich begleite dich in dein Büro Gefreiter. Ich habe da noch ein paar Fragen." Jargon warf seinen Freunden einen erschrockenen Blick zu und eilte dann hinter dem entschwindenden Pismire her.
Rasputin stand im zweiten Stock am offenen Fenster seines Refugiums und lauschte dem Wind. Sorgen zeichneten seine Stirn und seine eingefallenen Wangen ließen ihn erschöpft aussehen. Was sollte nur aus seinem alten, ehrenvollen Clan werden, wenn die schlechten Zeiten weiterhin in seinem Hause Einzug halten würden? Zuerst der Tod seiner geliebten Gattin Sonia vor beinahe genau einem Jahr. Dann der Unmut der Clansmitglieder über die schlechte wirtschaftliche Verfassung des Clans und schließlich dieser unverzeihliche, riesige Fehler, die seine Kinder wohl möglich in die Klauen seiner Widersacher gebracht hat. Er hatte von der unglaublichen Kraft seiner Kinder gewusst, hatte gedacht, der Tag würde kommen, an dem sie zumindest Rachnar helfen würden, seine Vormachtstellung im Clan zu behaupten. Der prächtige Marmorbrunnen im Garten, ein steinerner, wilder Wolf, schien ihn spöttisch anzustarren, als wolle er ihm sagen: "Du Nichtsnutz! Was vertraust du auch dieser fremdblütischen Hexe so etwas wichtiges wie deine Kinder an!" Doch Rasputin schämte sich für seine Gedanken. Er hatte die stille Florentina selten so aufgebracht erlebt, wie nach dem Verschwinden der Kinder. Sie sorgte sich sichtlich und kümmerte sich selbstlos um alle seine Angelegenheiten. Er war schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Der Gedanke an Florentina verhakte sich in seinem Bewusstsein. Er kannte sie, seit sie ein kleines Mädchen war. Sie ist nicht immer eine Flankenschwarz gewesen und das hatte sie am wenigsten von allen vergessen. Noch heute trägt sie das Emblem ihrer einstigen Familie, die Kette ihres toten Vaters und die einzige Erinnerung an ihn. Die Geräusche des blutigen Kampfes zwischen seinem Bruder und dem Clansführer der von Schwarzborst hallten noch immer in seinem Kopf wie in einem endlosen Gebirge aus Erinnerungen. Die hasserfüllte, blutige Fehde der beiden Familien hat damals mit dem Sieg seines Bruder ein jähes Ende gefunden. Es war kein schöner Zweikampf gewesen und beide Parteien waren des jahrelangen Krieges müde. Niemand wusste mehr, wieso oder wann diese bittere Feindschaft überhaupt entstanden war, doch viele Lügen, Propaganda und kleinere Delikte hatten stets für neues, böses Blut gesorgt. Ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Clansführer der von Schwarzborst und seinem Vater Rachnar von Flankenschwarz, sollte die Sache für alle Zeiten bereinigen. Rasputin hatte sich damals gewünscht, er dürfe gegen den verhassten Clansführer antreten, doch sein Vater nutzte sein Anrecht, auf eine würdige Vertretung durch sein eigenes Fleisch und Blut, und schickte seinen jüngeren Sohn Nikahn in den Kampf. Als Nikahn über seinen Gegner triumphierte, zog sich der Clan der von Schwarzborst zurück, verstießen jedoch die einzige Tochter des einstigen Clanführers, Florentina, im Alter von 8 Jahren. Ihre Mutter war bei der Geburt verstorben und Nikahn sah es als seine ehrenvolle Pflicht, das Kind bei sich aufzunehmen. Florentina hatte sich über ein Jahr geweigert, mit irgendjemandem zu sprechen und hatte mehr als einmal versucht zu fliehen. Es war eine harte Zeit, doch aus dem verstörten Mädchen war eine stolze, junge Frau geworden, der er besonderes Vertrauen entgegen brachte und auf die man sich verlassen konnte.
Rasputin fiel plötzlich auf die Knie und Tränen liefen dem sonst so starken Clanführer durch die Furchen seines Gesichts.
"Es tut mir so Leid Rachnar....Tiara....Marie, meine kleine Marie..." Rasputin klagte seinen Schmerz leise in die Nacht hinein. Es klopfte an der Türe, der Clansführer stand auf und glättete sich schnell das Hemd.
"Ich wünsche nicht gestört zu werden!" Doch ein plötzlicher Gedanke hielt ihn zurück
"Nein, warte! Komm herein." Ein junges Clanmitglied aus der näheren Verwandtschaft seiner Schwester kam herein.
"Herr, die Arbeiten an der Treppe beginnen morgen. Ich soll..."
"Hör zu, du gehst zur Stadtwache und du wirst einen Termin für mich arrangieren, sobald wie möglich. Niemand wird davon erfahren, hast du gehört?" Rasputins Stimme klang so fest wie lange schon nicht mehr und der junge Werwolf verließ eilig das Zimmer.
Der Gedanke an eine späte Rache der von Schwarzborst, für die Schmach von damals, war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen. Er hatte es stets für eine Ehrensache gehalten, doch in Anbetracht der Umstände, wollte und musste er jeden Verdacht überprüft wissen. Florentina hat schon genug Sorgen und sie soll nichts von seinen äußerst gewagten Überlegungen erfahren. Sollte er sie in dieser sorgenvollen Zeit mit ihrem alten Clan konfrontieren, könnte er sich das nur schwer verzeihen. Er, Rasputin von Flankenschwarz der III., ist noch immer das Oberhaupt dieser Familie und er würde der Stadtwache von der jüngeren Geschichte seines Clans berichten. Er würde von nun an alles für seine Kinder tun, auch wenn es bedeutet, alte Wunden aufkratzen zu müssen.
16.02.2009 4: 38Mina von Nachtschatten
Idioten! Unfähige Dilettanten! Sie hätte sich von Anfang an selbst um die Sache kümmern und es nicht irgendwelchen Menschen überlassen sollen, die nicht einmal bis zehn zählen konnten! Doch das waren eben die Typen die sie gebraucht hatte, Leute von der Sorte, die für Geld so gut wie alles taten ohne Fragen zu stellen. Florentina schnaubte. Zum Glück würde sie sich nicht mehr lange mit denen herumschlagen müssen, wenn alles nach Plan verlief würden sie schon bald ... entfernt werden können.
Es polterte auf der Treppe und ein höchst unfeiner Fluch durchschnitt die nächtliche Stille. Die Werwölfin verdrehte entnervt die Augen.
Macht ja keinen Lärm! Was war nur so schwer an dieser Anweisung zu verstehen gewesen?
Die Kiste, welche kurz darauf in der Türöffnung erschien, machte ganz den Eindruck, als sei sie eben nicht zum ersten Mal zu Boden gegangen. Zumindest war sie noch in einem Stück, sonst hätten sich ein paar unnötige Komplikationen ergeben können; um den Inhalt scherte sich Florentina weniger. Sie hatte nie viel für den Flankenschwarznachwuchs übrig gehabt: Zu laut, zu verwöhnt, zu eigensinnig. Dies nicht offen zur Schau zu tragen war nicht immer einfach gewesen... Denn sie hatten das gehabt, was Florentina selbst verwehrt gewesen war: Eine Familie, die sie liebte. Nein, sie war abgeschoben worden, dem Feind quasi in den Rachen geworfen. Die ach so großzügige Aufnahme in den Clan war aus ihrer Sicht nicht unbedingt ein Akt der Gnade gewesen - es war Politik! Sie wäre die Clanführerin derer von Schwarzborst geworden, es war ihr angeborenes Recht gewesen, ebenso wie den Tod ihres Vaters irgendwann zu rächen. Aber diese Feiglinge hatten den einfacheren Weg gewählt, um jede zukünftige Konfrontation zu umgehen, was lag da näher, als die Erbin aus dem Verkehr zu ziehen und die Clanführung so einem unfähigen Heuchler zu überlassen, der nicht aufmucken würde? Wenn kümmerte schon das Schicksal einer achtjährigen Waise? Florentina beobachtete, wie nun auch die zweite Kiste in den Keller gebracht wurde. Sie konnte kein wirkliches Mitleid für die Bälger empfinden. Sie waren ... Mittel zum Zweck. So wie sie ein Mittel zum Zweck gewesen war, um eine Fehde endgültig begraben zu können. Es war zwar von Anfang an so gedacht gewesen, sie irgendwann hierher zu bringen, aber Florentina hätte den Umzug gern noch etwas weiter hinausgezögert. Das Versteck war fast zu offensichtlich; die Gefahr, zu früh entdeckt zu werden, größer. Aber zumindest würde sich niemand aus dem Rudel hierher verirren. Denn welcher Werwolf würde sich schon freiwillig an diesen Ort wagen? Selbst Florentina war nicht wohl in ihrer Haut, auch wenn der Bau noch nicht vollendet und dies hier nur der Keller war: Es lag eindeutig zu viel Silber herum. Wenn einer ihrer Handlanger plötzliche einen Anfall von spontaner Eigeninitiative hinsichtlich persönlicher Vorteile erleiden sollte, würde sie nur schlechte Karten haben. Ein Tempel für eine silberbefürwortende Gottheit ... wenn sich so etwas durchsetzten sollte hieße es bald
Gute Nacht, Werwölfe.
Überhaupt: Was war das für eine neue Religion? Sollten sich Götter nicht mit, nun ja, göttlicheren Dingen als dem Silberabbau befassen? Das roch doch schwer nach irgendwelchen gierigen Zwergen, die ihren Absatzmarkt erweitern wollten - ein Blick auf die Geldgeber des Unternehmens legte diese Vermutung ohnehin nah. Und es war eine nicht ungefährliche Entwicklung, selbst hier in der Stadt, weit entfernt von Überwald. Die dennoch das letzte Teilstück lieferte, um ihren Plan endlich umsetzen zu können und dabei sogar zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Denn wenn man am Tag der Tempeleinweihung die Werwelpen hier fand - sie würde dafür sorgen - wäre diese Silbersache am Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte: Die öffentliche Empörung würde die den Bau finanzierenden Zwergenclans zum Rückzug zwingen, die neue Religion wohl nicht weiter geduldet werden. Aber das war nur der Zusatz: Der alte Rasputin würde das nicht verwinden können - den zumindest Rachnar musste noch weg, was mit Tiara geschah hatte Florentina noch nicht entschieden - und aufgrund seiner offensichtlichen Handlungsunfähigkeit in diesem Fall zurücktreten. Und da er bar eines Nachfolgers wäre... Florentina hatte nie ernsthaft damit gerechnet, dass der Clanführer auf die Forderungen in den Drohbriefen einging, sie waren nur Fassade gewesen. Auf ihre Weise würde sie zum selben Ergebnis kommen. Und vielleicht konnte sie ihm sogar noch etwas anhängen, schließlich würde man auch magisch manipulierte Halsbänder in seinem Haus finden...
Aber vorher gab es noch viel zu tun. Zum Beispiel wussten zu viele Leute noch eindeutig zu viel.
"Franz."
Er erschien im Türrahmen.
"Fräulein Flankenschwarz?"
"Habt ihr alles verstaut?"
"Ja, das Haus ist jetzt leer."
"Gut. Dann würde ich vorschlagen ihr kümmert euch jetzt um euer selbstverursachtes Problem."
"Äh ..."
"Die Wache, du Dummkopf!", fauchte sie, "Die sollen sich raushalten, stellt ihnen ein Ultimatum: Ein Angebot, das sie nicht ablehnen können. Immerhin könnten sich die Entführer der lieben Kleinen durch ihre Ermittlungen ja unter Druck gesetzt fühlen. Und ich denke nicht, dass sie uns zu vorschnellen Handlungen zwingen wollen." Sie betrachtete nachdenklich ihre Fingernägel. "Das wäre es dann."
Franz verschwand hastig. Sie hörte ihn im Nebenraum kurz mit seinem Bruder sprechen, dann polterten die beiden über die Treppe davon.
Gut, das wäre erledigt. Das einzige, was ihr jetzt noch Bauchschmerzen bereitete, waren die Anwälte. Florentina traute ihnen nicht über den Weg. Sie waren in dieser Sache recht nützlich gewesen, die Sache mit den Halsbändern hatte sich durch sie sehr beschleunigt ... aber dennoch, der Verdacht, dass die Kanzelei auch eigene Ziele mit der Sache verfolgte, hielt sich hartnäckig - zumal sie es gewesen waren, die sich an den Clan gewandt hatten. Das ihr Schreiben zuerst Florentina in die Hände gefallen war, war reine Glückssache gewesen. Außerdem hatten sie deren Gegenvorschlag viel zu schnell zugestimmt. Und Florentina hatte keine Lust am Ende eine Rechnung zahlen zu müssen, die ihr eindeutig zu hoch war. Sie würde sich noch irgendwie rückversichern müssen...
02.03.2009 22: 23Sebulon, Sohn des Samax
"Wir sollten anfangen.", stellte Pismire fest.
"Zu viert?", fragte Breda Krulock und sah aus dem Fenster auf das gleichgültige Ankh-Morpork. >
Wann habe ich zuletzt ausgeschlafen?<, dachte sie.
"Sebulon kommt ohnehin immer etwas später; und wo er ist, ist Braggasch nicht weit.", sagte Menélaos und goss sich eine Tasse Kaffee ein.
"Aber sie hatten die Information, dass ..."
"... wir uns hier treffen? Ja."
"Mir gefällt das nicht.", meinte Mina und strich sich durch die Haare. "Ophelia und Tut'Wee hätten schon längst zurück sein müssen."
"Wir fangen an.", sagte Pismire und stand auf. Seine Stirn war gerunzelt.
Die Tür öffnete sich; niemand war zu sehen.
Acht Augen senkten sich und zwei Rubine blitzten ihnen wütend entgegen.
"So, ihr fangt an?", fauchte Tut'Wee. "Wenn ihr euch noch den Augenblick geduldet und einen Sani holt, wird bestimmt auch Ophelia an der Besprechung teilnehmen können ..."
"Ophelia?", hauchte Menélaos.
"... aber mit gebrochenem Bein schleppe ich sie nicht die Treppe hoch. Mir tut alles weh! So schnell spiele ich nicht nochmal Behelfsschiene."
Er wurde von diversen Fragen unterbrochen und sagte schließlich: "Wir erzählen alles in der Besprechung, einverstanden? Ophelia braucht 'nen Sanitäter, der sie schient, und ich brauche eine Aufmunterung. Glaubt mir, keiner von euch weiß, was es heißt, wenn ein Bein
gebrochen ist."
Er sah dem Gefreiten Schmelz hinterher, der bereits aus dem Raum gestürmt war.
"Diensteifriger Kerl, dieser Hühne. Obwohl er ein Grünschnabel ist.", kommentierte Tut'Wee. Dann stutzte er und fragte: "Wo sind eigentlich die beiden jungen Zwerge?"
"Äh, ich glaube, das ist keine gute Idee, äh, Gürtel ...", begann Braggasch.
Sebulon blieb stehen und sah seinen Freund an, der vor Angst zitterte.
"Goldi, wir waren uns doch noch vor einer Viertelstunde einig ..."
"Das, äh, ist ja nun auch schon einen Moment her, nicht wahr. Äh. Und Zwerge können ihre Meinung ändern."
Einen Moment sahen beide Zwerge auf den Boden und dachten an ihre je eigene Familiengeschichte.
"Äh, manchmal.", schloss Braggasch.
"Goldi, es sind nur noch zwei Straßenbiegungen, bis wir am Tempel sind. Und wenn wir da sind, ..."
"Dann, äh, machen wir -
was?", fragte Braggasch skeptisch. "Und nenn mich nicht immer, äh,
so, Gürtel. Nicht, äh, wenn Leute da sind. Das ist mir, äh, peinlich."
"Brag, wir gehen da hin. Du spähst. Ich denke. Und gemeinsam lösen wir endlich diesen Fall."
"Oh, das klingt, äh, gut. Langsam verliere ich nämlich, äh, die Übersicht darüber, welche, äh, Tatverdächtigen eigentlich noch leben."
"Nicht nur du.", seufzte der Zwerg und rückte seinen Gürtel zurecht.
"Aber meinst du nicht, äh, wir übernehmen uns damit etwas?", fragte der blondgelockte Zwerg seinen Freund. "Den ganzen Fall auf einmal, äh, lösen, meine ich."
"Nun ... wir gehen erstmal hin und schauen, ob wir was finden. Falsch kann es doch nicht sein, einem Gefühl nachzugehen, oder? A propros: ich habe das Gefühl, wir haben was vergessen. Etwas wichtiges. Hatten wir nicht noch irgendwas vor?"
"Äh, abgesehen vom Fall? Nicht dass ich wüsste, äh, Gürtel."
Der Tempel war noch eine große, halbverdeckte Baustelle. Und schlecht beleuchtet.
Eine Gestalt sah auf eine Sanduhr hinab, die sie in ihren knochigen Händen hielt.
HMMM.
Sie sah auf. Die Sense funkelte im Licht einer Laterne.
NOCH IST ZEIT.
Die Gestalt setzte sich auf eine Treppenstufe, was ein leises
Klacken zur Folge hatte, als Knochen und Stein sich trafen. Gedankenverloren streichelte sie eine schnurrende, getigerte Katze.
Zwei Wächter liefen an ihr vorbei, ohne sie zu bemerken.
"Stell dir einmal vor, du seist ich.", sagte Sebulon. Die Aufforderung stand im Raum, als wäre sie einem Gespräch entsprungen.
"Äh, was?", fragte Braggasch.
"Nur für einen Moment. Bitte."
"Ja, gut, in, äh, Ordnung.", stotterte der blondgelockte Zwerg. "Und jetzt?"
"Was haben wir - also, was hat die Wache bisher in dem Fall getan?"
"Nun, äh, wir haben Ermittlungen angestellt. Haben, äh, versucht, die Mörder von dem, äh, Werwolfkind zu finden." Braggasch schluckte bei dem Gedanken an die Werwölfe und sah sich ängstlich um. Schatten wurden durch die spärliche Beleuchtung der Baustelle in alle Richtungen geworfen. "Fühlst du dich, äh, auch so beobachtet?"
"Ach was, Goldi.", brummte Sebulon.
[7] "Denk mal bitte mit. Wir haben genau das getan, was wir immer tun würden."
Sein Freund nickte und begann sich die Umrisse der Tempelbaustelle und die Lage der umliegenden Gebäude einzuprägen.
"Und die Unbekannten sind sehr gründlich vorgegangen. Waren uns immer einen Schritt voraus. Haben jeden Beweis vor unserer Nasenspitze vernichtet."
Erneut nickte Braggasch.
"Was würde ich denken?", fragte Sebulon.
"Äh, dass es einen Spion in der Wache gibt.", sagte Braggasch eher geistesabwesend und schätzte konzentriert Entfernungen von Fenster zu Fenster ab.
"Oh.", machte Sebulon. "Das wäre natürlich auch eine Erklärung."
Braggasch sah sich zu ihm um. "Was, äh, denkst du denn?"
"Dass sie in unseren Köpfen sind.", sagte Sebulon düster. "Sie kennen unseren nächsten Schritt, bevor wir ihn kennen. Sie haben das ganze bis ins Detail geplant."
"Äh, auch, dass wir jetzt, äh, hier stehen?"
"Ja, in der Tat. Details sind wichtig, Goldi."
"Auch, dass ich gern fürchterlich dringend einen Abort benutzen würde?"
"Nun ..."
"Sebu, denk eine Runde alleine nach; ich, äh, bin mal kurz weg."
Einen Moment später stand der Zwerg alleine vor dem Tempel. Stille machte sich breit. Unheimliche Stille, die das Schicksal anzukündigen schien.
>
Ich bin zwar Püscho und kein Späher - aber ich glaube, ich sollte mal einen winzigen Blick in den Tempel hinein riskieren.<, dachte Sebulon. >
Braggasch ist ja gleich zurück. Was soll schon schief gehen?<,
03.03.2009 0: 57Ophelia Ziegenberger
Baldesung von Goldtunnel drehte nervös an den Ringen, an seinen dicken Fingern.
Bloß gut, dass nur die Anwälte von ihm wussten. Er hatte gleich gesagt, dass er überhaupt nicht wissen wollte, wie sie es anfangen würden. Hauptsache die Sache mit dem Tempelbau würde gestoppt werden. Silber war ja schön und gut. Aber seine Familie machte seit Generationen erfolgreich in Gold und er konnte schließlich nicht tatenlos zusehen, wie sein ungebildeter Konkurrent, Erwening Stollenkumpel, den Wettbewerb dermaßen zu verzerren versuchte. Was sollte denn sein Oheim von ihm denken? Und wie hätte er das den Ahnen erklären sollen, wenn die Große Dunkelheit ihn einholen würde?
Nein, es war schon rechtens, wenn er etwas unternahm. Das dafür investierte Gold würde sich rentieren.
Er wollte nur nicht wissen, was genau die Anwälte unternahmen.
Wobei sie ihm gewisse Andeutungen gemacht hatten.
Ihr Anwaltskollege, der Halbelf, sei jetzt aufgrund dieses Auftrages nicht mehr bei ihnen beschäftigt. Dauerhaft nicht mehr beschäftigt. Sozusagen für immer unabkömmlich. Darüber hinaus sehr, sehr, sehr konsequent nicht mehr abkömmlich.
Der reiche Zwerg atmete schwer ein, wobei sich sein dicker Bauch bedenklich hob.
Die Zwergin hatte ihn dabei so bedeutungsvoll angesehen und im gleichen Atemzug betont, dass das die anfänglich veranschlagten Kosten natürlich deutlich heben würde.
Baldesung zwirbelte nervös seinen dichten Bart über dem spannenden Lederwams.
Nein, er hatte ganz sicher überhaupt nicht verstanden, was sie damit andeuten wollten.
Und natürlich hatte er vollstes Verständnis dafür, dass die höheren Kosten beglichen werden mussten.
Man wollte ja schließlich nicht alle Welt davon erfahren lassen, dass man sich weigerte, für einen nicht mehr beschäftigten Angestellten Entschädigung zu zahlen, wo dieser doch extra wegen Baldesungs Auftrag... unabkömmlich geworden war.
Und dann noch die Sache mit dem Rudel!
Die Anwälte hatten ihm erst im Nachhinein davon erzählt, dass sie sich schriftlich an verschiedene Werwolfclans gewandt hatten, um Erkundigungen dazu einzuziehen, wer ihnen in der Silberangelegenheit Unterstützung zusagen wollte. Das läge ja schließlich auch in deren Interesse! Baldesung vermutete ehrlich gesagt allmählich, dass die Kanzlei überhaupt nichts anders zu machen beabsichtigt hatte, als ursprünglich für ihn vorgesehen, gleichzeitig aber noch zusätzlich bei den Clans abkassieren wollte, weil sie sich ja "um deren Interessen gekümmert" hätten. Irgendwas mit einem der angeschriebenen Clans war aber wohl aus dem Ruder gelaufen. Eigentlich wollte er auch das nicht so genau wissen. Nur hatte die Zwergin ihm wieder, mit diesem Blick unter ihren dichten buschigen Brauen hervor mitgeteilt, dass auch dort einige Personen plötzlich sehr unabkömmlich seien. Aufgrund seines Auftrags. Und dass das die Kosten des Projekts höher triebe. Er hatte zwar wirklich keine Ahnung, was irgendwelche Werwölfe mit ihm und seinem Auftrag zu tun haben sollten aber es war wohl besser, wenn er die geforderte Summe zahlte, um eventuellen Fragen aus dem Wege zu gehen. Sargfeger und Zwiebel wussten gewiss, was zu tun war.
Wenn nur niemand von ihm erfuhr!
Baldesung hatte erst im Nachhinein davon erfahren, dass die Anwälte für beide Seiten arbeiteten. Dass sie sich ebenso sehr für den Bau des Tempels einsetzten, wie gegen diesen, und sogar im Auftrag Erwening Stollenkumpels und dieser Prophetin maßgeblich am Grundstückskauf mitgewirkt hatten. Der Vampir war für den gesamten Schriftverkehr bezüglich der Einweihungsaktivitäten zuständig!
Aber als er davon erfahren und den Anwälten einen langen Brief geschrieben hatte, in dem er eine Erklärung dafür forderte, da hatten diese ihm nur eine fast fröhlich klingende Antwort geschrieben, in der sie ihn darüber aufklärten, dass er auf diese Weise sogar Kosten sparen würde. Nämlich die Kosten, die durch den Schriftwechsel zwischen zwei gegnerischen Kanzleien anfallen würden, wenn sie sich jeden Brief per Boten schicken müssten, anstatt einfach nur zum Kollegen ins Nachbarzimmer zu gehen. Die beiden Anwälte arbeiteten gleichzeitig miteinander und gegeneinander, um von beiden Seiten die Finanzierung einzustreichen. Wer mehr zahlte, dessen Anliegen wurde auch mehr Aufmerksamkeit gewährt. Sie behaupteten, das sei eine Art freier Wettbewerb. Aber wenn es ihm nicht zusage, könne er auch die Kanzlei wechseln - sie würden dann alles, was sie zu seinem Fall an Beweisen hätten, an die Kollegen weiterleiten.
Er hatte schnell zurückgeschrieben, dass er sich gut von ihnen betreut fühle und sie niemandem irgendwas über ihn schreiben oder zu ihm schicken bräuchten, sie sollten sich gerne weiter um alles Nötige kümmern, um die Sache zu einem schnellen Abschluss zu bringen. Um seinen guten Willen zu demonstrieren, hatte er das in Zwergenrunen verfasste Schreiben sogar persönlich gesiegelt. Es war ihm erst zu spät aufgegangen, dass das vielleicht keine seiner besseren Ideen gewesen sein mochte.
Der korpulente Zwerg beugte sich ächzend vor, griff nach dem kostbaren Flachmann mit dem bernsteinfarbenen Inneren und goss sich verzweifelt nach.
Das war alles so verzwickt!
Wenigstens hatten sie ihm nach seiner letzten, mehr als großzügig bemessenen Summe zugesichert, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die neue Religion in einen riesigen Skandal verwickelt werden würde, wegen des neuen Tempels, und deswegen garantiert dem Untergang geweiht wäre. Er könne sozusagen schon die Stunden bis dahin zählen!
Hoffentlich blieb sein Name dann unerwähnt.
Er kippte den Alkohol in einem einzigen Zug den Rachen hinunter.
06.03.2009 19: 20Sebulon, Sohn des Samax
"Alfo richtig gebrochen ift daf nicht, fo fmertfhaft daf auch fein mag. Auch keine diagnoftifierbare Diflokation.", meinte die Igorina und zurrte ein Stück Schnur fest. "Fo, wie ich dich kenne, willft du lieber ein Proviforium, nicht wahr?"
Ophelia sog scharf die Luft ein, nickte dann aber.
Rogi Feinstich packte ihre Utensilien ein und fragte: "Muff ich dir erklären, daff du dich fonen follteft?"
"Ich kann ja etwas Büroarbeit machen.", seufzte der Korporal.
"Die nächften dreiffig Tage lang? Kürtfer wird daf wohl nicht, befürchte ich."
"Was, dreißig ...!"
Beinahe alle sahen Rogi bei ihrer Arbeit zu und standen ihr außerordentlich im Weg.
Nur Menélaos saß etwas abseits und tat so, als würde er die Akte des Falles und nicht Ophelias Bein studieren.
[7a]"Vielleicht auch fechfundfwanfig; kommt auf die Fwere def Bruchef an. Und ob du dich ernfthaft aufruhft."
"Ohne drängen zu wollen", sagte Mina, "aber wir haben eigentlich gerade eine Lagebesprechung zu einem brisanten Fall, Rogi."
"Fon verftanden. Bin in zwei Fekunden hier rauf, keine Forge."
Die Igorina schnappte ihre erste-Hilfe-Hilfsmittel unter den Arm und ging zur Tür.
"Fagt mir einfach befeid, wenn ihr fertig feid; dann fau ich mir die Verletfung nochmal an und beffere nach, waf gerade nur proviforif halten muff.."
Die Tür schnappte ins Schloss und die RUM-Wächter waren unter sich.
"Ophelia, wie kam es zu diesem Bruch, der uns, bei allem Verständnis für an den Tag gelegten Diensteifer, alles andere als gelegen kommt?"
Tut'Wee erhob sich, streckte sich zur vollen Körpergröße von 10,1 Zentimetern und brummte: "Lasst mich das kurz erzählen. Danach könnt ihr noch immer überlegen,
was tatsächlich in der letzten Zeit gelegen kam."
"Fass dich kurz.", meinte Breda, selbst überrascht über die Strenge in ihrer Stimme.
"Also gut.", meinte die Gnumie und spuckte auf den Boden. "Wir haben neue Infos: Florentina aus diesem elenden Flankenschwarz-Clan will die Herrschaft. Vor allem über die junge Generation, denn die ist die Zukunft des Clans. Sie behauptet, diese neuen Halsbänder führten zu Selbstbeherrschung - aber wir haben einen Werwolf daran sterben sehen."
"Malko.", flüsterte Ophelia und der Raum war totenstill.
"Verdammt noch mal, komm endlich! Der ist nicht mehr zu retten, das sieht man doch. Willst Du gleich neben ihm verrecken?", rief Tut'Wee und zerrte an der Wächterin.
Es raschelte außerhalb des Schuppens.
Beide Wächter stürmten durch den Ausgang nach draußen und sahen sich plötzlich einem großen, knurrenden Wolf gegenüber.
"Werwolf?", flüsterte Ophelia.
"Mit glühendem Halsband.", gab Tut'Wee zurück. Seine Rubinaugen funkelten.
Ophelia wich vor dem Neuankömmling zurück, was sich als doppeltes Unglück entpuppte.
Unglücklich für den Korporal, da der Werwolf ohne Vorwarnung sprang und sie umstieß. Sie taumelte rückwärts, stolperte, und fiel ungünstig: mit dem kompletten Körpergewicht auf das linke Bein. Schmerz durchzuckte sie.
Das zweite Unglück betraf speziell die Perspektive des Werwolfs, da sich in dessen Fell geistesgegenwärtig eine Gnumie festgehalten hatte und nun unaufhörlich im Sekundentakt gezielte Schläge, Tritte und Kopfnüsse in die Magengegend des Werwolfes landete."Nun, im Prinzip ist damit alles gesagt. Der Werwolf ging irgendwann k.o. und ich hab's mit Ophelia bis hier her geschafft. Und ich schwöre: wenn dieser Fall vorbei ist, lasse ich mich auf Flöhe untersuchen. Wisst ihr, wie unangenehm ein Werwolf riechen kann, wenn man unter seinem Bauch hängt und ..."
"Bewundernswerte Leistung.", sagte Menélaos und stand auf. Ophelia verkniff sich ein Grinsen. "Und was diese Florentina angeht: die ist ein Fall für mindestens einen unserer Püschologen. Sie hat einen ganzen Clan voller Geiseln!"
"Oder für nen MUT.", knurrte Tut'Wee.
"Vermutlich reicht schon ein Späher, wenn er nur silberne Bolzen benutzt.", sagte Ophelia matt.
"Ich würde auch darauf plädieren, dass wir den Rat eines Püschologen einholen und einen Späher in die Nähe von dieser Drahtzieherin abstellen - wenn wir nur wüssten, wo Braggasch und Sebulon stecken ..."
10.03.2009 0: 44Pismire
"Nun, dieser Punkt - herauszubekommen, wo die Obergefreiten Braggasch und Sebulon sind - steht ebenfalls noch auf der Agenda", bemerkte Pismire trocken. "Und zwar ziemlich weit oben. Ich möchte nicht neben all den Obduktionberichten noch den ganzen Papierkram für verschwundene Wächter ausfüllen müssen. Ich habe bei SEALS bereits darum gebeten, sich in der Nähe dieses Tempel unauffällig umzusehen."
"Du meinst, die beiden Volli - äh - voll
kommen unerfahrenen Mitglieder dieser Ermittlergruppe sind auf eigenen Faust losgezogen, um den Fall zu lösen?", grummelte die Gnumie, sich gerade noch einmal so zusammenreißend.
Der Schamane zuckte mit den Achseln. "Das erscheint mir plausibel. Es würde irgendwie zu ihnen passen. Und ich - ja verdammt noch mal, was soll den das", fluchte er, als sich die Tür öffnete und eine verwuschelt und lausbübisch wirkende Gestalt sich in den Raum schob. Ein durchdringender Nikotingeruch umgab sie wie eine Art schützenden Nebel. "Ihr seid doch die Sonderermittler wegen dieser Werwolfsache - oder?" An Selbstsicherheit schien es dieser Rekrutin ebenfalls nicht zu mangeln.
Der Oberleutnant nickte.
"Da ist jemand, der den Rudelführer - wie er sagt - sprechen will. Und es ist wichtig."
Misstrauisch beäugte der junge Werwolf den Wächter, der zu ihm auf den Flur trat. "Rasputin von Flankenschwarz der III. will mit demjenigen sprechen, der die Ermittlungen leitet, dem Ranghöchsten in dieser Ermittlung also. Und zwar allein und an einem neutralen Ort."
"Wo will er dich treffen?", prustete Tut'Wee los. "Im Dampfbad in der Straße der Schimmerstraße? Da will aber jemand ganz sicher gehen, dass ihm keiner seiner Rudelfreunde folgt."
"Ja, das habe ich mir auch gedacht", meinte der Schamane ruhig, "und daher werde ich mich an die - nennen wir es mal so: vorgeschlagenen - Konditionen halten." In Wirklichkeit hatte der nervöse junge Werwolf die Anweisung mehr herausgebellt als vorgetragen. "Ich werde allein gehen und ich möchte ganz sicher gehen, dass niemand hier auf die Idee kommt, 'anderkawwer' hinter mit her zu pirschen."
"Nun, die Gefahr besteht wohl kaum. Zumindest was das Pirschen angeht, ist diese Sonderermittlergruppe nicht wirklich gut zu Fuß. Und ich werde mich mit Sicherheit in kein Dampfbad begeben," schnaubte der Oberfeldwebel.
"Das gefällt mir nicht, das ist ziemlich riskant", mischte sich Breda ein. "Ich halte es für keine gute Idee."
"Aber wir können es uns nicht leisten, eine Gelegenheit zu verpassen, mehr über die Hintergründe zu erfahren - ich vermute, dass Flankenschwarz einen wichtigen Grund hat, sonst würde er den Vorschlag nicht machen", warf Mina ein.
"Davon können wir ausgehen", meinte Ophelia, lehnte sich leicht zurück und versuchte dabei, die Schmerzen in ihrem Bein auszublenden.
"Gut, dann wäre das also geklärt", kommentierte Pismire und hakte gestisch einen Punkt in der Luft ab. "Aber bis dahin habe ich noch eine Stunde Zeit."
"Äh, zwei, Oberleutnant", warf Breda ein. "Das Treffen mit Flankenschwarz ist in
zwei Stunden."
"Ja, aber das Jahresbad einen Schamanen kann nicht ohne die entsprechenden, zeitaufwändigen Vorbereitung erfolgen", war die überraschende Antwort.
"Jahresbad?", rutschte es Mina heraus. "Soll das ein Witz sein?" Im Raum herschte Totenstille und alle Augen ruhten auf dem alten Mann.
"Ja, Obergefreite von Nachtschatten, das sollte ein Scherz sein. Eine humoristische Einlage, um in einer stressigen Situation die Anspannung ein wenig zu lockern", bemerkte Pismire mit ausdrucksloser Miene. "Aber bis es so weit ist, sollten wir die wichtigsten Punkte und das, was jeweils als nächstes zu tun ist, noch einmal festhalten."
"Das wichtigste sind in erster Linie die Kinder", warf Menélaos ein. "Diese Florentina lässt sie vermutlich heimlich aus der Stadt schaffen - vor allem jetzt, wo sie weiß, dass wir ihr auf die Schliche gekommen sind."
"Wieso sollte sie das tun?", widersprach Lance-Korporal Krulock. "Sie kann mit ihnen mehr anfangen, wenn sie sie - sozusagen - griffbereit hat. Ich glaube eher, dass die Kinder von dem bisherigen Versteck entfernt werden mussten, weil wir schon zu nahen dran waren. Nein, ich bin mir sicher, dass sie in der Stadt sind."
Pismire nickte zustimmend. "Ich glaube, du hast Recht. Was ich immer noch nicht verstehe, ist diese Sache mit den Halsbändern. Zu Anfang hatte ich gedacht, sie wären etwas, was die Entführer den Werwelpen umgetan hätten, um sie still zu halten - eine Art Fessel. Nach dem, was Ophelia und Tut'Wee jedoch berichten, sind sie etwas, was der Flankenschwarzclan freiwillig veranstaltet. Und so, wie ihr den Tod von Malko schildert, muss es irgendeine Möglichkeit geben, den Träger von außen zu kontrollieren. Rib, setzt dich da dran. Das sie im oktarinen Spektrum strahlen, hat seinen Grund."
"Hat eigentlich schon jemand den Brief in zwergisch übersetzt?", fragte Menélaos, "den von Zuckerli, meine ich."
"Aaps macht immer noch die Runde bei den Wächtern, die in Frage kommen", entgegnete Pismire. "Glum, Berni und Helmi waren als mögliche Kandidaten im Gespräch - wenn es sich wirklich um Überwaldisch handelt."
"Diese Anwaltskanzlei - was ist mit der?," fragte Ophelia.
"Sie sind für die Armbrust des des Attentäters verantwortlich", zählte Breda auf, "haben ein Mitglied weniger, dass kurz vor seinem Tode mit Mehlbomben gespielt hat, sind in Grundstücksangelegenheiten bei diesem Tempel verwickelt, der wiederum die Werwölfe auf den Plan ruft, weil seine Göttin Silber wieder in Überwald sehen möchte ..."
"... regeln die Insolvenz eines Geschäftes, in dem die Werwolfhalsbänder verkauft wurden", ergänzte Mina, "und haben sowas von dringend einen Besuch von uns verdient, bei dem wir uns gründlich umschauen sollten", schloss sie mit einem anzüglichen Grinsen.
"Den haben sie in der Tat", meinte Pismire. "Ihr beide übernehmt das bitte. Aber nach normalen Maßstäben ist es immer noch Nacht. Wir sollten doch einige Stunden warten, bis wir sie heimsuchen. Das gibt den hier anwesenden Wächtern die Möglichkeit, sich ein wenig aufs Ohr zu legen. Außer dir, natürlich, Tut'Wee - das Halsband wartet."
"Verdammt nochmal - glaubst du, ich bin nicht müde?", fauchte die Gnumie.
"Du bist untot!"
"Das sind
die auch", schnappte der Kleine und wies mit bebendem Finger auf Mina und Breda.
"Ja, aber die fallen gleich vor Müdigkeit vom Stuhl", konterte der Oberleutnant.
"Und was ist mit Braggasch und Sebulon?", wollte Ophelia wissen. "Wir können sie doch nicht einfach so unaufgefunden lassen!"
"Ich sagte doch schon: SEALS wird sich unauffällig um das Tempelgelände kümmern. Oder glaubst du, Korporal Ziegenberger, dass den beiden mit einer Gruppe von Wächtern geholfen ist, die vor Müdigkeit über die eigenen Beine stolpern? Wie gesagt: die entsprechende Bitte um Unterstützung ist raus. Und ebenso werde ich FROG bitten, diese Florentina unauffällig zu beschatten. Für dich, Gefreiter", wandte er sich an Menélaos, "habe ich eine wichtige Aufgabe: wenn du dich ausgeruht hast, nimm dir doch noch einmal deinen ehemaligen Kollegen, Zuckerli, vor. Und betrachte ihn mal unter dem Blickwinkel eines möglichen Komplizen der Täter. Du scheinst ihn gut zu kennen - er könnte unbeteiligt sein, er könnte aber auch in die Sache verwickelt sein." Der große Mann sah ihn mit ebesolchen Augen an und nickte dann zögerlich.
"Und was soll ich machen?", fragte Ophelia knapp.
"Wenn wir hier fertig sind noch einmal bei Rogi vorbeischauen und sie sich um dein Bein kümmern lassen und dich gründlich ausruhen. Und danach gehst du bitte noch einmal die gesamten Unterlagen durch. Ich will absolut sicher sein, dass wir nichts übersehen habe."
Eine Stunde später betrat der Schamane in eine sauberes Handtuch gewickelt den Raum für das klatschianische Dampfbad im Badehaus in der Schimmerstraße. Ein dezent-muskulöser Wächter im Eingangsbereich hatte sich auffällig beiläufig vergewissert, dass er allein kam und nach dem Umkleiden unter dem Handtuch unbewaffnet war - so, wie Rasputin gefordert hatte. Auf Grund der frühen Morgenstunde war das Bad recht wenig besucht - der Raum mit dem Dampf aber war - auch dafür hatte der Bademeister gesorgt - bis auf einen älteren Mann leer.
Rasputin von Flankenschwarz musterte den alten Mann, der in ein Handtuch gewickelt den Vorhang beiseite schob und den Raum betrat neugierig. Er war hager und sehnig, hochgewachsen und hatte seine langen, weißen und ein wenig spärlichen Haare zu einem Knoten hochgebunden. Das Kinn war sauber rasiert. Er schein müde zu sein und setzte sich ein wenig steifbeinig auf die Bank in den dichten Dampf.
Die Hitze in dem Raum nahm ihm im ersten Moment den Atem. Als sein Körper auf die Wärme reagierte merkte er, wie ausgelaugt und müde er sich fühlte. Pismire sah sich einem Mann gegenüber, der ohne ein Handtuch seitlich auf einer Bank gegenüber dem Eingang lag und ihn aufmerksam musterte. Allerdings brauchte er auch kaum ein Handtuch, da sein körper stellenweise so dicht behaart war, dass es wie ein Pelz wirkte. Pismire fragte sich, wie er sie Hitze ertrug. Seiner Schätzung nach waren sie in einem ähnlichen Alter - was aber nicht viel besagte, denn der eine von ihnen war ein Werwolf, der andere aber ein bestenfalls menschlich wirkendes Wesen magischen Ursprungs, das über sein biologisches Alter keinerlei Auskunft geben konnte - zumal auch auf dem Herkunftsteppich eine Messung von Jahren völlig andere Werte ergeben hätte als auf der ihn umgebenden Scheibenwelt.
"Du bist also der Wächter, der unsere Kinder nicht finden kann!"
"Und du der Clanführer, der sein Rudel nicht im Griff hat!"
Die beiden starrten sich an. Wie Nebel wogte der Dampf zwischen ihnen. Der Geruch, der von dem Werwolf ausging, schein sich ebenfalls sichtbar zu materialisieren.
"Herr von Flankenschwarz", begann Pismire, "es führt uns - glaube ich - nicht weit, wenn wir uns gegenseitig des Versagens bezichtigen. Du wolltest mich sprechen, und: hier bin ich."
"Es ist eine recht delikate Angelegenheit, Wächter ..."
"... Oberleutnant Pismire ..."
"... Oberleutnant, in der ich dich sprechen will. Und all das, was ich dir hier sage, darf niemals nach Außen gelangen. Es ist gegen jede Regel - eigentlich - das ich mit einem Nicht-Clanmitglied darüber spreche. Aber aus begreiflichen Gründen
kann ich mit keinem meines Clans darüber reden." Der Werwolf seufzte tief. "Wenn nicht die Sorge um unsere Welpen wäre, dann ..." Wieder brach er ab und schwig.
"Geht es um Florentina?", versuchte Pismire, die stockende Erzählung wieder in Gang zu bringen.
Ein durchdringender Blick traf ihn. "Was meinst du damit?"
"Nun", gab sich der Oberleutnant harmlos, "ein Schuss ins Blaue - wenn du so willst. Nach dem, was wir über deinen Clan wissen, gilt sie als diene Vertraute. Und wenn du - wie du sagst - mit niemandem reden kannst, dann ..." Er machte eine vage Geste.
"Du hast recht. Ich bin mir ihrer nicht mehr sicher. Bis vor wenigen Tagen hätte ich jeden Eid geschworen, dass sie ihrem neuen Rudel gegenüber absolute Loyalität hält. Aber nun ..."
"Ihrem neuen Rudel? Sie ist eigentlich keine Flankenschwarz?"
Nach und nach erfuhr Pismire die Geschichte der verfeindeten Rudel, dem Kampf, und dem Rückzug der Familie Schwarzborst. Und das Florentina als Mutterloser Abkömmling des unterlegenen Rudelführers von ihrer eigenen Familie verstoßen worden war. Und dass die Familie Flankenschwarz sie aufgenommen hatte. Und das sie selber ihre Herkunft nie vergessen hatte und bis heute noch ihres Vaters Kette um den Hals trug.
"Sie hat sich nur schwer eingelebt. Sie ist immer wieder davongelaufen - zurück zu den Schwarzborsts, aber die haben sie regelrecht vertrieben. Als sie das letzte Mal zu ihnen lief, da wäre sie beinahe von ihnen zerfleischt worden, denn ihr altes Rudel glaubte, sie habe sie verraten. Sie wäre fast oihren Verletzungen erlegen. Danach hat sie nie wieder versucht, zu ihnen zu gelangen und wir - meine Frau und ich - haben geglaubt, sie habe sich nun bei uns eingelebt. Sie hat sich rührend um meine Frau gekümmert, als diese krank wurde und mir gegenüber war sie treu, zuverlässig und ergeben. Aber war sie das wirklich!?"
"Und wie hast du reagiert?", fragte Tut'Wee gespannt, nachdem Pismire ihm die Begegnung erzählt hatte - bisher als einzigem seiner Ermittlergruppe, denn der Rest hatte es sich auf Notbetten im Besprechungszimmer mehr oder weniger gemütlich gemacht und schlief noch.
"Tja, ich habe ihn versucht zu beruhigen. Ich glaube nicht, das es gut wäre, zusätzlich zu dem ganzen Geschehen auch noch auf die erwachsenen Mitglieder eines Werwolfclans Obacht geben zu müssen, die sich an die Kehle gehen wollen. A pro pos: Kehle - was machen die Halsbänder?"
"A pro pos Erwachsenen", äffte die Gnumie seinen Tonfall nach, "hier ist was zu den Kindern. Ein kleiner Junge brachte eine anonyme Botschaft von den Entführern. Da steht: Wenn wir weiter nach den Kindern suchen, dann werden sie noch mehr Finger an uns schicken. So, wie diesen", Tut'Wee hielt einen abgeschnitten Finger hoch, "hier. Aber wenn wir für achtundvierzig Stunden nichts tun, dann lassen sie die Kinder frei - einfach nur so. Wenn wir einverstanden sind, dann sollen wir einen Fressnapf und einen Wassernapf aus Messing vor die Wache stellen." Er schob das Schreiben über den Tisch, wo Pismire es fassungslos las.
"Und das ist echt?", fragte er.
"Es riecht nach Zimt und Käse. Doch ja, das könnte echt sein."
14.03.2009 14: 59Mina von Nachtschatten
Sebulon fühlte sich nicht ganz wohl dabei, dem Tempelvorplatz den Rücken zu kehren und in die Schatten des eigentlichen Gebäudes einzutauchen - düster ragte der halbfertige Bau vor ihm auf. Mit der offenen Fläche im Rücken hatte er nun das Gefühl, dass sich die beobachtenden Blicke regelrecht in seinen Rücken zu bohren schienen. Nein, wie albern! Wer auch immer da war hatte bis jetzt noch nicht versucht, ihn vom Betreten des Tempels abzuhalten, also würde derjenige wohl auch weiterhin nichts unternehmen. Zumindest hoffte der Zwerg das und diese Logik gab ihm auch den Mut, noch einen weiteren Schritt zu gehen und sich nicht ruckartig umzudrehen, um den zu ertappen, der ihn da bespitzelte. Wenn da überhaupt jemand wirkliches war, und nicht nur die Ausgeburten seiner Fantasie, heraufbeschworen von überspannten Nerven. Das war eine weitere Erklärung, die ihm, gerade als Püschologe, gut gefiel und so wagte er einen letzten Schritt und stand nun in der Eingangspforte des Tempels - es schien sich noch niemand die Mühe gemacht zu haben, eine Tür einzubauen, obwohl die beiden Flügel des schweren Portals gleich links an einer Wand lehnten. Ansonsten gab es nichts besonders zu entdecken: Arbeitsgeräte, Steine, Holz ... und hier und da glaubte Sebulon etwas funkeln zu sehen ... vielleicht ein kleiner Klumpen Silber, angestrahlt vom Mondlicht das an einigen Stellen durch noch undichte Mauerritzen fiel...
Weiter hinten in der Dunkelheit knarzte es auf einmal und der Zwerg fuhr zusammen. War da jemand? Und kam er her? Und hatte dieser jemand vielleicht etwas gegen sein unerlaubtes Eindringen? Und... Sebulon hätte beinahe geschrien, als ihm jemand auf die Schulter tippte.
"Ich, äh, ich bin's nur", erklang Braggaschs Stimme hinter ihm. "Ich hoffe, äh, ich habe dich nicht, äh, zu sehr erschreckt?"
"Nein, alles bestens, kein Problem", brachte der Püschologe mühsam hervor, während er krampfhaft versuchte, sein wild schlagendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen. Er hatte seinen Freund nicht kommen hören - der wurde als Späher wirklich immer besser.
"Und? Gibt's etwas Interessantes?", wollte Braggasch wissen und spähte an Sebulon vorbei in die Finsternis.
"Nein, noch nicht." Samax' Sohn zuckte mit den Schultern. Es war nun wieder vollkommen still hier und irgendwie beunruhigte den Zwerg diese düstere Eingangshalle - man konnte die hinteren Wände nicht einmal erahnen.
"Aber ich!"
"Was?"
"Naja", Braggasch räusperte sich, "Äh, dort hinten um die Ecke befindet sich nicht nur der, äh, Abort für die Arbeiter hier. Ich bin da noch ein, äh, kleines Stück weiter und da habe ich ..."
In diesem Moment erklang erneut ein unheilverkündendes Geräusch aus den tiefen Schatten vor ihnen, nur diesmal wesentlich näher ... fast so, als sei jemand auf ein Stück Holz getreten, welches unter seinen Füßen zersplittert war...
Die Zwerge verstummten und starrten nach vorn. Nach einigen weiteren Sekunden war eine Bewegung in der Dunkelheit zu erkennen, eine Bewegung, die näher kam.
Braggasch packte seinen Kollegen an der Schulter und zog ihn in den Schutz einer der Säulen am Eingang. Angespannt warteten die Wächter ab, bis schließlich das Geräusch von Schritten erklang und dann...
Die Person sah aus, als hätte man sie in einen viel zu großen Kartoffelsack gesteckt - nur das Kartoffelsäcke nicht silbern im Mondlicht schimmerten. Unbeholfen kratzte sie sich am Kopf, wobei die erste Herausforderung darin bestand, den Arm aus den Massen an Stoff freizubekommen.
"Hallo?", fragte sie und ließ den Blick über den Platz vor der Baustelle schweifen.
Sebulon runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendwie wirkte der Kerl da so ... unecht. Hölzern. Als wisse er nicht genau, was er zu tun habe...
Er hätte die beiden Wächter wohl auch gar nicht bemerkt, hätte Braggasch nicht genau in diesem Moment niesen müssen - das wallende Gewand des Fremden hatte einen gehörige Menge Baustaub mit aus dem Gebäude gebracht, welcher sich nun großzügig nach allen Seiten verteilt hatte. Und ein guter Teil davon war in der Nase des Zwerges gelandet, der, viel zu überrascht um den Impuls zu unterdrücken, nachgab.
Der Unbekannte fuhr herum und entdeckte die Zwerge im Halbschatten.
"Oh, da seid ihr. Kann ich etwas für euch tun?" Es klang angestrengt.
"Also, äh, nein, also, äh, wir, äh, sind nur ganz rein zufällig ...", stotterte Braggasch drauflos, wohl wissend, das ihm das mit dem 'zufällig' wohl niemand abkaufen würde.
"Wir wussten nicht, dass hier schon jemand ... arbeitet?" Sebulon maß seinen Gegenüber mit einem misstrauischem Blick. War das vielleicht ein Priester der neuen Religion? Angesichts des schimmernden Gewands nicht ganz unwahrscheinlich.
"Arbeitet?" In der Antwort hatte ein gewisses Entsetzen mitgeklungen, fast so, als sei er ertappt worden, dann räusperte dich der Silbergewandete. "Äh, ja, natürlich. Ich verbreite die frohe Botschaft unserer ... neuen Gottheit hier in dieser ... schönen Stadt."
Schöne Stadt? Der Mann war eindeutig nicht von hier. Und außerdem hatte er so gar nicht froh geklungen, bei dem was er sagte.
"Ja, wir waren nur neugierig, entschuldige die Störung", meinte Sebulon schnell und machte einen Schritt rückwärts.
"Das macht doch nichts." Sein Mund zog sich in die Breite. "In diesen Hallen ist jeder willkommen." Das Lächeln war nicht echt. Und schon wieder wirkte er wie ein schlechter Schauspieler, der seinen Text auswendig gelernt herunterleiert. Und außerdem roch er so komisch. Sebulon kam nicht gleich darauf, was es war, aber irgendwie ließ es in seinem Kopf eine Alarmglocke schrillen.
"Ja, entschuldige uns", wiederholte der Zwerg, hielt dann aber inne. Wenn sie schon einmal hier waren...
"Würdest du uns eine Frage beantworten?", wandte er sich wieder an den Priester.
"Sebulon!" Braggaschs Stimme war nicht mehr als ein Flüstern an seinem Ohr.
"Natürlich."
"Es klingt vielleicht komisch, aber ..."
"
Sebulon!"
Der Püschologe wandte sich dem anderen Zwerg zu.
"Was ist denn?", fragte er, halb ärgerlich über die Unterbrechung, halb besorgt, ob vielleicht schon wieder irgendetwas passiert war.
Braggaschs Augen waren vor Schreck geweitet.
"Was macht ein Priester mitten in der Nacht auf einer Baustelle?", presste er zwischen den Zähnen hervor.
Der Zwerg klappte den Mund auf, um etwas zu erwidern, aber in diesem Moment traf ihn etwas Schweres am Hinterkopf und alles wurde schwarz.
21.03.2009 11: 35Pismire
Mit einem kurzen Anflug von Bedauern beendete Pismire, der sich gerne nach seinen Erlebnissen im Dampfbad selber ein wenig ausgeruht hätte, die Pause für die Anderen. Mit rotgeränderten Augen, müde, verfroren und ausgelaugt dümpelte die Ermittlergruppe im Besprechungsraum über ihren warmen Getränken, während Pismire das Wichtigste vom Treffen mit dem Clanchef der Flankenschwarz berichtete.
Dann war Tut'Wee an der Reihe und berichtete vom Eintreffen des Fingers und der beigefügten Botschaft.
"Aber wir können uns doch nicht auf deren widerlichen Kuhhandel einlassen", entfuhr es Ophelia erbost. "Das ist vollkommen inakzeptabel". Die Empörung rötete ihre Wangen und ihre Augen blitzten. Menélaos nickte bestätigend, während er die junge Frau hingerissen ansah, bevor er hastig seinen Blick wieder nach vorne richtete.
"Nun, was ich an der ganzen Sache nicht verstehe", meinte Breda mit gerunzelter Stirn, "ist: Sind die dermaßen raffiniert, dass sie eine komplexe Taktik ausgearbeitet haben - oder wirklich so dämlich, wie es den Anschein hat."
"Nach den bisherigen Berichten über unsere beiden duftenden Freudenkrönchen", knurrte die Gnumie, "können wir davon ausgehen, dass es sich bei den beiden nicht um die geistigen Sparringpartner von Leonardo da Quirm handelt. Im Ernst: Die wären sogar zu blöd, um ein Loch in den Schnee zu pissen."
Ein deutliches Räuspern der Oberleutnants hinderte ihn daran, weitere und vermutlich ebenso wenig stubenreine Vergleiche für die beiden zu ersinnen.
"Ich glaube nicht, das Florentina direkt hinter dieser Aktion steckt. Die ersten Erpresserbriefe - die mit den wirren Forderungen und diesem ganzen spezizistischen Krempel - stammen vermutlich von ihr und sollten nur eine weitere Nebelkerze sein. Dies hier", und der alte Mann wies auf das reine Schreiben, da der Finger bereits im Labor war, "ist vermutlich ein authentischer Versuch ihrer beiden Handlanger, die Wache an weiteren Ermittlungen zu hindern. Wahrscheinlich hat sie ihnen gesagt, sie sollten sich darum kümmern, dass sie die Wache nicht weiter auf dern Fersen haben. Und Herr Zimt und Meister Käse sind auf die erste von zwei Möglichkeiten gekommen. Wofür ich sehr dankbar bin."
"Wieso? Was wäre die zweite?", fragte Mina.
"Eine Bombe im Wachhaus", lautete die trockenen Antwort.
"Und wie verfahren wir jetzt mit dem Schreiben?", wollte Menélaos wissen.
"Wie stellen zwei Näpfe vor die Tür und sorgen dafür, dass ein möglichst 'unauffälliger', hoch gewachsener und somit gut sichtbarer Wächter an exponierter Stelle auf dem Dach die Umgebung im Auge behält, den Gassenjungen, den die beiden bezahlt haben, damit er die Wache im Auge behält, mindestens 500 m weit verfolgt und ihn dann aus den Augen verliert. Damit haben wir an Raffinesse vermutlich mit unseren Gegner gleichgezogen. Nach deinem kleinen Auftritt auf dem Dach, Gefreiter Menélaos, kannst du dich bitte - wie abgesprochen - um Zuckerli kümmern. Und Mina und Breda können sich dann sicher und unbeobachtet in einer halben Stunde zu den Anwälten auf den Weg machen."
"Und du?", fragte die Gnumie.
"Ich werde mich bei Seals und FROG umhören, ob es was neues gibt, mich danach für zwei, drei Stunden aufs Ohr legen und anschließend deinen Bericht über die Halsbänder zur Kenntnis nehmen. Mit anderen Worten: wir sehen uns in drei Stunden zur nächsten Besprechung."
Emerenzia Zwiebel lehnte wohlig aufatmend in ihrem Stuhl hinter ihrem Schreibtisch zurück. Mit dem Ableben Mohnblütes war dieses - sie knurrte vor Zorn -
Auskunftsbüro endlich geschlossen worden. Und das, ohne das Maître Sargfeger -
der große Maître Sargfeger höhnte sie in Gedanken - auch nur den leisesten Verdacht geschöpft hatte, das ganze könne etwas mit den aktuellen Klienten zu tun haben. Der Tee, den ihr Fräulein Rüberundrunter gebracht hatte, verströmte sein erlesenes Aroma im Raum. In Gedanken ging sie noch einmal den ganzen Plan durch, ließ den Ablauf der Geschehnisse der letzten Wochen an ihrem inneren Auge vorbeiziehen und seufzte zufrieden auf. Bald würde das letzte Mitglied der Schwarzborsts tot sein und ihre Mutter wäre endlich gerächt. Und je mehr von dieser Wolfsbrut dabei zugrunde ging - desto besser. Diese Florentina mit ihrem Gefasel von reiner Abstammung, Auslese, Veredelung und Blutschuld war so dermaßen leicht zu beeinflussen gewesen, dass es ihr, Emerentia, manchmal schon fast peinlich war, die Dummheit dieses Wesens auszunutzen.
Und das alles war nur möglich gewesen, weil ein heruntergekommener Beschwörer vor einem halben Jahr sein Testament ausgerechnet bei ihr hatte beglaubigen lassen wollen. In den angeblich wertvollen Patenten, die der verblödete Zausel seinen Neffen und Nichten unter dem Vorbehalt, dass sie ihm ein ehrbares Begräbnis spendierten und seine Leiche nicht nur einfach auf den Ankh warfen, vermacht hatte, war auch eines, das detailliert die Verbindung eines niederen Dämons in einen ledernen Gegenstand beschrieb - wertvolle Grundlagenforschung hatte das dieser Idiot genannt. Sie hatte den alten Narren eine ganze Ochsenhaut verzaubern lassen, wobei sie sicher sein konnte, dass er die erhaltenen Summe schnurstraks zur Vernichtung seiner angeschlagenen Leber aufwenden würde. Die aus diesem Leder gefertigten Halsbänder erwiesen sich als Grundstock für die angeblich sein Jahren existierende Firma
Entwurmelich & Co - feine Akzessoahrs, deren feine Adresse in
Des-Königs-Daunen die dumme Hündin von Florentina hatte glauben lassen, das Geschäft gebe es dort schon länger. Als ob in guten Gegenden nicht auch einmal die Geschäfte ihren Inhaber wechseln könnten. Die Zwergin schnaubte missbilligend.
Das beste an dem ganzen Geschäft war, dass der vermeintliche Geschäftsführer ein arbeitsloser Schauspieler war, dem die Anwältin hatte suggerieren können, dass ein reicher Spekulant lediglich die Grundstückspreise habe hochtreiben wollen und dazu einen funktionierenden, erlesenen Laden gebraucht habe, den er für kurze Zeit und gegen gediegenes Honorar, übernehmen sollte. Dass er mit drei Kumpels versucht hatte, die meisten beweglichen Dinge vor Ende des Engagements zu stehlen (und deswegen nachts in den Laden eingestiegen war - allerdings mit seinem Schlüssel) sorgte im Gegenzug dafür, dass er ganz sicher über diese Episode in seinem Mimenleben den Mund halten würde. Was für ein gerissenes Mittel, Florentina in den Besitz der Halsbänder zu bringen und deren Plan, sich am Flankenschwarzclan zu rächen gegen sie zu verwenden.
Am größten aber war ihre Vorfreude, dass sie nicht nur ihre Mutter sondern auch sich selbst würde rächen können. Fast zärtlich strich sie sich über ihren stattlichen Bart und tätschelte die juwelenverzierte Tasche in ihrer Seite, in der sie ihre traditionelle Schmuckaxt trug. Mochte Sargfeger noch so sehr glauben, dass sie dieses Doppelspiel in der Tempelaffaire einzig und allein des - nicht unbeträchtlichen - Gewinns wegen spielten. Wenn die Sache vorbei war, würde an dessen guten Namen nicht einmal mehr der gutmütigste Idiot oder seine eigenen Mutter glauben. Dank geschickter Unterschriftenaufteilung und Terminabsprachen hatte sie es unauffällig und im Hintergrund so gedeichselt, dass - wenn dieses ganze Pulverfass in spätestens zwei Tagen in die Luft flog - sie, Maître Emerenzia Zwiebel, lediglich in Grundstücksfragen für einige Zwergenfamilie tätig geworden war - fast so, wie der Drudak'ak
[9], der sie vor Ankh-Morpork einmal gewesen war. Und der Hauptschurke, der würde Sargfeger heißen. Und niemand würde sich dann lange über seinen 'Selbstmord' wundern. Dann wäre sie - sozusagen - des Sargfegers Sargnagel gewesen.
Wenn er sie vor fünf Jahren, als sie als Teilhaber in die Firma eingetreten und bald darauf dem dunklen Charme des Vampirs verfallen war, zu seine wahren Partnerin gemacht hätte, dann wäre alles, alles anders gekommen. Aber so hatte er sie nur, als sie ihm das entsprechende Angebot machte, amüsiert angeschaut und kichernd
"Hoho, Kleinvieh macht auch Mist" gegrölt - angesichts der Tatsache, dass Vampire ihre menschliche Beute auch als "Vieh" zu bezeichnen pflegten, eine Frechheit ohne Gleichen. Noch heute stieg in der Zwergin maßlose Wut hoch, wenn sie an diese Demütigung dachte.
Stattdessen hatte er sich diesen schwachbrüstigen Flitterbruder von Halbelfen an Land gezogen, der letztendlich seiner eigenen Naschsucht erlegen war. Niemand hatte ihn
gezwungen, sich regelmäßig und heimlich an den Pralinees in ihrem Büro stehen hatte zu vergreifen. Doch instinktiv hatte sie ihn gewähren lassen, denn vielleicht konnte sich dieses Laster eines Tages gegen ihn verwenden lassen. Und wie recht sie doch behalten hatte. Die anderen vergifteten Exemplare, die mit in der Schale gelegen hatten, damit das Ganze nicht zum Spiel des Zufalls werden konnte, hatte sie fein säuberlich in Sargfegers Büro in der Hängeregistratur, in die er alles mögliche zu stopfen pflegte, untergebracht. Nun hieß es, ruhig dem sich entfaltenden Geschehen zuzusehen und nur im Notfall behutsam aus dem Hintergrund zu agieren. Sie strich zufrieden ihre Robe glatt, als es an ihrer Bürotür klopfte und Fräulein Rüberundrunter zwei Wächterinnen ankündigte.
Innerlich grinsend erhob sich die Zwergin. Nun, dies war eine brillante Gelegenheit, das Netz um Sargfeger noch ein wenig fester zu ziehen und Florentina deutlicher in der Schusslinie zu postieren.
Verbindlich lächelnd schritt sie auf die beiden Vampirinnen zu. "Meine Damen, es geht vermutlich noch einmal um den armen Maître Mohnblüte - nicht wahr? Schade, dass mein Kollege nicht da ist, aber vielleicht kann ich Ihnen ja helfen."
21.03.2009 17: 55Sebulon, Sohn des Samax
"
Ich sage dir, das ist alles schon viel zu weit gegangen!", knurrte der Eine gedämpft.
"
Und ich sage dir, dass mir das unglaublich egal ist!", fauchte der Andere. "
Wir haben die jetzt da drinnen und eigentlich ist das auch ganz gut. Mehr Geiseln bedeutet mehr Freiheit für uns."
"
Und ich sage dir, dass eine Rückversicherung gereicht hätte! Jetzt haben wir vier!", keifte der Erste.
"
Du hast noch nie viel vom Denken verstanden, also überlass das bitte wenigstens dieses eine Mal mir!"
"
Das könnte dir so passen!"
"
Ja, könnte es!"
>
Können die das nicht woanders besprechen?<, dachte Sebulon und stöhnte. Ein Schmerz durchzuckte seinen Kopf - doch als er den Arm heben wollte, um zu fühlen, was ihn gestochen hatte, bemerkte er, dass ihm die Hände buchstäblich gebunden waren. Daraufhin beschloss er, die Augen zu öffnen und stellte fest, dass sie bereits geöffnet waren. Sie waren ihm mit einem Tuch verbunden worden. Ein loses Gefühl in seiner Bauchgegend ließ ihn ahnen, dass er seinen Gürtel nicht mehr trug.
Vor der Tür diskutierten die beiden Geiselnehmer noch immer.
"
Und ich sage dir, wir können sie nicht leben lassen!"
"
Ist das alles, was dir einfällt, wenn es Probleme gibt? Töten? Toller Plan!"
"
Danke."
"
Das war Ironie, du Vollpfosten!"
"
Keine Sorge, das hab ich schon bemerkt. Bin ja nicht dumm."
"
Ach. Letzte Woche hast du so sehr nachgedacht, dass dir alles weh getan hat."
"
Ja und? Rechnen war noch nie meine Stärke!"
"
Du solltest doch nur zwei Zahlen zusammenzählen!"
Der Zwerg stöhnte vor Schmerz am (und im) Kopf auf.
"Öh, Mmumom?"
Sebulon schmunzelte. Sein Freund schaffte es tatsächlich, auch mit geknebeltem Mund noch seine Unsicherheit annehmbar zu zeigen.
"Mhm." machte Sebulon und nickte. "Alles klar, Braggasch?"
[10]"Mhm.", kam es zurück.
"Wo sind wir?"
"Was?"
"Wo. Sind. Wir. Eingesperrt?"
"Oh, äh, ich schätze, wir sind im Tempel drin."
"Was?"
"Im. Äh. Tempel. Denkich."
"Mhm", machte Sebulon und dachte angestrengt nach. Dann rückte er in die Richtung, wo er Braggasch vermutete. Er stieß gegen eine Kiste.
"Mmmm.", machte eine leise, hohe Stimme vorwurfsvoll.
"Äh, was war das?", fragte Braggasch.
"Eine. Kiste.", sagte Sebulon betont deutlich. "Jemand. Drin?"
"Mhm.", machte die dritte Stimme. "Mhm" machte auch eine vierte.
"Jetzt wird mir das unübersichtlich.", brummte Sebulon.
"Äh, was?", fragte Braggasch.
"Nichts.", sagte Sebulon. "Wer. Seid. Ihr?"
Undeutlich kam je eine Antwort von den beiden Stimmen.
>
Tiara und Rachnar.<, dachte Sebulon. >
Das nenne ich Glück im Unglück. Jetzt müssen wir nur noch lebend hier raus.<
"Braggasch?", fragte Sebulon.
"Äh, ja?"
Sebulon rückte ein Stück weiter und hatte das Gefühl, dass er mindestens zehn Meter zurücklegte, bevor er endlich an seinen schreckhaften Freund stieß. Er atmete auf und murmelte: "Rücken. An. Rücken." Pause. "Knebel. Öffnen."
Umständlich rückten die beiden Zwerge sich zurecht und die schlanken Finger seines Freundes begannen sich an seinen Knebeln zu schaffen zu machen.
"Wenn Harry wüsste, dass er mit uns so etwas hätte üben sollen.", murmelte Sebulon.
"Äh, was?"
"Nichts."
"
... und darum sage ich dir, dass wir zwei erledigen sollten; die anderen beiden reichen.", drang es durch die Tür.
"
Und wie sollen wir das anstellen? In Ankh-Morpork lockt doch jeder Mord sofort einen Werwolf an. Die riechen Blut, schon vergessen?"
"
Wir werfen sie in den Ankh. Wer da noch etwas riecht, der ist nicht normal."
"
Wir sprechen von Werwölfen, Dummkopf! Die sind nicht normal, nach unseren Maßstäben!"
>
Kann man über diese beiden Typen auch sagen.<, dachte Sebulon. Laut brachte er hinter dem Knebel hervor: "Geht's?"
"Äh, gleich."
"Was?"
"Ah-ha."
Ein umwerfendes Gefühl der Freiheit umspülte die Handgelenke von Sebulon und er entknotete sich in Windeseile Augenbinde und Knebel. Dann sah er sich im Raum um. Wenig Platz, stellte er fest. Wie hatte er nur das Gefühl von zehn Metern haben können, wenn der Raum nicht größer als fünf im Quadrat war? Und wo, bei allen Göttern, war seine Axt? Ohne sie fühlte er sich nackt und leer.
Er entschied sich dafür, Braggasch den Knoten zu lösen. Seine Finger glitten rauh über den Knoten und versuchten ihn mit Kraft zu lockern. Es war nicht mehr viel Zeit, bis die beiden Idioten sich darauf geeinigt haben würden, dass zwei Geiseln besser als vier waren. Er konnte nur hoffen, dass er rechtzeitig ...
"
Also gut, ich bleib hier und du kümmerst dich um die beiden.", gab der eine Geiselnehmer resigniert klein bei.
>
Verdammt.<
24.03.2009 21: 40Ophelia Ziegenberger
Ophelia hielt inne. Sie blickte noch einmal auf die kurze Klackermitteilung aus Überwald, die ihr soeben als Antwort hereingereicht worden war. Es hatte eindeutig Vorteile, auf Rogis Empfehlungen zurückgreifen zu dürfen, wenn es um solcherlei Informationen ging. Sie bezweifelte, dass es ohne den Segen der Igorina möglich gewesen wäre, überhaupt den nötigen Kontakt zu den dort ansässigen Igors aufzubauen.
Sie hielt den Zettel ruhig zwischen den Händen.
Die Kanzlei war ohne Frage in diese Geschichte verwickelt. Nun wussten sie, dass die Zwergin das stärkste Motiv dazu haben musste, den Werwölfen schaden zu wollen.
Emerenzia Zwiebels Mutter war vor fast zehn Jahren bei einem Werwolfangriff schwer verwundet worden. Wenn man den kurzen Worten des Igors vertrauen durfte, dann hatte es aufgrund irgendwelcher Verhüttungsstreitfragen in der Gegend dort ein wahres Gemetzel zwischen den Alteingesessenen gegeben und Emerenzias Mutter hatte aufgrund der Schwere ihrer Wunden nie wieder das Erdreich betreten dürfen. Die nässenden und eiternden Stellen mussten täglich der Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden, um überhaupt erträglich zu bleiben. Die alte Dame war daran zerbrochen und schwachsinnig geworden. Ihre Tochter hatte die einflussreiche Position in der Zwergengemeinschaft aufgegeben und war mit nach oben gezogen, um die Mutter unter Anleitung des Igors zu pflegen. Letztendlich jedoch, vor etwa sechs Jahren, war die Alte gestorben und hatte Emerenzia als ausgestoßene Waise zurück gelassen. Und diese war nach Ankh-Morpork gezogen, um Anwältin zu werden. Eine Tätigkeit, die ihrem vorherigen Aufgabenbereich sehr ähnelte.
Ophelia nahm das zweite Blatt hoch, welches sie vor einer halben Stunde per Boten der Anwaltsgilde erreicht hatte.
Diese schrieben in vielen umständlichen Floskeln, kamen dann aber zu dem einfachen Schluss: "Unser oben genanntes Gildenmitglied hat sich, seit seiner gemeinsamen Niederlassung mit dem Kollegen Sargfeger vor fünf Jahren, in verschiedenen Fällen einen Namen gemacht. Frau Zwiebel ist eine überaus zielstrebige Anwältin, deren Hartnäckigkeit und Schläue beinahe sprichwörtlich anzusehen sind."
Sie verglich die beiden Schreiben noch einmal miteinander.
Der Werwolf-Clan, dem die Verwundung der Verstorbenen zugeschrieben werden konnte, lautete auf den Namen Schwarzborst. Irgendetwas daran ließ ihre Sinne alarmiert aufhorchen. Wo hatte sie diesen Namen nur schon einmal gehört? Der Zusammenhang zum Fall war so eindeutig, dass es schon weh tat, nicht darauf zu kommen!
Sie begann hektisch durch die verschiedenen Unterlagen zu blättern, die ihren Schreibtisch inzwischen bis an dessen Ränder ausfüllten und zu hohen Stapeln zusammenzuwachsen schienen. Die Suche nahm einige Zeit in Anspruch aber schließlich stieß sie auf den Bericht des Pathologen, den er im Anschluss an das heimliche Informantentreffen im Dampfbad der Schimmerstraße eingereicht hatte; an diesem Bericht heftete inzwischen eine kleine Notiz. Die krakelige Schrift war kaum zu identifizieren. Sie waren alle schon viel zu lange auf den Beinen und die Informationen hatten sich in den wenigen Tagen angesammelt, wie Schimmel auf alten Nahrungsmitteln. Schnell und klammheimlich war ihr Schreibtisch mit Papier zugewuchert, so dass es kaum noch möglich war, die Quellen der teilweise nur flüchtig gekennzeichneten Notizen, Schreiben, Klackernachrichten und Berichte zuzuordnen. Vermutlich war es Minas Schrift?
Schwarzborst! Die Schrift so vor Augen fiel ihr auch wieder ein, dass sie diese Informationen bereits irgendwann einmal überflogen hatte. Dabei handelte es sich um den einst feindlichen Clan, dem Florentina entstammte!
Die Notiz auf dem kleinen Zettel bestand aus einer Vor- und einer Rückseite. Dort stand in einer Anmerkung zur Anmerkung der kurz gefasste Hinweis: "Schwarzborst-Clan vorigen Monat bei magischem Unfall nahe des Anwesens ausgerottet".
Florentina hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren vormaligen Verwandten gehabt, soweit sich dieses Bild aus den Akten ablesen ließ. Wusste die Werwölfin überhaupt, dass sie die einzige Überlebende dieses Geschlechts war? Und darüber hinaus: War es für sie von Bedeutung, davon zu wissen?
Ophelia blickte unsicher auf die Notizen und die beiden letzten Schreiben.
Für die ehrgeizige Anwältin wäre es auf jeden Fall von Bedeutung gewesen! Und es sah der Zwergin nicht ähnlich, solch ein Zusammentreffen von bedeutungsvollen Einzelheiten als Zufall hinzunehmen und keine eigenen Arrangements zu treffen, die das alles berücksichtigt hätten. Im Gegenteil!
Wenn die Wache doch bloß eindeutige und stichhaltige Beweise gehabt hätte!
Aber das hier war genau der winzige Fakt, der die Brücke zwischen verschiedensten ihrer Informationen darstellte. Wenn die Anwältin sowohl mit der Entführung der Werkinder, als auch mit dem Vertrieb der Halsbänder, den finanziell sehr lohnenden Aktionen der Kanzlei rund um den Tempelbau, dem ermordeten Halbelfen und obendrein auch noch mit der dringend verdächtigen Werwölfin in Zusammenhang gebracht werden konnte, dann verbarg sich irgendwo in dieser Information und in der Person der zwergischen Anwältin der Schlüssel dazu, den Fall zu lösen.
Die Wahrscheinlichkeit stieg rasant dafür, dass sowohl Florentina, als auch Emerenzia die Hauptschuldigen waren. Natürlich hing der Anwalt Sargfeger ebenfalls mit drin, denn der Ermordete hatte ihn mit bei dem konspirativen Gespräch mit dem Verkäufer der Entwurmelich & Co. beobachtet.
Nur konnte das sein? Eine Kooperation der beiden Frauen schien, wenn man deren Hintergründe berücksichtigte, so gut wie ausgeschlossen.
Aber vielleicht wusste nicht jeder der Involvierten alles über den jeweils anderen und dessen Motive?
Vielleicht wusste die Wache tatsächlich einmal mehr, als die Verdächtigen?
Und vielleicht konnte die Wache diesen Wissensvorsprung halten und die beiden verbliebenen Kinder retten?
Die junge Frau stand entschlossen auf und machte sich humpelnd auf dem Weg zum Klacker.
Sie dürften die geistig vermutlich etwas minderbemittelten Handlanger mit deren absurder Forderung bezüglich der Wacheermittlungen natürlich nicht außer Acht lassen. Diese Männer waren gefährlich genug, um nicht zu sagen momentan für die Kinder vermutlich die größte Gefahr. Sie würde deswegen schnellstmöglich mit dem Oberleutnant reden müssen. Dessen Idee, den Tempel durch einige S.E.A.L.s unter genauere Beobachtung zu nehmen entwickelte eine ganz neue Bedeutung.
Aber deswegen konnten sie es mitnichten riskieren, die Hintermänner, beziehungsweise wohl eher -Frauen, davonkommen zu lassen!
Sie würde persönlich dafür sorgen, dass die Informationen die beiden Vampir-Kolleginnen, die soeben im Begriff standen, die Kanzlei aufzusuchen, noch rechtzeitig erreichten.
S.E.A.L.sDer SEALS-Wächter hielt das Phantombild noch einmal in die Höhe, so demonstrativ, als würde er einen Verbrecher mit der Zeichnung vergleichen und es würde sich nur um Sekunden handeln können, ehe eine Verhaftung ausgesprochen werden müsse.
Was der Wahrheit ziemlich nahe kam.
"Also ich weiß ja nicht. Meinst Du wirklich, die Ähnlichkeit wäre eingebildet? Guck doch nur mal auf die Nase! So etwas kann man doch beim besten Willen nicht überschminken." Bei seinen Worten deutete Kannichgut Zwiebel mit dem Finger zwischen dem Bild und dem ziemlich nervös dreinblickenden Angeklagten hin und her.
Sein Kollege blickte scheinbar gelangweilt auf einen Teil seiner blank polierten Rüstung hinab und pustete ein Staubflöckchen fort. Ihn interessierte es offenbar nicht, wen er zu verhaften gedächte, wenn er nur den Streifendienst schnellstmöglich hinter sich hätte und ins Wachhaus zurück könnte. Es gab einfach Tage, an denen er sich fragte, warum er sich für all den Abschaum auf den Straßen entschieden hatte.
Kannichgut ignorierte William, so sehr war er in sein Studium des doppelt vorhandenen Profils vertieft. Und ob es Absicht war oder nicht, der in die Ecke gedrängte Straßenschauspieler rang mit sich. Seine Stimme klang flehentlich.
"Bitte! Ich kann mir den Gildenbeitrag wirklich nicht leisten, sonst hätte ich diesen Monat natürlich bezahlt. Ihr seid doch freundliche Herren, nicht wahr? Kann ich Euch denn nicht einen Gefallen tun? Eine Hand wäscht die andere, nicht wahr? Es gibt bestimmt etwas, mit dem ich mich erkenntlich zeigen könnte! Nur bitte, zeigt mich nicht bei der Gilde an, hohe Herren!"
Kannich wollte an dem Punkt ihrer Unterhaltung eigentlich einen bedeutungsvollen Blick mit dem Verkehrsexperten an seiner Seite austauschen. Aber sein Anteil daran ging ins Leere. So seufzte er nur resigniert, was aber auch ganz gut in seine Rolle passte.
Der Straßendarsteller interpretierte das Luftausstoßen als die Reaktion auf eine angenommene Beleidigung und bemühte umso schneller, den Worten Beweise folgen zu lassen.
"Wartet! Nicht! Ich weiß! Ich kann Euch was erzählen, von dem ich weiß. Und da seid Ihr ganz bestimmt noch nicht drauf gekommen, obwohl ich drauf schwören könnte, dass Ihr daran tüftelt." Der dürre Blonde riss theatralisch die Glubschaugen auf, wodurch er noch mehr dem Bild des lang gezogenen Frosches glich, welches von einem Butler in der Nähe von Des Königs Daunen beschrieben wurde, als das Aussehen desjenigen, der sich als Inhaber eines ganz gewissen Geschäfts ausgegeben hatte. Er senkte die Stimme, so dass sie sich wirklich etwas anstrengen mussten, um ihn in all dem Verkehrslärm hören zu können, und sah sich verschwörerisch um, bevor er raunte: "Ihr ermittelt doch derzeit in diesem Fall mit dem Werwolfsclan, mit den verschwundenen Kindern, richtig?"
Beide Wächter runzelten missmutig die Stirn und der größere von beiden ließ sich zu der Frage herab: "Woher willst Du das wissen?"
Der Unlizenszierte grinste fassungslos.
"Halloho? Erstens mal war das die einzige Rolle in der letzten Zeit, die ich überhaupt hatte und von der das da herrühren könnte", er deutete auf die Bleistiftzeichung, "Und zum anderen: Lest Ihr jemals Zeitung?" Er überging seine etwas freche Antwort schnell, indem er anfügte: "Jedenfalls sagt mir der Name was. Erst vor drei Wochen etwa hat sich ein Kollege von mir mit einer Flankenschwarz getroffen und später freudestrahlend damit angegeben, dass er die Rolle seines Lebens gespielt hätte. Die Werwölfin hatte ihn als Strohmann engagiert, weil sie sich nicht die Blöße geben wollte, mit ihrer etwas peinlichen Bitte selber an die Assassinen heranzutreten. Bernhard wurde zwar abgelehnt bei den Edlen, hat den Auftrag halt auch nicht durch bekommen und viel verdient hat er daran auch nicht. Aber er hatte sich immer schon gewünscht, einmal vor den Edlen auftreten zu dürfen. Jedenfalls hatte diese Frau ihn eigentlich zu Verschwiegenheit verdonnert. Mir hat er das alles zwar trotzdem erzählt aber letztlich hat es ihm nichts genutzt. Die Flankenschwarz hat den Auftrag scheinbar selber erledigt, dazu hatte er jedenfalls nichts weiter erzählt. Und die Gilde hat ihn letztendlich umgenietet, weil sie ihn für den Hintermann hielten. Hatte seine Rolle wohl zu gut gespielt." Er lächelte die betroffen schweigenden Wächter scheu an. "Hilft Euch das weiter?"
Kannichgut Zwiebel überließ es seinem größerem Kollegen, die Handschellen zu zücken.
"Hey, was soll das denn? Ich hab Euch doch grad geholfen und jetzt das?"
William antwortete fast gut gelaunt: "Wo eine Information ist, gibt es bestimmt noch mehr davon."
MenélaosHimbeer- und Zitronenduft mischten sich in ständigem Wechsel mit diversen anderen, kaum definierbaren Emotionsnoten, als der ehemalige Kondi-Chemiker auffällig unauffällig Ausschau hielt. Er hatte den fremden Wachposten, der ihn von einem der umliegenden Dächer aus heimlich bei seiner heimlichen Beobachtung des erwarteten heimlichen Boten beobachtete, längst erspäht. Und das schien ihm irgendwie falsch zu sein. Die Entführer mussten wirklich dämlich sein, wenn sie dachten, die Wache könne ihre brutal untermalten Forderungen nach Zurückhaltung einfach so hinnehmen. Er würde nur den Jungen abwarten, dem man vermutlich einen Taler in die Hand gedrückt hatte, um nach dem Rechten zu sehen und Bericht zu erstatten, dann konnte er zu Zuckerli gehen und sich um den alten Herrn kümmern. Immerhin hatte es, seit sie das Gerücht aufgebaut hatten, der alte Meister wäre beim letzten Anschlag umgekommen und sie würden nur noch seine Leiche aufbewahren, keine neuen Anschläge mehr auf diesen gegeben.
Menélaos atmete tief durch. Normalerweise hätte ihm diese Aufgabe schon zugesagt. Aber die einsame Wacht im unangenehm kühlen Morgengrauen ließ ihm viel zu viel Zeit, um die Gedanken selbständige Wege gehen zu lassen. Und er konnte einfach nicht das Bild der zierlichen R.U.M.-lerin aus seinem Kopf bannen, wie sie klein und blass um Fassung rang. Sie war so tapfer, so fleißig, ließ sich von den Schmerzen und Einschränkungen, die ein frisch verarztetes Bein mit sich brachten, nicht davon abhalten, weiter mit ihnen an diesem Fall zu arbeiten. Bestimmt hätte auch sie längst nach Hause gehen und sich einen Feierabend gönnen müssen. Wo sie wohl wohnen mochte? In der Wache jedenfalls, wie so viele der Rekruten es taten, war sie nicht untergebracht, das wäre ihm aufgefallen.
Er ließ seinen Blick schweifen und hob den Kopf dabei absichtlich etwas zu weit über die Dachumrandung hinaus.
Sie saß genau jetzt, in diesem Moment, etwas tiefer in dem Gebäude des Wachhauses. Vermutlich fiel ihr wieder eine dieser rot leuchtenden Strähnen ins Gesicht, während sie sich über die Akten beugte.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite huschte ein schäbig gekleidetes Kind mit nackten Füßen vorüber, blieb kurz stehen, spähte mit bohrendem Blick zu den rostigen Näpfen vor dem Eingang und rannte dann fort.
Menélaos wartete noch kurz in seinem unzureichenden Versteck und verließ das Dach dann scheinbar in Eile.
Nach einigen Sekunden des Wartens, in denen er die Taube aus dem bereit stehenden Käfig nahm und die Nachricht schrieb, in welche Richtung das Mädchen unterwegs war, zusammen mit einer Beschreibung von dessen Äußerem, öffnete er nochmals die Tür und schickte die Taube schwungvoll an den wartenden Posten in der Nebenstraße ab. Der Beobachtungsposten konnte diesen Platz von dem seinen aus nicht einsehen und würde die Taube nicht bemerken, selbst wenn er so lange gewartet hätte.
Die auf Gerüche konditionierte Taube torkelte erst einmal aus seiner Nähe, bevor sie mit kräftigem Anlauf, in beinahe selbstmörderischer Flucht über die Dachkante stürzte und aus seiner Sicht verschwand.
Sein Teil war erfüllt. Nun würde er sich um seinen ehemaligen Meister kümmern.
Der Hühne wandte sich ohne einen weiteren Blick vom beginnenden Sonnenaufgang ab, während das warme, rotgoldene Leuchten ihn schon wieder an ganz andere Dinge denken ließ.
Tut' Wee"Na warte!" Die Gnumie funkelte mit den Edelsteinaugen und wappnete sich für den letzten Versuch. Das wäre doch gelacht gewesen, wenn er es als Okkultismusexperte nicht auch ohne die Hilfe der Möchtegern-Okkulti Harmonie fertig gebracht hätte, einen dämlichen Dämon zu beschwören. Und er wollte ihn ja zu Beginn nicht gleich beherrschen. Er wollte ihn nur etwas fragen. Vielleicht auch etwas mehr. Jedenfalls war er sich inzwischen sicher, dass an die Halsbänder eine der niederen Kreaturen des Pandämoniums gekoppelt worden waren. Und wenn dem so war, dann wäre er ja wohl regelrecht prädestiniert dafür, diese sich manifestieren zu lassen. Die zig gescheiterten Versuche kratzten ungemein an seinem Ego. Aber er wäre niemals dazu bereit, seine Abneigung gegen Geschriebenes nur hierfür zu überwinden und das Buch mit den Formeln für seine Zwecke aus Laizas Beständen zu entwenden. Es musste so gehen!
Er schüttelte seine umwickelten Ärmchen aus, als wenn sie noch zum Empfinden eines waschechten Muskelkaters imstande gewesen wären. Alte Gewohnheiten ließen sich immer so schlecht unterbinden.
Dann murmelte er los.
Die Formel endete.
Ob er sie dieses Mal richtig intoniert hatte, würde sich gleich zeigen.
Sein Warten wurde durch ein leises Plopp-Geräusch belohnt und er rieb sich die Hände.
Ein gebeugter, alter Dämon, etwa in gleicher Größe wie er selber, deutete eine leichte Verneigung an und wartete dann mit trotzigem Blick hinter grauen Zottelsträhnen hervor seelenruhig darauf, dass man ihn ansprechen möge.
"Wer sagt' s denn!" Die Gnumie nickte triumphierend. "Sehr schön! Dann wollen wir auch keine Zeit vergeuden, sondern gleich mal mit der Fragestunde beginnen: Wie lautet dein Name?"
Der rothäutige Greis wackelte bedächtig mit den spitzen Ohren und räusperte sich, ehe er mit wohlmodulierter Stimme antwortete. "Mein Name lautet Schallmeienbub-Hans der Dritte von Pfortenhausen."
Tut rollte mit den Rubinaugen, was aber nicht wirklich auffiel.
"Schön, schön. Nächste Frage: Was ist deine derzeitige Aufgabe? Worauf bist Du eingeschworen worden?"
"Ich bin auf die Haut eines bestimmten Ochsen eingeschworen. Und meine Aufgabe im Zusammenhang damit besteht darin, jeden Träger eines daraus gefertigten Gegenstandes mit meinen Möglichkeiten zu unterstützen. Der stärkste aller Teilnehmer hat dabei das Sagen. Wobei das aber auch noch von anderen Aspekten abhängt."
Die Gnumie runzelte die Stirn.
"Wart mal! Du weißt aber schon, was Du erst vor wenigen Stunden für eine Sauerei angerichtet hast? Das geht ja wohl kaum als Unterstützung durch?"
Der spitzohrige Wicht grinste böse.
"Du meinst den Werwolf, der hinter Euch her war?"
"Das kannst Du doch gar nicht wissen, ob er das war?"
Der Alte geckerte fies.
"Und ob ich das kann. Ich kann immerhin Gedanken lesen. Sonst könnte ich schließlich nicht wissen, was man von mir zu tun erwartet. Und glaub mir, er war hinter Euch her, auch wenn er seine Meinung gerade ändern wollte. Und das stellte genau den Grund dafür dar, dass ich meinen Befehlen entsprechend eingreifen musste."
Die Nachfrage kam prompt.
"Von wem erhältst Du deine Befehle?"
Der Dämon legte den dürren Kopf mit dem strähnigen Haar schief.
"Ich weiß nicht, ob Dich das was angeht?"
"Nun hab Dich nicht so!"
Der Alte schien nur kurz zu überlegen. Dann ließ er sich darauf ein.
"Nun gut, eigentlich war ich im Besitz der Zwergin. Aber diese gab mich an die Werwölfin weiter, an Florentina, den ungnädigen kindischen Friedenspfand, der in seiner Selbstsucht nie erwachsen wird. Nicht eben eine angenehme Aufgabe, ihre Gedanken zu lesen, das kann ich Dir sagen. Aber ich schweife ab, zumal solche Informationen auch wirklich niemanden etwas angehen. Du hattest gefragt, wer mir meine Anweisungen gibt. Sie tut das. Sie ist bei weitem nicht die stärkste Herrin, der ich bisher dienen durfte. Aber sie macht ihre Sache ganz gut. Obwohl ich ja vermute, dass sie die Sache mit den Blutlinien, wie sie mir eingebläut wurden, noch nicht begriffen hat. Aber das soll nicht mein Problem sein.
Tut war etwas verwirrt.
"Aber Du hast den Wolf umgebracht. Oder?"
Zufriedenes Kichern war Antwort genug. "Man tut, was man kann, um den Herren zu Diensten zu sein. Und Florentinas Anweisungen waren klar genug zu lesen gewesen. Verräter an ihrer Sache sind umzubringen und Malko hatte sich bei Eurem Treffen plötzlich für diesen kurzen Lebensweg entschieden. Was blieb mir da anderes übrig?" Er zuckte grinsend mit den schmächtigen Schultern.
Tut' Wee überlegte kurz, bevor er sicherheitshalber noch einmal nachfragte.
"Du unterstützt theoretisch jeden, der solch ein Halsband trägt, wenn er nur stark genug wäre, Dir Anweisungen geben zu dürfen?"
Schallmeienbub-Hans starrte ihn grinsend an.
Die Gnumie verwarf ihren Gedanken, nahm aber den Faden zum gleich darauf folgenden Gedanken schnell auf.
"Warte! Heißt das, dass Malko die Wirkung hätte umkehren und nicht nur sein eigenes Leben retten, sondern womöglich Florentina hätte umbringen können, wenn er das nur deutlich genug gedacht hätte?"
Die Haut des schrumpligen Dämons färbte sich tiefrot vor Vergnügen.
"Nein, hätte er nicht. Malko war zwar durchaus stark genug dafür, was das angeht, hätte er Florentina sicher überflügelt. Aber die verwöhnte Göre ist immerhin von ihrer Blutlinie her eine Höhergeborene als er es war. Wenn nicht die Sache mit dem Friedenspfand gewesen wäre... Durch ihre Adern fließt edles Blut, auch wenn ihr Charakter noch so niederträchtig ist. Um mich beherrschen zu können, muss schon beides zusammentreffen."
Der Wächter nickte in Gedanken versunken. Seine letzte Frage kam dann auch relativ langsam und verzögert. Die Antwort darauf interessierte ihn aber umso mehr.
"Weiß Florentina davon? Also dass sie nicht automatisch für immer und unter allen Umständen deine Alleinherrscherin sein muss?"
Der spindeldürre Greis grinste nun regelrecht bösartig hinter dem strähnigen, grauen Vorhang seiner Haare hervor.
"Sagen wir es mal so... Sie hat die Halsbänder nur mit den nötigsten Bedienungshinweisen ausgehändigt bekommen. Sie benutzt mich und es hat bisher alles zu ihrer Zufriedenheit funktioniert. Und sie hat nie genauer nachgefragt."
Mina und BredaVerbindlich lächelnd schritt die kleine Anwältin auf sie zu, strich sich kurz über den stattlichen Bart und reichte ihnen dann jeweils etwas zu gut gelaunt die Hand.
"Meine Damen, es geht vermutlich noch einmal um den armen Maitre Mohnblüte - nicht wahr? Schade, dass mein Kollege nicht da ist aber vielleicht kann ich Ihnen ja helfen."
Breda bedachte ihre Kollegin mit einem flüchtigen Blick und diese nickte ihr gedanklich zu.
Sie wollte nicht wissen, wie viel es Ophelia gekostet haben mochte, und so wie Breda diese kannte hätte sie drauf schwören können, dass die stellvertretende Abteilungsleiterin diese Kosten zur Not aus eigener Tasche zahlen würde, ihnen das Billet vom nächstgelegenen Klacker aus per Eilboten zukommen zu lassen. Aber es war gut gewesen, dass der Inhalt der Worte sie vor dem Betreten der Kanzlei erreicht hatte.
Sie ignorierte die dargebotene Hand ebenso wie das falsche Lächeln.
"Emerenzia Zwiebel, nehme ich an?"
Die Zwergin nickte kurz und deutete ihnen dann an, ihr doch bitte ins Büro zu folgen und dort vor dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Sie selber setzte sich umständlich dahinter, um den geschwungenen Stiel ihrer Schmuckaxt nicht an dem Möbel zu zerkratzen.
"Wie kann ich der Wache beistehen?"
Mina holte stillschweigend einen Notizblock hervor und begann vernehmlich kratzend in die Stille hinein zu schreiben.
Breda ließ der Anwältin einige Sekunden Zeit, diesen Vorgang mit gemischten Gefühlen zu beobachten, bevor sie aufs Geradewohl, scheinbar unzusammenhängend, Fragen stellte, stets darauf bedacht, nach einem Widerspruch in den Antworten Ausschau zu halten.
"Frau Zwiebel, Du bist in dieser Kanzlei unter anderem als Vertreterin in Immoblienfragen aufgetreten, speziell in der letzten Zeit für den Tempelneubau?"
"Das ist nur teilweise richtig. Ich bin in Immobilienfragen zwar grundsätzlich der richtige Ansprechpartner in dieser Kanzlei. Mit den entsprechenden Verhandlungen und Geschäftsabschlüssen zum Tempelneubau, zumindest wenn Ihr den größeren zugunsten der Gottheit Uhu-Ra meint, bei dem die Tage jetzt die Einweihungsfeierlichkeiten anstehen, ist allerdings mein werter Kollege Sargfeger betraut."
"Und Du hast überhaupt nichts mit dem Neubau und seinen Formalitäten zu tun?"
Die Zwergin lächelte unverbindlich.
"Nun ja, es gab einige Gespräche mit befreundeten Geschäftspartnern, in denen wir uns in unserer Freizeit über dieses Projekt unterhielten. Aber ich habe keine offizielle Rechtsberatung dazu durchgeführt. Ich kann also leider keinen Klienten nennen, für den ich in diesem Projekt tätig gewesen wäre. Es war nur festzustellen, dass mein Kollege nicht nur im Interesse einiger begüterter Kunden tätig war, sondern dass er durchaus auch gegen die Interessen einiger anderer potentieller Auftraggeber wirkte. Aber so ist es im Grunde ja immer. Des einen Freud ist des anderen Leid, nicht wahr? Man kann es nie allen recht machen und gerade in einer so bedeutungsvollen Sache ist es dann nicht verwunderlich, wenn sozusagen auch die andere Seite zu Worte kommen möchte. Immerhin geht es bei Uhu-Ras Offenbarungen um etwas mehr, als nur den Silberabbau. Ganz abgesehen von den Grundstückspreisen in Ankh-Morpork." Sie hätte ihnen fast zugezwinkert, wie es den Anschein machte. "Selbst wenn diese andere Seite nicht bereit ist, für eine anständige Beratung auch einen angemessenen Preis zu zahlen. Bei aller Liebe aber wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns auf so etwas einließen? Das könnte ich nicht mit meiner Berufsehre vereinbaren."
"Soll das heißen, dass Du auch mit der anderen Seite, also mit Personen Gespräche geführt hast, die gegen das Projekt waren?"
Die Zwergin wich dem Blick gekonnt aus, so dass die Reaktion etwas zu künstlich wirkte. Ihre Stimme wurde zurückhaltender, als sie antwortete.
"Es gab einige Besucher für Herrn Sargfeger, die nicht auf dessen Klientenliste standen. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, gänzlich irgendwelchen Vorurteilen stattzugeben. Das überlasse ich anderen. Aber es handelte sich bei ihnen eindeutig größtenteils um Werwölfe."
Breda zog gekonnt eine schmale Braue in die Höhe.
"Möchtest Du damit andeuten, Frau Zwiebel, dass es Werwölfe gab, die einen Groll gegen die Kanzlei hegten?"
Die Zwergin hob beschwichtigend die Hände.
"Bewahre! Wir sind eine multikulturell sehr aufgeschlossene Kanzlei. Ich meine, das sieht man doch schon allein daran, dass wir in professioneller Kooperation einen Vampir, einen Zwerg und einen Elfen beschäftigten. Und solange der Kunde pünktlich zahlt, kann es seinem Anwalt doch egal sein, welcher Bevölkerungsgruppe dieser angehört, sage ich mir immer."
"Ist das so?"
Die Zwergin lächelte wieder durch den Bart. Das Lächeln gefror ihr jedoch unvermittelt auf den Lippen, als sie die nächste Frage hörte.
"Du hast also kein Problem mit Werwölfen, Frau Zwiebel?"
Breda konnte spüren, wie ihr Gegenüber sich einen Ruck geben musste, um möglichst ungezwungen zu antworten.
"Ich bin immer sehr gut mit unseren Klienten zurecht gekommen."
"Aha, zurecht gekommen. Mehr nicht?"
Emerenzia Zwiebel runzelte die Stirn.
"Möchtest Du mir irgendetwas unterstellen? Es ist kein Verbrechen die Interessen der Kunden zu vertreten. Ich habe eine gültige Lizenz und Ihr könnt gerne Auskünfte über die Gilde einholen. Ich habe mir nie irgendetwas zu Schulden kommen lassen."
Mina murmelte halblaut, so dass es geradeso noch vernehmlich war: "Nichts Nachweisbares."
Scheinbar entrüstet kreuzte die kleine Frau ihre Arme vor der Brust und funkelte sie böse an.
"Gut", fauchte sie, "nur um meinen guten Willen zur Zusammenarbeit mit der Wache zu demonstrieren werde ich eine Ausnahme von der Regel machen und etwas tun, was ansonsten ausgeschlossen wäre. Ich verrate Euch, dass beispielsweise diese Florentina Flankenschwarz ebenfalls zu den Besuchern meines Kollegen zählte. Soweit ich informiert bin, wollte sie sich nur nach dem Datum der anstehenden Tempeleinweihung erkundigen und uns mitteilen, dass sie gegen die Aktionen im Zusammenhang damit wäre. Wie Ihr seht, habe ich keine Geheimnisse vor der Wache. Auch wenn ich nicht weiß, was das bringen soll."
Breda lehnte sich genüsslich zurück.
"Dabei war es natürlich völlig nebensächlich, dass Florentina ursprünglich nicht Flankenschwarz hieß, sondern eine gebürtige Schwarzborst ist, nicht wahr?"
Die Anwältin gefror mitten in der Bewegung eines Atemzugs zu Stein. Ihr Blick irrlichterte zwischen ihnen und sie versuchte ganz offensichtlich einzuschätzen, wie viel sie schon über ihre Vergangenheit wissen mochten. Wenn sie alles gänzlich leugnete und die Wächterinnen mehr beweisen konnten, würde man sie auch in allen anderen Punkten der Lüge überführen wollen. Es dauerte einige Sekunden, bevor sie durch ihre zusammengebissenen Lippen presste: "Das wusste ich nicht. Ich habe diese Frau vorher noch nie gesehen."
"Du hast sie davor vielleicht noch nie gesehen. Aber danach öfter."
Die Reaktion klang nicht so selbstsicher, wie angedacht und es fehlte ihr an einer eindeutigen Antwort.
"Das ist eine haltlose Behauptung!"
Die Vampirin wusste sich auf dem richtigen Weg.
"Ist es das? Dann ist es wohl auch nur eine unserer üblichen Behauptungen, dass dein nachtaktiver Kollege und Du, ihr beide, beim Pläneschmieden mit dem Verkäufer der Halsbänder beobachtet wurdet?"
"Allerdings!"
Die Wächterin beobachtete gelassen, wie Emerenzias Gesicht deren beginnende Unsicherheit widerspiegelte, als sie konterte: "Weißt Du was? Das ist es nicht. Das ist keine unserer üblichen Behauptungen, da es vielmehr eine waschechte Zeugenaussage ist."
"Mohnblüte war immer ein Wichtigtuer, der sich in den Mittelpunkt stellen wollte und nie damit zurecht gekommen ist, nur das dritte Rad am Wagen zu sein! Er hätte alles behauptet, was ihm mehr Aufmerksamkeit eingebracht hätte, als sein albern glitzernder Flitterkram an den Kleidern."
Breda wandte sich schmunzelnd an Mina und ignorierte dabei bewusst die Zwergin, die inzwischen hektische rote Flecken auf den Wangen bekam.
"Sage mal, hast Du das auch eben gehört? Ich habe nichts davon gesagt, dass dieser Elf unser Zeuge war oder dass er von dieser reizenden kleinen Anekdote erzählt hätte, oder?"
Mina nickte fies grinsend, was ihre spitzen Eckzähne hervortreten ließ.
"Kommt schon!", rief die Anwältin aufgeregt dazwischen, "wer hätte es denn auch groß anderes sein sollen? Das konnte man sich doch an zehn Fingern zusammenreimen! Ich will für niemanden die Hand ins Feuer legen! Aber ich selber, ich bin unschuldig. Ich habe nichts, rein überhaupt gar nichts mit all den Unklarheiten zu tun! Ihr braucht gar nicht denken, dass mir nicht auch merkwürdige Sachen aufgefallen sind. Aber das kann doch auch Zufall sein! Man rennt doch nicht gleich zur Wache, weil einem irgendwas komisch vorkommt!"
"Was denn zum Beispiel?" Breda wedelte nonchalant mit der Hand, um zum Vorbringen einiger belastender Einzelheiten aufzufordern.
Da es nun zu spät für einen Rückzieher war, stotterte die Bärtige: "Ähm, also beispielsweise, dass wir Besuch von dieser Florentina bekamen, bei der Kinder entführt wurden oder dass Mohnblüte so unerwartet stirbt, gerade wenn die Wache ihn befragt."
Sie blickte theatralisch auf, als wenn ihr erst in diesem Moment ein fataler Gedanke gekommen wäre.
"Oh, meine Güte! Vielleicht steckte er dahinter? So jemand Ruchloses in unserer Kanzlei? Und sein Komplize hat ihn dann ermordet, damit er nichts mehr verraten kann, falls die Wache ihn noch einmal befragen sollte."
Von der Tür her erklang unvermittelt eine männliche Stimme und ließ die beiden Wächterinnen auf ihren Stühlen herumfahren.
Dort stand ein schlanker Mann in maßgeschneiderter Abendgarderobe und hielt in der einen Hand eine aufgeklappte kleine Porzellandose mit Schokoladenpralinees. Obwohl er beinahe ungerührt aussah, kündete der beherrschte Tonfall seiner Stimme vorn Ärger.
"Vermutlich kommst Du mit deiner Vermutung der Wahrheit verdammt nahe, Emerenzia."
Breda konnte nichts anderes tun, als den Vampir fassungslos anzustarren. Und das lag nicht daran, dass er hinreißend aussah. Nein, darüber hinaus ähnelte er verblüffend ihrem verstorbenen Ex. All die Erinnerungen an dessen brutal ermordeten Leichnam neben ihr, kamen mit einem Schlag an die Oberfläche ihrer Gedanken gesprungen und hielten sie in dem Moment gefangen.
Von der Seite her spürte sie den fragenden Blick der Kollegin, konnte aber auch darauf nicht reagieren. Sie schluckte trocken.
Mina erhob sich und nickte dem Neuankömmling zu, was in Breda den Reflex auslöste, es dieser nachzutun. Vielleicht würde der Vampir ihre Reaktion so gar nicht bemerken? Sie bemühte sich krampfhaft darum, sich wieder zu fassen.
Mina sprang geistesgegenwärtig für sie ein und übernahm das Gespräch derweil.
"Herr Sargfeger?"
Der schwarz gewandete Anwalt deutete einen eleganten Diener an, ebenso wie einen galanten Handkuss. Als er diese Begrüßung bei Breda wiederholte, hielt diese unnötigerweise die Luft an.
Sargfeger wandte sich mit einem anklagenden Blick an seine Kollegin, die in der gleichen Sekunde theatralisch erbleichend aufsprang und sich mit weit aufgerissenen Augen die Hand vor den Mund hielt. Sie kam ihm in dem zuvor, was auch immer er soeben sagen wollte.
"Nein", hauchte sie ahnungsschwanger, "Erich! Willst Du damit etwa andeuten, dass Du mit diesem Glitzer-Elf unter einer Decke gesteckt hast und sogar in all die schrecklichen Ereignisse verwickelt bist? Nicht Du, das kannst Du der Kanzlei nicht antun!"
Die Vorstellung der Zwergin war derart schlecht, dass Breda sich geringschätzig verarscht vorkam. Ihr daraus resultierender Ärger half ungemein, wieder zu sich selbst zurück zu finden. Am liebsten hätte sie sich jetzt mit der Intrigantin angelegt und dieser ordentlich die Meinung gesagt. Dachte die denn, sie könnte einen Wächter mit so billiger Masche in die Irre führen? Für wie beschränkt hielt sie sie denn? Andererseits jedoch war dezente Zurückhaltung jetzt vielleicht das sinnvollste.
Sie blickte heimlich zu dem Vampir.
Der Kerl war auch mit allen Wassern gewaschen und es wäre gewiss interessant, seine Reaktion abzuwarten.
Mina schien ihr darin zuzustimmen, denn ohne ein Wort zu wechseln, traten sie beide jeweils dezent einen halben Schritt zurück und aus der verbalen Schusslinie der Kontrahenten.
Erich Sargfeger zog unheilvoll die kräftigen Brauen zusammen und schritt wütend auf den Schreibtisch zu, so dass er die beiden Wächterinnen unbeachtet hinter sich stehen ließ.
"Du falsche Schlange! Ich habe viel zu lange gebraucht, um deinen heimtückischen Plan zu durchschauen und jetzt willst Du das alles mir in die Schuhe schieben?" Er stellte das feine Döschen unsanft mit einem lauten Krachen auf dem Tisch zwischen ihnen ab. "Was sollte das hier werden? Du musst doch ganz genau wissen, dass mir Gift nichts anhaben kann."
Breda betrachtete neugierig die Schokolade und etwas in ihrem Kopf machte klick.
Emerenzia hielt sich die Hand nun statt vor den Mund, vor den Bauch, als wenn ein unsichtbares Geschoss sie dort schmerzhaft getroffen hätte.
"Wovon redest Du? Warst Du zu lange an der Sonne, Erich? Du bist ja ganz wirr."
Mina hatte aufgrund ihrer Recherchearbeiten und dem Zusammenstellen und Ergänzen der Fallnotizen einen noch genaueren Überblick zu den Vorkommnissen und unzähligen Details. Der Autopsiebericht musste ihr sogar einige Sekunden schneller in den Sinn gekommen sein, denn kaum hatte der Vampir mit seiner Anklage das zerbrechliche Gefäß auf dem Möbel abgestellt, als diese auch schon mit zurückhaltendem Murmeln und einem über ihre Hand vorgezogenen Ärmel danach griff. Vorsichtig klappte sie es zu und nahm es so an sich, dass sie keine Fingerabdrücke daran hinterlassen würde.
Weder der aufgebrachte Mann, noch die Zwergin bekamen viel vom Konfiszieren des Beweisstücks mit. Sie redeten sich in Rage und Breda konnte nur hoffen, dass sie darin noch weiter gehen würden. Viel weiter!
Der Vampir lachte bitter auf und selbst dabei wirkte er ungewollt charmant.
"Ich bin nicht wirr. Der einzige, der hier krank ist, bist Du! Krank vor Eifersucht und Neid! Gib es doch zu! Du bist ganz zerfressen von deiner Besessenheit, von der Gier danach, für immer an meiner Seite zu sein, selbst wenn ich Dich nicht dort haben wollte!"
Die Gildenspezialistin rollte innerlich mit den Augen. Noch so einer! Sobald ein Mann mal etwas besser aussah, als der Durchschnitt, bekam er einen Größenkoller.
Andererseits... die Zwergin hatte das erste Mal, seit sie die Kanzlei betreten hatten, die Maske abgelegt und zeigte ihnen unfreiwillig ihr wahres Ich. Und dieses blickte in einer merkwürdig grotesken Mischung aus Hass und der verzehrenden Bereitschaft sehnsüchtiger Selbstaufgabe drein. Irgendwie schienen gleich mehrere Puzzleteile an die richtigen Stellen zu rücken.
Breda brauchte keine weiteren Beweise. Jetzt war der richtige Moment und alles andere würde sich automatisch fügen. Sie könnten die beiden in eine einzige Zelle stecken und einfach mitschreiben oder sie könnten sie getrennt befragen, und die Vorwürfe und Beweise gegeneinander abwägen. Es würde keinen Unterschied mehr machen. Diese beiden waren bereit, sich gegenseitig ins Verderben zu ziehen. Und sie wussten genug über den jeweils anderen, um dieses Vorhaben durchzuführen.
Sie trat vor und zog ihre Handschellen aus der Uniform.
"Emerenzia Zwiebel, im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork verhafte ich Dich wegen des dringenden Tatverdachts der Mittäterschaft zu Entführung; mindestens zweifachem Mord und Aufwieglertum."
Die Schellen klickten um die breiten Handgelenke, noch ehe die überraschte Zwergin etwas erwidern konnte.
Der Vampir wollte soeben in schadenfrohes Gelächter ausbrechen, als von anderer Seite her auch seine Hände mit einem leisen Geräusch gebunden wurden.
Mina von Nachtschatten klang ähnlich emotionslos wie ihre Kollegin zuvor, als sie den Standardspruch sicherheitshalber erst nach dem Anlegen der Fesseln beim wesentlich schnelleren Gefangenen aufsagte.
"Erich Sargfeger, im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork verhafte ich Dich wegen des dringenden Tatverdachts der Mittäterschaft zu Entführung; mindestens zweifachem Mord und Aufwieglertum."
Die Zwergin fasste sich mit deutlicher Verspätung wieder und kreischte fast hysterisch los.
"Das wird ein Nachspiel haben! Ihr habt doch überhaupt keine Beweise! Nicht einen einzigen! Ich hab niemanden umgebracht! Und Mohnblütes Aussage ist keinen Pfifferling wert, der ist doch tot, wie soll der denn jetzt noch als Zeuge auftreten, der Schnüffler? Wo er es doch nicht einmal geschafft hat, sein schlechtes Gewissen durch Nachforschungen auf eigene Faust zu beruhigen!"
Breda begann sich gedankliche Notizen zu machen. Der Weg zur Wache war weit genug, um genug Material zu sammeln. Sie machte sich darum minütlich weniger Sorgen. Gab es da nicht den Brief eines angereisten Bruders des Halbelfen? Wenn sie diesen auftreiben konnten, hätte er vielleicht durchaus interessantes zu erzählen. Immerhin erzählte man sich unter Brüdern, erst recht wenn man sich lange nicht gesehen hatte, eine ganze Menge. Als nächstes würden die Kollegen von S.U.S.I. gründlich die Akten der Kanzlei durchkämmen und dabei hundertprozentig belastendes Material finden. Und es gab noch andere Zeugen, die sie derzeit zu fassen suchten. Und letztlich war es nur eine Frage der Zeit, bis diese beiden sich in übertragenem Sinne zerfleischen würden.
Mina nickte ihr zu und sie machten sich zu viert auf den langen Weg zur Wache.
PismireDie kleine Frau von R.U.M. war erst vor wenigen Minuten wieder gegangen. Er hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie sich etwas Ruhe gönnen sollte, oder nicht? Aber irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass hinter ihrem zuvorkommenden, dienstbeflissenem Äußeren doch so etwas wie trotziger Eigensinn lauerte und sie sich entgegen ihrem dankbaren Nicken wieder nicht daran halten, sondern stattdessen weiter Akten wälzen und im Wachhaus herumhinken würde.
Aber sein Problem sollte das nicht sein.
Wenigstens waren sie sich darin einig gewesen, dass es vermutlich drei verschiedene Fronten geben könnte, an denen der entscheidende Durchbruch stattfände. Romulus' Stellvertreterin hatte darauf bestanden, der von Nachtschatten und der Krulock ein Eiltelegramm zu schicken. Er selber hingegen tendierte dazu, sich gleich persönlich auf den Weg zu machen und sich diese Werwölfin vorzuknöpfen. Es würde nichts schaden, sie einzusperren, selbst wenn er dafür auf den Vorwand der Schutzhaft zurückgreifen müsste, weil sie nun von der Vergangenheit der Zwergin wussten.
Ein Rekrut kam im Eilschritt die Treppe hoch gerannt und nahm seine Instruktionen von ihm entgegen. Jede Nachricht, den Tempel, die Eingreiftruppe dort, die Kanzlei oder das Clananwesen betreffend würde augenblicklich an die kleine Ziegenberger weiter geleitet werden.
Pismire blinzelte der Morgensonne entgegen und für einen kurzen Augenblick dachte er an sein früheres Leben und die unendlichen Weiten des Teppichs zurück. Er atmete tief durch und machte sich auf den Weg zum Tresen, um sich noch zwei oder drei Rekruten zu schnappen. Wenn man ihnen genau sagte, wen sie festhalten sollten, konnten sie sich wenigstens etwas nützlich machen. Vermutlich wäre es sinnvoll mindestens einen mitzunehmen, der selber Werwolf war? Oder einen untoten? Er würde ja gleich sehen, was es derzeit im Angebot gab.
Braggasch und SebulonZum Nachdenken blieb Sebulon keine Zeit mehr und so machte er das einzig ihm Mögliche, wenn man bedachte, dass der Raum kein Versteck bot. Er wartete auf die Sekunde, in der die Tür sich mit unvorsichtigem Schwung öffnete und rammte dem großen Eindringling mit Anlauf seinen Kopf in die Magengegend.
Der blonde Mensch hatte ganz offensichtlich nicht mit diesem Angriff aus dem Dunkel des winzigen Raumes gerechnet. Seine Augen quollen ihm beinahe aus dem Gesicht und er gab, während er in Zeitlupe auf die Kniescheiben klappte, ein würgendes Geräusch von sich. Welches abrupt endete, als der Zwerg ihm im Vorbeigehen eine kräftige Handkante ins Genick fallen ließ.
"Rudolf! Was...?"
Sebulon wollte den Ãœberraschungsmoment gleich einer Dampframme nutzen und auch den Bruder des Niedergestreckten mit seinem Schwung mitnehmen, als ihn die direkte Ansicht einer Bolzenspitze stoppte.
So dumm die beiden Brüder auch sein mochten, sie hatten wenigstens daran gedacht, den vor dem Raum Wartenden zu bewaffnen.
Der muskelbepackte Kerl blickte ihn finster an und seine Augen konnten es durchaus mit dem ausgerichteten Kaliber aufnehmen. Er behielt den Püschologen im Blick und rief nach seinem Bruder.
"Rudolf? Sag was, verdammt!" Er blickte den Zwerg an. "Hast Du ihn etwa umgebracht, Du Wurm?"
Ein lang gezogenes Stöhnen des Blonden beruhigte ihn offenbar etwas, stimmte ihn aber keinesfalls gnädiger.
"Egal, das rettet Dich eh' nicht mehr." Und mit einem süffisant zufriedenen Gesichtausdruck drückte er ab.
"Nein! Nicht!"
Sebulons Gehirn schien den entscheidenden Schritt einfach auszusetzen, so dass er nur registrierte, wie die zitternde Spitze des viel zu nahen Bolzens sich zum Flug aus ihrem hölzernen Bett löste und dann von einer gnädigen Wand aus fließendem Silber verdeckt wurde.
So rücksichtsvoll und schonend war der Tod also? Er hätte irgendwie etwas wesentlich Unangenehmeres erwartet.
Die Wand sank mit einem schmerzhaften Stöhnen und Sebulons Blick folgte ihr verwirrt.
Eine wunderschöne Frau in silber gewirkter Tunika lag zu seinen Füßen und blickte mit flatternden Lidern zu ihm auf. Genau mittig ihrer makellos bleichen Stirn prangte ein roter Kreis, der sich zusehends mit frischem Blut füllte und dann überlief. Die zarte Hand, die sie nach ihm ausgestreckt hatte, fiel schwach auf ihren Körper und der Blick brach.
Der Zwerg sah zu dem mindestens ebenso geschockten Schützen auf, gerade in dem Moment, in dem diesen ein Bolzen ins Bein traf.
Etwas in Sebulon sagte ihm mit eindringlichem Ernst, dass es möglicherweise sinnvoll gewesen wäre, bei einem so rapide ansteigenden Aufkommen an frei fliegenden Bolzen Deckung zu suchen. Etwas anderes in ihm dagegen sank auf die Knie, um der wunderschönen Unbekannten im Tod die Ehre zu erweisen.
Sie hatte sich absichtlich vor ihn gestellt. Sie hatte ihm das Leben gerettet! Und er kannte sie nicht einmal! Wo kam sie her? Wer war sie gewesen?
Vor und hinter ihm liefen plötzlich unbekannte Kollegen von F.R.O.G. herum, die sich schnell mit solchen von S.E.A.L.s mischten.
Kurz darauf legte ihm Braggasch mit einem verlegenen "Äh... danke! Wegen dem Umrennen des großen Kerls und so." die Hand auf die Schulter.
Und dann bekam er mit einem Ohr mit, wie hinter ihm die Käfige aufgebrochen und die beiden Werwolfkinder befreit wurden.
Die blonde Abteilungsleiterin der S.E.A.L.s redete ununterbrochen auf die Befreiten ein und verarztete wohl das Mädchen, dem die Verbrecher den verschickten Finger abgehackt hatten.
Und immer noch sah die schöne Tote nur ihn an.
"Sebu? Lass uns zur Wache zurückgehen, ja?"
Der Püschologe murmelte leise zur Antwort: "Wer war sie?"
Die Stimme des Kollegen klang weit entfernt, als er antwortete.
"Äh, soweit einer der F.R.O.G.s mir das erklärt hat, äh, war sie wohl die neue... äh, Prophetin des Uhu-Ra. Sie hat wohl heute die erste Nacht im Tempel übernachtet. Um die Zeremonien einzuleiten. Dabei muss sie uns wohl, ähm, gehört haben. Und die Typen hatten noch nicht damit gerechnet, dass irgendwer, äh, hier wäre. Also noch jemand außer uns."
Sebulon fühlte sich wie in einem Alptraum gefangen.
"Warum hat sie das... warum ist sie eingeschritten?"
Braggasch zuckte merklich neben ihm mit den Schultern und schwieg, bevor er meinte: "Soweit man das weiß, hat sie sich immer sehr für Zwerge eingesetzt? Sie sah in deinem Volk so etwas wie die wahren Gläubigen. Ähm, also, das ist zwar ein wenig unangenehm, aber sie soll wohl auch mal so was gesagt haben wie, dass Zwerge die Gesegneten und... ähm... Auserwählten des Schutzes Uhu-Ras seien."
Irgendwer zog ein dünnes Tuch über den zierlichen Leichnam und Sebulon blinzelte, mit einem unbarmherzigen Schlag wieder in der Realität zurück geschleudert.
Tod stand geduldig abwartend bereit.
Die vergeistigte Prophetin sah mit einem Blick voller Zuneigung auf den trauernden Zwerg hinab, der sich nicht von der Seite ihres Körpers zu lösen können schien.
"Und ich hatte Recht damit, nicht wahr?"
Der Schnitter neigte in einer nichts sagenden Geste den Kopf. Dann holte er mit der Sense aus und entband die flüchtige Wesenheit von ihren irdischen Fesseln.
ES WIRD ZEIT, JEMIMA ZIMMERMANNSTOCHTER!
"Ja", sagte sie mit einem letzten Blick zurück. "Schade, dass ich meine Aufgabe nicht erfüllen konnte. Nun wird die Tempeleinweihung zugunsten meines Gottes nicht stattfinden und all die Mühen werden nicht Frucht tragen."
Sie folgte dem Tod, wobei ihre Umrisse bereits verblassten.
"Aber vielleicht wird jemand anderer meine Aufgabe irgendwann fortführen?"
NUR WENIGES IST UNMÖGLICH.
Der breite Pfad vor ihnen glänzte strahlend klar in flüssigem Silber, über welches sie dem hellen Nichts in einvernehmlichem Schweigen entgegen wandelten, wie ein zufriedenes altes Pärchen.
RachnarSein gemarterter Körper war längst über das Stadium hinaus, in dem er noch Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten oder Stärken von Schmerz gemacht hätte, die man ihm zugefügt hatte. Die wenigen vergangenen Tage hatten einen mit Leichen und zerfetzten Idealen gefüllten Kriegsgraben quer durch seine Seele gezogen und das unschuldige Kind in ihm endgültig zu Grabe getragen. Rachnar war bereit dafür, zu töten. Sollten sie ihn unbedacht in die Nähe eines der Schuldigen lassen und diese nicht durch Gitter von ihm trennen, so würde er diesen die Taten an Marie und Tiara hundertfach vergelten. Er hätte keine Eile damit. Nichts würde ihn aufhalten und seine Rache würde unter allen Umständen überdauern.
Er hatte seinen Arm beschützend um Tiara gelegt und strich ihr immer wieder mitfühlend und zärtlich über das Handgelenk mit dem geschundenen Fingerstummel. Sie lehnte sich Beistand suchend gegen ihn und ließ ihn mit traumatisiertem Blick gewähren, während die Menschenfrau den Verband anlegte. Tiara sah fast entrückt zu ihm auf und er strich ihr beruhigend über das blutverkrustete Haar. Er schwor sich, dass sie niemals wieder von irgendwem verletzt werden würde, solange er lebte!
Ein Gedanke schoss ihm glasklar durch den Sinn: Florentina! Sie hatte den Clan verraten und würde als erstes sterben. Florentina würde durch seinen Willen zu Tode kommen, so oder so, da gab es keinen Zweifel. Sie hatte zu büßen und verdiente ein unwürdiges und schmerzvolles Ende!
Auf dem Anwesen des Flankenschwarz-ClansRasputin behielt seine Kampfhaltung bei. Nicht nur aus einem vorsichtigen Instinkt der Selbstverteidigung heraus, sondern durchaus auch aus dem Willen, die junge Frau vor ihm anzugreifen. Er war immerhin der Rudelsführer und das nicht ohne Grund! Der Schmerz über Mariechens Verlust und die Ungewissheit zu den beiden anderen Kindern trieb ihm bittere Galle hoch. Er hätte sie so gerne in der Luft zerrissen, ihr für ihren Verrat das Innere nach außen gekehrt. Aber er musste sich unter allen Umständen beherrschen. Zumindest so lange, bis sie ihm das Versteck der Kinder verriet.
"Du hattest nicht mit einem dermaßen unprofessionellen Eingreifen der Wache gerechnet, Florentina, nicht wahr? Sie hätten nicht in das Anwesen einbrechen und ein Loch in die hintere Treppe brechen dürfen. Die Sachen in dem unterirdischen Zeitkeller ließen nur einen Schluss zu, erst recht, da ich ganz sicher wusste, nur Dir allein von diesem Ort erzählt zu haben!"
Die Werwölfin streckte sich in herausfordernder Geste und bleckte ihr noch humanoides Gebiss.
"Du alter Narr! Und was willst Du nun dagegen machen? Du hast mein Leben zerstört und ebenso werde ich deines vernichten. Und stell Dir vor: Das ist so einfach! Einfach zwei verwöhnten Nichtsnutzen die Kehle durchschneiden und Du wirst niemals wieder ein Rudel führen oder Freude empfinden können. So schwach bist Du, völlig abhängig von Zuneigung und diesem überflüssigen Quatsch."
Der alte Leitwolf benötigte seine gesamte Selbstbeherrschung, um nicht zum alles entscheidenden Sprung anzusetzen und sich, noch während sie ihn verhöhnte, zu wandeln. Nein, er musste an die Kinder denken! Jedes Wort von ihr konnte sich unbeabsichtigt zu seinen Gunsten auswirken. Er bezweifelte das allerdings, erst recht beim Anblick ihres verachtenden Blickes.
"Du bist durch all die Gefühle für deinen ach so geliebten Clan derart mit Blindheit geschlagen, dass Du ja auch niemals nur auf die Idee gekommen bist, ich könnte etwas anderes gemacht haben, als an der Seite deiner Gemahlin mit ihr gegen den schleichenden Verfall anzukämpfen, nicht wahr?"
Ihr böses Kichern drehte ihm den Magen um. Konnte es wirklich stimmen und sie schon an all dem schmerzlichen Unglück vor so langer Zeit schuld sein, wie sie es andeutete? Oder saugte sie sich diese ungeheuerlichen Ideen lediglich aus den Fingern, um ihn zu quälen? Der Gedanke verursachte ihm Übelkeit.
Florentina lachte höhnisch.
Und brach mitten in ihrem Hohn in unkontrolliertes Röcheln aus.
Rasputin beobachtete sie unsicher, jeden Muskel im Körper aufs Äußerste angespannt.
Die dunkelhaarige Frau griff sich entsetzt an den Hals und begann an dem dort befindlichen Halsband zu zerren. Sie würgte und schien kaum Luft zu bekommen. Ihre Augen quollen ihr beinahe aus dem Kopf, der schlagartig rot anlief und ihre Zunge begann, ihr anschwellend aus dem keuchenden Mund zu hängen. Das bis dahin unscheinbar wirkende Lederband, das Erkennungsmerkmal des Flankenschwarz-Clans, welches Florentina selbst eingeführt und zum Zeichen ihres angeblich unverbrüchlichen Vertrauens und ihrer vermeintlichen Treue auch nach den Entführungen weiter getragen hatte, schnürte sich mit scharfkantiger Gewalt langsam und unbarmherzig durch ihre Haut und die dicht darunter verlaufenden Schlagadern.
Rasputin verstand zwar nicht, was vor sich ging, doch er reagierte entgegen seinem Wunsch. Er musste ihr helfen! Wenn die Verräterin jetzt starb, wie sollte er da die beiden Kinder jemals finden und befreien können?
Er rannte an ihre Seite und begann ebenfalls, mit all seinen werwölfischen Kräften an dem Band zu ziehen. Ihm schien es nichts zu tun, die Stellen jedoch, an denen es durch seinen Zug stärker an Florentinas Hals gepresst wurde, trennten sich unter einem unsichtbaren Messer nur umso schneller.
Wenige Sekunden später hielt er ihren abgetrennten Kopf in der Hand, den leblosen Körper neben sich.
"Wie es scheint, kommen wir zu spät und doch gerade noch rechtzeitig um zu bezeugen, dass Du keine Schuld daran hast, Herr."
Der Rudelsführer drehte sich ohne jegliche Hoffnung um und erblickte in der Tür den Wächter, mit dem er sich erst wenige Stunden zuvor heimlich getroffen und seine Sorge bezüglich der Adoptivtochter geteilt hatte. Wie zum Beweis hielt er ihren Kopf hoch.
"Du hattest Recht, Wächter. Sie war nicht vertrauenswürdig."
Der alte Mann mit der merkwürdigen Ausstrahlung nickte gelassen, während der Vampir neben ihm nur gebannt auf die Leiche starrte.
"Ähm, Rekrut Wicht?"
Der Vampir blinzelte kaum.
Der Oberleutnant klopfte ihm kräftig auf die Schulter, so dass er zusammenzuckte.
"Geh mal eben nach dem Rekruten von Dort gucken, ja? Nicht, dass er die halbe Außenwand des Hauses mit unappetitlichen Dingen streicht."
Sie blieben allein in dem geräumigen Zimmer des weitläufigen Stadtanwesens und der alte Werwolf ließ die Hand erschöpft sinken.
"Wie bist Du überhaupt unbemerkt herein gekommen, Wächter?"
"Genauso wie mein Mitarbeiter vor einigen Tagen, nur andersrum. Durch das Loch in deinem Keller. Wir hatten vorsorglich eine Strickleiter dabei. Was mich zu einer reinen Neugier bedingten Frage führt: Kann es sein, dass ihr damals ebenfalls jemanden geköpft und deswegen keinen Eindringling im Haus gerochen habt?"
Rasputin rang sich zu einem schiefen Lächeln durch.
"Es gab Unstimmigkeiten, Diskussionen wegen der entführten Kinder an diesem Tag, die Gefühle schlugen hohe Wellen und alle waren agressiv. Ein Rangkampf ist unter solchen Umständen zwar keine feine Art aber eine sehr wahrscheinliche Reaktion. Dabei ist wirklich etwas Blut geflossen, das war aber nichts Ernstes."
Der alte Mann nickte.
Hinter ihm stürmte ein junger Mensch mit langem braunem Haar in den Raum. Er war im Gesicht noch leicht grünlich und mied bewusst den Blick zum Rudelsführer und der frischen Leiche. Diensteifrig drückte er dem Ranghöheren eine kleine geöffnete Kapsel und einen Zettel in die Hand. Hinter den beiden Wächtern betrat wieder der Vampir den Raum, gelassen die apathische Taube in seinen kühlen Händen streichelnd.
Der Mann mit dem dünnen, grauen Zopf blickte von den wenigen Zeilen auf und Rasputin sah das erste Mal so etwas wie Zufriedenheit in den undeutbaren Augen.
"Du hast Glück. Die Kollegen haben die Kinder gefunden und befreit. Sie sind, soweit möglich, wohlauf. Möchtest Du mit mir kommen und nach ihnen sehen?"
PathologieAuf dem blank gescheuerten Tisch lag die furchtbar zugerichtete Leiche einer Ledermacherin. Die Obduktion hatte gewaltsame Fremdeinwirkung ergeben, wobei im Untersuchungsbericht als vermutliche Todesursache 'Unfall' vermerkt worden war. Ein Zusammenhang zu der Affäre Flankenschwarz konnte niemals nachgewiesen werden. Was kein Wunder war, da es keinen solchen gab. Der Verdacht wurde dann auch schnell fallen gelassen. War die junge Frau tatsächlich Opfer ihrer Neugier geworden und hatte den Schutzmechanismus einer Falle ausgelöst, der ihr zum tödlichen Verhängnis wurde? Wenn ja, wo war sie auf diese Falle gestoßen? An ihrem ehemaligen Arbeitsplatz in der Gerberei? Oder im nebenan liegenden Ladengeschäft der Ledermacherei? Hatte sie von Geheimnissen gewusst, die ihr nicht bekommen waren oder war sie völlig unwissend in ihr Verhängnis gelaufen?
Doch das war eine ganz andere Geschichte.
11.04.2009 23: 32
[1] Der Zwerg war trotz aller Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen noch immer sicher, ein Blutsauger zu sein
[2] siehe Multimission
Dea de tabulato oder Die Göttin vom Dachboden[3] s. Pratchett: "Der fünfte Elefant"
[4] s. Pratchett: "Weiberregiment"
[5] Menélaos hatte damals bei einem gewagten kondichemischen Experiment während seiner Meisterprüfung das Dach der Gilde in die Luft gejagt und wurde von der traditionellen Gilde der Bäcker und Konditoren ausgeschlossen.
[6] Menélaos hatte viel von den süßen Schränken der Konditormeister gehört. Dort behielten sie alle Meisterwerke und Köstlichkeiten, Trophäen und Urkunden, Auszeichnungen und andere wertvolle Dinge auf. Er war zugleich ein Altar und ein Tagebuch für jeden Meister dieses Handwerks und enthielt teilweise Rezepte und Erinnerungen aus mehreren Generationen.
[7] Tatsächlich
wusste Sebulon, dass sie beobachtet wurden. Nur konnte er nicht ohne weiteres sagen, welche der Personen, die sie observierten, wirklich existierten. Also nahm er einfach an, dass er es noch herausfinden würde, wenn es wichtig werden sollte.
[7a] Tatsächlich wurde sein Versuch, unbeteiligt zu wirken, von der Tatsäche behindert, dass er Melissenduft verströmte.
[9] s. Terry Pratchett:
"Der fünfte Elefant". München 2000, S. 50 - 55; bei Pratchett ist ein Drudak'ak ein traditioneller Zwerg, der in Ankh-Morpork vor allem für die Regelung rechtlicher Belange (auch Eheverträge) benötigt wird
[10] Der Einfachheit halber wird hier nicht das Gespräch im Stil von "Mllf klm, Mrmf?" wiedergegeben, sondern das, was gesagt werden sollte.
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.