Ein paar Rekruten reisen mit Ausbilder Harry in ein kleines verschlafenes Nest in der Sto-Ebene, um dort in einem Gasthaus ein Thiembildungs-Seminar zu absolvieren. Als einer der anderen Gäste vor ihren Augen ermordet wird, sehen sie das als eine viel bessere Chance an, sich zu beweisen - auch wenn ihr Ausbilder und der Dorfbüttel alles andere als begeistert davon sind.
Harry
Zum Frühstück gab es kalten Toast, lauwarmen Kaffee und warmen Saft. Zwar waren sich Sebulon und Braggasch, die beiden Zwerge der Gruppe, sicher, dass es in der Küche Ratten geben musste, aber Harry hatte ihnen nachdrücklich verboten, den Koch zu fragen, ob sie sich bedienen dürften. So kam es, dass jetzt keiner von ihnen wirklich glücklich aussah.
Harry saß auf dem Frühstückstisch, hielt ein knapp einen Quadratzentimeter großes Stück Toast in der Hand und betrachtete die Rekruten, die mit ihm auf diese Reise geschickt worden waren. Kommandeur Breguyar war ein Buch in die Hände gefallen, in dem Worte wie "Thiembildung" und "Gemeinschaftsgefühl" vorkamen, und spontan hatte er sich in den Kopf gesetzt, dass das genau das richtige für die aktuelle Rekruten-Generation sein würde. Und da Harry, als der Kommandeur den Ausbildern diesen Vorschlag gemacht hatte, gerade in einen Tagtraum versunken aus dem Fenster geschaut hatte, war er derjenige gewesen, der sich per Mehrheitsbeschluss freiwillig melden musste.
Deshalb befand er sich jetzt mit sieben Rekruten in Kuhnacken, einem kleinen Dörfchen in der Sto-Ebene. Kuhnacken bestand aus vielen Kohlfeldern, wenigen Häusern, Dutzenden streunender Katzen und einem verhältnismäßg großen Hotel, der
Bauernruh, das aufgrund der verkehrsgünstigen Lage von Kuhnacken, direkt an der Handelsstraße zwischen Ankh-Morpork und Überwald, meistens überraschend gut besucht war.
Und das trotz der miserablen Küche, dachte Harry und ließ seinen Blick über die anderen Hotelgäste schweifen. Es waren alles Reisende, und niemand außer ihnen blieb wohl länger als nur eine Nacht hier. Hier sollten die Rekruten eine Woche lang in der Abgeschiedenheit mit Hilfe von Spielen, Gruppensitzungen und Sürwaiwel-Ausflügen lernen, als Team zu arbeiten - und Harry sollte es ihnen beibringen.
Er ließ seinen Blick über die Truppe schweifen. Neben den beiden erwähnen Zwergen, die schon einige gemeinsame Gesprächsthemen gefunden hatten und sich mit großer Ausdauer über Schlösser, Werkzeuge und andere technische Dinge unterhielten, von denen der Gnom keine Ahnung hatte, waren fünf Menschen dabei: Kadwallader Janders, der in das Kreuzworträtsel der
Times vertieft war; Menélaos Schmelz, auf den Harry seit der Mehlkugel-Aktion ein besonderes Augenmerk hatte; sowie mit Wall Halllala, Peter Drobisch und Jargon Schneidgut drei Rekruten seiner Kollegen, mit denen er bisher noch nichts zu tun gehabt hatte. Mit ihrer bunt gemischten Zivilkleidung - schließlich war dies nicht Ankh-Morpork, hier waren sie nur Besucher und keine Wächter - mussten sie ein interessantes Bild abgeben.
Gestern abend waren sie hier mit der Postkutsche angekommen, und heute standen ein paar, wie er hoffte, lustige Kennenlern-Spiele auf dem Programm, die er sich vor ein paar Tagen aus einem Schulungsbuch abgeschrieben hatte. Irgendwie würde die Woche, die sie hier verbringen mussten, schon vorbei gehen.
Am Nebentisch schrie jemand auf. Acht Köpfe fuhren ruckartig herum, und die Wächter sahen, wie ein älterer Herr von seinem Stuhl sackte und blau anlief. Ein Becher Kaffee war ihm aus der Hand gefallen und der Inhalt verteilte sich in einer großen, braunen Lache auf dem schmutzigen Boden.
"Heeeektor?", kreischte die Frau neben ihm auf. "Heeeektor! Sach doch was!"
Der Mann zuckte zur Antwort und schnappte vergeblich nach Luft. Jargon Schneidgut war schon aufgesprungen und zu ihm gelaufen, aber Harry sah, dass es für den Mann wohl schon zu spät war. Seine Augen rollten in den Höhlen nach oben, und seine Bewegungen wurden langsamer. Ein paar weitere Hotelgäste liefen ihm inzwischen zur Hilfe, aber auch sie konnten nichts mehr ausrichten.
"Heeektor!" Die Frau, die bei dem Mann am Tisch gesessen hatte, kniete jetzt neben ihm und schluchzte leise.
"Sör?", zischte Menélaos, so dass es nur die Wächter hören konnten, und ein leichter Schoko-Duft ging von ihm aus.
"Ja, was ist denn?"
"Sör, der Mann ist doch eindeutig vergiftet worden! Sollten wir da nicht einschreiten?"
Harry zögerte kurz. "Wir sind hier nicht Ankh-Morpork, Rekrut. Wir haben gar nicht das Recht, hier einzuschreiten."
"Aber..."
Eine plötzliche Stille war im Raum eingetreten, das aufgeregte Gemurmel hatte aufmerksamem Lauschen Platz gemacht. Ein untersetzter Herr im Nadelstreifenanzug war im Speisesaal erschienen und räusperte sich jetzt.
"Meine Damen und Herren, ich bin Rundweg Richtig, der Manager dieses Hotels. Ich muss Sie alle bitten, das Gebäude nicht zu verlassen, bis unser Büttel gekommen ist. Ich habe bereits nach ihm schicken lassen. Außerdem möchte ich sie bitten, diesen Raum möglichst vorsichtig zu verlassen, um keine Spuren zu verwischen."
Richtig lächelte - etwas verkrampft - in die Runde und verschwand dann wieder in den hinteren Räumen des Hotels. Harry sah ihm kurz kopfschüttelnd hinterher. Den Raum verlassen, um keine Spuren zu verwischen? Das einzig sinnvolle wäre, wenn alle genau da sitzen blieben, wo sie waren - aber nun gut, ihm konnte es egal sein, nicht wahr?
Er sah zu seinen Rekruten und stand auf. "Nun, Rekruten, Kriminalfälle gibt es überall, aber dies hier ist einer, der uns - fürchte ich - nichts angeht. Also bleiben wir bei unserem Plan und gehen jetzt erst mal nach oben in den Gruppenraum, wo wir ein paar
wirklich lustige Kennenlern-Spiele spielen werden. Alles klar?"
Menélaos war während der Rede unauffällig zu der Kaffeelache am Boden getreten und hatte etwas davon mit einem Löffel in einen leeren Eierbecher gefüllt. Er hatte immer ein bisschen kondichemische Ausrüstung dabei, und vielleicht konnte er damit etwas herausfinden...
Auch den anderen Rekruten war anzusehen, dass ein Mord direkt vor ihren Augen ihnen deutlich reizvoller erschien als Kennenlernspiele, und seien sie auch noch so witzig. Nur widerwillig folgten sie dem Gnom nach oben, umgeben von den anderen Hotelgästen, die sich auf ihre Zimmer zurückzogen. Sebulon stieß Braggasch an, als er die Frau sah, die ein Stückchen neben ihnen ging. "Schau mal!", zischte er. "Eben noch hat sie sich kaum eingekriegt, und jetzt siehst sie aus, als hätte sie sich schon wieder völlig gefasst - ist doch verdächtig, oder?"
Harry seufzte. Das konnte eine anstrengende Woche werden...
27.08.2008 21: 50Sebulon, Sohn des Samax
"So, meine lieben Rekruten, da wären wir.", sagte Harry, als sie den Tagungsraum betraten.
Außer den Tischen, die zur Seite geschoben waren, um einem vertraulich wirken wollenden Stuhlkreis Platz zu machen, hatte der Raum nicht viel zu bieten. Eine Wand war zur Pinnwand umdekoriert worden, vermutlich um die Risse und Löcher in der Wand zu verdecken. Die Fenster waren nicht geputzt und ersparten einem deshalb zum größten Teil den Anblick der Kohlfelder - leider kroch der Geruch selbst durch die verschlossenen Türen und Fenster und dominierte so den Eindruck vom Raum. Um das püschologische Anliegen des Raumes
[1] zu unterstreichen, hingen an allen Wänden, die nicht mit Fensterglas oder Pinnfläche schon genug zu tragen hatten, Bilder, auf denen hässliche Tintenkleckse zu sehen waren.
"Hier hinüber, Rekruten. Setzt euch.", bedeutete Harry den Menschen und Zwergen und winkte sie näher zum Stuhlkreis.
Nacheinander setzten sich alle. Ein peinliches Schweigen trat ein.
"Wir werden uns hier kennen lernen.", sagte Harry und ließ seinen Blick in die Runde schweifen. "In der Wache muss man zusammenarbeiten können. Ihr werdet Seite an Seite kämpfen und das Recht verteidigen. Dafür ist es wichtig zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Um das in aller Deutlichkeit zu sagen: wer Befragungen anstellt und den Mörder sucht, bekommt es mit mir zu tun. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?"
"Ja, Sör!" entgegneten die Rekruten halblaut und enttäuscht.
"Fein, fein. Dann wollen wir mit dem ersten lustigen Spiel anfangen. Dafür müsst ihr euch zu zweit zusammensetzen und ihr habt zehn Minuten Zeit um alles wichtige über den anderen herauszufinden. Was sind seine Stärken, was sind seine Schwächen, ... all das. Es ist wichtig, dass ihr ehrlich seid. In zehn Minuten treffen wir uns hier wieder."
Der Gnom sah auf die Uhr und hob die Hand. Dann sagte er: "Eure Zeit beginnt ..."
"Sör?", meldete sich Kadwallader Janders.
"Ja, Kadwallader?", fragte Harry.
"Sör, wir sind eine ungerade Anzahl von Rekruten. Einer wird übrig bleiben."
"Das ist kein Problem.", brummte Harry und lächelte. "Derjenige, der übrig bleibt, darf mit mir zusammenarbeiten."
Einen Augenschlag später hatten sich durch völlig subtile Nuancenänderrungen in den Abständen der Rekruten zueinander lautlos drei Rekrutenpaare gebildet.
Kadwallader putzte sein Monokel, klemmte es sich in aller Seelenruhe ins Auge und sagte: "Es wäre mir eine Ehre, Sör."
"Na, was meinst du?", flüsterte Braggasch zu Sebulon, was eigentlich überflüssig gewesen wäre, da während der Gruppenarbeit ohnehin ein klatschianischer Lärm unvermeidbar war, der jegliche Geräusche schluckte, die leiser als ein Gong waren. Deshalb las Sebulon mehr von Braggaschs Lippen, als dass er hörte, was ihm zugeraunt wurde.
"Ich finde, das sind alles Speziisten.", brummte Sebulon. "Wollen lieber unter sich Menschen bleiben."
"Nein, das meine ich nicht. Der Mord ...", flüsterte Braggasch.
"Und, schon etwas herausgefunden?", fragte Harry, der wie aus dem Nichts auf Sebulons Schulter aufgetaucht war.
"..., und seitdem ist der Dolch in unserem Familienbesitz ... oh, hallo, Sör.", beendete Braggasch geistesgegenwärtig einen imaginären Satz. "Ich habe Sebulon gerade die Geschichte meiner Familie zu erzählen begonnen ..."
"Die Kurzfassung natürlich.", brummte Sebulon hilfsbereit.
"Mhm.", machte Harry.
"... und wollte ihn gerade fragen, was seine größte Schwäche ist.", beendete Braggasch sein Rettungsmanöver.
"Soso.", meinte Harry.
"Zwergenbrot.", meinte Sebulon.
"Interessant.", sagte der Gnom. In einem hilfsbereiten Tonfall fuhr er fort: "Wird das denn im Kreideland hergestellt, Rekrut? Ich habe gehört, dass es im Kreideland gar kein Zwergenbrot ... oh, ich habe ja eine eigene Gruppe. Entschuldigt mich." Und schon war er wieder von Sebulons Schulter verschwunden.
Zwischen zusammengebissenen Zähnen knurrte Sebulon: "Was ein Gnom nicht alles hört."
28.08.2008 3: 05Menélaos Schmelz
"Wall Halllala war dein Name, nicht wahr?"
Von Menélaos ging ein schüchterner, aber interessierter Himbeer-Schokoladenduft aus. Er musterte den einzigen Rekruten, der übrig geblieben und von da an sein Partner während der von Harry angesetzten, zehn minütigen, gegenseitigen Befragung war. Menélaos war in Gedanken nämlich schon längst bei Kaffee, Gift und Kondichemie gewesen, als sie die Gruppen bildeten.
"Ja, so heiße ich, und wie war dein Name?" Wall wirkte müde, sehr müde, wie ein Nachtwächter der tagsüber noch in einer Vorlesung über die Entstehung von Sand sitzen musste. Menélaos hatte Wall als einen Menschen kennen gelernt, der eher für sich bleiben wollte. Er hatte auf der Reise nicht viel mit ihm gesprochen, bloß ein paar Floskeln oder einen Gruß, er kannte bis zuletzt ja nicht einmal seinen Namen.
"Klatschianischer Kaffee hat eine Menge Kofäihn und eignet sich hervorragend unter Zugabe von..." murmelte Menélaos.
"Wie bitte?" Wall runzelte die Stirn.
"Ähm...nichts, ich war mit den Gedanken woanders, tut mir Leid. Ich heiße Menélaos Schmelz, angenehm."
Menélaos hasste es, wenn er seine Gedanken nicht unter Kontrolle hatte. Sie gaben sich gegenseitig die Hand und Menélaos schaute sich kurz um. Harry diskutierte mit Kadwallader, die Zwerge unterhielten sich leise und die beiden anderen Rekruten blieben auch unter sich.
"Sieh mal, das ist eine Probe von dem verschütteten Kaffee." flüsterte Menélaos.
Er hatte auf dem Weg in den Tagungsraum die Flüssigkeit aus dem Eierbecher in einen kleinen Glaskolben geschüttet, den er vorsichtig aus einer Tasche an seinem Gürtel holte. Wall gähnte und starrte gleichzeitig auf das Fläschchen und in die Leere. Menélaos konnte nicht ganz ausmachen, ob der Kerl mit offenen Augen schlief oder nachdachte.
Er seufzte und steckte das Fläschchen wieder in den Beutel. Er konnte Walls eher verhaltene Reaktion irgendwie verstehen, eine Pfütze Kaffee an sich ist nicht besonders interessant. Er musste unbedingt mehr herausfinden. Er gab sich einen Ruck.
"Na dann, erzähl mal, woher kommst du? Harry schaut schon skeptisch in unsere Richtung."
Wall "wachte auf", musterte den aufmunternd lächelnden Menélaos, streckte sich und begann einen kurzen und knappen Abriss über seine Reisen auf der Scheibenwelt und wie er nach Ankh-Morpork gekommen war. Menélaos hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen, denn in seiner Tasche wartete schließlich eine Pfütze vermeintlich vergifteter Kaffee darauf, untersucht zu werden.
"Und wie sieht's bei dir aus?"
Menélaos erzählte ihm ebenfalls kurz, knapp und detaillos von seiner Lebensgeschichte, auf die er ,weiß Zuckerli
[2], nicht besonders stolz war. Deshalb ließ er die meisten Dinge aus, verharmloste sie oder formulierte sie um.
Die Zeit verging nur langsam und Menélaos hoffte auf eine günstigere Gelegenheit, sich endlich näher mit der Probe beschäftigen zu können...
28.08.2008 17: 45Braggasch Goldwart
"Also, Zwergenbrot, hmm?", fragte Braggasch betont laut und auffällig. "Und warum würdest du Zwergenbrot als eine Schwäche von dir einstufen, Sebulon?"
"Nun, Braggasch, es fing alles an mit meiner Mutter, die-"
"Gut, ich glaube er ist abgelenkt.", unterbrach ihn Braggasch und schielte zu Harry hinüber, der sich gerade dem Redefluss seines Spielpartners entgegenstemmen musste, während er aufmerksam die Gruppe Schmelz-Halllala beobachtete, da er ziemlich sicher war dort Glas hatte aufblitzen sehen.
Zum Glück sorgten bestimmte Eigenheiten bestimmter Personen dafür, dass der Kohlgestank im Raum langsam einem angenehmeren, fruchtigen Duft wich.
Nun wurde es inmitten dieser kreischend bunten Schar tatsächlich fast gemütlich. Aber auch eben nur
fast. Der Raum selber strahlte noch immer eine Atmosphäre aus, in der selbst ein Grundschüler zu Benzinkanister und Streichholz gegriffen hätte. Vielleicht waren es auch die Geister vergangener Thiemwörk-Seminare, die ihnen durch die Dekoration zuriefen
"Lauft weg! Bringt euch in Sicherheit! Gemeinschaft ist der Tod jedes Individualisten!", jedenfalls hatte das Zimmer seinen Zweck, sich wohl zu fühlen, - wenn es denn jemals diesen Zweck gehabt haben sollte - weit verfehlt.
"Warum fragst du? Irgend eine Idee?", flüsterte Sebulon.
"Naja... Du hast ja gesagt das dir die Frau seltsam vorkam, nicht wahr? Äh... Vielleicht könnten wir... Ich meine... Ihre Zimmertür ist sicherlich nicht verriegelt... Oder zumindest nicht besonders gut."
"Einbrechen? Ziemlich harte Sache."
"Naja... Einbrechen ist es ja nur wenn man was mitnimmt...", murmelte Braggasch.
"Nein, Einbrechen ist es wenn du irgendwo hinein brichst! Also ich meine natürlich durch die Tür oder nen Fenster!"
"Ja... Ist ja gut... Und wenn wir anderweitig versuchen etwas herauszufinden? Leute fragen und so?"
Der Zwerg zuckte zusammen, als hinter ihm ein lautes Lachen zu hören war. Doch es kam nur von Jargon - und abgesehen davon das es genauso falsch klang wie ihre Unterhaltung über Zwergenbrot war es ungefährlich. Harry sprang von seinem Hocker und wanderte langsam mit auf dem Rücken gekreuzten Armen und einem Oberlehrerhaften Blick um die Stühle von Schneidgut und Drobisch herum. Der Geräuschpegel nahm hörbar ab als alle Wächter versuchten durch ihren Hinterkopf dem Gang des Vorgesetzten zu folgen.
"Äh... Äh... Also deine Kindheit war...?", stotterte Braggasch schnell.
"Ja. Ja. Sie war... Etwas...", antwortete Sebulon voll Ãœberzeugung.
"Und dein Vater war auch... Äh..."
"Nein... Eigentlich nicht..."
"Soso... Und... Äh... Geschwister?"
"Hatte ich welche... Ja..."
Der Gnom war zu seinem Platz zurückgekehrt und die Rekruten entspannten sich wieder. Braggasch wischte sich Schweiß von der Stirn.
Sebulon zog unterdessen eine Augenbraue in die Höhe und schnaufte "Du hast sicher auch schon eine Idee wie wir unauffällig Leute bespitzeln sollen, oder, Schlaumeier?"
"Äh... Ich... Äh... Nein."
Beide seufzten. Warum sich plötzlich alle Wächter wie Schulkinder benahmen, die ihrem Lehrer einen Streich spielen wollen, hätte keiner von ihnen sagen können. Vielleicht war es die Abenteuerlust, die das Herz von sieben erwachsenen Wesen höher schlagen lies. Vielleicht hätten sie ihren Vorgesetzten sogar davon überzeugen können, dass es
richtig wäre, dieser armen, unschuldigen, ungeschützten Frau wenigstens den Mörder ihres Mannes zu präsentieren. Doch das hätte schlicht und ergreifend nicht annähernd so viel Spass gemacht.
Braggasch kam daher zu dem einzig möglichen Schluss.
"Und ohne Geheimhaltung geht es nicht...", stellte er fest.
"Eben. Wenn Harry von irgendwas Wind bekommt dann hat er uns an den-"
"So Mädels, genug getuschelt, jetzt will ich was hören!", rief der Oberstabsspieß in diesem Moment.
Schnell und chaotisch rissen die jeweiligen Gespräche ab - von denen sich sicher keins um die eigentliche Aufgabe gedreht hatte - und es wurde wieder ein Stuhlkreis gebildet. Das konnte interessant werden...
"Wer möchte denn anfangen?", fragte Harry in die Runde. "Nicht alle auf einmal, jeder kommt mal dran! Na? Was ist? Kommt schon... Sonst muss ich jemanden bestimmen."
28.08.2008 20: 38Jargon Schneidgut
"Also?"
Niemand meldete sich. Es wurde verlegen zu Boden geblickt.
"Peter, was hast du denn über Jargon herausgefunden?"
Peter zuckte zusammen.
"Äh... also... er kommt aus... Ankh-Morpork."
Jargon nickte langsam und zupfte nervös an seinem Mantel herum.
"Und?"
"Er lebt dort in..."
"Unbesonnenheitsstraße", flüßterte Jargon.
"In der Unbesonnenheitstraße."
Harry saß still da.
"Sonst noch was?"
"N...nein."
"Gut. Dann fahren wir mit jemand anderem fort. Sebulon, was ist mit dir?"
Sebulon rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. Sein Werkzeuggürtel klirrte leise.
"Nun... Braggasch hier hat... einen Dolch. Genau."
"Das ist ja mal sehr interessant."
"Er ist seit Generationen im Besitz seiner Familie."
"Nun gut. Wie steht's mit dir, Wall? Was weißt du über Menalos?"
Keine Antwort. Wall starrte ins Leere.
Harry wollte gerade etwas hinzufügen, als er plötzlich zu reden begann.
"Er war mal Konditor.", sagte er, "und er hat ein Gebäude in die Luft gejagt."
Verwirrte Blicke wurden gewechselt.
"War er bei der Alchemistengilde?"
Wieder gab es eine kurze Pause, von der jeder erwartete, dass sie von den Worten "Ja, klar" durchbrochen wurde.
"Nein.", kam die überraschende Antwort.
Wieder blickten die Rekruten verwirrt, sogar Harry's Gesicht zeigte für einen kurzen Moment Überraschung.
"Ich habe eine spezielle Art der Alchemie entwickelt", ließ sich Menalos' Stimme vernehmen.
"Die Kondichemie. In dieser speziellen Art der Alchemie geht es um-"
"In Ordnung, das genügt.", unterbrach ihn Harry, der die festgewachsenen Mandelsplitter in Menalos' Arm bereits bemerkt hatte.
"Wir werden jetzt ein [I]lustiges[/I] Spiel veranstalten."
Finstere Mienen wurden aufgesetzt.
"Entschuldigung, Sör?"
Sebulon hatte sich zu Wort gemeldet.
"Ja, was ist los, Rekrut?"
"Könnte ich kurz nach draußen? Sie wissen schon... zwergische Bedürfnisse erledigen."
Harry wedelte mit der Hand.
"Ja, aber mach schn-"
"Ich müsste auch mal."
"Ich auch!"
"Ich kann's nicht mehr lange halten!"
"Ich habe seit 2 Stunden keinen Abort mehr gesehen!"
"Ich kann nur noch an das Runde Meer denken! Und an die klatschianische Regenzeit!"
"Ja, ja! Schon GUT!", rief der Oberstabsspieß. "Aber in fünf Minuten seid ihr wieder-"
Der Raum war leer. Nur noch leise Stiefeltritte verklangen.
[3]"Also, wer lenkt ihn ab?"
Die Rekruten hatten sich hinter dem Haus versammelt. Braggasch stand vor der Hintertür Schmiere. Kadwallander, der gefragt hatte, hüpfte von einem Bein auf das andere, um den Eindruck zu erwecken, tatsächlich auf den Abort zu müssen.
"Immer der, der fragt.", sagte Peter.
"Oh nein, ich musste gerade eben schon für Ablenkung sorgen, jetzt ist jemand anderes dran!", protestierte Kadwallander und hätte bei seinem Gehüpfe beinahe das Gleichgewicht verloren, weil er versuchte, während des Hüpfens die Arme zu verschränken und gleichzeitig den Kopf schief zu legen.
"Nein, nein, du wärst wirklich gut geeignet", sagte Jargon scheu. Normalerweise war er derjenige, über den bei solchen Gelegenheiten geredet wurde
[4].
"Gerade weil du mit ihm geredet hast, wird er nicht auf die Idee kommen, dass du ihn auch noch ablenken sollst."
Die anderen nickten zustimmend. Von Rekruten erwartete man keine solch verzwickte Denkweise.
"Also gut.", seufzte Kadwallander und stellte sein Gehüpfe ein.
Die Rekruten kehrten (extra langsam) in den Raum der schrecklich lustigen Kennenlernspiele zurück, wo Harry auch schon ungeduldig wartete.
29.08.2008 15: 43Sebulon, Sohn des Samax
Harry stand auf seinem Stuhl, die Arme verschränkt, die Stirn gerunzelt. Er tappte mit dem Fuß, während er beobachtete, wie die Rekruten mit zufriedenen Gesichtern wieder Platz nahmen.
"Muss noch jemand
irgend etwas wichtiges erledigen, bevor wir weitermachen?", fragte er und blickte in die Runde.
Alle blickten Kadwallander an. Der putzte sein Monokel. Und förderte aus seiner Tasche einen schwarzen Drops zutage. Den er langsam und geräuschvoll auswickelte. Schließlich steckte er ihn in den Mund und noch immer schien er nicht zu bemerken, dass ihn alle ansahen.
Harry deutete das Schweigen als Verneinung seiner Frage. "Gut.", sagte er und schnippte. "Jargon? Ja, du. Steh auf, Junge. Ich brauche für das Spiel, das jetzt kommt, deine Hilfe."
Jargon sah sich verzweifelt um. Warum tat niemand etwas? Wollte Kadwallader ihn nicht ablenken? Der saß nur da und lutschte an seinem dämlichen Drops. Betont langsam ging der Rekrut zum Ausbilder und sah ihn fragend an. Der sprang vom Stuhl, kletterte behende an Jargons bunter Jacke hoch, setzte sich auf seinen Kopf und sah die versammelten Rekruten an. Kadwallader hüstelte und klopfte sich leise auf die Brust.
"Was ihr vor euch seht, das ist eine lebende Leiter. Ich möchte, dass ihr solche Räuberleitern bildet. Das Tiehm, das zuerst die Zimmerdecke berührt, bekommt von mir ..."
Harry hielt inne und sah Kadwallader an, dessen Husten und klopfen immer stärker geworden war und der mittlerweile blau anlief. In Windeseile ließ sich der Ausbilder von seinem Rekruten gleiten und huschte am hustenden Kadwallader empor. Ein gezielter Faustschlag auf den Brustkorb des bedauernswerten Monokelträgers ließ ihn den Drops ausspucken, der flach durch den Raum flog und ein Loch in der Fensterscheibe hinterließ.
[5] Trotzdem hörte Kadwallader nicht auf zu husten.
"Was sitzt ihr noch rum?", fauchte Harry. "Sebulon: Hol einen Arzt - einen fähigen! - und das so schnell wie möglich. Peter: Geh in die Küche und hol ein Glas Wasser. Wall, Menélaos und Jargon: wir bringen den Kerl auf sein Zimmer. Er soll sich ausruhen."
Eilig verließen die Wächter den Tagungsraum in verschiedenen Richtungen. Nur Braggasch blieb zurück. Das waren viele Zufälle. Zu viele. Immerhin, es war das geschickteste und kaltblütigste Ablenkungsmanöver, das er je gesehen hatte. Und offensichtlich war er bisher der einzige, der es verstanden hatte.
Er rieb sich die Hände und verließ den Raum ebenfalls. Wertvolle Minuten musste man nutzen.
Auf dem Weg in die Küche kam Peter am Speiseraum der
Bauernruh vorbei. Er bemerkte im vorbeirennen, dass nichts mehr auf den Vorfall von vor nicht einmal einer halben Stunde hindeutete. Das Personal schien in diesem Haus gut und gründlich zu arbeiten.
Ohne anzuklopfen betrat er die Küche, ohne sich zu erklären füllte er die nächstbeste Kanne mit Wasser, nahm ein Glas und rannte bereits wieder, bevor der Küchenschäf seine Verwünschungen hinterherzurufen beginnen konnte.
29.08.2008 16: 39Braggasch Goldwart
Braggasch atmete erst wieder aus, nachdem er den nächsten Quergang zum Flur erreicht hatte. Wunderbar. Wenn Harry wüsste, wie sehr sie die Sache mit dem Tiehmwörk schon verstanden hatten!
Das einzige Problem war nur, dass es jetzt an ihm, Braggasch, lag, die verschaffte Zeit sorgfältig zu nutzen. Einen Plan hatte er zwar, doch die Ausführung lag noch weit entfernt - immerhin wusste der Zwerg nicht einmal in welchem Zimmer die Frau untergebracht war. So klein war das Hotel dann doch nicht.
Denk nach, denk nach!, ermahnte er sich selbst in Gedanken. Nun, zumindest konnte er die Einzel und Gruppenräume ausschließen, denn immerhin hatte sie beim Essen mit ihrem Mann oder Liebhaber an einem Zweiertisch gesessen und ihrem Aufschrei war zu entnehmen gewesen, dass es keine flüchtige Urlaubsbekanntschaft war.
Leider hatte Braggasch keinen Schimmer wie viele Doppelzimmer dieses Haus besaß und wo diese zu finden waren. Aufgabe Nummer eins war somit klar.
Sich vorsichtig umschauend
[6] bewegte er sich in Richtung Eingang, wo eine liebenswürdige Angestellte die Gäste begrüßte, Schlüssel verteilte und nur darauf wartete Antworten geben zu dürfen.
Die liebenswürdige Angestellte stellte sich als schlecht rasierter Mann in den Dreißigern heraus, der mürrisch in die Gegend stierte und einen qualmenden Zigarettenstummel zwischen die Lippen geklemmt hatte.
Seltsam, Braggasch hätte angenommen, dass in einem solchen Etablissement den Bediensteten das Rauchen streng untersagt sein würde, doch der Kerl machte nicht den Eindruck als wäre dies seine erste Kippe während der Schicht. Ob der Hotelleiter doch nicht so korrekt und aufmerksam war wie er zunächst den Anschein gemacht hatte?
Der Zwerg speicherte die Frage in dem Abteil Später-drüber-Gedanken-machen seines Hirns, das sowieso eine Menge Inhalt hatte - hauptsächlich über Dinge mit Zahnrädern -, und wandte sich dem momentan wichtigeren Problem zu.
"Äh... Entschuldigung?", ließ er sich vernehmen, bevor ihm siedendheiß einfiel, dass er sich keine Lüge zurechtgelegt hatte, um an die gewünschte Information zu kommen.
"Was willste?", schnauzte der Mann zurück.
"Äh... Ich... Äh... Wissen sie..." Panisch huschten seine Augen hin und her, um einen externen Anhaltspunkt für eine passende Geschichte zu finden. Schließlich blieben sie an einem Näherinnenkalender hinter dem Tresen hängen. "Ich habe da eine Frau kennen gelernt..."
"Glückwunsch.", brummte der Angestellte mit jahrelang geübten Sarkasmus.
"Ja... Und wir haben uns unterhalten und... Äh... So..."
"Wahnsinn."
"Ja... Und sie hat mich in ihr Zimmer eingeladen..."
"Ich kann's kaum fassen." Der Kerl machte sich nicht einmal die Mühe annähernd ehrlich zu klingen. Braggasch geriet ins Schlingern. Dieses Thema war ihm alles andere als geläufig.
"Ja... Aber leider hat sie nicht gesagt... Äh... Wo ihr Zimmer ist."
"Ich bin entsetzt."
"Ja... Da dachte ich vielleicht... Sie könnten..."
"Klar doch, bin immer behilflich.", murrte der Mann und fügte gehässig hinzu: "Wie heißt sie denn?"
Der Zwerg erstarrte.
Ver! Dammt!"Das... Äh... Das hat sie auch nicht gesagt..."
Nun erhellte sich das Gesicht des Bediensteten plötzlich und ein Lächeln entblößte schlechte Zahne. "Sag mal,", meinte er absolut freundlich, "Steht auf meiner Stirn: -Bitte verarsch mich!- geschrieben?" Das Lächeln fiel so schnell ab, wie es gekommen war, und der Mann knurrte: "Verzieh dich, Kurzer!"
Diese unschöne Überraschung sorgte dafür, dass Braggasch ganz automatisch der Bitte des Angestellten nachkam und davoneilte. Die nächste Möglichkeit aus dem Sichtbereich dieses Höflichkeitswunders zu kommen war der Gang rechts neben dem Tresen - Und genau diesen Weg wählte der gedemütigte Wächter - Nur um sich plötzlich einer Tür gegenüber zu sehen, auf der ein Messingschild mit der Beschriftung "Privat - nur für Angestellte" prangte.
Eilig sah Braggasch zurück, doch der diensteifrige Mann schien nichts dagegen zu haben, dass er diesen Fluchtweg gewählt hatte.
Nun denn..., dachte er sich und schnaufte entschlossen, während er in seiner Hosentasche nach dem Dietrich kramte.
Wer nicht hören will muss fühlen...Der Raum stellte sich als erstaunlich groß dar und zu Braggaschs Glück war niemand anwesend. Den meisten Platz im Zimmer nahm das grässlich braune Sofa ein, welches vor einem niedrigen Tisch stand, auf dem sich allerlei Zeitschriften stapelten. Ein Beistelltisch mit Tassen und einer Kanne kaltem Kaffee rundeten das gemütliche Gesamtbild ebenso ab wie die schmucklose Tür zu den Bedienstetenaborten. Auch ein großes Brett mit Schlüsseln gab es hier, doch das ignorierte der Zwerg. Erstens brauchte er so etwas nicht und zweitens würde es nur Aufsehen erregen, wenn ein Schlüssel fehlte. Sein Blick galt dem Schrank mit den vielen Schubladen.
Hektisch und möglichst leise zog er jede auf, bis er ganz unten auf den Aufbewahrungsort der Gästebeschreibungen stieß. Er nahm direkt den ganzen Stapel Ordner heraus und blätterte sie eifrig durch. Irgendetwas musste er finden!
Da! Hektor Triwal mit seiner Frau Agnata. Braggasch danke der menschlichen Psyche, die dafür gesorgt hatte, dass er wenigstens in besitz des Vornamens war, denn einen anderen Hektor gab es hier nicht. Auch war es wohl nur der momentane Unruhe im Hotel zu verdanken, dass noch kein anderer Angestellter hinein geplatzt war.
Hektor und Agnata Triwal, verheiratet, Vergnügungsreise, drittes Zimmer, erster Stock, Anmerkung Zimmermädchen: Bettwäsche braucht nicht gewechselt zu werden, Anmerkung Koch: Frau Triwal morgens Erdbeeren.
Bingo!
Mit fliegenden Bewegungen sammelte Braggasch die Ordner wieder zusammen und zwang sich dazu, sie zeitraubend ordentlich wieder zurück in die Schublade zu verfrachten.
Aus Zimmer drei waren keinerlei Geräusche zu hören. Wahrscheinlich war Agnata noch damit beschäftigt Fragen zu beantworten, oder jemand tröstete sie. Ausgiebig.
Gleichviel, Hauptsache war, dass Braggaschs Glückssträhne nicht abzureißen schien.
Schnell verschaffte er sich zutritt zu dem angenehm luftigen und hellen Hotelzimmer. Eine schöne Wahl - vor allem wenn man die übrigen Räume bedachte, die der Zwerg bisher gesehen hatte. Natürlich stank es auch hier traurig nach Kohl, aber der Innenarchitekt hatte sich größte Mühe gegeben mit Vorhängen und Teppichen ein gemütliches Ambiente zu schaffen. Dieses Zimmer war ganz sicher nicht billig...
Aber der Zwerg hatte keine Zeit die architektonischen Meisterleistungen zu bewundern. Er fing an das Zimmer nach Schema F zu durchsuchen.
Enttäuschenderweise waren die einzigen interessanten Fundstücke zwei abschließbare Schatullen - die ihm sogar einige Sekunden Widerstand leisteten.
Der Inhalt der einen war - nicht weiter überraschend - Schmuck. Eine ganze Reihe klobiger Ringe und Amulette, sogar ein Armreif mit großen Goldherzen darauf.
Die zweite gab Schriftstücke preis. Doch nicht, wie Braggasch erhofft hatte, geheime Liebesbriefe von Frau Triwals noch geheimeren Liebhabern und die schriftliche Fixierung eines gemeinsamen Mordkomplotts, sondern langweilige Berichte über die Geschäftsbeziehungen von Hektor. Zumindest konnte man aus ihnen herausziehen, dass Hektor Triwal ein bekanntes Gesicht in der Schuhbranche war und einiges auf der Hohen Kante haben musste.
Überhaupt war nur ein einziges Blatt aus dem Kästchen Besitz von Agnata Triwal, soweit der Zwerg das feststellen konnte. Ein schlichtes, penibles Schriftstück, dessen Inhalt einfach keinen Sinn ergab.
"Fair-Sicherung? Was zum Stollenbruch ist eine Lebens-Fair-Sicherung?", murmelte er vor sich hin, als ein Geräusch vom Flur ihn aus den Gedanken riss. Braggasch erstarrte, doch die Schritte setzten ihren Weg ungehindert an der Zimmertür vorbei fort. Er ließ den angehaltenen Atem zischend wieder entweichen und fluchte lautlos. Was alberte er hier mit Papieren herum? Es gab einen Mord aufzuklären!
Flink packte er alles wieder in die Schatullen und verschloss diese, dann startete er seine Bemühungen ein weiteres Mal, und zwar gründlicher.
Doch auch die zweite Durchsuchung enthüllte nichts Neues. Kein Gift, kein schlüpfriges Geheimnis, nichts, was irgendwelche Hinweise lieferte.
Enttäuscht stellte Braggasch die vorherige Ordnung wieder her, schloss die Tür hinter sich ab und trottete zurück zum Gemeinschaftsraum.
30.08.2008 4: 48Kadwallader Janders
Die Aktion mit dem vorgetäuschten Anfall war albern gewesen. Kadwallader ging sogar soweit zu sagen, dass diese Aktion den Ausflug der Wache in Albernheit sogar noch übertraf. Doch ihren Zweck hatte sie mehr als erfüllt, dachte Kadwallader als er das Gebälk der Zimmerdecke betrachtete, jetzt konnten seine Ermittlungen beginnen. Und diese Ermittlungen bestanden zunächst nicht darin, Zeugen zu vernehmen oder Zimmer zu durchsuchen. Nein, diese Ermittlungen begannen mit Nachdenken.
Gesetzt den Fall es war Mord, was Menelaos höchstwahrscheinlich bestätigen würde, sobald die Untersuchung des Kaffees abgeschlossen war, musste man klären, warum der Mord heute Morgen, vor einigen anwesenden Gästen geschehen war.
Die Frau, an Hektors Seite, vermutlich seine Reisebegleiterin, möglicherweise Ehefrau hätte ihn theoretisch jederzeit umbringen können. Dies ließ zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder sie hatte ihn nicht ermordet, oder aber sie legte es unbedingt darauf, den Mord vor einigen Gästen in einem Wirthaus auszuführen. Ansonsten hätte sie ihn ganz unauffällig auf der Reise ermorden können und seinen Tod als Unfall aussehen lassen. Also musste es ihr darum gehen, dass möglichst viele Menschen das Ableben sahen oder aber das, sollte überhaupt entdeckt werden es sich um Mord handelte, viele Täter in Frage kamen. Zum Bespiel das Küchenpersonal, die Bedienung oder der Landhausbesitzer. Da Kuhnacken an einer Handelsroute lag und für Händler aus Überwald oder Morpork nur diese Strecke in Frage kam, konnte man davon ausgehen, dass Händler, den Landhausbesitzer kannten. Und gegenseitige Bekanntschaft, kann zu Freundschaft aber auch Intrige führen.
Sollte die Frau, gesetzt sie wäre die Mörderin, es darauf angelegt haben, dass viel Täter in Frage kamen, so hieß das im Umkehrschluss, dass die beiden Händler waren, zumindest aber häufig hier vorbeikamen.
Ein schönes Gedankenspiel, dachte Kadwallader, als er sich vom Bett erhob und sich in den Lehnstuhl setzte, aber letztlich kamen noch tausend andere Möglichkeiten in Betracht, deren Erörterung ohne Fakten zu nichts führen würde.
Zur gleichen Zeit, ein Stockwerk tiefer hatten die Dorfbüttel ihre Arbeit aufgenommen. Jakob Teetrich, ein bejahrter, kleiner Mann, der im Dorf vor allem für seine guten Ratschläge und seine umgängliche Art geschätzt wurde, hatte die Vernehmung der Gäste begonnen, während Muglin Hossbach, dem man die Aufgabe des zweiten Büttels unter besonderer Betonung der Wichtigkeit dieses Amtes übertragen hatte, eine Liste der Anwesenden anfertigte:
Hektor Triwal - Schuhhändler
Agnata Triwal - Schuhhändlerin
Rundweg Richtig - Landhausbesitzer
Lara Mulmich - Bedienung
Fiona Kulmbecker - Bedienung
Manfred Zerrmich - Koch
Grasloff Klustoff - Portier
Hannes Ulster - Lederhändler
Gunnar Eribäck - Abenteurer
Klaus Klarsohn - Schmuckhändler
Regina Klarsohn - Seine Frau
Mora Mira - Agrarökonomin
"So, jetzt die Jungs aus Morpork...", seufzte er.
30.08.2008 15: 48Harry
Harry hatte den Versuch mit den menschlichen Pyramiden schnell abgebrochen, nachdem er schnell begonnen hatte, um die Gesundheit seiner Rekruten zu fürchten. "Wir versuchen etwas anderes", erklärte er. "Für die nächste Übung findet euch bitte paarweise zusammen - die beiden Zwerge sollten eine Gruppe bilden, also Sebulon und... wo ist Braggasch?"
"Er ist bei Kadwallader geblieben, um abzuwarten, bis es ihm wieder besser geht", improvisierte Sebulon.
"Ist er? Das ist sehr... aufmerksam. Na gut, dann gehst du zu Jargon, der ist der kleinste von den anderen. Also, ich will, dass ihr euch hintereinander stellt. Dann macht der vordere die Augen zu und lässt sich nach hinten fallen, so dass der andere ihn auffangen kann. Sinn der Übung ist es, zu lernen, sich gegenseitig völlig zu vertrauen. Alles klar?"
Die anwesenden Rekruten nickten ohne große Begeisterung.
"Gut. Jeder fünf Mal, danach wechselt ihr die Positionen."
In dem Moment öffnete sich die Tür und Braggasch betrat den Raum. "Hallo Sör, ich..."
"Ich habe schon gehört, du hast dich um deinen Kollegen gekümmert. Sehr lobenswert, Rekrut. Komm rein und mach die Tür zu, ja?"
Braggasch tat, wie ihm geheißen, und schaffte es so, die Tür schwungvoll mit der ziemlich markanten Nase von Büttel Jakob Teetrich kollidieren zu lassen, der gerade in diesem Augenblick in den Raum kommen sollte. Ein unterdrücktes "Uff" war zu hören, und der Büttel taumelte einen Schritt zurück.
"Ups", kommentierte Braggasch.
Harry sprang von seinem Tisch und lief zu dem Mann, dessen nicht hundertprozentig gepflegt aussehende Uniform ihn eindeutig als einen Wächter auszeichnte. Ein schlaksiger, etwas größerer und etwas gepflegterer Mann, der ebenfalls eine Uniform trug, stand hinter ihm.
"Entschuldigung, Sör", sprach Harry den verletzten Büttel an. "Sie sind sicher wegen dem Todesfall von heute morgen hier?"
Teetrich blickte sich kurz suchend um, bis sein Blick auf den Boden fiel. "Oh... äh... ja", murmelte er, streckte die Hand aus, zögerte kurz und bückte sich dann, damit Harry die Hand auch erreichen konnte.
Der Gnom schüttelte freundlich den Zeigefinger des Büttels. Die beiden Menschen vor ihm hatten eindeutig noch nie einen Gnom gesehen, so faszinierte starrten sie auf ihn herab. Harry kannte diese Reaktion - in den menschlichen Dörfern außerhalb der Großstadt Ankh-Morporks ließen sich Gnome nur selten blicken.
"Ich bin Oberstabsspieß Harry von der Ankh-Morpork Stadtwache", erklärte er. "Dies sind Rekruten von mir. Wir sind hier, weil wir eine Fortbildung machen."
Teetrich nickte. "Jakob Teetrich. Dies ist mein Kollege Hossbach. Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen."
Harry nickte. "So, Rekruten, jetzt könnt ihr mal einen Wächter bei der Arbeit sehen. Und wenn wir damit fertig sind, ist auch Zeit für unsere Mittagspause." Er klastschte in die Hände. "Stuhlkreis!"
Während um sie herum die Stühle gerückt wurden, fiel Sebulon der Zettel auf, den "Kollege Hossbach" in der Hand hielt. Es schien sich um eine Namensliste zu handeln - wenn es, wie er vermutete, eine Liste aller Personen in diesem Hotel war, dann konnte das interessant sein... vielleicht gab es ja einen Weg, kurz an die Liste heranzukommen, um sich den Inhalt abzuschreiben?
30.08.2008 18: 42Jargon Schneidgut
"Nun", begann Jakob, "war einer von euch zur Tatzeit am Tatort?"
Alle nickten oder brummelten eine leise Zustimmung. Sebulon überlegte derweil fieberhaft wie er an die Namensliste herankommen konnte.
Sein Blick schweifte über den Stuhlkreis, und ihm fiel Jargon ins Auge. Während der Anreise hatte er immer ein paar Papiere in der Hand gehabt, aber er hatte niemandem gesagt, warum. Sebulon schmiedete einen Plan.
"Wer von euch kennt sich schon ein wenig mit Mordfällen aus?"
Niemand aus dem Rekrutenkreis meldete sich zu Wort.
Hossbach kritzelte etwas auf einen Zettel und stellte die nächste Frage:
"Was habt ihr gesehen, als der Mord geschah?"
Peter sprach als erstes, während Sebulon Jargon unauffällig ein Zeichen gab.
"Ein älterer Mann ist zusammengesackt, nachdem er von seinem Kaffee getrunken hat."
Sebulon griff in seine Tasche und holte ein imaginäres Blatt Papier heraus.
Dies steckte er unauffällig in die Tasche von Jakob, der neben ihm saß, und tat so, als würde er das Blatt, dass der Wächter auf dem Schoß hatte, wegnehmen. Jargon nickte und holte wie durch Zauberei ein vollgeschriebenes Blatt aus den Tiefen seiner Jackeninnentasche.
Dann gab er es hinter seinem Rücken an Menéalos weiter, der neben ihm saß, und zeigte unauffällig auf Sebulon. Menéalos nahm das Blatt und reichte es an Wall weiter.
"Hat jemand von euch eine Ikonographie angefertigt?"
Harry mischte sich ein.
"Dies ist nicht unser Fall.", sagte er. "Wir ermitteln nicht und somit hat keiner von uns ein Bild vom Tatort gemacht. Tut mir leid."
Wall stand vor einem Problem. Neben ihm stand Harry auf seinem Stuhl. Er brauchte eine Ablenkung.
"Braggasch hier hat doch ein sehr gutes Gedächtnis. Vielleicht erinnert er sich an etwas auffälliges.", sagte er.
"Ich? Nein, ich habe nichts-" Wall starrte ihn durchdringend an und schob das Blatt mit dem Fuß unter Harrys Stuhl durch.
"Ach, äh, ich glaube ich habe doch etwas gesehen."
"Ja?"
Sein Fuß stieß an ein Stuhlbein. Es pochte leise. Wall schluckte.
Sebulon tastete mit dem Fuß nach dem Blatt, während Braggasch fortfuhr.
"Die... die Frau hat sehr aufgelöst gewirkt."
Jakob verdrehte die Augen. Sebulon auch, allerdings in Bodenrichtung, während er gleichzeitig versuchte, Harry im Blick zu behalten.
"Warum schielt ihr Rekrut dahinten so?", fragte Hossbach.
"Äh, kleiner Augenfehler", sagte Sebulon und blinzelte.
"Das passiert manchmal. Kann auch nichts dafür."
Die anderen wandten den Blick wieder ab und Sebulon wartete, bis sich die Aufmerksamkeit wieder auf jemand anders lenkte.
"Äh, ich seh' kurz nochmal nach Kadwallander.", meldete sich Peter zu Wort, der die missliche Lage seines Kollegen bemerkt hatte. Er stand auf und verließ den Raum, und während ihm alle nachsahen, schnappte sich Sebulon unbemerkt das Blatt. Jetzt musste er es nur noch austauschen. Jemand musste Jakob ablenken. Er gab Menéalos ein Zeichen und zeigte dann auf den Wächter neben ihm. Menéalos hob kaum merklich den rechten Daumen und zwinkerte ihm zu. Dann meldete er sich zu Wort.
"Äh, Sör, ich glaube, ich habe ein Vermutung."
Der Dorfpolizist sah ihn fragend an.
"Ich glaube, der Mann ist vergiftet worden."
"Gut nachgedacht, Rekrut.", sagte Jakob und hob resignierend die Arme. Das war Sebulons Gelegenheit. Blitzschnell tauschte er die beiden Blätter aus, während alle Blicke auf Menéalos gerichtet waren. Vielen Dank für die angeborene Fingerfertigkeit, dachte er, während er das Blatt hinter seinen Stuhl gleiten ließ. Er konnte es auch noch später wieder aufheben.
"Ich glaube, mit euch sind wir fertig.", sagte Hossbach, "wir werden uns nun unter vier Augen mit eurem Ausbilder unterhalten."
30.08.2008 19: 59Sebulon, Sohn des Samax
Während Peter auf ein leeres Blatt die Verdächtigenliste abschrieb, hielten die Rekruten Kriegsrat.
"Also.", sagte Jargon, "Was wissen wir?"
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Frau ihn ermordet hat.", sagte Braggasch.
"Und warum sollte eine Frau ihren Ehemann ermorden?", fragte Sebulon.
"Ehe.", sagte Wall geistesabwesend.
"Was?", fragte Sebulon.
"Junge", sagte Wall und seine braunen Augen glänzten, "auf der Welt sterben Menschen schon für geringeres als Liebe. Manche sogar für Geld. Oder Pudding.
[7] Wer weiß, wie lange unsere Agnata schon nachts allein im Bett schläft?"
Jargon ergriff wieder das Wort: "Ich denke, wir sollten systematisch vorgehen. Einer von uns untersucht den Tatort; vielleicht gibt es da noch -"
Peter gab Jargon das neu beschriebene Blatt und sagte: "Nicht nötig. Der Boden ist da blank gewienert. Bin zufällig dran vorbeigelaufen."
Jargon seufzte. "Dann ist das hier wohl unsere einzige Liste von Anhaltspunkten um den Mörder zu finden. Wir sollten uns jeder einen auf der Liste vorknöpfen und unauffällig befragen. Vielleicht gibt es doch etwas herauszufinden."
Wenig begeistert aber entschlossen nickten die Rekruten. Aufmunternd lächelte Jargon, der sich mehr und mehr als Anführer fühlte.
"Das ist nicht alles.", meinte Ménelaos schüchtern. "Ich hätte da noch eine möglicherweise vergiftete Kaffeeprobe."
"Perfekt. Du untersuchst die Probe und Braggasch hält dir den Rücken frei."
Der Zwerg hob eine Augenbraue, weil hier so plötzlich über ihn entschieden wurde. Dann kam ihm eine Idee. "Gern.", knurrte er.
"Also gut.", sagte Jargon, "Wall: ich schlage vor, du nimmst dir Hannes Ulster und Gunnar Eribäck vor. Peter war ja schon in der Küche, da könnte er die Bedienungen und den Koch befragen."
Peters Kopfschütteln beflissentlich ignorierend fuhr er fort: "Sebulon: Du schnappst dir Frau Triwal, deine Augenzeugin. Und wenn du irgendwie die Leiche von Herrn Triwal findest, umso besser. Ich rede mit Herrn und Frau Klarsohn und dem Herrn Richtig. Kadwallader ..."
"Kadwallader ist nicht da.", stellte Braggasch fest.
"Richtig.", seufzte Jargon. "Er hätte auf die anderen drei so herrlich gepasst ... wir fragen ihn einfach später. Wie lange haben wir Mittagspause?"
Sebulon zuckte mit den Schultern. "Eine Stunde, vermute ich."
"Gut. Wer in Stunde nicht wieder im Gruppenraum ist, für den schlagen wir nochmal ne Viertelstunde raus, bevor wir eine Vermisstenanzeige aufgeben.", scherzte Jargon. "Wann kannst du die Kaffee-Probe untersuchen, Ménelaos?"
"Ich brauche dafür mindestens eine halbe Stunde. Und Ruhe. Ich würde heute Abend ..."
"Ich kann dir was zu essen bringen, wenn du jetzt anfängst.", grinste Braggasch.
"Ich weiß nicht.", meinte Peter. "Wenn mich Harry entdeckt, hab ich echt ein Problem."
Das entschlossene Grinsen auf dem Gesicht von Braggasch wurde noch breiter. "Keine Sorge. Ich habe einen Plan."
"Ist dein Plan sicher, Braggasch?", fragte Jargon. "Vergiss nicht: Harry ist ein Terrier."
"Vertrau mir.", brummte Braggasch. "Diese Zwergenfinger haben mich noch nie enttäuscht."
30.08.2008 20: 43Kadwallader Janders
Kadwallader wäre fast mit Grasloff Klustoff zusammengestoßen, einem Mann dessen Äußeres und dessen Betragen ihn für keinen anderen Beruf ungeeigneter erschienen ließ, als für den, der er ausübte, den Beruf des Portiers. Mit aller Mühe wich der Wächter aus und drückte sich gegen das Treppengeländer, sodass Herr Klustoff mit einem sehr großen, schwarzen Koffer vorbeirauschen konnte, wobei ihm eine Rauchwolke hinterher schwebte, die von zwei Zigaretten, die zwischen seinen Lippen klemmten verursacht wurde.
Glücklicherweise konnte Kadwallader unbeschadet den Eingangsflur betreten. Die Tür zur Linken führte in die Gaststube. die Tür zur Rechten in den Raum für geschlossene Gesellschaften, die derzeitig als Tagungsraum von der Stadtwache genutzt wurde und eine dritte Tür führte nach draußen. Kadwallader entschied sich für die Linke und betrat die Gaststube. Im Augenblick befanden sich nur wenige Leute in der Gaststube: Ein großer, breitschultriger Mann mir rotblondem Haar und einem Schwert sowie einigen Dolchen am Gürtel saß am Tresen und eine der beiden Kellnerinnen, die gerade Pause hatte und eine Portion Kohlsuppe aß.
"Gestatten Sie?"
"Ja, setzen Sie sich nur."
Kadwallader setzte sich zu der jungen Kellnerin.
"Kann ich Ihnen etwas bringen?"
"Nein, nein, bleiben Sie nur sitzen und essen Sie Ihre Suppe, Fräulein."
"Nein, nein, Herr..."
"Janders. Kadwallader Janders. Ich hole Ihnen dafür etwas, einen Traubensaft, Fräulein..."
"Kulmbecker. Fiona Kulmbecker. Danke, sehr gerne." Sie errötete leicht.
Kadwallader hatte gleich eine ganze Karaffe Traubensaft an den Tisch kommen lassen und schenkte zuerst Fiona und dann sich selbst ein.
"Wie viele Angestellte hat das Hotel eigentlich?", fragte Kadwallader nach dem Austausch von einigen Höflichkeiten.
"Vier. Meine Freundin Lara Mulmich bedient mit mir. Dann Manfred Zerrmich, der Koch und dieser Grasloff, der vorgibt Portier zu sein, keine Ahnung was Rundweg sich dabei gedacht hat, ihn einzustellen."
"Der vorgibt Portier zu sein?"
"Er ist eine Sache nicht und das ist Portier. Immer schlecht rasiert, immer unfreundlich, ständig am Paffen. Naja, wenigsten trägt er die Koffer für die Gäste nach oben."
"Seit wann ist er denn hier angestellt?"
"Seit einem halben Jahr."
"Kamen heute schon neue Gäste?"
"Nein, die kommen gewöhnlich erst am Abend."
"Aber sonst läuft das Hotel gut?"
"Ja, die Händler müssen ja irgendwo übernachten und wir sind das einzige Hotel in der Gegend. Aber früher lief 's halt besser, da hat Manfred auch noch..."
"Ja?"
"Ach, egal ist nicht so wichtig.", sie lief rot an.
"Trinken Sie noch einen Schluck?"
"Ja, gerne."
Kadwallader schenkte ihr ein und führte dann sein Fragespiel fort.
"Sagen Sie, wissen Sie noch wer heute Morgen alles anwesend war, als Hektor starb?"
"Sicher, fast alle, wo Grasloff war, weiß ich nicht."
"Und heute Morgen haben Sie und Herr Richtig bedient?"
"Ja, genau, Lara hatte frei."
31.08.2008 11: 17Braggasch Goldwart
Braggasch grinste in sich hinein. Sollten die anderen doch glauben, was sie wollten, der Zwerg war sicher, dass seine Idee funktionieren würde - und es juckte ihn schon gehörig in den Fingern.
Natürlich durfte niemand verletzt werden.
"Äh... Menélaos, brauchst du denn noch etwas für diene Kondi...dings?", fragte er.
"Ja, natürlich! Aber ich finde trotzdem wir sollten das auf heute A-" Die Blicke der Wächter brachten ihn zum schwiegen. Resignierend hob er die Arme. "Okey, okey. Ich brauche Wasser, einen Topf, Löffel und einige Kondimikalien, da muss ich mir noch überlegen wo ich die herbekomme."
"Gut.", meinte Peter. "Wasser müsste ja noch bei Kadwaller sein, kannst du den Rest besorgen, Braggasch?"
Der Angesprochene nickte. "Zumindest den Topf und die Löffel." Große Pläne entstanden in seinem Hirn und wurden wieder verworfen.
"Dann würde ich sagen packen wir es an!", sagte ihr momentaner Anführer schwungvoll motivierend und die Wächter fingen an sich zu zerstreuen.
"Warte." Braggasch fing Sebulon im Flur ab. "Ich müsste mir mal dein Werkzeug borgen."
Der etwas Kleinere sah nicht besonders glücklich aus. Öffnete dann jedoch mit den Worten: "Wenn es denn unbedingt sein muss.", den Gürtel und überreichte ihn Braggasch.
"Muss es.", bestätigte dieser und begann in Richtung Küche davon zu eilen. "Keine Sorge, dass wird großartig!"
Sebulon sah seinem Freund zweifelnd hinterher.
Braggasch klopfte an den Türrahmen.
"Guten Tag. Sind sie der Koch?", sprach er den dünnen Mann mit den zurückgekämmten Haaren an, der an einem der Tische stand.
"Die Küche ist von Gästen nicht zu betreten.", zitierte dieser statt einer Antwort. Seine Stimme klang unangenehm nasal.
"Oh, keine Sorge...", murmelte der Zwerg und trat einen Schritt in den Raum. "Ich bräuchte nur einige Sachen für unsere Versammlung." Aufmerksam sah er sich in der Küche um.
"Ich muss sie bitten wieder zurück zu gehen!"
"Sagen sie mal, haben sie Ratten?"
"Eine Unverschämtheit!"
"Wirklich? Also ich finde es eine Unverschämtheit, dass bei unserer Sitzung eben eine Katzengroße Ratte quer durch den Raum lief..."
Das peinlich berührte Schweigen des Kochs zeigte Braggasch, dass er richtig getippt hatte. Glücklicherweise hatte er in einer Ecke ein Mauseloch entdeckt, und die Falle, die davor aufgestellt worden war übertraf seine Erwartungen.
"Sie heißen Zerrmich nicht wahr?"
"Ja.", gab der Koch zu.
"Und als hiesiger Koch dürfte es ihre Aufgabe sein den Ratten Herr zu werden..."
Zerrmich stöhnte. "Wissen sie eigentlich wie groß diese Tiere hier auf dem Land werden? Es ist eine unlösbare-"
"Jajaja..." Braggasch wedelte ungeduldig mit der Hand, wie es Harry so gern tat. War das Püschologie? "Eigentlich müsste ich sie ja jetzt an den Besitzer melden..." Der Zwerg lies eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. "Aber mir hat ihr... Äh... Toast so gut geschmeckt, dass ich ihnen gerne einen Gefallen tun möchte. Wenn sie mir im Gegenzug dazu auch ein wenig helfen."
Das Gesicht des Kochs entspannte sich, aber ein misstrauischer Ausdruck blieb in seinen Augen.
"Sie geben mir einfach... sagen wir drei von diesen Mausefallen und ich stelle sie oben auf. Und dann Schwamm über die Affähre."
Zerrmich nickte dankbar.
"Als Gegenleitung geben sie mir die Dinge, die unser Leiter Harry gerne für das nächste Spiel haben will... Äh... Topfschlagen. Ich brauche einen Topf, Löffel und Seil... viel Seil."
"Wozu denn das Seil?", hakte Zerrmich nach, nahm aber bereits einen Topf aus dem Schrank.
"Äh..." Braggasch musste unbedingt an seinen Improvisationskünsten arbeiten. "Wir werde... Äh... Gefesselt."
"Ihr spielt gefesselt Topfschlagen?"
"Äh... Ja, genau."
Menélaos hatte sich ihren Schlafraum soweit hergerichtet, wie es eben ging und das Wasser bereitgestellt. Von Kadwaller fehlte jede Spur.
Kurze Zeit später tauchte Braggasch auf.
"Ah, gut.", empfing ihn Menélaos mit Blick auf den Topf. "Wozu das Seil und die... Sind das Mausefallen? Die sind ja gigantisch!"
"Ja, die Mäuse hier werden anscheinend etwas größen.", strahlte der Zwerg.
"Ahja... Auf jeden Fall habe ich mir schon Gedanken gemacht was wir als Trennmittel für den Kaffe verwenden können und wo wir es herbekommen. Du müsstest-"
"Ich werde alles machen, aber lass mich erst für die... Ablenkung sorgen, das dürfte nicht lange dauern." Und schon war der Zwerg schon wieder aus dem Raum verschwunden.
Menélaos schüttelte den Kopf. Der Kleine war ja total aufgekratzt...
Vor der Tür des Versammlungsraumes sah sich Braggasch aufmerksam um. Wunderbar, er hatte sich nicht getäuscht. Neben der Tür zur Gaststube stand ein altes, großes Regal mit Zierrat, welches dem Eingangsflur wohl ein freundlicheres Aussehen verleihen sollte. Es befand sich somit fast genau gegenüber der Tür, hinter der sich Harry mit den beiden Bütteln unterhielt. Der Tresen für den Portier war glücklicherweise gerade unbesetzt. Durch die verschlossene Tür zum Tagungsraum hörte Braggasch Harrys Stimme, im Gastraum saß Kadwaller mit einer jungen Frau am Tisch. Auch Wall schien hier sein Verhöropfer gefunden zu haben. Manche der Gäste, denen verboten worden war abzureisen
[7a] saßen gelangweilt herum.
Stimmt, Braggasch musste die ganze Konstruktion ja auch rechtfertigen...
Naja, das Einfachste würde sicherlich das Beste sein.
"Entschuldigung.", sagte er halblaut, nachdem er den Essenraum betreten hatte. "Aber der Koch hat mich gebeten, da er selbst nicht Herr einer Rattenplage wird, eine zwergische Konstruktion aufzubauen, die die Rattenfangrate enorm erhöhen wird."
Braggasch fühlte sich bei diesen Worten nicht unbedingt wohl, was einerseits daran lag, dass er es hasste vor einer Menge zu sprechen, andererseits konnte er durch eine offene Tür zur Küche hin den armen Zerrmich dunkel rot anlaufen sehen.
Sofort wurde es unruhig. Sätze wie "Es gibt hier Ratten?", "Wie eklig.", und "Meiner Großmutter wurde mal von einer Ratte das Bein abgerissen...", flogen durch den Raum. Kadwaller öffnete schon den Mund - schloss ihn dann aber glücklicherweise beim Anblick von Braggaschs gequälter Miene wieder.
Auch der Koch schritt nicht ein, obwohl aus der Küche derbe Flüche drangen.
Vielleicht hätte Braggasch das ganze etwas mehr planen sollen... das konnte heikel werden...
Dennoch machte er weiter: "Ich muss sie bitten die Konstruktion in Ruhe zu lassen, sie basiert auf einem empfindlichen Gleichgewicht, das nicht gestört werden darf. Das ist
sehr wichtig!"
Dann machte er sich ans Werk. Die nötigen Berechnungen und Winkel hatte er bereits im Kopf ausgeklügelt.
Zuerst verkeilte der Zwerg zwei der drei Mausefallen, mit Hilfe von Spangen aus Sebulons Werkzeuggürtel, fest am Boden. Dann verband er die Schnappmechanismen miteinander und führte ein langes Seil von ihnen aus der Tür in den Flur. Wenn er nun an dem Seil zog, öffneten sich, mit erheblicher Mühe, beide Fallen gleichzeitig.
Dann schloss Braggasch die Tür soweit es ging - ein Spalt musste für das Seil offen bleiben - aber die Leute sollten nicht unbedingt mitbekommen, was die nächsten Schritte waren.
Jetzt musste der Zwerg allerdings ein Weilchen suchen, bis er eine passende Stelle im reich verzierten Gebälk gefunden hatte über die er das Seil werfen konnte ohne, dass es sich nach rechts oder links wegbewegte.
Das Ende des Seils verband er mit dem Knauf der Tür zum Versammlungsraum, und zwar so straff, dass sich die Mausefallen in der Gaststube ein wenig öffneten.
Wenn nun jemand versuchte diese Tür zu öffnen, sollte die Spannkraft der Fallen dafür sorgen, dass sie wieder zuging. Einen starken Mann würde es nicht aufhalten, aber die Verwirrung sollte ausreichen um ihnen einige Minuten Zeit zu verschaffen.
Doch das war Braggasch noch nicht genug.
Abermals betrat er den Gastraum - und war sofort Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er ein weiteres Seil am Tresen - in unmittelbarer Bodennähe - festknotete und mit dem anderen Ende den Raum wieder verließ, das Seil jedoch so am Boden entlang legte, dass es durch eine der - ja leicht geöffneten - Mausefallen führte.
Nachdem er die Tür wieder angelehnt hatte, kappte er mit Sebulons Metallschere möglichst leise die beiden vorderen Beine des Zierregals. Eines davon klemmte er dabei wieder so unter den Boden des Schrankes, dass dieser nicht nach vorne fiel.
Um dieses instabile Bein knotete er straff sein zweites Seil und führte dessen Ende zur anderen Seite des Flurs.
Auch hier verkeilte er nun seine letzte Mausefalle, klappte sie zu Hälfte auf, und verband das Seil mit dem geöffneten Zuschnapprahmen. Das Seil stand dadurch unter erheblicher Spannung und nur das Am Tresen festgemachte Ende verhinderte, dass dem Regal das Bein weggezogen wurde.
Wenn jetzt, nach einigen vergeblichen Versuchen, die Tür zum Versammlungsraum mit Kraft und Gewalt geöffnet würde - so würde das Seil sicherlich reißen oder der Knoten würde sich zumindest lösen. Dies war der einzig unwägbare Punkt in der ganzen Konstruktion, aber Braggasch musste dieses Risiko eingehen.
Sollte es funktionieren, würde die fehlende Spannkraft des Seils dafür sorgen, dass die Fallen im Gastraum zuschnappten. Eine von ihnen sollte das unschuldige, ebenfalls auf Spannung befindliche, Seil, welches durch sie hindurch gelegt war, kappen. Die Mausefallen waren auf derart große und gemeine Ratten ausgelegt, dass sie gezackte und geschärfte Enden hatten - ein Seil sollte für die kein Problem darstellen.
Durch das Zerteilen dieses zweiten Seiles würde natürlich die Gegenkraft zu der Falle im Flur wegfallen.
Sie würde zuklappen und den festegeklemmten Fuß unter dem Regal wegreißen.
Das Regal würde umfallen und die Tür zum Versammlungsraum erneut zuschlagen und blockieren.
Soweit der Plan.
Wenn er das Rumsen hörte, könnte er schnell nach unten und seine Konstruktion wieder einsammeln, während die Büttel und Harry sich mit der erneut verschlossenen Tür abmühten. Außerdem war das ein gutes Zeichen dafür, dass ihnen dann nicht mehr viel Zeit blieb.
Braggasch hoffte inständig, dass die Gäste sich an seine Anweisungen halten und nichts unternehmen würden.
Nach kurzem Überlegen legte der Zwerg die Dekorationsgegenstände aus dem Regal auf den Boden, man musste ja keine sinnlose Zerstörung anrichten...
Er besah sich noch einmal alles, nickte dann und eilte die Treppe hinauf zu Menélaos.
Braggasch hatte nur eines nicht bedacht: Eine große Menge Humanoider hörte niemals auf das, was man ihnen sagte.
Aber gleichviel ob seine Falle funktionierte oder nicht: Er würde ärger bekommen - und zwar nicht zu knapp. Doch trotzdem schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Solche Sachen zu bauen war einfach großartig. Er musste sich auch einen Werkzeuggürtel anschaffen...
31.08.2008 13: 40Menélaos Schmelz
Braggasch kam mit einem zufriedenen Lächeln in den Raum zurück. Endlich kam die Sache ins Rollen.
Menélaos musterte den ungewöhnlichen Zwerg. Er war ihm bereits einmal im Wachhaus begegnet und er mochte den kleinen, etwas nervösen Kerl irgendwie.
"Sehr gut, also folgendes.. Wo warst du so lange?" Der Zwerg erzählte im Schnelldurchlauf von seinem stolzen Werk. Menélaos nickte anerkennend.
"Dan können wir ja loslegen!"
Menélaos holte die kleine Flasche mit der Kaffeeprobe aus einem der dicken Lederbeutel an seinem Gürtel und stellte sie auf einen schäbigen, alten Tisch, auf dem schon der Topf und die Löffel lagen. Bald schon gesellten sich noch ein paar Röhrchen, Fläschchen, einer Saugpipette, Zucker, Vanilleschoten, Mehl und allerlei anderes, kleines Werkzeug dazu.
"...wir werden zunächst einmal die Probe aufteilen."
Menélaos sog vorsichtig mit der Pipette kleine Mengen der vermeintlich giftigen Flüssigkeit ab und füllte sie in kleine, runde Tonschalen.
"Sooo. Jetzt die Vanilleschoten."
Braggasch beobachtete aufmerksam wie Menélaos die Schoten mit einem kleinen Messer auf schnitt.
"Wieso Vanille?" fragte der Zwerg.
Menélaos, etwas verwundert, dass ihn jemand fragte,
warum er etwas tat, zog eine Augenbraue hoch.
"Nun, weil sich der Vanilleduft mit den verschiedensten anderen Düften verbinden kann. Glaub mir, wenn du tausende von Vanilletorten in den verschiedensten Variationen gemacht hast, dann merkst du förmlich, wie sich der Vanilleduft um ungewöhnliche, andere Düfte schlingt."
Er zog die würzige Vanille aus den Schoten und zerrieb sie in feine Körnchen.
"Und dann?"
"Dann geben wir etwas Apfelessig dazu, damit..."
Menélaos hielt inne.
"Damit was?"
"Ahornsaft und Waldmeister noch eins! Ich habe keinen Apfelessig dabei! Was habe ich mir nur dabei gedacht? Apfelessig..."
Braggasch, der die essenzielle Bedeutung von Apfelessig nur erahnen konnte, kratzte sich am Kopf und unterbrach den vor spontanem Selbsthass schier kochenden Menélaos, der begonnen hatte, aufgeregt im Kreis zu gehen. Ging es um sein angeschlagenes Ego-Gebiet, die Konditorei, oder noch schlimmer, die Kondichemie, dann wurde alle Besonnenheit davon gejagt.
"Äh..."
Menélaos ließ ihm keine Pause.
"...Als nächstes lässt du wohl noch die Blaubeersäure zu Hause liegen hm? Speiseeis und Cocktailkirschen! Das kommt davon wenn man mit den Gedanken schon bei der Glasur ist!"
"Äh..."
"... Genau wie damals, als ich den Erdbeersud vergessen hatte."
"Äh..."
Menélaos hielt inne. Der Zwerg war sichtlich überfordert, seine Augen huschten unkontrolliert hin und her. Vor ihm lief ein zwei Meter Riese beinahe Amok und er hatte die berechtigte Angst, dass er unter die Räder kommen könnte. Kollateralschäden sind bei Zwergen nicht unüblich.
"Du möchtest wissen was passiert ist...als ich den Erdbeersud vergessen hatte?" Menélaos' Stimme hatte sich in ein düsteres Flüstern verwandelt und er blickte dem Zwerg mit entrückten Augen ins Gesicht.
"Ähh..." piepste Braggasch.
"Sie ist in sich zusammen gefallen! Ihre Innereien liefen an ihr herab, ihre Schönheit zerbrach in einem einzigen Moment, mir stand der Schmerz ins Gesicht geschrieben, aber ich konnte...nichts mehr tun." hauchte Menélaos und seine Augen wurden feucht.
Der Zwerg hielt den Atem an, eine plötzliche Traurigkeit und ein verlegenes Rot legten sich auf sein Gesicht.
"Dein...Deine Geliebte?" flüsterte der Zwerg vorsichtig.
"Nein...nein! Das gefüllte Soufflee natürlich."
Braggasch hatte erneut Schwierigkeiten die Bedeutung dieses Dramas zu begreifen und Verwirrung löste den alten, ergriffenen Gesichtsausdruck ab.
Menélaos verharrte wie in Trance.
"Was ich sagen wollte, ich könnte mich mal in der Küche umsehen, da gibt es sicherlich Essig."
"Apfelessig!" Menélaos erwachte aus seinen Gedanken.
"Apfelessig!" nickte der Zwerg, in der Hoffnung den seltsamen Bann gebrochen zu haben.
"Das ist eine gute Idee! Ähm... tut mir Leid, wie ich mich aufgeführt habe. Aber ich ...ärgere mich dann nur so sehr und verliere mich leicht in meinen Gedanken."
Braggasch winkte dem schief lächelnden Halbepheben ab.
"Schon in Ordnung." Er meinte es ehrlich, war aber froh, dass er diesem seltsamen Szenario entkommen war.
"Sehr gut, danke! Also, wenn du schon in der Küche bist, schau dich nach Kaffee um! Dann können wir die Proben vergleichen."
Braggasch nickte und verließ den Raum. Menélaos war allein. Er musste sich jetzt auf den Sicherungsmechanismus von Braggasch verlassen.
31.08.2008 13: 58Harry
"Gut, das wäre dann alles." Jakob Teetrich gab seinem Assistenten ein Zeichen, und der steckte seinen Notizblock ein. "Es wäre schön, wenn Sie ein Auge auf Ihre Rekruten haben könnten, damit sie uns nicht in die Quere kommen. Und ich habe den anderen Gästen bereits Bescheid gesagt, dass fürs erste niemand das Hotel verlassen darf, bis wir den Fall geklärt haben."
Harry nickte. Solange der Fall noch diese Woche gelöst wurde, sollte ihm das recht sein.
"Wenn Sie Hilfe benötigen, ich bin sicher, mit meiner Erfahrung kann ich Ihnen-"
"Papperlapapp, ein Teetrich braucht keine Hilfe", unterbrach der Büttel unwirsch. "Nichts gegen Sie, aber wir bekommen das schon hin - außerdem wäre es nicht angebracht, Hilfe von einem Verdächtigen anzunehmen."
"Verdächtiger? Aber-"
"Tut mir leid, aber solange wir nicht mehr wissen, ist jeder verdächtig." Teetrich stand auf und schritt, von Hossbach gefolgt, zur Tür. "Wenn Ihnen etwas auf- oder einfällt, sagen Sie Bescheid, ja? Wenn ich nicht hier bin, dann bin ich in der Polizeistube. Etwa 200 Meter die Straße runter in Richtung Ankh-Morpork."
Der Gnom nickte. Verdächtig? Sie? Das konnte nur heißen, dass dieser Büttel noch absolut keine Ahnung hatte - und wahrscheinlich war er von diesem Fall sowieso völlig überfordert. Das konnte heiter werden...
Vielleicht... vielleicht sollte er doch noch mal mit seinen Rekruten über diesen Fall sprechen? Vielleicht konnten sie dem Büttel, tatsächlich unter die Arme greifen, ob er es wollte oder nicht... aber nein, dies war nicht ihre Zuständigkeit. Wenn der Kommandeur davon erfahren würde, wäre er sicher alles andere als begeistert.
Der Büttel war zur Tür getreten und drückte den Griff herunter, doch sie öffnete sich nicht.
"Menélaos?"
Der Angesprochene sah von seiner Arbeit auf. Braggasch stand vor ihm, mit einer Flasche in der einen und einer Schüssel in der anderen Hand.
"Ist er das?"
"Apfelessig gibt es hier keinen", erklärte der Zwerg. "Der Koch hatte Kohlessig oder Apfelwein. Ich habe die älteste Flasche Apfelwein genommen, kann sein, dass die schon zu Essig geworden ist... Ach ja, und ich habe dir etwas Kohlsuppe vom Mittagsbuffet mitgebracht."
"Kohlsuppe?" Menélaos rümpfte die Nase.
"Die gibt es hier jeden Mittag, wenn ich das richtig verstanden habe", erklärte der Zweg schulterzuckend. "Kohlsuppe mit Kohlbrot. Und das, obwohl sie hier so riesige Ratten haben..." Braggasch leckte sich die Lippen.
"Was ist denn los?", fragte Harry.
"Die Tür ist blockiert!", schimpfte Teetrich. "Los, auf drei... eins, zwei..."
Bei "drei" warfen sich die beiden Büttel kräftig gegen die Tür.
RUMMS!
"Was war das?" Menélaos sah von seiner Begutachtung der Flasche auf.
"Das Regal! Schnell, pack zusammen!" Der Zwerg huschte in den Flur. Wie erwartet, war das Regal umgekippt und blockierte die Tür, aber...
Braggasch erstarrte. Ja, das Regal war gegen die Tür gefallen, aber jemand stemmte sich von innen dagegen, und zwar mit genug Kraft, dass die Tür einen äußerst schmalen Spalt offen stand. Ein sehr schmaler Spalt nur, aber sicher breit genug für...
...einen Gnom.
Verdammt!31.08.2008 22: 11Sebulon, Sohn des Samax
Mit Zwergengeschwindigkeit und so leise, wie es nur möglich war, schloss Braggasch die Tür wieder. Verflixt, verbohrt und abgefeilt, das war nicht gut. Er sah zu Menélaos, der ihn verwirrt anschaute. Ihm musste etwas neues einfallen, und zwar schnell.
"Äh. Äh.", begann er und deutete auf die Fenster. "Dort runter, schnell. Äh, wir müssen, äh, fliehen."
Er öffnete das Fenster mit einiger Mühe
[9] und der Kohlgeruch schlug den beiden Rekruten widerlich entgegen. Auch der Duft nach Orangen, der vom aufgeregten Menélaos ausging, konnte dem Kohl in seiner ganzen Intensität nicht standhalten.
Der Weg nach unten war recht steil, aber wenn man nicht hinsah ... hastig und mit so viel Vorsicht wie nur möglich machten sie sich an den Abstieg. Dabei leistete ihnen die unregelmäßige Außenwand gute Dienste, sodass sie problemlos den Boden erreichten.
Als sie unten angekommen waren, fiel dem Zwerg auf, dass etwas fehlte. Der Gürtel! Sebulons Werkzeuggürtel! Wo hatte er ihn verloren? Aufgeschreckt von Harrys Stimme, die aus dem Gasthof kam, duckte sich Braggasch unter das nächstliegende Fenster und horchte. Was ging da drinnen vor?
Mit vor Schreck geweiteten Augen folgte er der gut verständlichen Befragung seines Ausbilders.
Sebulon kam die Treppe hinauf, nachdem er sich vergeblich nach Frau Triwal umgesehen hatte. Sie musste auf ihrem Zimmer sein. Nur welches konnte das sein? Und warum musste Braggasch gerade seinen Werkzeuggürtel nehmen? Ohne ihn fühlte er sich so nackt ...
Erstaunt blieb er stehen. Da lag der Gürtel. Er hob ihn auf und ein Gefühl des Glücks durchströmte ihn, als er ihn anlegte.
Leider endete das Glücksgefühl recht abrupt, als neben ihm eine ihm bekannte Stimme erklang, die ihm in befehlsgewohntem Ton eine schwer beantwortbare Frage stellte: "Wer hat mit dem ganzen Seil dieses Chaos angerichtet?"
Sebulon sah sich etwas verwundert um und begegnete dem zornigen Blick des Ausbilders mit Nervosität. Dann sah er die Seil-und-Rattenfallen-Konstruktion und mit einem Schlag wurde sein Blick sehr grimmig.
"Sir, ...", begann er.
Ihm kam jedoch die hilfreiche Stimme eines Gastes aus dem Erdgeschoss zuvor, der sagte: "Hat der Zwerg mit dem Werkzeuggürtel etwa für Unordnung gesorgt? Er hat vor zehn Minuten die Fallen aufgestellt. Wollte Ratten fangen. Auf Zwerge kann man sich nicht verlassen, sehen alle gleich aus und machen nichts als Ärger ..."
Harry sah seinen Schützling mit vernichtendem Blick an. "Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen, Rekrut?"
"Sir, ...", begann Sebulon, fluchte in Gedanken über arrogante Speziisten und legte sich eine Lüge zurecht.
"Ich warte, Rekrut.", knurrte der Gnom und tappte ungeduldig mit dem Fuß.
Der Zwerg straffte seine Gestalt und salutierte. "Sir, ich habe versucht dem Haus zu helfen der Rattenplage Herr zu werden." Er hörte das Knacken von Holz, und sah aus dem Augenwinkel, wie sich die Büttel stückchenweise durch die kaum geöffnete Tür schoben, also fuhr er fort: "Dabei muss sich ein Seil an dem Regal verhakt haben, Sir. Ich werde das sofort in Ordnung bringen."
"Du hast Recht, das wirst du. Ich werde mit dem Hausherrn reden und mich für meinen
missratenen Rekruten entschuldigen. Er wird dir für den Rest des Tages Aufgaben geben, bei denen du weniger falsch machen kannst, und bei denen du dem Haus mehr Nutzen bringst, um den Schaden wieder gutzumachen. Wegtreten."
So machte sich Sebulon daran, die Apparatur abzubauen, die sein Freund aufgestellt hatte.
"Hoffentlich weißt du es zu schätzen, dass ich dir deinen Rücken freihalte, du Sohn von einem bartlosen Zwerg; wo auch immer du steckst.", brummte er, als er das Regal aufrichtete.
Mit beiden Armen voll von schlecht aufgerolltem Seil und entschlossenem Blick, ging er in die Küche. Das würde kein schöner Nachmittag werden.
01.09.2008 12: 31Jargon Schneidgut
Jargon hatte die missliche Lage der Mitrekruten noch nicht bemerkt. Er war immer noch mit dem Verhör der Personen beschäftigt, die er sich selbst zugewiesen hatte. Die Befragung hatte bis jetzt noch nichts ergeben:
Herr und Frau Klarsohn waren zur Tatzeit kurz vor dem Aufbruch gewesen und dementsprechend ungeduldig.
"Wir müssen weiter nach Ankh-Morpork.", hatte Herr Klarsohn immer wieder wiederholt, und seine Frau hatte zustimmend genickt. Die beiden waren frisch verheiratet und gerade auf der Rückreise aus den Flitterwochen
[10] gewesen, als der Mord geschah. Jargon war die Rolle als Anführer sichtlich zu Kopf gestiegen. Wer 16 Jahre in der Gosse lebt, dort immer zusammengeschlagen und gepiesackt wird, dem sollte man lieber keine große Machtstellung anvertrauen. So etwas war nicht nur einmal Schiefgegangen
[11]. Nachdem er also die Befragung der Händler beendet hatte, war er keinen Schritt weiter. Die Schmuckhändler hatten kein Motiv gehabt, den Mann zu töten. Schließlich wandte sich Jargon an den Hotelbesitzer.
"Guten Tag. Sie sind Herr Richtig, nicht wahr?"
Der Angesprochene wandte langsam den Kopf und starrte Jargon aus trüben Augen an.
"Ja.", sagte er.
"Ich bin Jargon Schneidgut von der Stadtwache und würde ihnen gerne ein Paar Fragen stellen."
Der Mann blickte ihn verständnislos an.
"Wieso das? Um die Sache kümmert sich doch unser Büttel drum, wieso kommt hier stattdessen so ein Kerl aus Ankh-Morpork an? Was soll das?"
Eine Stimme in seinem Kopf schrie:
Lauf weg! Gleich verprügeln sie dich! Jargons Kindesinstinkte hatten ihn beim Genick gepackt. Immer wenn in einem Gespräch die Worte "ganz ruhig" oder "beruhig dich!" gefallen waren, hatte er kurz darauf eine Tracht Prügel eingesteckt. Leider gab es auch eine leisere, wildere Stimme, die sagte:
Du bist oft genug weggelaufen! Schlag zu!Jargon stand ein paar Sekunden wie angewurzelt da. Sein Gesicht verkrampfte sich panisch, als er gegen seinen Instinkt ankämpfte.
"Alles in Ordnung mit dir?", erkundigte sich Herr Richtig.
Kurz darauf musste er den Kopf einziehen.
"DIESMAL KRIEGT IHR MICH NICHT!", kreischte Jargon und begann, wie wild um sich zu schlagen. Glücklicherweise war Harry gerade auf dem Weg zum Hotelbesitzer, um sich für Sebulons Verhalten zu entschuldigen, und konnte Jargon mit einer Kopfnuss zu Boden schicken.
01.09.2008 17: 32Harry
Harry schüttelte den Kopf. Was war nur in seine Rekruten gefahren? Als er gesehen hatte, wie Jargon den Hotelbesitzer angreifen wollte, war er schnell auf einen Sessel geklettert und seinem Rekruten von dort aus mit dem Kopf voraus gegen die Stirn gesprungen. So eine Gnomen-Kopfnuss wirkte immer...
Jetzt stand er neben seinem Rekruten am Boden und sah den Hotelbesitzer peinlich berührt an.
"Es tut mir aufrichtig leid, Herr Richtig", murmelte er. "Ich weiß nicht, was in meine Leute gefahren ist..."
"Nun, wir sind alle ein bisschen aufgewühlt wegen des Vorfalls", entgegnete Richtig, der äußerst blass um die Nase war.
"Ein anderer meiner... äh... Zöglinge hat drüben im Flur ein Regal umgestoßen", nutzte Harry die Gelegenheit zu einer weiteren Beichte. "Wenn Sie etwas für sie zu tun haben, würde ich die beiden zur Entschuldigung morgen gerne für Hotelarbeit einspannen."
Richtig nickte. "Ich denke, da finden wir etwas."
Eine halbe Stunde später war die Mittagspause vorbei, die Rekruten saßen wieder im Tagungsraum und hörten sich Harrys Gardinenpredigt an.
"Wir repräsentieren Ankh-Morpork", verkündete dieser gerade. "Wir haben eine Vorbildfunktion - egal, wo wir uns aufhalten. Wer das nicht versteht, der hat in der Wache nichts zu suchen!"
Er sah zu Jargon und Sebulon herüber. "Damit euch das klar wird, werdet ihr beide morgen im Hotel arbeiten. Wir anderen, wir werden morgen auf einen Ausflug gehen. Wusstet ihr, dass sich gar nicht weit von hier das größte Kohl-Labyrinth der Sto-Ebene befindet? Dort werdet ihr morgen einen spannenden Tag verbringen, um euer Orientierungsvermögen und eure Thiemfähigkeit zu trainieren. Ich habe mir schon einige kleine Aufgaben ausgedacht."
Peter sah sich um, und stellte fest, dass seine Mitrekruten ebenso wenig begeistert von der Aussicht waren wie er selbst, auch wenn Harry sehr stolz auf seine "kleinen Aufgaben" zu sein schien. Da war ja die Aussicht, den Tag im Hotel zu verbringen und eventuell dabei einem Mörder auf die Spur zu kommen, deutlich verlockender... so gesehen hatten Sebulon und Jargon sogar noch Glück gehabt.
"So", fuhr Harry fort. "Ich weiß, dass das für uns alle ein aufreibender Tag gewesen war, immerhin war es nicht geplant, dass ihr hier gleich eure erste Leiche seht. Deswegen gestalten wir es diesen Nachmittag ein bisschen ruhiger. Ich habe ein paar kreativitäts- und thiemgeistfördernde Schreib- und Zeichenspiele mitgebracht, und ich denke, dies ist ein guter Anlass...
So begann der Nachmittag dahin zu plätschern, und die Rekruten sehnten sich danach, dass endlich Schluss war, und sie ihre Theorien und Verhör-Ergebnisse miteinander austauschen könnten.
02.09.2008 17: 55Kadwallader Janders
Harry schloss die thiemgeistfördernden Übungen mit einer Warnung an die Rekruten, die offenbar ziemlich wirkungsvoll war, denn die Wächter waren verstummt und aus den müden Gesichtern waren ernste und müde Gesichter geworden. Kadwalladers Gedanken waren wieder einmal abgeschweift. Bis jetzt hatten sie kaum etwas herausgefunden, außer, dass im Prinzip jeder der Mörder sein konnte. Soweit waren wohl auch schon die Büttel gekommen, die in höchst dilettantischer Weise ihre Ermittlungen fortführten.
"Was wir brauchen ist ein Konzept", begann Kadwallader, als Harry den Raum verlassen hatte, oder als die Rekruten glaubten, dass er den Raum verlassen hatte. Sicher konnte man sich da nie sein. "Zunächst sollten wir alle Räume genau durchsuchen, natürlich in Abwesenheit der jeweiligen Personen. Dazu müssen diese abgelenkt werden und Braggasch, du bekommst das mit den Schlössern hin?"
"Sicher, die Schlösser sind sehr simpel konstruiert."
"Aber auf eine Ablenkung kann man sich selten verlassen und ihr habt Harry gehört...", gab Jargon zu Bedenken.
"Deswegen werden ein, zwei Wächter die Räume während des Abendessens durchsuchen", gab Kadwallader zurück.
"Aber das funktioniert doch nicht, die Leute essen doch meist zu unterschiedlichen Zeiten zu Abend", hörte man Peters skeptische Stimme.
"Unter normalen Umständen trifft das zu Peter, aber nicht unter besonderen Umständen..."
"Besondere Umstände?"
"Wie wäre es wenn Menelaos dem Koch etwas unter die Arme griffe?"
02.09.2008 22: 13Menélaos Schmelz
Menélaos holte tief Luft und öffnete dann die Küchentüre.
"Verzeihung, Herr Zermich, Sir! Ich bringe ihnen ihren Topf und die Flasche Apfelwein wieder." Natürlich erst, nachdem er, sobald er aus dem Gruppenraum gekommen war, eine kleine Menge in ein Tonfläschchen gefüllt hatte. Er hatte die Kaffeeprobe noch nicht vergessen.
Der Küchenchef arbeitete gerade am Abendessen, sah ihn ausgesprochen müde an und nickte ihm zu.
"Stell es auf den Tisch da drüben."
Menélaos lies sich Zeit und sah sich um. Das erste Wort das ihm in den Kopf kam war "Kohl". Die Vorratsschränke waren voll davon. "Fehlt nur noch das sie Kohlgötter anbeten." murmelte Menélaos fast unhörbar
[12].
Die Küche war recht einfach gehalten, kleine Tische, zwei Arbeitsflächen, ein großer Ofen und einige Schränke und natürlich Kohl.
"Was gibt's denn heute feines?" plauderte Menélaos drauf los. Der Koch drehte sich um und sah ihm mit leerem Blick in die Augen.
"Drei mal darfst du raten."
Er zog die Nase hoch und zerhackte demonstrativ einen Kohlkopf mit dem Küchenmesser.
"Und zum Nachtisch?" fragte der Rekrut mit gespielter Hoffnung. Manfred Zermich drehte sich erneut um, stemmte die Hände in die Seiten und runzelte die Stirn.
"Sehe ich aus wie ein verdammter Zuckerbäcker oder was?" raunzte er und gähnte ausgiebig.
Bingo! "Natürlich nicht, aber ich bin einer, Sir. Und ich würde mich anbieten, ihren Gästen eine kleine Aufmunterung zu bescheren. Es war ein ereignisreicher Tag und alle sind schlecht gelaunt, weil sie hier bleiben müssen wegen dieser schlimmen Sache heute morgen."
Verwundert legte Herr Zermich den Kopf schief und sah sich den jungen Rekruten näher an. Menélaos lächelte und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. Himbeer- kämpfte verzweifelt gegen Kohlgeruch.
"Na gut, hier scheint ja in letzter Zeit eh jeder zu machen, was er will." seufzte der Küchenchef und räumte mit einem Armwisch eine Arbeitsplatte frei.
Bingo zum zweiten! "Mal sehen was für süße Leckerein du aus Kohl zaubern kannst." fügte Herr Zermich bitter hinzu und wendete sich wieder dem Abendessen zu."
Verdammt! Jetzt begann der schwierige Teil. Menélaos durchstöberte alle Schränke nach Zutaten und Vorräten, fand neben den Unmengen Kohl, allerdings nur Essig und diverse Öl-Sorten, einige wenige Gewürze, Toasts, Butter, einen halben Sack voll Zwiebeln, Ziegenmilch, etwas Trockenfleisch und einen Sack Rüben und anderes Gemüse.
"Keinen Zucker?" fragte Menélaos
"Keinen Zucker!" war die Antwort des Küchenchefs. Menélaos überlegte fieberhaft woher er Zucker oder wenigstens etwas ähnliches nehmen könnte. Es würde zu lange dauern, die Rüben zu kochen und Sirup zu machen. Mit Kohl hatte er beinahe keine Erfahrung. Er wusste, dass es sich bei dieser Sorte um hellen Weißkohl handelt, aus dem man vorzügliches Sauerkraut machen konnte, aber definitiv keinen Kuchen oder eine Nachspeise. Ein Dessert ist die Krönung einer Mahlzeit und die Wirkung eines wirklich guten Desserts ist nicht zu verachten, dass hatte Menélaos schon früh gelernt. Das gilt besonders, wenn Süßes rar ist.
Jetzt musste er sich etwas einfallen lassen. Das Gebäude verlassen durfte er nicht solange die Büttel ihr Unwesen trieben. Es war zum Zähne ausbeißen...
Bingo zum dritten! Menélaos entschuldigte sich für einen Augenblick und verschwand aus der Küche.
"Da bist du ja! Hatte ich das eben richtig gesehen, du hast Bonbons dabei?"
Kadwallader wirkte ein wenig überrascht und putzte sein Monokel. Er war gerade auf dem Weg die Treppe hinunter, als Menélaos ihn aufgeregt beiseite nahm.
"Ja, habe ich, aber..."
"Welche Sorte? Ich brauche sie für das Dessert."
"Zahnzieher. Wieso?"
"Harter Stoff, aber es muss gehen." Menélaos knallte mit der Faust in die offene Hand.
"Was bitte hast du vor?"
"Es gibt hier keinen Zucker, aber Ich kann die Zahnzieher auflösen, in Zitronensäure und etwas Alkohol. Dann habe ich meinen Zuckerguss."
"Ich habe aber nur einen kleinen Beutel voll. Das wird nie für eine Nachspeise für mehr als 10 Personen reichen."
"Ich habe da vielleicht eine Idee. Also, gibst du mir nun den Beutel?" beeilte sich Menélaos. Kadwallader atmete hörbar aus und knüpfte den feinen Lederbeutel von seinem Gürtel ab. Widerwillig reichte er Menélaos seine geliebten Dauerbonbons.
"Wirst es nicht bereuen. Gibt es etwas neues?"
"Nicht wirklich. Harry spricht gerade mit Herrn Richtig, die anderen sind oben und planen weiter."
"Und wohin gehst du?"
"Mir ein wenig die Beine vertreten", meinte Kadwallader, nickte dem Rekruten zu und ging dann seines Weges. Menélaos sah ihm kurz hinterher, begab sich dann aber ebenfalls die Treppe hinab, zurück zur Küche.
"Auf ans Werk!", freute sich Menélaos leise.
Er nahm einen kleinen Topf aus dem Regal und füllte aus seiner Kondichemieausrüstung seinen letzten Rest an Cpt. Kilians Knochen-Korn in den Behälter und stellte ihn über die Feuerstelle. Menélaos schielte zur anderen Arbeitsfläche herüber. Der Koch war fertig mit dem Abendessen und es gab dem Anschein nach gefüllten Kohl mit Rübenmus. Er stand gerade am Fenster und plauderte mit einer alten Frau und die Sonne ging bereits unter. Menélaos nahm die Zahnzieher und kippte sie in den Topf, zusammen mit dem Zitronensaft aus seinem eigenen Repertoire.
Wenn das hier vorbei ist, werde ich erstmal wieder einkaufen gehen müssen. Menélaos nahm den Topf, nachdem beißend-süßer Wasserdampf begonnen hatte den Kamin hinaufzusteigen, von der Feuerstelle und rührte die Bonbons in die Masse ein. Es klappte und schon nach wenigen Minuten hatte er einen Viertel-Liter alkoholisierte, sehr süß-saure Zuckermasse. Er nahm etwas von der Butter aus dem Schrank und schmolz diese in einer kleinen Schüssel über dem Feuer, bis sie leicht braun war.
"Das riecht aber sehr süß!" bemerkte Herr Zermich, der sich vom Fenster abgewandt hatte und nun Menélaos' Werk musterte. Menélaos kam mit der Butter zu seinem Topf zurück.
"Ja, es wird ja auch eine Nachspeise."
Er hatte keine Zeit dem Koch alles zu erklären und schüttete die Butter in die Masse.
"Was wird das wenn es fertig ist?"
"Glasierter Zuckerkohl Süapriess." antwortete Menélaos geduldig und rührte die dicke, bräunliche Masse um. Er ging, unter dem kritischen Blick von Herrn Zermich, zum Gewürzschrank und tat so, als würde er einen der Streuer nehmen, hatte aber bereits einen eigenen, kleinen Streuer aus einem Beutel seines Gürtels gezogen.
Vorsichtig nahm er eine Fingerspitze von dem weißen Pulver, ging zum Fenster, schaute hinaus und dachte
Zeit zum Abendessen! "Was ist das?" fragte Herr Zermich, als er das weiße Pulver auf der Fingerspitze des Ex-Konditors sah.
"Das," meinte Menélaos, "ist die Süapriess!" Es zischte.
Auf seinem Zimmer hatte Hannes Ulster gerade einen Moment die Augen zu gemacht, als ein fast greifbarer Geruch nach Zucker, frischer Zitrone und einem Hauch Toffee durch die Türe schwappte. Wie ein Titan erwürgte der Geruch den verhassten Kohlgestank und verbannte ihn aus dem Zimmer. Zum ersten mal seines bisher drei Tage langen Aufenthaltes, freute er sich auf das Abendessen.
03.09.2008 18: 05Braggasch Goldwart
Braggasch trat in ihrem Gemeinschaftsraum unruhig von einem Fuß auf den anderen. Unruhig wischte eine seiner Hände über die andere.
Peter Drobisch hob missbilligend eine Augenbraue. "Jetzt mach dich mal locker."
"Tut mir leid...", murmelte der Zwerg aufgeregt. "Aber die Aussicht, so viele Schlösser in Rekordzeit zu knacken, auch wenn es nur so simple sind, dass macht mich... Äh..."
"Schon klar." Peter schüttelte den Kopf. Vielleicht war dieser Goldwart ja der beste Schlossknacker unter ihnen, aber diese Nervosität war nervtötend. Dass er sich nicht
im Stillen freuen konnte, dass sie Nachforschungen anstellen konnten, während die anderen am langweiligen Abendtisch sitzen und gute Miene zu unerlaubtem Spiel machen mussten.
Drobisch stutzte.
"Riechst du das?"
"Äh... Ja...", antwortete Braggasch, nachdem er umständlich geschnüffelt hatte. "Riecht nach... Äh... Zucker?"
"Meine erste Idee war, dass es nach Kadwaller riecht, aber du hast recht, ja, es ist eindeutig Zucker. Wie komme ich bloß auf Janders?"
Der Zwerg zuckte mit den Schultern. "Das riecht verdammt lecker... Nach all dem Kohl, meine ich."
"Ja. Menélaos hat uns nicht zu viel versprochen."
"Vielleicht könnten wir... Äh..."
"Nein. Wir werden tun, wozu wir hier sind."
"Ist ja gut...", murrte Barggasch betrübt.
Schritte eilten über den Flur. Viele Schritte. Um ganz ehrlich zu sein hörte es sich sogar nach Massenpanik an.
Als sie vorbei waren warteten die beiden Rekruten noch ein, zwei Minuten, bevor Peter bestimmte: "Ich glaube es ist so weit. Los."
Braggasch zog eilig seine Dietriche, lies sie vor Aufregung fallen, hob sie wieder auf und lächelte entschuldigend.
Drobisch kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel, bevor er murmelte: "Nach dir..."
Im Gastraum herrschte ungewohntes Gedränge. Der gefüllte Kohl, der von Fiona serviert wurde, erntete nach einigen Riechproben keinen besonderen Beifall. Alle sahen sehnsüchtig zur Küche hinüber und aßen widerwillig. Selbst mit der Verheißung des wundervollen Nachtischs schmeckte der Kohl nicht unbedingt besser.
Harry sah zu dem einzigen Rekruten, der sich eingefunden hatte.
"Wo sind die anderen, Wall?", fragte er gefährlich leise.
"Hmmm?", Halllala steckte sich schnell ein Stück Kohl in den Mund, um sich Zeit zu erkaufen. Langsam kaute er und schluckte gequält. "Nuuun... Sebulon und Jargon hast du dazu verdonnert-"
"Ich weiß!", Harry wedelte mit der Hand. "Ich meine natürlich die übrigen!"
"Aaalsooo... Menélaos hilft dem Koch, glaube ich..." Wall deute auf die offene Tür zur Küche. Der große, gebräunte Mann rührte noch immer in dem Topf, aus dem es so herrlich duftete. Zerrmich stand, total verdattert, mit großen Augen daneben und war unfähig, sich zu rühren.
Der Oberstabsspieß schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
Jargon ging mit einem großen Putzeimer an der Gastraumtür vorbei, ohne sie zu beachten. Sebulon folgte mit Besen und Wischmob, doch anders als der Vorgegangene blieb er bei dem harten Geräusch der Gnomenhand stehen und spähte in den Raum.
"Wall, halt mich nicht zum Narren!", zischte Harry. "Ich will wissen wo Kadwaller, Peter und Braggasch sind!"
Halllala öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch.
Sebulon eilte hinter Jargon her und zog ihn zurück. Deute in den Raum, flüsterte etwas, und zog ihn den Gang zurück.
"Siiieee... Siiind... IchhabkeineAhnungSör.", gestand Wall.
"Das ist doch... Wenn ihr wieder ohne Erlaubnis... Ach!" Der Oberstabsspieß sprang vom Stuhl und eilte in den Gang hinaus. Beinahe hätte er Sebulon über den Haufen gerannt.
"Tut mir leid, Sör, aber ich darf dich nicht die Treppe hinauf lassen.", sagte der Zwerg fest.
"Was?"
Samax Sohn deute mit dem Daumen auf die Stufen. Jargon Schneidgut mühte sich gerade damit ab, ebendiese unter Wasser zu setzen. Er tauchte den Mob in Höchstgeschwindigkeit in den Eimer und wischte die Treppe.
"Wir haben den Auftrag bekommen, die Stufen zu wischen. Wenn du da jetzt hoch läufst, gibt es nur Flecken.", behauptete Sebulon fest.
"Willst du mich verar-"
"Tut mir Leid, Sör, aber du sagtest wir sollen Herrn Richtig helfen, und er hat uns eindeutige Anweisung gegeben."
Harry nagte ungeduldig an seiner Unterlippe.
"Es wird auch noch eine ganze Weile dauern, Sör.", fügte der Zwerg hinzu. Jargon nickte eifrig.
"Schon gut, schon gut.", murrte sein Vorgesetzter und ging langsam in den Gastraum zurück.
"Genieß den Nachtisch, Sör!", rief ihm Sebulon hinterher und zwinkerte Schneidgut zu. Dieser antwortete mit einem breiten Lächeln.
Die Untersuchung des Zimmers der Klarsohns hatte nichts ergeben - davon abgesehen, dass die beiden wohl ein recht fantasievollen Sexualleben hatten.
Auch Hannes Ulster und Mora Mira schienen entweder gut im Verstecken von Dingen zu sein, oder nicht offensichtlich schuldig.
Das Zimmer von Familie Triwal hatte Braggasch ja schon untersucht, und die Zimmer der Bediensteten und des Hotelbesitzers befanden sich im Erdgeschoss, in einem Nebengebäude.
Nun arbeiteten Peter und der Zwerg den letzten Raum, in dem Gunnar Eribäck, nach der Liste des Büttels Abenteurer, schlief.
"Schon was gefunden?", flüsterte Drobisch. Ihnen blieb bestimmt nicht mehr allzu viel Zeit. Schon im letzten Zimmer hatten sie von unten ein erleichtertes "Aaaah!" vernehmen können, ein gutes Zeichen dafür, dass der Nachtisch angebrochen war.
"Noch nicht...", antwortete Braggasch und bearbeitete das Schloss des Kleiderschranks weiter. Es war erschreckend widerstandfähig.
Peter spähte unter das Bett. "Sie mal einer an!", entfuhr es ihm.
"Was denn?" Nach einem zufriedenstellenden Klicken hatte sich Goldwart zu seinem Partner umgewandt.
"Ein Tagebuch, oder etwas ähnliches.", antwortete dieser und zog besagten Gegenstand unter dem Bett hervor.
"Na und? In Frau Miras Zimmer war auch eins. Stand nichts interessantes drin."
"Aber das hier..." Peter konnte sich einen anerkennenden Pfiff nicht verkneifen. Als er das erstaunlich schwere Buch aufgeschlagen hatte, fand er in seinem Inneren die Seiten so zerschnitten, dass sich eine rechteckige Mulde ergab. Der Innhalt der Mulde fehlte.
"Was?"
"Sieht nach einem Geheimversteck für etwas kleines aus... Vielleicht ein Giftfläschchen?"
"Möglich...", murmelte Barggasch. "Aber es... Äh... hätte auch jemand hier rein schmuggeln können..."
"Natürlich. Du hast ja gesagt die Schlösser sind einfach."
Während Peter noch einmal unters Bett schaute, ob er etwas übersehen hatte, öffnete der Zwerg den Schrank.
"Donnerschrot und Stollenbruch!"
Drobisch hob bei Braggaschs Ausruf derart schnell den Kopf, dass er unter das Bettgestell knallte.
"Verflucht!" Verärgert rieb er sich den Hinterkopf und kletterte aus seiner unbequemen Lage hervor. "Was ist denn?"
"Neben einigen Kleidern liegt hier ein Sack... Ein sehr schwerer Sack... Und er ist voller Gold!", brachte Goldwart atemlos hervor.
"Gunnar Eribäck...", seufzte Peter. "Das sieht nicht gut für dich aus..."
03.09.2008 23: 02Sebulon, Sohn des Samax
"Äh ... sollten wir nicht erst in den anderen Zimmern ..." flüsterte Braggasch, als er die Tür wieder abschloss.
"Nein, sollten wir nicht. Wir haben Beweise. Skoppuhs Delikati oder wie das auf Fremdländisch heißt. Wir schnappen uns Gunnar Eribäck und reden ein bisschen mit ihm.", entgegnete Peter.
Braggasch stand auf und steckte den Dietrich weg. "Dann müssen wir uns beeilen, dass er nichts vom Nachtisch nimmt, sonst haben wir ne Menge Zeit, bevor du deine Theorie überprüfen kannst."
Peter schaute ihn verständnislos an. "Theorie? Was bitte soll das da drin sonst bedeuten?"
Braggasch zuckte mit den Schultern. "Er kann es nicht gewesen sein, wenn es die Triwal schon war."
Peter wollte zu einer Entgegnung ansetzen, als von unten das Scharren von Stühlen zu hören war.
Wall war froh, dass er von dem Haupt-Kohl-Gang bereits satt war und nicht einmal vom Nachtisch probieren wollte. Er konnte sich zwar nicht erinnern jemals besseren Kohl gegessen zu haben aber das hatte nichts zu bedeuten
[13], also beschloss er einfach, dass es 'nicht schlecht' geschmeckt hatte und nahm sich eine dritte Portion.
"Du hast ganz schön Hunger, was?", fragte Harry, während er mit strahlenden Augen auf den Nachtisch schaute, der gerade in den Raum gebracht wurde.
Eigentlich war er sauer, dass seine Rekruten heute so aufgedreht waren, aber über den Anblick und den Geruch der süßen Verheißung auf Kohl vergaß der Ausbilder beinahe, dass seine Zöglinge seltsame Dinge taten. Wirklich, sehr seltsame Dinge. Er runzelte die Stirn. Äußerst
seltsame Dinge.
Er beschloss, schon am kommenden Tag mit ihnen den geplanten "Waldspaziergang" zu machen. Und vielleicht konnte er dort die interessanten Spiele aus dem Buch auch einbauen. Das mit dem Baumstamm bot sich eigentlich an, denn wo konnte man besser einen Baumstamm verwenden als im Wald?
Bedächtig nahm Harry eine Löffelspitze
[14] von dem unwiderstehlich duftenden Nachtisch, als er bemerkte, dass der Rekrut ihm gegenüber ihn ansah. Oder besser: Durch ihn hindurch sah.
"Worüber denkst du nach?", fragte Harry, legte den Löffel beiseite und faltete die Hände.
"Wie gut Kohlfongdüh wohl schmeckt ...", flüsterte Wall und seine braunen Augen glitzerten.
Der Gnom schüttelte den Kopf und lächelte über die Marotten seiner Zöglinge.
Der Büttel Jakob Teetrich saß mit dem Hausbesitzer an einem Tisch und sagte, laut genug, dass es jeder im Raum hören konnte: "Wir haben da eine spannende Spur gefunden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich den Namen des Täters nennen kann."
Herr Richtig bekam einen Hustenanfall.
"Doch jetzt", sagte der Büttel, "muss ich mich für das vorzügliche Essen bedanken und ..."
Er wurde bleich, stand eilig auf und wünschte noch einen schönen Tag, bevor er versuchte schnell und doch gesittet den Raum zu verlassen.
Am Nachbartisch stand Frau Mira mit hochrotem Kopf auf und entschuldigte sich bei Herrn Eribäck, dass sie kurz fort müsse um sich die Nase zu pudern. Er nickte und aß nachdenklich an seinem Nachtisch.
Auch Herr Ulster erhob sich so unauffällig wie möglich und verließ hastig den Speiseraum.
Sebulon stubste Jargon an und deutete unauffällig auf die sich entfernenden Gäste.
"Das ist nicht gut.", brummte der Zwerg.
Jargon nickte.
Der Gnom nahm den Löffel in die Hand und probierte.
"Nicht schlecht.", lächelte er, "Wall, möchtest du nicht auch etwas davon?"
Wall schaute durch ihn hindurch, verzückt von dem Gedanken an Kohlfongdüh.
Harry zuckte mit den Schultern und verspeiste nicht nur seine eigene Portion, sondern auch die von seinem Rekruten.
"Äh ... hat er davon gegessen?", fragte Braggasch und versuchte einen guten Ausblick über oder unter dem Geländer zu finden.
Peter schwieg und starrte mit offenem Mund von der Ballustrade nach unten in den Speiseraum hinein.
"Wenn er ... äh ... davon gegessen hat, können wir ihn schlecht befragen, oder?"
Peter schwieg.
"Peter?", fragte der Zwerg und sah seinen Kollegen an.
"Hat er."
"Was?"
"Er hat davon gegessen."
"Äh ... und jetzt?"
"Das ist nicht unser größtes Problem. Harry beginnt gerade seine zweite Portion."
Der Speiseraum war innerhalb von einer einzigen Minute sehr leer. Die Gäste waren nacheinander sehr entschieden und mit den interessantesten Gesichtsfarben verschwunden.
Menélaos setzte sich an den Tisch von seinem Ausbilder, der noch immer die zweiten Portion des Kompotts verspeiste, und strahlte über das ganze Gesicht.
"Hat es geschmeckt, Sör?", fragte er, als der Gnom das Besteck beiseite legte.
"Ja, danke.", sagte Harry. "Vorzüglich. Ich könnte auch noch etwas von dem Himbeer-Minz-Kompott vertragen, nach dem es hier so gut riecht. Gibt es davon etwas in der Küche?"
Menélaos wurde rot und schüttelte den Kopf.
"Nein, Sör, die Küche hat keinen Zucker mehr. Selbst, wenn ich wollte, ich könnte keinen weiteren Nachtisch mehr anbieten."
Harry betrachtete Wall nachdenklich, der noch immer in sich versunken da saß, und sagte: "Da lässt sich bestimmt etwas machen. Ich werde mit dem Herrn des Hauses reden. Es wäre eine Schande, wenn wir jeden Tag nur diesen Kohl essen müssten."
Braggasch und Peter eilten die Treppe hinunter. Jargon sah das Unheil kommen und hechtete beiseite. Sebulon hatte nicht solches Glück; da er mit dem Rücken zur Treppe stand, hörte er nur, dass hinter ihm jemand ausrutschte. Die beiden Rekruten landeten also auf einem sehr überraschten Zwerg.
"Warum immer ich?", keuchte Sebulon.
"Au, tut das weh ...", stöhnte Jargon.
"Hast du dein Kettenhemd unter der Schürze an?", ächzte Braggasch.
"Wenn du aufstehst, verrate ich es dir."
Braggasch und Peter standen auf.
"Keine Zeit. Wir müssen den Hauptverdächtigen verhören.", meinte Peter.
Dann eilten die beiden los und ließen Jargon und Sebulon zurück.
"Nicht schon wieder.", murmelte Jargon. "Nicht schon wieder ein Ablenkungsmanöver!"
"Warum immer ich?", seufzte Sebulon.
Peter und Braggasch fanden Gunnar Eribäck recht schnell. Sie mussten ja auch nur dem Stöhnen eines ausgewachsenen Abenteurers folgen. Er hockte hinter einem Busch und fluchte.
Die beiden Wächter sahen einander an und zwinkerten.
"Äh ... Herr Eribäck?", brummte Braggasch und verstellte seine Stimme. "Du brauchst dich nicht umdrehen, ich bin Büttel Teetrich und möchte dir ein paar Fragen stellen."
Der Abenteurer drehte sich tatsächlich nicht um.
"Muss das ... oh, verflucht, ... muss das jetzt sein? Bei allen Winden, ich ... argh ... habe doch schon mit Ihnen geredet."
"Es geht um das Buch.", sagte Jargon und verkniff sich einen Kommentar zu den Winden.
"Welches Buch?"
"Wir haben dein Buch gefunden und ... äh ... wir hätten gern eine Erklärung, warum du die Seiten rausgeschnitten hast."
"Ist das so wichtig, dass du das jetzt ...?", flüsterte Gunnar und unterbrach sich vor Schmerzen.
"Äh ... ja. Bitte, Herr Eribäck."
"Also ... Mein Bruder ... oh, Mistmistmist ...", keuchte Herr Eribäck. "Ich war im Knast. Mit dem Buch hat mein ... Bruder mir damals Bastelanleitungen reingeschmuggelt, damit ich etwas spannendes ... zu lesen hatte."
"Tatsächlich? Ich ...", begann Braggasch begeistert, doch Peter sah ihn strafend an und bedeutete ihm, den Abenteurer weiterreden zu lassen.
Er atmete tief durch, dann fuhr er fort.
"Ich wurde frei gesprochen, ... uuuoooooh ... weil ich tatsächlich nichts getan hatte. Habe das Buch noch immer, um mich in der Versuchung daran zu erinnern, dass Verbrechen ... sich ... nicht ... aaaaauszahlen ..."
"Und Goldsack?", bohrte Peter.
"Was wollt ihr eigentlich?", schnauzte Eribäck schwer atmend. "Meint ihr wirklich, ich hätte den Kerl ermordet? Verflixt, ... oh ... wer mit einem Sack voll Glitzersteinen im Gepäck den teuersten Raum des Gasthauses bezieht, der hat es nicht nötig, ... weioweiowei ... Menschen zu töten!"
Braggasch errötete und zog Peter fort, der noch weiter fragen wollte.
"Ja ... äh ... Entschuldigung, dass wir dich ... äh ... gestört haben. Ich dachte mir gleich, dass du ... äh ... unschuldig bist."
"Lahme Ausreden.", brummte Peter.
"Würdest du in so einer Situation Lügen erdenken können?", fragte Braggasch, als sie das Gasthaus wieder betraten.
Peter schaute düster drein. "Wenn ich ein kaltblütiger Killer wäre - ja, dann schon."
04.09.2008 11: 33Wall Halllala
Sein Blick fiel auf die abgetragenen verblichenen Stiefel. Seine Stiefel. An seinen Füßen. Wieviele Meilen hatten sie ihn getragen? Tausen.. Schnelle Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Sehr schnelle Schritte. Bei Ibag, seiner Göttin, was war da los? Wall ging zur Tür, als ein dumpfer Schlag die Schritte verstummen ließ. Unentschlossen blieb er vor vor der verschlossenen Tür stehen. Was sollte er tun? Weiter sein Dasein als Einzelgänger fristen oder sich dieser Gemeinschaft von neugierigen und aufsässigen (was die Autorität betrifft) Wächtern anzuschließen. Seine Entscheidung fiel schnell; er riss die Tür auf und fiel in seinem neugefundenen Schwung seine Kollegen zu informieren über den bewußtlossen Abenteurer Eribäck.
Erstaunt beugte er sich über den Bewußtlosen und erblickte den Schlagstock neben ihm.
06.09.2008 0: 18Menélaos Schmelz
Herr Zermich hatte wortlos begonnen den Abwasch aufzusetzen und Menélaos spülte zufrieden den Topf mit der Glasur aus. Es gab einen Brunnen in einer kleinen Kammer in der Küche, viel mehr ein angebauter Holzschuppen, aus dem er Wasser schöpfen konnte.
Die Leute saßen noch immer am Tisch oder wieder und schienen über irgendwas zu reden. Er stellte den Topf ans Fenster und schrubbte die Glasurreste heraus, während er verträumt in die Nacht starrte. Einige Sterne gaben sich die Ehre und sogar der halbvolle Mond beleuchtete die Kohlfelder, die es unter seinem Einfluss geschafft hatten, ein wenig romantisch zu wirken.
"Wunderschön nicht?" fragte der Küchenchef, der neben ihn getreten war.
"Ja...eine nette Abwechslung zur Stadt." meinte Menélaos etwas verlegen.
Herr Zermich nickte stumm und holte aus einem kleinen Schrank unter dem Fenster, der Menélaos nicht aufgefallen war, eine Flasche Brandy.
"Weißt du, ich war nicht immer Küchenchef in diesem Hause. Es gab eine Zeit, das ist jetzt sicher 12 Jahre her, da bin ich viel herum gekommen."
Er nahm zwei saubere, einfache Gläser und füllte sie mit dem braunen, starken Alkohol.
"Als Söldner habe ich mich durchgeschlagen, als Tagelöhner, Scherenschleifer und solche Dinge. Aber irgendwann war es als ob jemand einen Hebel in meinem Kopf ungelegt hätte und ich hatte den Drang mich endlich niederzulassen, auf dem Land, in Ruhe und Frieden."
Menélaos hegte die heimliche Hoffnung, dass bei ihm bitte niemals so ein Schalter im Kopf umgelegt wird. Herr Zermich reichte ihm ein Glas und Menélaos roch vorsichtig daran. Bemerkenswertes Getränk, aromatische Paradoxen, fantastische Mischungen aus sicher 4 Weißweinen und dabei eine torfige, raue und sehr alte Note.
Das Zeug ist teuer! "Ich kam dann eines Tages in diesem beschaulichen Örtchen hier an, wo gerade eine Stelle als Küchenchef frei war.
Erfahrungen mit Kohl erwünscht, hieß es auf dem schwarzen Brett. Ich hatte bedingt Erfahrung mit dem Zeug, hab mal als Feldkoch gearbeitet, da hab ich noch ganz andere Sachen gekocht."
Herr Zermich hob sein Glas, nickte dem Rekruten wortlos zu und trank einen großen Schluck. Menélaos nippte vorsichtig.
"Sagen sie Herr Zermich, das ist ja ein ganz bemerkenswerter Brandy! Der war sicher nicht billig. Haben sie den aus der Zeit ihrer Reisen?"
Etwas überrascht und aus dem Konzept der melancholischen Erzählungen seines bewegten Lebens geworfen, setzte Herr Zermich sein Glas ab, nahm die Flasche in die Hand und seufzte.
"Nein das ist ein Geschenk von einem alten Bekannten, der heute morgen leider verstorben ist."
Menélaos hatte Schwierigkeiten seine explodierende Neugier zu unterbinden. Der Raum wurde von einer Woge aus Safran und Himbeer geflutet, was Herrn Zermich, Salzla sei Dank, nicht besonders juckte.
"Äh... das tut mir Leid, Herr Zermich."
"Ach, das ist schon in Ordnung. Mir tut seine Frau nur so Leid. Die gute Agnata ist ja vollkommen durch den Wind. Ich habe ihr heute Mittag ihre Erdbeeren gebracht und sie saß in ihrem Zimmer. Dieser Arsch von Teetrich hat sie bestimmt drei mal befragt. Sie sah sehr müde aus." Herr Zermich nahm noch einen großen Schluck und füllte sein Glas nach.
"Sie kannten Die Triwals sehr gut?"
"Er kam häufiger hier her, hat das Dorf mit Schuhwerk versorgt und sich dann einen Tag oder zwei hier ausgeruht. Ein netter, alter Kerl und ein Freund von mir. Agnata war nur selten mit ihm unterwegs. Sie waren auf einer Vergnügungsreise, Hochzeitstagsgeschenk von ihm, hab nur kurz mit Hektor reden können, bevor er verstarb. Er hat es einfach nicht verdient, so ein netter Kerl."
"Glauben sie, er wurde ermordet?"
"Aber hallo glaube ich das! Ich habe nur absolut keine Ahnung, wieso dass jemand tun sollte. Der verdammte Teetrich hat mich natürlich im Visier, weil ich den Kaffee gemacht und auch wieder aufgewischt habe." schnauzte Zermich und knallte sein Glas auf den kleinen Schrank unter dem Fenster. Doch Zermich fuhr fort.
"Das macht der immer so, hin und wieder passiert irgendwas, jemand wacht nicht mehr auf, irgendwo brennt ein Zimmer oder irgendjemand wird bestohlen. Dann taucht dieser schmierige Büttel mit seinen Lakaien auf und verhört jeden Anwesenden tausend mal, treibt sich im Gasthaus herum und treibt seine
Ermittlungen voran. Dann noch Herr Richtig, der eh nur an den Ruf seines Gasthauses denkt und..."
"Sagen sie Herr Zermich, haben sie noch von dem Kaffeepulver? Oder die Bohnen?"
"Nein, das war das erste was dieser Köter konfisziert hatte."
"Furchtbare Sache, Herr Zermich. Dieser Teetrich scheint ja wirklich eine Plage zu sein." Menélaos hatte einen Verdacht.
"Sagen sie, wo wohnt der Kerl eigentlich? Im Dorf?"
"Ja, leider, meiner Meinung nach einer der wenigen schwarzen Schafe hier." Er deutete auf eine kleine Hütte neben den Kohlfeldern.
"Aha, sehr interessant. Nun Herr Zermich, danke für den guten Brandy. Es tut mir Leid um ihren Freund und ich hoffe, dass sie den Mörder finden. Sagen sie, brauchen sie morgen vielleicht Hilfe beim Frühstück?"
Zermich nickte ihm zu und lächelte schief.
"Ich kann immer Hilfe gebrauchen, vor allem wenn so turbulente Tage wie heute ins Haus stehen."
Menélaos trank aus, verabschiedete sich und schaute kurz aus dem Fenster in Richtung Teetrichs Hütte. Ein Ablenkungsmanöver, freier Zugang in die Küche, einen Verdacht und eine Kaffeeprobe zum Vergleich waren gar keine schlechten Ergebnisse für diesen Abend, dachte Menélaos im Stillen. Und der Küchenchef ist gar kein so schlechter Kerl, was er von diesem Teetrich anscheinend nicht behaupten konnte...
06.09.2008 14: 52Sebulon, Sohn des Samax
Teetrich sah seinen Sohn an.
"Wohin gehst du, Paps?"
Wilfried Teetrich sah sich um.
"Zur Wache, Jakob."
"Wenn ich groß bin, will ich auch ein Wächter werden! Genau wie du und Onkel Bertram!"
Wilfried strich seinem Sohn über den Kopf. Dann nahm er seinen Helm unter den Arm und öffnete die Tür.
"Sei brav, Jakob. Wir sehen uns nachher."
So schloss sich mit der Tür hinter Wilfried Teetrich ein Kapitel im Leben von Jakob Teetrich.Teetrich blinzelte.
Sebulon sah den Büttel verständnislos an und klopfte mit dem Wischmop ungeduldig auf den Boden.
"Was ist nun, Herr Teetrich? Oben liegt ein bewusstloser Mann. Das könnte mit dem Mordfall zu tun haben."
"Meinst du wirklich?", fragte Jargon. "Das ist doch fürchterlich unwahrscheinlich ..."
"Unwahrscheinlich ist, dass sich der Kerl selbst mit dem Knüppel erwischt hat. Herr Teetrich?"
Der Büttel drehte sich um und ging die Treppe hinauf. Ohne sich umzusehen sagte er: "Junge, geh, mach dich wieder an die Arbeit. Das Haus wird nicht von alleine sauber."
Jargon hielt den Zwerg zurück, der mit dem Mop schon ausgeholt hatte. "Lass, Sebu, lass. Ich hab auch keine Ahnung, was er gegen die Stadtwache hat."
"Hmpf.", knurrte der und ließ den Mob sinken.
Schweigend wischten sie den Boden, bis Schneidgut anhielt und seinen Kameraden fragend ansah.
"Sag mal, wo ist eigentlich Wall hin, nachdem er den Niedergeschlagenen gemeldet hat?"
Sebulon runzelte die Stirn. "In die Küche, glaube ich. Warum?"
"Ich frage mich, was er oben gemacht hat,
bevor er den Eribäck gefunden hat."
08.09.2008 20: 13Harry
Bei der nächsten freien Gelegenheit versammelten sich die Rekruten vor der Tür des Gasthauses, wo sie einerseits die Abendluft genossen - auch wenn diese einen unverkennbaren Kohlgeruch mit sich brachte - und andererseits ihre Ergebnisse austauschten.
"Man hat ihm sein Gold geklaut", teilte Sebulon den anderen mit, der das Gespräch zwischen Eribäck und Teetrich belauscht hatte.
"Das muss passiert sein, kurz nachdem wir ihn draußen befragt hatten", brummte Braggasch. "Was genau ist denn passiert, Wall?"
"Ich war oben in unserem Zimmer", entgegnete dieser. "Dann habe ich schnelle Schritte gehört."
"Schnell in welche Richtung?"
Wall dachte kurz nach. "Von der Treppe zu den Zimmern", entgegnete er dann. "Dann nur noch einen Aufprall. Als ich die Tür aufgemacht habe, lag er draußen im Flur, direkt im Eingang zu seinem Zimmer."
"Wenn Eribäck die Treppe hochgekommen ist und seine Tür hat offen stehen sehen, könnte er dorthin gelaufen sein, um nach dem Rechten zu sehen, wo ihn der Dieb niedergeschlagen hat", schlussfolgerte Kadwallader.
"Genau das hat er zumindest behauptet", bestätigte Sebulon und nahm seinem Kollegen damit den Wind aus den Segeln. "Leider hat er seinen Angreifer nicht gesehen."
"Aber der hat immerhin den Schlagstock fallen lassen. Wenn man die Fingerabdr..."
"Denkst du. Dieses Trampeltier von einem Polizisten hat den Stock natürlich sofort aufgehoben und dann auch noch seinem Assistenten in die Finger gedrückt. Keine Chance."
"Wie kann man eigentlich nur so inkompetent sein?" Kadwallader war sichtlich entrüstet.
"Fast so, als ob er es darauf anlegt, meint ihr nicht?", warf Menélaos ein.
"Aber er kann nicht der Täter gewesen sein, oder? War er nicht zu dem Zeitpunkt unten?"
"Schwer zu sagen", kommentierte Braggasch. "Ich glaube, nach dem Nachtisch ist alles so drunter und drüber gegangen, da könnte jeder sich hochgeschlichen haben... jedenfalls haben wir jetzt schon zwei Fälle. Wer weiß, ob die miteinander zu tun haben."
"Zumindest haben wir auch ein bisschen etwas erfahren", sagte Menélaos. "Der Tote hat wohl oft hier in der Gegend zu tun - was bedeutet, neben der Frau könnten auch die Dorfbewohner - also Teetrich und die Hotelangestelten - möglicherweise ein Motiv haben. Eines, das in der Vergangenheit liegt."
"Hast du den Kaffee schon analysiert?"
"Noch nicht - ich weiß auch nicht, ob das mit dem Apfelwein funktioniert. Aber ich werde es heute abend..."
"Ah, hier versteckt ihr euch!" In der Eingangstür war die kleine Gestalt von Oberstabsspieß Harry erschienen. "Ihr solltet langsam mal ins Bett gehen - das Kohllabyrinth morgen wird anstrengend. Ach ja, und habe ich schon erwähnt, dass wir hinterher noch in einem Wald vorbei schauen? Ich will ja nicht, dass ihr euch hier langweilt und auf seltsame Ideen kommt. Außerdem hat Herr Teetrich mich gebeten, euch ein wenig zu beschäftigen. Mir scheint, ihr interessiert euch mehr für Polizeiarbeit, als dem guten Büttel lieb ist - wobei ich sicher bin, dass ihr schon jetzt deutlich mehr davon versteht als er." Peter meinte kurz, ein Zwinkern in den Augen des Gnoms zu sehen. "Euren Ehrgeiz in allen Ehren - und ich verstehe ja, dass ihr gerne euer Wissen mal in der Praxis einsetzen wollt - aber offiziell haben wir mit der Sache nichts zu tun, also kann ich es offiziell wirklich nicht gutheißen, wenn ihr etwas unternehmt." Seine Miene wurde wieder ernst. "Ganz besonders, wenn dabei Möbelstücke umfallen - haben wir uns verstanden?"
Eine Viertelstunde später saßen die Rekruten in ihrem gemeinsamen Schlafsaal beisammen. Harry, der in ihrem Reisegepäck eine kleine Kiste mit einer kompletten gnomischen Wohnungseinrichtung mitgebracht hatte, hatte seine Wohnung draußen auf dem Flur aufgeschlagen.
"'Offiziell' hat er gesagt - heißt das nicht, inoffiziell dürfen wir?", fragte Wall. "Jedenfalls, wenn dabei keine Möbelstücke umfallen?"
"Selbst wenn - morgen ist trotzdem erst mal ein Wandertag angesetzt", grummelte Braggasch. "Das heißt, außer Sebulon und Jargon kann keiner etwas unternehmen..."
08.09.2008 21: 00Braggasch Goldwart
Am nächsten Morgen weckte Harry sie in aller Frühe.
Einen wirklichen Plan hatten sie am Abend zuvor nicht fassen können - man war schließlich damit verblieben, dass sich Sebulon und Jargon so gut es ihnen möglich war umhören sollten, während der Rest der Truppe Harrys Spielchen mitspielte.
So sah man in den Gesichtern der Rekruten nicht gerade die blühendste Begeisterung, als sie sich alle am kargen Frühstückstisch einfanden.
Nachdem die beiden unfreiwilligen Putzkräfte zu Säuberung der Küche eingeteilt worden waren, eröffnete der Oberstabsspieß dem Rest, dass sie von Teetrich eine Sondererlaubnis bekommen hatten, die es ihnen erlaubte, das Hotel zu verlassen. Niemand musste darauf hinweisen, dass der Büttel sie einfach aus seinen Füßen haben wollte.
Zwei Stunden stapfte der missgelaunte Haufen aus Wächtern eine staubige Straße entlang, bis sie ein stabiles, kleines Holzhüttchen erreichten, dessen großes Schild eindeutig darauf hinwies, dass hier das berühmte Kohllabyrinth seinen Anfang hatte.
Das Fenster der Hütte offenbarte eine breit grinsende, dickliche Frau, die sie herausfordernd ansah. Weit und breit war sonst niemand zu sehen.
"Guten Tag.", grüßte Harry und kletterte auf das Fensterbrett.
"Einen wunderschönen Tudelitag!", flötete die Frau. "Und Willkommen im Wunderliwunderbaren Kohllabyrinth!"
Der Oberstabsspieß brauchte einen Moment, um sich zu fassen. "Ja. Wir haben reserviert..."
"Oh!", zwitscherte die Dicke. "Da sehe ich doch direkt einmal nach." Umständlich schlug sie eine Mappe auf, die vor ihr lag, und fuhr mit dem Finger eine Liste entlang, die gut sichtbar nur
einen Namen beinhaltete. Schließlich meinte sie grinsend: "Ah! Unsere herzallerliebsten Ankh-Morporklianier! Natürlich! Aber der Bote sagte, sie würden erst um zehn da sein." Die Frau spähte auf ihre Uhr. "Das heißt, sie müssen leider noch acht Minuten warten."
Die Wächter sahen sich an.
"Äh... Warum?", lies sich Braggasch vernehmen.
"Natürlich, damit sie keinen der anderen Besucher des Labyrinths stören, mein Lieber!"
Sie sahen sich um. Weit und breit erstreckte sich - was nicht weiter verwunderlich war - Kohl. Und zwar auf eine Maximalhöhe von zwanzig Zentimetern.
"Welche Besucher?", wollte Peter wissen.
"Und welches Labyrinth?", fügte Kadwallader kühl hinzu.
Die Dicke lächelte nur breit und klapperte mit den Wimpern. Ein erfahrener Püschologe hätte dieses Verhalten als Man-hört-nicht-was-man-nicht-hören-will abgestempelt.
"Nun gut.", seufzte Harry und sprang wieder zu Boden. "Dann habe ich wenigstens Zeit, euch die Aufgaben zu erklären. Es sind zwei. Für jede Aufgabe gibt es natürlich eine Belohnung. In unserem Fall bedeutet das: Wer eine Aufgabe löst, darf zurück zum Hotel und sich ausruhen. Damit das vollkommen klar ist: Er nutzt die Zeit nicht, um irgendwelche offiziellen Nachforschungen zu betreiben, sondern macht sich einfach einen schönen Tag, klar?"
Wall beugte sich zu Menélaos und flüsterte: "Er hat schon wieder
offiziell gesagt!"
Die anderen Rekruten nickten nur.
"Gut.", fuhr der Gnom fort. "Der Trick an der Sache ist, dass somit nur maximal zwei von euch zurück dürfen, die anderen kommen mit mir in den Wald. Das heißt hier ist Tiehmwörk gefragt!"
Wieder ein Nicken.
"Die erste Aufgabe ist einfach: In der Mitte von diesem Labyrinth-"
"Sör!", unterbrach Meinélaos.
"Ja?"
"Es gibt hier weit und breit kein Labyrinth, Sör."
"Habt ihr schon mal auf den Boden gesehen?"
Sie taten es. Und entdeckten, dass der Kohl seltsame Muster bildete.
"
Das ist es?", fragte Peter.
Harry nickte bedächtig.
"Aber da kann jeder von uns... Entschuldige, jeder außer dir drüber hinweg schauen!"
der Oberstabsspieß seufzte. "Ja, richtig. Da ist Krea-tiwi-tätigkeit gefragt. Stellt euch einfach vor, es wäre höher. Also. In der Mitte von dem Labyrinth befindet sich ein Kohl, der sehr seltsam aussieht. Wer mir als erstes berichtet, was dieser Kohl im Volksmund nachbildet, ist Sieger der ersten Aufgabe. Verstanden?"
Viele verwirrte Blicke waren die Antwort.
"Gut. Die zweite Aufgabe ist etwas kniffliger. Ich werde diese drei bunten Eier hier,", er hielt die entsprechenden, gefärbten Gegenstände hoch. "in dem Kohl verstecken. Wer mir alle drei im intakten Zustand bringt, hat die zweite Aufgabe gelöst. Und seid vorsichtig, dass sie nicht zerbrechen... sie sind schon etwas älter, ich möchte keine stinkenden Rekruten haben. Zumindest nicht mehr als sonst."
Abermals nickten die Wächter zögernd.
"Eines noch, bevor ich euch in die unendlichen Weiten des Kohls entlasse: Ich selbst werde ein wenig herumgehen und jedem, dem ich begegne, Fragen aus einem Kwiss stellen, die ich hier aufgeschrieben habe." Wieder hielt der Gnom etwas hoch, dass nach winzigen, zerknitterten Kärtchen aussah. "Wer seine Frage falsch oder nicht beantwortet, muss zwanzig Liegestütz machen, klar?"
Braggasch stöhnte und Kadwallader verzog das Gesicht.
"Oh, und ihr solltet euch aufteilen, das erhöht den Spaßfaktor.", riet ihnen Harry noch, bevor er sie durch den wackeligen Torbogen scheuchte, der den Startpunkt des Labyrinths bildete.
09.09.2008 17: 20Kadwallader Janders
Das Labyrinth aus Kohl - eigentlich ein Irrgarten aus Kohl. Denn Labyrinthe zeichneten sich, wie Kadwallader wusste, dadurch aus, dass sie nur einen Weg zum Ziel kannten, ohne Abzweigungen, Sackgassen und Irrwege. Man kam also sicher ans Ziel. Ans Ziel kam man hier sicherlich auch, denn die Mitte war ja für alle Rekruten ersichtlich, dennoch hatte der Gärtner nicht darauf verzichtet einige Irrwege und Sackgassen anzulegen.
Kadwallader sah die anderen Rekruten an und war sich sicher, dass einige jetzt dachten: Sie müssten immer nur rechts gehen, also die Rechte-Hand-Regel anwenden.
Die Rechte-Hand-Regel besagte, dass der Besucher eines Irrgartens mit dem rechten Arm die Wand ohne zu überlegen, allen Abzweigungen folgt. Wird das Ende einer Sackgasse erreicht, wendet sich der Besucher und geht, weiterhin mit nach rechts ausgestreckter Hand, den selben Weg bis zu seiner Einmündung zurück und zweigt dort wiederum nach rechts ab. Dies funktioniert aber nur bei Irrgärten, deren Ziel mit der Außenwand verbunden ist.Bei unserem Kohlirrgarten also selbstverständlich
nicht, wie Kadwallader sehr genau wusste, denn das Ziel lag in der Mitte. Hier musste man eine gänzlich andere, kompliziertere Regel anwenden, die Kadwallader so faszinierte, dass er sie sofort erproben wollte und so tun wollte als wären richtige Wände vorhanden.
"Beim Erreichen einer Verzweigung nimm nach Belieben einen Weg, der kein Zeichen aufweist, oder einen Weg, der ein einziges Zeichen aufweist, und, wenn ein solcher nicht vorhanden ist, nimm den Weg, der drei Zeichen aufweist." [15]Alle Abzweigungen, Kreuzungen und Wegesterne, werden als Plätze aufgefasst, in die von verschiedenen Seiten Gänge münden. Die Zeichen werden an den Eingängen oder Ausgängen der Gänge angebracht. Kadwallader würde also vor jedem Gang, in den er lief, oder den er verließ einen Strich in die Erde ritzen. Kam er an derselben Stelle vorbei, würde auch ein neuer Strich hinzugefügt.
Verließ er einen Platz, würde er denjenigen wählen, der die geringste Anzahl von Markierungen aufwies. Damit ergab sich dann eine Reihenfolge, mit der neue Wege betreten werden sollten: 1. Weg ohne Zeichen, 2. Weg mit einem Zeichen, 3. Weg mit drei Zeichen.
Einen Gang mit zwei Zeichen zu betreten verbot die Logik: hier musste eine Sackgasse vorliegen!
Diese Methode würde ihn sicher ans Ziel führen, nach den Eiern würde er gar nicht erst suchen. Kadwallader Janders war nun in seinem Element und sein Gesicht unterschied sich insofern von denen seiner Mitrekruten, als dass es nicht von Demotivation geprägt war.
09.09.2008 19: 56Menélaos Schmelz
Menélaos hatte seine Grund-Ausrüstung an Kondichemikalien und Zubehör immer dabei. Sie gehörte zu ihm, wie Hefe zum Teig, wie Kirschen zu Grütze. Sie hatte in den letzten Tagen stark abgenommen, aber man konnte ja nie wissen, was passieren würde. Er war neben Harry der einzige, der das Labyrinth noch nicht betreten hatte.
"Was ist los Rekrut? Angst, dass du nicht mehr rausfindest?" Harry grinste.
Menélaos nickte anerkennend, ob des mittelprächtigen Spruchs und begab sich in die Klauen des Kohlfeldes. Er hatte die Vermutung, dass sich ein Bauer, aus einer Laune heraus, wahllos durch das Feld gepflückt hat und der ganze Unfug so entstanden war. Er beobachtete seine Mit-Rekruten durch die imaginären Wände. Wall lief unglücklich durch die Gänge und Peter folgte ihm. Braggasch bohrte in der Nase und stolperte über einen Maulwurfshügel, fand jedoch eine Münze und freute sich kurz. Ausschließlich Kadwallader und Harry schienen mit Interesse dabei zu sein. Er konnte den Kopf des Gnoms hin und wieder über einen Kohl ragen sehen. Manchmal kroch der Ausbilder auch auf dem Feld herum und Menélaos verlor ihn aus dem Blickfeld.
Was für ein Spaß! Er ging weiter durch die Gänge, sein Kopf war erfüllt von Müdigkeit, Langeweile, verräterischen Dorfbütteln und Kaffeeproben. Er schlurfte an einer Abzweigung vorbei und kam an eine längere Gerade, an dessen Ende Braggasch an einer Abzweigung stand und sich umsah. Menélaos trottete zu ihm. Ihre Blicke waren fast gleich: Faszinierende Monotonie in den Augen und ein ausdrucksloser Mund waren die ähnlichsten Merkmale.
"Was machst du?" fragte Menélaos.
"Ich erschrecke jeden, der ahnungslos um diese Ecke biegt." antwortete Braggasch trocken.
Menélaos nickte anerkennend, ob des mittelprächtigen Scherzes und lächelte schief.
"Ich war schon dahinten. Da sind nur Sackgassen. Hast du auch soviel Spaß?" fragte Menélaos. Sie schlenderte langsam weiter.
"Wenn ich mir vorstelle, dass ich statt dessen äh...inoffizielle Nachforschungen im Gasthaus machen könnte, nicht auszudenken, wie furchtbar langweilig das geworden wäre." Braggasch trat missmutig gegen einen erstaunlich unnachgiebigen Kohl.
"Irgendwas auffälliges?" fragte Menélaos und er verschränkte die Hände hinter dem Rücken.
"Ja, Harry benimmt sich etwas äh...seltsam!" Zwei Paar Augen suchten nach einer kleinen Gestalt. Die imaginären Wände wurden längst ignoriert
[16].
"Ist mir auch aufgefallen, eben war er da drüben. Da hat er so getan, als würde er sich auf den Boden werfen und mit einer Armbrust um sich feuern." Menélaos kratzte sich am Kopf.
"Ja und eben sah es so aus, als würde er mit einem Kohl ringen und er krabbelt die ganze Zeit umher und versteckt sich."
"Er hat auch irgendwas von Frettchentöter gerufen oder sowas." Zwei Paar Augenbrauen hoben sich fast gleichzeitig.
"Naja, weißt du was Braggasch, ich bin gestern gar nicht mehr dazu gekommen es dir mitzuteilen. Aber..." Er hielt kurz inne und schaute sich nach ihrem Ausbilder um, konnte ihn jedoch nirgendwo finden.
"Was denn?" fragte Braggasch neugierig.
"Ach weißt du, es ist zwar inoffiziell, aber...Oh schau mal, da ist eins der Eier." Menélaos deutete auf ein rotes Etwas unter einem besonders prallen Kohlkopf. Braggasch beugte sich nach unten, erschrak plötzlich und Harry stand in voller Größe vor ihnen
[17].
"Tjaaa Rekruten, da haben wir jetzt ein Problem. Ich habe drei Fragen, aber ihr seid zu zweit und es gibt nur ein Ei hier. Das heißt, wer die Fragen beantworten kann, bekommt das Ei." Harrys Blick strotzte vor Hoffnung, etwas Wettkampfgefühl in den beiden Rekruten zu wecken. Doch er wurde enttäuscht. Lediglich Braggasch schien neugierig zu sein. Harry räusperte sich.
"Nun denn. Was bewirkt die klatschianische Wunderbeere?"
"Sie kehrt die Geschmäcker um, Sir. Bitteres wird Sauer, Saures wird Süß, Süßes wird Bitter. Der letzte Schrei im Konditorenhandwerk, Sir!"
Harry mustere Menélaos. "Das stimmt, hätte wissen müssen das du sowas weißt."
Braggasch guckte etwas gekränkt, er fand die Frage offensichtlich unfair.
"Nächste Frage! Die härteste Legierung die sich aus Kupfer gew..."
"Trollbackenkupfer!" beeilte sich Braggasch.
Harry schaute etwas traurig. Hatte er sich doch solche Mühe gegeben, schwere Fragen zu finden, die die Rekruten nicht direkt beantworten konnten. Ein weiteres Mal wollte er nicht übertölpelt werden.
"Respekt Rekrut. Die entscheidende Frage: Wie lautet das siebte Gesetz des letzten Paragraphen im Verfassungsbuch der Schmiedegilde?"
Stille. Menélaos' Gedanken spiegelten sich auf Braggaschs Stirn.
Wäre Sebulon jetzt hier! Der Gnom grinste zufrieden.
"Na?" Beide Rekruten schüttelten mit dem Kopf.
"Tjaaa, das ist schade! Dann bis bald!"
Einen Augenblick später war Harry mit dem Ei verschwunden. Menélaos seufzte und Braggasch fragte sich, ob Harry die Antwort selber überhaupt kannte.
"Was wolltest du mir eben denn erzählen?" fragte Braggasch.
Menélaos kratzte sich an seinem schwarzen, krausen Kinnbart.
"Es geht um den schmierigen Büttel, Teetrich."
"Du verdächtigst ihn, nicht wahr?"
"Ja, aber ich muss Beweise sammeln. Der verfluchte Kerl hat den Kaffee konfisziert, nachdem der Mord begangen wurde. Ich wollte mich heute mal bei ihm umsehen, aber das kann ich ja ohnehin vergessen. Selbst wenn ich es geschafft hätte, stände ich doch vor Schloss und Riegel."
Menélaos trat gegen einen Kohlkopf, der erstaunlich schnell nachgab und zum Ärger der dicken Frau direkt gegen ihre Bude knallte. Braggasch jedoch hatte sein breites Lächeln wieder gefunden.
"Weißt du Menni, dir kann geholfen werden. Ich besorg dir das Kaffeepulver schon irgendwie!"
"Stimmt! Wenn nicht du, wer dann!" Menélaos schlug sich vor den Kopf. Der Anflug eines Lächelns verstarb jedoch rasch.
"Bleibt das Problem, wie du es ins Dorf schaffen willst."
"Naja, wenn wir uns beeilen und uns zusammen tun und ..." Braggasch wurde von Menélaos unterbrochen, der auf die Mitte des Labyrinths deutete, wo Kadwallader bereits eine alte Times aufgeschlagen hatte.
Braggasch stemmte die Hände in die Seite.
"Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als die Eier zu suchen. Peter hat anscheinend eins gefunden. Sollten wir ihn treffen, wird er es uns sicher schon geben, wenn wir ihm von unserem Plan erzählen. Also, auf geht's!"
Braggasch ging voran, er hatte Erfahrung in Gangsystemen und einige Eskapaden und Odysseen im Bergwerk, haben ihm einen brauchbaren Orientierungssinn beschert. Menélaos folgte ihm wie ein Blinder seinem Hund...
10.09.2008 2: 58Sebulon, Sohn des Samax
Die beiden zurückgelassenen Rekruten knieten in der Eingangshalle der
Bauernruh und schrubbten den Boden.
"Als wenn einmal nicht reichen würde.", grummelte Sebulon und spuckte in seinen Wischeimer.
"Ich glaub', die haben einfach keine Aufgaben übrig, die sie uns zutrauen.", meinte Jargon. Seine Papiere hatte er unweit auf einen Stuhl gelegt, damit sie nicht nass wurden.
"Hmm.", machte Sebulon und stand auf.
"Was hast du vor?", fragte Jargon.
Der Zwerg wollte zu einer Antwort ansetzen, als er eine Tür klappen hörte. Keinen Augenschlag später war er wieder auf den Knien und schrubbte den Boden.
Der Landhausbesitzer betrat mit zügigem Schritt die Eingangshalle und konnte sich gerade noch rechtzeitig am Geländer festhalten. Langsam und nun auch vorsichtig schob er sich am Geländer entlang durch die Halle.
"Glatt, Meine Güte. Fleißig, fleißig, ihr zwei.", lächelte Rundweg Richtig und klopfte Sebulon im Vorbeitasten auf die Schulter. "Nur weiter so, Kleiner, dann wirst du eines Tages groß und stark."
Jargon sah seinen Kollegen in der Bewegung erstarren und ergriff das Wort: "Herr Richtig, sagen Sie, gibt es nicht noch eine andere Aufgabe, die wir übernehmen könnten?"
Rundweg dachte nach und ging achtsam drei Schritte durch den frisch gewaschenen Raum.
[18]"Doch, da fallen mir tatsächlich zwei Sachen ein.", meinte Rundweg gönnerhaft und lehnte sich vorsichtig an das Geländer hinter sich an, um keinen unbedachten Schritt über den gefährlichen Boden zu machen.
"Ich kann euch ja vertrauen, nicht wahr?", fragte Herr Richtig und sah sie Rekruten mit einem Blick an, der normalerweise für Geschäftskollegen reserviert war.
[19]Die beiden Wächter nickten nicht, sie schauten Herrn Richtig nur an. Der deutete das konzentrierte Schweigen als Zustimmung und fuhr fort: "Oben gibt es ein Zimmer zu säubern. Herr Teetrich hat darauf hingewiesen, dass der Sörwiss zu wünschen übrig lässt. Teppich ausklopfen und sowas. Wird schon nicht so schlimm sein. Und der andere von euch kann im Bedienstetenhaus die Betten machen. Keiner wird etwas dagegen haben, wenn Arbeit abgenommen wird. Na, was meint ihr?"
Die Rekruten tauschten einen kurzen, hoffnungsvollen Blick aus.
"Ich übernehme das Nebenhaus; Sebulon hier wird sich oben umsehen. Nach Dreck umsehen, meine ich. Und ihn beseitigen. Äh.", brabbelte Jargon und lächelte nervös. "Wir bräuchten dann noch die Schlüssel, nicht wahr, Herr Richtig?"
"Richtig.", meinte Rundweg und förderte aus seiner linken Hosentasche zwei kleine Schlüssel zutage. "Hier, das sind Schlüssel, die im ganzen Haus passen. Wehrsaal-Dinger, so neumodischer Kram. Gebt sie mir einfach wieder, wenn ihr fertig seid."
Im Kohlfeld waren nur zwei Köpfe deutlich oberhalb des Kohls auszumachen, nämlich der von Kadwallader, der sich noch immer in der Zeitung lesend die Zeit vertrieb, und der von Peter, der fluchtartig durch das Kohl-Labyrinth rannte. Zwei Biegungen hinter ihm folgte Harry, dessen Kopf kaum über den Irrgarten hinaus ragte.
"Bleib stehen, Junge, ich habe schon begonnen, die Frage zu stellen, also musst du sie auch bis zum Ende anhören!"
"Aber ich weiß nicht, wer Thomas Silberfisch ist, da brauche ich das Ende der Frage nicht abzuwarten!", fluchte Peter und blieb urplötzlich vor Braggasch und Menélaos stehen, die keuchend Liegestütze machten.
[20]Der Längere von beiden brachte mühsam hervor: "47 ... Oberhaupt ... 48 ... Gilde ... 49 ...misten ... 50." Mit diesen Worten er ließ sich fallen und blieb laut atmend liegen.
In eben dem Moment bog Harry um die Ecke und grinste übers ganze Gesicht.
"So, Rekrut, hier ist deine Flucht zuende. Wer ist Thomas Silberfisch und was ist sein Beruf?"
Peter sah sich hilfesuchend um. "Äh ... er ... hmm ... also ...", begann er, dann salutierte er und sagte zackig: "Er ist das Oberhaupt der Gilde, Sör. Sein Beruf ist Gildenoberhaupt sein, Sör."
Braggasch Goldwart stöhnte auf. Peter hoffte, dass dieses Stöhnen nichts mit seiner Antwort zu tun hatte.
"Soso. Gildenoberhaupt sein. Na gut, lassen wir mal gelten."
Harry drehte sich um und verschwand hinter der nächsten Biegung.
"Puh, das war knapp. Danke, L-"
Die linke Hand von Braggasch hielt Peter ab, einen Schritt auf die beiden am Boden liegenden Rekruten zu machen. Verwundert hielt der Wächter inne und sah auf den Boden.
Dort, wo beinahe sein Fuß gewesen wäre, lag ein kleines, blau gefärbtes Ei.
Ohne sein Glück recht fassen zu können, machte sich Sebulon auf zum Zimmer von Teetrich. Besser konnte es doch gar nicht kommen! Er hatte den Schlüssel, den Braggasch verehren würde - und der ihm große Probleme bereiten konnte, falls Harry davon Wind kriegen würde.
Vor Teetrichs Tür stellte der Zwerg die Wasch- und Klopfutensilien des Hauses ab und konnte sich ein grinsen nicht verkneifen. Das war nicht direkt illegal. Er führte einen Auftrag aus. Er durfte diesen Raum ganz legal betreten. Nun konnte er nur hoffen, dass er etwas brauchbares finden würde.
Langsam, leise und sich in alle Richtungen umschauend, drehte der Wächter den Schlüssel im Schloss. Die Tür klickte leise und schwang in den Raum hinein.
Was Sebulon sah, ließ ihn zum zweiten Mal an diesem Tag erstarren.
Jakob Teetrich sah den bärtigen und Schürze tragenden Zwerg fassungslos an, schob die junge Frau von sich weg, die ihn eben noch geküsst hatte, kam auf ihn zu und rief: "Klopfen lernt man heute wohl nicht mehr in der Ausbildung!"
11.09.2008 0: 03Jargon Schneidgut
Jargon schlich sich durch die Gänge des Hotels. Er hatte viel Erfahrung im Schleichen, jedenfalls, wenn es darum ging, eine Bande Jugendlicher zu entgehen. Vor der erstbesten Tür blieb er stehen und holte den Schlüssel asu seiner Tasche. Mit zitternden Fingern steckte er den "neumodischen Kram" in das Schlüsselloch und drehte ihn um. Es klikcte und die Tür sprang auf. Jargon schlich sich in den Raum. Er war recht hübsch eingerichtet, und sicher nicht billig. Jargon fand zwei hübsche Schatullen. Erstaunlicherweise waren sie offen. In der einen befanden sich Schmuckstücke, Ringe und der ganze Kram eben. Jargon musste sich zwingen, nichts mitgehen zu lassen, denn der Schmuck war bestimmt recht wertvoll. In der zweiten Schatulle fand er neben Geschäftlichen Schriftstücken eine Art Vertrag. Es war eine Vär-sicherung. Jargon kannte das. Einige der Eltern seiner Peiniger aus Kindeszeiten hatten alte, Baufällige Schuppen Vär-sichert und diese dann niedergebrannt, um an Geld zu kommen. Seine Eltern hatten das nicht getan, weil sie schlicht und einfach kein solches Gebäude besaßen. Das Dokument war eine Lebens-Värsicherung. Jargon ging ein Licht auf.
"Sie- sie hat... so was kaltblütiges..."
Dann musste er kurz überlegen, warum sie das getan hatte. Verdienten Schuhändler nicht einen Haufen Geld?
[21] Er nahm das Blatt kurzerhand mit, stellte die Schatullen an ihren Platz zurück und machte sich blöderweise keinen Gedanken darum, wie er ihn wieder zurückbringen sollte.
Plötzlich knallte irgendwo eine Tür. Jargon sprang auf, verließ den Raum, schloss ihn ab und rannte in die Richtung des Geräuschs.
Sebulon stand, einige Gänge weiter, vor der Tür des Dorfbüttels und hielt sich die Nase.
"Was... was ist... passiert?", keuchte Jargon.
"Dieser Teetrich hat mir die Tür - autsch- auf die Nase gehauen!", kam die verärgerte Antwort.
"Was? Aber warum?"
"Er hat Frauenbesuch...", knurrte Sebulon.
Jargon starrte fassunglos auf die Tür Teetrichs. Dann fasste er sich.
"Hör mal, ich hab' da was gefunden...."
Wall spazierte mit starrem Blick durch das Kohllabyrinth. Ab und zu musste er sich selbst eine Ohrfeige verpassen, um nicht einfach umzukippen und zu schlafen. Er hatte in der letzten Nacht keine Auge zugetan
[22] und deshalb sehr, sehr müde.
Plötzlich kippte er einfach um. Als er auf dem Boden die Augen wieder aufschlug, sah er vor sich ein rosa Ei liegen.
11.09.2008 21: 01Braggasch Goldwart
Einige Minuten zuvor."Also, warum störst du mich?", herrschte Jakob.
Sebulon schaltete schnell und salutierte prophylaktisch. "Herr! Tut mir leid, ich ahnte nicht, dass jemand anwesend sei."
"Sieh mal einer an, wie schön sich der Zwerg ausdrücken kann!", grinste Teetrich. Sein Hemd war bereits halb aufgeknöpft. "Jetzt verzieh dich."
"Herr Richtig hat mich beauftragt, ihr Zimmer zu reinigen, Herr.", beharrte der Sohn Samax.
"Ist das so?"
"Ja, das ist so."
Zwerg und Büttel fochten einige Sekunden stumm ein Blickgefecht aus, bis Jakob barsch erwiderte: "Dann kannst du dem guten Richtig sagen, dass das nicht nötig ist."
"Herr Richtig meinte, sie hätten darauf hingewiesen, dass der Sörwiss-"
"Wer bewohnt den dieses verdammte Zimmer? Verdammt? Der verdammte Rundweg oder ich? Es ist nicht nötig! Und wenn ich auch nur irgendeinen von euch hier rumwischen sehe, werde ich mein Augenmerk bei der Suche nach dem Täter ein wenig zu dessen Gunsten verlagern - klar?"
Sebulon biss die Zähne zusammen, um eine unkluge Antwort oder eine noch unklügere Tat zu vermeiden. "Verstanden.", zischte er.
Bevor sich die Zimmertür mit Wucht vor - oder besser
auf - seiner Nase schloss, erhaschte der Zwerg noch einen peinlich berührten Blick von Fiona Kulmbecker.
Sebulon hatte sich kaum von dem Schlag erholt, da kam Jargon angerannt.
Was macht der denn hier?, schoss es ihm durch den Kopf.
Sollte der nicht im Bedienstetenhaus sein?"...Und dafür brauchen wir deine... Äh... Eier...", beendete Braggasch die Ausführung, und kam sich dabei ziemlich dumm vor. Peter, Menélaos und er hatten sich flach auf den Boden gelegt und sich beraten, nachdem die beiden Liegestütz-Leistenden endlich wieder zu Atem gekommen waren.
"Aha.", kommentierte Drobisch. "Ich soll also auf meine Möglichkeit verzichten, wieder ins Hotel zu kommen, damit du bei Teetrich einbrechen kannst?"
"Neinnein!", widersprach Braggasch energisch. "Einbrechen ist es nur, wenn man... Äh... Was mitnimmt..."
"Und du willst doch das Kaffeepulver mitnehmen, oder etwa nicht?", stellte Peter richtig.
Der Zwerg öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder.
"Also: Hilfst du uns?", schaltete sich Menélaos ein.
Der Mitrekrut stöhnte theatralisch. "Na gut, na gut. Pass ja auf die Dinger auf!" Mit diesen Worten drückte er Braggasch die beiden bunten Eier in die Hand.
"Jetzt brauchen wir nur noch das dritte...", meinte der ehemalige Konditor.
Gemeinsam rappelten sie sich auf und schritten weiter durch die Gänge.
"Hoffentlich... Äh... Taucht Harry nicht auf...", murmelte Goldwart. "Noch einen Liegestütz mehr halte ich nicht aus... Äh... Seht da, meine Hände zittern schon!"
"Du kommst doch aus nem Bergwerk, oder? Bist du da keine harte Arbeit gewohnt gewesen?", wollte Peter wissen.
Braggasch lies sich Zeit mit der Antwort, bis er schließlich verkündete: "Naja, bei mir war das... Äh..."
Plötzlich riss Menélaos die Hand hoch und unterbrach den Zwerg dadurch. "Hört ihr das?"
Die Rekruten lauschten - und konnten tatsächlich etwas entdecken. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einem asthmatischen Schlagbohrer. Drobisch beugte sich über eine nahe Kohlwand.
"Wall?", hauchte er.
Er bekam keine Antwort außer einem kurzen, schläfrigen Prusten.
"Seht mal, was er in der Hand hat!"
"Soßensteif und Vanillecreme!", entfuhr es Schmelz.
"Äh... Sollen wir ihn wecken?", fragte Braggasch und beobachtete den schlafenden Kollegen. Er lag bäuchlings auf dem Boden. Die rechte Hand um ein rosafarbenes Eis geschlossen.
Peter zuckte mit den Schultern, entzog den gesuchten Gegenstand den schlaffen Fingern und drückte ihn dem Zwerg in die Hand.
"Herzlichen Glückwunsch!", meinte er mit einem Hauch von Ironie. "Du hast die Aufgabe heldenhaft gemeistert."
"Sind alle da?" Harry musterte die Zurückgekehrten. Wall machte nicht den Eindruck, als würde er momentan irgendetwas mitbekommen: Er lehnte schlapp gegen Menélaos und seine Augen waren trübe zu Boden gerichtet. "Wie ich aus eurem Rufen herausnehme, hat Braggasch die Eier erfolgreich gesammelt. Nicht schlecht. Vielleicht habt ihr ja tatsächlich etwas Tiehmwörk in euch. Was die zweite Aufgabe angeht..."
"Der Kohl sieht aus wie zwei Kaninchen, die gerade-", fing Kadwallader an, wurde von seinem Ausbilder jedoch unterbrochen. "Ja, wunderbar, ich sehe du hast die Aufgabe gemeistert."
Der Unterbrochene hob eine Augenbraue, sagte jedoch nichts und schob nur seinen Monokel zurecht. Harry nickte befriedigt.
"Gut. Rekruten Janders und Goldwart, ihr dürft zurück. Aber denkt dran-"
"Keine offiziellen... Äh...", beendete Braggasch für ihn den Satz.
"Ja, genau. Also ab mit euch. Und ihr anderen freut euch auf einen wunderbaren Waldspaziergang!"
Rasch ließen die beiden glücklich Auserwählten das allgemeine stöhnen hinter sich.
"War das nicht Jargon?"
"Äh... Was?"
"Ob das Jargon war, der gerade in dem Bedienstetenhaus verschwunden ist.", wiederholte Kadwallader genervt.
"Oh... Möglich, ja." Braggasch war mit seinen Gedanken vollkommen woanders.
"Nun ja, vielleicht sehe ich mir das mal an."
Der Zwerg zuckte nur mit den Schultern und verschwand im Hotel.
Hoch, rechts, hoch, eine Drehung. Mit leisen "Klick" öffnete sich das schloss von Teetrichs Zimmer. Braggasch Goldwart grinste in sich hinein, schob schwungvoll die Tür auf - und erstarrte in ebengleicher Pose, wie, von dem Zwerg natürlich nicht gewusst, es sein Freund Sebulon, keine Stunde zuvor, getan hatte.
Jakob, sich gerade den Gürtel zubindend, sah langsam auf. Sein Gesicht verfärbte sich in Rekordzeit ins dunkelrote. Man konnte sich leicht vorstellen, wie metaphorischer Dampf seinen Ohren entwich.
Braggasch konnte sich nicht rühren. Verzweifelt sah er vom Büttel zu dem Bett, auf dem die ihm bekannte Bedienung lag und schlief.
"Was bei
allen HÖLLEN!", brüllte Teetrich los.
11.09.2008 21: 32Menélaos Schmelz
Peter, Wall, Menélaos und Harry stapften die zwei Stunden Fußmarsch beinahe vollständig zurück. Harry hatte ihnen von einem unglaublich tollen Waldstück östlich von Kuhnacken erzählt, wo es einen Trimmdich-Pfad gab, was den übrig gebliebenen Rekruten ein kleines Stöhnkonzert entlockte. Die dicke Frau vom Kohllabyrinth hatte darauf bestanden, den Rekruten Mörtschendais mitzugeben. Menélaos konnte einen geschnitzten Anhänger in Form eines Kohls abstauben, Wall erfreute sich an einem viel zu großen "Ich steh' auf Kohl!" T-Shirt und Peter hob sich seine Bonbons mit Knoblauch-Kohlgeschmack gewissenhaft für später auf.
Harry führte sie gerade eine der wenigen, kleinen Anhöhen herauf, mit hervorragender Sicht über Kuhnacken und die weite Ebene mit all ihren Kohlfeldern. Es war friedlich. Menélaos blickte sich gedankenverloren um, genoss die kohlfreie Luft, beobachtete die pittoresquen Hütten und das nette Gasthaus. Er konnte Braggasch ausmachen, wie er majestätisch in Höchstgeschwindigkeit aus dem Hause
Bauernruh heraus gestürmt kam, gefolgt von einem, nicht weniger grazilen Jakob Teetrich, der, mit brunftreifem Gebrüll und einem Gürtel in der Hand, Jagd auf den kreischenden Rekruten machte. Die Vöglein sangen, es war we...
Menélaos schüttelte hastig den Kopf und sah panisch nach hinten zu Wall und Peter, die sich nicht besonders für das Schauspiel interessierten. Sie waren mit Halbschlaf und Schnaufen beschäftigt. Dann drehte er sich rasch zurück. Harry hatte gerade begonnen sich dafür zu interessieren, was im Dorf vor sich ging und lief auf einen kleinen Stein zu, um eine bessere Sicht zu bekommen, da das Gras am Rande des Pfades doch recht hoch und voller Brennnesseln war. Menélaos musste handeln und blieb stehen, sehr zum Wohlgefallen der anderen beiden Rekruten.
"Sir, was ist dieser Trimmdich-Pfad genau? Das hört sich doch eigentlich recht spannend an." log er mit einem munteren Tonfall, schielte dabei nervös ins Tal.
Harry drehte sich um. Hatte er da gerade so etwas wie Motivation in der Stimme seines Rekruten vernommen? Die beiden anderen Rekruten dachten wohl ähnlich, denn sie runzelten die Stirn und schauten sich ungläubig an, vielmehr Peter schaute Wall an, welcher zu dösen schien.
"Nun... der Trimmdich-Pfad ist eine ganz besondere Herausforderung, die uns in Ankh-Morpok leider fehlt. Es gibt sechzehn Stationen..." Ein entfernter Schrei und ein triumphales Brüllen zeugten davon, dass die Jagd des Büttels erfolgreich war. Ein gespielt gelangweilter Blick von Menélaos ins Tal verursachte einen verräterischen, nervösen Himbeer-Zitrone Geruch. Peter schaute nun ebenfalls ins Tal und bekam große Augen. Harry bemerkte den Blick der Rekruten und schaute zu dem Stein, den er zuvor angepeilt hatte, und dann wieder seine Rekruten an.
"Was ist denn da los?"
"Nichts..bloß...ein paar Kühe und ein Bauer...die..."
Harry runzelte die Stirn.
"Seltsame Geräusche für einen Bauern oder Kühe..."
Peter war gebannt vom Schauspiel im Tal und achtete nicht auf seine Worte.
"Oh man, Wall, sieh dir das an, jetzt ist der kleine Kerl auf das Dach des Dorfbrunnens geklettert..."
"Was??" fragte Harry ungläubig und runzelte die Stirn.
"Ein kleiner Junge...der mit seinem ... Vater herum tollt." meinte Menélaos so ruhig wie möglich um die Normalität der Geschehnisse zu unterstreichen.
"...der alte Kerl droht ihm wütend mit der Faust..." murmelte Peter weiter vor sich hin.
"Droht wem??" Harry legte den Kopf schräg.
"Dem...Nachbarjungen, weil er...mit...Kohl nach seinem Sohn geworfen hat."
"...der andere Zwerg kommt angelaufen und redet auf den Kerl ein..."
"Welcher andere...Zwerg??" Harry's Skepsis und Verwirrung waren über deutlich.
Menélaos schluckte und sah hastig zum Dorf hinunter.
"Der kleine...Bruder von dem Jungen, ja, haha, niedlicher, kleiner Zwerg, holt seinen Vater vermutlich zum Essen." Menélaos hielt die Luft an.
"...hat doch tatsächlich seinen Gürtel in der..."
"Nun Sir, der Trimmdichpfad! Sechzehn Stationen, dass hört sich nach einer Herausforderung an!" unterbrach ihn Menélaos betont laut und tat einen Schritt nach hinten, direkt auf den Fuß von Peter, der vor Schmerz zusammen zuckte, den Wink jedoch, mit einem panischen Blick auf Harry, verstand. Dieser zog die Augen zu Schlitzen zusammen.
"Was ist hier los Rekrut? Irgendwas stimmt nicht, dass merke ich." Er drehte sich um und bewegte sich schnellen Schrittes auf den Stein zu. Menélaos hatte einen Klos im Hals und sah panisch ins Tal hinab, wo sich die Lage, Zuckerli sei Dank, entschärft hatte, denn niemand war mehr zu sehen. Harry stand bereits auf dem Stein und schaute gebannt wie ein Adler in das Dorf. Wenige Sekunden später hopste Harry von seinem Ausguck runter und ging vor den Rekruten hin und her.
"Naja, ich weiß zwar nicht was mit euch los ist, aber irgendwas ist faul."
"Sir, wir brauchen vielleicht nur mal eine Pause." meinte Peter.
"Die hattet ihr gerade! Hopp, hopp! Es geht weiter." Harry stapfte voran.
"Sir, was ist denn die erste Station des Pfades?" fragte Menélaos, erleichtert, dass nichts aufgeflogen war.
Harry kicherte und drehte den Kopf nach hinten.
"Klettern, Rekrut, wir werden gleich ein bisschen klettern..."
"Wir wollen jetzt endlich weiter!"
Klaus und Regina Klarsohn standen vor einem nervösen Rundweg Richtig, der beruhigend auf den sichtlich aufgebrachten Schmuckhändler einredete.
"Verstehen sie doch...es gab einen vermeintlichen Mordfall, da müssen alle Zeugen und...Verdächtige da bleiben. Natürlich umsonst und mit freier..."
"Sie können sich ihr
umsonst und ihren Kohl in ihren aufgedunsenen..:"
"Klaus!"
Regina Klarsohn stemmte erbost die Hände in die Hüften.
"Verzeihung Mäuselchen..." gab Herr Klarsohn klein bei und räusperte sich. Knirschend fuhr er fort.
"Wissen sie, zuerst dieser Mordfall, dann verschwindet ein ganzer Sack voller Gold und jetzt dürfen wir nicht einmal mehr gehen, weil wir Verdächtige sind! Wir haben uns mit Herrn Eribäck unterhalten und ihm ist es hier ebenso zu bunt! Er ist nur noch hier, weil er sich sein Erspartes zurück erhofft. Dieser Büttel, Teetrich, ist das allerhöchste der Gefühle! Andauernd treibt er sich vor, in oder unter unserem Zimmer herum und fragt uns aus."
"Es tut mir sehr Leid, aber ich..."
Rundweg Richtig hielt inne, als der Büttel mit einem der Zwerge aus Ankh-Morpork diskutierend den Speiseraum betrat und dabei keinen besonders glücklichen Eindruck machte.
"Tut uns aufrichtig Lied...Fehler in der Absprache...Zimmerservice...kein Grund das ganze Haus..."
Hinter ihnen trottete der andere, seltsame Zwerg, der sehr interessiert zu ihnen herüber sah. Als sie weg waren, erfasste Herr Klarsohn erneut das Wort.
"In Ordnung wir werden noch eine Nacht hier bleiben! Sorgen sie dafür das die Sache schnell aufgeklärt wird. Und übrigens, ihre Bediensteten haben schmutzige Fußspuren in unserem Zimmer nach der Reinigung hinterlassen, welche übrigens sehr dürftig ausgefallen ist. Wenn sie uns morgen nicht zufrieden abreisen lassen, dann werden sie sehen, was ein Klarsohn so alles..."
"Klaus!"
"Ja Schatzischnurpsel...."
Braggasch war an einer dunklen Stelle der Treppe stehen geblieben und hatte zugehört, was Klaus Klarsohn dem eingeschüchterten Herrn Richtig entgegen spie. Sebulon kam den Gang von Teetrichs Zimmer zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
"Man, der war vielleicht geladen und als du dann noch..."
"Sag mal hast du oder hat...äh, Jargon das Zimmer der Klarsohns gewischt?"
"Nicht das ich wüsste wieso?"
"Dann sollten wir uns dort schnell einmal umsehen..."
"Hmm große Schuhe, laufen spitz zu. Definitiv von einem Mann würde ich sagen. Definitiv keine Spuren von uns." murmelte Sebulon, doch Braggasch konnte ihn nicht hören. Er stand vor der angelehnten Türe schmiere. Sebulon sah sich den Dreck genauer an.
Dunkle Erde, kein Lehm, wenig Grasspuren, vielleicht aus dem kleinen Garten oder so."Versteck dich, der Richtig kommt!" zischte Braggasch herein und schloss die Türe.
Sebulon kroch unter das Bett und hielt die Luft an. Schritte kamen näher, entfernten sich allerdings schon bald wieder. Die Tür öffnete sich langsam und Sebulon erkannte Braggaschs Schuhe.
"Und?" stöhnte ihm Sebulon entgegen, der sich unter dem Bett hervor wälzte.
"Ist geradewegs an mir vorbei getrottet, den Gang durch und hat bei Teetrich geklopft. Er wirkte sehr blass und hat mich...äh, sehr seltsam angeschaut."
"Worauf warten wir noch? Lauschangriff!"
12.09.2008 4: 11Harry
Kadwallader traf Jargon im Bedienstetenhaus an, wo dieser gerade dabei war, die Betten zu machen. "Nanu?", fragte dieser ihn, als er ihn sah. "Schon wieder zurück?"
"Ja", entgegnete Kadwallader. "Braggasch und ich haben einen Wettstreit gewonnen, und durften als Lohn wieder ins Hotel zurückgehen. Habt ihr etwas herausgefunden?"
Jargon holte tief Luft. "Nun... Teetrich treibt es hier im Hotel mit der Kulmbecker, und Frau Triwal hat anscheinend eine große Lebens-Versicherung auf ihren Mann abgeschlossen. Ach ja, und die Bediensteten hier haben ihre persönlichen Habseligkeiten anscheinend gut versteckt, zumindest ist hier nichts zu finden."
Sein Kollege nickte nachdenklich. "Eine Lebensversicherung? Wohier weißt du das?"
"Ich habe sie in Triwals Zimmer gefunden", erklärte Jargon und zog das Blatt Papier stolz aus der Westentasche.
"Die beiden hatten also eine Lebensversicherungs-Polies dabei? Nicht gerade übliches Reisegepäck, oder?"
"Stimmt wohl. Um so verdächtiger, meinst du nicht?"
Kadwallader streckte die Hand aus. "Lass mich mal... Moment. Du hast das aus dem Zimmer von Frau Triwal mitgenommen? Kannst du dir vorstellen, wie Harry uns an die Gurgel geht, wenn er das herausfindet?"
"...hat er eine Versicherung gefunden, die auf Herrn Triwal abgeschlossen wurde", zischte Sebulon Braggasch zu. Dir beiden hatten sich vor dem Zimmer positioniert, in dem der Büttel und Richtig waren."
"Die hatte ich doch auch schon gefunden - hatte ich da nicht von erzählt?", flüsterte Braggasch zurück.
"Was? Nein, ich glaube nicht - du wusstest, also, dasss...? Egal, reden wir später drüber. Jetzt sei mal still!"
Die beiden Rekruten lauschten und konnten gedämpft und bruchstückhaft Stimmen vernehmen.
"... nicht mehr lange hier halten ... werden unruhig..." Das war eindeutig Rundweg Richtig.
"... bald vorbei ... brauche noch bis morgen abend ..." Das war der Dorfbüttel.
Noch ein paar unverständliche Worte wurden ausgetauscht, dann waren Schritte zu hören, und die beiden Rekruten zogen sich schnell um eine Ecke zurück, bevor Richtig wieder davon marschierte.
"Bis morgen abend", meinte Braggasch. "Er führt etwas im Schilde!"
"Oder er geht einfach davon aus, dass er bis morgen abend alle verwertbaren Spuren gesammelt hat, und es dann nichts mehr bringt, die Gäste hier zu halten", widersprach Sebulon. "Das ist noch lange kein Beweis, dass er ein falsches Spiel treibt."
"Das riecht geradezu nach einem falschen Spiel", brummte Kadwallader. "Hier, Triwal hat das Dokument erst vor zwei Wochen unterschrieben. Das kann wohl kaum ein Zufall sein."
Jargon nickte. "Also doch seine Frau?"
"Seine Frau... oder er selbst? Hat jemand von uns sich schon mal vergewissert, dass er wirklich tot ist? Teetrich hat die angebliche Leiche ja überraschend schnell fortgeschleppt... ich denke, jemand von uns sollte sich mal nach Hektor Triwals sterblichen Überresten umsehen."
"Außerdem sollten wir eine unauffällige Schuh-Überprüfung aller Hotelgäste machen. Vielleicht finden wir heraus, wer sich bei Klarsohns umgesehen hat."
"Gute Idee. Ich..."
"Ah, dich habe ich gesucht!" Plötzlich stand Rundweg Richtig vor ihnen und sah Jargon auffordernd an. "Wenn ihr mit dem Putzen fertig seid, hätte ich da noch eine Aufgabe..."
Etwa eine halbe Stunde später, die Dorfuhr hatte gerade fünf Uhr geschlagen, kamen die restlichen Wächter am Gasthaus an - alle todmüde und abgekämpft, bis auf Harry, der sich die letzte Etappe des Trimmdich-Pfades von allen Wächtern abwechselnd hatte tragen lassen. Die vier zurückgebliebenen Rekruten warteten schon sehnsüchtig - Richtig hatte Sebulon und Jargon die Schlüssel kurz nach Braggasch' und Kadwalladers Ankunft wieder abgenommen und sie in der Küche Kohl putzen lassen, so dass sie froh waren, sich wieder ihren Kollegen anschließen zu können.
15.09.2008 20: 15Wall Halllala
Wall streifte durch das Hotel. Er musste sich bewegen, dass wusste er, wenn er sich auch nicht erinnern konnte woher er es wusste. Doch wenn er seinen schmerzenden Muskeln jetzt Ruhe gönnte, würden sie morgen voller Dankbarkeit den Dienst verweigern. Ebenfalls wollte er den Gedankeneintopf in seinem Kopf klären. Die vielen Leute hier verwirrten ihn, aber es konnte nicht ihre Anzahl sein. Nein, ihn verwirrte das er zu tun hatte; mit diesen Leuten - vielen Leuten - zu tun hatte. Auch war er sich nicht sicher warum sie eigentlich hier waren. Anscheinend waren sie offiziell hier um offiziell etwas zu tun, was sie offiziell nicht tun sollten, aber wenn sie es inoffiziell tun würden und offiziell niemand davon wüsste, in Ordnung sei. Wall schüttelte den Kopf. Und dann noch diese Aufregung um den Toten. Lebende starben, das hat irgendetwas mit dem Wort selbst zu tun, schoss es ihm durch den Kopf, die einen früh, andere noch früher und die letzten zu spät. Eigentlich war das die Welt die er kannte. Hinzu kam noch dieses Gerede über eine Lebens-Fairsicherung. Er hatte von Fair-Sicherungen gehört. Haus, Scheune, Schnürsenkel. O.K. Aber sein Leben fairsichern? Was will ein Toter mit Geld und wer fairsichert einen Untoten? Es ergab einfach keinen Sinn. Was ihn aber am meisten verwirrte, war die schlichte Tatsache, dass er neugierig geworden war. Er wollte wissen warum dieser Schuhhändler gestorben war. Egal ob früh, noch früher oder zu spät, obwohl er heute Nachmittag noch darüber nachgedacht hatte sich diesem Abenteurer Eribäck anzuschließen und wieder die Scheibenwelt zu durchstreifen. Heute Nachmittag, bei diesem Gedanken seufzte er. Das Kohllabyrinth war nur verschwommene Erinnerung an Kohlgeruch und - seltsamer Weise - ein Ei. Aber der Trimmdich-Pfad. Klettern - er hätte einfach darum herum gehen können. Unter Baumstämmen durch kriechen - er wäre mit einem Schritt darüber gestiegen. Über Baumstämme springen - er hätte sich kaum bücken müssen um darunter hindurch zu kommen. Über einen Balken balancieren - der Pfad daneben war wohl nur Einbildung. Zu viert einen Gesteinsbrocken bergauf rollen - danach schnaufend zuschauen wie wieder hinunter rollt. Wall's Muskeln schrien bei diesen Gedanken auf, darum verdrängte er die restlichen. Und am Ende mussten sie den Oberstabsspieß auch noch abwechselnd auf der Schulter tragen. Zuerst hatte er sein Gewicht auf 1,5 kg geschätzt, aber mit der Zeit hatte er die Kommastelle des öfteren nach rechts korrigiert. Er musste innerlich lächeln; wie schnell ein Vorgesetzter doch zu einem Aufgesetzten wurde.
Wall blieb in Gedanken versunken stehen. Er musste sich entscheiden. Eribäck oder der tote Schuhhändler? Eribäck würde reden, der Schuhhändler schweigen. Er entschied sich für den Schuhhändler, nicht wegen der Ruhe, sondern weil ihm das Abenteurer einen Toten zum sprechen zu bringen, interessanter erschien, als einem Abenteurer zu zuhören.
Aber was konnte er tun? Er brauchte Informationen. Seine Kollegen fielen ihm ein, welche schon fleißig an der Arbeit waren und ihre Informationen auch untereinander austauschten. Sein Kopf schwirrte. Es fühlte sich an, als sei ein fremder Geist in ihn eingedrungen. Der Geist diesen Thiem-dingsbums. Thiemgeist, dacht er verblüfft. Aber was konnte er dazu beitragen? Wall dachte nach. Wie komm ich an Informationen? Natürlich, in Kneipen und Spelunken. Diese Leute wussten alles - und noch viel mehr - über alles und jeden.
Er sah sich um und stellte verblüfft fest, dass er vor der Tür des Büttels stand. Diesem Dietrich oder Teebeutel? Egal, ein Zeichen der Götter. Er würde in einfach fragen, ob er einen Abend das Hotel verlassen könnte um den Geburtstag seiner Oma zu feiern. Er hob die Hand um anzuklopfen, da öffnete sich die Tür und der Büttel stand vor ihm.
"Hallo Büttel, ich wollte dic...", begann Wall.
"BEI DEN GÖTTERN! DU BIST DOCH AUCH EINER VON DER STADTWACHE. ODER? LÜG MICH NICHT AN. WENN ICH NOCH EINEN VON EUCH UNAUFGEFORDERT VOR MEINER TÜR ODER AUCH NUR IN MEINER NÄHE HERUMSCHLEICHEN SEHE, SPERR ICH EUCH ALLE HINTER GITTER! SAG DAS AUCH DEN ANDEREN. HAST DU DAS IN DEIN SPATZENHIRN REINBEKOMMEN ODER MUSS ICH ES WIEDERHOLEN?", brüllte der Büttel.
Wall starrte ausdruckslos in sein knallrotes Gesicht.
"SOLL ICH ES WIEDERHOLEN ODER NIMMST DU JETZT DIE BEINE IN DIE HAND?"
"Ja."
"JA, WAS?"
"Ja. Sör.", antwortete Wall.
Damit war das Thema für ihn erledigt und er entfernte sich. Etwas war ihm aufgefallen, abgesehen von der heftigen Reaktion des Büttels. Nur er wusste nicht was.
Schuhe, dachte er. Aber Schuhe waren nichts auffälliges.
Schuhe hinter einem Vorhang. Naja, der Vorhang von einer Garderobe.
Große Schuhe hinter einem Vorhang. O.K. Es gab Menschen mit großen Füßen.
Große spitze Schuhe hinter einem Vorhang. Die Geschmäcker der Menschen sind verschieden.
Wall zerbrach sich den Kopf, doch er konnte sich nicht erklären, warum der Gedanke an die Schuhe ihn so beschäftigte.
Sebulon wollte gerade die Eingangshalle verlassen, als er Wall in seiner abwesenden Art kommen sah.
"Hey, Wall. Pass auf. Der Boden ist glatt, nicht das du fällst und dir ein Bein brichst.", rief er ihm zu. Der angerufene blieb stehen.
"Bein? Beine? Beine!", murmelte Wall.
Der Sohn des Samax betrachtete seinen Kollegen skeptisch.
"Alles in Ordnung, Wall?"
Halllala blickte ins Leere und sagte schließlich.
"Tja, ich würde dir gerne eine Geschichte erzählen, und danach wissen was du darüber denkst."
"Eine Geschichte? Äh. Gern Wall. Ähm. Aber erst nach dem Essen. O.K.?"
"Ja. Eine Geschichte über brüllende Büttel, große spitze Schuhe hinter einem Vorhang und Beinen darin. Männerbeine, vermute ich. Aber erst nach dem Essen."
Der Zwerg sah nachdenklich zu wie Wall im wiegenden Schritt des Wanderers über die von Jargon und ihm spiegelglatt gewischte Eingangshalle davon schritt. Tja, dachte er, hat jetzt völlig den Verstand verloren, bewegt sich sogar fast normal. Aber die großen spitzen Schuhe interessierten ihn schon.
17.09.2008 1: 20Braggasch Goldwart
Das Abendessen lief erstaunlich ruhig ab. Menélaos und Peter leerten nur erschöpft ihre Teller, Wall tuschelte mit Sebulon, während Jargon versuchte, ihnen zuzuhören, Kadwallader war in tiefe Brüterei verfallen und Braggasch rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. Also nichts ungewöhnliches, was Harry zu einem zufriedenen Gesichtsausdruck veranlasste. Nichts wurde umgestoßen, keine Pläne geschmiedet, keine Besucher vergiftet und niemand schrie herum.
Ein trauriges, kohlhaltiges Essen später saßen die Rekruten gemeinsam auf ihrem Zimmer.
"So langsam fügt sich alles zusammen.", murmelte Janders, und reinigte geistesabwesend seinen Monokel.
Niemand hörte ihm zu. Die drei Trimm-dich-Pfad-Teilnehmer lagen total fertig auf ihren Betten und der Rest der Mannschaft hing an Sebulons Lippen, der gerade zu erzählen begonnen hatte. "Wall glaubt also, große, spitze Schuhe in dem Zimmer vom Teetrich gesehen zu haben. Also nicht nur Schuhe, sondern auch jemanden in diesem Schuhen, der sich hinter einem Vorhang verborgen hielt. Genau solche Schuhe, die auf die Abdrücke in den anderen Zimmern passten."
"Aber... Äh... Wer hat hier solche Schuhe? Ich hab niemanden gesehen.", warf Braggasch ein.
Halllala schielte zu dem Zwerg hinüber und meinte schlaftrunken: "Und die Dinger sahen teuer aus."
"Triwal hatte welche..."
"Was?"
Peter hatte sich auf seinem Lager leicht aufgerichtet und sah zu den Anderen hinüber. "Ich sagte: Triwal hatte welche, glaub ich. Es ist mir grade wieder eingefallen, aber ich meine er hätte recht teure, spitze Schuhe gehabt, also der Tote."
Kadwallader hob eine Augenbraue. "Also können wir uns die Suche nach dem Leichnam sparen."
"Aber was für einen Sinn hätte das wenn Teetrich... Äh... Sich den Toten Triwal ins Zimmer stellt?", fiel Goldwart ein.
Sebulon sah ihn mit ausdrucksloser Miene an, die eindeutig machte, für was für eine bescheuerte Frage er Braggaschs Kommentar hielt, doch Janders antwortete: "Eine ganz einfach."
Sorgsam setzte er sein Sehglas wieder auf und genoss den Augenblick der Aufmerksamkeit, bis er fortfuhr. "Herr Triwal ist natürlich gar nicht tot. Das ganze ist eine abgeklärte Sache, um ein hübsches Sümmchen abzustauben. Da wir ja nun
endlich wissen, dass auf den guten Triwal eine Lebensversicherung abgeschlossen wurde." Bei diesen Worten warf er Braggasch einen bösen Blick zu. "Da ist der Schluss natürlich nahe, dass dieses Schuhverkäuferpärchen Geldnot hat und somit zu einem Betrug greift."
"Aber wie soll das möglich sein?", widersprach Sebulon. "Dann müsste zumindest der Teetrich noch mit drin stecken, weil der die Leiche entsorgt hat, und wenn unser guter Jakob mit bei der Partie ist, dann auch sicher der Richtig, denn der hat sich sehr auffällig mit Teetrich zusammengetan und von etwas gesprochen, das 'bald vorbei' sein soll. Lohnt sich so ein Aufwand denn noch, wenn man den Gewinn durch vier teilen muss?"
"Vielleicht, wir reden hier immerhin von zweitausend Ankh-Morpork-Dollar." Kadwallader hob zum Beweis den Fair-Sicherungs-Bescheid. Die Wächter zogen kollektiv scharf die Luft ein. "Und außerdem kommt hier das gestohlene Geld von dem Abenteurer Eribäck ins Spiel. Egal woher er es hat, Herr Triwal hat es gestohlen und schmiert damit Teetrich und Richtig. Er ist der einzige, der sich wirklich frei bewegen kann, da ihn jeder für tot hält. Alle anderen werden hier ja von jedem scharf beobachtet. Weil es ihm nicht genug war, hat sich der gute Hektor dann noch in den übrigen Zimmern umgesehen, ob sich was lohnendes klauen lässt. Gunnar Eribäck hat ihn während so einem Streifzug überrascht und wurde niedergeschlagen. Später hat Teetrich ihm gedroht, wenn er etwas von dem nicht toten Triwal erzähle würde, dann würde er es so drehen, dass er, also Gunnar Eribäck, an dem Mord schuld sei und dafür büßen muss." Kadwallader klang vollkommen sicher und überzeugend.
"Und welche Rolle spielt Rundweg Richtig dabei? Ich meine, wofür ist er wichtig?", fragte Jargon.
"Ganz einfach. Er musste dafür sorgen, dass alle im Hotel bleiben, damit Triwal das Geld klauen konnte.", erklärte der Monokelträger.
"Und Teetrich hat den Kaffee konfesziert...", meldete sich Menélaos von seinem Bett her.
"Richtig. Der, wie du sicherlich noch feststellen wirst, keinesfalls vergiftet ist."
"Also war das alles nur ein großer... Äh... Fair-Sicherungs-Betrug?", fasste Braggasch zusammen.
Kadwallader nickte.
"Ich weiß nicht...", murmelte Sebulon. "Irgendwas stört mich dadran."
"Was gibt es denn da nicht zu wissen?", fuhr ihn Janders an. "Die Sache liegt ganz klar auf der Hand!"
Der Zwerg verkreuzte die Arme und schüttelte langsam den Kopf.
Kadwallader ignorierte ihn. "Was wir jetzt nur noch tun müssen, ist endlich die Kaffeeprobe zu untersuchen und mit Eribäck zu reden."
"Um ihn davon zu überzeugen, dass er besser mit der Wahrheit rausrückt.", schloss Peter den Satz und nickte eifrig.
Stumm sahen die Wächter einander an, dann meinte Braggasch schließlich, mit einem Blick auf Sebulon: "Ich... Äh... Glaube auch nicht das es so einfach-"
Weiter kam er nicht, denn ein spitzer Frauenschrei aus einem der benachbarten Zimmer unterbrach ihn.
Es war Agnata Triwal.
Sie schrie: "
Wo ist sie?"
Unwillkürlich blickten alle auf die Versicherung, die noch immer in Kadwalladers Hand hing.
19.09.2008 14: 33Sebulon, Sohn des Samax
"Pack sie weg!", zischte Sebulon und stand rasch auf. Sein Kopf verdeckte kaum das eine Blatt, das Kadwallader hastig zwischen Jargons Papiere schob. Der legte so unauffällig wie möglich den kompletten Stapel auf den Boden, verschränkte die Arme und lächelte gezwungen.
Gerade rechtzeitig, wie sich zeigte, denn just in dem Augenblick stürmte Frau Triwal auf die Balustrade und rief: "Ihr dreckigen Diebe!"
Der Zwerg räusperte sich und sagte in einem möglichst beruhigendem Tonfall: "Können wir Ihnen ..."
"Du halt ja den Mund, Werkzeugwicht, und bleib mir fern!", zeterte sie, als sie die Treppen hinunter und an Sebulon vorbeistürmte. "Nicht, dass ich noch Flöhe von euch Unholden bekomme."
Peter sah aus dem Augenwinkel, dass Harry die Kinnlade herunterklappte.
Vor Braggasch blieb Agnata stehen und sah ihn strafend an.
"Du.", sagte sie. "Rattenfresser. Wo hab ihr sie?"
Der blondgelockte Zwerg schloss die Augen.
Die Stille, die sich auf den Raum legte, war kein Schuldgeständnis. Sie hatte auch nichts mit den Beleidigungen zu tun. Es war reine Sorge, denn alle wussten, was passieren würde, wenn Braggasch zu reden begann.
Alle wussten, dass das nächste Wort alles entscheiden konnte. Unsicherheit würde bedeuten, dass sie etwas damit zu tun hatten.
Der Rekrut zählte innerlich.
Eins. ...
Mistmistmistmist, dachte ein Teil von ihm,
ich weiß, dass ich das kann ...... drei ...
... aber warum muss das gerade jetzt sein? Können wir nicht vielleicht das Thema wechseln und über ...... fünf ...
... etwas mechanisches reden? ... sieben.
Dann entschied er, dass sieben nicht genug waren, und zählte weiter bis einundzwanzig.
Schließlich sah er auf, nahm den Helm ab, lächelte die zornesrote Frau Triwal an und holte Luft.
"Wen suchen sie denn?", fragte Harry, der auf der rechten Schulter des Zwergs saß.
"Nicht wen! Was!", keifte Frau Triwal und Braggasch nutzte den Moment des kommenden Monologs für einen dankbaren und erleichterten Blick zu seinem Ausbilder. Er hatte zwar nicht bemerkt, dass ein Gnom an ihm hochgeklettert war, aber solange er nicht reden musste, sah er gern darüber hinweg, dass nun jemand auf ihm saß.
Die Schuhverkäuferin weinte beinahe.
"Die einzige Erinnerung, die ich an meinen Mann habe. Ein recht wertloser Zettel, eigentlich, wenn er ihn nicht handschriftlich ... oh, mein armer Hektor, mein armer, armer Hektor! ..."
Harry nickte langsam, während sie sich die Nase putzte.
"Sie haben unser vollstes Beileid, Frau Triwal. Wir könnten vielleicht bei der Suche behilflich sein, wenn wir wüssten, worum es geht. Was steht denn auf dem Blatt, das sie verloren haben?"
Schlagartig war Frau Triwal leise.
Janders merkte auf. Das war seine Chance. Seine große Möglichkeit, allen zu beweisen, dass deduktive Logick immer zum Ziel führte.
"Sie suchen ein Blatt.", sagte er. "Aber es ist nicht irgendein Blatt."
Alle Köpfe, inklusive einer Schuhverkäuferin, drehten sich zu Kadwallader.
Der nahm jedoch sein Monokel ab und mit einer Engelsgeduld putzte er es.
Aufmerksamkeit und die perfekte Lösung. Es gab nichts besseres.
"Sie suchen ein Blatt, das Sie zittern macht, wenn Sie nur daran denken. Das Informationen beinhaltet, ohne die Sie nicht leben können."
Erneut begann Frau Triwal zu schluchzen.
"Sie suchen ein Blatt, auf dem Ihr Mann ..."
"Hör auf!", rief sie und sank auf ihre Knie. "Du hast ja recht!"
"Weint die jetzt echt wegen ihres Betrugs?", murmelte Peter zu Sebulon.
"Da stimmt was nicht.", brummte der und sagte laut: "Was stand auf dem Zettel, Frau Triwal?".
"Das ist doch ganz klar!" rief Kadwallader und funkelte den Zwerg an.
Niemand fiel ihm ins Wort, wenn er einen großen Moment hatte;
n i e m a n d machte ihm seinen Ruhm streitig. Jetzt hieß es handeln.
"Wie ich gerade im Begriff war, zu sagen: Auf dem Papier, das diese Frau sucht, steht ..."
Agnata Triwal unterbrach ihn mit einem zutiefst wehmütigen Geheul. Wall reichte ihr mitleidig ein Taschentuch, in das hinein sie lautstark schneuzte; und bevor sie wieder zu weinen begann, rief sie: "Seine Liebeserklärung."
Harry war mit Frau Triwal in ein Zimmer im Erdgeschoss verschwunden, aus dem noch immer Seufzer kamen.
"Dass sie so lange verheiratet sind, und erst diesen Monat gesteht er ihr in einem Brief seine Liebe ...", murmelte Peter.
Wall zuckte nur mit den Schultern und sagte leise, etwas abwesend: "Die Ehe ist ein Haus."
"Alles gespielt.", meinte Kadwallader.
"Auch die Tränen?", fragte Peter.
Janders schnaubte abfällig und seine grauen Augen blitzten. "Gerade die."
Menélaos sah sich um. "Wo sind eigentlich die beiden Zwerge?", fragte er.
"Wen interessiert das schon?", meinte Kadwallader. "Ihr habt mir genug Zeit geraubt. Ich brauche nur ein
einziges Beweisstück, mit dem kann ich sie überführen. Und das, guter Jargon, ist in deinen Unterlagen."
"Die sind die Treppe rauf.", meinte Wall schläfrig.
Alle sahen den wettergegerbten Wächter an.
"Die Unterlagen?", fragte Jargon.
"Ja, die auch."
In der einen Hand hielt Sebulon die Unterlagen von Jargon, in der anderen den Arm von Braggasch, als beide kurz vor der Tür des Büttels stehen blieben. Er ließ seinen Freund los und schlug den Ordner mit den Unterlagen auf, um nach der darin versteckten Fairsicherung zu suchen.
Der blondgelockte Zwerg bekam große Augen und sagte: "Äh ..."
"Sag nichts.", meinte der Sohn von Samax. "Wir müssen Teetrich einfach ..."
"... äh ..."
"... das richtige Dokument zeigen, und dann wird er zugeben ..."
"... äh, moment ..."
"... dass hier ein großer Schwindel vorliegt, denn ..."
"Windkolben und Schraubzange, Sebu! Dreh dich um!"
Der Zwerg folgte mit dem Blick der Richtung, die die Hand seines Freundes wies, und sah hinter sich.
Die Tür zu Teetrichs Raum stand geöffnet.
Ein leichter Nebel schwebte im Zimmer, in dem ein Mann von der Decke hing.
Eine in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt stand in der Ecke und sagte: "HALLO, HERR TEETRICH."
"Wer bist du? Gib dich zu erkennen. Ich will dein Gesicht sehen."
"ICH FÃœRCHTE, ES WIRD DIR NICHT GEFALLEN."
Die Gestalt trat aus dem Zwielicht.
"Oh, du bist Tod, nicht wahr?"
"IN DER TAT."
"Und ich bin ..."
"JA."
"Das gefällt mir tatsächlich nicht."
"ICH HATTE DICH GEWARNT."
Der Nebel wurde dichter.
Eine Sense blitzte durch den Nebel und der Astralleib löste sich vom toten Büttel.
Jakob Teetrich sah an sich hoch.
"Naja, ich hab schon schlimmer ausgesehen.", meinte er. "Vor allem morgens, vor dem rasieren. Aber das ist ja vorbei ... äh, was passiert jetzt?"
"NUN, DU MUSST VON DIESER WELT ABSCHIED NEHMEN UND INS JENSEITS GEHEN."
"Und dann?"
"DAS HÄNGT GANZ DAVON AB."
Teetrich zögerte.
"Sehe ich dann ... meinen Vater wieder?"
"WILLST DU IHN WIEDERSEHEN?"
"Ja, ich denke, ich würde ihn gern wiedersehen. Und ihm sagen, was aus mir geworden ist. Ja."
"IHR MENSCHEN SEID SELTSAM.", meinte Tod und Seite an Seite verließen sie das nebelschwangere Zimmer durch eine Wand.
20.09.2008 2: 53Harry
Schweigend standen die Rekruten und Harry um die von der Decke hängende Leiche des Büttels.
"Warum?", fragte Peter schließlich.
Harry, der in den Raum gelaufen war, als er die aufgeregten Rufe seiner Rekruten gehört hatte, schüttelte den Kopf. Noch einmal würde er sicher nicht dieses Gasthaus für Thiemtrainings-Seminare wählen. Sein einziger Trost war, dass dieses höchstwahrscheinlich zur Abwechslung mal wieder ein Ereignis war, an dem nicht seine Rekruten Schuld waren.
"Okay", sagte er nach einigem Nachdenken. "Lassen wir die Scharaden sein und benehmen uns mal wie echte Wächter, ja? Ich weiß doch, dass ihr hinter der ganzen Triwal-Sache her geschnüffelt habt. Also, was wisst ihr?"
Nach kurzem Zögern begannen die Rekruten reihum zu erzählen - von ihren Verdächtigungen, von ihren Beobachtungen und ihren Schlussfolgerungen. Sogar die Versicherungs-Poliess wurde dem Oberstabsspieß vorgelegt, der daraufhin nur den Kopf schüttelte.
"Aber das ist kein Liebesbrief, oder?", fragte er schließlich.
"Nein, es steht auch nichts derartiges drin. Vielleicht hat Frau Triwal einfach die Nerven verloren, weil sie dachte, wenn sie jetzt von einer Lebensversicherung erzählt, wirft das ein schlechtes Licht auf sie."
"Und ihr hattet in diesem Raum einen zweiten Mann gesehen?"
"Wall hatte ihn gesehen. Zumindest seine Schuhe - hinter dem Vorhang."
Harry sah in die angegebene Richtung. "Das macht einen Selbstmord natürlich höchst unwahrscheinlich. Wer auch immer hier drin war, könnte Teetrich überwältigt und dann an die Decke gehängt haben."
"Wir glauben, es könnte Triwal selbst gewesen sein, der seinen Tod nur vorgetäuscht hat", meinte Kadwallader.
"Nun gut." Harry sah auf. "Wir machen folgendes: Ich informiere Richtig und bringe hinterher Frau Triwal die Versicherung zurück. Braggasch, Jargon, ihr geht zum Wachhaus im Dorf und alarmiert Muglin Hossbach, Teetrichs rechte Hand. Versucht außerdem, Triwals Leiche zu sehen oder festzustellen, wo sie untergebracht wurde. Alle anderen: Schwärmt aus und durchsucht alles nach dem geheimnisvollen Mann mit den spitzen Schuhen. Aber denkt dabei daran, dass ihr hier keine offiziellen Wächter seid - also verhaltet auch unauffällig und macht nichts Illegales, klar?" Bei den letzten Worten warf er Braggasch einen mahnenden Blick zu.
Die Rekruten um ihn herum murmelten zustimmend, und Harry meinte, so etwas wie Jagdeifer in ihren Augen zu sehen.
Der Gnom schmunzelte. Na, das war doch ein gutes Thiemtraining...
21.09.2008 22: 27Jargon Schneidgut
Jargon und Braggasch marschierten durch das Dorf.
"Was meinst du, hat Kadwallader recht?", fragte Jargon. Der Mord hatte ein merkwürdiges Gefühl in ihm ausgelöst, und er war froh, von der Leiche weg zu sein.
"Naja. Vielleicht... Ich meine, er hat mal so was erwähnt: Wenn alles mögliche auszuschließen ist, vermute das unmögliche oder so."
"Also glaubst du, dass er Recht hat?"
"Vielleicht.", wiederholte der Zwerg. Der erhängte Dorfbüttel war für beide ein Schock gewesen, noch nie war der Tod so... geradewegs gekommen. Der Vergiftete
[23] hatte wenigstens den Anstand gehabt, keine offensichtliche Todesursache zu haben. Aber die erhängte Leiche des Dorfbüttels hatte etwas... unheimliches an sich, als ob der Tod persönlich neben ihm gestanden hätte.
Die Rekruten erreichten das Wachhaus von Kuhnacken nach wenigen schweigsamen Minuten.
"Was denn?!", fragte Hossbach hinter dem Tresen im Innern des Wachhauses auf die Anfrage der Rekruten.
"Wir haben einen Toten gefunden-"
"Was?! Noch einer? Wollt ihr mich verar-", rief Hossbach, während er aufsprang.
"Wirklich! Es ist Jakob Teetrich!"
Der Wächter sank langsam mit starrem Blick auf seinen Stuhl zurück.
"Jakob...Teetrich..."
Er starrte die Rekruten an.
"Das ist ein Witz, oder? Jakob! Der gute Jakob!"
Er sprang wieder auf.
"Wo habt ihr ihn gefunden?!", rief er.
"In- in der 'Bauernruh'. Er wurde erhängt.", stotterte Braggasch.
Der Wächter stürmte zur Tür.
"Das muss ich mit eigenen Augen sehen!", schrie er, während er zur Tür hinaussprang. Die Rekruten folgten ihm hastig.
"Warten sie! Wir wollten noch-", rief Jargon ihm hinterher, doch der Wächter war schon fort.
"Jetzt müssen wir wohl selber nach der Leiche sehen.", brummte Braggasch und ging zurück ins Wachhaus.
In dem kleinen Häuschen roch es - neben Kohl - nach Kaffee und Zigarretenrauch. Es war dunkel, die hölzernen Fensterläden waren bis auf einen Spaltbreit geschlossen: Ein typisches Bullenbüro.
Die beiden Rekruten standen in einem kleinen Zimmer, von dem aus zwei Türen wegführten, eine an der West- und eine an der Ostseite des Raumes.
"Wo sollen wir hier eine Leiche finden?", fragte sich Jargon.
Zuerst versuchten es die Beiden an der linken Tür, sie war -für kurze Zeit- verschlossen. In dem Raum befand sich ein kleines Bett mit Strohmatratze und einige Säcke, die, wie die Rekruten nach kurzer Untersuchung feststellten, Kaffeebohnen enthielten. Außerdem stand in dem Raum eine Kaffeemühle.
"Hier finden wir nichts", meinte Braggasch, "versuchen wir es mit dem anderen Zimmer."
"Warte noch.", sagte Jargon und lief zu dem Strohbett. Er sah darunter und zog dann einn kleines, dreckiges Büchlein hervor.
"Teetrichs Tagebuch!", jubelte er. "Das nehmen wir mit."
"Woher hast du gewusst, dass es hier ist?!"
"Wo würdest du dein Tagebuch verstecken?"
"Äh, keine Ahnung, hab keins."
"Egal.", sagte Jargon und steckte das Buch in die Tiefen seiner Jackentaschen. "Auf zum andern Zimmer."
Die andere Zimmertür hatte ein etwas stabileres Schloss, das Braggaschs Künsten sogar für kurze Zeit widerstand.
Kaum war die Tür geöffnet, wussten die beiden, dass sie hier richtig waren.
"Buah, stinkt das!", murmelte Braggasch.
"Das riecht, wie meine Katze gerochen hat, nachdem sie von einem Karren überfahren wurde!", kommentierte Jargon. Dieser Raum enthielt nichts, außer einem kleinen Tisch. Auf dem Tisch lag ein Tuch, unter dem sich offensichtlich ein Körper befand.
"Müssen... müssen wir... da drunter kucken?!" Jargon würgte, und Braggasch nickte grimmig. Die beiden näherten sich vorsichtig dem Tisch und hielten sich die Nase zu. Jargon unterdrückte einen Brechreiz, als Braggasch vorsichtig die Hand nach dem Tuch ausstreckte. Er zögerte kurz, dann zog er es weg.
Die beiden starrten auf das, was darunter lag.
"Hat Hannes Ulster nicht mal über einen Diebstahl geredet?"
"Ja, da ging es doch um eine Schaufensterpuppe, mit der er seine... Waren zur Schau stellte..."
Die Beiden starrten auf die Holzpuppe.
"Ich WUSSTE das Kadwallader Recht hat", sagte Braggasch.
22.09.2008 17: 11Braggasch Goldwart
Die übrigen Rekruten blieben in Teetrichs Zimmer stehen, als Harry kurz hinter Jargon und Braggasch den Raum verließ.
"Wo sollen wir anfangen zu suchen?", fragte Sebulon zögernd.
"Keine Ahnung", entgegnete Peter, "aber sollten wir ihn nicht zuerst runternehmen?"
"Doch, ja.", brummte Sebulon.
"Sollten wir.", fügte Kadwallader an.
Niemand rührte sich.
Etwas knarrte, und ein leises Rumsen war zu hören.
"Was machst du da, Mené?"
Mit unschuldigem Blick richtete sich der Kondichemiker auf. In seiner Hand ruhten ein paar Kaffeebohnen. "Teetrich hat den Kaffe im Schrank aufbewahrt, ich dachte mir es wird langsam mal Zeit etwas Gewissheit zu erlangen, wenn Jargon und Braggasch nicht erfolgreich sind." Als wäre das Erklärung genug, drängte sich der große Mann an den Übrigen vorbei und verließ den Raum. Niemand erhob Einwände.
"Sagt mal...", meinte Peter nach einer Weile. "Ich verstehe so einige Dinge noch nicht. Erstens: Warum wohnte der Teetrich eigentlich hier, wenn doch sein Büro und wahrscheinlich Haus ganz in der Nähe ist?"
"Wegen der Bediensteten... Fiona Kulmbecker.", mutmaßte Kadwallader.
"Aber warum trifft er sie nicht außerhalb, bei sich?"
Janders zuckte mit den Schultern. "Sie durfte ja das Hotel nicht verlassen. Wahrscheinlich hat ers einfach nötig gehabt."
"Oder es war von Richtig geplant."
"Wie meinst du das?", fragte Wall.
"Na ja, ich meine, der olle Rundweg hat Teetrich davon überzeugt besser hier zu übernachten, wie auch immer er das gemacht hat, vielleicht mit Fiona als Druckmittel, damit er den Büttel im Auge hat und... Umbringen kann."
Plötzlich hatte Drobisch die Aufmerksamkeit aller im Raum Anwesenden voll auf seiner Seite.
"Warum sollte er das tun?", hakte Sebulon nach.
"Wer außer Richtig hätte denn etwas von dem Mord? Seht mal, wenn Kadwalladers Schlussfolgerungen richtig sind - sieh mich nicht so an, ich bezweifle es ja gar nicht - dann hätte sich Richtig das Gold mit Teetrich teilen müssen. Jetzt hat er es für sich allein."
Sie dachten darüber nach.
Samax Sohn wackelte mit dem Kopf. "Klingt sehr vage."
"Aber wenn es stimmt... Harry ist grade auf dem Weg zum Richtig...", warf Wall ein.
Auch darüber dachten sie nach.
"Meinst du er ist in Gefahr?"
"Ich weiß nicht... Ja, vielleicht, Harry kann ganz schon ungemütlich werden."
"Der arme Rundweg."
"Was steht drin?", wollte Braggasch wissen.
"Ich weiß nicht, das ergibt keinen Sinn..." Jargon drehte das Buch um sich selbst, um auszuschließen, dass er es falsch herum hielt.
"Wieso?"
"Weil diese Buchstaben vollkommen wirr aneinander gereiht sind."
"Vielleicht... Äh... Verschlüsselt?"
"Möglich. Geben wir's Kadwallader, der kennt sich damit aus und hält dann eine Minuten die Klappe."
Braggasch nickte. Ein weiser Plan. "Wir sollten jetzt zurück und den anderen... Äh... Bescheid sagen."
"Warte." Jargon lief noch einmal in den Nebenraum und kam mit einer Hand voll Kaffeebohnen wieder. "Für Menélaos, zum Vergleich."
"Gute Idee."
Wie magisch zog die Holzpuppe wieder ihre Blicke auf sich.
"Ich frage mich... Äh..."
"Warum es hier so stinkt.", vollendete Schneidgut den Satz seines Mitrekruten.
Wortlos sahen sie sich an.
In fast brillanter Synchronisation beugten sie sich hinunter und sahen unter den Tisch.
Wenige Sekunden später stand Braggasch vor der Tür. Sein Gesicht hatte eine sehr blasse Farbe angenommen. Die Geräusche aus dem nahen Kohlfeld, eine Mischung aus Würgen und Platschen, besserten seine Gefühlslage nicht wirklich.
Schließlich kam Jargon zurück und wischte sich über den Mund.
"Wer zur Hölle war das?", brachte er hervor. "Und was wird hier eigentlich gespielt?"
Braggasch konnte als Antwort nur mit den Schultern zucken.
Die beiden Rekruten erreichten ihren Gemeinschaftsraum exakt in der Minute, als Menélaos ein triumphierendes "Aha!", ausstieß.
Die anderen Rekruten saßen nach einer gründlichen
[24], aber erfolglosen Hoteldurchsuchung auf ihren Betten und beobachteten Schmelz bei seinen komplizierten, kondichemischen Handgriffen. Braggasch war zusätzlich zu der Übelkeit, die auch ihn ergriffen hatte als sie den Toten fanden, nun auch schwindelig, da sie beide zurück gerannt waren, deshalb brachte er keinen Ton heraus, doch Jargon rief mit überschlagender Stimme: "Er ist nicht vergiftet worden!"
Im gleichen Moment drehte Menélaos sich um und verkündete fest: "Er ist vergiftet worden!"
Verwirrte Stille schloss sich an.
"Was?"
"Was?"
"Triwal. Er ist nicht vergiftet worden."
"Doch, ist er."
"Ist er nicht, seine Leiche ist nur eine Puppe."
"Bitte was?"
Peter stand auf und hob beide Hände. "Bitte, immer mit der Ruhe. Jargon, erzähl, was ihr rausgefunden habt."
Der Angesprochene schnappte ein paar mal nach Luft, ehe er antwortete: "Es gibt keine Leiche von Triwal. Er ist nicht tot. Bei den Bütteln lag nur eine Holzpuppe."
"Er ist nicht tot?"
"Zumindest liegt er nicht da. Aber jemand anderes. Also eine andere Leiche. Sieht schon ziemlich... alt aus." Bei der Erinnerung würgte es Jargon.
"Wo... ist eigentlich... Äh... Hossbach?", jappte Braggasch plötzlich.
"Der Büttel? Keine Ahnung, warum fragst du?"
"Er wollte... herkommen." Erschöpft lies sich der Zwerg auf sein Bett sinken.
"Wir haben ihn nicht gesehen.", meinte Peter schulterzuckend.
Menélaos drängte sich nach vorn. "Auf jeden Fall war der Kaffe vergiftet, das ist sicher, bei Zuckerli und-"
Sebulon hob beschwichtigend die Arme. "Sachte, Mené. Jedem kann mal ein Fehler unterlaufen."
"Du hast was von einer anderen Leiche gesagt." Kadwallader schnappte sich Jargon und hielt ihn eine Armlänge von sich entfernt.
"Aber Hossbach..."
"Der Kaffee war..."
"Was ist nun mit der Leiche..."
Daraufhin schloss sich allgemeines, chaotisches Durcheinander an.
22.09.2008 23: 39Menélaos Schmelz
Menélaos verließ das Stimmengewirr mit der Ausrede, er müsste mal den Abort besuchen. Es war den anderen egal. Vor der Türe atmete er tief durch, schüttelte den Kopf und begann nachzudenken. Braggaschs und Jargons Entdeckung hatte alles nur komplizierter gemacht. Jetzt haben sie eine alte, unkenntliche Leiche, vergifteten Kaffee, eine bekannte Leiche, eine Lebens-Fairsicherung, keinen Sack voll Gold und ein chaotisches, turbulentes Gasthaus, voller entnervter Gäste, die sich, sollte das mit Teetrich populärer werden, noch mehr so fühlen, als säßen sie auf der Schlachtbank: Darauf wartend, wen es als nächstes trifft.
Die Tür neben dem Raum mit den Rekruten öffnete sich und Frau Triwal kam heraus. Sie schloss die Türe und blickte in das müde, nachdenkliche Gesicht von Menélaos.
"Was ist los?" fragte sie vorsichtig.
"Wissen sie Frau Triwal, hier geht es drunter und drüber, da braucht man mal eine kleine Pause."
"Wem sagen sie das! Ich will endlich hier weg, eine Leichenkutsche für meinen Mann besorgen und dann in Ruhe den nachlass klären. Es ist alles so schrecklich, dieser verfluchte Ort! Mein armer Hektor..."
Frau Triwal blickte betroffen zu Boden, Menélaos brachte seine Anteilnahme mit einem traurigen Zitronen-Waldbeere Geruch zum Ausdruck. Menélaos wusste nicht wirklcih wie er mit der Situation umgehen sollte.
"Ähm...Ich kannte ihren Mann nicht, Frau Triwal. Aber er hatte einen ausgezeichneten Geschmack was Brandy angeht. Wissen sie der Koch..."
"Was erlauben sie sich!" Frau Triwal schaute sichtlich erbost. Die Zitrone schlug panisch in Himbeere um und Menélaos war sich keiner Schuld bewusst.
"Ich verstehe nicht ganz. Habe ich was falsches gesagt?"
"Mein Mann würde Alkohol niemals anrühren, geschweige denn überhaupt ein gutes Wort über dieses Teufeslzeug verlieren! Dieses Gift hat seinen Vater und seine Mutter umgebracht. Er hat es verabscheut und alles was damit zu tun hatte."
"Ver...zeihung, da habe ich mich wohl vertan..."
Einige Zeit zuvor: In einem sehr, sehr kleinen Raum in Kuhnacken erwachte jemand mit Schmerzen im Kopf, als wäre darin der Ankh explodiert!Menélaos hatte sich absolut nicht vertan und sein Magen begann zu schmerzen. Der Koch hatte ihn satt angelogen. Wie konnte er auch ahnen, dass Menélaos mit der Witwe Triwal über Alkohol sprechen wird.
Menélaos hatte sich endgültig auf den Abort zurück gezogen. Hier hatte er wirklich seine Ruhe, sogar vor den Wogen aus Kohlgeruch, die eine aussichtslose Schlacht gegen die Dämpfe aus dem Abort ausfochten. Menélaos konnte den Tief-Durchatmen-Reflex unterbinden und begann der Koch in das große Kuhnacken-Puzzle einzubauen.
Zunächst einmal stand es so gut wie fest, dass es sich um mehrere Täter handelt. Rundweg Richtig hatte sich mit seinem Verhalten bei Teetrich im Zimmer recht verdächtig gemacht und hält die gesamte Belegschaft inklusive Gäste gebündelt in seinem Haus zusammen. Der Koch hatte versucht Teetrich bei Menélaos schlecht zu reden und sich mit einer vermeintlich harmlosen Lüge verdächtig gemacht. Der Küchenchef und Teetrich konnten anscheinend wirklich nicht gut miteinander, aber ob zwischen dem angeblich toten Schuhverkäufer und dem Koch alles so im Reinen war, blieb nun ebenfalls stark anzuzweifeln. Teetrich selber hatte nach dem aktuellen Stand der Dinge auch irgendwie Dreck am stecken, schließlich hat nicht jeder einfach eine Leiche im Nebenraum liegen.
Menélaos bekam langsam Kopfschmerzen und er beschloss den Abort wieder zu verlassen und sich in den Rekruten Käfig zurück zu begeben. Auf dem Flur traf er auf Harry, der nicht besonders glücklich schien.
"Und, was hat Rundweg Richtig gesagt?"
"Eine ganze Menge. Ich bin ihm mit meinen Fragen über Teetrich wohl recht schnell auf die Nerven gegangen, seine Schweißflecken unter den Armen, sein Gestotter und sein gehetzter Blick sind eindeutige Indizien, dass der Kerl irgendwie was weiß oder drin steckt." Harry öffnete die Türe zum Gemeinschaftsraum. Peter und Braggasch stritten sich. Sebulon rieb sich nachdenklich das Nasenbein und murmelte vor sich hin, Kadwallader hatte sich mit dem Buch hingesetzt und Wall schien zu schlafen.
"Wo ist Jargon?" fragte Harry, der eigentlich erwartete hatte, entweder keinen oder alle Rekruten, inklusive brutal verhafteter und verstümmelter Verdächtige, vorzufinden.
Jargon hatte seine sieben Zettel gepackt und sich aus dem Tumult aus Rekruten davon geschlichen. Er hatte da eine Idee. Im Gastraum saßen einige der Zwangs-Gäste, der dösende Portier und ein blasser Rundweg Richtig mit einem großen Glas Schnaps in der Hand. Niemand achtete auf den Rekruten, wie er aus dem Gasthaus ging, in Richtung Friedhof. Ein bronzener Kohlkopf über einem Rosenbogen begrüßte Jargon und gab den Blick auf einige schlichte Gräber. Nervös schaute sich der junge Wächter um. Die meisten Gräber waren mit einem schlichten Stein versehen, die Namen waren entweder nicht lesbar oder ihm unbekannt. Er hatte fest mit einem Hinweis auf die Leiche gerechnet.
"Was glaubst du findest du hier Freundchen? Das Grab der Leiche aus dem Büro?"
Jargon drehte sich um und riss die Augen auf.
"Sie??"
Harry hatte sich mit den Rekruten geeinigt. Braggasch sollte Rundweg unauffällig beobachten. Kadwallader saß auf einem Stuhl und arbeitete an dem Buch. Wall und Peter gingen los um den anderen Büttel zu suchen. Harry, Menélaos und Sebulon wollten sich mal nach dem Koch um hören und im Dorf außerdem ein paar Informationen über Teetrich erfragen.
Jargon öffnete die Augen und konnte sich nicht bewegen. Mehrere Meter dickes Seile waren um seinen Körper gewickelt und bloß etwas abendliches Licht aus den Rolladen am Fenster gewährten ihm die Sicht auf die dunkle Gestalt die nachdenklich am Tisch saß. Jargon stöhnte leise. Die Gestalt drehte sich um.
"Ganz schön neugieriger Haufen. Ihr dreckigen Schnüffler könnte nicht aufhören euch überall einzumischen oder?"
Jargon wurde panisch. Nicht wegen seinem Zustand oder der misslichen Lage, sondern weil seine Zettel nicht da waren, wo sie sein sollten.
"Was hast du getan?" keuchte er.
"Ich habe keine Ahnung was du und deine Freunde oder dieser Witz eines Gnoms schon wissen. Du wirst auch keine Gelegenheit haben, irgendwem etwas neues zu erzählen." Die Gestalt lachte humorlos.
"Wie ich hörte, habt ihr Jakob gefunden. Ich bin froh, dass wir ihn erst jetzt los werden mussten, nachdem uns dieser dicke Brocken gelungen war."
Jargon verstand nicht recht. Seine Gedanken drehten sich im Kreis.
"Brocken?...Wir?"
"Ja, wir. Alleine hätte ich das nicht geschafft. Ich meine, einen ordentliche Menge Gold, etwas Schmuck und dann noch diese Lebensversicherung von Frau Triwal. Da werden wir uns wohl noch einmal genauer umsehen müssen."
"Woher wissen sie davon?"
"Du bist ganz schön neugierig."
Menélaos öffnete die Türe zur Küche, die ungewohnt geschlossen war. Harry stapfte herein, gefolgt von Sebulon und Menélaos. Es war niemand da.
"Seltsam, weiß jemand wo der Koch wohnt?"
Die Rekruten schüttelten mit dem Kopf. Harry verließ die Küche und ging zurück in den angrenzenden Gastraum, wo noch immer die diskutierenden Gäste saßen, inklusive Rundweg und sein Glas Schnaps. Harry hielt inne und trat zu Rundweg herüber, der panisch die Augen auf riss und schluchzte.
"Ich weiß doch auch nichts! Ich habe doch niemandem was getan!"
"Herr Richtig, ich bin mir sicher das sie wissen wo der Koch Zermich wohnt. Und wo sind eigentlich ihre anderen Bediensteten?"
"Der Koch wohnt direkt gegenüber vom Brunnen, das Haus mit den rötlichen Kacheln. Wo die Mädchen sind weiß ich nicht. Sie haben heute ihren freien Nachmittag und der Büttel meinte, das ginge okay." Rundwegs Fassade aus Zuversicht und Höflichkeit war dahin. Der Mann schien wirklich am Ende zu sein oder ganz einfach überfordert, weil er zu tief in etwas herein geraten war, dass er nicht kontrollieren konnte. Zumindest hatte Sebulon diesen Eindruck.
"Danke, wir sind sofort wieder da." Harry winkte die Rekruten hinter sich her und sie ließen wortlos das Gasthaus, die verwunderten Blicke der anderen Gäste und das Schnarchen des Portiers hinter sich. Sie stapften an einer Hand voll Hütten vorbei. Einige Kinder waren draußen am spielen. Sie schienen von der Sache im Gasthaus nichts zu wissen oder wurden bei zu viel Neugier entsprechend von ihren Eltern geprügelt. Dennoch linsten sie verstohlen den Gästen hinterher, unter den misstrauischen Blicken der Dorfbewohner.
"Wieso sind eigentlich nur Fremde im Gasthaus, ich meine, es gibt doch einen Schank- und Gastraum, oder?" fragte Sebulon und winkte einem der starrenden Kinder zu, welches sofort weg schaute.
"Das Gasthaus ist hier nicht wirklich willkommen. Es stört die Idylle und die Abgeschiedenheit, meinte zumindest Herr Richtig einmal zu mir." antwortete Harry.
"Also wenn ihr mich fragt, tut es das ganz und gar nicht. Es ist hier so still wie eine tote Katze in der Wüste." brummte Menélaos. Sie fanden das Haus problemlos und klopften an.
"Und wieso die ganze Sache mit Triwal?" Jargons Gedanken bestanden aus Neugier, Angst und Zeit schinden. Diese Person wird ihn ganz sicher irgendwie los werden.
"Es wird dir banal vorkommen, aber wir brauchten schließlich einen Vorwand die doch beträchtliche Zahl an Gästen etwas näher betrachten zu können, nicht wahr?"
"Du kaltblütiger Spross eines Sohnes...einer räudigen Tochter...von der Mutter." Jargon war viel zu aufgeregt und wurde bedrohlich wütend. Die Gestalt grinste ihn böse an und wippte mit den großen, spitzen, teuren Schuhen.
"Leider werden wir dich auch nicht wirklich am Leben lassen können. Da der alte Triwal noch darauf wartet verscharrt zu werden, wirst du dich leider auch noch hinten anstellen müssen. Es tut mir Leid, aber ihr habt euch zu sehr eingemischt, zu viele Tote, leider. Wer weiß, vielleicht wirst ja schon bald du verdächtigt. Einfach mit dem Geld und der Habe der anderen abgehauen. Wenn sich diese Sharade ein bisschen gelegt hat, verschwinde ich mit..."
Von draußen waren Schritte zu hören und die Gestalt beugte sich zu den Rolladen vor und schob eine der Leiste auf Seite. Jargon konnte sehen wie das Gesicht der jungen Frau grimmiger wurde.
Braggasch hatte es satt, dem weinerlichen und in Selbstmitleid kauernden Rundweg von seinem Sitz am Tresen aus zu betrachten. Wall war mit Peter bereits dreimal an ihm vorbei gekommen. Sie hatten den Büttel immer noch nicht gefunden. Er wollte gerade aufstehen, als Kadwallader die Treppe hinunter kam und sich umsah. Braggasch winkte ihm zu und der Rekrut kam herüber.
"Und? hast du was neues?"
"Habe den Code geknackt, es gab ein einfaches System, er hat jeden Buchstaben um zwei Stellen verschoben und die Vokale mit..."
"Was stand drin?" flüsterte Braggasch, begierig, aus seiner Welt aus langweiligem Beobachten eines heruntergekommenen Gasthausbesitzers zu entkommen. Kadwallader rümpfte die Nase.
"Nichts wirklich besonders interessantes, privates Zeug, Gedanken über seine Eltern, seine Verdauung und das sein Gehilfe ein absoluter Vollidiot sei, dem er so gut wie nichts erlaubt. Das war es auch schon. Eigentlich nichts was eine Verschlüsslung erfordert, auch wenn sie einfach war."
Braggasch wirkte enttäuscht. Kadwallader war dennoch zufrieden, dass er wenigstens für einige Stunden etwas gefordert wurde.
"Mir reicht es hier. Wir sollten...äh...etwas sinnvolles tun?"
Kadwallader schien nicht wirklich begeistert und beschloss sich das Buch noch einmal genauer an zu sehen, mit der vagen Hoffnung etwas codiertes in der Codierung zu finden. Der Funke an Hoffnung wurde allerdings recht schnell ausgetreten, als er sich die Erscheinung Teetrichs in den Kopf rief. Braggasch nickte sich selber zu und verließ seinen Posten in Richtung Ausgang. Er wollte sich nochmal im Büro umsehen.
Herr Zermich öffnete die Türe einen Spalt weit.
"Was bei den Göttern wollt ihr von mir? Ich habe frei!" schnauzte er durch den Spalt und eine Strähne seines fettigen, schwarzen Haars fiel ihm ins Gesicht. Der Abend spendete genug Licht, so das Sebulon ein tiefblaues Veilchen in seinem Gesicht erkennen konnte. Die Türe rummste wieder zu. Harry zog eine Augenbraue hoch und räusperte sich.
"Wir haben da ein paar Fragen die sie uns besser beantworten sollten Herr Zermich. Es gab einen weiteren Toten. Jakob Teetrich ist tot und der andere Büttel...bat uns ihn zu unterstützen."
Nach einer kurzen Pause öffnete der Koch erneut die Türe und blickte ernst in das Gesicht der drei Wächter.
"Ich mochte ihn nie, aber das hat er nun wirklich nicht verdient. Was ist geschehen?"
"Er wurde gehangen oder hat sich erhangen, dass steht noch nicht fest. Können wir kurz reinkommen?"
"Wisst ihr, dass wäre mir sehr unangenehm und es geht euch auch nichts an, da ich mit der Sa..."
"Sie würden die Büttel-Arbeit verzögern und uns zu anderen Mitteln zwingen." Harry wirkte ernst. Sein Blick sprach in einem eiskalten Ton: "Lass uns rein und keine Faxen, wir haben dich verdammt noch mal im Visier."
"In Ordnung...wenn es sein muss, bitte die Herren." knirschte der Küchenchef und machte den Weg frei. Es begann zögerlich nach Zitrone zu riechen, mit einem Hauch scharfen Safran darin.
Die spärliche Wohnung bat genug Sitzplätze für die Rekruten und Harry nahm auf dem Tisch platz.
"Was haben sie denn mit ihrem Auge gemacht?" fragte Sebulon.
"Ich bin die Treppe runter gefallen." murmelte der Koch.
"Nun, ich sehe hier keine Treppe."
"Die verdammte Treppe im Gasthaus!" brüllte Zermich. Sebulon zuckte mit den Schultern.
"Habe mich bloß erkundigt."
Harry räusperte sich.
"Wo waren sie nach dem Abendessen heute?"
"Ich bin zügig nach Hause gegangen, ich habe Kopfschmerzen."
"Haben sie einen Zeugen?"
"Ich habe Herrn Richtig und dem anderen Büttel Bescheid gegeben. Fragen sie die doch."
Es polterte auf dem Dach. Harry schaute nach oben.
"Bloß eine Katze oder so." winkte Zermich hastig ab.
"Eine verflucht fette Katze, dem Geräusch nach zu urteilen." argwöhnte Sebulon.
"Ja, dann war es eben eine fette Katze verflucht! Was wollt ihr denn noch."
Harry zögerte, schaute sich um und sprach vom Tisch.
"Nun gut, wir werden dann mal mit dem Büttel reden, wo finden wir den?"
"Vermutlich..."
Es krachte und eine schwere Gestalt knallte aus dem Dach auf den Boden. Ein geknebelter und schlecht gefesselter Büttel lag ächzend auf dem Boden, direkt neben Harry. Staub vernebelte die Sicht.
"Ihr dreckigen Städter!" Sebulon griff zur Axt und Menélaos öffnete die Türe weit, so das der Staub sich allmählich verzog. Der Koch hatte sich Harry geschnappt und hielt ihm ein Küchenmesser an den Hals. Es roch plötzlich sehr stark nach Himbeere.
Einige Zeit zuvor: In einem sehr, sehr kleinen Raum öffnete jemand die einzige Türe und spärliches Licht kroch durch die Ritze, es roch nach Kohl und Staub. Die Türe wurde nun ganz aufgestoßen. Die Pforte zu einem anderen, unbedeutend größerem Raum, voller Schaufeln, Äxten und Mistgabeln, sowie einem Fenster, mit Blick auf das Gasthaus. "Irgendwas stimmt da nicht."
Jargon hatte sich etwas beruhigt. Die Frau stand am Fenster und versuchte zu erspähen, was in der Hütte am Brunnen vor sich ging. Plötzlich fluchte sie und trat vom Fenster zurück.
"Deine blöden Kollegen machen alles kaputt!" keifte sie.
Jargon wusste nicht was er sagen sollte. Er beließ es mit einem starren Blick auf Fiona Kulmbeckers Dekoltee.
Der Koch hatte den Gnom in seiner Hand und trat nervös auf der Stelle. Die Wächter hielten die Luft an.
"Ihr zwei, darüber auf den Sessel."
Sebulon blickte ihn fragend an.
"Beide?"
"Ja, du auf ihn drauf! Schnell oder der Wicht hat bald keinen Kopf mehr!"
Harry versuchte ruhig zu bleiben. Er bekam schlecht Luft und musste sich konzentrieren. Klar, er könnte den Kerl verprügeln, aber so ein Kehlenschnitt ist viel zu riskant, dachte er bei sich.
Die beiden Rekruten saßen auf dem Sessel und starrten nervös zum Koch, der sich immer weiter in Richtung Türe vortappelte.
"Ihr neugierigen Bastarde habt es zu weit getrieben. Teetrich war auch zu neugierig und dieser tumbe Hilfs- Büttel ..." Er nickte zu dem stöhnenden Kerl auf dem Boden herüber.
"...ging mir auch schon auf die Nerven!"
"Was ist mit der Leiche von Triwal?" fragte Sebulon.
"Das geht euch einen feuchten Dreck an! Ihr bleibt hier!" Er trat nach hinten gegen die Türe, welche langsam auf schwang. Ein Schatten verwehrte dem letzten Abendlicht den Weg in die Hütte und Zermichs Gesicht erstarrte gebannt, mit dem Blick zum Sessel. Er sank ganz langsam auf den Boden, eine Axt im Rücken. Hektor Triwal stand in der Türe, mit zugekniffenen Augen, barfuß und hatte die Schnauze gestrichen voll.
27.09.2008 16: 16Jargon Schneidgut
"NEEEEEEEIN!", kreischte Fiona Kulmbecker, als sie sah, was mit dem Koch passierte. "MANFRED!"
Sie drehte sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit um die eigene Achse und begann, zitternd auf und ab zu gehen.
"Was ist passiert?!, platzte es aus Jargon heraus.
"Duuuu..." Fiona blieb auf der Stelle stehen und blickte ihn starr an. "Wenn du und deine verdammten
Wächter", sie sprach das Wort mit solcher Verachtung aus, dass Jargon für einen Moment unter Minderwertigkeitskomplexen litt, "nicht gewesen wären, wäre das alles nicht passiert!" sie ging auf ihn zu.
"Warum? Was ist geschehen?!"
Die Frau ignorierte ihn. Sie blieb neben ihm stehen.
"Dafür verdient ihr den Tod."
Jargon begann zu zittern. Er bekam Panik.
"Was... was haben sie vor?!"
"Ich werde euch alle umbringen!!!", schrie Frau Kulmbecker und griff nach einem Messer, das auf einem kleinen Tischchen gelegen hatte.
"ALLE!!"
Sie ging rasch auf Jargon zu. Dessen Panik hatte bereits einen kritischen Stand erreicht, und in seinem Kopf waren nur noch die Worte: "Ich werde sterben! Ich will nicht sterben!"
Sein Gehirn hatte bisher nur in extrem bedrohlichen Situationen den Adrenalinschub so hoch gehalten, und sein Instinkt wusste: Entweder große Wut - oder Tod. Er entschied sich für ersteres.
"Das war nur der Anfang, Manfred", sagte Triwal und stieß den schwerverletzten mit dem Fuß an. "Es wird noch mindestens eine Tote geben." Die Rekruten und Harry starrten ihn an. Der ältere Herr hatte einen kalten Ausdruck in den Augen, und es erschien den Wächtern so, als ob sein Gehirn einen Höchstand an Aktivität gewonnen hätte.
"Mich zu vergiften... Na gut. Aber dann auch noch unbescholtenen Abenteurern ihr Gold zu stehlen und einen guten Dorfbüttel umzubringen... Nicht mit mir!"
Harry fasste sich und vergaß fast, dass er mit einem Mann sprach, der beabsichtigte, jemanden zu töten.
"Wieso.... sind sie nicht tot?"
Triwal wandte sich ihm zu.
"Ich BIN tot."
"Sie sind... ein Zombie?!"
Hektor nickte.
Jargon lag keuchend auf dem Boden der Hütte. Um ihn herum vertreut lagen Teile des Seils, eine bewusstlose Frau Kulmbecker auf dem Boden. Seine Handgelenke taten höllisch weh, genau wie seine Arme, seine Beine, sein Bauch und sein Genick. Aber in seinem Gehirn brodelte es geschäftig.
Kontrollierte Wut war der Schlüssel."Sie haben die Holzpuppe auf den Tisch des Stadtbüttels gelegt!", rief Braggasch anklagend. "Sie haben eine alte Leiche ausgegraben, um den Geruch zu erzeugen, nicht wahr? Sie wollten verhindern, dass den eigentlichen Verbrechern ein Verdacht kommt. Und ich weiß auch, warum Jakob Teetrich sterben musste. Er hat zuviel gewusst, und sie wollten verhindern-"
"Ich habe Jakob nicht umgebracht!"
Braggasch zögerte. "Äh... also gut, dann..."
"Wo ist eigentlich Jargon?", unterbrach Harry die Stille.
Die Wächter starrten ihn an.
Jargon stemmte sich auf seine zitternden Arme und fiel wieder zurück auf den Boden. Das Seil hatte eine beachtliche Widerstandskraft gehabt, und seine Muskeln hatten keine Kraft mehr. Er wusste nicht wo er war und wo die anderen waren. Das einzige, was er wusste war, dass die anderen nicht wussten, wo er war.
[25] Er musste hier weg! Er musste den anderen sagen, was er wusste!
Harry seufzte. "Also weiß es keiner von euch?!"
Die Rekruten scharrten betreten mit den Füßen.
Herr Triwal meldete sich zu Wort.
"Ich glaube, ich weiß wo er stecken könnte."
Kurze Zeit später. Alle Rekruten, Herr Triwal, Herr Richtig, Frau Triwal, Hilfsbüttel Hossbach, eine gefesselte Frau Kulmbecker und Harry saßen versammelt in der
Bauersruh und warteten, bis Jargon seinen Bericht zu Ende erzählt hatte. Er hatte seine Papiere glücklicherweise aus Frau Kulmbeckers Tasche ziehen können, bevor sie jemand entdeckt hatte.
Endlich endete er und blickte verlegen zu Boden. Dann wandte er sich an Harry.
"Bekomme ich probleme mit Intörnäl Affärs, weil ich Frau Kulmbecker niedergeschlagen habe?"
Der Gnom zuckte mit den Schultern.
"Ich denke nicht."
Schließlich stand Kadwallander auf. Während Jargons Bericht hatte er sich alles zusammengereimt. Er begann die Auflösung des Falls.
"Frau Kulmbecker und Herr Zermich hatten eine Affäre. Eines Tages beschlossen sie, sich für den kriminellen Weg zu entscheiden, um sich so einen problemlosen Einstieg in ein glückliches Eheleben zu sichern. Zuerst ermordeten sie Herrn Triwal, in der Hoffnung, so an seine Lebensversicherung und an den Schmuck von Frau Triwal zu kommen. Außerdem konnten sie so die bereits anwesenden Gäste ausspionieren und stahlen das Gold von Gunnar Eribäck. Allerdings wurden ihnen die Ermittlungen des Büttels Jakob Teetrich zu aufdringlich, und als er trotz den", er stockte kurz und bekam einen roten Kopf, "sexuellen Reizen von Frau Kulmbecker den Mund nicht halten wollte, wurde er ebenfalls umgebracht. Unterdessen hatte Herr Triwal die Lage bereits erkannt und beschloss, blutige Rache zu üben. Er vertauschte seine Leiche auf dem Unteruschungstisch im Büro der Stadtwache gegen eine Holzpuppe, die er zuvor gestohlen hatte. Den Leichengeruch simulierte er mit einer frischen Leiche, die er vom Friedhof hatte."
Er legte eine Pause ein, putzte sein Monokel und fuhr fort.
"Wir wurden derweil von den beiden Mördern getäuscht, die mithilfe von Herrn Triwals Schuhen versucht hatten, den Anschein zu erwecken, er wäre noch am Leben. Als wir schließlich Dank unserer genauen Ermittlungen und unseres großartigen Alchemisten entdeckten, dass Herr Triwal offensichtlich tot und lebendig zugleich sein müsste, schloss sich großes Chaos an. Schließlich wollte Frau Kulmbecker auch Jargon töten, doch er konnte sich glücklicherweise befreien und zu uns stoßen, als wir gerade Herrn Zermich als Zweittäter entlarvt hatten."
Er zeigte mit einer großen Geste auf die gefesselte Fiona.
"Sie und ihr Geliebter sind über Leichen gegangen, und eine dieser Leichen hatte vor, sie selbst zu einer Leiche zu machen. Seien sie froh, dass wir den Fall rechtzeitig lösen konnten, sonst wäre dies auch geschehen. So haben wir den Fall also mit der Hilfe aller hier Anwesenden Wächter mit Bravour gelöst.", und aus einem merkwürdigen Reflex heraus sagte er: "Ich danke ihnen."
27.09.2008 20: 34Harry
Fiona Kulmbecker schüttelte den Kopf. "Ich habe keine Ahnung, wovon ihr redet! Wieso sollte es mir etwas bringen, wenn Frau Triwal eine Lebensversicherung einlöst? Wieso hätten wir ihren Mann töten sollen, wenn wir ihren Schmuck wollen? Ein Einbruch hätte es dafür doch auch getan. Ich gebe zu, wir haben Eribäck sein Gold gestohlen. An den Bullen habe ich mich rangemacht, damit er mich bei seinen Untersuchungen in Ruhe lässt. Aber als der andere Büttel uns auf die Spur kam, da... da geriet alles ein bisschen aus den Fugen. Aber wir haben niemanden umgebracht!"
"Sie lügt!", rief Jargon. "Sie hat mir doch noch von der Versicherung erzählt!"
Kulmbecker schwieg.
Beweis das erst mal, schienen ihre Augen zu sagen.
"Noch etwas", warf Harry ein. "Was sollte das mit der Holzpuppe? Warum wurde eine echte Leiche in dem Raum deponiert, und eine Holzpuppe oben auf die Bahre gelegt? Das ergibt doch absolut keinen Sinn. Wenn, dann hätte man doch auch gleich die Leiche unter das Tuch legen können."
Harry warf einen fragenden Blick auf Hossbach, doch der schüttelte nur den Kopf. "Ich weiß, dass Triwal nach seinem Tod dorthin gebracht wurde. Aber ich bin hinterher nie in den Raum hinein gegangen, Jakob hatte da etwas gegen."
"Wieso also die Puppe?"
"Vielleicht habe ich da eine Erklärung für... wisst ihr, hier in der Gegend ist es Tradition, wenn jemand todkrank ist, ihm eine lebensgroße Puppe, auf der sein Name steht, mit ins Bett zu legen. Man sagt, man könnte damit den Tod täuschen, so dass er, statt die Seele des Kranken mitzunehmen, bei der Puppe danach sucht. Wenn Jakob aus irgend einem Grund..."
"...Triwal wieder zum Leben erwecken wollte", fuhr Kadwallader aufgeregt fort, "hat er es vielleicht mit dieser Tradition versucht. Dann hat er Triwal rausgebracht - Herr Triwal, sie waren in einem Sarg aufgewacht, richtig? - und in einen Sarg weggesperrt, und stattdessen eine Leiche dorthin gelegt, damit der Geruch bestehen bleibt. Ja, das wäre möglich."
"Und es würde erklären, wieso ich zu einem Zombie wurde", nickte Triwal. "Aber ich weiß wirklich nicht, warum das alles?"
Harry dachte an die Schuhe, die Wall in Teetrichs Raum hinter dem Vorhang gesehen hatte.
Wirklich nicht?, fragte er sich. Er blickte in die Runde - Triwal, Frau Triwal (die - wohl nicht nur wegen des Geruchs - einen recht großen Abstand zu ihrem Mann ließ), die Kulmbecker, Rundweg Richtig... ein paar Antworten fehlten ihnen noch.
29.09.2008 20: 13Sebulon, Sohn des Samax
Sebulon brummte der Kopf. Er konnte das alles nicht sortieren. In Gedanken entwarf er die wildesten Ideen und verwarf sie beinahe im selben Moment wieder.
Die Fairsicherung. Was würde sie mit einer Fairsicherung wollen, wenn gar nicht ihr Name auftauchte, sondern nur der von der Witwe?
"Die Fairsicherung.", murmelte er. Dann schnippte er und stand auf.
Braggasch drehte sich um und sah seinen Freund fragend an.
"Die Fairsicherung!", sagte Sebulon und strahlte über das Gesicht.
In jedem der Gesichter im Raum sah man Ratlosigkeit, nur der Zwerg strotzte vor Souveränität.
Und schwieg bedeutungsschwer in die Runde.
Kadwallader räusperte sich und sagte: "Wärst du so freundlich zu sagen, was du meinst, da du nun ohnehin schon die Aufmerksamkeit aller hast?"
"Das ist ein langer und verwegener Gedankengang.", sagte Sebulon und rückte seinen Gürtel zurecht. "Allerdings für Frau Kulmbecker hier ist er genau passend. Immerhin geht es um zweitausend Ankh-Morpork-Dollar."
Wiederum schwieg er und Stille füllte den Raum.
"Um meine Theorie zu prüfen", meinte der Zwerg, "brauche ich deine Hilfe, Menélaos. Und wir brauchen ein Papier von Jargon."
"Muss etwas draufstehen?", fragte Schneidgut.
"Nein, nein. Ein leeres Blatt ist völlig ausreichend. Braggasch, kannst du eben in der Küche vorbeigehen und etwas für mich besorgen? Der Koch hat es bestimmt da."
Der blondgelockte Zwerg sah seinen Kollegen an. "Besorgen? Äh ... was denn?"
"Das klären wir gleich. Wer hat die Fairsicherung?"
Harry zog das Papier aus einer Aktenmappe.
"Sehr gut. Wenn du so gut wärst, an dem Papier zu riechen, Sir?"
"Ich soll am Blatt riechen?"
Frau Kulmbecker begann in ihrem Sitz unruhig hin und her zu rutschen.
"Richtig. Das gehört zu meiner Theorie. Wenn du so freundlich wärst ..."
Die Augen von Menélaos leuchteten auf, als Harry das Papier geräuschvoll beschnupperte und erstaunt aufsah.
"Zitrone! Das Mistding riecht nach Zitrone!"
Sebulon atmete erleichtert aus und sah dann Fiona an. "Möchtest du uns etwas zum Geruch auf dieser Fairsicherung erzählen, Frau Kulmbecker?"
Die junge Bedienung war sehr blass geworden, schüttelte jedoch ihren Kopf.
Harry funkelte sie an und knurrte: "Braggasch, frag doch bitte in der Küche nach Zitrone."
Wenige Minuten später standen alle Wächter um einen Tisch herum. Frau Kulmbecker war umringt von Wall, Braggasch, Jargon und Peter; Herr Richtig saß auf einem Stuhl und versuchte unbeteiligt zu wirken, neben ihm hatte Frau Triwal Platz genommen. Der Zombie stand mürrisch an der Tür und verbreitete modrigen Geruch. Harry saß auf Sebulons Schulter und sah neugierig auf den experimentellen Aufbau.
Jargon hatte auf Anweisungen des Kondochemikers eine Lampe und ein flaches Stück Metall besorgt. Die Metallplatte ragte über den Tisch hinaus, darunter stand die Lampe und erwärmte das Metall. Auf dem Metall lag das leere Blatt von Jargon, auf das Sebulon mit Zitronensaft unsichtbar seinen Namen geschrieben hatte.
Menélaos überwachte sorgsam den Erwärmungsprozess und gab acht, dass nichts in Flammen aufging. Dabei ging er mit einer liebevollen Routine vor, die klar machte, dass er nichts lieber tat, als solche Versuche zu beobachten.
"Jetzt.", sagte er plötzlich und seine Augen strahlten voll kindlicher Freude.
Es dauerte weitere Sekunden, bevor auch die anderen Wächter etwas erkennen konnten. Langsam aber deutlich zeichnete sich die Handschrift des Zwergs auf dem Blatt ab.
Harry runzelte die Stirn.
"Nun zum entscheidenderen Teil dieses Versuches.", sagte Sebulon und tauschte sein Blatt mit der Fair-Sicher-Ung aus.
Wieder trat gespanntes Schweigen ein, als Menélaos sorgsam das Papier erwärmte. Die Sekunden schienen ewig zu dauern.
Wall gähnte.
"Da!", schnappte Schmelz und deutete auf seine Entdeckung. "'Auszuzahlen an' ... da, schaut, der Name von Frau Triwal, er wird überdeckt von ...
Fiona Kulmbecker!"
"Also konnte sie tatsächlich etwas mit der Fairsicherung anfangen.", gab Kadwallader von sich, nahm das Monokel ab und beugte sich über das Beweisstück. "Obwohl das eine schlechte Fälschung ist. Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass hier ein Name über einen anderen geschrieben wurde."
Die Wächter sahen kollektiv zu Frau Kulmbecker und stellten fest: Kein Mitarbeiter einer Bank würde genau hinsehen, wenn vor ihm das Dekoltee einer traurigen Fiona Kulmbecker sitzen würde. Dann würde er sich eher mühe geben, schnell fertig zu werden und die begehrenswerte Frau zu einer tröstenden Tasse Kaffe nach Dienstschluss einladen.
Harry schnaubte verächtlich.
"Wann hat sie das gemacht?", fragte Triwal von der Tür her. Sein Tonfall ließ erkennen, dass seine gute Laune nicht daran dachte, zurückzukehren.
"Sie? Gar nicht. Das war Rundweg Richtig."
"Was?" rief der Landhausbesitzer und sprang von seinem Stuhl auf. Schweiß rann ihm von der Stirn.
"Äh ... wie soll er das gemacht haben?", fragte Braggasch. "Die Tür war doch ..."
"... verschlossen?", beendete sein Freund den Satz und lächelte.
"Bei den Stollen meiner Urgroßeltern!", rief Goldwart und schlug sich gegen die Stirn. "Das Univerdings! Er kommt ja mit seinem Schlüssel durch alle Türen, ohne dass es irgendwer merkt!"
"Du hast es erfasst. Ich wette mit dir um ein Glas
Glodssohns, dass der ominöse Liebesbrief an Frau Triwal nicht nur gefälscht ist, ..."
Herr Triwal wirkte überrascht und rief: "Liebesbrief?"
"... sondern dass er ein ausgeklügeltes Ablenkungsmanöver ist - und dass die Handschrift übereinstimmt mit der von Herrn Rundweg ..."
Frau Triwal warf dem Landhausbesitzer einen vernichtenden Blick zu. Sie holte mit der Faust aus und streckte den Mann mit einem einzigen gezielten Hieb nieder.
"... Richtig."
07.10.2008 0: 44Harry
Triwal schüttelte den Kopf. "Nein, er hat damit nichts zu tun", sagte er seiner Frau. "Wenn ihr die Schrift überprüft, werdet ihr feststellen, dass ich es war, der den geheimen Text geschrieben hat. Wieso hätte jemand anders heimlich etwas auf die Urkunde schreiben sollen, statt sie einfach mitzunehmen und vernünftig zu fälschen? Und so eine Fälschung, die noch dazu in einer anderen Schrift geschrieben ist, würde doch sofort auffallen. Nein, es ist keine Fälschung."
Frau Triwal sah ihren Mann entgeistert an. "Aber..."
"Fiona Kulmbecker ist meine Frau."
"Aber...?"
"Wir sind länger verheiratet, als ich dich kenne. Deswegen habe ich so oft Geschäftsreisen hierhin gemacht. Und für sie habe ich die Versicherung geschrieben - aber weil du ja immer gerne etwas neugierig bist und Zugriff auf all meine finanziellen Angelegenheiten hast, habe ich den Namen in unsichtbarer Tinte geschrieben. Mein Versicherungsmakler wusste davon und hätte im Falle eines Falles das Dokument erhitzt."
Frau Triwal wurde rot im Gesicht, und eine Ader an ihrer Schläfe pochte gefährlich. "Hektor! Du... du... du..." sie schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
"Es tut mir leid, aber jetzt, wo ich tot bin, spielt es eh keine große Rolle mehr, oder? Wir wissen beide, dass du mich nur geheiratet hast, um nicht mehr jeden Monate Hunderte von Dollarn für neue Schuhe einkaufen zu müssen - und genau so habe ich dich eben wegen deines Geldes geheiratet. Na und?"
Die Wächter sahen von einem Triwal zur anderen, und auch Ilona Kulmbecker beobachtete das Gespräch amüsiert.
"Ich hatte die Urkunde mitgenommen, um sie Fiona zu zeigen", fuhr Triwal fort. "Ein Jahr wollten wir noch aushalten, dann wollte ich mich scheiden lassen - dann hätte mir ein Drittel des Vermögens meiner - zweiten - Frau zugestanden." Der Zombie warf einen Blick auf Fiona Kulmbecker, in dem Zorn und Enttäuschung mitschwangen. "Aber anscheinend war auch das ihr schon zuviel - wie ich mitbekommen habe, hatte sie sich lieber mit dem Koch vergnügt. Ich habe sie in flagranti mit Zerrmich erwischt. Und wie ich jetzz erfahren habe, hat sie sich sogar dem Büttel an den Hals geworfen..."
Harry runzelte die Stirn. "Langsam kommt Licht in die Angelegenheit. Sie treffen Frau Kulmbecker und erzählen ihr von der Versicherung. Dann bekommen Sie mit, dass Frau Kulmbecker fremd geht, und diese gerät in Panik und vergiftet sie, weil sie Angst hat, dass sie eine neue Versicherung aufsetzen. Nebenbei klaut Frau Kulmbäcker mit ihrem Freund Zerrmich noch das Geld des Abenteurers Eribäck, wobei Zerrmich bei seinem Raubzug die gleichen Schuhe wie Triwal trägt, um eventuelle Spurensucher zu verwirren. Als die Büttel ihnen dennoch bei ihren Untersuchungen zu nahe kommen, verführt Kulmbecker Teetrich, damit er nicht gegen sie ermittelt."
"Und Teetrich", fuhr Kadwallader fort, "entscheidet sich, zu versuchen, Triwal wiederzubeleben. Vielleicht wegen etwas, was Kulmbecker ihm gesagt hat, oder weil er einen Verdacht hat... oder einfach, weil es praktisch ist, ein Mordopfer zu verhören. Er packt die Leiche in einen Sarg und legt eine Holzpuppe an deren Stelle, um den Tod zu täuschen - eine Tradition, an die die Leute hier glauben, auch wenn sie normalerweise bei Kranken angewandt wird."
"Irgendwann danach erwacht Triwal, und Teetrich stirbt", fuhr Braggasch fort. "Triwal, der Kulmbecker und den Koch im Verdacht hat, geht zur Hütte des Kochs, wo er uns trifft."
"Blödsinn!", fauchte Kulmbecker. "Ihr könnt mir gar nichts beweisen!"
"Ich habe doch Ihr Geständnis gehört", widersprach Jargon.
"Und? Dann steht es halt Aussage gegen Aussage!" Die Bedienung funkelte den Wächter zornig an.
"Die Frage ist noch", meinte Sebulon, "wer hinter dem Tod des Büttels steckt. Die großen und spitzen Schuhe, die Wall hinter dem Vorhang gesehen hatte, könnten entweder zu Triwal oder zum Koch gehören."
"Zerrmich hat es abgestritten", gab Harry zu bedenken.
"Und Zerrmich wird zur Zeit von der hiesigen Kräuterfrau verarztet, und sie sagt, die Chancen, dass er überlebt, sind eher gering", entgegnete Sebulon. "Wenn er stirbt, dann erfahren wir vielleicht nie, wer es war."
"Nun, wenn es Triwal war" - Harry sah kurz in Richtung des Zombies - "dann würde das heißen, dass Teetrich den Ex-Toten mit ins Gasthaus genommen hat. Wäre doch etwas riskant gewesen, oder?"
"Riskant vielleicht - aber wenn es das Risiko wert war?"
Harry zuckte mit den Schultern. "Wir haben jetzt jedenfalls eine halbwegs gute Hypothese. Aber können wir sie auch beweisen? Die Kulmbecker hat recht - es reicht nicht, wenn Jargon erzählt, was sie angeblich gesagt hat."
12.10.2008 15: 50Braggasch Goldwart
Es klopfte, und ohne eine Antwort abzuwarten streckte der Portier Grasloff Klustoff in den Raum. Er winkte Richtig energisch und zog sich dann wieder zurück. Nach einem Blick zu Harry, der nickte, stand Rundweg auf und verlies den Raum.
"Und jetzt?", fragte Triwal süffisant, während seine zweite Frau versuchte, ihn mit Blicken entgültig zu töten.
"Jetzt werden wir herausfinden, wer der Schuldige ist.", entgegnete der Gnom.
Schüchtern meldete sich Braggasch. "Äh... Sör?"
"Ja?"
"Ich habe... Äh... Ganz eventuell eine Idee..."
"Ja?"
"Dafür müsste ich mal was schauen... Äh... Hilfst du mir, Sebulon?" Zusammen mit dem anderen Zwerg verließ er den Raum. Kurze Zeit später erhob sich auch Menélaos mit einer leichten Andeutung von frisch gemähtem Gras. "Ich würde auch gerne etwas überprüfen."
Harry zuckte mit den Schultern. "Klar. Geht. Lasst euch von mir nicht aufhalten. Ich mach das hier schon alleine."
Unsicher runzelte der Kondichemiker die Stirn, und ging so schnell wie möglich hinaus.
Stille trat ein.
Ãœberraschender Weise unterbrochen von einem leisen Schluchzen - es stammte von Hossbach. Jargon reichte ihm ein Taschentuch.
"Alles in Ordnung?"
"Ach...", schniefte der Hilfsbüttel. "Ihr werdet es wahrscheinlich nicht verstehen... Aber auf seine Art war Teetrich ein guter Mann... Es ist nicht richtig, das er tot ist... Er achtete das Gesetzt... Auf seine Weise... Er verstand sich recht gut mit den Einwohnern... Er hat sogar ein paar Verbrechen aufgeklärt..."
"Und er hatte Probleme mit seiner Verdauung.", fügte Kadwallader flüsternd hinzu. Er hielt diese Gefühlsduseleien für absolut unnötig.
"Blödsinn!", fuhr ihn Hossbach ungewohnt heftig an, versank dann jedoch sofort wieder in seiner seltsamen Trauer. "Er hatte eine ganz hervorragende Verdauung... Habe ihn manches Mal darum beneidet... Der arme Mann..."
Janders horchte auf. "Aber er hasste seinen Vater, oder?", hakte er nach.
"Kadwallader, ich glaube nicht, das dies der Moment ist-", aber der Hilfsbüttel unterbrach Harry.
"Niemals! Er hat immer gesagt, wie stolz er auf seinen Vater sei... Ja, wegen ihm ist er erst Büttel geworden... Und in diesem Dorf geblieben... Er hatte liebevolle Eltern, denke ich..."
"Hatte?"
"Sie sind schon lange tot... Warum hat es nur Jakob getroffen? Ich hatte keine liebevollen Eltern... Und ich hab eine schreckliche Verdauung... Mich hätte es treffen sollen... Der arme Mann..."
Den größten Teil von Hossbachs Geschwafel hörte Kadwallader nicht mehr, denn er hatte sich bereits zum wiederholten Male in das Tagebuch von Teetrich vertieft.
"Hier hing der Büttel, oder?"
"Ja, ich glaube schon... Warum?", stöhnte Sebulon zur Antwort. Braggasch war vielleicht nicht so schwer wie ein Zwerg, aber seine Schuhe fraßen sich doch unangenehm in die Schultern des unten stehenden. Teetrichs Leiche war natürlich längst abgenommen worden, um sie unten aufzubahren, und Samax Sohn verstand einfach nicht, was sein Mitrekrut hier noch wollte. "Kann ich dich jetzt wieder runterlassen?"
"Äh... Ja, ich denke schon." Goldwart kletterte von dem Rücken des Zwerges.
"Was hast du entdeckt?"
"Das, was ich erwartet hatte. Ist ja auch ganz logisch."
Sebulon wartete. Als nichts weiter kam hakte er nach: "Und was wäre das?"
"Ich sag es euch gleich allen...", murmelte Burkhards Sohn, und betrachtete dabei das Bett von allen Seiten. "Ja... Ja, so muss es gewesen sein."
"Barggasch?"
"Ja?"
"Du sprichst irgendwie anders. So... Normal."
"Äh... wirklich?"
"Jetzt nicht mehr."
"Oh.", betroffen schwieg der Zwerg. "Äh... Ich denke, es liegt daran, wenn ich etwas zu tun habe, also etwas... Äh... Etwas mechanisches oder technisches oder so, dann... Äh..."
"Ja, verstehe schon. Können wir gehen?"
"Ich... Äh... denke schon."
Rundweg Richtig betrat mit gesenktem Blick das Zimmer.
"Was ist?", erkundigte sich Harry.
Mit leerem Blick sah der Hotelbesitzer auf. "Eine Nachricht von der Kräuterfrau. Zerrmich ist tot. Er hat die Wunde nicht überlebt."
Betretene Stille schloss sich an. Fiona Kulmbecker starrte an die gegenüberliegende Wand, als würde dort ein Film ablaufen, der Zombie Triwal lächelte dünn.
Der Oberstabsspieß schüttelte traurig den Kopf. "Nun, egal wer Teetrich also umgebracht hat, jeder von unseren zwei Verdächtigen hat nun einen Mord am Hals..."
"Heureka!", entfuhr es Kadwallader, der gar nicht auf die Stimmung im Raum geachtet hatte. Mit seinem Ausruf riss er alle Anderen aus ihrer Lethargie und sah sich nun von acht überraschten Blicken tracktiert. Er räusperte sich und rückte umständlich das Monokel zurecht. "Doppelte Codierung.", meinte er, als sei dies Erklärung genug.
"Und das heißt?", wollte Peter wissen.
Janders straffte sich. "Wenn ich das hier richtig verstehe, und davon gehe ich aus, ist es gar kein Tagebuch, sondern ein Bericht des Falls. Teetrich hat vorgeplant. Und nur jemand, der ihn wirklich kannte, also wohl der gute Hossbach hier, hätte es auflösen können, denn Teetrich hat es nicht nur Verschlüsselt, sondern auch die Worte ersetzt."
"Er wollte nicht, dass es jeder einsehen kann. Natürlich. Es hätte ja auch kaum Sinn gemacht, ein Tagebuch zu codieren.", murmelte Harry.
"Richtig, Sir. Das hat mich auch die ganze Zeit gestört. Nur jemand, der wusste, dass der Büttel seine Eltern mochte, käme auf den Gedanken, dass damit etwas anderes gemeint ist. Das selbe mit der Verdauung. Und ich nehme mal an, Jakob hielt immer große Stücke auf sie?"
Die letzten Worte richteten sich an Hossbach. Dieser zuckte mit den Schultern und schniefte: "Das hat er zumindest immer gesagt..."
"Dachte ich mir. Nun, nehmen wir an, mit Verdauung ist nicht die... Das Geschäft an sich gemeint, sondern etwas, das einem schwer im Magen liegt, zum Beispiel diese ganze Sache hier. Er schreibt: 'Habe wieder Probleme mit der Verdauung, nachdem ich Essen war.'. Wo sollte man hier schon Essen gehen außer im Hotel? Er sagt also, dass ihm diese Sache hier Probleme bereitet. Und so geht es weiter. Interessant für uns könnte folgendes sein: 'Mein Vater hat wieder grässlich gekocht! Meinem Bruder ist ganz übel davon geworden. Die Freundin von meinem Bruder meinte, dass sie ganz sicher kein Salz auf das Essen getan hat, weil sie ja weiß, dass er das nicht verträgt. Ich glaube ihr, sie ist zu klein, um an den Salzstreuer zu kommen.'."
"Jakob hatte keinen Bruder.", entfuhr es Hossbach.
"Ja.", erwiderte der Rekrut trocken. "Nur ein Idiot würde solche Sätze schreiben. Da Fiona und Zerrmich hier bekanntermaßen ein Paar waren, wird Teetrich sie als seine Eltern hingestellt habe, mit Mutter ist also Frau Kulmbecker gemeint. Der Bruder und dessen Freundin sind sicherlich Herr und Frau Triwal. Er sagt uns also hiermit, dass das Essen, welches Zerrmich zubereitet hat, schlecht für Triwal war, besser, ihn umgebracht hat. Weiterhin vertraut er uns an, dass er Frau Triwal glaubt, dass sie nicht die Mörderin ist, da sie nicht an das Gift hätte gelangen können. Wahrscheinlich hat er sie überwacht."
"Soweit sind wir schon, steht was nützliches drin?", warf Harry ein.
Kadwallader richtete einen giftigen Blick auf den Gnom und fuhr dann verschnupft fort. "In der Tat. Hier: 'Ich habe Mama und Papa belauscht, wie sie über das Geschenk für meinen Bruder geredet haben. Sie haben es ihm wirklich gegeben! Ich habe meinen Bruder zu unserem Lieblingsplatz, der kleinen Kammer, gebracht, wo er sich erst einmal von seinem Glück ausruhen kann.'. Ein wichtiger Abschnitt, wie ich finde."
Harry nickte. "Ja. Es steht nicht nur darin, dass Teetrich Herrn Triwal tatsächlich in den Sarg gelegt hat, nein, er weißt auch noch darauf hin, das er ein Gespräch zwischen Zerrmich und Kulmbecker belauschte, bei dem sie zu gaben, Triwal das Gift gegeben zu haben." Kadwallader lächelte bei den Worten des Gnoms gewinnend. "Richtig."
"Ich denke, dass dürfte zusammen mit Jargons Aussage reichen, um die Vergiftung durch Fiona als Fakt zu bezeichnen, oder?" Herausfordernd sah der Oberstabsspieß die Bedienstete an, doch diese schwieg sich aus. "Steht zufällig etwas über den eigenen Mord in seinen Aufzeichnungen?"
"Nein. Ich denke nicht, dass er einen Verdacht hatte. Aber wenn du mir ein bisschen Zeit lässt, Sir, finde ich bestimmt einiges, das unseren Tathergang bekräftigt."
"Gut, tu das, Kadwallader. Wollen wir hoffen, die anderen drei etwas herausfinden."
In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, und Menélaos und Braggasch versuchten gleichzeitig, als erster den Raum zu betreten. Nach einigem Schieben, Drücken und Rangeln lies der ehemalige Konditor den Zwerg schließlich vor.
"Und?", fragte Harry, mit genervt verdrehten Augen.
Mit einem kurzen Blick verständigten sich beide Rekruten, dass Braggasch anfangen durfte.
"Zerrmich ist der Mörder.", sagte dieser fest.
"Wie kommst du darauf?"
Statt zu antworten zog der Zwerg einen Stuhl heran und reichte ihn Triwal.
"Bitte... Äh... Machen sie diesen Stuhl kaputt."
"Barggasch...", begann Harry.
"Es hat seinen Sinn... Äh... Sör. Bitte."
Triwal zuckte mit den Schultern. Mit nur einer Hand drückte er den Stuhl zu Boden, dessen Beine und Lehne dadurch splittern brachen. Goldwart nickte zufrieden.
"Und was sollte das?", wollte der Gnom wissen.
"Die... Äh... Abschürfungen. Des Seils. Es ist mir eben eingefallen, dass der Büttel schwer genug war, dass leichte Schürfspuren im Holz zurück bleiben, wenn er hochgezogen wird, vor allem, wenn er noch gelebt und gestrampelt hat."
"Ja, und?"
"Sie verraten uns viel, Sör, wenn man weiß wonach man Ausschau hält. Zum einen liegen sie diagonal über dem Holzbalken, und nicht gerade, wie man es erwarten würde. Jemand mit genug Kraft, wie Herr Triwal, wirft das Seil über den Balken, und zieht Teetrich in die Höhe. Bei ihm hätte das Seil also den kleinstmöglichen Kontakt zum Balken. In unserem Fall allerdings läuft das Seil, wie gesagt, diagonal, es hat also einen längeren Weg über den Balken, was an sich keinen Sinn ergeben würde, wenn es nicht zu einem anderen Punkt im Raum führen sollte. Und das tut es. An zwei der vier Beine des schweren Bettes sind ebenfalls Schürfspuren."
"Also hat jemand das Seil, mit dem Teetrich aufgehangen wurde, erst über den Balken und dann um die Bettpfosten geführt. Und warum?", meinte Sebulon.
Braggasch nickte. "Wie jeder weiß, verringert sich die Kraft, die man zum ziehen aufwenden muss, wenn man das Seil um einen Festen Punkt herum legt. Das Prinzip des Flaschenzugs. Nehmen wir also an, jemand Schwächeres, wie Zerrmich, versucht den schweren Büttel zu hängen. Auf dem direkten Weg schafft er es nicht, also legt er das Seil zusätzlich zum Balken noch um die Beiden Bettpfosten. Damit steigt zwar selbstredend die Reibung, die sich dem Seil wiedersetzt, aber insgesamt muss der Koch nur noch etwa ein Drittel der vorher benötigten Kraft einsetzen. Also muss es Zerrmich gewesen sein, denn Triwal hätte darauf verzichten können, weil er die Kraft eines Zombies hat."
Der Oberstabsspieß glotze Goldwart an. "Ich weiß nicht, was mich mehr fasziniert: Das ich keine Ahnung habe wovon du redest, oder dass du die ganze Erklärung ohne ein 'Äh' abgegeben hast."
"Äh... Wie dem auch sei, Sör, Zerrmich muss es getan haben."
"Das ist doch nur eine Hypothese!", ereiferte sich Fiona. "Triwal hätte das Seil ebenso da rum wickeln können um von sich abzulenken!"
"Das stimmt zwar.", warf Menélaos gut gelaunt ein.
[26] "Aber Herr Triwal hätte sicherlich kein Seil aus der Küche verwendet, da diese ja abgeschlossen war, wenn Zerrmich nicht da war. Ich habe ja genügend Zeit dort verbracht, um die Einrichtung zu kennen, und es fehlt jetzt definitiv eins der Seile, welches vorher einen Kasten Kohl zusammenhielt."
Man konnte beinahe
hören, wie Fiona Kulmbecker zusammenbrach.
Harry nickte zufrieden. "Gut gemacht Jungs. Ich denke, der Fall ist gelöst, alles andere sind nur noch Formalitäten. Herr Hossbach, sie können Frau Kulmbecker verhaften, wegen dem Mord an Hektor Triwal. Ebenso können sie diesen verhaften, für den Mord an Manfred Zerrmich. Den könnten sie wegen dem Mord an Jakob Teetrich verhaften, aber das scheint nicht mehr notwendig zu sein." Er sah zu Fiona. "Drei Morde wegen ein bisschen Geld. Ich wird das wohl nie verstehen."
Langsam verließen er und die Rekruten das Zimmer, während Büttel Hossbach stammelt die Rechte vortrug. Fiona war zu einen Haufen Elend zusammen gesunken und Triwal stand still wie ein Toter in der Ecke und beobachtete hochmütig die Zimmerecke. Hier würde sich niemand mehr seiner Verantwortung entziehen.
12.10.2008 19: 04Sebulon, Sohn des Samax
Am nächsten Morgen aßen die Rekruten schweigend und müde Frühstück. Menélaos konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. Der Einzige, der nicht aß, war Wall - er lag schlafend auf dem Frühstückstisch.
"Wird mir ganz schön fehlen, die Herberge.", meinte Peter.
"Und wie.", stimmte Jargon zu. "Ist ja irgendwie wie ne zweite Aktentasche geworden, nicht wahr."
Braggasch nickte grinsend. "Ich kenne jetzt selbst alle verschlossenen Räume in- und auswendig."
"Und ich hab Sachen herausgefunden, die ich gar nicht wissen wollte.", meinte Sebulon und nahm sich noch ein Brötchen.
Schweigen legte sich über den Tisch und gab hingebungsvollem Kauen von zähen Brötchen Raum.
"Sagt mal", durchbrach Menélaos die Stille, "ich muss meine Taschen noch packen. Weiß jemand, wann wir abreisen?"
"Da kann ich helfen.", sagte Kadwallader, während er sein Monokel putzte.
Ich kann es nicht leiden, wenn er sein dämliches Monokel putzt und alle warten, bis er endlich weiterredet, dachte Sebulon und ballte die Linke unter dem Tisch zur Faust.
Sowas von einer arroganten Rosengabel ist mir noch nie ..."Übermorgen Abend sind die sieben Tage rum, die uns unser Ausbilder angekündigt hat."
"Was?", rief Braggasch. "Äh ... sind erst vier Tage vergangen?"
"83 Stunden seit unserer Ankunft am Abend, um etwas exakter zu sein. Guten Morgen, Rekruten.", sagte Harry lächelnd, kletterte auf dem Tisch und begann sich ein Stück Toast zurechtzuschneiden. "Da morgen aber recht früh die einzige Postkutsche in dieser Woche in Richtung Ankh-Morpork vorbeikommt, schlage ich vor, dass wir unser Seminar hier im Haus um die Mittagsmahlzeit verkürzen und dafür heute etwas härter arbeiten. Nicht wahr, niemand von uns möchte eine weitere Woche lang herausfinden, auf wie viele
interessante Arten man Kohl zubereiten kann."
Geschockt sahen die frühstückenden Rekruten ihren Ausbilder an. Als er ein quadratzentimetergroßes Stück Toast beschmiert hatte, erwiderte er den Blick der sprachlosen Wächter und meinte kühl: "Mir wünscht niemand einen guten Appetit?"
"Härter arbeiten?", fragte Menélaos.
"So ist es.", gab der Ausbilder zurück und biss ab. "Oh, was für ein leckerer Toast. Ihr esst alle Brötchen? Der Toast ist richtig, richtig gut."
"Äh ... Sör ... können wir nicht einen Tag lang Pause machen, nach dem wir gestern ...?", begann Braggasch, doch Harry unterbrach ihn.
"Liebe Rekruten, heute ist doch so ein großartiger Tag. Die Sonne scheint, die Vögel singen auf den Bäumen und gestern habt ihr ja offiziell fast gar nichts gemacht. Da wäre es geradezu eine Schande, den Tag ungenutzt verstreichen zu lassen."
Peinlich berührt schwiegen alle Rekruten und sahen aus dem Fenster. Dichter Nebel ließ keinen Sonnenstrahl erahnen. Durch die Glasscheibe hindurch konnte man nur Kühe blöken sehen und hören. Von Sonne und Vögeln keine Spur.
In einem hatte Harry leider Recht: sie waren hier nicht als offizielle Wächter, auch wenn sie gestern einen Fall gelöst hatten. Hier waren sie als eine Gruppe, die mit einem Gnom an der Spitze nur ein Ziel kannte ...
"Thiembildung und Gemeinschaftsgefühl! Das steht heute auf dem Programm.", meinte Harry kauend. "In fünfzehn Minuten geht es los. Ich hoffe, ihr habt genug getrunken, denn es wird ganz schön zur Sache gehen. Falls sich jemand etwas bequemeres anziehen gehen will: Wir treffen uns draußen, vor dem Eingang."
Schnaufend ließ sich Braggasch auf die Knie sinken.
"Ich ... kann ... nicht ... mehr ...", keuchte er.
"Gut, dass Harry uns ... endlich eine Pause gönnt.", sagte Sebulon und ließ sich neben ihm ins Gras fallen. Er hatte nach dem Frühstück den Gürtel abgelegt, wodurch er sich nicht nur deutlich leichter, sondern auch deutlich nackter fühlte. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn und ließ seinen Blick über das Feld am Waldrand schweifen.
Hier und dort kamen Wächter aus dem Wald heraus, setzten oder legten sich auf den Boden und versuchten Atem zu schöpfen. Menélaos wurde komplett von einem Bettlaken bedeckt, das an einen langen Stock gebunden war.
"Ich versteh nicht ... äh ... was ... puuh ... dieses Spiel uns ... beibringen soll ...", keuchte der blondgelockte Zwerg und ließ sich auf den Rücken ins Gras fallen.
"Thiemwörk natürlich.", sagte Harry gutgelaunt, der über das Feld spaziert kam. "Ihr seid zwei Thiems und müsst bei 'schnapp dir die Flagge' zusammenhalten, um sie nicht an das andere Thiem zu verlieren. Das hab ich euch doch am Anfang erklärt."
"Ja ... äh ...", begann Braggasch, der die Ähs als Verschnaufpausen nutze. "Aber warum ist die Flagge ein, äh, unhandliches Bettlaken, das man zusammenrollen ... äh ... muss, um es vernünftig tragen, äh, zu können?"
"Man hat uns auch eine Kuhhaut angeboten. Die Kuh wäre extra dafür geschlachtet worden. Ich dachte mir, ihr seid mit einem Bettlaken glücklicher. Allein schon des Blutes und des Geruches wegen."
"Trotzdem, Sir, bei allem Respekt", sagte Sebulon, "warum müssen wir dabei 'hott, hott, hott' rufen?"
Statt einer Antwort drehte sich der Ausbilder um und rief: "In der Mittagspause könnt ihr weiterfaulenzen, Jungs! Pause vorbei! Auf, auf, erhebt euch und ran an die Flagge! Aber diesmal
nicht grätschen! Und Wall: keine Ellenbogen, klar?"
Am Abend war auf dem Gang ein lautes Schnarchen zu hören. Der einzige, der wach lag, war Kadwallader. Im schwachen Lampenschein machte er sich Notizen von der Theoriestunde.
Thiemwörk, stand oben auf dem Zettel. Darunter waren scheinbar willkürlich Worte in alle Richtungen geschrieben, wie "Außenseiter", "Dühnamiek der Gruppe", "Begabungen herausfinden", "Krähtiefität" und "Kohl".
[27] Jedes Wort war mit mindestens einem anderen verbunden, sodass seine Notizen immer kleiner wurden, um noch zwischen den bereits vorhandenden Gedanken, Verbindungen und Pfeilen Platz zu finden.
Schließlich riss Janders den Zettel von seinem Block und hob ihn etwas näher an die Lampe, um einen besseren Überblick zu haben.
So gesehen ..., dachte er, als er die Lampe löschte, während ihm seine Augen schon vor Müdigkeit zufielen.
So gesehen war in den letzten Tagen alles dabei. Scheint so, als wären wir ein echtes Tiehm geworden. Sogar Wall macht sich ...Der Schlaf übermannte auch den letzten Rekruten und die wohlverdiente Ruhe der Nacht kehrte über der
Bauernruh ein.
13.10.2008 0: 21Harry
ENDE
15.10.2008 18: 36
[1] Wie jeder gute Tagungsraum hatte dieser die Aufgabe, Gemeinschaft zu formen, indem er für die inhomogene Gruppe ein gemeinsames neues Feindbild schuf: Den Raum selbst.
[2] Eine berühmte Mythengestalt aus der "Leckermaul Saga", die bei Zuckerbäckern sehr beliebt ist. Die Geschichten um die beiden Göttersöhne Zuckerli und Salzla wurden sogar so hoch geschaukelt, dass sich einige Konditoren zu einer Religion um diese beiden Gestalten zusammen schlossen.
[3] Rekruten können verdammt schnell sein, vor allem wenn die Bedrohung besteht, dem Ausbilder zuhören zu müssen
[4] Meistens darüber, ob man lieber auf ihm herumspringen oder ihn als Fußball benutzen sollte
[5] Er landete schließlich am Kopf einer Kuh, wo er hartnäckig die nächsten sechs Jahre bei Wind und Wetter klebte, bis sie schließlich starb. Mit einem echten Ankh-Morpork-
Zahnzieher war nicht zu spaßen.
[6] Wobei sein Blick hauptsächlich in Bodennähe weilte.
[7] Von König Bart dem Bärtigen weiß man beispielsweise, dass er eines nachts geträumt hat, vor ihm stehe ein unsagbar großer Pudding, der ihm befahl Selbstmord zu begehen, wenn er diesen Pudding genießen wollte. Ein sehr tragischer Fall für den diensthabenden Offizier, der auf einer Streife die Leiche und in deren Jackentasche den Abschiedsbrief fand. Den Rest seiner Laufbahn fragte er sich: Wieviel konnte man einer Witwe guten Gewissens zumuten?
[7a] ein eindeutiger Zettel mit eben jenem Verbot, unterschrieben von Jakob Teetrich, prangte gut lesbar an der Wand,
[9] Das Fenster hatte einen eigenen, den Kohlgeruch filternden Dichtungsmechanismus mit Staub und Moos entwickelt, der dem Zwerg kurz Widerstand leistete.
[10] Herr und Frau Klarsohn konnten sich so etwas leisten.
[11] In einem kleinen Dorf in der Sto-Ebene herrschte vor Jarhzehnten ein Mangel an jungen Männern, da diese, kaum dass sie erwachsen waren, von dort fortzogen. Deshalb hatte man den einzigen Jungen, der noch dort geblieben war(Er hatte kein Geld gehabt, um fortzuziehen), zum Bürgermeister gewählt. Unglücklicherweise stürzte er das gesamte Dorf ins Chaos, weil er die Eltern seiner ehemaligen Peiniger ins Gefängnis werfen lies. Leider hatte dies zur Folge, dass das Dorf wegen Bevölkerungsmangel ausstrab.
[12] Zum Missfallen der kleinen Dorf-Göttin Brassica, die Kohlköpfige
[13] Er konnte sich an weite Teile seiner Vergangenheit nicht erinnern
[14] Er hatte vorsorglich sein eigenes Besteck mitgebracht. Als Gnom in der Fremde weiß man ja nie, was man vorfindet.
[15] Diese geniale Methode verdankte Kadwallader Trémaux und Tarry
[16] Natürlich nur optisch! Harry hatte die Rekruten deutlich darauf aufmerksam gemacht, dass derjenige, der dabei erwischt wird, wie er über einen Kohl steigt oder viel mehr durch eine Wand läuft, 50 mal die Gelegenheit haben wird den Boden zu küssen.
[17] Irgendwo nickte ein Leser anerkennend, ob dieses mittelprächtigen Scherzes
[18] Damit entfernte er sich unbewusst aus dem Gefahrenradius des Zwergen, der sich gerade mit dem Gedanken angefreundet hatte, einem Zivilisten mit einem Schraubenzieher eine Lektion zu erteilen.
[19] Er signalisierte: "Ich wäre persönlich gekränkt, wenn du mich hintergehen würdest. Und es würde auch dich persönlich kränken, da bin ich mir sicher. Du möchtest dich doch nicht enttäuschen?"
[20] Braggasch hatte einen jungen Kohlkopf nicht als "Wand" ernst genommen. Harry allerdings schon.
[21] Aus der Sicht von Jargon schon
[22] Außer zum blinzeln natürlich.
[23] Oder vielleicht auch nicht.
[24] zumindest so gründlich, wie es ohne offizielle Befugnisse eben möglich war
[25] Ein ziemlich verwirrender Gedankengang.
[26] Der Grasgeruch war in den letzten Minuten definitiv stärker geworden.
[27] Was Kohl für die Theorie des Thiemwörks austrägt, wird wohl das Geheimnis von Kadwallader und Harry bleiben, da niemand außer den beiden mehr bei der Sache war, als seine Relevanz in der Theorie besprochen wurde.
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