Ktullu Banang!

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von Obergefreite Rabbe Schraubenndrehr (SUSI), Obergefreiter Jargon Schneidgut (SEALS)
Online seit 21. 07. 2012
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 02. 01. 2012 datiert
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 Außerdem kommen vor: Glum SteinstiefelAraghast BreguyarOphelia ZiegenbergerRomulus von GrauhaarRogi FeinstichDagomar Ignatius Volkwin von Omnien

Eine kurze Erklärung: An den Stellen wo beide Wächter als Autoren benannt sind, saßen wir schlicht und ergreifend zu zweit vorm PC und haben die Sätze oft gemeinsam ausformuliert, darum die Doppelbenennung. Die folgende Mission fand darüber hinaus noch vor dem Tod Rogi Feinstichs statt.

Dafür vergebene Note: 11

Rabbe Schraubennndrehr


Der Wind pfiff durch Ankh-Morpork, und verwendete in dieser Nacht dafür eine ganz besonders rasante Melodie. Es war lau, die meisten Menschen konnten nicht schlafen, ebenso wenig wie Zwerge oder Trolle. Am wenigsten schlafen konnten Pholy Raphael und Pholy Phineas, die sich gerade der Erkenntnis stellen mussten, wie schwierig es war, zu zweit mehrere Hühner zu stehlen die erstens nicht mitkommen wollten, und zweitens vor allem nicht leise sein wollten. Passend dazu hätte man annehmen können, dass die Entführer auch nicht schlafen wollten, doch deren eher schlichtere Gemüter weigerten sich, ein angemessener Teil der Analogie des Schicksals innerhalb der folgenden Ereignisse zu werden, sondern wollten im Gegenzug eigentlich viel lieber an ihren Kissen nach den vielen Bettwanzen lauschen[1].
Pholy Mirk saß nervöß auf dem Kutschbock. Sein kräftiger Partner, mit dem zusammen er für diesen Teil des Auftrags ausgewählt worden war, saß in der Kutsche, und sorgte dafür dass...ihrem "Frachtgut" nichts zustieß. Diese ganze Sache gefiel Mirk nicht...Seine Hände zitterten geringfügig, und er musste sich einen Moment an seine alte Ma' erinnern, die ihm mit Sicherheit nicht beigebracht hatte, dass man Fremde nicht entführen dürfte...aber dennoch war Mirk irgendwie sicher, dass sie es so gesehen hätte...seine Alte Ma'...
Er lehnte seinen Kopf in den Rücken, versuchte sich zu entspannen. Er durfte kein Aufsehen erregen, er durfte nicht...
"Uaaah!", kreischte er, und wäre vom Kutschbock gefallen, hätte Pholy Raphael ihn nicht festgehalten. Selbiger hatte ihm kurz zuvor auf die Schulter getippt, nachdem er mehrere Hühner mehr oder minder aggressiv ins Kutscheninnere geworfen hatte. "Habt ihrs hingekriegt?", fragte Raphael locker, woraufhin der Jüngere zunächst nur ein Stottern hervor brachte. Dann: "Klora...Klaor...Äh...Ich meine Klaro", stammelte er, woraufhin Raphael nickte und sich auf den Kutschbock setzte.
"Dann lass uns fahren!"

***

Rabbe Schraubenndrehr + Jargon Schneidgut

Das Krächzen eines alterndes Hahns war die erste Begrüßung, die der aufgehenden Sonne entgegengeschleudert wurde. Schon nach wenigen Sekunden gesellten sich weitere Artgenossen hinzu, dann begannen diverse andere laute Geräusche in der Stadt aus dem zuvor recht geordneten Geräuschpegel ein Lärmmischmasch zu machen, aus dem nur selten einzelne Tierstimmen identifiziert werden konnten. Oder menschliche Ausrufe.
"Halt endlich die Schnauze, blödes Vieh!", brüllte die Überwäldlerin genervt, und spürte wie ihr Blutdruck in die Höhe schoss. Sie rammte den Kopf zurück aufs Kissen, doch die Gewissheit, dass die Zeit des Schlafes nun vorüber war, drang durch ihre zotteligen Haare bis ins Gehirn vor. "Verdammter Mist...", grummelte sie und drückte sich aus dem Bett.
Ebenfalls beim Aufstehen war, nicht allzu weit entfernt, Jargon. Er hatte sich, in seine Bettdecke gehüllt, vom Bett erhoben und schlurfte bibbernd zum Herd. Seine Wohnung war, sofern das Wort überhaupt passte, nur unzureichend isoliert - ein fehlendes Dach sorgte nun mal dafür, dass ein ständiger Durchzug herrschte. Das Wasser in der Teekanne, die er am Abend zuvor in weiser Voraussicht gefüllt hatte, war vereist.
"Na wundervoll", brummte er missmutig und bückte sich, um ein Feuer anzuzünden.

Der muffige Keller hatte zwar einen eisig kalten Boden, doch zumindest war er glatt, und zeigte eine ungewöhnliche Maserung welche Rabbe an die Gesteinsformationen der großen Felsen (oder Trolle?) in ihrem alten Heimatdorf erinnerten. Selbiger Fußboden schien sich vor ihren Augen von Tag zu Tag zu verändern, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass er sich ihr immer recht schnell näherte, und sich dann geringfügig langsamer wieder entfernte. Schließlich beendete sie ihr Training, sprang auf und machte sich auf die Suche nach etwas, was man zumindest entfernt als Nahrung bezeichnen konnte.

Endlich kochte das Wasser - Jargon hatte keine Dampfpfeife, denn er hörte sowieso wenn es in der Kanne blubberte. Es gab ohnehin nicht wirklich viel mit dem er sich ansonsten hätte beschäftigen können (außer vielleicht seine Uniform anzuziehen und ein altes, kantiges Brot zu essen[2]. Er wärmte sich ein wenig am Feuer und warf seine letzten Teeblätter in das Wasser. Dann warf er einen Blick auf die Uhr. Es war 5:34... gerade noch genug Zeit um den Tee zu trinken und zur Wache zu laufen.

Ein kurzes Japsen bahnte sich den Weg aus ihrer Kehle, und ihr wurde am Rande bewusst, dass der soeben auf ex getrunkene Kaffee vielleicht doch ein bisschen zu heiß war. Unwillkürlich musste sie ihren Kiefer neu strukturieren, die Augen weiteten sich und ein kurzer Schauer schlich sich ihren Rücken entlang. Noch einmal gähnend stellte sie die Tasse betont ruhig auf den Tisch, stellte den Röster aus[3], und machte sich auf den weg zum Wachhaus.

Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte überquerte er rasch die Unbesonnenheitsstraße. Er wollte sich so wenig wie möglich auf offener Straße aufhalten, deshalb trat er sofort in den Schatten der gegenüberliegende Gasse. Schneidgut zog den Weg durch die Gassen der offenen Straße vor weil er dort 1.) nicht mit den strömenden Menschenmassen Ankh-Morporks zu kämpfen hatte (oder zumindest in verminderter Form) und weil er dort 2.) eventuelle Verfolger besser abschütteln konnte. Er wusste zwar von keinen Verfolgern, aber man konnte ja nie wissen...

Missmutig kämpfte Rabbe sich ihren Weg durch die Ulmenstraße. Huren, Gammler, Unrat,- All dies behinderte ihren Weg, ließ ihren Stechschritt stocken. Ihre Laune sank ins bodenlose und sie wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als endlich am Pseudopolisplatz anzukommen. Rabbe passierte die Sirupminenstraße, trat in die Glatte Gasse und bemerkte in der Menge einen braunen Haarschopf. Dies wäre ansich nichts ungewöhnliches gewesen, doch ließen Körpergröße und Gangart des Eigners leider einen eindeutigen Schluss darauf zu, bei wem es sich um selbigen handelte. "Och nee..."
Im selben Moment ging jemand anderem etwas ähnliches durch den Kopf. Jargons Augen weiteten sich vor Schreck, als er in unmittelbarer Nähe eine ihm unangenehm bekannte Person entdeckte, woraufhin er versuchte sich ein wenig zurück fallen zu lassen um ihr nur ja nicht begegnen zu müssen.

Rabbe Schraubennndrer


Wer am meisten drängelt kommt am schnellsten weiter, zumindest Rabbe teilte diese Ansichtsweiße. Aber warum hielten sich um kurz vor Sechs Uhr Morgens denn auch so verdammt viele Menschen am Pseudopolisplatz auf? Hatten die nichts besseres zu tun als vor der Oper rum zu hängen? Hofften die etwa, irgendwie gratis in eine mittelmäßige Vorstellung Einlass zu bekommen? Unbewusst drückte Rabbe einem der Drängler die Nase ein und schob sich weiter.
Langsam kam das Wachhaus in Sicht, und je näher sie kam, umso genervter wurde sie. Wäre es nicht gegen die Vorschriften würde sie anfangen, einfach um sich zu schlagen, nur um schneller durchzukommen, aber schon die letzten zwei Verhöre waren eigentlich genug Ärger für den gesamten Rest ihres Lebens gewesen.

Jargon hatte die Arme um seinen Körper geschlungen und biss die Zähne zusammen. Er kam dem Wachhaus näher. Immerhin. Dass er den Boden dabei nicht berührte, sondern einfach in der Menge weiter getragen wurde hätten viele Andere mit Sicherheit als beneidenswerte Einsparung körpereigener Ressourcen empfunden, er sah das jedoch anders.
Er. Wollte. Das. Nicht.
Infolgedessen biss er die Zähne zusammen, und hoffte einfach nur, dass es bald vorbei war.

"Ich will doch nur ins Wachhaus...", dachte ebenfalls Rabbe, die nun nur noch knappe zwei Meter von der Tür zu selbigem entfernt war, jedoch kaum noch weiter kam. Je näher sie ihrem Arbeitsplatz war, umso langsamer kam sie voran...dämliche Mörphische Kausalität[4].
Plötzlich tat sich eine Lücke auf. Rabbe stürmte vor, erreichte die Tür, - Und die Hand einer kleinen Gestalt die soeben aus der Menge gepurzelt war, schloss sich um den Türgriff, just bevor sie zum stehen kam.
Frost schien sich breit zu machen, als beide den Kopf drehten und die Blicke kollidierten.
"Du...", knurrte Rabbe, gelinde überrascht aber mehr als verärgert, während gleichzeitig ebenfalls ein "Du?" aus dem Mund des Dienstälteren kam, bei diesem aber wensentlich leiser, überraschter und vor allem ängstlicher.
"Ähm...", setze Jargon nach, "Nach dir...", sprach der Obergefreiter und ging beiseite, um der Dienstjüngeren den Vortritt zu lassen.


***


Rabbe Schraubenndrehr + Jargon Schneidgut



Pholy Phineas, von den anderen Pholys nur "Phynni" genannt, bohrte sich voller Hingabe in der Nase. Er hatte die letzten paar Stunden damit verbracht, Hühner zu füttern und sich zu kratzen, - Keine sehr interessanten Tätigkeiten. Doch nun schien sich endlich etwas zu tun. Ihr ehrwürdiger Anführer trat ein, und sofort unterbrach er die Ausgrabungen in Schleimhaut-Nähe und die Unterwürfigkeits-Zellen in seinem Körper nahmen ihre Arbeit auf. "Oh Großer Kroteng, alles ist bereit!", säuselte er, und warf sich in den Staub. Der Adressierte maß ihn mit einem abschätzigem Blick, wandte sich dann ruckartig von ihm ab und schritt in Richtung des überdimensionalen Oktagramms welches den Boden zierte.
Ein schmaler Lichtstreifen fiel in den nur von wenigen Kerzen erhellten Raum, als sich die Kellertür öffnete. Der kräftige Pholy Herribert trat in den Raum, seine lange schwarze Kutte streifte hinter ihm über den Boden. Er war sehr stolz auf seine Kutte - er hatte sie eigens aus dem Taschentuch eines Assasinen genäht. Ihm nach folgte, nicht ganz so elegant gekleidet, Pholy Flachdach, welcher im Gegensatz zu dem ihm folgenden Zwerg die Wand jedwedem Boden vorzog. Gerd Beinbeißer [5], seines Zeichens Hersteller der besten und buntesten Puppenhäuser (mit echtem Gezieferpelzteppich im Wohnzimmer), klirrte durch den engen Gang und schaute grimmig drein.
Hintendrein trotteten die Pholy Mirk und Raphael.

Nach einem kurzen, stummen Einverständnis dass es nichts zu bereden gab, begaben sich alle auf ihre Positionen, wobei jeder der Pholy an einer Spitze des Oktagramms stand, und der Kroteng, mit zwei leeren Spitzen im Rücken, an deren Kreuzungspunkt. In der Mitte des achteckigen Sterns stand eine kleine Tonfigur, kaum größer als Pholy Herribert.
"Meine Pholy, und Phola, wir sind heute zusammen gekommen...", intonierte der große Kroteng, wurde jedoch jäh unterbrochen. "Wir sind nur Pholy, Meister, von den Bräuten wollt' sich keine in 'nen dunklen Keller hocken", rief Raphael, und machte ein Gesicht als würde es ihm tiefste Genugtuung bereiten, in irgendeiner Form "hilfreich" zu sein.
Der Meister liess die Arme sinken, sog die Luft angespannt ein und liess sie pfeifend wieder entweichen.
"Pholy Raphael...", knurrte der ehrwürdige Meister, und das Weiße in seinen Augen schien sich auszubreiten.
"Derartiger Äußerungen solltest du dich eher enthalten, ansonsten sehe ich mich gezwungen dir dein Sprechorgan zu entfernen."
Raphael schluckte, sparte sich aus Furcht jedoch jegliche Erwiederung und beugte demütig das Haupt.
"Nun...Wie wir alle wissen neigt sich die Zeit der Demut dem Ende zu... Schon bald werden all unsere Träume wahr werden!", verkündete der Meister, und adressierte nun mit beiden Händen die kleine Figur, "denn der große Banang wird über uns kommen, und uns die Macht geben, all das zu verändern was wir wollen!", rief er aus, und ein wildes Stimmgewirr entbrach aus den Kehlen seiner Anhänger.
"Banang!"
"Kullu Banang!"
"Bier!"
"Gumbagubanga!"
Entsetzt hob der Kroteng die Hände "WAS IN ALLER GÖTTER NAMEN-"
Die Stimmen der anderen verstummten langsam
"...bagu?", flüsterte Pholy Mirk verunsichert.
"Ihr habt doch alle das Blatt gelesen dass ich euch gab, oder?!"
Verlegen starrten die anderen auf den Boden, die Wände oder einen anderen Fixpunkt ihrer Wahl.
"Nun..."
"Also..."
"Ich musste ein neues Puppenkleid entwerfen..."
Die Pholy brieten unter dem röstenden Blick ihres Meisters.
"Ich werde es nur ein einziges Mal sagen...", sprach der Kroteng in einer unheilverheißenden Mischung aus leisem Flüstern und drohendem Knurren, "Im Chor...Und ich meine IM CHOR, singt ihr "KTULLU BANANG", nicht "Kullu Banang", nicht "Banang, Banang!", nicht "Bier!", und unter gar keinen Umständen "Gumbagubanga", ist das KLAR?", brüllte er die letzten Worte beissend heraus, und keiner wagte auch nur einen Blick in die Nähe der kalten Seelenspiegel des Krotengs.
"Also...", zischte dieser, "Können wir nun fortfahren?"
Demütiges Nicken zeigte sich, und alsgleich füllte ein Sprechchor den kleinen Keller:"KTUL-LU BAN-ANG!"
Nach einigen Minuten bedeutet der Kroteng, dass der Chor erstummen sollte, gab der Meister ein Zeichen, und Pholy Herribert sowie Pholy Flachdach gingen, und kamen Sekunden später beide mit je einem Käfig zurück, wobei Herriberts um ein Vielfaches größer war. Beide waren mit einem weißen Tuch verdeckt. Dieser ruckelte immer wieder ein wenig, und es klangen gedämpfte Laute daraus hervor während der Zweite, kleinere, offenbar leckte; eine weiße Flüssigkeit tropfte auf den Steinboden.

***

Jargon Schneidgut


Erleichtert aufatmend schloss Jargon die Tür seines Büros hinter sich.
Mit der hab ich hoffentlich nicht noch öfter zu tun!, dachte er, warf seine Jacke über die Stuhllehne und setzte sich leicht zittrig an seinen Schreibtisch. Nachdem er kurz ein wenig verschnauft hatte, öffnete er die Augen und erblickte eine Akte, die auf der Tischplatte lag. Mit neugierigem Blick schlug er sie auf und las sich das Wenige durch, was bisher darin stand.
Er seufzte.
Hühnerdiebstahl? Ernsthaft?
Seine Finger trommelten kurz auf das dunkle Holz des Tisches, dann seufzte er wieder, erhob sich und griff nach seiner Jacke. Nachdem er sie angezogen und die Akte in einer der tiefen Taschen verstaut hatte, zog er ein Blatt Papier aus einer anderen und kritzelte etwas darauf. Diesen Zettel steckte er dann behutsam in seine Jackeninnentasche.
Dann brach er wieder auf - vorsichtig um die Ecken der Gänge spähend, bis er das Wachhaus verlassen hatte.
Draußen war es noch immer viel zu kalt für seinen Geschmack, aber schon um einiges menschenleerer. Die letzten Nachtschwärmer waren auf dem Weg nach Hause (beziehungweise zu ihrem Unterschlupf).
Jargon mochte diese Zeit des Tages, wenn nur noch wenige Leute unterwegs waren und er sich beinahe ungehindert durch die Straßen der Stadt bewegen konnte. Außerdem konnte man zu dieser Zeit die kuriosesten Gestalten beobachten - der kleine Mann erhaschte einen Blick auf mehrere, in schwarze Roben gehüllte Personen die gerade vor ihm in eine Seitenstraße bogen. Ein kleiner Junge mit einer riesigen blauen Mütze rannte an ihm vorbei, und er musste einem Betrunkenen ausweichen, der offenbar bis auf ein kleines Fass unbekleidet war. Hinter jedem dieser Personen steckte, so wusste er, eine eigene Geschichte.
Was sie wohl über mich denken?, fragte er sich, als eine kleine Frau mit einem Schubkarren voller Kiesel am ihm vorbeischlenderte [6].
Schließlich erreichte er sein Ziel - ein wohlhabend aussehendes Haus in der Winkelzuggasse. Die weiße Fassade war schon fast zu sauber, und in den Fenstern standen (hinter der Scheibe) kleine Topfpflanzen mit lila Blüten. Die Tür war blau gestrichen, einen Türklopfer gab es nicht. Jargon vermutete, dass die Farbe damit wohl zu schnell wieder abgeplatzt wäre und betätigte die Türglocke. Das Bimmeln klang laut und unangenehm. Kurz nachdem es verklungen war, erklang ein Rumpeln von drinnen. Die Tür wurde geöffnet, und Jargon sah sich einem großen, breiten, leicht rundlichem Mann mit einem stattlichen Schnurrbart gegenüber. Seine grellblaue Hose bildete einen starken Kontrast zu dem gelben Strohhut auf seinem Kopf und dem weißen Haar, das darunter hervorlugte. Seine Stimme dröhnte.
"Was ist denn nun schon wieder?! Darf man denn nicht mal in Ruhe arbeiten?!" Er starrte mit einem Blick auf Jargon herab der sagte 'Wehe wenn dein Anliegen nicht wichtig ist!'. Diese Blicke hatte der Wächter schon öfter gespürt als ihm lieb war, aber immerhin hatte er sich dadurch fast schon dagegen abgehärtet.
"Ähm, Stadtwache", stammelte er und zeigte seine Marke.
Entgegen seiner Hoffnung, aber seinen Erwartungen entsprechend wurden die Augen des Mannes noch schmaler.
"S- sind sie Herr Schmering?"
Der bärtige Mann nickte, die Augen noch immer verengt. Dann grummelte er: "Wird aber auch Zeit", und stapfte durch die Tür. Mit einem Wink bedeutete er Jargon, ihm zu folgen. Während er so vor ihm stapfte, begann er zu erzählen:
"So dreist waren diese Hühnerdiebe seit Jahren nicht mehr... man sollte meinen ich hätte den meisten bisher genug Respekt eingeflößt. Verfluchte Bettler und Kinder... als wäre ich nicht schon genug vom Schicksal gebeutelt..."
Der schmale Gang den die zwei durchquerten endete vor einer dunklen Holztür. Der Rechtsexperte bemerkte eine ziemlich gefährlich aussehende, doppelläufige Armbrust[7] die neben der Tür an der Wand lehnte.
"Haben sie dafür eine Genehmigung?", entfuhr es ihm beinahe reflexhaft. Herr Schmering, der gerade die Tür öffnen wollte, drehte sich auf eine sehr imposante Art und Weise um. Die Muskeln an seinen Armen schimmerten weiß in dem spärlichen Tageslicht, dass durch ein Fenster an der Seitenwand fiel. Sein Schnurrbart zuckte, und seine Augen schienen kleine Blitze abzufeuern.
"Ja", sagte er. Wie hypnotisiert nickte Jargon.
Die Tür öffnete sich mit einem Geräusch, das darauf hinwies dass sie schon so oft geölt worden war, dass sie sich nicht mehr zu quietschen traute, aus Angst sie würde beim kleinsten Geräusch sofort ausgewechselt.
Die beiden traten in einen kleinen Hinterhof, in den nur wenig Tageslicht fiel. In einer Ecke stand ein großer Käfig aus Draht, in dem drei traurig dreinblickende Hühner auf Strohnestern hockten.
"Naa, was fällt ihnen auf bei diesem Anblick?"
Der Obergefreite schaute etwas trüb drein.
"Sie scheinen kein Wasser mehr zu haben", meinte er dann, und fügte "und drei Nester sind leer" hinzu, weil er sich keinen Ärger einhalndeln wollte.
"Jaja, da war ich gerade- eben. Und weißt du warum?!" Der Mann beugte sich ein ganzes Stück zu Jargon herab und pochte seinen Zeigefinger auf die schmale Brust.
"Weil ihr mit eurem Verein einfach keine ordentliche Arbeit macht!"
Jetzt doch schon ein Stück weit empört wollte der Wächter gerade zu einer Rechtfertigung ansetzen, als eine sanfte Stimme hinüberflötete: "Heinrich? Haben wir etwa Besu-huuch?"
Der Bauer erstarrte und drehte den Kopf zu einem kleinen Fenster, durch das gerade eine beleibte Frau nach draußen sah. Ihre Haare hatten noch ein wenig von ihrem Rostrot beibehalten, auch wenn das Grau langsam überhand nahm.
"Ja Liebling, ich klär' das schon... mach du nur Tee..."
"Oh nein, ich kenne deine Art 'das zu klären'... ich komm raus!"
Die Frau verschwand aus dem Blickwinkel der Beiden. Herr Schmering richtete sich auf, nahm seinen Hut ab und wischte sich Schweiß von der Stirn. Dann warf er einen Seitenblick auf Jargon der sagte: Bitte... bitte gib ihr keinen Grund wütend auf mich zu sein. Der nur allzu freundliche kleine Mann nickte und sah ebenfalls wie gebannt auf die dunkle Holztür, die sich gerade öffnete.
Rosalinde Schmering kam auf die zwei zumarschiert und lächelte dabei das unter Ehemännern so berüchtigte "Ein-Gast-ist-da"-Lächeln, das bei dem männlichen Geschlecht jeden Widerspruch auslöschte und auf Frauen ansteckend wirkte.
"Wie können wir helfen?", fragte sie und sah mit ihrem bedrohlich wirkenden Lächeln auf Jargon herab.
"Oh, es ist-", er räusperte sich, "ich bin wegen der Hühner hier."
Sie nickte, dann warf sie ihrem Mann einen merkwürdigen Blick zu (merkwürdig zornig) und erzählte ihm rasch, was sich zugetragen hatte - allerdings nicht ohne ihn vorher zusammen mit ihrem Ehemann in die recht hübsch eingerichtete Küche zu bugsieren und ihm Tee aufzudrängen.
Grundsätzlich schien es folgendermaßen abgelaufen zu sein - mitten in der Nacht ertönte von draußen plötzlich lautes Gegacker und Gefluche. Herr Schmering, der praktisch sein ganzes Leben lang auf diesen Augenblick gewartet hatte, war sofort aus dem Bett gesprungen und, mit der doppelläufigen Armbrust bewaffnet, im Nachthemd und Schlafmütze nach draußen gerannt. Seinen Wortlaut gab sie etwa so wieder:
"Verdammte Kinder, verschwindet aus meinem Hof!" - ungeachtet der Tatsache, dass es eigentlich zwei erwachsene Männer in schwarzen Kutten gewesen waren, die gerade dabei gewesen waren mit vier Hühnern davonzulaufen. Schmering hatte auf sie geschossen, dabei aber niemanden getroffen. Allerdings ließ einer der Beiden vor Schreck ein Huhn fallen, das der Bauer nach einer kurzen, aber schnell erfolglosen Verfolgungsjagd enttäuscht wieder in seinen Käfig gesetzt hatte. Am nächsten Morgen hatte er dann das Schloss ausgetauscht.
"Das stimmt doch so Herinrich, oder nicht?"
Der beinahe glatzköpfige Mann nickte. Sein Kiefer mahlte.
"Können sie sich noch erinnern wie die Beiden ausgesehen haben?"
Er legte den Kopf schief, dann brummte er: "Naja... die Kutten haben ihre Gesichter verdeckt. Alles was ich sagen kann ist, dass sie von menschlicher Gestalt waren, aber..." Er sah ein wenig misstrauisch zu seiner Frau, die nickte. "Heutzutage muss da ja nichts mehr heißen... Werwölfe, Vampire..." Sie nickte, mit niedergeschlagenen Augen.
Um dem obligatorischen 'Früher war alles besser!'-Gespräch zu entfliehen, sagte Jargon dann: "Das war dann schon alles. Wir werden unser Bestes tun, ihre Hühner wiederzubeschaffen..."
Wenig überzeugt nickte Herr Schmering, seine Frau bedankte sich. Dann war es an der Zeit zu gehen - bevor die Zwei noch herausfanden dass er Rechtsexperte war und ihn fragten ob Zombies denn überhaupt legal waren.


***


Rabbe Schraubenndrehr


Nachdenklich trank die Schwarzhaarige ihren Kaffee während sie versuchte sich die Details der letzten Mission ein wenig genauer ins Gedächtnis zu rufen, um selbige dann in ihrer uncharakteristisch klaren, verschnörkelten Handschrift nieder zu schreiben. Eben lehnte sie sich zurück und ließ die Sonne einen Moment auf ihren Nacken scheinen, da öffnete sich die Tür des Aufenthaltsraums und das aus Rabbes Sicht wohl versnobteste Rum-Mitglied schlechthin trat ein, hielt kurz Ausschau und eilte dann auf sie zu, als er sie entdeckte.
"Hey Dagomar...", begrüßte sie ihn lässig, nickte ihm zu und nahm noch einen Schluck Kaffee bevor sie ihm mehr Aufmerksamkeit schenkte.
"Hallo Rabbe, Chief-Korporal Ziegenberger hat mich entsand um dir ihre Erwartung deiner Präsenz in ihrem Büro kundzutun...", schwadronierte der Gefreite, was von Rabbe als Reaktion zunächst nur hochgezogene Augenbrauen und ein nachdenkliches Nicken erwirkte.
Als der Jüngere merkte, dass die Schwarzhaarige offenbar keinerlei Anstalten machte sich in Richtung des Ziegenberg'schen Büros auf den Weg zu machen, sondern ihn weiterhin nur fragend ansah, fügte er hinzu: "Ähm...alsgleich, meinte ich."
Rabbe musterte ihn immernoch fragend. "Sag mal...", setzte sie dann an, "dass du so blass bist...beinflusst das irgendwie deine Möglichkeit, die Gesichtsausdrücke anderer zu deuten? Denn meiner bedeutet ganz klar 'Weißt du, worum es geht'...", sprach Rabbe in langsamen, bewusst abgehackt klingenden Wörtern, teils um sich über ihn lustig zu machen, aber auch weil sie manchmal wirklich an den Fähigkeiten des Blonden zweifelte.
Als deutliches Zeichen höherstehender Missbilligung zog der Gefreite Volkwin von Omnien eine Augenbraue hoch, und verwies darauf, dass er der kurzen Unterredung mit ihrer Vorgesetzten keinerlei Details hatte entnehmen können, woraufhin er gen Kantine davon stiefelte.
Nachdenklich trank die Schwarzhaarige ihren Kaffee aus, packte ihre Unterlagen zusammen und machte sich auf den Weg ins Büro der Stellvertretenden Abteilungsleiterin.

Mit kühlem, aber nicht unfreundlichem Blick sah Chief-Korporal Ziegenberger auf, als Rabbe nach dem leisen "herein" eingetreten war, Sie bedeutet ihr mit einer Handbewegung platz zu nehmen, dann huschten ihre Augen noch einmal hektisch über eine Akte, bevor sie sich endgültig dem neusten Mitglied ihrer Abteilung zuwandte.

"Hallo Obergefreite Schraubenndrehr", begann sie, und Rabbe salutierte lässig. "Mäm?"
"Es hat einen recht eigenartigen Mordfall gegeben. Heute früh wurde die Leiche eines Bäckerlehrlings an den Fünf Wegen gefunden. Der arme Junge hatte einen Hühnerkopf, Hühnerfüße und -federn im Rachenraum, dafür im Gegenzug nicht mehr einen einzigen Tropfen Blut in seinen Adern", sprach die Stellevertretende Abteilungsleiterin, und reichte Rabbe eine andere Akte von einem kleinen Stapel am Rande des ordentlichen Schreibtisches. "SuSi sagt, dass er nicht dort umgebracht wurde, wo er lag, alles weitere steht im Bericht. Versuch, so viel wie möglich dazu herauszufinden, ich erwarte spätestens Übermorgen einen Rapport über den Stand deiner Ermittlungen."
"Ja Mäm", nickte die Obergefreite, und warf einen kurzen Blick auf das erste Blatt des Ordners, welcher problemlos als SuSi-Bericht zu identifizieren war. Sie überflog die folgenden Seiten, sah diverse Ikonographien mit teils blutigen Darstellungen, eine kurze Notiz mit Adresse des Opfers und der Person die ihn gefunden hatte.
Dann spürte sie einen kühlen Blick auf sich ruhen, schloss die Akte rasch und sah auf.
Ophelias klare, berechnende Augen fixierten sie nachdenklich. "Dies wird dein erster eigener Fall der sich nicht einfach lösen lässt indem man per Ausschlussverfahren zusieht, wer am meisten vom Tod des Opfers gehabt hätte", sprach sie bestimmt, und plötzlich hatte Rabbe wieder diesen unangenehmen Eindruck, als könnte die Vize-Abteilungsleiterin einfach durch sie durchsehen, jedes noch so kleine Geheimnis, jeden winzigen Zweifel im Sein der Überwäldlerin wahrnehmen. "Hast du irgendwelche Bedenken?", fügte die Grauäugige hinzu, und schenkte ihr ein kleines, kühles Lächeln.
Einen Moment lang überlegte die Überwäldlerin. Sie vertraute Ophelia halbwegs, zumindest um einiges mehr als beinahe jedem anderen Höherstehenden Wächter (wenn auch natürlich bei weitem nicht so sehr wie dem Oberfeldwebel Von Grauhaar), und ging auch davon aus, dass diese mit eventuellen Fragen oder Problemen verständnisvoll umgehen würde, aber...gab es die denn?
Die Schwarzhaarige ging alles noch einmal gedanklich durch, entschied sich dann aber dagegen. "Nein, Mäm, ich denke ich werde mit dieser Aufgabe zurecht kommen. Ich werde Sie nicht enttäuschen."
"Gut. Sonst noch irgendwelche Fragen, Obergefreite?", fragte Ophelia, und bedachte sie mit einem freundlichen, aber autoritären Blick.
"Nein Mäm!", erwiederte Rabbe, stand auf und Salutierte.
"Dann darfst du nun wegtreten Obergefreite. Viel Glück."
"Danke Mäm."


Als sie das Büro verlassen hatte begab sich die junge Ermittlerin zurück in den Aufenthaltsraum, holte sich noch einen Kaffee und begann nun, die Akte durchzugehen.



Name des Opfers: Thomas Nelke
Alter: 27
Fundzeit: 7.14
Fundort: Bei den Fünf Wegen
Leichenfinder: Albert Stamm, Auszubildener in der "Nilpferd-Konditorei", Arbeitspartner des Toten
ungefährer Todeszeitpunkt: unbestimmbar
Todesursache: Blutarmut
Außere Verletzungen: Kehle wurde mit einer scharfen klinge geöffnet, 2 aufgekratzte Pickel an der rechten Wange, Eine aufgeplatze Warze am linken Knie, Füße beinahe vollständig abgenagt (siehe hierzu Bericht)
Bericht:"Der Tote..."


Hier hörte Rabbe auch schon auf zu lesen, überflog die weiteren Seiten und den Bericht nur noch, entnahm als einizig wichtiges nur die Namen möglicher Zeugen und die Tatsache, dass man angeblich Reste von Hühnern im Rachenraum des Toten sowie Pickspuren an dem kümmerlichen Resten seiner Füße gefunden hatte.
Seufzend schüttelte sie den Kopf, besah sich die Ikonographien des Toten.
Bei der Betrachtung besagter Beweisbilder musste Rabbe unwillkürlich an den Job denken den die geschätzten Leichenfledderrer regelmäßig machten. Sie selbst hatte kein Problem mit Toten, aber schon wie sie sich die Bilder besah könnte sie schwören, ein intensiv organischer Geruch würde an ihre Nase dringen...der bittere metallene Geruch von Blut mischte sich mit der süßen Starre verwesenden Fleisches. Die Quelle solch olfaktorischer Quellen zeigte sich einfach mit unfassbarer Präzision in diesen Bildern. Bräunliche Fäden und kleine, schleimige Klumpen klebten an den Knochenstücken und in den Gelenken, welche durch das gänzliche Fehlen von Muskelgewebe und Nervenfasern der Füße beinahe vollständig freigelegt waren, wobei an den Beinpartien unmittelbar über dem Fuß kleine Hackabdrücke zu sehen waren, welche wohl von einem Hühnerschnabel stammen könnten. Der Torso war komplett geöffnet, das Bauchfell hatte sich in gelben Rollen seitlich an der Bauchöhle aufgestaut, der Brustkorb war aufgeknackt worden, die Luftröhre auf die Seite geschoben, die Speiseröhre lag frei. Die Organe des Toten waren bis auf wenige Ausnahmen offensichtlich geöffnet, untersucht und dann wieder zurück gelegt worden, und neben der Leiche fanden sich mehrere Petri-Schalen mit Federn, sowie zwei weitere mit je zwei Hühnerfüßen und einem -kopf.
Vom ursprünglichen Aussehen des Toten war kaum noch etwas zu sehen. Der Mann war offensichtlich wirklich noch nicht alt gewesen. Das Gesicht sah aus wie das was es war, Eines unter Tausenden, das ein bisschen Pech gehabt hatte. Ein schwarzer Haarschopf war das was an dem Toten noch am menschlichsten aussah, denn die Züge waren grässlich in Angst und Ekel verzerrt, die Augen wirkten noch leerer als Rabbe es von anderen Toten schon kannte, aber vielleicht lag das auch daran, das es nunmal nur eine Ikonographie war.
Stumm nickte sich die Obergefreite selbst zu, packte die Fotos wieder sachgemäß ein und schloss die Akte. Dies versprach ein interessanter Fall werden...

Als die Obergefreite an den Fünf Wegen ankam, schien alles wie immer. Als ein Kreuzpunkt mehrerer kleinerer Straßen hatte dieser Ort im allgemeinen die selben Eigenschaften wie dutzende andere Orte im Stadtteil Morpork; Routinierter Taschendiebstahl, gelegentliche Überfälle, Händler die Neulingen Schrott andrehten, - das Straßentheater Ankh-Morporks stand wie immer in vollster Blüte.
Nachdenklich starrte Rabbe auf die Straße, wo man den Toten gefunden hatte[7a]. Aufgrund der Tatsache dass sie dort tatsächlich nicht die kleinste Blutspur ausmachen konnte [9] und es auch sonst äußert unwahrscheinlich erschien dass man den Bäcker direkt auf einer befahrenen Straße hatte so umbringen können dass es danach aussah als hätten ihm ein paar Hühner die Füße abgepickt, ging die Ermittlerin davon aus, dass er tatsächlich woanders sein Leben ausgehaucht hatte.
Nachdem sie sich noch einen Moment umgesehen hatte, bog sie in die Nilpferd-Straße und begab sich dort in die Konditorei.
"Gut'n Taaach...was kann ich für s'e duun?", fragte der Mann hinter der Theke welcher, gemessen an Bauchumfang und Gelassenheit, offensichtlich Inhaber des Ladens war. Geschäftig zog Rabbe ihre Dienstmarke hervor.
"Stadtwache Ankh-Morpork, Obergefreite Rabbe Schraubenndrehr, R.U.M. Ich ermittle im Todesfall des jungen Thomas Nelke", sprach sie geflissentlich, und blickte den älteren Herrn an, gespannt, welche Reaktion seinerseits wohl einträte.
Der Mann starrte ins Leere, sein gigantischer grauer Schnauzer, der sein Gesicht dominierte, zitterte leicht.
Dann nickte er. "S'e meinen den jungen Nek. Hat hier gearbeitet...deshalb sind sie doch hier, nich?", fragte er widerstrebend mit tiefer, brummender Stimme. Rabbe nickte. "Wie heißen sie?", fragte sie in geschäftsmäßigem Ton, und klappte einen kleinen Notizblock auf." "Arthur Schwängelig, geboren Stepper". Rabbe runzelte die Strin, "Sie haben den Namen ihrer Frau angenommen?", fragte sie, und zog irritiert eine Augenbraue hoch, doch diese Frage schien den Mann ganz gewaltig in Rage zu bringen "Sie hat mir meinen weggenommen, is das klar? Si' hadd ihn mir weggenommen, und darum heiß' ich jetz' Schwängerl, klar? Was geht sie das überhaupt an, hä? Es geht hier ja nich um meinen Namen sondern um den armen Nek, nich?"
"Warum nennen sie ihn "Nek"?"
"Na wegen seinem N'chnam'n"
"Sie meinen Nelke?"
"Ja...Nelke...kurz Nek, is' doch klar..."
Rabbe seufzte leise, nickte aber und notierte brav alle Informationen über Anschrift und Tätigkeit des Mannes, sowie die anderen Mitarbeiter und sie tat auch so, als würde sie den Teil mit notieren den der Herr über seine Frau daherwetterte.
Nach einer gefühlten Endlosigkeit hatte sie es immerhin geschafft, eine halbwegs passable Aussage zu erhalten. "...un' dann 'chab ich mit ihm...", redete herr Schwängerl gerade noch munter vor sich hin, doch Rabbe hob bittend die Hand. "Herr Schwängerl, haben sie vielen Dank für ihre Zeit, sie waren eine wirklich große Hilfe", sprach sie sehr freundlich und schüttelte ihm die Hand, während sie dachte "Warum kannst du traurige Entschuldigung für einen Hefekloß mich nicht einfach in Ruhe meinen Job machen lassen, aufhören mir von irgendwelchen Teigspeisen zu erzählen und mir einfach das über deinen toten Gehilfen erzählen wonach ich dich frage, und nicht seine Sockengröße, hm? Elender Marmeladenteufelverschnitt...". Doch dies sagte natürlich nicht laut, sondern bedankte sich noch einmal mit einem starren, eingemeißelten Grinsen im Gesicht und fragte erfolgreich, wo sie denn dem Jungen Albert Stamm habhaft werden könne, da sie diesem auch noch einige Fragen zu stellen habe.
Kaum trat sie aus dem Laden atmete sie erst einmal tief durch. In diesen Momenten wusste sie zutiefst zu schätzen dass sie so viel Zeit in das Trainieren ihrer eigenen Geduld gesteckt hatte. Hätte sie das nicht getan, hätte der Mann in dem Laden inzwischen wohl keine Zähne mehr.

***

"Hatschi!", entfuhr es Phineas, und er schnäuzte sich die Nase.
Diese abendlichen Touren waren nicht gut für ihn, das wusste er. Nach dem gestrigen, erfolgreichen Ritual hatte der Kroteng sie für heute gleich los geschickt um "Nachschub" zu besorgen. "Nachschub, pah!", murmelte Pholy Phineas verärgert und zog seinen Mantel enger um die schlanke Gestalt. Als ob das Ritual selbst nicht schon kräftezehrend genug gewesen wäre, heute mussten sie gleich den nächsten unglücklichen Burschen entführen um ihn noch in derselben Nacht zu opfern. "Also", begann Herribert überraschend, der soeben wie aus dem Nichts aufgetaucht war und sich nun geschäftig die Hände rieb. "Der Nächste lebt in der Zephirstraße, er verlässt das Haus immer pünktlich zu Sonnenuntergang, also haben wir noch zwei Stunden Zeit bevor wir ihn schnappen müssen", sprach der Gnom bestimmt. "Raphael wird am Oberen Breiten Weg zu uns stoßen und dann können wir die Sache hoffentlich schnell über die Bühne bringen. Der Kroteng will pünktlich anfangen", sprach Herribert mit solch einer Bestimmtheit, dass Phineas weder wagte zu fragen, warum er ausgerechnet diesen bedauernswerten Menschen ausgewählt hatte, noch wie er es eigentlich geschafft hatte in einer derart kurzen Zeitspanne durch die halbe Stadt zu laufen.

***

Genervt fuhr sich die Überwäldlerin durch die Haare, und wandte den Schritt gen Verlierende Straße, wo der Verstorbene gewohnt hatte. Auch die Befragung des zweiten Lehrlings hatte nichts neues zu Tage gefördert. Der Mann war offensichtlich entweder volkommen mit den Nerven fertig, oder er hatte den Burschen selbst umgebracht und übertrieb es nun mit dem Trauerschauspiel. Rabbe vermutete ersteres. So sehr sie sich den ungeschickten, weinerlichen Mann als Täter vorzustellen versuchte, es passte einfach nicht. Er hatte zwar etwas zu verbergen gehabt (wer hatte das nicht?) aber es war auch offensichtlich gewesen, was das gewesen war... "Opfer hatte Beziehung mit Albert Stamm. Selbiger kommt als Täter nicht in Frage", notierte Rabbe geflissentlich in ihr Notizbuch. Wenn dieses Verbrechen sich anders darstellen würde, müsste sie nun, in Anbetracht der Tatsache dass das Opfer von seinem Liebhaber abgesehen offenbar weder Freunde noch nennenswerte Verwandte hatte, davon ausgehen dass sein Arbeitgeber ihn ermordet hatte, obwohl es an einem Motiv mangelte, aber dieser Fall sah nun einmal anders aus. Der Mann hatte keinen Tropfen Blut mehr in seinen Adern geführt, und die Sache mit den Hühnerteilen machte ebenfalls keinen Sinn.
Schließlich kam sie an dem schäbigen Haus an und betrachtete einen Moment die Fassade. Es handelte sich um ein typisches, schäbiges L.O.C.H. [10], das offenbar auch die dazu passenden Müllprobleme hatte. Rabbe warf einen kurzen Blick auf den weitläufig im Eingang drapierten Müll, und verstand nun vollkommen warum das Opfer die meiste Zeit bei seinem Lebenspartner verbracht hatte. Der hier vorherrschende Gestank überstieg die odorierende Natur Ankh-Morporks olfaktorischer Umgebung zwar nicht, doch sie war wie eine Visitenkarte ihrer Bewohner. Wenn sich die Ermittlerin vorstellte dass hier ein Mann lebte, der tagtäglich Brötchen gebacken und verkauft hatte, war sie heilfroh, so gut wie niemals in irgendwelchen Bäckereien einzukaufen. Sie stieg über eine größere Ansammlung einer Sache, die man nurnoch als organischen Müll bezeichnen konnte, als einige weiß-bräunliche Fußabdrücke ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Sie waren nicht sehr deutlich, und, wie sie mit einem kurzen Blick auf die Straße festellte, auch kaum als solche zu erkennen, sahen eher aus als wäre jemand durch die Gegend geschleift worden. Zögernd ging Rabbe in die Hocke, hielt den Atmen an und zerrieb etwas von der Substanz zwischen zwei Fingern. "Teig?", schoss es ihr überrascht durch den Kopf, doch die Substanz schien noch mit etwas anderem gemischt zu sein...Dreck vielleicht oder...Sand? Sie konnte es nicht genau sagen. Was sie sagen konnte war, dass sich die Spur auf jeden Fall nach draußen auf die Straße zog, wo zwar zugegebenermaßen eine Menge matschartiger Spuren verliefen, doch es zeigten sich kaum welche die diesen speziellen Weiß-stich, der wohl von Mehl rührte, inne hatten.

Nun war Eile geboten, das wusste sie nur zu gut. Die Spur würde mit jeder verstreichenden Minute unklarer werden, also stürzte sie auf die Straße, suchte nach der entsprechenden Spur und folgte ihr so lange, bis sie wieder undeutlich wurde, sie sich hinunter beugen musste um erneut eine Probe zwischen den Fingern zu zerreiben und sie mit dem vorigen Gefühl abzugleichen. Freilich war dies nicht so einfach, mehrmals war sie sich sicher eher die Hinterlassenschaften eines Hundes zu untersuchen, dreimal wurde sie angerempelt und einmal bekam sie einen Ellenbogen mitten ins Gesicht, was sie, obwohl der Täter sie offenbar absichtlich attackiert hatte, schlicht mit einem lauten Fluchen quittierte. Im Augenblick gab es wichtigeres.

Jargon Schneidgut


Mit einem entnervten Gesichtsausdruck wandte sich Jargon von der letzten Tür in der Straße ab. Er hatte nun tatsächlich jeden einzelnen im Häuserblock ansässigen Bewohner gefragt- aber niemand konnte ihm einen wirklich wichtigen neuen Hinweis liefern. Alles was er zu hören bekam war (einfach zusammengefasst): "Da war Lärm, und ich habe Hühner gackern gehört." Mit etwas Glück wurde dann noch angefügt: "Ich hab jemanden wegrennen sehen, der in eine schwarze Kutte gehüllt war." Das war alles. Niemand von all den gefühlten zwanzig Anwohnern hatte noch etwas mitbekommen, kein Kutschengeklapper, kein Rufen, kein Geschrei, nichts. Mit einem resignierten Seufzer bog Jargon in die Quirmstraße ein und achtete einen Moment nicht auf seine Umgebung. Er kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel und dachte nach, während er die Straße entlangschlenderte.
Na schön... was hab ich bis jetzt? Drei Hühner wurden gestohlen... von einem Mann in schwarzer Kutte...
Er starrte auf das Steinpflaster, das sich langsam unter ihm bewegte.
Was ist daran ungewöhnlich? Erstens- drei Hühner ist eigentlich zu viel für einen Diebstahl aus Armut - mit einem traurigen Gesichtsausdruck dachte er an seine Kindheit zurück. Man ist arm genug zu wissen, dass man beim Stehlen jemanden ärmer macht und stiehlt nur so viel wie man wirklich nötig hat... außerdem-, sein Blick wurde auf eine merkwürdige Spur auf dem Boden aufmerksam, die direkt unter seinen Füßen verlief. Ist das Teig?
Drei Sekunden voller Verwirrung und überraschter Schmerzen verstrichen, dann sah er sich einem Gesicht gegenüber das ihm so bekannt wie unangenehm war. Diesmal noch ein ganzes Stück unangenehmer, weil es erstens sehr wütend und zweitens ziemlich nahe an seinem war.
"KANNST DU NICHT AUFPASSEN DU VERFLUCHTER VOLLIDIOT?!"
Ein Zucken, Krampfen und Kribbeln zog sich durch die Eingeweide des Obergefreiten.
"MEINST DU ICH HABE NICHTS BESSERES ZU TUN ALS- ALS-", Rabbes Stimme wurde ein wenig leiser, aber nicht sehr, "andere Leute umzurennen die mir dämlich im Weg stehen?!"
Jargon, der so langsam realisierte, dass er offenbar von der Obergefreiten umgerannt worden war, hatte ein vor Angst und Wut hochrotes Gesicht. Ein unartikuliertes Stammeln entrang sich seiner Kehle.
"Äh- ich- was soll-"
Sie ignorierte ihn plötzlich und starrte konzentriert auf das Straßenpflaster. "Wenn ich wegen dir die Spur verloren habe, Freundchen, dann..."
Immer noch verwirrt begann sich der kleine Mann langsam aufzurappeln und nahm Abstand von der zornigen Ermittlerin, die gerade ein frustriertes, gutturales Gebrüll von sich gab, bei dem sich seine Nackenhaare aufstellten.
"Beschissener Teig, beschissene Menschen, beschissene Hühnerfedern-" Sie hatte, den Blick auf den Boden gerichtet, zwei Schritte in seine Richtung gemacht, sah seine Stiefel, hob ruckartig den Kopf mit ein paar starrenden Augen und knurrte wieder auf diese Art, die Schneidgut augenblicklich das Weite suchen ließ. "...und beschissene Obergefreite!", machte Rabbe ihrem Ärger Luft und suchte verzweifelt nach der Spur.

Während er so rannte und langsam wieder einen kühlen Kopf bekam, huschten Jargon mehrere Gedanken durch den Kopf.
Wieso werde ich nur immer mit solchen Leuten konfrontiert? - Habe ich bei dem Sturz irgendetwas verloren? - Woran habe ich vorher gedacht? und Moment- was sagte sie über Hühner?
Sein Schritt verlangsamerte sich, er holte schnaufend Luft. Und starrte einen Moment an die dunkle Gassenwand, die ihm gegenüberlag. Er wischte sich eine kleine Zornträne aus dem Auge.
Und wo bin ich hier überhaupt?

Eine knappe halbe Stunde später. Der Rechtsexperte hatte sich wieder gefasst und, nach einem kurzen Gedankengang, der auch einige gekritzelte Notizen enthielt, sich entschlossen wieder zum Wachhaus zurückzukehren. Die Tatsache dass der Hühnerdieb eine schwarze Kutte getragen hatte ließ ihn nicht mehr los.
Möglicherweise gehört der Täter einer Art Kult an, schoss es ihm durch den Kopf als er bei der Ankunft auf dem Pseudopolisplatz Schnappers Stimme vernahm, die lautstark "echte magische Würfel" anpries [11].
Wofür würde man dann Hühner brauchen? Als Opfergabe? Er öffnete die Wachhaustür.
Drinnen überlegte er kurz, dann ging er auf die Treppe zu und machte sich auf den Weg zum Büro 107a.
Dort angekommen rekapitulierte er gedanklich seine Formulierungen und klopfte vorsichtig.
"Herein", ertönte eine leicht genervt klingende Stimme. Davon schon leicht abgeschreckt drückte Jargon die Klinke und öffnete die Bürotür. "Entschuldigung, störe ich?", fragte er schüchtern.
Liaza sah ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Entnervtheit an.
"Nein, komm rein." Er betrat das Büro und salutierte. Sie erwiederte die Geste und sah dabei auf sein Schulterabzeichen.
"Was kann ich für dich tun, Obergefreiter...?"
"Schneidgut. Jargon Schneidgut." Er fummelte fahrig an ein paar Blättern herum, die er in der Hand hielt. "Ich hätte eine Frage bezüglich... bestimmten okkulten Dingen."
"Soso." Sie sah ihn fragend an.
"Ähm..." Die Art des Fähnrichs machte ihn noch nervöser. "Hühner", sagte er. "Gibt es bestimmte Rituale bei denen speziell Hühner gebraucht werden?"
Sie legte den Kopf schief und sah ihn kurz an. Dann erhob sie sich und zog ein Buch aus einem Regal. Nachdem Laiza kurz darin geblättert hatte, reichte sie es ihm.
"Gib es mir einfach zurück wenn du es nicht mehr brauchst", sagte sie und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.
Jargon sah kurz auf den Text vor ihm.
Hühner:
Verwendung in folgenden Ritualen:
1.Kratzbauch-Fast-Ritual
2.Meringer Fußfang-Ritual
3.Banang-Ritual
...
"Ähm, vielen Dank."
"Keine Ursache." Sie wartete bis er aus ihrem Büro verschwunden war, dann lehnte sie sich zurück und murmelte: "Soso."

Mit einem sehr nachdenklichen Gesicht und einem Finger im Buch stieg Jargon langsam die Treppe herab. Was er gerade erfahren hatte gab ihm zu denken.
Wenn das meine einzige Ermittlungshilfe ist bis jetzt... muss ich den Fall eigentlich an DOG weitergeben. Es wirkt ja wohl verdächtig so, als wäre da eine Art Kult am Werk. Geistesabwesend grüßte er Cim, der ihm auf dem Gang entgegen kam. Er erreichte den Treppenabsatz zum Erdgeschoss und starrte nachdenklich auf die Stufen zu seinen Füßen.
Aber bis jetzt ist noch nichts bestätigt... es muss- Seine Augen registrierten etwas sehr unangenehmes, nämlich die Person die ihm gerade entgegenkam. Noch schien die Obergefreite Schraubenndrehr ihn nicht bemerkt zu haben. So unauffällig wie möglich wandte er sich um und lief hastig dorthin zurück wo er hergekommen war.
In dieser Sekunde registrierte die kräftige Frau die Anwesenheit des Obergefreiten. "Ey, Schneidgut", entfuhr es ihr.
Der Angesprochene versuchte zu rennen und stolperte über die oberste Stufe.
Na warte du kleiner Mickerling, dachte sie und war mit fünf sehr schnellen, großen Schritten direkt hinter ihm. Sie riss ihn praktisch wieder auf die Füße, packte ihn an der Schulter und kam mit ihrem Gesicht bedrohlich nahe an seines heran.
In Jargon krampfte sich alles zusammen.
Ihr Mund nahe an seinem Ohr, mit zischender, bedrohlicher Stimme, sagte sie: "Hey Schneidgut, weißt du was witzig ist?"
Mehr hörte er nicht. Blut rauschte in seinen Ohren, etwas... zersprang in ihm. Ein Nerv in seinem Hirn schien um sich zu schlagen. Für eine Sekunde sah er nur Blutrot vor seinen Augen. Dann brach es aus ihm heraus.
"HEUTE NICHT, IHR VERDAMMTEN BASTARDE!", brüllte er und rammte seine Faust mit voller Wucht in Rabbes Gesicht. Völlig überrascht ließ sie ihn fallen. Ein unartikulierter Schrei entrang sich seiner Kehle, er rappelte sich auf, holte wieder aus. Diesmal zielte der Schlag auf Rabbes Bauch.


Rabbe Schraubenndrehr


Überrascht ob der plötzlichen Gewalttätigkeit des Obergefreiten konnte Rabbe auch dem zweiten Schlag nicht ausweichen. Ein leises Keuchen entrang sich ihrer Kehle als sie zurückwich und den Älteren zunächst verwirrt musterte, nur am Rande nahm sie wahr dass Cim, der immernoch im Gang an der Wand gelehnt hatte, das Geschehen interessiert beobachtete und sich gerade eine Pfeife anzündete. "Ach ja? Du willst also spielen, was?", rief sie, durch den ungenau ausgeführten Schlag deutlich provoziert. Sie wand sich um, wischte sich fahrig das Blut von der Nase und schlug kräftig zurück.

Oberfeldwebel von Grauhaar lief nachdenklich durch das Erdgeschoss des Wachhauses. Irgendwie waren verdächtig wenig Wächter unterwegs. Es war reine Intuition gewesen nach Verlassen der Kantine einmal in den SEALS-Bereitschaftsraum hineinzusehen, wo sich, genau wie in der Kantine, keine Menschen-, Troll-, oder Zwergenseele aufhielt. Eigentlich saß immer irgendwer herum und schrieb Berichte, es sei denn es war irgendetwas,-
Romulus Ohren zuckten, als er dem plötzlich anschwellenden Lärm der aus dem oberen Stockwerk kam gewahr wurde.
"Cim! Rib! Nun tut doch was, ihr könnt doch nicht..."
"Was können wir nicht, Hatscha? Ich sehe dich auch nichts tun, du schaust auch nur zu, also mach dich lieber nützlich, was meist du...2 Dollar auf Jargon? Gibt 'ne Spitzenquote grade!"
, riefen zwei Stimmen besonders laut, untermalt von allgemeinem Gebrüll, neuen Wettabschlüssen und allgemeinem Anfeuern. Die Beine des Abteilungsleiters waren längst im Begriff die Treppe hinauf zu rennen, als weitere, situationsbeschreibendere Rufe erklangen.
"Mach ihn fertig Rabbe!"
"Zeigs ihr Jargon!"
"Macht schon! Drauf! Jaaa! Guter Treffer!"
"Ah, jetzt hat er sie am Bein!"
"Oha...die geht ihm echt an den Hals..."
Der Werwolf sprang die letzten Stufen mehr hoch als dass er lief, und das Bild das sich ihm bei erreichen des ersten Stockes bot gefiel ihm ganz und gar nicht. Circa 20 Wächter verschiedener Dienstgrade standen im Kreis und schienen ganz gewaltigen Spaß dabei zu haben, etwas zu beobachten was sich in ihrer Mitte befand. Genervt trat der Werwolf vor und seufzte innerlich tief auf als er sah dass in der Mitte des Kreises in der Tat eine seiner Ermittlerinnen stand, schwer atmend, mit blutverschmiertem Gesicht und einem münzgroßen Loch im Bein... zu ihren Füßen ein bewusstloser Obergefreiter.
"Sagt mal, habt ihr sie eigentlich noch alle?", rief Romulus wütend, und blickte ebenso zornig wie Enttäuscht die sehr plötzlich verstummte Runde die mit einem mal auch merklich kleiner wurde. Cim steckte sich eine frische Pfeife an. Erst jetzt bemerkte Rabbe die Anwesenheit ihres Abteilungsleiters, und siedend heiß wurde ihr klar wie diese Situation wohl gerade wirken musste. Wenn sie nur die Gelgenheit bekam zu erklären, was,-
"Also, möchte mir irgendwer erklären was hier passiert ist, oder soll ich gleich einen Massenhinweis an die IA abgeben?"
"Sir, es...", begann Hatscha, wurde jedoch sofort unterbrochen. "Sir!", Rabbe salutierte. "Ich kann alles erklären, es müsste nur erstmal jemand den Obergefreiten Schneidgut zu Feldwebel Feinstich bringen, Sir, Ich glaube er ist verrückt geworden."


*Zephirstrasse 22b*

Der bläuliche Sud rann ihm wohltuend durch die Kehle und Todd Stoßgut sog zufrieden die kühle Abendluft ein, während er das Glas zurück stellte. In Erwartung der folgenden Ereignisse leckte er sich gierig die Lippen und zog seine Hose fertig an, dann verließ er das Haus. Wem sollte er sich heute widmen? Der kleinen Jessica? Der frechen Susanne? Gierig sog er die Luft ein und beschleunigte seine Schritte. Anders als sein verstorbener Bruder Arthur hatte er nie etwas von festen Bindungen gehalten, wozu sich mit dem ganzen Beziehungsmist belasten wenn man für wenig Geld alle positven Aspekte haben konnte und dabei vollkommen unabhängig blieb? Ja, frühe Erbschaft hatte schon seine Vorteile...
Der Beutel an seiner Seite klimperte fröhlich als er über die Messingbrücke schlich, flugs einer Streife auswich und vorbei an der Bärengrube in eine dunkle Seitengasse einbog. Normalerwieße nahm er den Weg seitlich an der Scheibe vorbei, doch derzeit wollte er keine Begegnung mit einem Wächter riskieren...

*Zwei Straßen weiter*

"Sag mal wo bleibt der denn? Hast du nicht gesagt, der Kerl kommt jeden Abend hier lang?", fragte Herribert knurrend und sah sich misstrauisch um. Sie dürften nicht allzu lange hier verweilen, so dicht am Pseudopolisplatz wimmelte es von Wächtern, und was sie hier machten war immerhin alles andere als legal. Er linste um die Ecke, doch von ihrem Opfer war keine Spur zu sehen. Raphael nickte ihm nur genervt zu, es war ihm selbst auch ein Rätsel warum der Auserwählte noch nicht aufgetaucht war, aber..vielleicht hatte ihn irgendetwas aufgehalten. "Also gut...wir brauchen den Kerl heute noch, also müssen wir ihn finden. Ich würde sagen, wir teilen uns auf, jeder von uns in eine andere Richtung. Wenn einer ihn entdeckt folgt derjenige ihm und versucht ihn dann an einer unauffälligen Stelle zu überwältigen, klar?", fragte Raphael, und blickte fragend von Herribert zu Phineas. "Ahm..", machte Phineas und hob zaghaft den Finger. "Und...wie?"
"Was, wie?"
"Na...wie?"
"WAS WIE? Drück dich deutlicher aus, Mann!", entfuhr es Herribert, und schien kurz davor zu sein, in die Luft zu gehen. Warum hatte er auch so inkompetente Kollegen? "Na...Wie überwältigen wir ihn?"
Raphael und Herribert sahen ihn gleichermaßen genervt an, in einer originellen Neukomposition aus Ärger, Frustration und Resignation. "Weißt du, Phinni...Du hast recht, warte einfach hier, ja?", meinte Raphael, und sprach zum Älteren wie zu einem kleinen Kind. "Wir kümmern uns schon um diese Angelegeheit, und dann holen wir dich schon rechtzeitig ab, in Ordnung? Bleib einfach hier." Phineas, dem nicht im geringsten Bewusst wurde das ihn keiner seiner Mitstreiter für voll nahm, nickte dankbar. "Gut, dann warte ich einfach hier...Aber...ich meine...wie wollt ihr es denn schaffen ihn zu überwältigen?"
"Das lass mal unsere Sorge sein."

Gemächlich schritt Todd durch die Schatten der kühlen Gasse. Wächer...Pfui! Er konnte sie nicht leiden, das war schon immer so, auch bevor er wegen angeblicher Erbschleicherei angeklagt worden war. Während seine Augen gebannt über das Dekollté einer vorbeischwebenden Frau wanderten lief er beinahe in einen nachdenklich an der Wand stehen Mann hinein. Der Kerl war sicher um die Dreißig, hatte die offensichtliche Weltgewandheit eines Fünfzehnjährigen vom Land und sah dabei aus wie Fünfundvierzig. Aber etwas fiel dem Freier ins Auge. "Wuhuups. Ent-schuldiguung", entfuhr es ihm als er dem Mantelträger nur knapp ausweichen konnte.
"Oh...kein Problem, nichts passiert," versicherte ihm Pholy Phineas, und hob bestätigend die Hände.
"So? Na dann ist ja gut...sag, Freund...Hast du Feuer?" Todd grinste dreckig und wartete ab ob der andere die Anspielung verstehen würde. Phineas klopfte die Taschen seiner schwarzen Kutte ab und schüttelte dann den Kopf.
"Tut mir Leid ich habe leider keine Zündhölzer bei mir", verneinte er, und bemerkte furchterfüllt wie der Andere ihm etwas näher kam. Todd war um einiges breiter gebaut als er, insgesamt kräftiger, und er stand gerade unangehnehm dicht vor ihm. Offenbar hatte er Zwiebeln gegessen.
"So...Du hast also kein Feuer, ja?", flüsterte der Größere mehr als dass er sprach.
"Ähm...Ich..mir wäre es lieber wenn sie da weg gehen würden...Ich..ähm..."
"Ach komm schon...ich bin sicher es wird dir gefallen...Komm einfach mit, wir holen uns erst ein paar Näherinnen, haben mit denen etwas Spaß und arbeiten uns dann langsam weiter vor, bis...", Der Schwarzhaarige drückte Phineas näher an die Wand, ließ den Satz aber offen und leckte sich die Lippen.
"Ähh...", brachte Phineas hervor, und überlegte fieberhaft wie er der Situation entkommen konnte. Würden Raphael und Herribert doch nur wieder auftauchen...
"Ähh...Ich..Tut mir leid, so...schmeichelhaft dein Angebot auch ist, aber...ich..Ich kenne nicht mal deinen Namen, und selbst wenn ich ihn kennen würde..."
"Todd. Ich heiße Todd Stoßgut." Schwungvoll stieß Selbiger sich von der Wand, und blickte den soeben zu Eis erstarrten auffordernd an.
"Todd Stoßgut? Das war doch...Das ist doch der Kerl den wir suchen..Verdammt..Ich..Ich muss ihn überwältgen! Aber...wie?", ein sehr grafisches Bild wie er den Mann zum Schlafen bringen könnte schlich sich in seinen Kopf und er schüttelte unwillkürlich den Kopf. Ein Schauder durchfuhr ihn. Todd sah ihn noch immer auffordernd an, leckte sich noch einmal die Lippen und drehte sich dann auf dem Absatz um und schritt gemächlich von dannen.
"Äh...Warte!"
"Hmmm?" Ein lasziver Blick tropfte aus Todds Augen als er sich halb umdrehte.
"Äh...bitte bleib noch!" Der Angesprochene drehte sich nicht weiter.
"Warum sollte ich?"
"Äh...weil...weil...weil ich nicht will das du gehst!", presste Phinesas verzweifelt hervor, und betete innerlich zu allen ihm bekannten Göttern das Raphael und Herrribert endlich zurück kommen würden. Der Jüngere drehte sich langsam um und ging gemächlich auf ihn zu, drückte ihn gegen die Wand und flüsterte leise etwas in sein Ohr.
"DAS IST ER! SCHNAPPEN WIR IHN!" Herribert und Raphael waren wie aus dem Nichts aufgetaucht und rissen ihr Opfer nun von den Füßen, knebelten ihn bevor er auch nur 'Näherinnen' sagen konnte und knöpften den Sack zu, den sie sich für solche Zwecke besorgt hatten. "Komm Phineas, hast ihn gut aufgehalten aber jetzt müssen wir uns beeilen bevor wir den Wächtern in die Arme laufen!", krächzte der Gnom, und lief hektisch Richtung Gassenende, froh dass um diese Tageszeit auf den größeren Straßen so viel los war.

*Wachhaus, Büro 210*
"Also,", sprach Romulus, nach dem rekordverdächtig schnellen Genuss ungezählter Dosen Superbulle, "Du wurdest verarztet, der Obergefreite ist noch bei Rogi...ich bin gespannt auf deine Erklärung, Obergefreite." Erwartungsvoll blickte sie der Abteilungsleiter an. "Also...das war so...", Rabbe räusperte sich, "Ich habe seit heute morgen im Fall des blutlosen, hühnerrestegefüllten Toten der bei den Fünf Wegen gefunden wurde ermittelt. Als ich mir die Behausung des Opfers ansah, fand ich eine Teigspur im Schlamm, das Opfer war Bäckergehilfe, und..." Rabbes Stimme wurde leiser und sie blickte einen Moment lang schweigend auf ihr frisch vernähtes Bein. "Und?", fügte Romulus kurz darauf an, als nichts weiter kam. "Was ist dann passiert? Immerhin kam es nicht draußen auf der Straße zu diesem Vorfall, also...?" Rabbe nickte. "Ja Sir...Sie haben natürlich recht, also...jedenfalls folgte ich der Spur, ziemlich verbissen, Sir, als ich plötzlich von dem Obergefreiten..nun...angelaufen wurde." Stirnrunzeln und ein verständnisloser Blick zeichneten das Gesicht ihres Abteilungsleiters. "Naja, also...er ist in mich reingerannt. Dadurch verlor ich die Spur und er ist schnell abgehauen bevor ich noch weiter mit ihm darüber sprechen konnte. Später entdeckte ich ihn, als er gerade eine Treppe hochging. Ich sprach ihn normal an, woraufhin er mir plötzlich ins Gesicht schlug. Alles weitere ergab sich während ich versuchte, mich zu verteidigen.
Skeptisch musterte Romulus die Ermittlerin. "Bist du sicher, dass du ihn nicht provoziert hast?" Rabbe nickte. "Nein Sir, es war ein völlig unbegründeter Angriff seinerseits." Nachdenklich blickte der Oberfeldwebel aus dem Fenster. "Dann schlage ich vor, wir gehen nach unten und sehen ob der Obergefreite aufgewacht ist. Seine Version der Geschichte dürfte hilfreich sein um diese ganze Sache ohne mitwirken der IA zu klären."


Jargon Schneidgut


Seufzend schlug Jargon die Augen auf. Die ihm nicht unbekannte Dunkelheit der Ohnmacht hatte ihn schon vor einigen Minuten wieder ausgespuckt, aber der hämmernde Schmerz in seinem Kopf hatte ihn davon abgehalten, das schummrige Kellerlicht sofort in seine Augen strömen zu lassen.
"Na Jargon, wie geht'f dir?", fragte eine wohlbekannte Stimme. Rogi saß an ihrem Schreibtisch und sah scheinbar wenig interessiert zu ihm herüber. Einen Moment lang führte der kleine Mann in seinem Kopf eine Bestandsaufnahme durch, die folgende Punkte enthielt:
1) Blutgeschmack im Mund; 2) Schmerzen im Hals; 3) Kieferkrämpfe; 4) Pochen im Kopf und in den Handgelenken und nicht zuletzt 5) Grässlicher ziehender Schmerz hinter den Augen.
"Ich… es ging mir schon… schlechter." Er rieb sich über das Gesicht. Einen Moment lang dachte er nach, dann murmelte er: "Wurde jemand verletzt?"
Die Igorina hob eine Braue und sah ihn einen Moment lang schweigend an.
"Du weift Befeid, waf paffiert ift?"
"Naja", er machte eine vage Geste mit den Armen. "Nur, dass… dass ich wieder… wieder ausgerastet bin."
Der Obergefreite wirkte gleichzeitig beschämt, erschöpft und verängstigt. "Mehr nicht."
Wieder füllte Schweigen das Büro. Seine ehemalige Ausbilderin musterte ihn kritisch, schließlich setzte sie an, etwas zu sagen. In diesem Moment klopfte es. Ein wenig irritiert sah Rogi zur Tür.
"Herein."
Jargons Herz machte einen kräftigen Satz als Romulus und Rabbe hereinkamen, beide mit eher finsteren Mienen. Etwas im Gesicht der Ermittlerin ließ einen Teil in seinem Kopf erzittern. Ein dunkler Erinnerungsfetzen tauchte kurz auf. Erschrocken hielt er die Hände an den Kopf und kniff die Augen zusammen.
"Alles in Ordnung, Obergefreiter?"
Die Stimme des Oberfeldwebels wirkte auf eine merkwürdige Art beruhigend, und so ließ er die Hände wieder sinken.
"Ja, ich… ich habe nur Kopfschmerzen."
"Na kein Wunder!", entfuhr es Rabbe, die ihn mit verschränkten Armen anstarrte. Ihr Bein schmerzte auch noch ziemlich, aber sie hatte überhaupt keine Lust, ihm das zu zeigen.
Von Grauhaar ergriff wieder das Wort.
"Meinst du, du bist in der Lage, ein Gespräch zu führen?"
"Mh-" Der Rechtsexperte zögerte kurz. "Ich muss wohl."
Rogi und Romulus nickten gleichzeitig. Schraubenndrehr starrte ihn nur weiter an.
"Dann..." Mit einer offenen Geste wandte sich der RUM-Abteilungsleiter an Rabbe und Rogi. "Würde ich gerne ein Gespräch unter vier Augen mit dir führen."
Stumm nickte Jargon. Der Schwarzhaarigen gefiel das zwar überhaupt nicht, da sie nicht wusste was der "Pimpf" ihm erzählen würde, aber sie tat wie ihr - indirekt - geheißen und verließ zusammen mit der Igorina das Büro. Draußen lehnte sie sich an die gegenüberliegende Zellenwand und musterte die Sanitäterin stumm, was selbige genauso erwiderte.

"Was ist vor einer halben Stunde passiert, Jargon?", fragte Romulus frei heraus, nachdem er sich Rogis Stuhl herangezogen hatte. "Rabbe sagt du hättest sie praktisch unprovoziert attackiert."
Kurze Stille folgte, in der der Angesprochene versuchte zu rekapitulieren, was eigentlich geschehen war.
"Nun", begann er dann, "sie hat eigentlich recht." Jargon fühlte sich unbehaglich und mied den Blick des Oberfeldwebels. Auch wenn seine Ausstrahlung etwas Vertrauenswürdiges, Beruhigendes hatte, schämte und fürchtete er sich davor, zu erklären was tatsächlich geschehen war.
"Was soll das heißen?" Jetzt durchbohrte ihn der Werwolf mit seinen Augen. Es war sehr unangenehm.
"Ich… ich hatte wohl einen Wutanfall", murmelte der kleine Mann dann und sah zum Boden, zur Wand. "Ich weiß nicht genau, wieso."
"Du weißt es nicht? Soll das heißen, das kommt einfach so?" Romulus legte den Kopf schief.
"Nein, ich- es-" Ein Seufzen entrang sich der Kehle des Obergefreiten. "Es hat gewisse- Auslöser. Immer wenn... wenn mich..." Er rang nach Worten und schwieg kurz.
"Wenn dich jemand bedroht?"
Kopfschütteln. Kurzes Zögern. Dann nickte Jargon.
"So in etwa kann man es sagen. Sör, sie müssen wissen... als ich jünger war..." Seine rechte Hand legte sich auf seinen linken Unterarm, dann knetete er seine Hände.
"Ich war oft das Ziel von... von Spott und..." Er zögerte wieder kurz. "Ich schätze, sie würden es seelische und körperliche Gewalt nennen."
"Ich verstehe. Sprich weiter."
Für ein paar Sekunden suchte der kleine Mann nach den richtigen Worten.
"Damals haben sich gewissen... Strukturen in meinen Kopf eingeprägt. Und immer wenn sich diese Strukturen wiederholen- fühle ich mich gewissermaßen in diese Situationen von damals zurückversetzt." Seine grünlichen Augen verharrten kurz auf dem Boden und schweiften dann im Raum umher.
"Verhaltensstrukturen?"
"Naja, nicht nur- es geht auch um... um..." Er gestikulierte. "Um Umstände. Um Aussehen. Um Gestalt."
Der Oberfeldwebel nickte langsam. So langsam konnte er sich ein Bild davon machen, was er meinte.
"Und immer wenn diese Strukturen wieder auftreten bekommst du einen Wutanfall?"
Für einen Moment stockte Jargon ob der direkten Schlussfolgerung. Er dachte kurz nach.
"Eigentlich nicht immer- manchmal- manchmal ist es nur... manchmal hatte ich einfach nur Panik."
Wieder folgte den Worten ein bedächtiges Nicken.
"Und vorhin war es also ein Wutanfall."
Diesmal kam das Nicken von dem Obergefreiten.
Viele Fragen brannten Von Grauhaar auf der Zunge. Was fühlte er während der Wutanfälle? Konnte er seine Bewegungen kontrollieren? Erinnerte er sich an Einzelheiten? Wie lange dauerte so ein Wutanfall?
Schweigend beobachtete Romulus den beschämten und verängstigten Kerl vor sich.
"Für jetzt habe ich erstmal genug gehört", sagte er dann. "Allerdings solltest du sobald möglich einen Püschologen aufsuchen."
Seine Formulierung ließ er bewusst neutral klingen.
"Jetzt sollten wir das Ganze erstmal noch mit der Obergefreiten Schraubenndreher klären."
Jargon krampfte sich innerlich zusammen, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen. Er nickte nur wieder mal.

Da Rogi im Moment offenbar keine gute Gesprächspartnerin darstellte, versank Rabbe schnell in ihren Gedanken, während sie der Bürotür gegenüberstand und wartete.
Inzwischen war ihr klar, dass irgendetwas mit dem Kopf Schneidguts nicht stimmen konnte - bisher hatte sie ihn für einen schwächlichen, pathetischen Angsthasen gehalten, der keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Mittlerweile hatte sich diese Ansicht ein wenig geändert. Zwar wusste sie nicht wirklich genug über ihn, um sich ein klares Bild seiner Püsche zu machen, aber offenbar hatte auch er in der Vergangenheit mit diversen Traumata zu kämpfen gehabt. Im Gegensatz zu ihr hatte ihn das aber wohl nicht abgehärtet, sondern eingeschüchtert und auf eine ziemlich fatale Weise labilisiert - sobald er sich in die Ecke gedrängt fühlte, drehte er durch. Ja, das machte Sinn. Sie war ihm vorhin zu nahe gekommen, und das hatte den kleinen Schalter in seinem Hirn von "Angst" auf "Zerfetze die Eingeweide deines Gegenübers" umgelegt. Sie schüttelte den Kopf und fragte sich, was ihn wohl so weit gebracht hatte... und wie oft er wohl schon durchgedreht war. Seiner Reaktion nach zu urteilen war es wohl nicht das erste Mal gewesen.
Schließlich öffnete sich die Bürotür wieder, und Romulus winkte sie herein. Mit einem Nicken in Rogis Richtung folgte sie ihm und blieb im Büro gegenüber der Liege stehen. Sie hatte noch immer die Arme verschränkt. Dann blieb sie mit einem abwartenden Gesichtsausdruck stehen und legte den Kopf schief.
Kurz legte sich eine peiniche Stille über die drei. Was kommt wohl jetzt?, fragte sich Jargon. Eine forcierte Entschuldigung und ein Händedruck, der seine Fingerknöchel quetschte? Musste er noch einmal seine Vergangenheit wieder aufrollen? Sollte er ihr jetzt erzählen, was genau vorgefallen war?
Romulus stand ebenfalls abwartend da und wartete auf eine Äußerung.
"Ähm, es tut mir Leid", murmelte der kleine Mann dann. "Ich-" Er rang deutlich nach Worten. "Was da vorhin passiert ist... das war nicht deine Schuld-"
Rabbe nickte. Das bestätigte ihre Vermutung von dem Hirnknacks.
"Ich- Ähm- Ich-" Was sollte er jetzt noch sagen? Dass er zu einem Püschologen gehen würde und sich behandeln ließe? Das fand er irgendwo zu persönlich.
"Es kommt hoffentlich nicht noch mal vor", beendete er den Satz.
Für kurze Zeit hielt er praktisch den Atem an und wartete ihre Reaktion ab.
Sie nickte ein weiteres mal mit ernster Miene. Mit einem kurzen Blick in Romulus' Richtung vergewisserte sie sich, dass das als Antwort genügte. Er nickte.
"Ich schätze, ihr solltet dann mit euren jeweiligen Ermittlungen weitermachen... Ich will in dem Fall mit dem Toten mit den Hühnerfüßen bald erste Ergebnisse haben, hm?" Er klopfte seiner ehemaligen Auszubildenden einmal auf die Schulter und verließ das Büro. Sie wollte ihm grade auf dem Fuße folgen, als Jargon plötzlich "Hühnerfüße", murmelte.
"Sowas."
Dies brachte ihm einen schiefen Blick ihrerseits ein.
"Ähm", meinte er verlegen. "Ich ermittele grade in einem Fall, bei dem Hühner gestohlen wurden." In dem Versuch, kompetent zu wirken und sich vor Rabbe keine Blöße zu geben, fügte er hinzu: "Möglicherweise eine Art Kult oder sowas."
"Ein Kult der Hühner entführt, was?" Sie verließ mit einem genervt-nachdenklichen Kopfschütteln das Büro. Und blieb wieder stehen. Dann wandte sie sich ruckartig zu ihm um, sah ihn schief an und fragte: "Woher willst du das mit dem Kult wissen?"
"Naja, ähm- die Diebe trugen offenbar eine Art schwarze Kutte, und-"
"Wo wurden die Hühner gestohlen?"
"In der Winkelzuggasse."
Sie starrte ihn kurz nachdenklich an. "Soso."
Dann verließ sie, jetzt um noch einiges gedankenversunkener, das Büro. Etwas verwirrt sah ihr Jargon nach. Wieso sollte sie sich für ihren Fall interessieren? Es schien irgendwie mit dem von Romulus' erwähnten Toten mit den Hühnerfüßen zu tun zu haben.
Nachdenklich ließ er sich wieder auf die Bahre sinken, bowohl er eigentlich wusste, dass er sich eigentlich wieder an die Ermittlungen machen sollte. Sein Kopf brummelte nur noch geringfügig, auch wenn der widerliche Geschmack in seinem Mund noch anhielt. Unweigerlich musste der Wächter an blutige Hühnerfüße denken und streifte mit seinen Schneidezähnen über die Zungenoberfläche.
Er tastete nach dem Buch, das er von Laiza erhalten hatte. Wenn es sich tatsächlich um ein Ritual in der Art handelte und dieses mit Rabbes Fall zu tun hatte, musste er mehr Informationen über den Mord in Erfahrung bringen. Nachdenklich knabberte der kleine Mann an seiner Unterlippe. Falls es sich tatsächlich um einen Kult handelte, der Menschen und Hühner opferte um etwas zu beschwören, musste das unweigerlich bedeuten, dass er sich mit diesen Ermittlungen auf gefährlicheren Boden begab. Der erste Schritt auf diesem Boden würde wohl zu seiner geschätzten RUM-Kollegin führen...
Mit einem Seufzer, der von Herzen kam, schwang sich Jargon auf den Boden, nickte Rogi, die während seines Gedankengangs das Büro wieder betreten hatte, zum Abschied stumm zu und ging.

Während er die Treppe erklomm kam ihm ein Gedanke in den Sinn. Ich müsste den Fall eigentlich wirklich an DOG übergeben... jedenfalls, sobald sicher ist, dass es sich um eine Art Geheimkult handelt. Bisher ist das ja nur Spekulation. Aber sobald ich mehr weiß...
Emotional war er, das wusste er, noch nicht dazu in der Lage, Schraubenndrehr sofort wieder in irgendeiner Art näher zu konfrontieren ohne ziemlich nervös zu werden. Diese Genugtuung wollte er ihr nicht gönnen, deshalb machte er sich zuerst einmal auf den Weg in sein Büro, setzte sich und sah sich stumm um.
Er kam erneut zu dem Schluss, dass es eigentlich kaum noch Sinn machte, die Hühnerdiebe zu ermitteln, gesetzt dem Fall dass es ein hungriger Straßenjunge war, der eben gerade einen schwarzen Kapuzenmantel trug. Es macht nur noch dann Sinn, weiter zu ermitteln, wenn es sich um einen Hühner opfernden Kult handelte. Das würde nämlich heißen, dass die Diebe bald wieder zuschlagen würden und dass es irgendeine Art von Anhaltspunkt gab.
Grübelnd schlug der Rechtsexperte das okkulte Buch auf der "Hühner"-Seite auf und begann schweigend zu lesen. Er brauchte irgendeine Art von Anhaltspunkt...


Rabbe Schraubenndrehr



Grübelnd starrte die Ermittlerin auf den Stadtplan vor ihr. Der Hühnerdiebstahl und die Leiche waren sehr dicht beieinander gefunden worden, es war sehr unwahrscheinlich dass diese nicht miteinander in Verbindung standen. "So wie die bei diesem Mord vorgegangen sind würde es mich gar nicht wundern wenn das so eine Art Kult wäre, und dann müsste ich diesen Fall an DOG abgeben... Aber verdammt nochmal, das hier ist mein Fall, den lasse ich mir nicht einfach wegnehmen!" Genervt knallte Rabbe ihren Kaffee auf den Tisch, schnallte ihre Kette wieder an und stapfte, an ihrer verblüfften Kollegin Al Nasa vorbei, auf den Flur hinaus. "Der Mickerling hat sicher auch längst gerafft dass das hier eigentlich DOG-Sache ist, und so wie ich den Kleinen einschätze wird er es einfach weitergeben... Ich muss diese Sache also vorher lösen."


*In der Kammer des Kroteng*

Herribert rührte grinsend in der klebrigen Flüssigkeit die er in Kürze auf die Füße ihres neusten Opfers schmieren würde. Zerkochter Reis vermengt mit Bananen und einem speziellem Suchtmittel... Wie ein Potenzmittel zur Zerfleischung.
Während er glücklich seinem Gepansche nachging und Raphael das Oktagramm nachzeichnete, schlich Phineas ängstlich hinter den Vorhang und setzte sich auf eine Kante in der Nähe des Käfigs.
"Ich wollte das alles eigentlich nicht, weißt du? Ich... ich wollte nur dass man mich endlich wahrnimmt, dass ich etwas bewegen kann und dann bin ich auf Raphael getroffen und er brachte mich zum Kroteng und... ehe ich mich versah steckte ich schon mitten drin in der Sache und hatte im Null Komma nichts geholfen einen Mord zu begehen und jemanden zu entführen. Ich... ich weiß eigentlich gar nicht was ich überhaupt tun soll. Ich würde gerne hier weg, ausbrechen, abhauen auspacken aber,- Aber Das geht nicht. Wenn ich das mache, dann werden sie mich dem Banang opfern! Wie soll ich,-"
"Phineas! Was tust du da?!", krächzte die unleidige Stimme des Kroteng plötzlich, und die düstere Gestalt erschien neben ihm.
"Kroteng ich,- Ich wollte nur sehen ob auch alles in Ordnung ist, Ich,-"
"Geh sofort und schrubb den Rost der Vorsehung von den Rädern der Weisheit! Und wag es bloß nicht, noch einmal so etwas zu tun!"
Phineas floh. Der Kroteng betrachtete das künftige Opfer grinsend, und wandte sich ab.
Das finale Ritual würde in einer halben Stunde beginnen, und Todd Stoßgut schlief noch immer.


*Irgendwo in Ankh-Morpork*

Rabbe wanderte durch die Straßen und hielt Ausschau nach schwarz gekleideten Gestalten. Nach Hühnerdieben. Nach schwarzgekleideten Hühnerdieben. Sie wusste inzwischen dass ihre Mörder wohl irgendwo in den Schatten saßen, doch dies war alles andere als ungewöhnlich... Viel wichtiger war die Frage, wie sie diese rechtzeitig ausfindig machen konnte bevor ihr DOG dazwischen funken konnte. Eben trat sie um eine Ecke, da erblickte sie etwa was ihr Herz schneller schlagen ließ: Eine Gestalt in dunkler Robe die betont gelassen die Straße hinunter strebte und offenbar tiefer in die Schatten wollte. So unauffällig wie möglich hängte sich Rabbe an die Fersen des Unbekannten, in der Hoffnung, endlich wieder etwas Glück zu erfahren.

Dienstschluss. Mit der üblichen Kombination aus Vorsicht und Misstrauen lief Jargon Schneidgut durch eine Wohngegend die er in Ermangelung eines besseren Wortes wohl oder übel als seine Nachbarschaft bezeichnen musste. Diebstähle, Vergewaltigungen und allerlei andere Regelverstöße waren in den Schatten bekanntlich an der Tagesordnung, doch es kamen kaum welche überhaupt bis zur Anzeige. Eben brachte er den immer etwas feindselig anmutenden Klatschianischen Imbiss hinter sich, als er lautes Geschrei hörte,[12] das näher zu kommen schien.
"Wenn du Stinkrobe nicht stehen bleibst werd' ich dir mindestens die Beine brechen!"
Bevor der Obergefreite irgendwie reagieren konnte sauste der Robenträger auch schon an ihm vorbei, gleiches tat die Obergefreite. Einen Moment starrte er ihnen hinterher, bis er sich seiner eigenen Pflicht bewusst wurde. "Äh... Halt! Im Namen des Gesetzes!" Jargon rannte hinterher.
Der Mann im schwarzen Mantel hetzte das Freudenpflaster hinab, wonach er von zwei Wächtern durch die Betrug-und-Schwindel-Straße verfolgt wurde, die ihn verfolgten weil er weglief. "Rabbe?", rief Jargon so laut er während dem Rennen konnte.
"WAS?"
"Warum verfolgen wir den?"
"Er trägt eine schwarze Robe! Und vor allem rennt er weg!"
Während sie den schmächtigen Mann weiter verfolgten hörten sie zwischendrin ängstliches Wimmern seinerseits, als würde er leise beten. Schließlich stürmte er in die Stichwaschstraße und war kurz darauf nicht mehr gesehen. Schwer atmend kamen die Wächter zum Stehen und Rabbe blickte sich gehetzt um. "Wo ist er? Wo ist der Bastard hin?" Rasch drehte sie sich um. "Hast du gesehen in welches Haus er ist? Er muss hier irgendwo in ein Haus rein sein!" Hastig lief die Obergefreite durch die Straße und überprüfte die Türen und Fenster. Klinkenputzen. Kein Erfolg. "Verdammt...", murmelte sie erst leise, dann lauter. "Verdammt!"
"Ähm... Ich glaube er ist irgendwo dahinten durch ein Kellerfenster rein..." Jargon zeigte unsicher zu einem leicht versetzten Haus, am Anfang der Straße. Es war eines jener typischen alten Gebäude wie sie sich ein geheimnisvoller Kult suchen würde um dort grauenvolle apokralyptische Rituale durchzuführen, das Oll-in-klussiff [13] Paket zur geheimen Verschwörung gegen Patrizier, Könige und gemeine Vermieter.
So leise wie es ihr mit Stahltretern möglich war, schlich die Ermittlerin näher an das kleine Kellerfenster. Es schien tatsächlich kürzlich als Einstiegsplatz verwendet worden zu sein, denn im Gegensatz zu allen anderen, umliegenden Kellerfenstern war es kaum verstaubt und schien auch mit weniger Moos bedeckt zu sein, als seine Nachbarn.
"Ähm... Rabbe?" Jargon hasste die Konfrontation mit der großen Frau. Er war noch nicht bereit wieder mit ihr zu arbeiten, aber hier blieb ihm einfach keine Wahl. "Sollten wir nicht die FROGs holen? Der Fall ist eigentlich eh DOG-Sache, aber wenn wir,-" Ein unwilliges Zischen unterbrach ihn.
"Wenn du jemanden holen willst, mach das ruhig, aber ich werde diesen Fall nicht abgeben, klar? Ich bringe das hier jetzt zu Ende, entweder du bist dabei oder du haust ab, klar?"
Wie paralysiert blickte der Rechtsexperte einen Moment lang vom Fenster zur Ermittlerin. Was sollte er tun? Er wollte nicht kneifen, die Größere sah ihn ohnehin schon als Schwächling, sie sollte ihn nun nicht auch noch für einen Feigling halten. Andererseits war es wesentlich klüger, erstmal Verstärkung zu holen, immerhin hattten sie es hier mit einem mutmaßlich mörderischem Kult zu tun, was bedeutete dass sie ihn kaum alleine würde überwältigen können, die Wahrscheinlichkeit am Ende also selbst als Opfergabe zu enden war relativ hoch.

Während dieser Gedankengänge hatte Rabbe das Fenster bereits aufgestemmt. Sie würde nicht länger auf ihn warten. Einen Moment lang sah sie ihn abschätzig und herausfordernd an, dann ließ sie sich in das dunkle Loch hernieder, während der Rechtsexperte bang zusah. Er blickte kurz in die Schwärze, dann hatte er seinen Entschluss gefasst. So schnell er konnte rannte er zum Wachhaus.

Rabbe verharrte einen Moment in der Dunkelheit und wartete bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. In der Ferne konnte sie Stimmen hören. Jemand schrie jemand anderen an, eine hämische, meckernde Stimme. Dann ertönte ein einzelnes Klatschen, und Rabbe wusste dass es hier nicht so ernst zugehen konnte. Wirklich ernste Leute gaben sich keine Ohrfeigen. Sie stachen sich eher ab.
Rabbe zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und schlich langsam voran, inzwischen sah sie genug um Umrisse von Wänden und Kanten wahrzunehmen, doch der Boden blieb für sie unklar und uneben. "Macht euch alle bereit, wir sind schon knapp dran! Heute Abend ist es soweit, also gebt euch alle Mühe. Schenkt dem Großen Banang all eure Kraft", tönte es von weiter vorn. Ein leichter Lichtschein ging von jenem Ort aus, und unwillkürlich fragte sich die Ermittlerin, wieso die Keller in solchen Gebäuden eigentlich immer so ausgedehnt waren. Sie ging langsam um eine Ecke, und trat auf etwas rundes, festes.
Das Geräusch als sie die Flasche versehntlich wegstieß schien lauter als Alles was sie je zuvor gehört hatte. Angespannt lauschte sie ob jemand kam, aber die Kultisten schienen viel zu sehr mit ihren Vorbereitungen beschäftigt zu sein. "Raphael, du bist dafür zuständig nachher unser Opfer zu holen!" "Ja, Kroteng!", erntönte es dumpf.
"Warum ist hier alles so dumpf? Was ist das hier, eine Höhle oder sowas?"
Nach wenigen Minuten war sie schließlich nahe genug um etwas zu erkennen. Acht Gestalten nahmen soeben auf einem Okatgramm ihre Plätze ein, allesamt in wallende, schwarze Roben gehüllt die wenig mehr als ihre jeweilige Statur erahnen ließen.

Phineas biss sich unsicher auf der Lippe herum. Dies war nicht richtig, er konnte es spüren. Als sie das Ritual das letzte Mal durchgeführt hatten hätte er sich beinahe übergeben als er mit ansehen musste wie dem unschuldigen Mann all sein Lebenssaft ausgesaugt wurde, und nun würde er wieder bezeugen ohne irgendetwas dagegen zu unternehmen dass ein Mann getötet wurde, dessen einziges ihnen bekanntes Verbrechen darin bestand, keine zurückbleibende Familie zu haben. Mit zusammengebissenen Zähnen hob er zeitgleich mit den Anderen die Hände und vollführte die rituellen Gesten die der Kroteng sie so lange hatte üben lassen. "Wieso nur... Wieso konnte ich nicht widerstehen? Warum musste ich mich nur auf diesen Handel einlassen..." Phineas unterdrückte eine Träne als ihm noch einmal mit schrecklicher Gewissheit klar wurde, dass er bereits geholfen hatte ein Leben zu nehmen, und am Tod dieses Menschen würde er noch mehr Schuld tragen als zuvor.

Todd Stoßgut erwachte aus unruhigen Träumen. Eigenartige Farbwirbel und ein enormer Appetit beherrschten seinen Kopf, doch der Ort an dem er erwacht war schien ihm seltsam unbekannt. Gitter, die sich derzeit um ihn herum erstreckten, kannte er; Bei manchen Ausflügen in die Welt des extraordinären waren ihm schon entsprechende Spiele untergekommen, doch in diesem Fall war er nicht freiwillig hier, was ihn beunruhigte. Nervös betastete er den nackten Stein unter sich, rüttelte an den massiven Eisenstäben und begann dann versuchsweiße an dem Tuch zu ziehen, bis ihm einfiel dass es für ihn vielleicht besser war wenn niemand wusste dass er wach war. Vorischtig lugte er unter dem Stoff hervor.


*Wachhaus am Pseudopolis-Platz*

"Und wo?"
"Stichwaschstraße drei. Das Kellerfenster wurde..."
"Reicht", unterbrach ihn der Kommandeur knapp. "FROOOOOOGS!", brüllte er dann und rannte selbst in Richtung seiner noch uninformierten Abteilungsmitglieder. "Überfleissiger Wächter in der Stichwaschstraße 3! Mutmaßlich Mordbereiter Kult, mindestens 4 Leute!"
Bevor Jargon noch etwas weiteres sagen konnte war die Abteilung auch schon ausgerückt.


*Stichwaschstraße 3*

Todds Finger zitterten unsicher, sein Puls raste. Draußen hörte er immernoch das kehlige Rufen.
"BANANG! BANANG! BANANG!"
Es hatte als eine Art leiser Singsang begonnen, doch dann hatte es sich gesteigert und der professionelle Liebhaber hatte das ungute Gefühl dass diese Steigerung nichts Gutes bedeutete. Gerade als er noch einmal einen Blick auf den Raum mit den dunklen Gestalten und dem faden Licht werfen wollte, schien es, als würde sein Herz stehen bleiben.
Sein Käfig bewegte sich.
Voll blinder Angst rüttelte er an seinen Gitterstäben doch er hörte von außen nur ein dumfes Lachen.
Raphael zog die Plane weg, sein breites Grinsen schimmerte grausam im fahlen Fackelschein als er erfreut bemerkte dass sein Opfer wach war. Lächelnd zog er die Fesseln aus dem Gürtel.

*Hinter den Kisten*

Rabbe Schraubenndrehr, Wächterin aus Langeweile und Rassist aus Überzeugung blickte regungslos auf das Geschehen vor ihr. Der Mann der soeben von einer der maskierten Gestalten hereingerollt worden war tat ihr ernsthaft leid. Vier der Kuttenträger banden den inzwischen schreienden Mann an der Steinplatte fest und nahmen anschließend das Gitter ab, während der Vierte einen weiteren, kleineren Käfig holte und der Rest der Gemeinschaft wieder ihre abartigen Lieder sangen.
Rabbe schauderte es.
Die Leiche des jungen Nelke war grauenvoll misshandelt gewesen, und als die Ermittlerin sah wie die Leute die Füße des jungen Mannes mit einem eigenartigen Brei bestrichen wurde ihr langsam auch klar warum. Der Mann auf dem Steinblock lachte im ersten Moment kurz und traurig auf als ihm das Huhn zunächst mit der rauen Zunge über die Unterseite der Füße schleckte, doch keine Sekude später schrie er laut auf als ihm das Tier den Schnabel tief in den Fuß rammte und das Blut des Mannes zu Boden tropfte wo es zischend verdampfte.
"Oh Großer Banang! Höre unser Flehen und akzeptiere unser Opfer! Dein Sein wird hier erneut benötigt, deine Macht und deine Weisheit suchen wir armen Sterblichen in tiefer Demut vor deiner Größe!", rief einer, der offenbar ihr Anführer war, während neben ihm die anderen Kuttenträger langsam hin und her schwangen und immer wieder leise sangen: "Ktullll-u! Ktullll-u! Ktulll-u... BANANG!"
Rabbe versuchte sich auf das Aussehen der Gestalten zu konzentrieren und die Schreie des Mannes zu ignorieren, doch während das Huhn von wildem Hunger getrieben seine Füße in schrecklichem Tempo auffraß, so dass das Blut des Mannes spritzte, fiel es der Überwäldlerin immer schwerer an ihrem sicheren Platz zu verharren und einfach zuzusehen ohne etwas zu unternehmen. Sie spürte ihre Fäuste kribbeln, ihr ganzer Körper war angespannt und kampfbereit und alles in ihr schrie danach, nach vorne zu stürmen und diesem grotesken Ritus ein Ende zu machen. "Denk logisch. Bleib Ruhig.", mahnte sie sich selbst. "Der Statur nach zu urteilen ist da mindestens ein Gnom dabei, außerdem ein Wasserspeier, und wenn ich... ich..."
Das Huhn zerrte wie wahnsinnig an einem Muskelstrang des Mannes, er schrie und weinte zugleich und flehte um Gnade, doch die Kultisten kannten offenbar keine Gnade, sangen weiter ihre schreckliche Melodie und sprachen ihre beschwörenden Verse. Das Huhn selbst hatte längst die Augen weggedreht, die weißen Augäpfel spiegelten den Fackelschein und das Tier schien seine Mahlzeit annähernd beendet zu haben.
Der Mann hatte keine Füße mehr. An ihrer Stelle sah man nur noch die weiß abgenagten Knochen und eine handvoll rotbrauner Muskelstränge die das Huhn nicht hatte konsumieren können. Es zog noch immer an einem, der sich langsam löste. Im selben Moment da das Huhn diesen schluckte schien es,- es schien kurz aufzuleuchten. Doch dieser Eindruck währte nur kurz, denn gleich darauf platzte es in einem unangenehmen Knall, und erneut verdampfte zischendes Blut in großer Menge, alles was erkennbar zurückblieb waren die Füße, die Federn und der Kopf. Ein Mann nahm die Federn auf...
Rabbe würgte. Bilder rasten durch ihren Kopf, der trauernde Lebenspartner des ersten Opfers, die Ikonographien des Toten, die Füße, der Kopf und die Federn im Rachen des jungen Mannes...
Sie konnte nicht mehr.
Ohne weiter über die Gefahr nachzudenken in die sie sich gerade begab, oder an sonstige Folgen zu denken, packte sie ihre Kette und ein Messer und stürmte in den Kreis um den Fußlosen.


Jargon Schneidgut


Mit zusammengebissenen Zähnen und einem Schweißfilm auf der Stirn klammerte sich Jargon am Rand des Wagens fest, der mit wangenschlackernder Geschwindigkeit über die Ponsbrücke und durch die Glatte Gasse polterte. Nachdem er dem Kommandeur mit wenig Atem erklärt hatte, dass es irgendwo auch um seinen Fall ging und er deswegen dabei sein wollte, hatte dieser ihm unwirsch erklärt er dürfe mitfahren, solle aber niemandem im Weg stehen und vor allem niemandem auf die Füße treten. So hatte sich der kleine Mann einen Eckplatz auf dem Wagen gesucht und mit angezogenen Beinen mitangesehen wie der Wagen sich mit FROGs füllte und Schusi vor den Wagen gespannt wurde.
Jetzt saß er also da und klammerte sich fest, während ihm der Fahrtwind die Augäpfel trocken bließ und die Haare noch weiter als sonst zum Abstehen brachte. Er wusste mittlerweile, welche Art von Ritual die Kultisten durchführten- das einzige hühnerbezogene Ritual mit Menschenopfern, das Jargon in Laizas Buch gefunden hatte, war das Banang-Ritual, welches einige sehr unangenehme Schritte beinhaltete. Beim Gedanken daran schauderte es ihn.
Ich hoffe ja, dass Rabbe sich im Hintergrund halten kann... so wenig ich sie auch leiden kann. Wieder spürte er den widersprüchlichen Stich in seiner Eingeweide, der ihm klar machte, dass seine Abneigung Schraubenndrehr gegenüber größtenteils unbegründet war.
Für das Ritual sind sieben Kultisten - Pholys hießen sie da - vonnöten. Auch wenn sie eine noch so gute Kämpferin ist... alleine gegen sieben ziemlich skrupellose Gegener zu gewinnen ist ziemlich unwahrscheinlich.
Der Karren machte einen gefährlichen Schlenker um die Ecke, und Jargon klammerte sich noch etwas fester an den Wagenrand. Ihm gegenüber saß Braggasch, der ebenfalls eine verkniffene Miene hatte. Als er sah wie Schneidgut zu ihm blickte, nickte er ihm zu und lächelte kurz. Um sich bei dem Fahrtlärm zu unterhalten müssten sie schreien, und das würde nur die Konzentration von Araghast stören, welcher lenkte.
Weitere Häuserfassaden und einige verärgerte Gesichter huschten verschwommen vorbei.
Hoffentlich bleibt der Verkehr so ruhig...

Mit einem kräftigen Armschwung ließ Rabbe die Kette dem erstbesten Kultisten zu ihrer Rechten gegen den Schädel krachen, zog sie dann zurück, und ließ sie über ihrem Kopf im Kreis schwingen, um die anderen auf Distanz zu halten. Gleichzeitig näherte sie sich so dem angebundenen Opfer mit langsamen Schritten.
Die Überraschung war noch auf ihrer Seite, drei der noch stehenden Kultisten standen geschockt und zögernd auf ihren Plätzen. Ein kleinerer Kapuzenverhüllter Pholy strebte dagegen schon, langsam, da sie die Kette auch niedriger schwang, mit gezogener Waffe auf sie zu. Der Gnom im Bund war beinahe schon an ihr Bein herangekommen, als sie ihn mit einem kräftigen Schwung zur Seite schleuderte.
Überflüssigerweise brüllte einer der größeren Gestalten mit überschnappender Stimme "Ergreift sie!", was einen der anderen menschengroßen Kapuzenträger dazu bewegte einen Dolch zu zücken und sich ebenfalls vorsichtig anzunähern.
Rabbe ließ ihren Blick schweifen.
Ich kann diesen Kerl nicht losmachen, solang mir die anderen am Hintern kleben - ich muss mir erst den Rücken freimachen.
Mit diesem Gedanken machte sie einen Satz auf den Zwerg zu und ließ die Kette auf ihn zupeitschen.
Er riss die Axt hoch, und die Glieder schlangen sich wie erwartet um den Stiel. So zerrten beide Kontrahenten gleichzeitig kräftig an ihren Waffen, um dem anderen die seinige zu entreißen. Da Rabbe sich die Kettenglieder gewohnheitsmäßig um die Hand gewickelt hatte, ergab sich dabei aber nur ein brennender Muskelschmerz im Arm und grober Knochenschmerz in ihren Knöcheln. Sie wusste, dass der Kleinere mehr Kraft hatte und wechselte die Taktik. Sie rannte auf ihn zu und ließ die Kette seinen Körper umwickeln. Dann wandte sie sich seitlich weg, stach nach einem menschengroßen Kontrahenten, um ihn auf Distanz zu halten und zertte die Kette vom Körper des Zwergs, was ihn in unkontrollierten Schwung versetzte.
Im gleichen Moment landete etwas mit großer Wucht in ihrem Nacken und brachte sie beinahe aus dem Gleichgewicht.
Der Gnom!, schoss es ihr durch den Kopf. Dann krachte etwas mit noch viel größerer Wucht auf ihren Hinterkopf und schickte sie in schmerzhafte Dunkelheit.

"Da ist es!", brüllte Jargon, als sie das unscheinbare Haus erreichten und sprang zeitgleich mit den FROGs vom Wagen. Es war nicht so, als würde er Rabbe besonders gut leiden können- aber sie war eine Wächterin, eine Kollegin. Und so jemandem musste man so schnell man konnte zu Hilfe eilen.
Er wartete kurz vor dem Kellerfenster, bis der Einsatztrupp hineingeklettert war und folgte ihnen. Als er auf dem feuchten Kellerboden ankam zog er leise sein Schwert und folgte hastig den im Dunkeln nur als schemenhafte Gestalten zu erkennenden Kollegen.
Kein Kampfeslärm!, bemerkte er bei einer ersten Neuorientierung. Also entweder hat sich Rabbe zurückgehalten, oder... Sein Mundwinkel zuckte.
Dann brüllte Breguyar auch schon "SCHNAPPT SIE EUCH!"
Der Kampf dauerte nicht lange. Valdimier setzte den Gnom außer Gefecht, indem er ihn an den Beinen packte und kräftig gegen eine Wand warf. Braggasch traf den zwergischen Kultisten mit einem Bolzen ins Bein. Der Kommandeur legte dem Wasserspeier Handschellen an, und die anderen kapuzenverhüllten Gestalten hoben ergeben die Hände.
"D-d-der Kroteng", plapperte Pholy Phineas, dann hielt er sich entsetzt die Hand vor den Mund.
"Da! Valdimier!" Bregs zeigte auf ein menschengroßes Loch in der Wand, von dem Pholy Mirk hätte schwören können dass es zuvor noch nicht da gewesen war. Der Vampir saußte auf das Loch zu und verschwand in der Finsternis.
Indessen hatten Kanndra und Nyvania Rabbes bewusstlosen Körper und den grausam Verstümmelten gefunden.
Bregs knurrte beim Anblick der abgenagten Füße und dem vor Schmerz ohnmächtigen Opfer.
"Da ist schon wieder ein verdammter Kult-Mist am laufen...", sagte er mehr zu sich selbst. Jargon meldete sich sehr leise zu Wort.
"Ja... ich... ich glaube, es ging um das Banang-Ritual...", murmelte er und wandte den Blick von den blutigen Beinstümpfen. Er schüttelte den Kopf. "Das... das ist es einfach nicht wert..."
Der Kommandeur reagierte nicht. Es interessierte ihn gar nicht, wozu das Ritual diente.
Zu recht, fand der Obergefreite. In Laizas Buch stand, dass die Übersetzung des Rituals einige Unklarheiten entiehlt. So konnte der Zweck des Rituals zum einen mit Machtbereicherung hoher Stärke für die Ritualteilnehmer übersetzt werden - oder mit ewigem Fußpilz. Doch da das Ritual nie bis zum Schluss durchgeführt wurde - immer fehlte bis zum Ende mysteriöserweise mindestens einer der Pholys[14] - wusste man nicht, wie die richtige Übersetzung lautete.
Mittlerweile waren alle Kultmitglieder mehr oder weniger widerstandslos festgenommen worden, die Meisten stammelten leere Rechtfertigungen. Phineas und Mirk starrten nur betreten und schuldbewusst zu Boden.
Todd Stoßgut war bereits von Nyvania im Wagen abtransportiert worden - die Behandlung seiner Verletzungen duldete keinen Aufschub. Ein fachkundiger Igor konnte vielleicht noch etwas retten.
Rabbe war inzwischen wieder bei Bewusstsein - Jargon vermutete, dass sie sich beinahe in die Ohnmacht zurückwünschte, wenn er nach ihrem schmerzverzerrten Gesicht urteilte. Herribert hatte ihr eine heftige Kopfnuss verpasst. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Araghast ihr einerseits verbal die Tassen in den Schrank zurückräumen wollte, aber andererseits froh war, dass sie nicht schwerer verletzt worden war... Zumal er selbst nicht ganz sicher war, wie er in ihrer Situation reagiert hätte.
Seufzend ließ sich Schneidgut auf den kalten, feuchten Steinboden nieder und begann, seine Notizen hervorzukramen. Was gab es noch zu ermitteln?


Rabbe Schraubenndrehr


Rabbe hielt sich den pochenden Schädel und ertrug mit Mühe den bösartigen Blick des Kommandeurs. Er musterte sie noch einen Moment mit unverhohlenem Ärger und zuckte dann mit den Schultern. "Dass es deine eigene Schuld war, niedergschlagen zu werden muss ich dir wohl hoffentlich nicht noch extra sagen", sagte er trocken und wandte sich ab. Bevor er den Weg zu seiner eigenen Einheit zurück antrat drehte er sich noch einmal halb zurück. "Aber wenn du wissen willst wie man sowas richtig macht, komm doch mal zu FROG..." Mit diesen Worten begab er sich zu seiner Abteilung zurück um das weitere Vorgehen zu besprechen.


*1 Stunde später*

Missmutig blickte Rabbe von ihren Unterlagen zu den Kollegen Schneidgut und Steinstiefel hinüber, und grummelte. Sicher war es an sich durchaus angebracht jemanden von DOG dazuzuholen, und an sich hatte sie mit dem griesgrämigen Zwerg auch keinerlei Proleme aber... Dass der Schneidgut diesen auf eigenen Faust dazu geholt hatte, das ging ihr auf die Nerven. "Also schön.. ich würde sagen wir beginnen mit dem Gnom."


Die folgenden vier Stunden wurden äußerst langwierig und mehr als kompliziert.


Herribert

"Was soll das heißen, sie wollten größer werden?"
"Nicht wirklich größer, nur 10 Füße größer."
"Also...", Rabbe runzelte die Stirn. "Sie wollten 3 Meter groß sein, sehe ich das richtig?"
Der Gnom nickte.
Die drei Wächter sahen sich gegenseitig kurz an, blickten dann gleichzeitg auf den Gefesselten[15] herunter.
"Wozu?"
"Um Menschen besser zertreten zu können, ist doch klar!"


Raphael

"Und sie haben auf den Kroteng gehört weil...?"
"Er hat mich bezahlt, das reicht doch, oder nicht?"
Rabbe seufzte.
"Herr Raphael, sie sind wegen Beihilfe zum Mord und ebenso versuchtem Mord hier, und werden wohl auch recht hart bestraft werden. Da sie kein Assasine sind dürfen sie nicht einfach Leute umbringen, das ist gegen das Gesetz."
"Und außerdem nicht ihr Job!", fügte Glum der argumentation des Rechtsexperten hinzu.
"Stimmt.. Es ist ein verdammt geiler Job!"


Flachdach

"Wissen sie den Namen des Krotengs?"
Flachdach starrte Glum an. "Ich..."
Stille.
Rabbe tippte ungeduldig mit der Hand auf dem Tisch herum.
Stille.
Jargon trank einen Schluck Tee.
Stille
Flachdach starrte Rabbe an. Dann wieder Glum.
"Ich... 'abe ge'acht 'ach er 'ir ge'agt 'at."
Rabbe massierte sich genervt die Nasenwurzel während Glum verträumt ins Nichts starrte.
"Ja aber... WARUM haben Sie gemacht was er gesagt hat?"
Glum dachte an Kuchen während Rabbe ein und dieselbe Frage noch mehrmals in anderer Art wiederholte.
Jargon trank Tee.
"'Eil... er e' ge'agt?"


Gerd

"Herr Beinbeisser, könnten Sie..."
"LASST MICH ENDLICH HIER RAUS! DER SCHRECKLICHE ZORN DES BANANG WIRD EUCH ALLE VERNICHTEN!"
Jargon versuchte verzweifelt den Zwerg zu bändigen (der ebenfalls an den Stuhl gefesselt worden war), während Glum und Rabbe eher unbeteiligt ihren Kaffee tranken.
"Herr Beinbeisser, bitte,-"
"ICH MUSS ZU MEINEN PUPPEN, LASST MICH ENDLICH RAUS ICH HABE NICHTS VERBROCHEN!"
Rabbe stand auf.
Sie blickte den Zwerg kalt an, der für einen Moment in seinen Forderungen inne hielt.
"Lasst uns Pause machen und in die Kantine gehen, ich hab Hunger und der Kerl kann sich gut mit sich selbst unterhalten."
Wenige Minuten später starrte Gerd an die leere Wand des Verhörraums.
"Meine Puppen..?"



Rabbe legte den Kopf in den Nacken und atmete tief durch. Glum stopfte sich ein Parfait in den Mund. Jargon erschauderte.
"Das... ist grässlich. Warum zur Hölle habt ihr mich dazu geholt? Verhören hättet ihr die ja auch noch selber können, zu meiner Zeit hat man Dinge, auch wenn sie einen eigentlich nichts angingen, immerhin ohne Hilfe zu Ende gebracht und nicht auf den letzten Drücker Unterstützung angefordert!", wetterte der Zwerg und deutete ein Kopfschütteln an. "Hey, wenns nach mir gegangen wär hätten wir dich auch gar nicht angefordert, aber er...", sie wies leicht abfällig gen Jargon. "Ist im Grunde aber auch egal... lasst uns die Sache einfach so schnell wie möglich zu Ende bringen." Mit diesen Worten trat sie in den Flur, nutzte die wenigen Sekunden Sichtfreiheit um einen schnellen Schluck aus dem Flachmann zu nehmen und wandte sich nun gestärkt dem Verhörraum wieder zu. "Herr Beinbeisser, wie schön Sie zu sehen, wie gehts den Püppchen?!"



Mirk

Rabbe stand in der Ecke und dachte nach, während der SEALS versuchte, beruhigend mit dem jungen Mann zu reden. "Sie sollen uns erstmal nur sagen, warum sie sich dem Kult angeschlossen haben, und was sie über die wahre Identität des Krotengs wissen. "Ich,-Er,-Ich... ich will nicht sterben! Ich wollte doch nur.. beliebt sein... bitte.. Bitte tötet mich nicht! Ich will nicht an den Galgen!", ängstlich wanden sich die Finger des Mannes um seinen eigenen Hals. "Ich bin doch noch so jung und niemand wollte mit mir zusammen sein... Sie hassen mich! Sie hassen mich alle! ALLE!"


Phineas

Ruhig aß Rabbe noch ein Stück der Pizza, die sie vor einigen Minuten von einem Rekruten hatte holen lassen. Nach all diesen schweren Fällen... hatte sie hier nun endlich einen der bereit war zu reden, und dies derart offen dass die Obergefreite ernsthaft erwog, dem Mann ein Stück Pizza abzugeben. Sie warf einen Blick in Richtung des SEALS-Wächters der zufrieden und eifrig protokollierte, und zu Glum der inzwischen völlig eingeschlafen war.
"Als wir dann diesen Herrn Stoßgut entführten... Da kam ich mir immer schrecklicher vor, mir wurde immer bewusster welche schrecklichen Dinge wir da eigentlich tun, und ich.. ich wollte da unbedingt weg, aber der Kroteng ließ mich nicht. Ich hatte schreckliche Angst, denn ich wusste, wenn ich nicht spurte würde ich selbst das nächste Opfer sein. Der Kroteng war unglaublich grausam, wenn einer von uns auch nur wagte ihn mal irgendetwas über ihn zu fragen musste man gleich irgendwelche Strafarbeiten machen, oder er drohte, uns selbst zu opfern."
"Ich verstehe... Aber wie genau kamen sie überhaupt in diesen Kult hinein?"
"Naja..." nun stockte Pholy Phineas doch. "Wissen sie... Ich bin seit frühester Kindheit mit einer Art Fußpilz gestraft. In letzter Zeit wurde er immer schlimmer, ich hatte irgendwie Angst dass er meine Füße auffrisst. Den Kroteng traf ich in einer Bar irgendwo in den Schatten, Raphael führte mich zu ihm und... Er wusste von meinem Problem, ohne dass ich ihm oder Raphael etwas gesagt hätte, und dann... hat er mich halt überredet mit zu machen. Als mir klar wurde was wir wirklich tun, da... da war es schon zu spät." Phineas klang hohl und traurig. "Er... er benutzte uns nur. Ich weiß gar nicht ob er überhaupt wirklich etwas hätte ändern können, und nun... nun habe ich geholfen einen Menschen umzubringen, und... ich fühle mich schrecklich."


*30 Minuten später*

"Uff."
Drei Wächter sanken im Eimer an den Tresen.
"Whisky."
"Whisky."
"Apfelwein."
Sie tranken.
"Hmm.. was... was glaubt ihr, wo der Kroteng hin ist?"
"Na, Valdimier hat ihn jedenfalls nich mehr gekriegt, da war irgendwann einfach eine Sackgasse."
"Ja aber... Können wir nicht rauskrigen wer er ist, irgendwie?"
Rabbe schüttelte den Kopf.
"Wahrscheinlich irgendsoein Wandei aus der Regierung, so ein politischer Fiesling der alle nur unterwerfen wollte... und was hatte er letztendlich davon? Fußpilz! Ha!", mit diesen Worten leerte Rabbe ihr Glas herunter, knallte das Geld auf den Tisch und verließ den Eimer. Der Tag war hart genug gewesen.


*1 Monat später*


"Es spielen für sie: die kaputten Hunde!" Die bunte Gruppierung begann ein langsames Stück und versuchte dabei, nicht allzu dumm aus der Wäsche zu schauen. Die einzelnen Mitglieder des Kultes waren jeder zu Geldstrafen sowie zu unterschiedlich langer Bußzeit im Knast verurteilt worden. Da niemand von ihnen eine Hauptschuld aufwies, wurde niemand hingerichtet, und so kamen die Pholys ins Ankh-Morporkianische Staatsgefängnis wo sie nach einigen Tagen Eingewöhnungszeit die erste Gefängnis-Dschäss-Bänd gründeten: Die kaputten Hunde.
Todd Stoßgut hatte von einem tüchtigen Igor neue Füße bekommen und frequentierte auch weiterhin unumwunden die Freudenhäuser der Stadt. Und der Kroteng? Er blieb verschwunden, und saß wahrscheinlich noch immer auf irgendeinem hohen Posten, schmiedete Pläne und erhoffte sich Macht... Gleichwohl ihn der Fußpilz immer erwarten würde.
[1]  Insbesondere Raphael, der Hobbymäßig kleine Insektoide züchtete, wünschte sich dies sehr

[2] Jedes Brot das er besaß war alt und kantig. Wenn jemand Jargon erzählt hätte dass manche Leute das Brot wegwerfen sobald es hart wird hätte er gesagt "Wie? Das kann auch weich sein?"

[3]  Der "Röster" ist ein kompaktes Modell der "Äffischäint Laif-3000"-Reihe, lieferbar in 27 verschiedenen Größen, zum Rösten, braten, kochen oder grillen. Kochen sie Kaffee, grillen sie Ratten, rösten sie Stockbrot, wahlweise auch zum Braten nerviger Bittsteller einsetzbar.

[4]  Die "Mörphischen Regeln" besagten unter anderem, dass alles was schief gehen kann, noch wesentlich schiefer laufen wird als es eigentlich möglich ist. In diesem Fall schob sich Rabbe jeder in den Weg, der es konnte...

[5]  Nicht verwandt mit Felix "Schädelbruch" Beinbeißer, dem ein Verbrechen angelastet wird, das so grauenvoll ist, dass niemand darüber spricht. (Hauptsächlich, weil sich inzwischen keiner mehr erinnert)

[6]  Tatsächlich dachten sie nicht viel über ihn nach - allerdings fand der Mann mit dem Fass dass er unangemessen gut gekleidet für diese Zeit des Tages war.

[7]  Nur per Spezialanfertigung zu erhalten. Die Sehnen sind so angeordnet, dass man mit zwei unabhängigen Abzügen je einen Schuss abgeben kann.

[7a]  Natürlich hatte man ihn dort nicht tatsächlich gefunden, man konnte von einer verkehrbetriebenen Straße nicht erwarten dass sie lange Rücksicht auf Kreideumrisse nahm nachdem SuSi den Tatort freigegeben hatte

[9]  Blut das im normalen Straßenverkehr durch kleinere Streitigkeiten entsteht natürlich nicht mitgerechnet

[10]  Lochartiges Obdach Chemieabfallverseuchter[16] Herumhänger

[11] Den Gedanken, dass sich wohl bald DOG um Schnapper kümmern würde ließ er einfach wieder ziehen

[12]  Womit natürlich nicht das alltägliche Ankh-Morpork Hintergundgeschrei gemeint ist, sondern das laute Vordergrundgeschrei das einen zumindest manchmal etwas angeht

[13]  interesssantes Kluberheiterndes Set Siffender Ollianderartikel

[14] In den Wohnungen der Betreffenden fand man nie mehr als blutige Fußabdrücke und einen verschimmelten Geruch

[15]  Nach anfänglichen Bissattacken und allgemeiner unkooperation hatten sie den Gnom an den Stuhl gefesselt.

[16]  Sprich: Gerber, Färber und Arbeiter Pisse-Pauls

Zählt als Patch-Mission für den Ermittlerin-Patch für Rabbe Schraubenndrehr



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger für Jargon Schneidgut

21.8.2012

Es hat mir gut gefallen, endlich auch mal wieder etwas von Jargon zu lesen. Seine eher stille Art war zudem ein schöner Konterpart zu Rabbe. Und natürlich ist die Prügelszene mit all den Gerüchten, die sich unweigerlich um dieses Ereignis ranken dürften, ein schöner gedanklicher Aufhänger für Kommendes. ;-) Weiter so! ^^

Von Ophelia Ziegenberger für Rabbe Schraubenndrehr

21.8.2012

Ich mag Rabbes ruppige Art und lese immer wieder gerne über sie. Du hast den Dreh raus, sie sehr bildlich darzustellen. Was mich an der Single etwas gestört hat, war die ausführliche/extreme Gewaltanwendung während des beschriebenen Rituals. Das soll kein Ausschlusskriterium sein, denn natürlich war das hier gewollt und Mittel zum Zweck, ist mir aber dennoch unangenehm aufgefallen und daher erwähnenswert, wie ich finde. ;-)

Von Sebulon, Sohn des Samax für Rabbe Schraubenndrehr

13.8.2012

Für beide:

Es scheint mir, dass ihr einen recht ähnlichen Schriebstil habt, auch wenn Rabbe scheinbar die größeren Schreibanteile hatte, darum gehen meine konstruktiv gemeinten Rückmeldungen an euch beide.

* Habt Geduld mit einer Geschichte, in die ihr so viel Mühe steckt. Gebt sie ruhig 2-3 Leuten zum gegenlesen und arbeitet die Rückmeldungen ein. Auch wenn mich der Plot neugierig gemacht hat, bremsten mich Formalia in meinem Leseeifer.
* Der Sinn einiger Fußnoten erschließt sich mir nicht, ich würde über deren Benutzung gern mal mit euch philosophieren. Teilweise erschienen sie mir widersprüchlich und verwirrend.
* Meine Lieblingsszene: "Rabbe!" "WAS?" "Warum verfolgen wir den?"
* Auch wenn ich weiß, dass die Geschichte aus dem Titel heraus entstanden ist, finde ich im Nachhinein die Kuttenträger, die ein [i]Ding[/i] beschwören, eher bekannt. An manchen Stellen fühlte ich mich sogar sehr an "Wachen, Wachen" von Pterry erinnert ...
* In euren Details fand ich die Geschichte gut. Ihr habt dahingehend Insider-Blicke gezeigt.

Mein Gesamteindruck: Fast gut, doch es geht noch was.

Von Magane

29.08.2012 22:41

Also... ich hatte Spaß. Das stell ich jetzt mal einfach so in den Raum.



Aber Spaß ist nicht alles, ich hätte mir gewünscht, dass das "Ding" ein bissel besser durchdacht gewesen wäre... oder um meinen Gedanken zu zitieren: "Fußpilz, also bitte, muss das?"



Davon abgesehen mag ich euren Stil.

Es ist wirklich schön mal wieder ein Paar (ob gute Freunde oder Liebende) zu sehen, dass sich ingame hasst/fürchtet. Spielt das bitte weiter aus, Laiza und ich mussten uns leider zusammenraufen, aber ihr beide schafft das ;)

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