Es ist heiß - viel zu heiß. Und die Pathologie ist voll - viel zu voll. Wenn sich da nicht bald was ändert, dann droht der Eintopf des Grauens ...
Dafür vergebene Note: 12
### Achtung makaber. Kann Spuren von Ekel enthalten, bei schwachen Mägen nicht zusammen mit Nahrung einnehmen ### Laiza HarmonieAugust im Jahr der hysterischen BlattlausDer Kräutertee dampfte nur noch zaghaft in der Tasse, die auf einigen gestapelten Akten stand. In der Hand hielt Oberfeldwebel Harmonie einen Schokoladenkeks, der schon eine geraume Zeit auf halben Weg zum Mund verharrte. Ihre Augen folgten dem Schriftbild von
Wenn der Werwolf heult und hatten die unter dem Buch aufgeschlagene Akte vollkommen vergessen. Die mechanische Uhr auf ihrem Schreibtisch zeigte die verstreichende Mittagspause an.
Gepolter vom Wachhausflur drang an ihre Ohren, aber sie konzentrierte sich vollauf auf die Geschichte. Ihre freie Hand näherte sich der Teetasse und ergriff sie. Laiza wollte gerade einen Schluck nehmen, als ein lauter Schrei durch den ersten Stock drang
"OBERFELDWEBEL HARMONIE! LAIZA! IN MEIN BÜROOO!"Ein Schwung Kräutertee tränkte das Buch auf Laizas Schreibtisch.
"SOFOORT!"Sie setzte die Tasse ab und verursachte einen Kringel auf der obersten Akte des Stapels.
"Na super ...", grummelte sie und stopfte sich den Keks in den Mund, bevor sie aufstand.
Sie schluckte gerade den Keks herunter, als sie die Tür zum Büro des Kommandeurs öffnete. Der ehemalige Chef der Frösche stand am Fenster und blickte hinaus auf den Pseudopolisplatz. Laiza schloss die Tür und räusperte sich.
"Wie warm ist es draußen, Laiza?" Araghasts Blick ruhte weiter auf dem Geschehen des Pseudopolisplatzes.
"Sehr warm, Chef", beantwortete sie die Frage und fügte in Gedanken hinzu
'Meine Schokoladenkekse schmelzen!'.
"Wann hast du das letzte Mal bei Mamsell Piepenstengel gegessen?"
"Den Fehler hab ich schon lange nicht mehr begangen, Bregs, außerdem mieft es in der Kantine." Der Kommandeur drehte sich schwungvoll um.
"Sehr gut, dass du selbst auf das Thema kommst. Du hast da Schokolade am Mund."
Schnell wischte sich Laiza mit dem Handrücken über die Mundwinkel: "Ähm. Thema? Dass die Kantine stinkt?"
"Nein, Stinken; Stinken ist ein gutes Thema. Die Kantine stinkt wie drei Tage alte Schnapperwürstchen, aber die Pathologie stinkt wie ... wie ... da fällt mir gar kein Vergleich zu ein!"
Stumm starrte der Oberfeldwebel den Kommandeur an.
"Der Aufenthalt im Keller ist eine Zumutung. Ich weiß ja nicht, was deine Gerichtsmediziner da unten verbocken, aber Saubermachen gehört anscheinend nicht dazu!"
"Ähm", setzte sie an, ohne Recht zu wissen, was sie Araghast darauf hätte erwidern können.
"Wir haben heute Dienstag, Laiza, bis zum Wochenende herrscht dort unten Ordnung, und es riecht nach Veilchen. Hast du mich verstanden?"
"Ähm, ja Sir ..."
"Wenn nicht, kehren die Rekruten alles zusammen und geben es Mamsell Piepenstengel, um daraus für die gesamte Abteilung Suchen und Sichern einen Eintopf zu kochen! Und ich garantiere euch: Ihr werdet ihn unter Aufsicht von Ras aufessen."
Laiza setze zu einer Verteidigung an, doch Araghast unterbrach sie direkt: "An die Arbeit!"
Laiza verzichtete auf eine weitere Aufforderung und gab Fersengeld, um aus dem Büro des Kommandeurs zu kommen. Schon allein bei dem Gedanken an Mamsell Piepenstengels Eintöpfe wurde Laiza ganz anders, aber die Androhung eines Eintopfs a la Pathologie ließ sie ganz grün im Gesicht werden. In ihrem Büro lehnte sie sich gegen die geschlossene Tür und überlegte sich einen Ausweg aus dieser misslichen Lage. Sie mied den Aufenthalt in der Pathologie schon seit jeher so gut es ging, aber sie war quasi den kompletten Sommer nicht mehr dort unten gewesen. Obwohl der Keller im Vergleich zu den hohen Außentemperaturen kühl und angenehm war, schlug sich die Hitze auf die Geruchswelt nieder. Es war ja nicht nur die Pathologie, sondern auch die Zellen und ihre Insassen, die alle möglichen Arten von Ausdünstungen fabrizierten.
Sie entschied sich für die magenfreundlichste Art der Kommunikation und schickte den Gerichtsmedizinern eine Rohrpost. Laut Schichtplan waren Oberleutnant Pismire und Obergefreiter Huitztli Pochtli im Dienst.
Es dauerte auch nicht lange, bis die beiden, mit einigen fertigen Obduktionsberichten unter dem Arm, im Büro ihrer Abteilungsleiterin auftauchten. Inzwischen hatte Laiza auch Magane dazu gerufen und hatte die Stellvertreterin über den
Sondereinsatz informiert.
Pismire legte einen Obduktionsbericht auf Laizas Schreibtisch und setzte ich auf den verbleibenden Besucherstuhl.
"Ich weiß ja nicht, was RUM grad macht, aber Mordopfer finden gehört gerade nicht zur ihren Aufgaben. Die gute Dame ist ganz natürlich verstorben, mit über 70 soll das auch erlaubt sein."
Die Abteilungsleiterin verfrachtete den Bericht auf den
Zu bearbeiten-Stapel.
"Zum Glück nicht unser Problem." Sie stützte sich mit den Unterarmen auf ihren Schreibtisch und fixierte den ältesten Pathologen: "Und wie läuft es bei euch da unten sonst so? Viel zu tun, während Avalania im Urlaub ist?"
"Läuft eigentlich ganz angenehm, immer was zu tun, aber nicht so, dass man in Hektik verfällt. In letzter Zeit kommt auch kaum mehr jemand vorbei und drängelt uns wegen den Berichten."
"Wegen den Berichten? So, woran meinst du, könnte das liegen?"
"Wenn du mich fragst, in letzter Zeit hat sich der Kommandeur ab und an im Keller blicken lassen, er war aber nicht bei uns in der Pathologie. Vielleicht liegt es daran."
"Und was meinst du, wieso der Kommandeur vermehrt im Keller herum streift?"
"Vielleicht ist es ihm zu warm in seinem Büro?", meldete sich Huitztli zu Wort. "Immerhin ist es angenehm kühl in Keller."
Laiza räusperte sich und warf Magane einen Blick zu, den der Obergefreite und der Oberleutnant nicht zu deuten wussten.
"Ich war vorhin bei Bergs im Büro ... Er erzählte mir von den katastrophalen Zuständen im Keller, und damit meinte er nicht den Zellentrakt, sondern den Gestank der Pathologie."
"Ist er etwa mit unserer Routine in der Pathologie nicht zufrieden? Wir können doch nicht für jeden Dickdarm oder jede Niere nach oben zum Misthaufen laufen", sagte der Wasserspeier.
"Meinst du die Innereien gehören auf dem Misthaufen? Das stinkt doch auch, vor allem zu dieser Jahreszeit!"
"Bis jetzt war das auch kein Problem. Wieso sollte es nun ein Problem darstellen?"
"Weil der Kommandeur uns eine Frist bis zum Wochenende gesetzt hat. Das sind vier Tage."
"Die Mittagspause ist schon vorüber, der Dienstag kann wohl kaum noch voll gezählt werden. Wie sollen wir das denn schaffen?", protestierte Huitztli.
"Ist mir egal, ich hab auf jeden Fall keine Lust einen Innereien-Eintopf von Mamsell Piepenstengel zu essen und genau das hat uns Bregs angedroht. Der
ganzen Abteilung."
Laiza atmete tief durch: "Ich bitte euch, dass in Angriff zu nehmen, sollen die anderen Abteilungen auf ihre Berichte warten, das ist mir jetzt egal. Jetzt geht, macht euch Gedanken und haltet mich auf dem Laufenden."
Huitztli PochtliPismire und Huitztli beratschlagten sich in der Pathologie. Der Oberleutnant machte ein grimmiges Gesicht, während er eine bequemere Haltung am Sektionstisch suchte.
"Wie stellt sich das unser Herr Kommandeur denn vor? Wir können die sterblichen Überreste doch nicht einfach so", er schnippte mit den Fingern, "verschwinden lassen!"
"Vielleicht sind Zauberer ...", viel weiter kam der Wasserspeier nicht, denn Pismire unterbrach ihn rüde.
"KEINE Zauberer! Oh nein, mein Herr! Keine Zauberer! Sie lösen kein Problem, ohne einem einen Haufen neuer zu bescheren. Nein, ausgeschlossen."
Sie grübelten eine Weile stumm weiter.
"Weißt du, Herr", hub Huitztli an, "was mich an dieser Stadt schon immer fasziniert hat, ist die Fähigkeit seiner Bewohner, unangenehme Dinge auf andere abzuwälzen."
Pismire nickte. "Wenn die Angehörigen nicht so ... so unverschämt wären, ihre eben noch von ihnen identifizierten Verwandten plötzlich doch nicht mehr zu kennen, weil es nichts zu erben gibt, sondern statt dessen die Beerdigungskosten drohen, hätten wir das Problem nicht."
"Wie wäre es denn mit einer nächtlichen Tour zum Ankh ...?", schlug der Wasserspeier unschuldig vor.
"Du meinst ... eine Art ... Seebestattung?" Pismire machte eine entsprechende Handbewegung.
"Platsch!", gab Huitztli fröhlich zurück.
"Es ist einen Versuch wert. Material haben wir ja genug ...", seufzte er und schaute zu den Kühlfächern, die inzwischen bereits doppelt belegt wurden. Die Türen einiger Fächer waren mit Balken verkeilt, weil sie sonst aufgesprungen wären.
Der Alte Tom schlug zwei Uhr, als sich zwei vermummte Gestalten mit einem Eselskarren und fragwürdiger Fracht zur letzten Brücke über den Ankh aufmachten. Nur eine dreiviertel Stunde später kehrten sie breit grinsend in die Pathologie des Wachhauses zurück. Die Fächer zwei bis vier waren nun leer.
Schon der nächste Tag hielt eine Überraschung für Pismire und Huitztli Pochtli bereit. Die Gefreiten Calwyn Steinkerber und William de Morgue schleppten eine Tragbahre herein, dessen Passagier herunter gerutscht wäre, wenn sie seine Hosenträger nicht an den oberen Griffen verknotet hätten. Calwyn versuchte vergeblich, den nur mit Socken bekleideten Füßen auszuweichen, die im ständig im Gesicht herumfuhren.
Aus Gründen der vorangegangenen Nacht noch nicht ganz wach, griff sich Pismire den Bericht, deutete mit dem Klemmbrett auf den Sektionstisch und blätterte desinteressiert durch die Seiten.
Tahtortprotokoll
* Fundort: Beih dehn Dohckx
* Name der/des Toten: unbehkannt
* Geschlecht des/der Toten: UNBEHKANNT!!!
Das konnte nur von einem Zwerg ausgefüllt worden sein. Der Oberleutnant gähnte, unterschrieb und reichte dem Zwerg den Durchschlag.
Eine Stunde und zwei Leichen später betrat Huitztli die Pathologie. Pismire saß auf dem Bänkchen, welches der Wasserspeier sonst immer als Tritthilfe benutzte, wenn er am Tisch arbeitete und lehnte mit dem Rücken an der Wand. Er sah abgespannt aus.
"Äh, Herr?", fragte der Wasserspeier zaghaft.
Pismire reagierte nicht.
Erst nachdem Huitztli seine Frage wiederholt hatte, kam Leben in den Pathologen.
"Schau mal, wer wieder da ist ...", sagte er mit ätzendem Sarkasmus und nickte mit dem Kopf in Richtung von Fach zwei und drei. Beide waren wieder mit einem Balken gesichert.
Pismire"Mittwoch Morgen", dachte Pismire müde,
"und die Fächer sind wieder so voll, wie gestern. Und am Ende der Woche droht der Eintopf des Grauens. Wir brauchen dringend eine Lösung!" Seine Finger trommelten ungeduldig neben seiner Teetasse. Ein Räuspern Huitztlis ließ ihn aufhören. Er rieb sich die Augen, die gerötet waren, und die Wangen. Das Geräusch erinnerte an Schmirgelpapier. Ein Bad, eine Rasur, eine Stunde Schlaf. Eine Lösung für das Problem. Er merkte, wie seine Gedanken sich im Kreis drehten.
"Das bringt so nichts, Huitztli. Ich brauche eine Mütze Schlaf oder wenigstens Ruhe und eine Rasur und ein Dampfbad. Mit anderen Worten: ein klatischianisches Badehaus. Komm doch einfach mit."
Huitzli wusste, dass menschliches Verhalten ihm fremd war und sonderbar vorkam. Das Badehaus war auch so etwas. Es schien Menschen Spaß zu machen, schweigend in warmen Nebel zu sitzen. Nur: warum? Und warum ließ der alte Mann sich die Haut polieren? Und wozu das Öl und danach das ganze kalte Wasser? Andererseits: wenn es half? Der Oberleutnant roch zumindest hinterher anders und er wirkte frischer. Oder so. Zumindest glänzte seine Haut. Aber das tat sie auch bei Menschen, die Angst hatten.
"Ich habe eine Idee", meinte der Schamane, kaum, dass sie das Badehaus verlassen hatten. "Vielleicht kann ich Hilfe finden. Lass uns hinter die Unsichtbare Universität gehen. Ich kenne dort jemanden."
"Aber du sagtest: keine Zauberer!", entgegnete sein steinerner Kompagnon.
"Oh, Willard ist kein Zauberer."
"Willard?"
"Ein - Freund."
Damit, dass sich der ominöse Freund als oberschenkellange Ratte
[1] entpuppte, hätte Huitztli nicht gerechnet.
Aber Freund oder nicht Freund: des Oberleutnants Plan, sich bei der Beseitigung der Leichen aus der Pathologie von den Ratten der Stadt helfen zu lassen, traf auf wenig Gegenliebe.
" ... kommt überhaupt nicht in Frage. Und das ist
mein allerletztes Wort." Der König der Ratten blieb hart.
"Aber überlegt doch mal, Euer Majestät, Ihr hättet eine stetige Nahrungsquelle für euer Volk. Lieferung sozusagen frei Haus. Unter dem Keller des Wachhauses verlaufen weitere Keller - wie überall in der Stadt. Und mit einer einfachen Klappe ..."
"Hättest Du Dein Problem gelöst. Ich bin nicht blöde, alter Mann. Wir Ratten wissen, dass euer Kommandeur die Leichenschneider auf dem Kieker hat. Und glaubst du allen Ernstes, wir wollen das essen, was ihr da fabriziert? Ja, Ratten sind Allesfresser - aber nur im Notfall. Und in einer Stadt, in der uns die Vorratskeller von Ankh zur Verfügung stehen - glaubst du da allen Ernstes, dass wir uns den Menschenmüll reinziehen? Was glaubst du was passiert, wenn das ruchbar wird? Deine Spezies würde uns den Krieg erklären. Und damit wäre keinem gedient."
"Er hat vermutlich recht", meinte der Wasserspeier begütigend. "Wenn das rauskommt, dann sind wir alle dran."
"Und wenn ihr einfach einmal in der Woche zum Essen vorbei kommt? Ein - äh - Arbeitsessen, dagegen spricht doch nichts - oder?", fragte Pismire, der die einmal gefasste Idee, starrsinnig wie er manchmal sein konnte, nicht nur wegen einiger unerheblicher Einwände aufgeben wollte.
"Und wenn
das jemand sieht? Wie stellst du dir das vor? Ein gut gedeckter Seziertisch mit Oma surprise und Opfer a la card?"
Pismire seufzte resigniert.
Unerbittlich schnitt die Zeit sich durch den Mittwoch.
Wieder im Wachhaus zogen sich die beiden Pathologen erneut in ihr - zugegeben übel riechendes - Refugium zurück. Automatisch fingerte der Schamane in einer der ungezählten Taschen seines Umhangs, zog ein scharf riechendes Döschen gefüllt mir achatener Drachenminzpaste heraus und applizierte eine üppige Dosis unter seiner Nase. Er atmete tief durch. Doch ja, damit ließ sich der Geruch aushalten.
"Was machen wir nun?", fragte der Wasserspeier und blickte angespannt zu den balkenbewehrten Schubladen.
"Uns was neues einfallen lassen", grummelte sein Kollege und streckte sich mit hinter dem Nacken verschränkten Armen auf einem der Tische aus. Stille breitete sich aus.
"Warst du jemals in einem Beinhaus?"
Huitztli schreckte aus seinen Gedanken auf. "Nein, Herr. Was hat es damit auf sich?"
"Ach, lass das "Herr" unter diesen Umständen. Wir hocken beide in demselben Schlamassel. Nenn mich Pismire. Und ein Beinhaus ist eine schöne, ordentliche Angelegenheit. Schädel hier, Oberschenkelknochen dort, Becken gestapelt, die kleinen Knöchelchen kann man immer noch unauffällig beseitigen. Während eine normale Leiche einen Raum - sagen wir mal - 170 cm Höhe und einem halben Meter Breite und noch mal 30 cm Tiefe einnimmt und zwischen sechzig und achtzig Kilo wiegt, ist das Skelett nur noch vielleicht ein Achtel so schwer. Man sagt, dass über die Hälfte des Menschen aus Wasser besteht. Und die Knochen passen in einen Karton. Die Asche sogar in einen kleinen Topf. Das sind höchstens noch 2 bis 4 Kilo."
"Du willst sie hier verbrennen? Das ist keine gute Idee. Das riecht jeder."
"Ich dachte an Kochen."
"Du willst sie kochen?"
"Nun, zuerst. Wenn man ein Huhn zu lange kocht, dann bleiben auch nur die Knochen übrig. Und die könnte man dann unauffällig in einem der Beinhäuser der Stadt unterbringen. Der Friedhof der geringeren Götter hat eins. Ich wette, andere Tempel haben auch welche." Er richtete sich auf und musterte seinen Umhang. "Mit ein, zwei Gängen könnte man die jeweils bequem und unauffällig beiseite schaffen."
"Und was machst du mit der Suppe?"
Der Schamane deutete mit einem bedauernden Achselzucken auf den Ausguss.
"Was ist mit den Haaren? Die zerkochen nicht - sonst würdet ihr nicht andauernd über Haare im Essen klagen."
Pismire schniefte missbilligend. "Ich finde, dass du ein wenig zu eifrig nach einem Haar in der Suppe suchst, Huitztli."
"Wenn die Haare bleiben", fuhr der Wasserspeier ungerührt fort, "dann verstopft der Ausguss und dann riecht das übel, und das Problem beginnt von neuem. Nur dass wir dann auf einer Menge Klärschlamm hocken."
"Das käme auf einen Versuch an."
"Ihr wollt was? Den großen Suppentopf vierundzwanzig Stunden mit Beschlag belegen und mir in meiner eigenen Küche verbieten, auch nur den Deckel zu lüften?" Frau Piepenstengel stemmte die Arme in die Hüften und schob mit der Zungenspitze den Zigarettenstummel im Mund von links nach rechts. "Und was bitte wollt ihr mit dem Topf anfangen?"
"Wir benötigen ihn für ein Experiment ..." Weiter kam der Oberleutnant nicht.
"Ihr seid wohl von allen guten Geistern verlassen!? Ihr wagt es,
meine Küchengeräte für euer schmutziges Geschäft missbrauchen zu wollen? Reicht es nicht, dass meine Küche nach euren vermaledeiten Sachen stinkt? Und was wollt ihr überhaupt kochen?" Misstrauen flammte jäh in ihr auf.
"Madam Piepenstengel, wir wollen lediglich - äh, nun, ..."
"Es würde den Gestank vermutlich langfristig beseitigen", warf Huitzli ein.
"Oh nein. Ich will gar nicht wissen, was ihr damit vorhabt. Und jetzt raus aus meiner Küche, ihr ... ihr ... Leichenschänder!"
Der Donnerstag dämmerte herauf, als Pismire den Wein geleert hatte und beinahe einschlief. Noch immer saßen die beiden in der Pathologie und besprachen ihr Problem.
"Und ich bleibe dabei: du hättest vielleicht nicht sagen sollen, dass dann mal mehr Fleisch in ihren Töpfen wäre als sonst", bemerkte der Hauptgefreite. "Ich befürchte, dass bringt die Leute nur dazu, Fragen zu stellen. Und ich glaube auch nicht, dass die Trolle in der Wache von mehr traditionellen Speisen begeistert wären. Das war nicht sehr taktvoll", fügte er hinzu.
"Ja, vermutlich hast du recht", brummte der alte Mann. "Falls ich dich oder sonstwen damit gekränkt habe, tut es mir Leid. Und ja, ich weiß, dass es ungeschickt war, so laut zu brüllen, weil jetzt jeder weiß, dass wir da ein klitzekleines Hygieneproblem haben. Also gut - wir können die Leichen nicht an die Rekruten verfüttern. A pro pos: verfüttern." Ein irres Glitzern erschien in seinen Augen. "Was hältst du von einem Haustier, Huitzli?"
"Äh, Pismire, du willst doch nicht wirklich ein Tier im Keller haben, dass die Menge von vier Menschen in einer Woche bewältigt? Was, wenn wir irgendwann einmal nicht genug zu essen haben?"
"Ich glaube, wir brauchen fachlichen Rat, Huitztli. Wie wäre es, wenn wir uns ein wenig aufs Ohr hauen und dann morgen - ich meine später - der Gilde der Ornithologen und Ornithographen einen Besuch abstatten."
"Was ist das für eine Gilde?", fragte der Wasserspeier neugierig.
"Oh, sie beschäftigen sich mit Vögeln", meinte Pismire.
"In einer Gilde?"
"Schlaf, Huitztli."
Laiza HarmonieKühle Luft schlug auf Laizas hitzigen Wangen nieder und gleichzeitig kroch der Geruch ungewaschener Körper und deren Ausscheidungen beißend in ihre Nase. Im dämmrigen Licht der wenigen Öllampen folgte sie dem Gang, der zu den und an den Zellen vorbei führte. Der wachhabende Rekrut hatte die Füße auf einen Hocker gelegt und den Helm ins Gesicht gezogen. Regelmäßige sanfte Atemzüge zeugten von einem wohligen Schlaf, der nur ab und an von einem herzhaften Schnarcher unterbrochen wurde.
Jene Insassen, die nicht auf ihrer Pritsche dahin vegetierten, standen an den Zellentüren und versuchten Laiza zu ergreifen. Monoton erzählten sie von ihrer jeweiligen Unschuld, verfluchten die Wache und den Patrizier. Laiza hielt den nötigen Abstand zu den Zellentüren, ignorierte das Gefasel der Insassen und folgte dem Verlauf des Ganges nach links, der direkt auf das Büro der Gerichtsmediziner zusteuerte.
Laiza klopfte an die Bürotür, wartete allerdings keine Reaktion aus dem Inneren des Raumes ab.
Die zwei großen Schreibtische, die sonst mit Papieren und Büchern überhäuft waren, zeigten einige große Stapel an den Seiten und boten somit eine Fläche an, die aktuell als Schlafplatz zweckentfremdet wurde.
Laiza seufzt.
Obwohl die Tür zur Pathologie geschlossen war, erfüllte der süßlich beißende Geruch des Todes das Büro und vermischte sich mit den Ausdünstungen und Hinterlassenschaften aus dem Zellentrakt. Einen Moment lang sammelte sich Laiza, bevor sie ein kleines Fläschchen mit Thymianöl aus ihrer Rocktasche hervor holte, entkorkte und unter die Nase hielt. Dann trat sie ein und schloss schwungvoll die Tür.
Der laute Knall riss die beiden Gerichtsmediziner sofort aus ihrem Schlaf.
"Man könnte meinen, ihr hättet die letzten Nächte schlecht geschlafen?"
Die beiden kletterten von ihrem provisorischen Lager herunter. Pismire glättete seine Kleidung, während Huitztli nervös einige Stapel auf seinem Schreibtisch verteilte.
"Ach, wir müssen halt viel arbeiten, jetzt wo Ava im Urlaub ist", entgegnete Pismire gelassen.
"Am Dienstag hieß es noch, dass ihr nicht überlastet seid und alles bestens läuft", stichelte die Abteilungsleiterin.
"Ja,
Dienstag und heute, da liegt halt ein bisschen Zeit dazwischen, da ändern sich nun mal die Dinge."
"Ich hoffe, es hat sich was zum Guten geändert", meinte Laiza und hielt fortwährend das Thymianöl unter ihre Nase. "Ich dachte ja an einen Zwischenbericht ..."
"Du hättest heute noch einen Statusbericht erhalten, du bist nur zu ungeduldig."
"Bei Eintopf a la Pathologie werde ich nun mal ungeduldig!" entgegnete Laiza dem Oberleutnant gereizt.
"Die Leichen sind immer noch da", platzte Huitztli hervor und fing sich einen bösen Blick von Pismire ein.
"Werden die Leichen gar nicht mehr abgeholt?"
"Naja, jene mit Verwandten, die sich um eine Beerdigung mühen, aber die sind nicht unser Problem."
"Aber die übrigen Leichen werden doch sonst auch abgeholt, das war doch sonst nie ein Problem."
"Ich untersuche Leichen und schreibe gezwungenermaßen die Berichte und über den Rest habe ich mir schon lange keine Gedanken mehr gemacht. Ich bin ja auch schon lange nicht mehr Abteilungsleiter von Suchen und Sichern."
Den Seitenhieb kommentierte Laiza mit einem grummeligen Schnaufen.
"Als ich Stellvertreterin war, wurden die überschüssigen Leichen regelmäßig vom Totengräber eines Friedhofes außerhalb der Stadtmauern abgeholt, dafür bekamen Sie einen kleinen Obolus. Wenn ich mich nicht irre handelt es sich dabei um den Friedhof der unbekannten Seelen, aber da müsste ich noch mal in den Unterlagen nach schauen. Ich wüsste nicht, dass diese Vereinbarung abgebrochen wurde."
"Mhh, vielleicht weiß Ava da mehr drüber, ich meine sie hätte sich nach Jacks Abgang um so etwas gekümmert, oder weißt du was Huitztli?"
Der Wasserspeier überlegte, schüttelte dann aber den Kopf.
"Abgesehen von den Leichen", begann Laiza, wurde aber vom Oberleutnant unterbrochen:
"Ich dachte, es geht um die Leichen?"
"Jaein ... es geht darum, dass dieser Raum", sie deutete auf die geschlossene Tür zur Pathologie, "ein dreckiges Loch ist. Wann habt ihr dort das letzte Mal geschrubbt?"
"Wenn es regnet, dann lassen wir den Fahrstuhl herab und klappen den Deckel zur Seite. Nachdem Schauer wischen wir das restliche Wasser zum Ausguss", erklärte Huitztli die allgemeine Vorgehensweise.
"Es hat seit WOCHEN nicht geregnet! Und selbst wenn, das ist doch keine ausreichende Maßnahme!"
Die zwei Pathologen schwiegen.
"Die ganzen Proben, die ihr aus dem Labor zurück bekommt, die landen bei euch in der Ecke und die ganzen Sachen die beim Sezieren danebengehen oder
auslaufen - das muss doch weggemacht werden."
"Wenn die Proben zurück kommen, bevor die Leichen abgeholt werden, dann stecken wir das zurück. Aber Verwandte können echt drängeln, wenn es ums Erbe geht. Und wir können nicht immer alles in andere Körper stopfen", meinte Huitztli, "Das passt schon von mancher Statur einfach nicht."
"Ist wie Tetris - ein verflixtes Puzzelspiel aus Vierx", warf Pismire ein und hielt Laiza vor Augen: "Und du hast selbst gesagt, dass wir das nicht auf den Misthaufen geben dürfen."
"Die Pathologie muss
regelmäßig gründlich gereinigt werden. Und genau das werdet ihr jetzt tun, putzt diesen Raum mit Veilchenwasser! Und lasst euch etwas für die ...
Reste einfallen! Die gehören nicht auf den Misthaufen, aber das heißt nicht, dass sie bei euch wieder zum Leben erweckt werden müssen!" schimpfte Laiza, "und findet heraus, wieso die Leichen nicht mehr abgeholt werden!"
Ohne den beiden noch Zeit zu lassen etwas zu erwidern, riss Laiza die Tür auf und verschwand Richtung Zellentrakt.
Huitztli Pochtli"Ich...", sinnierte Huitztli, "Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir der Anweisung von Frau Oberfeldwebel ausreichend Genüge getan haben."
Er blickte Pismire offen an. Pismire hob eine Augenbraue und verstand überhaupt nichts.
"Wie meinst du das?"
"Na, wie sie sagte: wir nehmen während einer Obduktion viele Körper auseinander und wir nehmen es hin und wieder nicht so genau, wenn es darum geht, die Sachen wieder zurück zu tun."
Pismire blickte noch immer verständnislos.
"Wir müssen uns, was das
Zurücktun anbelangt, nur etwas mehr Mühe geben."
Er machte pantomimisch vor, was er meinte, und warf Pismire dabei ein irritierendes Augenklimpern zu, das wohl unschuldig wirken sollte, doch statt dessen wie das Flackern des Irrsinns eines Massenmörders aussah: Eine Hand hielt eine imaginäre Bauchdecke offen, während die andere ebenso imaginäre Dinge aus einer Schale nahm und in die unsichtbare Bauchhöhle stopfte. Züge des Erkennens brachen sich in Pismires Gesicht bahn.
"Meinst du wirklich, das bekommen wir hin? Ich meine: Das wird doch sicher nicht unbemerkt bleiben."
"Ach was.", winkte der Wasserspeier ab, "Ich habe mir das schon genau überlegt: Wir wenden doch ohnehin das bewährte RAR-Verfahren an."
"RAR?", fragte Pismire dumpf.
"Ja, du weißt schon:
Rein Alles Rein. Wir müssen uns, was das Ergebnis anbelangt einfach nur steigern", grinste ihn das dunkle Marmorwesen an.
Befürchtungen keimten in ihm, der Wasserspeier könnte vielleicht über das Ziel hinausschießen und die Sache mit ihm durchgehen.
"Aber die Leute werden das doch bemerken, wenn ihre Verwandten plötzlich so ... so ...", brach Pismire etwas sprachlos ab. Er blähte die Backen und hielt die Arme in einem Halbrund auseinander, um zu zeigen, was er meinte.
"Ach, bei dem warmen Wetter? Wir könnten behaupten, es läge an Leichengasen, die die Leiber so aufblähen. Immerhin holen die Leute ihre Verwandten nicht gerade pünktlich ab."
Einen halben Tag später, waren vier Fächer geleert und ein paar Leichen hatten den Beweis erbracht, dass man selbst nach dem Tode noch an Gewicht zulegen konnte.
Am Nachmittag klopfte es zaghaft und dann fester an der Tür. Rekrut Ragnar Feuerbart steckte den Kopf herein und wedelte mit einem Abholschein.
"Herr und Frau Sockendicht sind da. Sie wollen ihre Tante abholen, ein Fräulein ...", er blickte kurz auf den Zettel, "Prüda Berührungslos."
Pismire winkte herein und kurze Zeit später starrten zwei deutlich mitgenommene Verwandte auf den sichtlich aufgeblähten Leib ihrer verblichenen Tante.
Der Mann setzte zum Sprechen an und brach dann ab. Ein weiteres Mal hob er an, deutete auf den Körper und öffnete und schloss den Mund, wie ein Fisch im Aquarium. Schließlich rang er sich zu einer Äußerung durch.
"Aber ... warum ist sie so dick? Zeit ihres Lebens war Prüdalein gertenschlank, wie eine Zeder."
Es entstand ein kurzer Moment der Sprachlosigkeit.
"Schwanger!", platzte Huitztli heraus.
"Ge... genau!", pflichtete ihm Pismire bei, "Schwanger. Im ... äh ... ", er warf noch einen schnellen Blick auf die Leiche, "siebten Monat."
"Schwanger?", sagte das Paar wie aus einem Munde.
Die beiden nickten eifrig. Huitztli demonstrierte seinen Bauch und machte eine Armbewegung, um die runde Bauchkugel anzudeuten. Dabei lächelte er unschuldig.
"Schwanger", wiederholte der Mann halblaut. "Wollen sie uns auf den Arm nehmen? Tante Prüda war achtzig Jahre alt!"
"Ein ... nun ... Wunder der Natur. Ja, ein Wunder", versuchte Pismire eine Erklärung.
"Wunder", echote Huitztli.
"So was kann schon mal vorkommen. Ja wirklich. Es ist zwar äußerst selten, aber es kann vorkommen!", fuhr der Oberleutnant fort.
"Ich weiß wirklich nicht, wann Tante Prüda in die Lage gekommen sein sollte, männlichen ..."
"Nun, verstehen Sie uns nicht falsch. Wir bei der Wache richten nicht über den Lebenswandel unserer ... Kunden. Wenn sie zu uns kommen, sind sie alle gleich", bemühte sich Pismire.
"Ja, sie sind alle tot", unterstütze Huitztli beflissen, "Die meisten jedenfalls. Manche wachen wieder auf beziehungsweise erkennen, dass sie Zombies geworden sind. Dann gibt es immer Diskussionen, wie
Das ist nicht meine Leber! Meine Leber war größer und außerdem hatte sie nicht so eine ungesunde Farbe und sowieso ..."
Ein beherzter Tritt beendete Huitztlis Geplapper.
Die Augen des Paares hatten sich geweitet, und der Entsetzenspegel war sprunghaft angestiegen. Hastig ergriff der Mann den dargebotenen Stift und kritzelte seine Unterschrift auf das Formular auf dem Klemmbrett. Nur Sekundenbruchteile später klappte die Tür zu und es kehrte wieder Ruhe in die Sektion ein.
"Puuh, das war knapp", sagte Huitztli.
Pismire nickte langsam und starrte dabei immer noch auf die Tür.
"Was, wenn sie nach einem von denen gefragt hätten, die wir auf die da verteilt haben?", überlegte der Wasserspeier fröhlich und wies auf die Kühlfächer, "Dann säßen wir jetzt ganz schön in der Klemme, was?"
Laiza HarmonieLaizas Gesicht war puterrot und zwang sich krampfhaft zu einem freundlichen Gesichtsausdruck. Die hitzige Gesichtsfarbe verursachte eine Mischung aus abgrundtiefer Scham, Hilflosigkeit und aufbrodelnder Wut.
Vor ihrem Schreibtisch spiegelten sich die Gefühle auf dem Besucherstühlen wieder. Thädeus Sockendicht kochte vor Wut und hatte bei seinen Ausführungen kein freundliches Wort verwendet. Seine Frau hockte wie ein Säckchen Elend schluchzend neben ihm und hatte ihr Stofftaschentuch schon komplett durchtränkt.
"Das ist eine
SCHANDTAT. Und eigentlich sollte ich nicht hier in
ihrem Büro sitzen, sondern direkt dem Kommandeur von dieser Unzulänglichkeit berichten!"
Laiza spürte einen imaginären Strick um ihren Hals, wenn sie nur daran dachte, was gewesen wäre, wenn Araghast zufälligerweise nicht den Rest des Tages auswärts der Wache verbrachte.
"Ich verspreche Ihnen, dass ich mich um diese Sache kümmere und dass unseren Mitarbeiter dafür belangt werden!" Einige bruchstückhafte Bilder sprangen hier durch den Kopf, die mit überwaldianischen Foltermethoden zu tun hatten.
"Das wollen wir doch hoffen! Das Antlitz unserer Tante wurde besudelt! Das lassen wir nicht auf uns sitzen!" Herr Sockendicht stand auf und zog seine Frau mit hoch vom Stuhl. "Und das hier ist die Rechnung vom Medicus, der das Ganze für uns aufgeklärt hat!"
Der Oberfeldwebel nahm die Quittung entgegen und schluckte einen Kommentar herunter, als sie den Betrag erblickte.
8 Dollar für eine Obduktion und 5 Dollar nur für die zwei Ikonographien?Laiza räusperte sich: "Sie werden das Geld natürlich zurückerhalten."
"Das will ich auch hoffen! Sie wissen wo wir wohnen, kümmern Sie sich SCHNELL darum!"
Damit verschwand das Ehepaar aus dem Büro der Abteilungsleiterin. Laiza stand ebenfalls auf und lief unruhig in ihrem Eckbüro herum.
Diese Scharlatane! Wie konnte sie nur! Egal was für eine Erklärung die zwei dafür hatten,
das konnte sie Bregs nun wirklich nicht vorenthalten. Wenn es letztendlich heraus käme - und sie war sich sicher, dass dies geschehen würde - dann riskierte sie ihren Job.
Immer noch rot vor Wut begab sie sich in die Kantine zu Mamsell Piepenstengel. Die Herrin über den Raum mit dem Putzzubehör war weniger erfreut darüber bei der Arbeit gestört zu werden. Auch Laiza konnte darauf verzichten hinter die Kulissen der Wachhausküche zu blicken. Pit Püreh nieste herzhaft in die Suppe, während er ihren undefinierbaren Inhalt umrührte und schenkte Laiza daraufhin ein Lächeln, dass er wohl als verführerisch einstufen würde. Damit der Oberfeldwebel schnellstens wieder die Küche verließ, händigte die Köchin hier den Schlüssel zum Kellerraum 002 aus, nicht ohne noch einige Drohungen hinterher zu schieben, falls der Schlüssel nicht schnellstens wieder bei ihr landen würde.
Mit zwei Eimern, zwei Schrubbern und einer Flasche
Magister Propp - Glanz und Klar Veilchen Schmierseife stattete sie dem Büro der Gerichtsmediziner einen weiteren Besuch ab.
Der Wasserspeier hatte sich in der aktuellen
Times vertieft, während Pismire scheinbar einen Mittagsschlaf hielt, denn sein Kinn war verdächtig tief auf seine Brust gesunken, während er am Schreibtisch saß.
"Was um Himmelswillen bildet ihr euch eigentlich ein?!" keifte Laiza drauflos, wodurch beide erschrocken hochfuhren. Sie stellte die Putzutensilien in den Raum. "Frau und Herr Sockendicht waren vorhin bei mir. Ihr habt ihre Tante mit fremden Innereien wie eine Festtagsgans ausgestopft und behauptet sie wäre SCHWANGER!"
"Äh...", antworteten beide.
"Das wird KONSEQUENZEN HABEN! Der Kommandeur wird davon erfahren! Wenn nicht von mir, dann von den Sockendichts! Und jetzt bringt endlich diese VERDAMMTE PATHOLOGIE AUF VORDERMANN!" Wie ein wilder Stier ließ Laiza die zwei Pathologen stehen, zu wütend um noch ihre Bürotür zuzuknallen.
Pismire"Ich hätte nicht auf dich hören dürfen", zeterte Pismire los, kaum dass der Oberfeldwebel außer Hörweite geraten war. "Ich hätte dich hindern sollen - vielmehr uns", fügte er in einem seltenen Anfall von Selbstkritik hinzu. "Was für eine absurde, absolut abartige Idee - deine RAR-Methode. Das mag bei einzelnen Organen oder Körperteilen funktionieren - wobei ich zugeben muss, dass sowohl Oberschenkel als auch Kopf schon einen überdurchschnittlichen Körper benötigen - aber doch nicht bei", hilflos fuchtelte er im Raum herum, "diesen Mengen! Wir brauchen eine Gesamtlösung. Etwas, was unsere Probleme nachhaltig löst." Er geriet kurz ins Grübeln. "Genau! Nachhaltigkeit: das ist das Stichwort. Auf die Lösungen der Natur vertrauen. Ich hätte gleich meiner Intuition folgen sollen."
"Auf eines kannst du gewiss vertrauen - die Zeit läuft uns davon", warf der Wasserspeier ein, "und zwar im Sturmschritt. Wir haben Freitag. Am Wochenende sollte der Raum tipptopp sein, sogar von Veilchenduft war da die Rede. Oder es gibt Eintopf für alle."
"Ja, deswegen heißt es nun auch: getrennt marschieren - vereint schlagen!"
"Hä?"
"Ganz einfach:
Du beginnst schon mal mit dem Putzen und
ich kümmere mich um unser kleines", Pismire deutete Anführungsstriche in der Luft an "
'Lagerungsproblem'. Und um genügend Nachschub bei den Putzmitteln."
"Klar", grummelte Huitzli vor sich hin, "Ankh-Morpork findet die Superputze ..."
"Wir können auch tauschen", meinte Pismire anscheinend gleichmütig, "ich bin da leidenschaftslos - lass uns am besten eine Münze werfen." Und mit diesen Worten zog er das genannte Objekt aus einer seiner Taschen, warf es hoch in die Luft und fing es mit einem magischen Feld, das er zwischen seinen Händen bildete, in der Luft auf, wo es schnell um den eigenen Mittelpunkt rotierte. "Patrizier oder Nilpferd?"
"Patrizier."
Mit einem leisen Plopp verschwand das Feld und die Münze fiel abrupt zu Boden, rotierte noch eine kleine Weile und blieb dann liegen. Deutlich war das Nilpferd zu sehen.
"Mist", brummte der Wasserspeier und griff zu Magister Propp. "Ich wusste gar nicht, dass du sowas", wage deutete er auf die Luft vor dem Schamanen, "kannst. Ich dachte auch", fügte er hinzu und ließ seinen Blick misstrauisch über seinen Kollegen gleiten, "dass ein Zauberer einen Stab benötigt?"
"Tja, ich bin aber kein Zauberer, ich bin ein Schamane." Und in Gedanken merkte sein schlechtes Gewissen an:
"Und ein Schwindler dazu!"Während der Oberleutnant ging, wohin er schon am Donnerstag - vor dem Desaster mit der schwangeren Jungfrau - seine Schritte hatte lenken wollen, begann der Hauptgefreite misslaunig, den zum Teil zentimeterdicken Schmier aus den Ecken zu spachteln.
"Hoffentlich denkt er an das Putzmittel", dachte Huitztli bei sich, der angesichts der Zähigkeit, mit der der Dreck auf dem Boden und an den Wänden klebte, gezwungen war, recht üppig zu dosieren. Veilchenduft breitete sich langsam um ihn aus. Eine halbe Stunde später, als Huitztli der Wand erkennen konnte, dass sie keineswegs das von ihm immer so geschätzte Blut-und Eingeweidemuster hatte sondern schlicht und langweilig weiß war, klopfte ein Botenjunge und brachte weitere Flaschen von Magister Propp - Pismire hatte vorsichtshalber einen Großeinkauf (
"Beim Kauf von zehn Flaschen gibt es zwei gratis!") getätigt.
Die Aktivitäten des Wasserspeiers kommentierte das Bürschchen, während es sich feixend in dem Raum umschaute, mit einem anerkennenden Pfiff und dem Spruch: "Mann, Mann, Mann, das sieht nach tagelanger harter Arbeit aus. Und immer schön im Rhythmus bleiben."
"Du kannst ja helfen", fauchte der Pathologe entnervt zurück.
"Klar doch - wenn was dabei rausspringt!?"
"Kannst du das überhaupt?"
"Da kennst du meine Mutter nicht. Ich bin gut im Training. Wie viel also?"
"Ein Dollar?"
"Gebongt, Mann."
Das rhythmische Schaben verdoppelte sich.
"Hörst du das auch?", fragte Rekrut Wanderdüne die neben ihm stehende Ausbildungsleiterin.
Nach einem Moment des Lauschens nickte der Feldwebel: "Daff kommt auf den Fellen. Klingt faft wie ein Aufftand. Wen haben wir den heute Nacht einkaffiert?", sprach's und griff nach dem ausliegenden Protokoll. "Mift. Daff klingt wie eine halbe Fifffbefatfung. Feeleute machen immer Ärger."
"Aber die sollten doch keine Probleme machen. Ich meine: Die Zellengitter sind aus Eisen. Und das Feenvolk hat damit bekanntermaßen Probleme."
"Feeleute, nicht Feen!"
"Ach, äh, du meinst
Seeleute!?"
"Genau. Und die hier machen offenfichtlich Probleme. Geh mal runter und fieh nach, waff daff Problem ist."
"Wir haben was!?"
"Einen Aufftand, För. Die Fellenbelegfaft der Aufnüchterungsfellen, bei denen es sich um eine halbe Fiffsbefatzung handelt, die geftern Nacht in einer Näherei randaliert hat und von der anwefenden Ftreife ficherheitshalber mitgenommen ..." Rogi stoppte den Satz, als sie das nervöse Abwinken des Kommandeurs bemerkte. "Wie auch immer, fie revoltieren, weil die Gerichtfmedifiner angeblich eine wüfte Orgie in der Pathologie feiern. Mit", ein Blick auf das Klemmbrett kennzeichnete das Folgende als Zitat: "
Luftknaben, die nach billigem Veilchenparfüm ftinken, daff einem der Fädel brummt, und dabei find fie fo laut, daff ein anftändiger Menf hier kein Auge futun kann - bei dem ganfen Gebumfe und Gequitfe. Fitat Ende."
"Und?" Der Blick des Kommandeurs glitt über die nicht wirklich propere Gestalt des Rekruten, was diesen zu einer Antwort nötigte.
"Den Veilchengeruch kann ich bestätigen, Fö..., äh, Sör. Und aus der Pathologie dringt eindeutig ein deutlich vernehmbares - äh - rhythmisches Geräusch."
"Und?"
"Erbitte Anfeisung, wie wir verfahren follen, För."
Ein Seufzen. Lange Beine schwangen vom Tisch. "Ich schaue mir das mal besser selber an."
"Und waff lehrt unf daf? Es lehrt unf, daff Indifien unf in die Irre führen können - man kann nicht immer den eigenen Finnesforganen trauen."
"Äh, genau. Und dass das Leben auf See verdammt hart sein muss, wenn man den Geruch von
Magister Propp - Veilchenduft extra für das erlesene Parfüm von Lustknaben oder Näherinnen hält."
"Auch daf, Rekrut. Wenigftenf find die Aufnüchterungffellen wieder frei."
"Und die Nährinnengilde kann sich auf einen spannenden Nachmittag ..." Rekrut Wanderdüne beschloss, den Gedankengang nicht weiter zu verfolgen. "Haben die wirklich
"Leggadiggerumnuddntiddnfiggn" gebrüllt, als sie aus dem Wachhaus gestürmt sind?"
"Wer kann daf fon mit Ficherheit fagen!? Bedenke, waf wir heute über die Vertrauenfwürdigkeit der eigenen Ohren gelernt haben."
"Der's dicht."
"So wie du, Freundchen" dachte Pismire bei sich, indem er die Schnapsfahne seines Gegenübers, dessen trüben Blick, die verwaschene Aussprache und das krampfhafte Bemühen gerade zu stehen registrierte. Eine mühsame Herumfragerei in der Stadt hatte ihn schließlich zum Friedhof der unbekannten Seelen, den seine Informanten mehrheitlich in der Nähe es Deosiltors vermutete hatten, und seinem derzeitigen Besitzer - womit wir wieder bei dem schwankenden Individuum wären - geführt. Vor einer heruntergekommenen Hütte in einem verwahrlosten Vorgarten hatte er schließlich den gesuchten Mann auf einer Bank sitzend gefunden.
"Mein Onkel hadden gehabt - und wo wie als der dann gestor'm is', hab ich dem ganzen Unfug ein Ende bereitet. Friedhof - so'n Scheiß! Bauland, dassises wasses bringt, Kumpel. Parsellierung un Vermiedung." So viele schwere Worte ließen ihn vor Anstrengung schnauben. Leutselig näherte sich Gerult Bofinger - so sein Name - dem Oberleutnant, der sich neben ihn gesetzt hatte, und packte Zustimmung und Stütze heischend auf dessen Schulter herum, während sein anderer Arm schwankend herumzeigte.
Pismires Blick glitt über das halbe Dutzend schäbiger Hütten, auf die die Geste vage deutete.
"Alles ssippssopp sanierder Neubau in bessder Lage. Die wur'n unss quisi-quasi auss'n Hänn' gerissen, als da wo die feddich war'n. Lehmslängliche Miedeinnam'm. Niewieda malloch'n, Kump'l. Unni Gärd'n, ein Traum. Das wächs - hähähä - wie, wie, du weiß schon, wie, nä?"
Bofinger genehmigte sich noch einen weiteren Schluck aus der Flasche, die ihren Inhalt der emsigen Arbeit der Brauerei Bärdrücker und ihren rapide fallenden Pegel dem Freizeitverhalten ihres Besitzers verdankte.
Auf die Frage, ob er einen anderen Friedhof kenne, bei dem eine preiswerte und prompte Beerdigung möglich sei, erntete der Oberleutnant ein heiseres Gelächter: "Machßu Wizze? Hi-äh? In'nieser Geg'nd? Issoch vießu teuer. Weißu, Kumpel", und mit Verschwörermiene rückte er Pismire noch mehr auf die Pelle und senkte die Stimme: "ich geb dir'n koßenlosn Tipp, weil'lu mir gefällß. Machsoch wie alle annan: Du ruff'ßie Wache, die komm, holn'nen Oppa'ab, weggissa, unnu bißas Pro-hick-lem los. Funzoniert imma unn üba-all."
"Ah-ja. Weg ist er. Funktioniert immer und überall. Soso." Das missbilligende Schweigen schien Bofinger nicht zu stören. Summend streckte er sich auf der Bank aus und nahm einen weiteren Schluck.
Pismire befand das es Zeit war zu gehen. "Äh, ja, danke für den Tipp."
Vorsichtig zupfte Pismire sich den Trunkenbold vom Revers und erhob sich. Hoffentlich würde sein nächster Gang erfolgreicher sein.
"Und dann bitte hier noch unterschreiben." Der grellorange lackierte und krallenhaft zugespitzte Fingernagel von Madame Molchkinn glitt auf die allerletzte Zeile des letzten Blattes von neun eng gravierten Zetteln, die nur noch aus einer dünnen Linie bestand.
Pismires müder Blick überflog den Text. Gerade als er seine Unterschrift unter die Klauseln setzen wollte, hakte sich sein Blick bei dem Wort "
Bel Sham'haroth" ein. Seine Augen huschten rückwärts über die davor liegenden Zeilen.
"Ich soll
wofür bürgen!? Bei einer Beschädigung des Kostüms ... blablabla ... auch im Falle einer kerkerdimensionalen Unstimmigkeit ... blablabla ... verpflichtet sich, zusätzlich zu den geleisteten Ausleihgebühren den Neuwert sowie die fälligen Bearbeitungs- und Vandalismusgebühren - mindestens aber 15 AM$ - zu ersetzen? Der ganze Plunder hier ist doch keine zwei Dollar wert!"
"Niemand zwingt dich, dir das auszuleihen, Schätzchen.
DU brauchst ein Kostüm - ich
habe ein Kostüm. Das hier ist eine freie Stadt - wie man so sagt, Schätzchen."
"Ich bin nicht dein Schätzchen, du, du", fauchte der alte Mann wütend und brach dann ab, weil ihm die Worte fehlten.
"Du ... liebenswerte Kostümverleiherin?", schlug Madame Molchkinn breit grinsend vor.
"Uns rennt die Zeit davon", dachte der Pathologe bei sich.
"Die Stunde steht, der Zeiger fällt um Mitternacht" - "Na prima: Innerer Dialog mit lyrischen Sentenzen." - "Ich bin eindeutig übermüdet. Stresssymptome. Wenn das hier vorbei ist, dann suche ich mir einen ruhigen Tisch und nehme eine Mütze voll Schlaf." - "Such dir lieber einen ruhigen Job." - "Auch eine Option.".
"Also gut, ich nehme es."
"Drei Dollar."
"Kann ich mich hier irgendwo umziehen?"
"Das macht dann 50 Cent extra für die Benutzung der Umkleide und weitere 50 Cent Lagerungsgebühren für deine Sachen. Und wenn du das sagst, was du gerade denkst, dann zahlst du nochmal 10 Cent extra in die
Schimpfwort- und Inhaberinnenverleumdungskasse." Es gab Tage, da liebte Madame Molchkinn ihren Kostümverleih richtig. Und dies war so ein Tag.
Eine halbe Stunde späte erreichte ein seltsam gekleideter Mann, dem ein johlendes Rudel von Straßengören folgte, die
Gilde der Ornithologen, Ornithographen und Ornithometer. Ihr Gebäude befand sich am Entenplatz, dem Marktplatz von Grausensen, einem ehemaligen Dorf, das seit langen Jahren in der Stadt aufgegangen war aber dennoch einige Eigenheiten bewahrt hatte. Pismire hatte dort anlässlich eines Mordes an einem Markthändler zeitweilig häufiger zu tun gehabt.
[2] Über dem Eingangsportal der Gilde prangte ihr Wappen: Eine Dreiköpfige Mittlandgans über der drei im Dreieck angeordnete, goldene "O"s schwebten.
Seit dem oben genannten Anlass war Pismire auch die Geschichte der Gilde, deren Existenz noch nicht allzu alt war, geläufig - allerdings hätte er sich nie träumen lassen, dass er genau
ihre Dienste eines Tage würde gebrauchen können. Beim größten Teil ihrer Mitglieder handelte es sich um jeweils eine aus internen Gründen abgespaltene Fraktionen sowohl der
Wappenmalergilde als auch der
Gilde der Taxidermisten und anderen Ausstopfer (die sich für die RAR-Methode sicherlich hätte begeistern lassen können) sowie um einige versprengte Renegaten der
Gesellschaft für Zoologie (mittwärts), beim Rest handelte es sich um Abspaltungen der
Vögel-Liebhaber-Gilde - die Gründe für die Abspaltung waren zwar in einschlägigen Kreisen lebhaft diskutiert, aber nie von den beteiligten Stellen bestätigt oder dementiert worden. Geleitet wurde sie mittlerweile von der ehrenwerten Lady Hattie Holly, nun: Tachyerii, die vor ihrer spektakulären Heirat mit dem letzten Spross der adligen Familie Tachyerii als Bardame im KrullZ
[3] gearbeitet hatte. Doch diese Zeiten lagen lange hinter ihr, wofür sie ihrem verstorbenen Mann posthum immer noch recht dankbar war. Seit ihrem Wittum hatte sich Hattie Holly - Lady Hattie, soviel Zeit muss sein - mittlerweile ganz den gehobenen Dingen des Lebens, die ihr Mann ihr hinterlassen hatte, gewidmet. Dazu gehörten die Teerosenzucht, der morgendliche Ausritt, der abendliche Sherrykonsum und eben auch der an eine üppige Schenkung geknüpfte lebenslängliche Ehrenvorsitz dieser Gilde, auch wenn deren Zweck ihr bis heute größtenteils im Dunkeln geblieben war. Während Erdgeschoss und Souterrain des erwähnten Hauses am Entenplatz der Gilde vorbehalten waren, residierte ihre ehemalige Barsdamenschaft in der Beletage sowie den nach hinten liegenden Seitenflügeln. Diese umschlossen einen Hof, in dem eine riesige Voliere stand, die der Gilde gehörte.
Ein erstaunlich junger und gut aussehender Butler, der sich vorab versichert hatte, ob ihre Ladyschaft auch zu empfangen gedenke, führte den Fremden in den Salon im ersten Stock.
Die Herrin des Hauses lag malerisch drapiert auf einer mit rotem Atlas bezogenen Recamiere, eine Schale mit Konfekt neben sich, eine Glas mit Champagner in der Rechten. Mit einem letzten Blick in einen über dem Kamin hängenden Spiegel überprüfte sie den Sitz ihres Negligees erneut, ordnete den Ausschnitt ein wenig tiefer an, zupfte eine widerspenstige Strähne in die angemessene Form und ließ bitten. Wie aufregend. Einem echten gennuanische Wuuduu-Priester war sie noch nie begegnet, aber in den dünnen Heften mit Romanen, die sie nachmittags gierig verschlang, spielten sie - jedenfalls dann, wenn es sich bei der Heldin um eine gennuanische Schönheit handelte - egal ob reiche Erbin oder geheimnisvollen Waise - regelmäßig eine ebenso zwielichtige wie aufregende Rolle. Ein hochgewachsener Alter folgte Pierre, leicht gestützt auf einen mannshohen, gebleichten Holzstab, dessen Spitze eine Reihe von scheinbar natürlichen Ästen bildete, in denen etwas zu erkenne war, das einem Laien wie ein Wirrwarr erscheinen mochte. An anderen Zweigen hingen exotische Dinge wie gebleichte Knochen, weiße, klappernde Tonperlen und Glassplitter. Auch der Besitzer dieses Stabes war ganz in Weiß gehalten, wie es sich gehörte. Und die Tracht war so, wie Lady Hattie schon hundertmal gelesen hatte: weiße Schnallenschuhe, eng anliegende Strümpfe, Kniebundhosen, ein Kittel, bestickt mit seltsamen Symbolen und Zeichen (den Veve), der flitterbesetzte, dreigepitzte Hut, das Jabot von feinster Spitze. Ein ebenfalls reich bestickter, weißer Umhang. Ein Amulett in Form einer tropfenförmigen Phiole schimmerte blutrot auf seiner Brust - der einzige Farbfleck in ansonsten makellosem Weiß. Auch Madame Molchkinn kannte die Romane von Alexavia Rippe, in denen diese seltsamen Babalaos, die Hohepriester des Wuuduu, vorkamen.
Mit einer komplizierten und schnörkelhaten Bewegung verneigte sich der Mann vor ihr, ergriff ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf die Handfläche.
"Isch binn entsückt die Beganntschaft von eine so auserordentlich schöne und geseggnede Frau und su machen, Lädieh Ättie", säuselte er und blickte ihr tief in die Auge. "Mit eine solsch beauté éblouissante, eine solsch blendende Schönneit wie man 'ier sagt, 'ätte isch niemals gereschnet."
"Aschantee, Müssiöh ...?"
"Nennen Sie misch Legba, Mihlädie. Einfack nur Baba Legba."
"Setzen Sie sich doch einfach, Baba Legba, und nehmen Sie sich ein Glas von dem Champagner - er ist aus Gennua. " Eine zarte weiße Hand wies auf einen schräg zur Recamiere stehenden Sessel, der mit Bedacht so platziert war, dass die liegende Person den Sitzenden gut ausgeleuchtet betrachten konnte. Auf dem Tisch vor dem Sessel fand sich eine leere Champagnerschale.
"Ssie sind ssu güdisch, Mihlädie. Werr gönnte eine derartisch verloggende Aufforderung wiederschdehen?"
"So weit - so gut, bis hierher wären wir schon mal", dachte Pismire erleichtert, ließ sich nieder und legte den Mantel ab. Pierre schenkte ein und zog sich auf ein eindeutiges Winken ihrer Ladyschaft diskret zurück.
"Was für ein amüsanter Nachmittag", dachte Hattie. Ihr Besucher erwies sich nicht nur als ein außerordentlich höflicher Mann, nein, er raspelte Süßholz wie ein Profi. Und mit der Dauer der Zeit verging sein Akzent -
"wegen die auserordentlische Froid', die die Konversaßion mit eine solsch angenehme Unter'alterin wie Ihnen, Milädie, macht" ebenso wie die Zeit im Fluge.
Langsam aber sicher tastete sich der Oberleutnant nun in Richtung der Gilde, wegen der er eigentlich hier war, vor. Allerdings erwies sich das als ausgesprochen schwierig, weil die derzeitige lebenslängliche Ehrenvorsitzenden schon nach zwei Sätzen lachend feststellt, dass es a) nicht langweiligeres gäbe, als diese blöde Gilde von müffeligen, alten Männern, die sich nur mit Vögeln beschäftigten - und dann nicht mal mit der - und überhaupt (diesen Satz ließ sie lieber unvollendet) und es b) nichts gäbe, mit dem sie sich weniger auskenne als mit besagten Vögeln. Und sie sich auch überhaupt nicht vorstellen könne, was ein so weit gereister und interessanter Mann wie Müssjöh Legba denn mit so was langweiligem wie Vögeln anfangen könne.
Und schon schob Pismire eine weitere Runde Süßholz ein und wechselte zu Themen, die die Dame mehr interessierten. Pferde gehörten dazu - mit denen Pismire sich nicht auskannte. Ziegen - mit denen Pismire sich auskannte - gehörten
nicht dazu. Es glich einem Tanz - vor, zurück, auf der Stelle drehen, ein wenig nach links, nach rechts und ein weiterer Versuch nach Vorne. Während er eigentlich auf glühenden Kohlen saß (der Eintopf des Grauens lauerte am Zeithorizont!) amüsierte er sich andererseits prächtig mit Lady Hattie, weil sie nicht nur vergnüglich plauderte sondern ebenso begnadet zuhörte. Hin und wieder tauchte Pierre auf und brachte mehr Champagner. Die Sprache kam auf Reisen. Pismire erzählte ein wenig vom achtenen Reich. Und wie aus heiterem Himmel die Frage, wie er die Reise nach Ankh Morpork gefunden habe - zumindest hatte Pismire zu Anfang den Eindruck, dass es darum ging: "Vous aves fait un bon voyage circulair par la grande Wahonie, Monsier le Menteur? - Denn das sind sie doch - ein Betrüger, ness-pa?" Das Ende des Satzes machte ihm klar, dass sein Gegenüber ihm wenigstens um eine Nasenlänge voraus war. Sie konnte Gennuanisch - er nicht. Lange musterte er ihr Gesicht. Beide schwiegen.
Dann, mit einer heiteren Geste, schenkte er erst ihr nach, dann sich.
"Auf euren wachen Verstand, Lady Hattie. Ja, ich bin kein Wuuduu-Priester. Ich bin auch kein Gennuaner." Für einen Moment war er versucht anzufügen: "Ich bin kein Betrüger sondern ein Schamane aus Ankh-Morpork", verkniff sich das aber, weil es an dieser Stelle zu absurd geklungen hätte.
"Du bist wegen einem dieser blöden Vögel hier - hab ich recht?"
"Ich wäre ein Idiot, es zu leugnen. Du hast Recht: Ich würde gerne einen Vogel aus der Gildenvoliere kaufen."
"Um welchen Vogel handelt es sich?" Lady Hattie blickte mit ausdrucksloser Miene auf den altem Mann.
"Es geht um den schlundhalsigen Glatzengeier."
"Ach du meine Güte." Sie schien erleichtert.
"Tja ..."
"Nun - warum ausgerechnet der?"
"Wie meinst du das?"
"Weißt du, in der Voliere befinden sich bezaubernde Vögel - die Unvergleichlichen zum Beispiel. Ihre Stimmen klingen melodiös wie silberne Glocken, ihr Gefieder glänzt wie der Mond am mitternächtlichen Himmel, ihre Augen haben das Blau von Saphiren, und ein Paar bleibt ein Leben lang zusammen. Nimm die Blitzfalken: keine Beute entgeht ihrem scharfen Auge, kein Vogel ist im Sturzflug schneller und sie sind klüger als Hunde - sagt man. Der Sorgentropf ist Gestalt zahlloser Legenden. Smaragdvögel haben ein Gefieder, das die Modemacher in Gold aufwiegen. Die Mürbwachtel kann mit ihrem Gesang Badewannen spalten. Und der schlundhalsigen Glatzengeier? Er frisst mehr als ein Schwein in der Mast. Für Notzeiten hat er einen zweiten - im Übrigen federlosen und hässlichen - Hals, in dem er das Futter für ein halbes Jahr speichern kann. Er hat einen kahlen Schädel, nach Käse riechende Klauen und sein restliches Gefieder ist schleimfarben. Und er ist der einzige Vogel, dessen Blähungen Kerzen verlöschen lassen können. Sein Schrei klingt wie das Blubbern von Faulschlamm, und er gilt als so dämlich, dass man ihn nicht einmal im Käfig kalten muss - er ist zu dumm zum Fliegen."
Pismire nickte, dann schenkte er ihr noch einmal ein.
"Also: was um aller geringen Götter willst du mit diesem Ekelviech?"
"Das willst du nicht wirklich wissen, Mylady. Glaub mir."
Als sie seinen ernsten Blick sah, nahm sie noch einen Schluck, warf dann den Kopf zurück und brach in schallendes Gelächter aus.
"Ach du meine Güte. Also meinetwegen. So gut habe ich mich nicht mehr amüsiert, seit Lord Selachii meinte, er könne eine ehemalige Bardame nicht zum Essen empfangen, und ich ihm eine handschriftliche Einladung seiner Frau vorzeigen konnte, die sie mir gegeben hatte, weil ich ihren Lieblingsneffen von einer Hochzeit mit einer Kuh abhalten konnte - die hatte nämlich noch ein Verhältnis mit einem Melker, und das Kalb war gar nicht von ihm - aber: egal. Weißt du was? Ich schenk' dir das Teil. Unter einer Bedingung: Du begleitest mich in
der Montur zum Jahresessen der Gilde. Deren Gesichter will ich sehen." Sie lachte wieder.
"Du meinst - ich kann ihn haben? Jetzt? Sofort?"
"Klar. Und in zwei Wochen sehen wir uns zum Essen."
"Und wenn ich nicht komme?"
"Wo ich doch weiß, dass du dir das Kostüm bei Madame Molchkinn geliehen hast? - Du solltest Kostüme so ablegen, dass man nicht die Etiketten sehen kann. Um in Verkleidung zu arbeiten brauchst du noch eine Menge Übung, glaub mir." - "Nun, wer wäre ich, dir zu widersprechen."
Es war an Pismire erleichtert zu lachen. "Also gut, euer Ladyschaft: wir haben einen Vertrag: Ich erhalte den Geier, und zum Essen der Gilde erhältst du eine angemessene Begleitung. Aber glaubst du nicht, dass ich da auch auffliege?"
"Bei denen? Und wenn - Hauptsache, der Abend wird nicht langweilig."
Laiza HarmonieEs war Freitagabend. Der letzte Dienstwechsel lag schon fast zwei Stunden zurück und im Wachhaus war es ruhig geworden. Draußen war es noch hell und warm, aber innen bemerkte man den zu Ende gehenden Sommertag und Laiza zündete die Laternen in ihrem Büro an, bevor sie sich wieder an ihren Schreibtisch setzte und die vorletzte Akte vom
Zu bearbeiten-Stapel nahm und aufschlug. Sie freute sich darüber, dass sie das Wochenende mit einem abgearbeiteten Schreibtisch begrüßen konnte und versuchte den nahenden Samstag zu ignorieren.
Seit dem vergangenen Dienstag hatte sie den Kommandeur nicht mehr zu Gesicht bekommen, lediglich eine Rohrpostnachricht von ihm war am Nachmittag eingetroffen. Bregyuar hatte einen Pathologie-Kontrollbesuch für acht Uhr angekündigt und ihr mitgeteilt, dass im Anschluss an diesen ein Gespräch über die Verfehlungen im Fall Sockendicht mit ihr und den beiden Gerichtsmediziner stattfinden würde. Laiza war froh gewesen, dass Araghast aufgrund ihrer Berichterstattung über den Vorfall Sockendicht nicht wie ein wild gewordener Stier in ihr Büro gestürmt war, dies beseitigte allerdings nicht das ungute Gefühl im Bauch, dass sie hinsichtlich des anstehenden Samstages hatte.
Ein Klopfen an ihrer Bürotür kündigte Besuch an, und nach der Aufforderung des Oberfeldwebels traten die Gerichtsmediziner Huitztli Pochtli und Pismire ein. Ein Geruch von Veilchen hing an der Schürze, die der Wasserspeier vergessen hatte in der Pathologie abzulegen.
"Wir melden gehorsam: Gefahr abgewandt!", sagte Pismire nach einer knappen Begrüßung.
"Räumlichkeiten auf Hochglanz und frischduftend?", hakte die Abteilungsleiterin nach.
"Ja, Mäm", erwiderte Huitztli.
"Das freut mich, ihr könnt euch gar nicht vorstellen,
wie mich das freut."
"Ich glaub wir sind alle sehr glücklich, dass wir dem Eintopf des Grauens entgehen konnten."
Laiza nickte noch einmal zustimmend: "Inzwischen habe ich auch heraus gefunden, dass Karl Bofinger, so der Name des Totengräbers, der bislang immer die Leichen abgeholt hat, vor etwa zwölf Wochen verstorben ist."
"Und sein beschränkter Neffe hat daraufhin kurzerhand den Friedhof der unbekannten Seelen geschlossen", fügte Pismire hinzu, "das hab ich auch herausgefunden."
"Ja, wobei da noch ein kleiner Streit zwischen dem Neffen und der Nichte besteht und die Erbrechte noch nicht ganz geklärt sind. Sie, die Nichte, möchte den Friedhof weiter erhalten. Mal sehen, was daraus wird. In der Zwischenzeit benötigen wir eine Notlösung, damit wir nicht wieder so ..."
"In Leichen versinken?" warf Pismire ein.
"Genau..."
Der Oberleutnant wedelte mit einem Schriftstück herum und überreichte es dann seiner Abteilungsleiterin. "Problem erkannt, Problem gebannt."
"Ein Genehmigungsersuch?", hakte Laiza nach einem kurzen Blick auf das Schreiben nach und konnte nicht verhindern, dass sie den Oberleutnant argwöhnisch anstarrte.
"Genau, ich dachte, ich lasse ihn erst über den Abteilungsleiter-Tisch laufen, bevor er zum Kommandeur kommt. Wegen dem besseren Eindruck, weißt du."
"Ich bin ja ganz gut bewandert in Latatianisch, aber was zum Geier ist
fauxcalvitius Vulturinius?"
"Genau das."
"Genau
was?"
"Ein ... Geier."
"Du möchtest vom Kommandeur die Genehmigung, in der Pathologie einen
Geier unterzubringen?"
"Allerdings, ich habe ihn im Zuge ... eines lukrativen Tauschgeschäftes erhalten. Er ist pflegeleicht, überwiegend handzahm und furchtbarhässlich. Und ich würde vorschlagen, wir nennen ihn
Saugi."
"
Saugi? Mal davon abgesehen, dass ich nicht weiß, wieso wir einen Geier wie ein Haustier halten sollten ... was ist das für ein Name?"
"Selbsterklärend, wenn man kurze Zeit seine Verhaltensweise studiert", meinte Pismire nur.
"Wo ist das Ding gerade?"
"Selbstverständlich in der Pathologie", antwortete Huitztli. "Ich habe auch schon ein
Achtung Geier-Schild gemalt, das können wir dann an die Tür hängen."
"Eigentlich will ich gar nicht wissen, was Breguyar über den Geier denken wird ... bei den Göttern und der soll wirklich das Übriggebliebene fressen?" Bei dem Gedanken wurde Laiza leicht grün im Gesicht. "Ihr geht es immerhin um die sterblichen Überreste von Personen, meint ihr nicht, das ist nicht etwas makaber? Was ist mit Anstand und so?"
"Ich finde, ich hab es in meinem Genehmigungsgesuch vorteilhafter formuliert, wenn du weiter gelesen hättest ...
zur Dekoration und Auffrischung der gerichtsmedizinischen Räumlichkeiten und Gerätschaften, Prävention zur Verstopfung der Kanalisation, sowie Beseitigung von überschüssigen Kantinenabfalls."
"Und im Nachsatz bittest du um wöchentliche Hilfe durch einen Rekruten zum Ausmisten des Geierplatzes?"
"Natürlich, oder siehst du einen großen Unterschied zwischen Geier und Taube? Abgesehen von der Größe an sich? Beides Vögel und Nutztiere."
Laiza seufzte. "Gut, ich leite das weiter. Morgen acht Uhr Kontrollbesuch vom Chef. Stellt sicherheitshalber noch ein paar Veilchen-Duftkerzen auf, falls das Putzzeug nicht ausreicht."
"Es wird noch mooonatelang nach Veilchen stinken!" versprach der Hauptgefreite.
"Ja, ich hab schon Kopfschmerzen davon, furchtbarer Geruch."
"Verschwindet! Ich mach jetzt Feierabend!"
Der Geier hockte auf dem heruntergefahrenen Fahrstuhl und blickte Araghast Breguyar starr ins Auge. Ein kratziges Geräusch erklang aus der Kehle des großen plumpen Vogels und er wedelte ein paar Mal mit den Flügeln, wodurch die Haut an seinem Hals schwabbelte.
"Ist der hässlich", äußerte sich Araghast schließlich nach einiger Zeit des innigen Augenkontaktes und wandte sich schlussendlich von dem Tier ab. "Woher habt ihr das?"
"Von der Gilde der Ornithologen."
"Und die Rechnung für dieses
gute Stück?", hakte der Kommandeur nach.
"Ist beglichen, Sör", antwortete Pismire und hoffte, dass ihm detaillierte Fragen erspart bleiben würden, und anscheinend schien Araghast sich für weitere Details nicht zu interessieren, denn er ließ seinen Blick schon durch die Pathologie schweifen.
"Madam Piepenstengel hat sich bei mir beschwert. Ihr habt das Putzzeug nicht aufgefüllt, und oben in der Küche stinkt es so sehr nach Veilchen, dass sie unter Kopfschmerzen leidet, wodurch wiederum die Qualität ihres Essens leidet. Sagt sie."
"Höret, höret", wisperte Laiza und fügte laut hinzu: "Der Geruch wird vergehen, spätestens durch den Montagseintopf."
"Wahrscheinlich hast du damit leider Recht", stimmt Breguyar zu. "Nun gut, ich bin soweit zufrieden mit dem Ausgang. Seid euch sicher, dass ich euch im Auge behalten werde."
"Was ist mit Saugi, Sör?" fragte der Hauptgefreite.
"Ja, der kann bleiben ... und was eure Verfehlungen bezüglich der toten alten Dame angeht ..."
Die zwei Pathologen schienen sich leicht zu verkrampfen: "Da IA momentan nicht so gut besetzt ist, habe ich mit Madame Piepenstengel eine Vereinbahrunge getroffen. Ihr dürft für vier Wochen ihre Küchensklaven sein."
Laiza hatte das Gefühl, dass der Kommandeur sich zusammen reißen musste, um nicht seine überschwenglich Freude zum Vorschein zu tragen.
"Küchensklaven?"
"Ja, ihr macht für sie Besorgungen und putzt die Küche und macht all das, was der guten Madame so einfällt."
"Ich glaube, das ist ein sehr guter Deal", flüsterte Pismire dem Wasserspeier zu, der darauf hin nickte. "Gut, wir werden Madame Piepenstengel zu Diensten sein."
Als Araghast Breguyar die Pathologie verließ und zu seinem Büro zurück kehrte, schüttelte er den Kopf. Ein weiters Puzzelteil des Irrsinns hatte sich ins Wachhaus eingeschlichen und er fragte sich, wie viele Teile noch fehlten, ehe das ganze Konstrukt komplett den Wahnsinn verfiel.
Aber der Geier ist genial, dachte er bei sich,
wieso bin ich nicht selbst auf diese Idee gekommen?
[1] Willard ist (sozusagen) der König der Ratten von Ankh-Morpork, den der damalige Gefreite Pismire kennen lernte, als er das plötzliche Verschwinden der Tauben der Wache aufklären sollte; (siehe Singlemission:
Taubenmatsch)
[2] Nun, genau genommen hatte er dort
"gar nichts" (Zitat Romulus von Grauhaar in seiner Eigenschaft als Leiter von RUM)
"zu tun gehabt". Er hatte - wie so häufig - auf eigenen Faust ermittelt und dabei den kleinen Stadtteil und einige seiner Bewohner besser (oder eigentlich: notgedrungen besser) kennengelernt - s. die Singelmisson
Des Todes Kern[3] An dieser Stelle sei ein Zitat aus den Akten erlaubt:
"Tja, direkt unmittelbar hinter dem Markt ist ein Klub, genannt "kRullZ". Dort geht es oft recht - äh - munter zu, und manchmal, wenn es zu munter wird, dann rufen die Nachbarn auch schon einmal die Wache", klärte Hauptgefreiter Bleicht den Oberleutnant auf.
"Ein Klub, in dem ein Mann mit Frauenschuhen, Federboa und Lederknebel nicht weiter auffallen würde?"
Damien G. Bleicht klappte seinen Notizblock zu. "Genau so ein Klub, Oberleutnant. Du hast es erfasst." Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
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