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[Sebulon, Sohn des Samax]
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Es war ein klarer Morgen; sonnendurchflutet, wie es in der morporkianischen Großstadt nur möglich war. Weniger sonnig war jedoch das RUM-Archiv, in dem Sebulon, Sohn von Samax, vor einem großen Kasten mit verstaubten Akten stand.
Unverständliche Flüche ausstoßend hievte er Ordner aus den Untiefen des Kastens und legte sie neben sich auf einen Tisch. Als der Kasten geleert war, was eine gewisse Zeit beanspruchte, wischte sich der Zwerg die schweiß- und dreckverschmierte Stirn mit dem Ärmel ab, ging zum Fenster und öffnete es. Dann drehte er sich mit entschlossener Miene um, nahm seinen Mantel vom Garderobenständer und begann zu fächern.
Kurz darauf hechtete der Zwerg aus dem Fenster, rollte sich ab und schnappte nach Luft. Wilder Diensteifer flammte in seinen Augen, als er sich umdrehte und in das Zimmer zurückkehrte.
Eine weitere weiße Wolke quoll aus dem Aktenlagerraum.
"Gürtel", rief eine Stimme, "äh, bist du hier irgendwo?"
Es klopfte an der Tür und die Staubwolke lichtete sich im Zimmer.
"Ich hab dich überall ... äh, was machst du denn hier?", wunderte sich Braggasch Goldwart - ein blondgelockter, stets etwas nervöser Zwerg, dessen bester Freund Sebulon war.
Anstatt einer Antwort hustete Sebulon. Beeindruckt sah sich Braggasch im Archiv um, bis der Püschologe wieder zu Atem gekommen war.
"Entstauben. Hier hat sich viel angesammelt. Manche der noch ungelösten Fälle sind sogar längst hinfällig." Mit der Linken deutete er auf einen Aktenstapel von Zwergengröße. "Die schrägsten Fälle sind in der Abteilung
Raub und Mord eingegangen, das kann ich dir sagen. Und was nicht sofort bearbeitet wird, das landet hier unten. Vielleicht hofft man, dass die gelösten Fälle sich positiv auf diese ungelösten Fälle auswirken ..."
"Äh, manche?", fragte Goldwart
Sebulon nickte und deutete zu einem Regal, in dem drei Ordner standen.
"Die da sind vielleicht noch aktuell. Zumindest nicht aufgeklärt. Vielleicht finde ich noch mehr, wenn ich die Kisten weiter durchwühle. Manches ist auch mit dem Vermerk 'An Luton värwiehsen' hier abgelegt worden."
"Hast du, äh, den Auftrag, diese Kisten zu sichten?", fragte sein Freund skeptisch.
"Nicht direkt.", meinte Sebulon und klopfte sich grinsend die graue Staubschicht von der roten RUM-Uniform. "Ich soll vielmehr - moment, ich zitiere: 'von dem Aktenberg eine Akte deiner Wahl in den Zustand -
bearbeitet- befördern' ... und ich kann mich einfach noch nicht entscheiden."
"Und dafür gräbst du diesen ganzen Berg um?"
Sebulon nickte und klopfte sich mit dem Finger an die Nase.
"Ich will es eben nicht halbherzig angehen."
"Warum nehmen wir nicht, äh, diese?", fragte der blondgelockte Zwerg und griff ziellos in den Berg hinein.
"Wir? Wie kommst du auf wir? Ich soll ... was hast du da?"
"Eine Akte."
"Nein, was ist da rangebunden?", fragte Sebulon und zeigte auf ein unförmiges Stück Holz, das an der Akte befestigt war.
"Oh, ich denke, das ist ... hmm, das sieht aus, wie ... ein Bolzen Typ 27-13 der Armbrust 'kurzer Schuss' sechs, etwas aus der Mode gekommen aber schon angekerbter Unterspann ... aber, äh, was macht der hier?"
Sebulon nahm seinem Freund die Akte aus der Hand und begann zu stöbern.
"Hmm, Gudrinella Machmichplatt wurde ermordet. Hmm ... der Bolzen ist das einzige Beweisstück ... aha ... mhm ... scheint so, als wäre das Brisante, dass sie die Schwiegermutter einer Assassinin ist."
"War."
"Ja, war. Sie wurde vor acht Jahren
'inhu-dings', steht hier, und ein halbes Jahr später geriet diese Akte auf den Stapel. 'An Luton värwiesen', was sonst."
"Klingt gut. Aber wie, äh, löst man einen Fall, der bereits acht Jahre zurückliegt?"
"Das weiß ich auch nicht."
Schweigend und betrübt blätterte Sebulon durch die dünne Akte. Tatortzeichnung, Liste der Funde am Tatort, diensthabender Wächter, ...
Auf einmal strahlte er Braggasch an.
"Ich denke, mit etwas Glück bekommen wir doch noch etwas heraus, was diesen Fall angeht."
Mit großen Augen sah der blondgelockte Zwerg zurück.
"Was, äh, wie denn?"
"Püschologie."
"Aphphyllit ... das sein Troll?", fragte Brekzie Regolith den bärtigen Winzling, der vor ihr stand.
"Ja, er war mal bei der Wache. Kannst du für mich mit ihm reden?"
"Bist du nicht Pü-scho?"
"Und du bist eine Trollrekrutin, darum bitte ich dich, mir zu helfen.", brummte Sebulon und fluchte innerlich.
Langsam kratzte sich die Trolldame am Kopf und kleine Gesteinsklumpen bröselten ab.
"Brekzie versteht nicht. Warum nicht du reden mit Aphphyllit?"
"Schau, es ist doch ganz einfach. Du bist ein Troll und verstehst die Trollpüsche. Ich bin ein Zwerg und meine Püscho-Ausbildung liegt noch nicht so weit zurück. Also bitte ich dich, von Ex-Rekrut zu Rekrutin, dass du Aph... äh, Aph... - diesem Troll einfach ein paar Fragen stellst. Mir hilfst. Ich kann sie dir auch sagen, damit du sie ihm übersetzt."
"Übersetzen?"
Der Zwerg verdrehte die Augen. Es schien ihm gut zu gehen, schlussfolgerte Brekzie.
"Ja, meine schweren Fragen übersetzen in Fragen, die der Troll dann versteht. Ich habe
dich dafür ausgesucht, weil man in der Wache munkelt, dass du auch mit schwierigen Fragen umgehen kannst."
Einen Moment schwieg die Trolldame, dann meinte sie: "Nein."
"Nein?", rief Sebulon bestürzt, "Einfach nur Nein?! Warum denn nicht?"
"Erst du dich entschuldigst."
"Was?"
"Im Sommer du gesagt, ich sei nutzlos und Kreide. Du dich entschuldigst."
[1]Verzweifelt drehte sich Sebulon zu Braggasch um, der an der Ecke stand und von einem Bein auf das andere trat. Hilfesuchend hob er die Augenbrauen, doch sein Freund nickte nur nervös. Offensichtlich wollte er ihm Mut machen, ohne seine Aufregung unterdrücken zu können.
Seufzend drehte sich Sebulon zu Brekzie zurück und murmelte: "'llung."
"Ich nichts gehört.", lächelte Brekzie.
"s'gte 'ulljung.", murmelte Sebulon noch leiser.
"Siehst du! Ganz einfach ist. Ich zu stimme. Über-setze. Du reden, ich fragen Aphphyllit."
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[Brekzie Regolith]
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"Was machen Zwerg hier?", fragte ein recht missgelaunter Aphphyllit.
"Er haben Fragen! Sich nicht trauen zu stellen selbst, desshalb
mich benutzen", erwiderte Brekzie Regolith, "als Schutzschild!"
Sebulon gab ein leises, missbilligendes Husten von sich, ließ es dann aber auf sich beruhen.
Die drei befanden sich in einem dunklen, unmöblierten Raum in einer der trostlosesten Gegenden von Ankh-Morkpork. Hier wohnte Aphphyllit und Brekzie fand, dass das Zimmer selbst für einen Troll sehr heruntergekommen wirkte: Platte-Krümel lagen überall auf dem Boden verstreut und das Moos an den Wände hatte auch schon einmal bessere Zeiten gesehen. Offenbar hatte sich Aphphyllit seit seinem Austritt aus der Wache ziemlich gehen lassen.
"Was er wissen wollen, versteckend?", hakte Aphphyllit erneut nach.
"Ich verstecke mich nicht", schnaufte Sebulon, "Brekzie ist lediglich hier um bei eventuell auftretenden Verständigungsschwierigkeiten zu vermitteln."
"Er meint, ich sprechen laaaAAAng-saaAmer und weniger ...
zwergisch", ergänzte Brekzie.
Der ehemalige Wächter nickte verständnisvoll.
"Was hier wissen wollen?", fragte der Troll, betont genervt.
Sebulon richtete sich zu seiner vollen zwergischen Größe auf, räusperte und stellte selbstbewusst ein Bein nach vorn:
"Wir wollen von dir wissen, was du noch über den Fall 'Machmichplatt' weißt."
"Machdichplatt?
Willst du Streit? Dann du hier falsch, ich kennen die Regeln, ich Wächter gewesen!"
"Nein, Zwerg meinen, ob du dich erinnern an Mord an Frau, Name Machmichplatt. Du nicht machen Zwerg platt!"
Aphphyllit schien langsam zu verstehen.
Nach einer Schweigepause sagte er: "Ist gewesen Mutter von Ass-ass-in. Wurde gefunden in Schweihnacht vor Gilddenhaus."
"Genau diese!", warf Sebulon freudestrahlend ein. "Was weißt du noch darüber? Wenn ich mich recht erinnere warst du doch der Wächter, der auf ihre Leiche aufpassen sollte, bis Schweihnacht vorbei war, weil sich der Leichenkarrer geweigert hatte an Feiertagen zu arbeiten. War das nicht so?"
"Nein, nicht so gewesen! Das alles du dir ausdenken! Gemeiner Zwerg! Alle immer sagen, ich nur dagesein, um aufpassen auf Leichen, weil Leute nicht wollen arbeiten! Aber:
SEHR verantwortungsvolle Aufgabe sein. Kommandant Rince mir gesagt."
Der Troll starrte in die Leere.
"Wenn nicht Aphphyllit aufpassen, dann kommen Räuber, oder noch schlimmere Wesen, Vampire, Untote, ...,
Zwerge, ...,
Mediziner ... und die nehmen Leiche, oder machen lebendig. Dafür ich da gesein."
"Was sollen denn Zwerge mit einer Leiche, das ist doch alles Unsinn und übles Voruteil!", ließ Sebulon von sich vernehmen. "Brekzie, ich denke, wir sollten hier verschwinden. Kein ehrbarer Zwerg würde jemals ..."
"Nicht beleidigt sein, Sebulon.", unterbrach ihn die Rekrutin mit der sanften Stimme von Sedimentgesteinen. "Aphphyllit sicher nur glauben alte Trollgeschichten, dass Zwerge graben in schlafenden Trollen nach Erz. Bestimmt nicht
wirklich denken, Zwerge graben nach Gold in toten Menschen."
"Ja, ich nicht dumm! Nur erregt! Immer alle sagen, Aphphyllit nur haben aufgepasst auf Tote.", erwiderte der Troll.
"Aber du warst doch der Tatortwächter mit der Spezialisierung auf Totenwache, oder nicht?", platzte es Sebulon heraus.
"Ja ...", begann er ausweichend.
"Ich verstehe schon", unterbrach Sebulon Aphphyllit, "es ist eine höchst wichtige Aufgabe auf Leichen aufzupassen. Schließlich könnten wirklich Untote oder Mediziner kommen und sie wiedererwecken und was wäre dann mit unserem schönen Fall? Also du hast," er machte eine bewundernde Geste in Aphphyllits Richtung, "höchst gewichtig auf die sterblichen Überreste von Schwiegermutter Machmichplatt aufgepasst. Ist dir dabei etwas aufgefallen?"
"Was er meinen?", fragte Aphphyllit.
"Du etwas bemerkt?", übersetzte Brekzie.
"Bemerkt?". Der Troll kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Mmh. Hmhm. Nein."
Der Zwerg seufzte.
"Nichts?", fragte er ohne große Hoffnung in der Stimme.
"Eigentlich - oder doch? Sie durchbohrt gewesen von Bolzen."
Sebulon stöhnte. "Das wissen wir schon, sonst noch etwas?"
"Mmh, gewesen komisch alles. Ich werden gut gedacht gehaben können."
"Wie meint er das?", fragte Sebulon die Trollin.
"Zeit für Trolle besonders.", sagte Brekzie. "Aphphyllit gerade spricht über Vergangenheit. Er sagt: Konnte denken gut."
"Was soll denn das jetzt heißen?", rief der Zwerg verwirrt. "Was hat, wie du denken konntest, damit zu tun?"
Ratlos sah sich der Troll im Zimmer um.
"Du gut gedacht haben werden können, weil kalt?", warf Brekzie helfend ein.
"Mmh, ja. Gedacht haben, wie wenn Winter. Ich seitdem nur selten gut gedacht."
"Aber was soll das bedeuten? In Ankh-Morpork ist es doch nie wirklich kalt; nicht einmal zur Schweihnachtszeit. Ich verstehe nicht", gab Sebulon leicht verunsichert zu.
"Ich meinen es gewesen kalt. Dort wo ich gewacht. Nicht draußen, wo gefunden sie, dort gewesen normal. Aber drinnen, gegenüber von Ass-ass-inen, wo ich haben hingebracht Leiche auf Befehl, dort kalt gewesen. So kalt, dass ich gelöst mittlere Vermutung von Pythagonal. Doch leider vergessen wieder."
[2]"Aber kannst du dich nicht an mehr erinnern, als daran, dass es kalt war?", hakte Sebulon nach.
"Doch! Nicht alles kalt gewesen. Nur tote Frau.", erwiderte Aphphyllit.
"Aber Leichen sind doch immer kalt und wenn sie auffallend kalt gewesen wäre, dann hätte doch davon etwas im Protokoll gestanden.", erwiderte der Zwerg mürrisch.
"Vielleicht .. Leiche nur anfangs gewesen kalt, dann
'aufgetaut', sodass wieder warm als Protokoll geschrieben?" schlug Brekzie helfend vor.
"Ja, so gewesen! Anfangs Leiche warm gesein werden, aber mit blauen Lippen, dann immer kälter werden und langsam wieder auftauen. Schweihnacht sehr lang. Wird genug Zeit sein für zu tauen auf."
"Hast du gerade blaue Lippen gesagt?", fragte Sebulon, dessen Aufmerksamkeit plötzlich bis aufs Äußerste gespannt war.
"Ja. Tote hat gehabent blauen Lippen und ist gesein durchbohrt. Sagte ich nicht?", entgegnete Aphphyllit erstaunt.
"Oh danke, ich denke das genügt. Mehr werden wir nicht wissen müssen. Vielen Dank noch mal für deine Geduld, Aph-ph... vielen Dank jedenfalls. Auf Wiedersehen!" Sebulon war auffallend in Eile, und weder Brekzie, noch Aphphyllit verstanden, was er plötzlich hatte.
"Ihr noch hören wollt, wie drei Tage auf die Leiche von Machmichplatt gepasst habe auf?," fragte der Troll mit wenig Hoffnung.
"Nein danke, ich muss schnellstens zurück zur Wache und etwas nachschlagen", erwiderte Sebulon, der schon halb auf dem Weg nach draußen war.
"Auch danken.", verabschidete sich nun auch Brekzie, die nicht alleine zurückbleiben wollte. "Wenn noch was erzählen wollen, dann ich einladen auf eine Lavatrunk - Troll zu Troll. Aber jetzt besser gehe, denn ich nur Rekrut.", sagte sie, schlug Aphphyllit freundschaftlich auf die Schulter und eilte dann hinter Sebulon her, der schon bis zur nächsten Kreuzung gelaufen war.
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[Braggasch Goldwart]
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Braggasch drehte den Bolzen unschlüssig zwischen den Fingern. Typ 27-13, kurzer Schuss. Keine besonders ungewöhnliche Waffe, Burlich und Starkimarm führten sie in ihrem Sortiment auf. Beliebt war die Armbrust nicht gerade, da sie durch einen kurzen Bogen und die äußerst dicken Projektile eine Maximalreichweite von zwanzig Metern hatte, und dabei nicht einmal besonders großen Schaden verursachte. Der einzige Vorteil der "kurzer Schuss" war die Tatsache, dass man sie gut verbergen konnte.
Doch an dieser hier stimmte etwas nicht. Unschlüssig strich er mit der rechten Hand darüber. Länge und Breite stimmten, die kurzen Federn waren, soweit Burkhards Sohn das wusste, auch von einem hiesigen Vogel. Die Spitze sah normal aus. Verärgert begann er abermals damit, den Bolzen zwischen den Fingern wandern zu lassen.
Er hasste es, etwas offensichtliches zu übersehen.
Ziellos blätterte Goldwart durch die Akte, die ihm Sebulon überlassen hatte. Da es momentan sehr ruhig in der Stadt war, kam es dem Zwerg nur gelegen, seinem Freund zu helfen. Vor allem: Da es sich um einen lange verjährten Mord handelte, war die Möglichkeit, dass es gefährlich wurde, sichtbar gering.
Wieder blätterte er. Sollte dem Fall nicht ein Obduktionsbericht beiliegen? Dort war nur ein kleiner Vermerk, dass die getötete Frau im Unterleib getroffen worden war, von vorne.
Braggasch legte die Stirn in Falten.
Wie seltsam... Eine "kurzer Schuss" dürfte in diesem Bereich eigentlich keine tödliche Wunde erzeugen...Wieder wanderte sein Blick zum Bolzen in seiner Linken.
Was verbirgst du vor mir?Nach einer Weile schloss der Späher die Augen. Vorsichtig ließ er die Hand auf und ab wippen; versuchte, das Gewicht zu bestimmen.
Aha.Mit der Entschlossenheit einer Dampflok stürmte Sebulon in das SUSI-Labor.
"Hast du Bücher über Gifte, Ma'am?", brachte er zwischen heftigem Atmen hervor.
Lady Rattenklein bedachte ihn mit einem missgelaunten Blick. "Ja, dir auch nen schönen Tag."
"Verzeihung Ma'am." Der Zwerg salutierte. "Aber ich habe es eilig!"
"Aha." Die Gnomin ließ sich eine großzügige Pause, bis Samax Sohn aussah, als wolle er vor Übereifer explodieren, dann meinte sie gelassen: "Ja, habe ich. Welches Gift suchst du?"
"Eines, das die Lippen blau verfärbt und eine übernatürliche Kälte erzeugt."
Überrascht zog die Laborantin die Augenbrauen in die Höhe. "Kälte erzeugt? Die Lippen verfärben viele Gifte, aber übernatürliche Kälte? Nein, da muss ich dich wohl enttäuschen, ich wüsste nicht, dass wir über so etwas Bücher hätten. Das klingt sehr... experimentell. Sicher, dass ein Gift das verursacht hat?"
"Ziemlich.", Sebulons Eifer drohte zu verfliegen.
Brekzie erschien in der Tür. Hastig salutierte sie, dann blickte sie den Zwerg fragend an.
Dieser wandte sich mit einer erneuten Frage an die Lady. "Wo könnte ich bessere Bücher darüber finden?"
Rattenklein zuckte mit den Schultern. "Vielleicht in der Alchimistengilde. Mit Sicherheit bei den Assassinen."
"Danke, Ma'am." der Sohn Samax' salutierte und wandte sich zum gehen.
"Du wollen gehen zu Gilde der Ass-ass-inen, wenn Mord zusammenhängen mit ihnen?", flüsterte die Trollin, die vor der Tür gewartet und offensichtlich Teile des Gespräches belauscht hatte.
Sebulon sah sie an. "Guter Hinweis. Also erst die Alchimisten. Hoffentlich jagen sie uns nicht in die Luft."
Goldwart lief die Flure entlang. Wenn der Rekrut am Tresen recht gehabt hatte... Ja, da vorne ging Sebulon.
Er beschleunigte seinen Schritt. Sein Freund bog gerade um eine Ecke, von ihm abgewandt.
Als Braggasch ihn fast erreicht hatte, setzte er zu einem: "Gü-" an, wurde aber von der mobilen Mauer unterbrochen, die sich in den Korridor schob.
Ein harter Aufprall und ein heller, schmerzhafter Schrei waren die Folge.
Verwundert drehte sich Brekzie um blickte zu dem am Boden liegenden Hauptgefreiten. "Oh.", meinte sie. "Du dir weh getan?"
"Brag! Was machst du denn da?", kam Sebulon einer Antwort des Blondgelockten zuvor und zog ihn auf die Beine.
Stöhnend rieb sich Burkhards Sohn die Nase. "Hb'dih nih'g'sehn. Äh... Ntschul'gng"
"Nichts machen." antwortete die Rekrutin Regolith gönnerhaft. "Ich nichts gespürt."
"Warum bist du denn so gerannt?", wollte sein Freund wissen.
Ohne viel Erfolg versuchte Braggasch, auf seine eigene Nase zu schielen, um zu erkennen, ob sie gebrochen war, während er weiter an ihr herumtastete. "Ih hab dih g'suht, Grril."
"Warum?"
Der Späher ließ die Hand sinken. "Der Bolzen. Äh. Er ist zu leicht."
"Aha?"
"Er ist ausgehöhlt. Man konnte es kaum erkennen. Die Metallspitze ist von hinten geöffnet und das Holz ist hohl, sodass eine eventuelle Flüssigkeit langsam nach außen sickern könnte. Ich, äh, dachte an-"
"Gift.", unterbrachen Sebulon und Brekzie ihn gleichzeitig.
Goldwart sah die beiden abwechselnd an. "Äh... ja.", sagte er schließlich.
"Interessant.", kommentierte der Püschologe. "Dann lasst uns mal gehen."
"Wohin?", wollte Braggasch wissen.
Die Trollin blickte auf ihn hinab. "Zu Al-schi-misten."
"Oh nein..."
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[Sebulon, Sohn des Samax]
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Kein Ort in Ankh-Morpork hat im Durchschnitt so viele Explosionen pro Tag, wie die Gilde der Alchimisten. Nirgendwo an Land gibt es weniger Augenbrauen pro Quadratkilometer.
Als die drei Wächter die Straße der Alchimisten betraten, schreckte Sebulon zusammen.
"Wir wollten zur Alchimistengilde, dachte ich.", fluchte er.
"Gilde ist.", kommentierte Brekzie.
"Äh, wusstest du nicht, dass die Gilde der Assassinen genau, äh, gegenüberliegt?", fragte Braggasch. "Hat bestimmt mit dem 'kurzen Dienstweg' zu tun, oder so."
"Ah.", machte Sebulon.
Er klopfte an die schwere Tür der Alchimistengilde und hörte es selbst kaum.
Sie warteten.
"Vielleicht musst du, äh, stärker klopfen?", fragte Braggasch.
Sie klopften gemeinsam.
Sie warteten.
"Hmm.", machte Sebulon. "Vielleicht ist niemand ..."
Über ihnen explodierte ein Fenster und grünlicher Rauch stieg daraus herauf.
"
Das laut gewesen", meinte die Trollin.
Braggasch und Sebulon sahen sich an.
"Äh, Brekzie, wärst du so freundlich, äh, sanft an die Tür zu klopfen?", fragte Braggasch.
"Bitte?", fügte sein Freund an.
Geröll knirschte, als sie andeutungsweise mit den Schultern zuckte, dann hob sie die Faust - und ihr Klopfen hinterließ deutliche Dellen in der schweren Metalltür.
Kurz darauf öffnete sie sich und ein junger Mann sah heraus.
"
Was soll der Lärm? Wisst ihr nicht, dass das Ruhestörung ..."
"Stadtwache.", brummte Sebulon und hielt dem Alchimisten seine Dienstmarke unter die Nase. "Ich bin Obergefreiter Sohn des Samax, das ist Hauptgefreiter Goldwart und die Gefreite Regolith ist nur ihren Anweisungen gefolgt."
"Bitte es gewesen", knarrte die Trollin.
"Wenn du uns hineinlassen könntest, damit wir ..."
"In welcher Sache ermittelt ihr denn?", fragte der Pförtner skeptisch.
Der blondgelockte Zwerg trat fest einen Schritt vor, räusperte sich und sagte: "Äh, Mord."
Als sie langsam durch die Hallen der Alchimistengilde gingen, sah Braggasch sich aus Berufsgewohnheit in alle Richtungen um.
Die Wände waren überraschend konstruiert. Fest - und doch schien es, als wären sie nicht älter als zwei Wochen. Auch die Türen wirkten gut konzipiert. Hier schienen Architekt und Handwerker im solide-Gilde-bauen geübt.
"Herr Silberfisch ist gerade beim Patrizier.", meinte der Pförtner, der sich als Zosimus vorgestellt hatte. "Ihr werdet aber sicher bei Frau Xalmoxida gute Auskünfte bekommen."
"Äh, wie heißt die Frau?", fragte Braggasch den jungen Mann.
"Xalmoxida."
"Xalmo... äh ..."
"-xida."
"Oh."
"Gesundheit.", flüsterte Sebulon.
"Ich wollte schon immer reisen. Um meinen Traum zu verwirklichen, widersetzte ich mich dem Wunsch seines Vaters, Priesterin der Göttin Geschwinde
[3] zu werden. Ich wurde Schafhirtin. Oft hatte ich Träume davon, dass ich Kinder bekommen würde - und in einem Traum sah ich Pyramiden und abgemagerte Kühe und eine spielte Trompete, seltsam, nicht wahr? Jedenfalls beschloss ich, meine Herde zu verkaufen und mich auf den Weg nach Djelibebi zu machen. Auf meiner Reise lernte ich einen König, eine Kristallwarenhändlerin und einen schnuckligen Überwäldler kennen. Er hatte auch einen Traum: Blei in Gold, das wollte er verwandeln. Ich wurde überfallen, hatte so manche Höhe und Tiefe - und schließlich traf ich an einer Oase einen Koch. So ein großer, schlanker Typ mit Muskeln ... oh, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Und sein Geruch ... er roch immer nach Himbeere ... jedenfalls hab ich von ihm etwas kochen gelernt - tja, und jetzt bin ich hier. Wie kann ich euch helfen?"
[4]"Äh.", machte Braggasch.
Sebulon schwieg mit offenem Mund, völlig überrannt vom Wortschwall der Alchimistin.
"Ich reden.", knarrte die Trollin leise und lächelte dann die Frau an. "Du Xalmoxida?"
"In der Tat, die bin ich, wenn man das so sagen kann. Und wer seid ihr gut erzogenen jungen Leute?"
>"
Wie, bei allen Göttern, kann eine Trollin diesen Namen so einfach aussprechen?"<, dachte Sebulon. >"
Und warum erzählt uns die Frau erstmal ihren ganzen Lebenslauf?"<
"Wächter sind. Suchen Gift: färbt blau den Körper.", sagte die Trollin in sachlichem Tonfall.
"Ach, das ist ja mal interessant.", rief die Frau begeistert und klatschte vor Freude in die Hände. "Meine Güte, damals, als ich noch jung war, da hat man mir solche hochinteressanten Fragen immer beflissentlich vorbehalten. Und ich war ganz sicher nicht eine der Gleichgültigen, nein, nein; neugierig war ich, das kann ich euch sagen! Wenn ich mich so zurückerinnere, es muss im Jahr der kratzbürstigen Schnecke gewesen sein ..."
"Suchen Gift, weil Mord passiert.", unterbrach Brekzie den Redeschwall der Alchimistin. Da die Frau von der Unterbrechung aus dem Konzept geworfen wurde und eine peinliche Stille eintrat, fügte Brekzie an: "Gift färbt Körper blau."
Xalmoxida nickte und dachte einen Moment nach. Dann sagte sie: "Nein, da kann ich euch nicht helfen. Obwohl ... ich könnte kurz in den Akten schauen, ob sich findet, dass jemand etwas derartiges gefunden hat. Das könnte sein."
Sie stand auf und lächelte.
"Wir gehen.", sagte sie und griff ihren Spazierstock.
Sebulon hatte soweit die Kontrolle über sich wiedererlangt, dass er ihr die Tür aufhalten konnte.
"Äh, wohin gehen wir?", fragte Braggasch.
"In die Verwaltung, schöner Mann."
Der blondgelockte Zwerg lief rot an, sah einen Moment lang betreten auf den Boden und beeilte sich dann, den dreien zu folgen.
Über die Verwaltung der Alchimistengilde gibt es wenig zu sagen; sie ähnelt jeder Verwaltung, die man auf der Scheibenwelt in einer halbwegs zivilisierten Umgebung finden kann: Aktenberge türmten sich bis an die Decke, ordentlich nach Größe, Farbe und Inhalt sortierte Ordner. Staub lag in den Ecken, die schon in den letzten zwanzig Jahren
[5] beflissentlich ignoriert wurden. Alte Frauen sahen mürrisch jeden Neuankömmling an, denn Veränderung bedeutete Arbeit. Und solche Menschen arbeiten nach der Grundregel "fünf Minuten dumm gestellt erspart Arbeit für einen Tag".
Der einzige Unterschied: Die Decke war gegen Explosionen gesichert, was aus naheliegenden Gründen notwendig war.
"Amalie", grüßte die Alchimistin freundlich die Verwaltungsangestellte.
"Xalmoxida", entgegnete die Angesprochene nüchtern und die gefühlte Temperatur im Raum sank um zwei Grad.
>"
Verflixt, wieso kann jeder ihren Namen problemlos aussprechen?"<, dachte Sebulon.
Gutgelaunt fuhr Xalmoxida fort: "Das ist Frau Richter-Steinbeiß. Amalie, diese jungen Leute suchen Informationen über Liquid, das eine Blaufärbung des Körpers zur Folge hat."
"Ihr sucht ein Färbemittel? Da seid ihr hier ganz falsch. Fragt mal Herrn Köller, drei Türen weiter."
Sebulon sagte: "Tatsächlich, Frau Richter, suchen ..."
"Richter-Steinbeiß", erwiderte diese ungerührt.
Irritiert fuhr er fort: "Ja, nun, Frau Richter-Stein..."
"-beiß.", half sie mit grimmiger Miene.
"-Steinbeiß, richtig, wir suchen ein Mittel, wovon eine kleine Dosis ausreicht. Es geht um einen Mordfall."
"Mir ist kein Mord mit solcherart benutztem Gift in den letzten Monaten bekannt. Vielleicht solltet ihr die Assassinengilde befragen?"
"Bist du dir sicher, dass du hier nicht helfen kannst?", fragte Xalmoxida fröhlich. "Es gibt, so weit ich weiß, niemanden, der sich mit Färbemitteln besser auskennt als du. Immerhin warst du ja einmal selbst ..."
"Jaja, schon gut, ich kann ja mal gucken. Darf ich wenigstens erfahren, wer die Leute sind, für die ich suche?"
"Wir Stadtwache.", sagte Brekzie voller Stolz. "Mit Marke. Of-fi-ziell."
Die Verwaltungsangestellte musterte die drei Wächter langsam und sagte nüchtern: "Das ist ein schlechter Scherz, oder? Ihr drei Witzfiguren seid Wächter?"
"Äh.", machte Braggasch.
"Haben Marke.", sagte Brekzie und hielt ihre Dienstmarke der Verwaltungsangestellten hin.
"Na, dann hat das wohl seine Richtigkeit. Ich bin in fünf Minuten zurück."
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[Brekzie Regolith]
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"Uffzz", stöhnte Sebulon einige Stunden später.
Die 3 Wächter saßen jeder über einem der 3 Bände des Giftmischerklassikers: "
Effektvoll vom Diesseits ins Jenseits - Ein Spiel der Elemente".
"Diese, äh,
hilfsbereite Frau Richter-Steinbeiß hätte uns wenigstens sagen können, in welchem, äh, Band wir suchen müssen", grummelte Braggasch missmutig, "sie weiß bestimmt sogar auf welcher, äh, Seite das steht, was wir, äh, suchen. Diese Verwaltungstypen wissen doch sowas immer ganz genau. Scheint eine Art, äh, Hobby von ihnen zu sein, sich den genauen Ort von allem Wissenswerten zu merken, um dann Hilfesuchende einfach suchen zu lassen und, äh, hinterher noch schnippisch zu bermeken, dass man, äh, doch nur auf Seite, äh, 1335 oben rechts hätte, äh, nachschauen müssen."
[6]"Aaanhiidrierungsmiiilsch, Aaaaniiilieeerungscreeeem, Aaaann...", murmelte Brekzie angestrengt vor sich hin.
"Kannst du nicht etwas leiser lesen?", fuhr sie Sebulon entnervt an.
"Äh, lass sie doch", entgegnete Braggasch, "so, äh, warm, wie es hier von den dauernden Explosionen ist, da kannst du von ihr nicht erwarten, das sie, äh, gut, geschweige denn leise, äh, lesen kann."
"Mmpf", erwiderte Sebulon.
"AAntaaaraaktissscher Blaaauuufiiiiissssch", murmelte Brekzie.
"Sag das noch mal", gab Braggasch etwas wacher zurück.
"Mmpf", erwiderte Sebulon erneut.
"AAANtraaakaataktischer Blaauaawisssch" las Brekzie.
"Mmmh, kannst du's, äh, vielleicht noch mal vorlesen?", bat Braggasch, nun völlig gespannt.
"...", machte Sebulon, der gemerkt hatte, das Braggasch nicht zu ihm sprach.
"Anntraaakaalaatischer Raaauuugriiffff", wiederholte Brekzie gehorsam.
"Mmh, ich hätte, äh, schwören können, du hättest, äh,
Antaraktischer Blaufisch gesagt", entgegnete Braggasch.
"Das ich haben drei mal gesagt, ich denken...", erwiderte die Trollin.
"Hast du auch", warf Sebulon beschwichtigend ein, "und ich sehe nicht, wie uns das helfen soll." Fragend blicke er zu seinem Freund und Arbeitskollgen herüber.
"Äh, ich dachte nur, äh, grad bei mir, dass doch die Eisbude vor dem, äh, Persepolisplatz mit Koserven genau dieses Fisches betrieben wurde. Äh, bevor ihr unsere, äh, Jungs von DOG auf die Schliche gekommen sind; und von, äh, Eis und
Blaufisch dachte ich, das könnte was mit unserem, äh, Fall zu tun haben. Brezie, lies doch, äh, bitte mal vor, was da steht."
"DDeeerrrr aaatraakaatatisch...".
"Lass mich doch lieber lesen und ruh dich etwas aus", fiel Sebulon ihr ins Wort.
Freudig, das leidige Lesen los zu sein, gab Brekzie das Buch weiter.
Sebulon las:
"Der Antaraktische Blaufisch issset ein seltenter Fisch aus den Gebirgsbächen der Spitzhornberge. Er isset seehr klin und blau. Wo errr sich in Schwärmen aufhält, dort entstündigen heiße Quellen[7], denn der Fisch habet die seltene Gabe, kalte und heiße Wassertropfen von einander zu trennen, indem errrr die kalten in einer spezielligen Blase in seinem Körper sammelt und die heißigen Tropfen an das umliegende Wasser abgebet. Diesem Umstand verdanket er auch seinen wissenschoftlichen Wärt, denn öffnet man seine Blase, so werdet die angesammelte Kälte freie. Man kannen auf diesige Weise zum Beispiel Speise-Eis produzieren, oder sehrrr effektvoll einen Menschen in das ewige Kühlhaus eingehen lassen. (Sogar im Sommer[!], dann musset die Dosis allerdings etwas größer gewählet werden ...) Man nehme dafür lediglich eine Blaufischblase, verstecke sie in etwas leckerem, z.B. in Pralinen oder Eis, und serviere das ganze dem Subjekt. So bald dieses die Blase verdauet hat, trittet augenblicklich die gewünschte Wirkung ein. Einziger Nachteil isset eine unschöne Bläuung der Lippen, die von der Körperfarbe des Fische herrühret und leider noch nicht nertralisieret werden konnte." |
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Bei diesem Worten blickte Sebulon auf: "Denkst du, was ich denke, Braggasch?"
"Äh, was? - Dass der Amboss das Huhn, äh, trifft?"
[7a]"So ungefähr. Das heißt ... nein, eigentlich nicht. Ich denke, ich habe eine Ahnung, wie es ungefähr abgelaufen sein könnte, und wenn ich Recht habe, dann war es nicht nur Mord, sondern sogar ein besonders hinterhältiger. Selbst in den Maßstäben der Assassinengilde."
"Wenn du, äh, meinst - du bist der Püschologe", entgenete Braggasch.
"Ich nix denken", ergänzte Brekzie.
"Ihr werdet schon sehen. Jetzt sollten wir aber erstmal herausfinden, wo der Mörder das Zeug herbekommen hat. Dann wird sich schon alles weitere finden."
Eilig und glücklich, endlich nicht mehr über Büchern zu hocken, verließen die drei Wächter das Archiv.
"Etwas gefunden?"
Frau Richter-Steinbeiß lächelte kräftig, als sie die Bücher zurück gaben.
"Äh, mhm, mhm", machte Braggasch.
"Band I, Seite 17, nicht wahr?"
Ihr Lächeln hatte eine Breite erreicht, dass man es nicht einmal mehr Grinsen nennen konnte.
"Genau dort."
Finstere Blicke trafen die Sachbearbeiterin, die vor Freude nur so sprühte.
"Kommen Sie jeder Zeit wieder! Wenn Sie etwas suchen - wir helfen gern!"
Aber da hatte Brekzie schon die Tür hinter sich geschlossen.
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[Braggasch Goldwart]
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Wieder zurück im Wachgebäude zogen sich die drei in den Aufenthaltsraum zurück. Während Brekzie an die Wand starrte und versuchte, die Steine zu zählen, beobachtete Sebulon mit dem Interesse eines Püschologen seinen Freund, der wieder den Bolzen in der Hand drehte.
"Äh... Das ergibt keinen Sinn."
"Nein?"
"Das Gift kann dem Opfer nicht mit dem, äh, Bolzen injj... injiii... äh... verabreicht worden sein."
"Wieso?", führte der Sohn Samax das aufreizende Spiel weiter.
Braggasch stieg darauf ein. "Weil da, trotzt Aushöhlung, äh, keine ganze Blase reinpasst." Resigniert ließ er das Projektil sinken und sah Gürtel an. "Äh... man hatte das Ding öffnen müssen, und dann wäre, laut dem Buch, die Kälte schon in den Bolzen gedrungen. Und bei einer solchen Massenabfertigung hätte er das nie ausgehalten und wäre gesprungen oder gerissen."
Der RUM-Obergefreite nickte. "Stimmt. Also wahrscheinlich die Essens-Variante, die in dem Buch vorgeschlagen wurde."
"Aber, äh, warum dann noch den Schuss?"
"Vielleicht man wollte gehen sicher?", schaltete sich nun die Rekrutin ein.
"Hm.", erwiderte der Späher.
Sebulon deutete auf den Typ 27-13-Bolzen. "Hast du schon untersuchen lassen, ob Gift in den Hohlräumen war?"
"Du, äh, meinst, äh, zu Lady Rattenklein ins ... äh ... Labor?" Braggasch erschauderte.
Sein Freund lachte tonlos. "Schon gut. Dann mach ich's eben. Wenn ihr zwei nichts zu tun habt, könnt ihr ja ... was ist das?" Urplötzlich misstrauisch blickte er in eine Ecke des Raumes. Goldwart und Regolith folgten seinem Blick, konnten aber nichts entdecken.
"Was da?", wollte die Trollin wissen.
"Na, dieses Ding ... hat gewisse Ähnlichkeit mit einer Banane aus Holz, und ... -" Samax Sohn massierte sich den Nasenrücken. "Vergesst es. Wo war ich? Ach ja. Geht doch mal zu DOG und fragt, ob die eine alte Akte haben, die eventuell aussagt, ob überhaupt ein Inhumierungsauftrag vorlag." Mit diesen Worten verschwand der Zwerg aus dem Raum.
Die beiden zurückgebliebenen sahen ihm eine Weile nach.
"Er das macht öfters?" Ein Tassengroßer Daumen deutete auf die leere Zimmerecke.
"Äh... Na ja...", war Braggaschs einzige Antwort.
"Ihr könnt einfach nicht ohne mich, was Schnuckel?"
"Nein, Lady, es ist uns vollständig unmöglich." Sebulon seufzte ergeben. "Was kannst du denn nun herausfinden?"
Die Gnomin lächelte süffisant und wandte sich wieder dem Versuchsobjekt zu. "Tja. Eine Spülung ergab ... nichts."
"Das heißt?"
"Das dieser
ach so tolle hohle Bolzen noch nie in seinem Leben irgend eine Flüssigkeit enthalten hat. Es sei denn, sie sei so flüchtig wie Alkohol. Aprospo, ich könnte nen Schluck gebrauchen, hast du nicht Lust-"
"Aber Braggasch meinte, der Bolzen könnte ansonsten nicht tödlich gewesen sein.", unterbrach der Püschologe die Laborantin.
Ratti zog einen Schmollmund. "Na, wenn der hohe Herr das meint, dann wird er wohl damit recht haben. Ruft mich, wenn ihr mal was
wirklich interessantes findet!" Mit diesen Worten drückte sie ihm den Bolzen in die Hand und manövrierte ihn aus dem Labor.
"Nein."
"Aber ..."
"Nein."
"Äh ..."
"
Nein."
Goldwart verstummte.
Breda bedachte den Zwerg mit einem grimmigen Blick. "Ich werde
nicht nachsehen, ob vor acht Jahren ein Inhumierungsauftrag vorlag. Meinst du nicht, ich habe was besseres zu tun?"
"Ich, äh, dachte, so von Vampir zu Vampir..."
"Nein."
"Oh."
"Wenn es euch so brennend interessiert, dann geht doch zur Gilde und fragt höflich nach. Hauptsache, ihr geht mir nicht mehr auf die Nerven!" Ohne weiter abzuwarten scheuchte Krulock die beiden momentanen Ermittler damit aus ihrem Büro.
Brekzie drehte um und stapfte ohne zu überlegen los.
"Äh... Wo willst du hin?" Goldwart hatte Mühe, den langen Schritten der Trollin zu folgen.
"Gehen zu Ass-ass-inen.", stellte sie fest.
"Warum?"
Regoltih sah verwundert nach unten. "Langs Koporaal haben gesagt-"
Braggasch schüttelte den Kopf und schnitt ihr somit das Wort ab. "Ich denke, äh, das hat sie nur gesagt, um uns, äh, loszuwerden."
"Ich es emp-finden trotzdem zu guter Idee."
"Als...", verbesserte der Zwerg automatisch.
"Ich es finden trotzdem als guter Idee.", wiederholte die Rekrutin.
Unsicher wackelte er mit dem Kopf. "Und du glaubst wirklich, dass die, äh, uns was sagen werden?"
"Wenn
ich fragen, bestimmt."
"Oh... äh... gut..."
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[Sebulon, Sohn des Samax]
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Der Portier der Assassinengilde war ein Gnom. Unscheinbar war gar kein Ausdruck; man hätte ihn nicht einmal gesehen, wenn er einem auf den Fuß getreten hätte
[9] - und das, obwohl er eine rote Perücke trug und eine anzügliche Zeitung las. Assassinen haben den Trick mit der Unauffälligkeit eben raus.
Seine befehlsgewohnte Stimme ließ die beiden Wächter in der Bewegung verharren, als er freundlich aber bestimmt sagte: "Halt."
[10]Zwei Blicke suchten den Gnom, fanden ihn und grüßten ihn mit einem freundlichen Lächeln, das nicht erwidert wurde.
"Brekzie Regolith und Braggasch Goldwart, nicht wahr? Was wollt ihr beiden Wächter hier?"
"Äh.", machte Braggasch, verwundert darüber, dass er bekannter als ein nackter Zwerg
[11] war.
"Wir In-forma-tionen suchen, bei Ass-ass-ass-inen.", stellte Brekzie klar.
"Dachte ich mir.", meinte der Gnom, zog einen Zahnstocher und begann, Essensreste aus seinen ungepflegten Zähnen zu holen. "Meint ihr nicht, das ist ein bisschen gefährlich, wenn es einen Auftrag für eure Köpfe gibt?"
Das erklärte die Bekanntheit der beiden Wächter.
"Äh."
"Mich nicht fürchten. Wächter bin.", sagte die Trollin stolz.
"Äh, hat schon jemand, äh, die Aufträge, äh, angenommen?"
"Ach, was weiß denn ich?", brummte der Gnom unzufrieden. "Ich bin ja nur Portier und habe keine Ahnung. Weiß ja nicht mal, warum die Aufträge ausgelöst wurden. Is' mir auch egal. Zu wem wollt ihr also?"
"Äh, kannst du uns jemanden empfehlen? Wir, äh, suchen Informationen zu einem Inhumierungs-äh-auftrag, der in der Vergangenheit liegt."
"Könnt ihr vergessen."
"Nicht verstehen. Können
was vergessen?"
"An mir kommt ihr nicht vorbei, Kumpels - zumindest würde ich euch raten, es nicht darauf anzulegen - und über vergangene Akten reden wir nicht." Er hielt die Hand geöffnet vor sich.
Die Wächter tauschten einen Blick aus und Braggasch suchte einen Ankh-Morpork-Dollar in seinen Taschen. Er fand ihn und legte ihn in die Hand des Gnoms.
"Was?", fragte der Portier entrüstet. "Wollt ihr mich bestechen? Kommt, Jungs, seid ihr neu? Ein Dollar, das ist die reinste Bestechung!"
Braggasch förderte einen weiteren Dollar zutage.
"Zwei Dollar?", keifte der Gnom. "Ihr macht euch doch selbst lächerlich. 'bitt euch, Jungs, tut euch einen Gefallen und geht nach Hause. Wirklich. Mich bestechen wollen ... tststs." Er hielt die Hand weiterhin ausgestreckt.
Brekzie legte ebenfalls zwei Dollar in die Hand des Portiers.
"Ach, ihr wollt nur eben unseren Abort benutzen? Natürlich. Zweite Etage rechts, drittes Zimmer, fragt bei Herrn Jo Schlitzihnauf nach."
"Kann ich helfen?", fragte Jo Schlitzihnauf.
"Äh.", begann Braggasch.
"Suchen Wissen.", meinte Brekzie und baute sich in ganzer Körperhöhe vor dem Assassinen auf. "Kommen von Wache. Ich: Rekrut Regolith. Dort: Haupt-Gefreiter Gold-Wart. Du uns helfen bei Ermittlungen?"
"Wenn es in meiner Macht steht.", erwiderte der und zuckte mit den Schultern, was zugleich elegant und beängstigend aussah. "Um welchen Fall geht es?"
"Gudri-nella Mach-mich-platt."
Ohne Gefühlsregung drehte sich Herr Schlitzihnauf um, griff an eine Schublade und zog einen Akte aus einem langen Ordnersystem hervor. Er öffnete sie, sah hinein, sah zu den Wächtern und sagte mit überraschter Miene: "Oh. Sie ist leer."
Dann lächelte er und fügte an: "Das tut mir aber leid."
Als sie Sebulon suchten, um ihm von den Neuigkeiten zu berichten, fanden sie ihn in der Pathologie.
Er saß in eine Ecke gekauert und zitterte. Die Toten hatten mit ihm geredet.
Breda Krulock saß im "Matrazenlager" der DOG an ihrem Schreibtisch und dachte nichts böses, als Braggasch die Tür öffnete und fragte: "Äh, du bist für die Assassinengilde zuständig, nicht wahr?"
"Hmm.", machte Breda und sah auf. Skeptisch musterte sie den blondgelockten Zwerg.
"Äh, wir brauchen einen Haftbefehl gegen Jo Schlitzihnauf."
"Der ist Assassine, nicht wahr?"
"Äh, ja."
"Was für ein passender Name. Und der Haftbefehl ... mit welcher Begründung?"
"Äh, Mord." Braggasch stockte und sagte dann: "Mord ohne, äh, Auftrag."
"Soso. An wem?"
"Gudri-äh-nella Machmichplatt. Das ist die ..."
"Die Schwiegermutter von Donja Machmichplatt, nicht wahr?", fragte Breda Krulock. "War groß in den Medien, weil Donja die erste weibliche Assassine werden sollte. Aber ist die alte Machmichplatt nicht bereits vor ... vor zwanzig Jahren gestorben?"
"Äh, vor acht, um genau zu sein."
"Tatsächlich? Wie die Zeit vergeht. Komm doch mal rein und erzähl mir, welche Beweise es gibt, die einen Haftbefehl rechtfertigen würden."
Braggasch schluckte. Das würde nicht einfach werden.
"Nun, äh, zählt die Aussage eines Wächters?"
"Sicher", sagte Breda und zückte ein unbeschriebenes Blatt und einen Stift. Routiniert schrieb sie das Datum und eine Uhrzeit, dann sah sie Braggasch an und fragte: "Was ist seine Aussage?"
"Äh, Obergefreiter Sebulon, Sohn des Samax, hat mit Gudrinella Machmichplatt geredet. Und sie hat ihn identifiziert. Also den Täter. Äh."
Breda hielt im Schreiben inne.
"Und das fällt ihm jetzt ein? Acht Jahre, nach dem Mord?"
Schweigend saßen die Abteilungsleiter Humph MeckDwarf, Valdimier van Varwald und Romulus von Grauhaar im Beratungsraum; mit ihnen am Tisch war Breda Krulock. Alle vier hatten vor sich den Bericht von Braggasch mit Bredas Unterschrift und aktuellem Datum liegen; vier Tassen mit dampfendem Kaffee standen unberührt dabei.
Romulus räusperte sich. "Ich weiß", sagte er, "dass manche Leute geneigt wären, die Püsche dieses Zwergen ernstzunehmend anzuzweifeln ..."
"Jeder außer Bregs", murmelte Humph.
"... außer dem Kommandeur, seinen Freunden - und mir. Er ist ein guter Zwerg, der sich seinen Rang hart erarbeitet hat."
Schweigen lag im Raum.
"Darf ich?", fragte Humph.
Der Abteilungsleiter von RUM faltete die Hände und nickte.
"Sebulon", sagte der Hauptmann, "finden manche Wächter - in jedem unserer drei Wachhäuser - eine Lachnummer, die den stotternden Goldwart von FROG beinahe übertrifft. Dass die beiden Freunde sind, ist gewissermaßen ein Wunder. Und dass sie hier gemeinsam so eine Anklage abliefern, ist ... mir fehlen die Worte dafür."
"Irrsinn?", fragte Breda.
"Das wäre eine blanke Untertreibung - aber mir fällt nichts besseres ein", schloss Humph.
Valdimier sah seine Kollegen an und fragte: "Spricht etwas dagegen, dass sie Recht haben könnten?"
"Nun ...", begann Breda.
"Selbst wenn nicht!", lachte Humph trocken. "Es gibt eine Verjährungsfrist für Delikte. Das wisst ihr genausogut wie ich. Wenn wir diesen Fall jetzt aufrollen ..."
Die Wächter schwiegen.
"Hast du Angst vor der Assassinengilde?", fragte Romulus den Hauptmann.
"Manchen Leuten pinkelt ein DOG einfach nicht gern ans Bein, gewissermaßen", brummte er und kratzte sich am Arm. "Wisst ihr, ich habe eben nur ungern einen Generalverdacht gegen die Welt an sich, weil sich irgendwo dahinter ein rachelüstiger Assassine verbergen könnte, der selbst ohne Waffen zweiundneunzig spannende Wege kennt, mich auf die andere Seite zu befördern - und der traurig ist, dass er nur eine an mir ausprobieren kann."
Am Beratungsraum lief jemand vorbei. Jeder Schritt schien wiederzuhallen.
"Das Problem, das ich sehe", sagte Valdimier schließlich, "ist: Unsere Leute stecken da schon viel zu tief drin. Braggasch und diese Rekrutin haben mit dem Hauptverdächtigen geredet. Er ist also alarmiert."
"Und könnte untertauchen", fügte Romulus an.
Humph seufzte. "Ist gut. Ich rede mit Bregs. Vielleicht kriegen wir einen vorläufigen Haftbefehl. In der Zwischenzeit sucht ihr eure Jungs und gebt ihnen Rückendeckung. Und Kopfdeckung. Und gut besohlte Stiefel."
Es klopfte an die Tür.
"Sir?", fragte Humph.
"Mhm."
"Es gibt einen Mord. Oder gab."
"Und damit kommst du zu mir?"
"Die Sache ist nicht ganz einfach."
"Versuch es kurz zu machen."
Eklibört Nörgli sah seine Mitrekruten Titus Omnibus und Brekzie Regolith herausfordernd an.
"Innerhalb einer Viertelstunde", sagte er.
"Und worum wir wetten?", fragte Brekzie.
"Wenn ich gewinne, gibt Eklibört heute Abend einen aus. Und du auch, Brekzie. Genau: Der Gewinner darf so viel essen und trinken, wie er will. Das wäre doch mal ein schöner Abschluss für so einen Ausbildungstag."
"Einladen ... gilt auch für Troll-Speise?", fragte Brekzie.
"Natürlich. Allerdings wirst du für mein Essen ganz schön blechen müssen.", lächelte Eklibört und rückte seinen Schwertgurt zurecht.
"Nur dass es mein Essen sein wird, für das ihr bezahlen werdet", grinste Titus.
"In einer Viertelstunde an der Affenstraße.", meinte Eklibört.
"So es sei."
In der Kröselstraße betraten die drei Wächter gemeinsam die Schatten. Keiner von ihnen verließ sie wieder.--------------------
[Braggasch Goldwart]
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Braggasch rannte, sprang, landete hart auf der Schulter und rollte sich ab.
Der Bolzen zischte wenige Zentimeter über ihn hinweg.
Schnell kroch der Späher in die Deckung hinter dem abgestellten Karren, den er soeben mit einem Hechtsprung überquert hatte. Jappend versuchte er zu Atem zu kommen, als er hinter sich das Geräusch eines strapazierten Seils hörte. Seine Chance!
Mit aller Kraft stieß sich der Zwerg vom Wagenrad ab und in die Höhe - und hatte kurz darauf auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt.
Doch die Straße verlief zu lange auf geradem Stück.
Deutlich vernahm er das Klatschen zweier Schuhe, die, nach kurzem Fall, sicher auf dem Kopfsteinpflaster landeten. In Gedanken wappnete sich Goldwart schon gegen einen heißen, stechenden Schmerz, der sich zwischen seine Schulterblätter bohren würde.
Das verräterische, leise Klicken ertönte - Braggasch hörte es deutlich trotz seines eigenen Schnaufens.
Da ergriff ihn eine Hand. Finger gruben sich in sein Lederwams. Mit einem betäubenden Ruck wurde er in eine Seitengasse gezogen. Burkhards Sohn konnte beinahe fühlen, wie der Windkanal des heranzischenden Bolzens seine Haare verwehte, als das Projektil seinen Kopf knapp verfehlte.
Der Abteilungsleiter der FROG, Valdimir lächelte auf ihn herunter und lockerte seinen Griff. "Hallo, Hauptgefreiter."
Dann gab er ein stummes Zeichen, das große Ähnlichkeit mit einem Winken hatte.
Kammillus löste sich aus den Schatten und zielte kniend mit einer Armbrust um die Gassenecke. "Niemand zu sehen.", teilte er leise mit.
"Hätte mich auch gewundert.", seufzte van Varwald. "Sichere mit den anderen die Umgebung, auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass der Kerl noch hier ist. Ich bringe Goldwart zur Wache."
Schimmlerssohn nickte ernst.
Der Vampir schob den verdatterten und schwer keuchenden Braggasch weiter in die Gasse hinein und auf einen anderen Weg. "Da hast du noch einmal Glück gehabt, was, Hauptgefreiter?"
"Es... äh... es war...", brachte dieser zwischen dem Atmen hervor. "War Schlitzihn... auf."
"Das haben wir uns gedacht. Wir haben schon Männer auf die Suche nach der Rekrutin Regolith geschickt, sie ist mit ein paar anderen Rekruten in Richtung Schatten gegangen. Wir vermuten das Schlimmste. Was ist passiert?"
"Ich... ich, äh, habe heute... meinen... Bericht abgegeben. Äh. Und später... äh... vor kurzem also... auf dem Weg nach, äh, Hause..."
Valdimier unterbrach ihn. "Wurde auf dich geschossen."
"Äh, ja, Sör." Goldwart nickte. "Ich hatte Glück, äh... weil... ich etwas auf der Straße gesehen, äh, habe... und mich bückte..."
"Verstehe. Ein Hoch auf deine Sammelleidenschaft."
"Ja... äh... Sör."
"Komm jetzt. Etwas Beeilung würde gut tun."
Leise schloss Jo das Fenster.
Wäre er nicht so gut ausgebildet, wie es der Fall war, hätte er nun geflucht.
Aber jeder Assasine wusste, dass Fluchen zu den Dingen gehörte, die man nicht in einem Haus tat, in das man gerade eingebrochen war - genausogut hätte man steppen oder Trompete spielen können.
Einen Moment horchte Schlitzihnauf noch auf die geflüsterten Befehle der Wächter draußen, dann begab er sich zur Rückseite des Hauses. Es würde sich noch eine gute Inhumierungsgelegenheit für diesen Glückspilz ergeben - natürlich erst nachdem Jo von ihm die Auskunft bekommen hatte, wer sonst noch alles in den Fall verwickelt war.
Um die Trollin hatte er sich natürlich zuerst gekümmert, immerhin war sie die Gefährlichste. Mit ihr ihre beiden Begleiter, da sie es gesehen hatten. Glücklicherweise hatten sie es ihm sehr leicht gemacht - jeder wusste, dass die Schatten gefährlich waren.
Der Rest der Wissenden musste noch ausfindig gemacht werden... dem Großeinsatz eben nach zu urteilen waren es nicht wenige.
Dass diese Leute nach acht Jahren plötzlich wieder so einen großen Wirbel darum machten!
So, wie es momentan aussah, würde er recht viele Wächter umbringen müssen. Wie schade.
Als er endlich zu Kanndra aufgeschlossen hatte, fand er sie starr und straff stehend in einem Hinterhof der Gassen.
"Mäm?", fragte Calwyn Steinkerber vorsichtig.
Die Ausbilderin seufzte. "Sieh dir das an, Rekrut."
Der Zwerg blickte in die zunehmende Dunkelheit. Undeutlich konnte er den großen Umriss erkennen, der dort, völlig bewegungslos, im Hof kauerte. "Sieht aus wie ein Troll.", stellte er, nicht ganz ohne Genugtuung, fest.
"Genauer."
Calwyn verdrehte im Rücken der Vorgesetzten die Augen, tat aber wie geheißen. Nach Sekunden des Starrens bemerkte er den langen, matt glänzenden Gegenstand, der aus dem Trollkörper ragte. Zusätzlich gewann er den Eindruck von unnatürlicher Kälte.
"Was ...?"
"Mord", stellte Kanndra in einem sachlichen, wutunterdrückenden Ton fest. "Ich habe keine Ahnung, wer es war, oder wie er es gemacht hat. Aber das da ist Brekzie Regolith. Eine Rekrutin. Eine Trollin."
"Eine Eisenstange ragt aus ihrem Rücken", fügte Steinkerber hinzu.
Die Fähnrich nickte und trat näher. Sorgsam hielt sie die Hand wenige Millimeter vor die steinernen Haut der ehemaligen Rekrutin. "Ich schätze, dass man mit genügend Kälte auch einen Troll umbringen kann. Wenigstens hatte sie einen intelligenten Tod."
"Mäm?" Calwyn wurde angesichts des Hasses, der aus ihrer Stimme herauszuhören war, und des unpassend morbiden Humors langsam unruhig.
"Den Mistkerl schnappe ich mir", war ihre Antwort.
Wenig später fanden sie die anderen Beiden. Eklibört Nörgli starrte noch im Tod verwundert auf den Armbrustbolzen, der aus seiner Brust ragte. Er saß an einer Hauswand, als wolle er nur kurz verschnaufen. Der andere Rekrut, Titus Omnibus, hatte, wenn man der deutlichen Blutspur glauben schenken wollte, wohl noch versucht zu fliehen, doch die, von einem Dolch verursachte, tödliche Bauchwunde hatte diese Art von Versuch schnell untergraben. Mit schmerzverzerrtem Gesicht lag er im Dreck, die Hand noch immer auf die hervorquellenden Därme gepresst.
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[Sebulon, Sohn des Samax]
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Ein Schatten schlich durch das Wachhaus in der Kröselstraße, eng an die Wand gedrückt und leise wie ein Windhauch, der den Geruch von verwesenden Katzen mit sich bringt.
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"Dieses Haus hat so viele wunderbare Möglichkeiten, sich zu verstecken"<, dachte der Assassine, als er den Gang entlangglitt. >
"Gut, dass hier nicht oft aufgeräumt wird."<
Beinahe völlig geräuschlos verschwand er im Zimmer des Kommandeurs der Wache. Etwa eine Minute später verließ er es wieder, mit einem Grinsen auf dem Gesicht und einem sorgfältig gefalteten Blatt in der Tasche.
Herr Breguyar würde sich später sicher wundern, wo er den letzten Bericht des Herrn MeckDwarf gelassen hatte.
In der Kantine saß ein noch immer blasser Zwerg, der bei einem Becher heißer Schokolade versuchte, wieder Farbe ins Gesicht zu bekommen. Es hatte ihn mehr mitgenommen, in der Pathologie mit dem hysterischen Geist einer toten Frau zu sprechen, als er gedacht hätte. Selbst eine gehörige Portion Büroarbeit ließ ihn nicht wieder in die Gänge kommen. Also nippte er an dem warmen Getränk und versuchte die Gedanken schweifen zu lassen.
Unbewusst hörte er mit, dass sich zwei GRUND-Ausbilderinnen unterhielten. Sie sprachen über die unfähigen Kaffeedämonen im neuen Wachhaus, über die schlechten Trainingsbedingungen und die geringe Arbeitsmoral der Rekruten.
Aufmerksam wurde Sebulon, als Kathiopeja nebenbei bemerkte: "... und jetzt habe ich schon wieder sechs Rekruten verloren. Mühsam lernt man mit denen immer wieder für den Rekrutentest, immer wieder, gibt ihnen eindeutige Hilfestellungen - und dann kommen sie nicht mehr. Sind einfach spurlos verschwunden. Tja, so ist das halt."
Sebulon seufzte schwer. Er hoffte, dass wenigstens niemand dabei gewesen war, den er gekannt hatte. Seit dem Beginn seiner Zeit bei RUM hatte er nur noch selten versucht, mit neuen Rekruten Freundschaften zu schließen. Die meisten blieben ohnehin nicht lange.
Bedächtig pflichtete Rogi bei: "Ftimmt fon, die Neufugänge find auch nicht mehr daf, waf fie früher mal waren. Kennen weder ernftfunehmende Felbftverpflichtungen, noch Konfequenf - von Gewiffen mal ganf fu fweigen."
>
"Ich weiß auch nicht, was 'Konfequenf' ist"<, dachte Sebulon zynisch. Dann entschied er sich, aufzustehen und nach oben zur Klackeranlage zu gehen. Er konnte etwas Ruhe und eine mechanische Ablenkung vertragen.
Kurz, nachdem er den zweiten Stock passiert hatte, löste sich ein Schatten von der Mauer und folgte dem Zwerg.
"Hat jemand den Obergefreiten Sebulon gesehen?", rief Romulus von Grauhaar, als er die Kantinentür schwungvoll öffnete. Seine Haare waren zerzaust und er schwitzte. Siebzehn Augenpaare richteten sich fragend auf ihn.
"Gestern hatte er Dienst", meinte Jack, der eher unberührt aussah. "Da wird er vielleicht daheim ..."
"Haben wir schon geprüft", fluchte Romulus und spuckte aus. "Verflucht. Hat ihn denn keiner hier rumstromern sehen?"
Rogi sah sich um und runzelte die vernarbte Stirn. "Ich glaube, er war vor vielleicht fünf Minuten noch hier, Romuluf. Wenn du ihn nicht haft raufgehen fehen, muff er noch im Hauf fein. Vielleicht ift er im Büro ...?"
Die Tür fiel schwungvoll ins Schloss.
Die Tür zur Klackeranlage öffnete sich. Ein müder Zwerg schloss sie hinter sich.
Er erklomm die Wendeltreppe des Turmes.
Beruhigend tickte die Maschine vor sich hin.
Er setzte sich auf einen Schemel, sah kurz die Maschine an, dann in den Himmel.
"Na, Meichter", zischte der Wasserspeier mit halboffenem Mund.
Der Zwerg schreckte auf und sah zu dem freundlich lächelnden Steinwesen. "Oh, äh, hallo, ... kennen wir uns?"
"Ich bin Dracondor, Meichter. Bin noch Rekrut.", zischte der. "Habe heute Diencht an der Anlage. Lilli meinte, dach dach meine Kon-chen-tra-chionchfähigkeiten chteigern würde. Chumindecht meinte dach ihr komicher Dämon Güncher."
Sebulon unterdrückte ein Grinsen. "Sebulon, Sohn des Samax", stellte er sich vor. "Obergefreiter und Püschologe bei Rum. Ich dachte, ich setze mich einfach her und -"
Sebulon sah sich selbst dabei zu, wie er vornüber zu Boden fiel. Aus seinem Rücken ragte ein Dolch.
Instinktiv sprang er auf und fuhr herum. Zwei Assassinen, die sich sehr ähnlich sahen, waren an der Wendeltreppe zu sehen. Der eine schwang sich gerade über die Mauer und ins Ungewisse, der andere sah neugierig-überrascht aus und hatte die Hand an seinen Gürtel gelegt, wo sich noch immer ein Dolch befand, der dem zweiten auf unangenehme Weise präzise glich.
"Interessant", sagte Jo Schlitzihnauf und lächelte kalt. "Wie hast du mich gehört?"
[12]Sebulon schnaubte und hörte sein Herz klopfen. Und, was ihn
wirklich verunsicherte, er hörte sich antworten: "Du warst laut wie ein Mäherunddrescher, der über Kopfsteinpflaster schabt."
Kurz hatte er das Gefühl, als würde sein Herz so schnell pochen, als ob es sich einen Weg aus seiner Brust heraussuchen wollte, dann fiel ihm auf, dass er dem Assassinen in die Augen sah. >
"Minderwertigkeitsproblem"<, dachte er. Da hatte seine Püschologenseele wohl das - mehr oder minder - Offensichtliche verarbeitet, ohne beim Großhirn vorbeizuschauen ...
Laut fügte er an: "Besitzt du wenigstens die Höflichkeit, dich vorzustellen, bevor ich dir deine Rechte vorlese?"
Der Assassine funkelte mit den Augen und verneigte sich übertrieben.
"Prokurator, erster Magistrat, mahnender Ratgeber, Herr der Akten und fünfter Assassine, Johannes Chrysantheme Morifolius Schlitzihnauf.
[13] Mörder von Gudrinella Machmichplatt, Inhumierer deiner Freunde - und dein sicheres Ende."
"Oh", machte der Wasserspeier und fiel in Ohnmacht.
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[Braggasch Goldwart]
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Jo's Blick wich nicht eine Millisekunde von seinem Ziel, als der Rekrut geräuschvoll zu Boden ging, aber ein leises Lächeln umspielte seine Lippen.
"Dieser dort ist als nächster dran.", teilte er Sebulon mit.
"Oh.", antwortete dieser. "Kommt jetzt etwa der Teil, in dem der Schurke dem Guten seinen finsteren Plan enthüllt?" Die Gedanken des Zwerges rasten, da er gleichzeitig einen Ausweg zu finden versuchte, die Püsche des Gegenübers einschätzen wollte, sein gedankliches Testament schrieb und sich schalt, warum er die Situation durch unbedachte Sätze noch verschlimmerte.
Das Lächeln des Assasinen wurde breiter. "So? Du wünscht dir also einen möglichst schnellen Tod?" Er zog nun endgültig den Dolch aus seinem Gürtel - flackerte - und existierte ab diesem Moment zwei mal.
Sebulon fluchte lautlos. Er kniff verzweifelt die Augen zusammen, doch der falsche Jo wollte nicht verschwinden. Beide kamen gefährlich langsam in verschiedenen Winkel auf ihn zu. Hatte Samax Sohn sich bisher Hoffnungen gemacht, den tödlichen Attacken des ausgebildeten Mörders entgehen zu können, so war diese Hoffnung nun auf Null gesunken.
"Aus reiner Neugier: Wie hast du Frau Machmichplatt platt gemacht?", sprudelte es aus dem Püschologen hervor.
Die Jo's antworteten unisono: "Die? Ein Schuss in den Rücken, aus kurzer Distanz. Danach Gift."
Sebulon wich langsam rückwärts. "Und wieso hast du das Gift nicht mit dem hohlen Bolzen injiziert, wie du es vorhattest?"
Beide Assasinen hoben erst verwundert die Augenbrauen, zuckten dann mit den Schultern. "Es ist lange her. Ich wusste damals noch nicht über die Wirkung jenes Gifts genau bescheid. In meinem jugendlichen Leichtsinn ließ ich den Bolzen anfertigen und besorgte dann das Gift - und las, dass es normalerweise oral eingenommen werden musste. Also schoss ich sie nieder und zwang sie, die Blase zu zerbeißen. Heute weiß ich es natürlich besser - es ist durchaus möglich, dieses Gift als Waffengift zu verwenden.", erzählten sie offenherzig.
Der Zwerg stieß mit dem Rücken gegen einen Klackerkasten. "Und warum sie?"
"Ich war auch damals schon mahnender Ratgeber. Mein Rat war: keine Frauen in unserer Gilde. Sie wollte nicht hören, da musste ich deutlicher werden." Beide Jo's traten an Sebulon heran. "Wenn du nun die Güte hättest zu sterben..."
Die Luke flog krachend auf. "Keine Bewegung... äh..."
Der Berufskiller drehte sich nicht zu Braggasch, er zuckte nicht einmal. Statt dessen lächelte er wieder. "Ah, der Glückspilz." Für Samax Sohn sah es weiterhin so aus, als würden zwei Personen reden. "Was glaubst du, Braggasch Burkhardssohn Goldwart, bin ich gut genug um deinen Freund zu erstechen und trotzdem deinem Bolzen auszuweichen? Willst du es herausfinden?"
"Äh... ich, äh..."
"Was mich wirklich an euch Wächtern ärgert...", meinte Schlitzihnauf verträumt, während zwei Dolchspitzen bedrohlich vor Sebulon schwebten. "... ist, dass ihr in so vielen Hinsichten so dumm seid. Trotz allem überlebt ihr. Ihr seid, wie die meisten Bürger dieser Stadt."
"Du bist verrückt."
Der Püschologe hatte diesen Satz ruhig und neutral gesagt.
Aus diesem Grund entfaltete er die Wirkung einer Urangranate.
In der eintretenden Stille hörte man Jo scharf die Luft einziehen, bevor er zu seiner Ruhe zurück fand. "Nichts", hauchte er mit einem intensiven Crescendo, "vermag so sehr die Seele zu erheben und zu beflügeln, Distanz zum Irdischen zu schaffen, sie von der Erde, von den Banden des Körpers zu befreien und sie zur Meditation zu führen wie das Zusammenklingen der Waffen und die göttliche Melodie, die sich daraus erhebt."
[14]Er holte aus.
Sebulon schrie.
Braggasch schrie.
Romulus Kopf erschien neben dem des Zwerges in der Luke. "Stadtwache, sie sind ..."
Johannes Chrysantheme Morifolius Schlitzihnauf sackte lautlos zusammen.
Der Feldwebel sah drohend zur Seite. "Hauptgefreiter, ..."
Goldwart blickte auf seine Armbrust und dann in das Gesicht des Werwolfs. "Ich, äh, habe nichts gemacht, äh, ehrlich! Der Bolzen ... äh ... ist noch ..."
"Schon gut. Ich sehe es."
"Sir?", kam die zögernde Stimme von Sebulon.
"Ja?"
"Darf ich in Ohnmacht fallen, Sir?"
Romulus zog eine Augenbraue in die Höhe. "Von mir aus."
"Danke, Sir." Samax Sohn ergab sich, wie der Wasserspeier zuvor, der selig schwarzen Umarmung.
Von Grauhaar schob sich durch die Luke und trat an den Leichnam des Assasinen.
"Hauptgefreiter?"
"Äh... ja, Sör?"
"Wundert es dich, dass in diesem Mann ein Pfeil steckt, der aus einem völlig anderem Winkel hätte kommen müssen?"
"Äh..."
"Und das an dem Pfeil ein Inhumierungsauftrag befestigt ist?"
"Äh..."
"Hauptgefreiter, ... sagt dir der Name Donja Machmichplatt etwas?"
Leichter Nieselregen hatte eingesetzt.
Still standen die wenigen Wächter an den drei frischen Gräbern und lauschten den Ausführungen von Kanndra Mabosamba. Kathiopeja und Rogi hatten die Plätze neben ihr eingenommen, die Köpfe gesenkt. Sicher dachten beide an ihr kurz zurückliegendes Gespräch.
"... guter Wächter geworden. Seine schnelle Auffassungsgabe..."
Sebulon und Braggasch standen an dem größten der drei Gräber - schweigend und tief in Gedanken versunken, während der Regen leise rauschte und Kanndras leise Stimme möglichst persönliche Worte über jeden einzelnen Rekruten fand.
"... nicht immer mit Feuereifer dabei..."
"Goldi?"
"Ja, Gürtel?"
"Danke."
Überrascht sah Braggasch seinen Freund an. Dann nickte er. "Wenn ich, äh, richtig mitgezählt habe, sind wir kwitt."
"... wäre sie zu einem Urgestein der Wache geworden, im doppelten Sinne, wenn..."
Wieder brach Sebulon leise die betäubende Stille. "Es war also Donja?"
"Äh... wenn man dem Inhumierungsauftrag Glauben schenken darf ... die, äh, Assasinengilde hüllt sich natürlich in, äh, schweigen."
Diesmal war es an Samax Sohn, zu nicken.
"... alle drei unsere Anerkennung verdient. Auch und gerade weil..."
Unruhig scharrte Goldwart mit den Füßen. "Hätten wir sie, äh, retten können, Gürtel?"
"Es war ihre Entscheidung, in die Schatten zu gehen."
"Ja... äh..."
"... jemand ein paar persönliche Worte sagen?"
Noch tiefere Stille senkte sich über die Trauergemeinde herab.
Dann trat Braggasch hervor. Schüchtern nahm er an die Kopfseite von Brekzies Grab Aufstellung.
"Äh... ich habe sie nicht lange, äh, gekannt...", hallte seine piepsige Stimme über den Friedhof. "Aber sie war ein, äh, guter Troll... äh... es ist nicht richtig, dass sie auf diese Weise... äh..."
Die umstehenden Wächter nickten. Mehr musste man nicht sagen.
Sebulon trat an die Seite des Blonden.
"Brekzie Regolith ist ein besonderer Beweis dafür, dass Trolle keine dummen Steinköpfe sind. Sie hat sich mit mindestens dem gleichen Än-thusias-muss in unseren letzten Fall begeben, wie wir, und sie hatte einen gleichen Anteil an dessen ... Auflösung. Leider kann sie das nicht mehr miterleben."
Er holte Luft und horchte in sich hinein. Dann fuhr er fort: "Wir trauern nicht nur um eine Rekrutin, sondern auch um eine Freundin. Um jemanden, der ein hervorragender Wächter geworden wäre."
Normalerweise wäre nach solch einer Rede anerkennender Applaus aufgebrandet, doch dies war eine Beerdigung - und erstaunlicherweise schienen alle Anwesenden wohl erzogen zu sein. Stille Zustimmung erfüllte den Raum um das Grab.
Als sie gen Wachhaus gingen, schaute Braggasch sich aus einem Instinkt heraus noch einmal um. Er sah eine unbekannte, schwarz gekleidete Frau am Grab stehen, die mit erschreckender Eleganz eine weiße Tulpe hineinwarf.
Kurz überlegte der Zwerg, ob er etwas sagen sollte, doch dann entschied er sich, Stillschweigen zu bewahren.
"Wie hast du mich eigentlich so schnell gefunden?", wollte Sebulon in diesem Moment wissen.
Goldwart grinste schelmisch und wandte sich zu ihm um. "Oh. Äh. Du warst nicht in deinem Büro, und, äh, nicht zuhause. Und ich kenne keinen ... äh ... Ort im Wachhaus, in dem es so viel Technik auf einem Haufen, äh, gibt."
Sein Freund nahm das Lächeln matt auf. "Du hättest Püschologe werden sollen, Brags, du kannst dich gut in andere hineinversetzten."
"Nur in dich, Gürtel, nur, äh, in dich."
[1] Nachzulesen in der Single-Mission: Auf den Hund gekommen ...
[2] Der Mathematiker Pythagonal hat vor seinem Tod bekannterweise drei Vermutungen hinterlassen; genannt die 'obere', 'mittlere' und 'untere'. Es ist nicht bekannt, dass auch nur eine der drei bisher von einem Mathematiker mit zwei Beinen bewiesen worden sei. Auf dem Papier mit den drei sogenannten Vermutungen aus dem Nachlass des Pythagonal steht in der Handschrift des alten Mannes: "Übrigens habe ich für diese drei beinahe evidenten Sätze je einen kurzen, hübschen Beweis, für die hier leider kein Platz mehr ist. Wer - wie peinlich! - nicht von selbst darauf kommt, kann mich ja fragen."
[3] Geschwinde ist die Göttin der spontanen Verkleidung und auf rätselhafte Weise verschwundener Gegenstände.
[4] Da Zitate aus Büchern ja laut Regelwerk gekennzeichnet werden müssen: Hier liegen grobe Anspielungen auf ein Buch über einen Alchimisten von Paulo Coelho vor. Naheliegenderweise. Fans des Autors und/oder Buches mögen mir verzeihen.
[5] Gefühlt. Vermutlich stand das Gebäude erst seit zwei Wochen.
[6] Es sei hier angemerkt, das die Suche der Wächter nicht nur durch die Hinterhältigkeit einer Sachbearbeiterin verlängert wurde, sonder auch dem Umstand geschuldet war, dass "
Effektvoll vom Diesseits ins Jenseits - Ein Spiel der Elemente" keinen Index besaß, weil dieser zusammen mit einem beträchtlichen Teil des Einbandes einer Säure zum Opfer fiel, die gelegentlich zum Reinigen der Labortische in der Gilde verwendet wird. Man mag sich an Substanzen wie Trollkot, der regelmäßig Anwendung in der Alchimistengilde findet, ausmalen, welche Kraft ein solches Reinigunsmittel besitzen muss.
[7] Die berühmten Kurbäder in Überwald haben hierin ihren Ursprung. Die Legende, das Drachen die Quellen beheizen, ist dagegen zur Wahrung des Betriebsgeheimnisses erfunden worden. In den meisten Bädern wird desshalb immernoch Schwefel ins Wasser getan.
[7a] Eine selten gebrauchte zwergische Redewendung. Meist von Schmiede- oder Stadtzwergen verwendet. Ihr Ursprung ist im Nebel der Zeit verloren gegangen.
[9] Was einer Trollin natürlich auch nicht auffallen würde ...
[10] Ein Straßenclown ließ sich nicht beirren und tollte an den beiden still stehenden, verwunderten Wächtern vorbei.
[11] Ist so eine Redensart unter Zwergen. Einfach nicht vorstellen. Ähem.
[12] Für alle, die sich wundern, wer der andere Assassine ist und weshalb sich Sebulon zusehen kann, ohne zu sterben, seien die letzten Geschichten des Zwergen empfohlen, die relativ häufig Dinge erzählten, die nicht komplett der Realität entsprachen. Nicht dieser Realität. Zumindest konnte Sebulon mitunter diese Realität und alternative optisch nicht unterscheiden. Verflixte alternative Realitäten-Hosenbeine.
[13] Ähnlichkeiten zu gewissen Pflanzen und antiochenischen Kirchenlehrern sind nur mit relativer Absicht ... ach was, hier wird schon recht deutlich angespielt. Einfach abwarten.
[14] So ähnlich ist es beim Kirchenvater J. Chrysostomos zu lesen.
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