Jeder Wächter muss einmal eine Entscheidung treffen. Manchmal ist sie leicht - aber das sind Ausnahmen.
Dafür vergebene Note: 12
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Braggasch Goldwart
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Schweigend saß Braggasch da und lauschte seinem Freund. Sebulon erzählte die Geschichte über seine Kerkerwache recht anschaulich und ausgiebig. Er berichtete von verrückten Mathematikern, niedergeschlagenen Zellengenossen, langweiligen Büchern und verlockenden Angeboten für ein einziges Mahl aus der Wächterkantine.
Als Samax Sohn bei diesem Teil der Erzählung angekommen war, verstummte er und beide Zwerge hingen einen Moment der Vorstellung nach, was einen Mann dazu bewegen konnte so viel Geld für den Fraß aus der Wache auszugeben. Nach einigem Grübeln schüttelten beide mit dem Kopf - so weit reichte ihre Phantasie nicht.
Sie saßen in der Taverne zum
Gesprungenen Auge im Hafenviertel. Braggasch hatte Sebulon auf einen herzhafte Rattenspieß und einige Bier eingeladen. Sein neuer Reichtum machte ihm diese Großzügigkeit möglich.
"Wo war ich?", mampfte sein Freund, einen Bissen Ratte im Mund.
"Äh... Ich glaube du wolltest grade zu der seltsamen Pflanze kommen, die du eben mal erwähnt hattest.", antwortete Goldwart.
"Ah, ja, ja. Intelligentes Birnbaumholz. Soll nur noch wenig davon geben, und es ist extrem magisch. Hatte mir gedacht darüber sollte man sich mal informieren."
Das mit
man Braggasch direkt involviert wurde, ärgerte den Zwerg ein wenig. "Na ja... Äh... Ich halte ja von magischen Dingen nicht so viel... Das ist eher was für die Okultis... Äh..."
"Überleg dir, was man darauf für Armbrüste bauen könnte!", lockte Sebulon grinsend.
"Hmm... Oder Bolzen..."
"Selbstfliegend!"
"Selbsttreffend!"
"Mit der Möglichkeit um Kurven zu fliegen!"
"Vervielfachte Reichweite... na gut, vielleicht sollten wir uns da doch mal ein Buch drüber besorgen..."
Sebulon lächelte selbstgefällig.
"Aber, jetzt... Äh... erzähl erst mal weiter!" Genüsslich schob sich Braggasch ein Stück Spieß in den Mund.
"Genau. Wo war ich?"
"Das... Äh... Hast du schon mal gefragt."
Samax Sohn verzog das Gesicht und besann sich dann auf seine Geschichte.
Der Rest war eher langweilig, nur ganz am Ende geriet der Zwerg ins Stocken.
Braggasch verschluckte sich an einem Stück Ratte und hustete ausgiebig. "Eine... Äh... Vampirin?"
"Ja. Doch. Ja." Sebulon runzelte die Stirn. "Was dagegen?"
Sein Freund hob abwehrend die Hände. "Nichts. Nichts. Ich hab nur ein wenig... Äh... Respekt vor Vampiren."
"Kann ich gut nachvollziehen. Aber sie war... nett."
Braggasch zog eine Augenbraue in die Höhe. "Oha. Sebu. Fang mir da bloß nichts an.", meinte er schelmisch.
Der Angesprochene prustete nur abfällig. Ob seine Abfälligkeit sich auf die Frau oder die Warnung seines Freundes bezog, konnte Goldwart nicht erkennen.
"So, ich hab genug erzählt, jetzt bist du dran!"
"Warte... Äh... Jetzt wo du die Vampirin erwähnt hast, da fällt mir was ein." Burkhards Sohn traf eine Entscheidung und sah den anderen sehr ernst an. "Erinnerst du dich noch an unsere Sache mit dem... Äh... was auch immer es war... Vampir?"
"Vampir? Was? Kann ich mich gar nicht dran erinnern! Was für ein Vampir?" Die nun entstehende Pause nutze Sebulon, um resigniert den Kopf zu schütteln. "Natürlich erinner ich mich daran! Wie könnte ich das je vergessen? Kreide und Meer, Goldi, was für eine dämlich Frage!"
"Hmmm... Äh... Ja, vielleicht. Auf jeden Fall hat der mich ja gebissen."
"Geschnitten.", verbesserte sein Freund.
"Das sagst du... Ich glaube immer noch, dass er mich... Äh... Auf jeden Fall kam danach doch die Sache mit der Explosion. Und... Äh... Da habe ich mir gedacht, wenn ich noch normal wäre, hätte ich das nie überlebt... Und... Äh... Danach habe ich dann auch so ein komischen Prickeln an den Zähnen und den Haaren gemerkt... Äh..."
"Worauf willst du eigentlich hinaus?"
Statt zu antworten zog Braggasch die Oberlippe ein wenig hoch. "Fiehft du daf da?", lispelte er und deutete auf einen Eckzahn. "Die waren vorher noch nicht fo fpitz!"
"Was?" Sebulon beugte sich vor. "Sehen ganz normal aus."
"Du haft... Äh... Du hast einfach kein Auge dafür! Ich verwandle mich in einen Vampir, Sebu, es ist... Äh... ganz klar!"
Der andere Zwerg stutze, riss die Augen auf - und fing dann schallend an zu lachen. "Nein... Brag... Ehrlich... Das ist unter allen... Bescheuerten Ideen, die du hattest... Die Dämlichste!", brachte er zwischen den Lachanfällen hervor.
Goldwart verschränkte nur die Arme und sah ihn grimmig an.
Sebulon hob entschuldigend die Hände. "Wirklich, Brag, hab keine Angst, du verwandelst dich nicht!"
"Aber, dass ich überlebt habe, und die Zähne, und die... Äh... Haare!"
"Glück und Zufall."
"Nein, Sebu, ich fühle es in mir!"
"Bitte, Brag, verschon mich, erzähl lieber, wie du an das Geld gekommen bist, das interessiert mich weitaus mehr!"
Braggasch besah seinen Freund kritisch und wandte sich erst einmal seinem Essen zu, bevor er antwortete. Als er sich soweit wieder beruhigt hatte, spülte er den letzten Rest Ratte mit einem kräftigen Schluck Bier runter und überlegte.
"Äh... Es hat wohl damit angefangen, als Harry..."
Und der Zwerg begann zu berichten.
[1]"Rekrut Goldwart!", rief Oberstabsspieß Harry.
Braggasch versuchte, so schnell wie möglich zu salutieren, wobei er die Papiere, die er gerade trug, im Raum verteilte.
Der Gnom verdrehte die Augen. "Rühren, Rekrut. Hast du dir den Blödsinn bei Sebulon abgeguckt? Du weißt doch, dass ihr das mit dem salutieren ruhig lassen könnt!"
"Ja, Sör."
"Was machst du da eigentlich?"
"Feldwebel Feinstich meinte, wenn ich nichts zu tun hätte, könnte ich diese Berichte... Äh..."
"Aha." Harry betrachtete seinen Schützling mit einem langen Blick. "Sag mal, Braggasch, ich habe dir doch letztens mal gesagt, du solltest dich so langsam mal entscheiden, wo deine Zukunft liegt. Deine Ausbildung hier ist fast abgeschlossen... Oder sagen wir besser: Ich habe zumindest
versucht, dir das wichtigste beizubringen. Jetzt ist es an der Zeit sich für eine Abteilung zu entscheiden."
Der Zwerg unterbrach sein hektischen Zusammensammeln der Blätter, um seinem Ausbilder in die Augen zu blicken. "Ich habe... Äh... Noch keine Entscheidung getroffen, Sör."
"Dann wird's Zeit! Ich sag dir was, um dir zu helfen, schicke ich mal eine Taube zum Pseudopolisplatz. Die sollen da mal jemanden finden, der dich mitnimmt. Bei seiner Arbeit, meine ich. Dann kannst du dir ein besseres Bild machen."
"Danke, Sör... Äh..."
"Bitte, keine Ursache. Bring die Berichte weg und mach dich dann auf den Weg, die werden schon jemanden zur Hand haben."
Wenig später stand Braggasch vor dem Wachetresen am Pseudopolisplatz.
"Äh... Hallo..."
Der Diensthabende in der SEALS-Uniform sah auf den Zwerg hinunter. "Ja?"
"Ich soll hier... Äh... Ist das ein Rock?"
[2]"Nein.", antwortete der Mann steif. "Das. Ist. Ein. Kilt."
"Oh... Äh..."
"Sag mal, kennen wir uns nicht?"
Braggasch sah den gutaussehenden Mann an. Auch in ihm klopfte beharrlich eine Erinnerung.
"Bist du nicht einer von den Pappnasen, die versucht haben Jack zu verhaften?"
"Äh..."
"Ja, genau, ich erinnere mich! Wegen dieser Kaffeesache!"
"Äh..."
"Kathi hat euch danach bestimmt ziemlich die Leviten gelesen, was?"
"Äh..."
"Also ich hätt's! Was willst du denn hier?"
"Äh..." Braggasch räusperte sich. "Ruppert, oder?"
"Stimmt genau, Kurzer."
"Ja... Äh... Harry... Äh... Der Oberstabsspieß müsste eine Taube geschickt haben..."
"Ach,
du bist der interessierte kleine Rekrut?", fragte Rupert ag LochMoloch amüsiert. "Na, dann geh mal in die Kantine, da steht deine neue Begleitung rum. Apropos rum - sie ist von RUM." Der Mann lachte kurz über sein eigenes Wortspiel. "Wird dir gefallen, glaub mir."
Irritiert ging der Zwerg zu der Tür, auf der mit verfärbten Lettern geschrieben stand:
"Kantine (Trolle bringen ihre eigenen Steine mit)".
In dem großen Raum dahinter befand sich nur eine einzige Person.
Und sie
schwankte.
Braggasch staunte über das realistische Knarren, dass sie dabei von sich gab.
"Äh...", meldete sich Goldwart an.
Doch die Frau antwortete nicht. Sie stand weiter da, kippte leicht vor und zurück und starrte an die Wand. Braggasch ging auf sie zu und nach einigem Überlegen stupste er sie an der Schulter an. Sie war erstaunlich hart.
"Hey, nicht berühren!", keifte eine Stimme, ohne dass sich die Lippen der Frau bewegten. "Siehst du nicht, das Lilli schläft?"
"Lilli? Lilli Baum?", unterbrach Sebulon Braggaschs Geschichte.
"Äh... Ja, warum? Kennst du sie?"
"Nicht persönlich. Aber ich habe einiges von ihr gehört. Sie soll ... anstrengend sein."
"Das... Äh... Trifft es ziemlich gut.", gab Goldwart seinem Freund recht. Er befeuchtete seine Kehle mit einem Schluck Bier und fuhr dann fort: "Also... Äh... Ich hab mich natürlich gewundert woher die... Äh... Stimme kam..."
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Sebulon, Sohn des Samax
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"Äh, bist du etwa eine Bauchrednerin?", fragte Braggasch nach kurzem Zögern.
"Hähähä! Ganz sicher nicht!", erwiderte die Stimme. "Mein Bauch redet nur, wenn ich zu viel esse. Zu deiner Information: Ich bin männlich - bei dir bin ich mir allerdings nicht sicher. Siehst mehr wie 'ne Dame aus."
"Äh ... Mäm!", empörte sich der Rekrut und funkelte Lilli böse an: "Ich bin nicht gekommen, um mich ... äh ... beleidigen zu lassen!"
"Och, rufen wir jetzt etwa nach unserer Mami?"
Braggasch folgte irritiert dem Klang dieser beleidigenden Stimme und sah nach unten. Dort stand ein Gerätedämon, rieb sich die Augen als würde er bitterlich weinen und rief: "Mamiii, hilf mir, ich hab meinen Schnulli verloren! Buähh!"
Unfähig zu einem entsprechenden Konter schnappte der Zwerg nach Luft.
Plötzlich griff jemand mit spitzen Fingern nach dem Dämon, hielt ihm am Schlawittchen und hob ihn in die Höhe. Braggasch beobachtete, wie Lilli zu einem Tisch maschierte, auf dem ein eckiger Kasten stand, mit der freien Hand den Deckel hob und den Dämon drin absetzte. Dann verschloss sie den Kasten wieder, ohne auf das andauernde Keifen des Dämonen zu achten und starrte zu Braggasch herüber.
"Äh ...", entgegnete der: "Nun ... äh ... äh ..."
Die Augenbrauen der Hauptgefreiten hoben sich verwundert. Dann senkten sie sich wieder und ihr Fuß begann ungeduldig zu tappen.
Schließlich fand der Zwerg seine Fassung wieder und schloss seine äh-reiche Einleitung: "... äh, ich suche nach jemandem. Äh, aus RUM. Der Abteilung RUM. Äh."
Der Blick von Lilli veränderte sich nicht - wenigstens hörte das Tacken des Fußes auf.
"Äh ... er scheint aber nicht hier zu sein", murmelte Braggasch und starrte auf den gestickten Frosch auf ihrer FROG-Uniform. Er senkte den Blick für einen Moment, doch dann schaute er zögerlich wieder auf.
"Wenn Sie mir vielleicht, äh, sagen könnten, Mä'äm, wo er ... äh ... nun, äh, hin ist - tja, dann würde ich Sie auch gar nicht weiter stören. Äh."
Die Hauptgefreite reagierte höchst seltsam. Sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn und schüttelte dann den Kopf. Dann starrte sie den Zwerg mit einem entnervten Blick an. Sie bemerkte den Zettel von Ruppert und nahm ihn kurzerhand aus Braggaschs Händen, der viel zu überrumpelt war, um sich zu wehren. Sie schien minutenlang drauf zu starren. Dann wurde sie furchtbar bleich.
"Mä'äm? Äh ... geht es Ihnen, äh, gut? Ich könnte ja schnell die Frau Feldwebel ... äh ... Feinstich holen, wenn Sie das ..."
Lilli schüttelte nur den Kopf.
"Könnte ich dann vielleicht ... äh ... meinen Zettel wiederhaben?"
Die Hauptgefreite sah ihn an und schob das Papier zu ihm rüber.
"Und, äh, wissen Sie wirklich nicht, wo der Kollege aus RUM ist? Ein einfaches 'Nein' würde ich ja als Antwort schon akzeptieren."
Vom Kasten her drang schallendes Gelächter. Ein kleines Fensterchen klappte auf. Der fiese Dämon streckte den Kopf heraus und feixte: "Zwerg, bist du wirklich so blöd, oder tust du nur so? Das hier ist Lilli. Die redet nicht. Selbst wenn ihr Leben davon abhängen würde." Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem beängstigend breiten Grinsen: "Deswegen wird es dich bestimmt freuen, dass sie einen so extrem nützlichen Gerätedämon wie mich besitzt. Das wird eure Zusammenarbeit um Längen verbessern. Du darfst mich übrigens eure erhabene Magnifizenz Günther nennen!"
"Was?", entfuhr es Braggasch. Irgendwie lief es gerade gar nicht gut. Er fing sich und erwiderte: "Und wieso steht da auf dieser Plakette an dem Kasten "Heißt Horatuis, unter keinen Umständen Günther nennen"?"
"Ach die...", erwiderte der Dämon und schwenkte augenblicklich in einen schmeichlerischen Tonfall hinüber: "Die war nur mal so ein Aprilscherz. Hat keine Bedeutung, wirklich nicht."
"Oh!", unterbrach ihn Sebulon: "Von dem habe ich schon gehört. Die Nummer soll der echt ständig abziehen. Besteht ständig darauf, dass er Günther heißt und nicht Horatius. Soll eine rotzfreche Kröte sein, die wirklich jeden beleidigt."
"Ja ... äh ... das hat er auch mit mir gemacht", erwiderte Braggasch und schlabberte dann ein wenig von seinem Bier.
"Sag mal, spricht Lilli wirklich nicht? Also dass sie da geschwiegen hat ist ja eine Sache ..."
"Kein Wort.", seufzte der blondgelockte Zwerg. "Äh, ihre Stimme funktioniert aber, glaube ich. Manchmal, äh, summt sie oder schnalzt mit der, äh, Zunge. Ich vermute, dass man sie, äh, foltern könnte und sie würde nicht einmal schreien. Laut stöhnen vielleicht."
"Gruselig.", kommentierte Sebulon.
"Naja, wir hatten ja, äh, seine
Magnifizenz, den schlechten Witz dabei. Der hat für sie das Sprechen übernommen."
"Und stimmt es eigentlich, dass diese Dämonen eigene Verträge haben? Hab gehört, die arbeiten weniger als der Kommandeur höchstpersönlich und bekommen mehr Gehalt, weil sie Arbeit machen, die sonst keiner will."
"Äh, das glaube ich nicht. Schon allein, weil der Widerling nicht weniger als, äh, 10 Stunden am Tag arbeitet, soweit ich weiß."
"Ich wette mit dir, dass Kommandeur Breguyar mehr arbeitet."
"Und, äh, worum wetten wir?", fragte Braggasch skeptisch.
"Um ... um nen Abend Bier ausgeben."
"Gut, äh, wenn ich gewinne, spendierst du den Abend."
"Ebenso."
Sie schlugen ein und lächelten. Dann stießen sie auf zwergische Art mit den Krügen an und schlabberten genüsslich im Bier herum. Schließlich führte Sebulon das Gespräch auf Braggaschs Erzählung zurück.
"Sag mal", brummte der Zwerg und wischte sich Bierreste aus dem Bart, "Lilli redete ... durch diesen S.P.R.E.C.H.-Kasten?"
"Äh, in der Tat."
In Sebulons Augen funkte neugieriges technisches Interesse auf.
"Brag, hast zufällig du eine Ahnung, wie der funktioniert?"
"Soweit ich es verstanden habe, ist der Kasten vollständig möbliert und stellt die Wohnung von dem, äh, Biest dar. Oben ist eine durchsichtige Glasplatte mit Buchstaben eingeprägt, auf sie dann tippt. Aber wie der Dämon genau, äh, weiß, was die Baum will, das hab ich nicht, äh, herausgefunden. Wortgetreu ist er aber bestimmt nicht, denn, äh, einen solchen Tonfall traue ich ihr eigentlich nicht zu."
"Schade.", brummte Sebulon enttäuscht. "Naja, nicht zu ändern. Lass dich nicht von mir abhalten; erzähl einfach weiter."
"Oh. Äh. Nun, nachdem der Dämon eine Weile versucht hatte, mich davon zu überzeugen, dass er Günther heißt, hat mich Lilli an der, äh, Hand genommen und ... äh ... in ihr Büro. Äh. Gebracht."
"Olala!", entgnete sein Freund mit einem anzüglichen Grinsen. "Goldi, Goldi, Goldi - so kenne ich dich ja gar nicht."
"Nein ... äh ... das darfst du nicht, äh, falsch verstehen, Gürtel, das war ganz ... äh ... anders."
In Lillis Büro angekommen, dirigierte sie ihn mit einer knappen Handbewegung auf einen Stuhl und verschwand unter dem Schreibtisch. Braggasch hörte, wie sie dort unten eine Schublade herauszog. Augenblicke später drückte sie ihm ein Buch in die Hand und rauschte aus dem Zimmer, nicht ohne ihren Kasten und Braggaschs Zettel von Ruppert mitzunehmen.
Irritiert starrte Braggasch auf den Buchtitel: "Korrektes Sprechen leichtgemacht - so werden sie jeden Sprachfehler innerhalb von dreißig Tagen wieder los".
Nachdem sich Sebulon wieder beruhigt hatte - Braggasch war rot angelaufen, als sein Freund schallend zu lachen begonnen hatte, bestellten die Zwerge ein neues Bier und der Blondgelockte fuhr fort zu erzählen.
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Braggasch Goldwart
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Braggasch verstand einfach nicht, warum diese Lilli ihn so behandelte. Als Harry ihm sagte, jemand würde ihn schon mitnehmen, da hatte alles viel einfacher und angenehmer geklungen. Er starrte auf das Buch hinab. Tief in seinem unterentwickelten, sozialen Teil des Gehirns mutmaßte er, dass es eine Beleidigung sei, ihm dieses Werk zu geben. Doch da der Zwerg sich nicht sicher war, entschied er sich vorerst dagegen.
... eine ganz einfache Lösung, indem man einen Korken zwischen die Zähne nimmt. Dies zwingt einen, besonders deutlich zu sprechen. Täglich in dieser Art zwei Stunden lang ein Gespräch geführt, und das Nuscheln wird binnen weniger Tage...Braggasch seufzte. Was für ein Unsinn! Wenn ein Zwergenkind nuschelte, dann schlug man ihm so lange mit der stumpfen Seite der Axt auf den Kopf, bis es damit aufhörte. Das funktionierte ganz hervorragend. Ungeduldig blätterte einige Seiten weiter.
... bei einer Maulsperre besonders schwierig, denn durch den stetig aufstehenden Mund ist es nahezu unmöglich bilabiale, postalveolare oder labiodentale Explosivlaute zu bilden... Braggasch las den Satz sicher fünf mal, doch einen Sinn konnte er nicht entdecken.
... wird in Klatsch dem Kind ein Faden um den Unterkiefer gewickelt, der die Zunge im Mundbett fixiert. Diese etwas rabiate Art sorgt zwar für gehörige Schluckbeschwerden, doch der klatschianische Arzt Al'Dente schwört auf diese Methode. Weiterhin soll es helfen, wenn der Betreffende einen Stein...Goldwart schüttelte den Kopf. Dieses Buch war die reinste Zeitverschwendung. Jeder wusste, wie man Lispeln kurierte. Dabei spielte allein die stumpfe Seite einer Axt eine Rolle.
Gelangweilt legte Braggasch das Sprachlehrbuch zur Seite. Er konnte ausgezeichnet sprechen, was wollte diese Lilli denn von ihm?
Sein Blick begann im Raum umherzuschweifen und ein Weilchen unterhielt er sich mit der gedanklichen Vorstellung, wie er sein künftiges Büro in seiner künftigen Abteilung einrichten würde - und natürlich was für ausgeklügelte und unknackbare Sicherheitsmechanismen er in der Bürotür einbauen würde. Vor den Augen des Zwerges entstanden Schränke voll Werkzeug, eine kleine Esse, diverse Werkbänke, ganze Ordner mit Bauzeichnungen...
Am Bücherregal blieb er hängen. Er stand auf, schlenderte hinüber und betrachtete die Buchrücken eine Weile desinteressiert. Natürlich war Keins über Mechanik dabei. Womit verbrachten Menschen denn ihre Zeit, wenn nicht mit Basteln? Schließlich nahm er eines der Bücher, welches keinen Titel auf dem Rücken trug, heraus und warf einen Blick auf die Vorderseite.
"Mit Untoten auf Du und Du."
Er schlug die erste Seite auf und las die bleischriftgeschriebene Widmung: "Damit du dem Chef nicht ständig auf der falschen Pfote erwischst."
Braggasch zuckte mit den Schultern, und blätterte nur halb interessiert weiter. An einer wahllosen Stelle blieb er hängen:
...sie infizieren ihre Opfer durch einen Biss, woraufhin diese ebenfalls an der Lykantrophie erkranken und somit spätestens beim nächsten Vollmond ebenfalls zu Werwölfen mutieren. Dieser Vorgang ist nicht umkehrbar...Lükanntrofie? So hieß diese Werwolfsache also?
Sein Fuß begann zu jucken. Umständlich stützte sich der Zwerg mit dem Arm am Regal ab um sich zu kratzen, da durchzuckte ihn ein leiser Schmerz.
"Dieses dämliche Mistvieh...", murmelte er, krempelte den Ärmel hoch und betrachtete die, aus unerfindlichen Gründen kaum verheilen wollende, Wunde ans einem Arm.
Es war jetzt sicher schon drei Wochen her, seid... ihn... der...
Polternd landerte das Buch auf dem Boden.
Bilder entstanden wie von selbst vor dem geistigen Auge des Zwergs. Ein stilles Lagerhaus. Eine Leiche. Eine schemenhafte Gestalt, das Maul weit aufgerissen. Der Schmerz ins einem Arm, als ihn das Wesen traf. Das unglaubliche Glück bei der Explosion - er müsse eigentlich tot sein, hatten sie gesagt! Das Jucken an Kopfhaut und Zahnfleisch!
Braggasch wurde bleich wie zu oft gewaschene Wäsche, als er eins und eins zusammenzählte.
Mit zitternden Händen hob er das Buch auf und verbarg es mit Mühe unter dem Lederharnisch.
Das konnte nicht sein! Er musste sich irren! Bestimmt bildete er sich das alles nur ein, wenn er genau nachschaute, dann würde sich bestimmt herausstellen, dass es alles nur ein ziemlich kindischer Irrtum gewesen war.
Erschrocken drehte sich der Zwerg um, als er hinter sich ein Räuspern vernahm.
"Oh... Äh... Äh..."
Seine zeitweilige Vorgesetzte klopfte ungeduldig mit ihrem Fuß auf den Boden.
Braggaschs Gedanken rasten, er musste mehr über die Sache herausfinden, und dafür benötigte er das Buch, welches so unsanft in seinen Magen drückte.
"Ich... Äh... Habe sie gar nicht reinkommen hören... Äh... Mäm..."
Lilli Baum zuckte mit den Schulter und befahl in mit einer knappen Geste, ihr zu folgen. Der Zwerg schluckte, fasste ein Herz und fragte: "Haben sie was... Äh... dagegen, wenn ich... Äh... ihr nettes Buch noch eine Weile behalte?"
Von Lilli kam ein Brummen, das der Zwerg als Ja interpretierte. Sie wandte sich ab und verließ den Raum, ohne auf das Sprachenbuch auf dem Tisch zu achten. Goldwart zögerte nur eine Sekunde - diese Sache war zu wichtig!
Schnell schnitt er den Einband von
"Korrektes Sprechen leichtgemacht" mit dem Dolch heraus, zog das Buch über Untote hervor und legte es in den neuen Einband. Zwar war sein wertvolles Diebesstück etwas kleiner und dicker als der andere Band, jedoch würde er einer ungenauen Beobachtung standhalten. Die Reste des Sprachbuches rollte er zusammen und steckte sie in seinen Lederbeutel, so konnte er es später reparieren, und es würden keine Unannehmlichkeiten entstehen.
So zumindest die eitle Hoffnung des Zwerges.
"Du hast eine Hauptgefreite bestohlen?"
"Nein... Äh... Es ist nur..." Dieses Mal fiel Braggasch keine Möglichkeit ein, seine Tat klein zu reden. Er hatte gestohlen.
"Im Ernst, Goldi, du bewegst dich auf sehr glattem Eis.", meinte Sebulon kopfschüttelnd.
"Aber... Äh... Versteh das doch, Gürtel, es war furchtbar wichtig..."
"Das ist es bei dir immer, Brag.", antwortete sein Freund ernst. "Ich bitte dich nur aufzupassen, sonst bist du schneller raus als du hydraulischer Stumpfdrechsler sagen kannst."
Goldwart schwieg betroffen. Samax Sohn nahm einen Schluck Bier und forderte ihn dann achselzuckend auf: "Na los. Erzähl weiter."
Die Hauptgefreite stand an der Tür zum Umkleideraum, und strahlte mit jedem Muskel ihres Körpers Ungeduld aus. Braggasch lächelte entschuldigend, worauf hin er in den Raum gewunken wurde. Auf einer der Bänke lagen, als würden sie den Zwerg erwarten, Kleidungsstücke. Mehrere braune, feste Leinenhemden und -hosen bildete die Grundlage, darüber kamen eine schwere, nietenbesetzte Lederhose, die sicher schon bessere Tage gesehen hatte, und eine dazu passende Weste. Stiefel mit Stahlkappen, ein Tellerhelm und eine Spitzhacke vollendeten das Bild eines Stollenarbeiters. Natürlich
wusste Lilli, dass kein normaler Bergarbeiter in Arbeitskleidung, mit Helm und Hacke in eine Kneipe gehen würde - denn genau ein solches Etablissement war ihr Ziel - aber die allgemeine Meinung besagte, dass ein Zwerg sein Gerät niemals aus der Hand legte und nur
ein paar Kleidungsschichten besaß, und wer ein echter Zwerg sein wollte, hatte sich verdammt noch mal gefälligst nach der Gesellschaft zu richten. Ein Zwerg, der sich wie jeder normale Mensch verhalten hätte, wäre unter Menschen sofort aufgefallen.
Einen kurzen Moment sammelten sich Braggaschs zerstreute Gedanken, um ein abschätziges "Äh..." zustande zu bringen, doch als er Lillis Gesichtsausdruck bemerkte, verzichtete er auf jedes weitere Gegenwort.
Murrend kleidete er sich neu ein, während sein Hirn sich fieberhaft daran zu erinnern versuchte, welche Mondphase gerade herrschte.
Mit einiger Mühe schloss er den Kinngurt des Helms und drehte sich zu Lilli Baum um.
Die Hauptgefreite und ihr Sprachdämon fingen lauthals an zu lachen - das heißt, Lilli bog und krümmte sich, und Horatius lieferte den schrillen Ton dazu.
Die Hosen hatte Hochwasser, die Ärmel reichten gerade so über die Ellenbogen und die Hemden sowie die Weste endeten kurz über dem Bauchnabel. Beschämt lief Braggasch rot an. "Ich... Äh... Hatte ihnen gleich sagen können, dass mir normale Zwergenkleidung nicht passt... Äh... Mäm... Ich bin zu groß."
Breit grinsend nickte seine momentane Vorgesetzte und bedeutete ihm zu warten. Horatius Kichern war noch zu hören, als sie in den Keller hastete.
Während der Zwerg sich umzog, meinte er fest zu stellen, dass seine Beinbehaarung erschreckender weise zugenommen hatte. Jede Peinlichkeit verflog und machte wieder jener Panik Platz, die sich schon in Lillis Büro eingestellt hatte. Hastig griff Braggasch nach dem getarnten Buch über Untote.
Fahrig und unbestimmt begann er zu blättern. Sollte er wirklich? Was war, wenn sich seine Sorge bestätigte?
Schließlich kam er nach den Banscheehs, den Ghulen und den Vampiren beim Buchstaben W wie Werwolf an.
Mit Grausen las er über das gewalttätige und unbeherrschte Wesen, dass ihnen nachgesagt wurde, und kam dann endlich zu den typischen Anzeichen, die einen Lykanthrophen auszeichneten.
Er begann zu zittern, als er die Zeilen überflog und warf das Buch schließlich in eine Ecke; der nachfolgende Abschnitt über zivilisierte Werwölfe interessierte ihn im Moment nicht.
Tränen quollen aus seinen Augen hervor. Er hatte es gewusst, die ganze Zeit geahnt. Alle Zeichen trafen zu, alle! Sein Hals war wie zugeschnürt, in seinen Eingeweiden konnte er schon verhaltenes Knurren hören
[3] und wo er jetzt darüber nachdachte, war sein Bart seit dem letzten Mal, als er ihn geprüft hatte, eindeutig gewachsen - um das zu wissen, brauchte er kein Maßband. Dann die nicht verheilende Wunde und das ständige Jucken am Zahnfleisch!
Völlig am Boden zerstört lehnte sich Braggasch gegen die Wand des Raumes. Er würde sich bald verwandeln! Ein niederträchtiger Werwolf werden! Was sollte er nur tun? Was würde seine Mutter dazu sagen?
Ein Poltern von der Seite riss ihn aus dem Gedankengang: "Lilli meint, das hier müsste dir passen.", stellte Horatius fest, während die Hauptgefreite den schmalen Schuh aufhob, den sie hatte fallen lassen.
Braggasch glotzte nur. Mitfühlend musterte Lilli ihn und tippte schließlich etwas auf den Kasten.
"Sie will wissen, ob alles in Ordnung ist.", übersetzte der Dämon.
Langsam nickte Goldwart. Die Frau runzelte misstrauisch die Stirn, zuckte dann jedoch mit den Schultern und tippte.
"Du sollst in den Hof kommen, wenn du fertig bist."
Wieder ein schwaches Nicken.
Braggasch hätte es niemals zugegeben, doch in der jetzigen Verkleidung fühlte er sich wohler, als in der Lederkluft zuvor. Dabei bestand diese nun aus spitzen, schwarzen Schuhen, einer weißen Strumpfhose, einem mattgelben, halblangen Mantel mit Pelzkragen und einem Stoffhut mit Feder.
Ruppert ag LochMoloch konnte sich einen hämischen Kommentar nicht verkneifen, als der Zwerg an ihm vorbei in den Hof ging, doch Lilli nickte bei seinem Anblick nur. Die Hauptgefreite selbst trug nun typische Wirtskleidung und ihr Haar war mit Fett zurück gekämmt worden. Ihre Finger huschten über die Glasplatte.
"Sie meint, und da hat sie verflucht recht, dass dir sowieso niemand abnimmt, dass du ein Zwerg bist, deshalb kannst du genau so gut einen bescheuerten Adligen oder Reisenden mimen, der grade von einem der Schiffe kommt. Es geht nämlich ins Hafenviertel.", teilte Horatius dem Rekruten mit.
"Äh... Und warum kann ich nicht einfach ich sein?"
Lilli und der Dämon verdrehten synchron die Augen.
"Weil der Trick beim verdeckten Ermitteln der ist, dass wir verdeckt sind, Intelligenzbolzen."
"Wir ermitteln also... Äh... Verdeckt?", fragte Braggasch weiter, und wusste schon während dem aussprechen, dass es ein Fehler war.
"Nein, wir machen uns schick und trinken ein heiße Schokolade mit Sahne in Klatsch.", schnauzte der Dämon ironisch. "
Natürlich ermitteln wir verdeckt, was meinst du, was wir den ganzen Tag machen? Allerdings stimmt das nicht ganz. Lilli wird verdeckt ermitteln, und du wirst zuschauen, bevor du alles vermasselst."
"Äh..."
"Nichts 'Äh'!", äffte Horatius den Zwerg nach. "Ihr Befehle sind eindeutig. Hier hast du die Preise von Reis aus dem Achatenen Reich, und nur darüber wirst du dich unterhalten, wenn dich einer fragt, klar?"
Lilli reichte dem verblüfften Zwerg einen schmierigen Zettel.
"Und versuch ja nicht, den Helden zu spielen! Das hier ist kein Abenteuer, sondern Arbeit!", fuhr ihr kleiner Sprecher derweil fort.
Goldwart schnaubte. Er wollte ja gar keine Abenteuer erleben, davon hatte er jetzt schon wahrlich genug! Zwei oder drei mal hatte er dem Tod ins Auge geblickt - das war zwei oder drei mal zu oft. Nein, er wollte einfach an eine Werkbank. Ja, das wäre etwas schönes, in einem Keller des Wachhauses eine Werkstatt zu haben, wo er die Waffen säuberte und wieder in Stand setzte, oder sich mechanische und technische Lösungen für diverse Probleme ausdachte. Wenn er erst einmal Zeit und Geld genug hätte, dann könnte er Dinge entwerfen, die allen Wächtern die Arbeit erleichtern könnte. Selbstfahrende Karren, oder Berichtschreiber, oder eine Konstruktion, die automatisch den Stall ausmistete...
Aber Zeit hatte der Zwerg momentan kaum für sich. Entweder er lag im Krankenbett, oder er lief Streife. Und Geld... Braggasch hatte nicht einmal genug, um endlich den Bohrer zu bezahlen, den er Sebulon kaputt gemacht hatte.
Ganz abgesehen davon, dass sein Tagewerk anscheinend aus Verkleiden und Lügen bestehen sollte.
"Sonst noch was?" Der Dämon war nun richtig auf hochform. "Ach ja. Ich werde nicht dabei sein, und deshalb ist ganz wichtig: Tu. Nichts. Dummes. Das allein wird dir schon schwer genug fallen. Lilli tauscht den Dschob mit dem momentanen Wirt in der
Krustenmakrele, du kommst ne halbe Stunde später dazu, und sie trifft dann ihren Kontaktmann in der Kneipe. Er weiß nicht, das sie eine Wächterin ist, klar? Sieh zu, lerne und atme am besten erst gar nicht, dann wären wir alle ein Problem los."
Braggaschs Augen funkelten. So unfreundlich war er höchstens zuhause im Stollen behandelt worden. Verzweifelt bemühte er sich, seiner Stimme einen abschätzigen Klang zu verleihen, als er antwortete: "
Danke, Hor-"
"Günther!", unterbrach der Dämon sofort.
"Äh... Wie auch immer."
Nervös stand der Zwerg in einer Ecke des Hafenviertels. Er musste noch warten, bis er die zwei Straßen weiter liegende Taverne endlich betreten durfte. Sein Magen rebellierte bei dem Gedanken an ein vernünftiges Essen und ihm entschlüpfte ein knurrender Rülpser.
Oh nein! Es geht bereits los mit der Lükanntrofie!, fuhr es ihm durch den Sinn.
Hektisch schaute sich Braggasch um. Wie ihn alle anstarrten! Bestimmt sah man es ihm bereits an...
Verstohlen zog er seine Mütze tiefer. Nun, bestimmt war es noch nicht völlig offensichtlich. Solange ihm keiner etwas nachweisen konnte, war er mit Sicherheit ungefährdet. Und wenn nicht, dann... dann...
Zögerlich betastete der Zwerg mit seiner Zunge seine Eckzähne. Sie fühlten sich schon viel spitzer als früher an. Er schluckte.
Um sich abzulenken, las Braggasch mit zitternden Händen in seinem Buch weiter.
... bekannt ist, dass sich Werwölfe bei freier Sicht auf den Mond zwangsweise verwandeln... Panisch sah Goldwart zum Himmel, doch eine fröhliche, dicke Wolke versperrte die Sicht auf einen eventuellen Mond. Zittern sah er wieder in das Buch.
... streiten sich darüber, ob der Lykantroph fähig ist, die Verwandlung willentlich herbei zu führen. Führende Experten aus Überwald sind dessen vollkommen überzeugt, da sie...Nun, das war immerhin etwas... Vielleicht gab das Werwolfdasein ja auch Vorteile? Braggasch hatte keine Ahnung, was ein Hund so konnte, aber es war bestimmt eine Menge. Der Zwerg stutze.
Er sah abermals zum Himmel. Der Stand der Dunkelheit war erreicht. Nun konnte er Lilli unterstützen... unterstützend zuschauen.
Goldwart versuchte wie ein Edelmann zu denken. Sicherlich machten sich diese Typen viele Gedanken über Geld. Nun, das fiel einem Zwerg, so unzwergisch er auch war, nicht weiter schwer. Und sie sahen auf die Leute herab.
Das allerdings dürfte Braggasch sehr schwer fallen - und zwar nicht nur wegen dem Größenunterschied.
Er streckte den Rücken durch, hob die Nase, und bemühte sich um einen langsamen, grazilen Gang. Von weiten sah er aus wie eine Gans mit Rückenproblemen.
Zum Glück bewerkstelligte gerade das beim typischen Ankh-Bürger eine nahezu perfekte Tarnung. Nur die wirklich Reichen konnten es sich erlauben, so unadelig herum zu watscheln und dabei noch so lächerliche Klamotten zu tragen, istdochklar!
Vor der Kneipe jedoch zögerte der Zwerg ein wenig. Die
Krustenmakrele war der stinkende Rest einer heruntergekommenen Taverne. Die Tür wurde nur noch von verkrusteten Salzresten an ihrem Platz gehalten, die Fenster waren derart schmutzig, dass sie auch aus Holz hätten bestehen können, und der Geruch, der dem Gebäude entwich, hätte es selbst in einem freundlichen Stadtführer höchstens zum
'Innowatief' geschafft.
Und in so ein Gebäude sollte sich ein reicher, etwas klein geratener Geschäftsmann verirren? Zögerlich trat Braggasch ein.
Und sah sich mit einer... innovativen Mischung aus Oberschicht und absolutem Hafenabschaum konfrontiert. Nun ja, nur die wirklich Reichen konnten es sich leisten, in solche Etablissements zu gehen... Oder eben diejenigen, die hier hin gehörten.
Es war erstaunlich viel los, sämtliche Tische waren besetzt, und der Wirt - Braggasch musste zwei mal hinsehen, bevor er Lilli erkannte - eilte geschäftig umher. Die Hauptgefreite wirkte wie ein Fisch im Aquarium. Es war vollkommen unmöglich, sich vorzustellen, dass sie hier
nicht hingehörte. Jemand, der auf
diese Art nickte,
so die Gläser reinigte und die schlechten Scherze der Kunden mit einem
solchem Schnauben abtat, musste schon ewig im Gewerbe sein.
Auch Braggasch nickte sie nur wie jedem anderen Gast zu und deutete mit einer unscheinbaren Geste auf einen Tisch, an dem bereits ein anderer Zecher saß. Unsicher setzte sich Goldwart. Er hatte schon jetzt das Gefühl, etwas falsch zu machen.
Der andere Gast, ein Mann in einem sehr schicken und sicherlich sehr teuren Anzug, lächelte ihm aufmunternd zu.
"Guten Abend.", sagte er höflich.
"Äh... Nabend...", nuschelte Braggasch als Antwort.
"Reisender?"
Der Zwerg nickte nur.
"Habe ich sofort erkannt. Sie sind viel herumgekommen, nicht wahr? Diese Mäntel gibt es, soweit ich weiß, nur in Quirm, und dieser Hut... Sto'Lat? Die Strumpfhose wirkt klatschianisch. Nur die Schuhe könnten aus Ankh-Morpork sein."
Verdammt! Goldwart betrachtete den Mann aufmerksam, doch dieser schien ganz höfliches Interesse zu sein. Bei Braggaschs Blick lachte er leise.
"Entschuldigung. Das mache ich dauernd, Berufskrankheit, wissen sie?"
"Äh... Es ist hier gekauft... In Läden... Äh... Im-por-tiert."
Der Mann blinzelte. Grinste dann breit. "Natürlich." Er reichte Burkhards Sohn die Hand. "Dietholm Geldsack, Vertreter der hiesigen Bank."
Langsam ergriff Braggasch die Hand. "Äh... Bra...un... Braun... Ernie Gold...Braun."
Dietholm schüttelte mit festen Griff die Hand. "Freut mich, Herr Goldbraun! Was wollen sie trinken? Ich lade sie ein."
"Wein?", schlug 'Ernie' vorsichtig vor.
"Sehr gut. Was für einen?"
Die mentale Leere in Braggaschs Kopf wurde nur von einem kleinen, schmierigen Zettel gefüllt. "Reis? Reiswein?"
Geldsack blinzelte wieder, hatte sich aber schnell im Griff. "Hervorragend!" Er winkte Lilli heran und bestellte zwei Reiswein.
Der Rekrut war sich sicher, dass nur er den vernichtenden Blick bemerkt hatte, den die Hauptgefreite ihm nach der Bestellung zugeworfen hatte.
"Nun, Herr Goldbraun, was machen sie denn so? Verstehen sie mich nicht falsch, ich will niemanden ausfragen, aber in meinem Büro ist es meistens so einsam, nur selten verirren sich ausländische Sponsoren hierher, für die ich dann zuständig wäre, weshalb ich ein Auge auf ihre Kleidung geworfen habe."
Erstaunt bemerkte Braggasch, dass der Mann ihm sympathisch war. "Kein Sorge... Äh... Ich handle. Mit... Reis."
"Ah. Daher die Vorliebe. Wie läuft das Geschäft?"
"Ganz... Äh... Gut." Erinnerungen an den Zettel kratzten in seinem Geist. "Die Preise hier sind um ein paar Cent gestiegen... Äh... und im Achatenen Reich wird der Reisanbau immer... Äh... Billiger."
"Das hört sich nach einem lukrativen Geschäft an. Wollen sie ihr Geld nicht vielleicht sicher bei uns anlegen?", meinte Dietholm im geschäftigen Tonfall.
"Äh... Nein, danke. Ich glaube... Äh... Bei mir ist es sicherer." Tatsächlich war Braggasch davon überzeugt, dass, sollte er jemals Geld besitzen, es mit den, von ihm entworfenen, Sicherheitssystemen besser geschützt war als irgendetwas auf der Scheibe.
Zwei Gläser hellen Weins wurde vor ihnen abgestellt. Warum es in dieser elenden Spelunke solche Getränke gab, war dem Rekruten nicht ganz klar, aber bestimmt achtete der Wirt darauf, dass seine hohen Gäste nicht allzu viel von der realen Welt abbekamen, sondern nur das, was sie erwarteten.
"Oh, da wäre ich mir nicht sicher! Erst vor einer Woche bekamen wir einen Tresor aus einem der Zwergensippen in den Bergen. Er ist unknackbar, wir haben ihn selbst getestet!"
Braggasch verschluckte sich an dem ersten Schluck Reiswein - der im übrigen furchtbar schmeckte - und musste ausgiebig husten. Erst nach einigen beherzten Schlägen auf den Rücken von Geldsack ging es ihm besser.
"Alles in Ordnung, Herr Goldbraun?"
Goldwart konnte nicht antworten. Die Worte des Bankangestellten brannten in seinen Ohren. Unwillkürlich musste er an seinen ehemaligen Meister denken.
Unknackbar... Das Wort hallte wie eine Beschwörungsformel in seinem Kopf hin und her.
"Herr Goldbraun?"
Braggasch sah auf und begegnete einem besorgten Blick.
"Unknackbar... Haben sie gesagt?", brachte er hervor.
"Ja. Natürlich. Wir sind sehr stolz darauf. Schon zwei Diebe wurden... Nun... Durchlöchert bei dem Versuch ihn auf zu bekommen. Warum?"
"Ein... Äh... Hobby. Ich... Interessiere mich für Tresore... Wie ist er aufgebaut?"
"Aber, aber, Herr Goldbraun." Dietholm Geldsack klopfte sich verschwörerisch auf die Nase. "Das kann ich ihnen natürlich nicht verraten. Aber wenn sie sich entscheiden, ihr Geld bei uns anzulegen, kann ich ihnen das gute Stück gerne zeigen."
Braggasch nickte. Das
musste er sich einfach ansehen. "Danke... Herr... Äh..."
Da der Mann meinte, einen eventuellen Kunden gefunden zu haben, begann er sofort den Zwerg über Tarifen, Zinsen und Schichtkonten auf zu klären. Doch Goldwart hörte kaum hin.
"Selbst, wenn du es erzählst, hast du noch dieses Glänzen in den Augen, Brag.", bemerkte Sebulon, als sein Freund für kurze Zeit in Gedanken versank.
Braggasch hob eine Augenbraue. "Ja? Nun... Äh... Es war auch einfach zu verlockend..."
"Ah." Samax Sohn nickte. "Du hast es also getan?"
"Später, Gürtel, alles der... Äh... Reihe nach." Goldwart befeuchtete seine Kehle mit einem weiteren Schluck Bier.
Dietholm war schon seid einer Weile hinaus in die Nacht verschwunden - nicht ohne Braggasch zuvor eine Empfehlung zu schreiben - als der Zwerg endlich eine subtile Veränderung in Lillis Verhalten bemerkte. Sofort war der Schein eines perfekten Wirts wieder hergestellt, doch Goldwart war sich sicher, was er gesehen hatte, noch dazu in dem Moment als dieser Mann den Raum betrat.
Es war mittlerweile etwas leerer in der Schänke geworden, was es Braggasch ermöglichte, allein an seinem Tisch zu sitzen. Er tat so, als würde er stumpfsinnig in sein Glas Reiswein starren, welches er immer noch nicht auszutrinken über sich gebracht hatte, während er aus den Augenwinkeln die Szenerie beobachtete.
Erst schien alles reibungslos zu verlaufen. Der Mann setzte sich an die Theke und bestellte ein Bier, welches Lilli im brachte. Dann begann die Hauptgefreite ein leises, unverfänglich aussehendes Gespräch.
Es war ein schmieriger, kleiner Geselle, mit fettigem schwarzen Haar und einer einschneidigen Axt am Gürtel.
Lilli schien keine Probleme zu haben, sein Vertrauen zu gewinnen.
Doch dann begann an einem anderen Tisch ein Streit. Jemand beschuldigte einen Anderen, einem Dritten eine Karte zugeschoben zu haben. Jener Dritte lallte daraufhin eine Verwünschung, worauf Nummer Zwei einen Dolch zog und Eins bedrohte. Dieser Erste schlug die Dolchhand des Zweiten beiseite, wodurch das Messer in dem Krug eines Vierten landete. Nummer Vier, selbst angetrunken, griff nach einem Stuhl und warf ihn nach Drei. Dieser wurde mit voller Wucht getroffen und prallte gegen Eins, welcher ihn weiterstieß, jedoch direkt von Zwei einen Kinnhaken verpasst bekam. Fünf und Sechs, auf deren Schößen Drei gelandet war, schlossen sich der entstehenden Schlägerei freudejauchzend an.
Braggasch, der keine Erfahrung mit typischen Kneipenschlägereien hatte, wurde nervös. Die Härchen auf seinen Armen richteten sich auf, als ihn eine Woge der Angst überkam. Er blickte darauf hinab.
Willentlich verwandeln... wie?Der Mann an der Theke schien ebenfalls nervös zu werden. Er betrachtete sich prügelnden Männer und rutschte auf dem Barhocker hin und her.
Oh nein! Ich darf ihn nicht entkommen lassen, wenn er nun geht!, schoss es Goldwart durch den Kopf.
Ich werde ihn aufhalten! Ich bin ein Werwolf! Sein Magen knurrte.
Und tatsächlich, der Mann richtete sich auf und griff zu seiner Tasche.
Er will bezahlen! Und diese Lilli steht da und tut nichts! Die Hauptgefreite unternahm in der Tat nichts. Im Gegenteil, sie schien sogar zufrieden zu sein.
Braggaschs Hände waren zu Fäusten geballt. Er spürte den Schmerz in den Handflächen. Ungläubig öffnete er die Finger und starrte darauf hinab. Waren seine Fingernägel schon immer so lang gewesen? Unmöglich.
Ich verwandele mich! Seltsamerweise durchflutete den Zwerg bei diesem Gedanken ein Hochgefühl.
Ich werde ihn aufhalten! Ich werde ihn stellen! Ich werde die Informationen aus ihm rausholen! Ich werde ein Held sein! Ich bin ein Werwolf!!Mit einem heiseren Heulen sprang Braggasch Goldwart hinter seinem Tisch hervor und kam unsicher auf allen Vieren in der Mitte der Taverne zum Stehen. Der Mann an der Theke verharrte, die Hand in der Tasche. Auch Lilli war wie versteinert.
In Sekundenschnelle war es still in der Kneipe. Die Augen aller hafteten an dem sonst so schüchternen, blonden Zwerg. Doch dem war das nun egal, er war ein Werwolf!
Hastig zog der schmierige Kerl, der sich bedroht fühlte, seine Axt.
"Grrr! Grrrrr! Ich habe dich! Grrrr! Grr... Äh... Gr... Äh..."
Braggasch sah an sich herunter. Er sah einen lächerlichen Mantel, aus dem zwergische Hände ragten. Kaum behaart und leicht rosafarbend. Sein Gesicht fühlte sich auch ganz normal an. Vorsichtig tastete er mit der Zunge über die Zähne. Sollten sie nicht ein wenig spitzer sein?
Der erste Zecher begann zu lachen, weitere fielen mit ein. Doch dem Mann an der Theke war anscheinend gar nicht zu Lachen zumute.
Lillis Gesicht war dunkelrot angelaufen.
"Äh...", brachte Braggasch hervor und versuchte, sich aufzurichten.
Der Kontaktmann kam mit der gezogenen Axt auf ihn zu. "Du willst also ein Hund sein, was? Und du hast mich, was?" Seine Stimme klang so fettig wie seine Haare aussahen.
"Äh..." Goldwarts Gedanken rasten, seine Augen klebten an der Axt, die sich nun langsam hob. Lilli spannte sich an.
"Ich zeig dir mal, was es bedeutet, jemanden zu haben, was? Du hast gleich keine Kehle mehr zum Knurren, Hündchen!"
Bevor die Hauptgefreite reagieren konnte, schalteten sich Braggaschs Wächterreflexe ein. Mit einer schnellen Bewegung streckte der Zwerg seine Dienstmarke dem Mann ins Gesicht.
"Stadtwache! Sie sind... Äh..."
Lillis Augen weiteten sich vor Zorn, die des Kontaktmannes vor Angst. Bevor der Rekrut mit seiner Belehrung fortfahren konnte, lies er die Axt fallen und rannte aus dem Raum.
Braggasch stand wie paralysiert.
Bis er von seiner momentanen Vorgesetzten Baum am pelzbesetzten Kragen gepackt wurde, und sie ihn aus der Kneipe schleifte.
Unsanft landete der Zwerg auf der Straße, im prallen Mondeslicht. Ängstlich sah er auf.
Hätte Lilli aus den Ohren dampfen können, nun hätte sie es getan. Ihre Miene war eine Grimasse der Wut, als sie Braggasch die Axt des ehemaligen Kontaktmannes in den Schoß warf, und ihren Notizblock zückte.
Goldwart sagte kein Wort, während sie lange schrieb.
Dann drückte sie ihm den Zettel in die Hand und verschwand ohne einen weiteren Blick wieder in der
KrustenmakreleErst nach einer Weile wagte es der Zwerg, nach zu sehen, was sie geschrieben hatte. Die krakelige Handschrift besagte: "Zu RUM! Ins Archif! Warte da!"
Langsam richtete er sich auf, nahm die Axt und trottete zum Pseudopolisplatz. Es hatte nicht funktioniert. Er hatte sich nicht verwandeln können. Und nun strahlte der Mond auf ihn herab, als wolle er Braggasch verhöhnen. Er musste sich damit abfinden, er war kein Werwolf.
Noch dazu hatte er Lillis Auftrag völlig vermasselt.
Tu. Nichts. Dummes. Das hatte Horatius gesagt. Goldwart wurde fast übel bei dem Gedanken an das süffisante Grinsen des Dämons.
Nur ein einziger Gedanke übertönte seine Selbstvorwürfe:
Unknackbar...Nun, jetzt konnte er es sowieso nicht mehr schlimmer machen...
Der Umweg über die Bank war nicht weit.
Die Empfehlung ermöglichte es Braggasch tatsächlich, bis zu Dietholm Geldsack vorzudringen. Dieser vertraute ihm an, dass er häufig bis spät in die Nacht hinein arbeitete. Nachdem Goldwart die Wahrheit abermals etwas gebogen hatte, zeigte ihm Dietholm die Tür, hinter der sich der unknackbare Tresor befand.
Mit kenntnisreichem Blick überflog der Zwerg die Tür, und auch diese kleine Genugtuung wurde ihm genommen. Sie hatte kein Schloss - oder wenn eins vorhanden gewesen war, war es nun verklebt und verschweißt worden. Die Scharniere waren auf der anderen Seite. Hier kam Braggasch mit seinem Wissen nicht weiter.
Geldsack versicherte ihm, dass nur der Chef der Bank wusste, wie man diese Tür öffnen konnte.
Nun vollends niedergeschlagen trottete der Rekrut weiter zum Wachhaus.
"Wo ich... Äh... Dich traf."
[4]"Ja. Schlafend. Danke noch mal, dass du mich geweckt hast."
"Nun ja, es war ja nicht... Äh... Uneigennützig. Du hast mir den Tipp mit dem Brecheisen und dem Troll gegeben..." Braggasch hatte den Anstand, wenigsten verlegen zu wirken.
"Brag, du hast doch nicht wirklich...?"
"Ich musste, Gürtel. Hast du die Worte von Geldsack vergessen?
Unknackbar!"
Sebulon schüttelte nur mit dem Kopf.
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Sebulon, Sohn des Samax
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Braggasch saß auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses. Neben ihm hockte Gorrón, ein Trollrekrut, in seiner Hand Burlich's Stemmeisen Nr. 6 aus Trollbackenkupfer, dem härtesten Metall, das in kurzer Zeit auszuleihen haben war.
Sie warteten, dass es dunkel wurde.
Braggasch saß gedankenverloren da, den blondgelockten Kopf auf die Hand gestützt und sah in den Sonnenuntergang. Sein Mantel wurde vom Wind aufgebläht und ...
"Moment, du trägscht doch nie'n Mantel, oder?", fragte Sebulon, schon angeheitert vom Alkohol.
"Es geht, äh, um das Flä-ha, Gürtel. Um die, äh, Stimmung und so. Ich gestalte die Geschichte
ein wenig aus."
Sebulon nichte vielsagend. "Das heißt: Du lügscht."
"Blödsinn, ich würde dich, äh, nie anlügen!"
"Ach."
"Äh."
"Ach."
"Äh."
"Komm schon, erzähl weiter."
"Richtig: Also, äh, wir sind oben aufm Dach ..."
Braggasch vertrieb sich die Zeit damit, dass er den Grundriss des Hauses studierte, den er aus dem Kopf skizziert hatte. Es gab im Prinzip drei Möglichkeiten, in das Haus einzudringen - und nur eine war unauffällig.
Jemand sang voller Inbrunst eine Arie auf der Straße, während die beiden Wächter warteten, dass die Sonne unterging. Die letzten Sonnenstrahlen verschwanden hinter dem Bankgebäude und auch im Haus gingen die Lichter aus. Zwei Lichter blieben an. Das mussten die Fenster vom Geldsack und vom Bankdirektor sein.
"Es wird Zeit.", sagte er zu Gorrón.
"Zeit wir vergleichen.", entgegnete der.
"Äh, wir haben sechzig Minuten, bis ich mit Sebulon im gesprungenen Auge, äh, verabredet bin. In fünfzig Minuten müssen wir wieder raus sein. Ich, äh, gehe vor und du, äh, folgst in zehn Minuten."
"Zeit wir haben. Gorrón wartet bis Gasch gibt Zeichen."
Enthusiasmus klang aus jeder Silbe und Braggasch errötete leicht.
"Ja, äh, bis gleich.", sagte der Zwerg und machte sich an den Abstieg vom Dach.
"Schag mal, warum nenntn Troll dich 'Gasch'?" fragte Sebulon und bestellte zwei weitere Bierkrüge.
"Weil er ... äh ... der Grón hat Probleme, meinen Dingsch aussuschprechn", meinte Braggasch, der ebenfalls die Spuren des Alkohols zu spüren begann. "Den Dingsch. Weißt schon."
"Ach,
den Dingsch. Den ... Namen."
"Schag ich doch. Äh. Wo war ich?"
"Vor dem ... Dingsch."
"Richtig. Ich, äh, schtand also vor der Bank."
Plötzlich kicherte Braggasch.
"Was is denn scho luschtig?", fragte Sebulon.
"Komm ich gleich zu, äh. Alscho ... vor der Bank."
Als Braggasch aus dem Hausflur des gegenüberliegenden Gebäudes trat, duckte er sich schnell zurück in den Schatten der Eingangstür.
Jemand sang.
Das war seltsam. Wer sang denn schon zu dieser Nachtzeit?
Die Stimme kam von der Frontseite der Bank.
Falls die Bank zusätzliche Wachposten aufgestellt hatte, würde sein Plan sich als deutlich schwieriger erweisen.
Langsam schlich Braggasch näher und lugte um die Hauswand.
Da machte sich jemand an der Eingangstür der Bank zu schaffen!
"
Wenn Drachen rülpsen und Nilpferde fliehen, zu dir, Ankh-Morpork, meine Gedanken ziehen", sang der Unbekannte mit einem klaren Bariton.
Braggasch blinzelte.
Dann war die Stimme nur noch gedämpft zu hören und der Mann im Bankgebäude verschwunden.
So leise, wie es der Zwerg mit seinen Stiefeln vermochte
[5], näherte er sich dem Haus und linste durch die offen stehende Eingangstür.
"
Der Säbelrassler sich für tapfer hält, aber wir haben kühn gekämpft mit Geld.", sang der Einbrecher mit klarer Stimme. Er hatte ein Bund mit Dietrichen gezogen und arbeitete sich seinen Weg durch die verschiedenen Sicherheitsmaßnahmen.
>
Bier ist Bier und, äh, Herausforderungen sind Herausforderungen<, dachte Braggasch und reckte sein Kinn hoch, >
aber Arbeit ist Arbeit und das hier ist ein Einbrecher.<
"Äh!", rief der Zwerg und zog seine Dienstmarke demonstrativ.
Der Mann mit dem Dreitagebart und dem verschmitzten Lächeln drehte sich um. Er hatte einen langen Mantel an, einen schwarzen Hut auf dem Kopf und in seinen blauen Augen ließ sich eine geradezu kindliche Freude erkennen. Er hob die Hand an den Hut.
"Einen guten Abend", sagte er freundlich und machte dann eine einladende Geste. "Kommen Sie rein, nehmen Sie Platz, wir haben noch einen Moment Zeit, um uns zu unterhalten."
"Nie und nimmer im Leben, Goldilein, jetschwindelscht du schon wieder!", lachte Sebulon und schlug lachend mit der flachen Hand auf den Tisch.
"Neineinähneinein, Gürtel, das isch die Wahrheit. Wenn ichsch äh-dir doch schage ..."
"Er raubt eine Dingsch, ... eine Bank, ja - er raubt eine Bank aus, schingt dabei - und will auch noch pala-... plau-... er will reden? Mit einem
Wäschter?"
"Pssssscht", machte Braggasch und sah sich in der mittlerweile schon etwas leeren Kneipe um. "Wasch schollen denn die, äh, annan... annan ... anneren denken?"
Verständnisvoll nickte sein Freund und flüsterte: "Es isch alscho dein Ernscht?"
"Der hat geschungen, schowar mein Vater lebt."
Feierliches Schweigen stand zwischen den beiden, das Sebulon schließlich unterbrach, indem er fragte: "Und du setschdich wirklich mit ihm hin und plauderscht?"
"Alscho, äh, nein, äh, das heischt ..."
"Äh, ich denke, du bist, äh, verhaftet, Herr ..."
"Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt, nicht wahr?", fragte er und verbeugte sich theatralisch. "Mein Name ist Falk vom Bach. Ich bin, was man einen gewöhnlichen Dieb nennt. Und du bist, nehme ich an, Herr Stadtwache?"
"Äh, Rekrut, äh, Braggasch Goldwart. Stadtwache, äh. Und mein Kollege wartet nur, äh, eine Ecke weiter."
"Du meinst den Troll mit der Brechstange? Ich habe mich schon gewundert, warum er auf dem Dach herumlungert."
"Äh, was?"
"Möchtest du meine Diebeslizenz sehen, Herr Goldwart-Stadtwache?", fragte der Einbrecher und zog ein Stück Papier aus der Tasche.
"Äh, nein."
"Oh, schade. Ich hab mir so viel Mühe gegeben, sie zu fälschen.", sagte der Einbrecher unbeirrt. "Da wir jetzt die Formalia hinter uns haben muss ich dich allerdings bitten meine Arbeit zu machen, weil in ungefähr zehn Minuten eine größere Gruppe deiner Profession hier sein wird und ich möchte sie nicht enttäuschen, indem ich dann noch da bin."
Klick machte die Tür und der Dieb war hineingehuscht.
Nachdem Sebulon aufgehört hatte zu kichern, sahen sich die beiden Freunde tief - und zunehmend ernst - in die Augen.
"Isch dein Ernscht, Goldi?"
"Äh."
"Oh weh. Du hattescht alscho nur schehn Minutn?"
Braggasch nickte und Schob das Bier von sich.
"Als erschtes hab ich, äh, Grón das Zeichen gegebn. Un' dann bin ich hinterher ..."
"
Uns gehören eure Helme, uns gehören eure Schuh', uns gehören eure Generäle- greift an, und alles ihr verliert im Nu", klang die Stimme von Falk durch die Gänge des Bankgebäudes.
>
Was tu ich hier nur?<, dachte Braggasch. Laut sagte er: "Äh, sie können doch nicht ..."
"Doch, ich kann", entgegnete der Dieb galant, "will - und werde sogar diesen unknackbaren Tresor öffnen, von dem alle reden. Und ich werde mich nicht von der Wache aufhalten lassen."
Ruckartig warf er ein Wollknäuel quer durch den Raum, das an mehreren Wänden und Schränken abprallte und binnen kürzester Zeit einen überraschend weiten Weg zurückgelegt hatte. Und dann zog er erneut.
"Huch", machte Braggasch, als er bewegungsunfähig zu Boden fiel.
"Wo war ich?", fragte der Dieb verträumt. "Ach ja:
Morporkia! Morporkia! Morporkia über alles!"
Klick machte die nächste Tür.
Gedämpft sang der Räuber: "
Wir regieren euch en gros und zechen ..."
"... un' dann lag ich da.", brummte Braggasch und schüttelte traurig den Kopf. "Weischtu eigentlich, wie scha-lümmis is, wenn man auf dem Boden liegt und nichs - gar nichts - nich tun kann?"
Sein Freund nickte verständnisvoll und sagte: "Das ischo, wie Schnappers Wüstchen."
"Äh, wasch?"
"Na, die Dinger, die Schnapper verkauft. Du kannsch nich anders und probierscht immer wieder, obwohl du jedeschmal ..."
"Nein, das isch ganz was, äh, anderes. Schnappers Würste kaufschtu und auf dem Boden liegschtu."
"Siehste, sag ich doch.", grinste Sebulon zufrieden.
Verwirrt sah ihn der Sohn von Burkhard an, dann zuckte er mit den Schultern.
"Gut, isses eben wie, äh, mit Schnappers Dingschens."
"Würsch'n.", half Sebulon.
"Richtig. Alscho lag ich fluchend da, ich armesch Dingsch ..."
"Warum du liegst auf Boden, Gasch? Du gespielt mit Katzentier?"
"Äh ...", begann Braggasch und wurde schamesrot im Gesicht.
"Gorrón dir helfen.", sagte der Troll und riss den Wollfaden ohne merkliche Anstrengung auseinander.
"Äh, danke, du bist meine, äh, Rettung.", brachte der blondgelockte Zwerg hervor. "Gorrón, hör mir, äh, gut, äh, zu, das ist, äh, wichtig: Hier wird gerade, äh, eingebrochen! Lauf zur, äh, Wache, so schnell wie, äh, möglich, und ..."
Pratt, pratt, pratt, pratt, pratt,
pratt, pratt, ...
"Äh!", rief Braggasch dem Troll hinterher. In Gedanken wünschte er sich, dass Trolle in den Tagen der Schöpfung doch etwas weniger Sonne abbekommen hätten.
[6]>
Bier ist Bier und, äh ... wo ist dieser Falk jetzt hin?<, dachte der Zwerg und sah sich um. Dann machte er die Augen zu.
"
Wenn ihr angreift, müsst ihr bitter blechen. Wir machen Angreifer bankrott, wir verkaufen ihnen Souvenirs.", klang es leise aus dem Inneren der Bank.
>
Soso<, dachte der Zwerg und zog seinen geliebten Dolch.
"Un' jetz kommt, äh, die Schtelle, wo ich, äh, säbelschwingend ..."
Braggasch gestikulierte und schwankte bei der Untermalung seiner Erzählung so sehr, dass er dem Kellner eine Kopfnuss verpasste, der sich aus Neugier und Langeweile mit an den Tisch gesetzt hatte.
"... äh, tschulljung."
"Schon gut, das passiert mir häufiger.", lächelte der gutmütige, etwas rundliche Mann und rieb sich den Kopf. "Vor allem zu dieser Stunde."
"Schä-bel-scha-wing-end?", fragte Sebulon und gab sich Mühe, nicht zu schielen. "Du? Goldi? Mit deinem Dolch? Ich kenn' dein' Dolch; der is nur scho kurz."
"Du untertreibscht, äh.", sagte Braggasch vorwurfsvoll und griff seinem Freund umständlich an die Zeigefinger, um sie auseinanderzuziehen. "Mindeschten'scho muss dasch ..."
"Nein."
"Äh, doch."
"Äh - nein."
"Äh, doch."
"Nein - äh."
"Mach mich nich, äh, nach!", stieß Braggasch hervor und seine Stimme überschlug sich. "Is' schon schlimm genug, dass ich den ... den Dingsch ... dass ich das 'äh' nicht, äh, wegkrieg'."
"Den Dings?", fragte der Kellner verwirrt.
"Den Dingsch.", antworteten die beiden Zwerge unisono.
Eine kurze Pause entstand.
"Ach so. Na, wenn das so ist."
"Äh, wo war ich?"
"Bei deinem Schäbel.", sagte Sebulon und deutete mit den Fingern eine Länge an.
"Du bischt ja nur deinisch ... äh, neidisch.", sagte Braggasch. "Äh, jedenfallsig hab ich den diebischen Möchtegern-Dingsch im Treschorraum, äh, gefunden, alsch er, äh ..."
"
Wir mhm mhm mhm mhm, hmhm mhm mhm mhm", sang der Dieb, unsicher wie der Text lauten sollte, während er sich an dem Türrahmen der schweren Eichentür zu schaffen machte. "
Und auch ihrs Äh mhm wir mhm mhm mhm mhm mhm. Mor-por-kia! Mor- ... oh, du bist es. Wie hast du dich so schnell befreit?"
"Äh, ich bin einfach gut.", sagte der Zwerg frustriert und hob den Dolch. "Du bist, äh, verhaftet. Du hast das Recht ..."
Dann hielt er inne. Der Türrahmen begann zu dampfen.
"Äh, soll das so ...?"
"Ja, soll es.", sagte der Dieb und klopfte einmal kurz gegen die Tür. Sie fiel widerstandslos in den Raum hinein.
"Hah! Ich, Falk vom Bach, habe den unknackbaren Tresor geknackt!", rief er und führte einen Freudentanz auf. "Mit einfacher Alchemik und Verstand! Hah-ha! Wer ist der Mann des Tages? Ich bin der Mann des Tages! Wer ist der ..."
"Ich, äh, will dir ja nicht den Tag ruinieren, äh, aber das solltest du dir, äh, ansehen."
Durch das qualmende Loch, wo gerade eine Tür gestanden hatte, konnte man eine weitere Tür mit einem kompliziert anmutenden Schloss erkennen. An die Tür war ein Blatt genagelt. Darauf stand:
Falls du das einfachiglich fandest, freuhige dich: Der Tresor daselbst beginnt erst hinter der nächsten Tür. |
Pratt, pratt, pratt, pratt, pratt,
Pratt, Pratt, Pratt ..., machte der Troll und hielt umständlich neben Braggasch an; die Brechstange aus Trollbackenkupfer hatte er offensichtlich auf dem Weg verloren, unbewusst liegen gelassen oder versehentlich zertreten.
Kurz darauf folgten vier Rekruten und ein weiblicher Igor.
"Habe gesagt: Hier Einbruch.", sagte Gorrón stolz und setzte sich selbst außer Gefecht, indem er schwungvoll salutierte.
"Ist das der Einbrecher? Dürfen wir ihn verhaften?", sprudelte die Rekrutin Sonea Wolfsblut hervor.
"Nein, der da ist ein Wächter, auch wenn er komisch aussieht.", meinte Wall Halllala. "Grüß dich, Braggasch."
"Sicher, dass wir niemanden verhaften dürfen?", fragte Jakob Fluss, der als einziger nicht aussah, als wäre er gerade gerannt. Er hatte die Hände wie zum Flanieren hinter dem Rücken verschränkt. "Ich hätte da schon Lust jemanden zu verhören ..."
"Dein Grinsen macht mir Angst, Jakob.", sagte Sonea.
"Ich bitte um Verzeihung, doch dafür ist es berühmt.", entgegnete Jakob und deutete einen Diener an.
"Dies eine Bank ist.", stellte die Rekrutin Brekzie Regolith fest. "Also Dieb ist Brech-ein."
"
Waf ift hier lof?", donnerte die Igorina und sah vom Einbrecher zu ihren Rekruten und schließlich zu Braggasch. "Ift daf da der Gefetfefbrecher?"
Johlend und gröhlend lagen der Kellner und die beiden Zwerge auf dem Tisch.
"Ge-ge-gefetfef...", setzte Sebulon an und klopfte herzhaft lachend auf den Tisch. "Sag dasch nochmal, Goldi, bei dir ... bei dir klingt das scho o-ri-gi-nal."
"Waf, meinft du, äh, den diebiffen Gefetfefbrecher?", lispelte Braggasch grinsend. "Du hafft ... äh, du hascht Glück, daschie nicht, äh, beispielsweise 'falffmünfender Furke' geschagt hat."
Lachend rollte Sebulon vom Stuhl.
"Äh.", erwiderte Braggasch.
"Mä'äm, wenn ich bitten darf: Das bin ich sehr wohl.", beantwortete Falk die Frage. "Ich habe den Hausfrieden gestört, laut in einer Bank gesungen, habe mir nicht gehörende verschlossene Türen geöffnet, trage unerlaubte Alchemikalien bei mir und verstoße damit gegen mindestens siebzehn Gesetze ..."
"Achtzehn.", erwiderte Jakob Fluss kühl.
"Richtig, die falsche Lizenz. Achtzehn. Vielen Dank.", sagte Falk.
"Keine Ursache.", sagte Jakob Fluss und lächelte trocken. "Von der wusste ich nichts. Neunzehn."
"Herr ...", begann die Igorina.
"Falk vom Bach."
"Herr vom Bach, wir begleiten dich jetft auf die Wache."
"Wie zuvorkommend, eine Eskorte.", sagte der Einbrecher und steckte die Hände in den Mantel. "Ihr habt wohl Angst, dass ich den Weg nicht finde?"
Langsam schlenderte er auf die Igorina zu.
"Hast du eigentlich eine Wachemarke, Mä'äm?", fragte er lächelnd.
Reflexartig erschien eine abgenutzte Metallplatte in der Hand der Igorina. Ebenso reflexarig schnellte die Hand von Falk vom Bach vor, zurück und alle Wächter sahen erstaunt auf den Dieb, der eine Wachemarke in der Hand hielt. Und auf die Igorina, in deren Hand ein gefälschter Diebesgildenausweis ruhte.
"Seht her, ich bin ein Wächter!", sagte der Einbrecher in befehlsgewohntem Tonfall. "Dort ist eine Diebin! Schaut, sie hat sogar einen Ausweis! Haltet den Dieb!"
"Waf denkft du, wie faudumm meine Rekruten fein müffen ...", begann die Igorina, wurde aber von Sonea Wolfsblut zu Boden geworfen, deren Muskeln auf die Autorität in der Stimme von Herrn vom Bach reagiert hatten.
Brekzie Regolith stand unschlüssig da und sagte: "Etwas nicht richtig ..."
In der allgemeinen Verwirrung schwang der Einbrecher sich über den noch immer bewusstlosen Gorrón und hechtete zur Tür hinaus.
Braggasch schwieg.
"Und?", fragte der Kellner, der den angetrunkenen Zwerg gespannt und erwartungsvoll anblickte. "Habt ihr ihn gekriegt? Was war sein Motiv? Wer ist sein Vater? Wie ..."
"Er isch äh-ntkommen.", seufzte der Zwerg. "Vor dem Haus schtand ein, äh, Dingsch, eine ... Kutsche, jawoll. Da saß, äh, schein Kumpel-ize drin. Wir ham sie nich, äh, gekriegt hammase nich ..."
Der Wirt stand auf lächelte.
"Na, trotzdem danke für die Geschichte. Dir zuzuhören ist wirklich ne Freude. Erzählen kannst du, Mann." Er klopfte dem Zwerg auf die Schulter. "Du bist doch ein Mann, oder? Bei euch Zwergen ..."
Sebulon funkelte den Kellner an. "Sowas fragt man nich."
Nervös zog der rundliche Kerl seine Hand von Braggaschs Schulter. "Oh. Soso. Nun, ich glaube, ich muss noch ein paar Gläser putzen.", sprach er und verschwand wieder in den hinteren Teil des sehr leeren Raumes und hinter der Theke.
"Aber ...", begann Sebulon und sah seinem Freund in die Augen, "... das erklärt nich, wie du zum Geld gekommen bischt, um mich einschuladen."
"Oh, äh, ich hab den unknackigen Tresor dann doch noch geknackt.", grinste Braggasch und wurde rot. "Die anderen waren, äh, drauschen, und haben Falk vom Bach, äh, gejagt - und esch hat mich, äh, in den Fingern gezwickt, wenn du weischt, äh, wasch ich meine, ..."
"Du hascht geklaut?", fragte Sebulon entgeistert.
"Neinein, wo denkschtu hin. Ich klau doch nich', äh. Waren auch nur komische, äh, Papiere in diesem 'unknackbaren' Treschor. Ha! nur ein Standardgerät der Marke 'Preiswährt unt Sicher 7a'. An den Teilen
übt man Schlösser öffnen. Eigentlich, äh, peinlich ..."
"Woher hascht du dann das Geld?", hakte Sebulon nach.
"Oh, äh, dasch war scho ..."
"Sie haben den Einbrecher verscheucht?", fragte Herr Geldsack und sah auf den knienden Zwerg herunter, der vor Glück kichernd
[7] auf dem Boden saß.
"Äh, ja. Kihihi."
"Die Bank ist ihnen sehr zu Dank verpflichtet, Herr ..."
"Äh, Goldwart. Hihihi. Braggasch Goldwart."
"Sagen Sie, kennen wir uns? Sie kommen mir so bekannt vor ... als hätte ich sie schon einmal gesehen. Vielleicht in Quirm? Oder auf meiner Reise nach Sto-Lat?"
"Hihi-äh-hihi, nein, ich glaube nicht. Wissen sie, äh, ich habe ein Allerweltsgesicht. Und Sie, äh, kommen ja auch viel rum. Kchmchmchm ..."
"Ja.", sagte der Bankinhaber und wunderte sich, was für wundersame Menschen
[7a] die Wache beschäftigte. "Wir, also die Bank, wir möchten uns erkenntlich zeigen."
Erstaunt sah der Zwerg auf und unterdrückte ein Kichern.
"Erkenntlich, äh, zeigen?"
Ein kleiner Beutel landete in seiner Hand und ohne, dass er große Widerworte geben konnte, war der Bankinhaber kopfschüttelnd wieder verschwunden.
"Er hat dir dasch Geld einfach scho gegeben?", fragte Sebulon.
"Scho hab ichsch äh-rzählt."
"Und die anderen Wächter?"
"Die, äh, waren ja noch unterwegs, den Einbrecher jagen."
Die beiden Zwerge schwiegen, legten das Geld auf den Tisch, das sie dem Kellner schuldig zu sein meinten und verließen das
gesprungene Auge torkelnd und sich gegenseitig stützend.
"Wasch ich noch immer nich verschtehe, Goldi", begann Sebulon, als die beiden Freunde den Heimweg antraten, "isses nich ein Verbrechen, in ein ... Dingsch ... ne Bank einzudringen, eine Tür zu knacken und scho?"
"Ich hab nichtsch mitgenommen. Nur, äh, eine Tür geöffnet, die ohnehin ... gewischerweise ... äh ... angelehnt war."
"Und darf ein Wächter, alscho, darf während der Dienstzeit Geld von einem dankbaren Bürger annehmen - oder nennt man das dann nicht ..."
"Psst.", machte Braggasch, "still jetzt, Gürtel. 'sisch'on viel schu früh am, äh, Morgen, als dasch wir uns jetzt gegenseitig, äh, Vorwürfe machen müssten."
"Gegenscheitig?", fragte Sebulon.
"Psst."
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Braggasch Goldwart
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Stöhnend rieb sich der Zwerg den Schädel. Er hatte bisher noch nie so viel getrunken wie an dem gestrigen Abend mit Sebulon, und nun plagten ihn Kopfschmerzen die direkt aus einer sehr schrecklichen Dimension gekrochen zu sein schienen.
Langsam und vorsichtig griff Braggasch nach seiner Teetasse. Er würde ganz sicher in nächster Zeit nur Tee trinken - zumindest nannte er so die orangerote Flüssigkeit, die in der Tasse schwappte.
[9]Eigentlich hatte er sich fest vorgenommen, Gorrón endlich für seine Hilfe zu danken, doch der Troll schien in seine Heimat aufgebrochen zu sein, um dort Urlaub zu machen, also musste das warten.
Ein neuerliches Stöhnen entkam den Lippen des Gequälten, als die Tür der Kantine aufgestoßen wurde und das Geräusch sich laut wiederhallend in Braggaschs Hirn bohrte. Als er die Augen auf den Verursacher des Lärm richtete, erkannte er Lilli Baum, die dirket auf ihn zuhielt.
"Ah, da bist du ja, Faulpelz.", tönte es aus dem Kasten um ihren Hals.
Goldwart zuckte zusammen und hob abwehrend die Hände. "Nicht, äh, so laut..."
Der Dämon schnaubte abfällig. "Wie dem auch sei. Lilli hat von deiner kleinen Bankaktion erfahren und wollte dir gratulieren."
"Äh..."
"Und sie wollte fragen, wie es mit deiner Zukunft bei RUM aussieht."
"Oh. Äh. Ich habe mich entschieden."
Lilli hob fragend eine Augenbraue.
"Ich, äh, werde nicht zu RUM gehen, ich glaube, da, äh, gehöre ich nicht hin. Ich melde mich bei FROG. Äh... die finden bestimmt einen Nutzen für jemanden, äh, der Schlösser öffnen kann.", flüsterte der Zwerg.
Die Hauptgefreite nickte, schlug Braggasch freundschaftlich auf die Schulter - was dieser mit einem Keuchen quittierte - drehte sich um und entschwand aus dem Raum.
Burkhards Sohn war sich fast sicher, ein gequäktes "Den Göttern sei Dank..." gehört zu haben, doch sicherlich spielten seine geschundenen Ohren ihm einen Streich.
[1] Und zwar mit vielen
Äh's und einer Menge dreifacher Pünktchen.
[2] Manche würden sagen, Goldwart vergaß in diesem Moment vor Faszination seine guten Manieren. Das stimmt natürlich überhaupt nicht - man kann nur verlieren, was man besessen hat.
[3] Die Tatsache, dass er zum Frühstück nur ein wenig Zwergenbrot mit Rattentalg gehabt hatte, ignorierte er in diesem Zusammenhang.
[4] Siehe
Im Dunkeln ist gut Munkeln von Sebulon, Sohn des Samax
[5] Er lernte erst später in seiner Ausbildung die Feinheiten des Schleichens, wie beispielsweise das Tragen von Stiefeln ohne Stahlsohle.
[6] Wie beispielsweise die Zwerge, die ja bekanntlich schon in jenen ersten Tagen in einem Stollen waren und fleißig für das Gemeinwohl gearbeitet hatten. Ihres Clans. Ähem.
[7] So etwas kommt nach Zufriedenheit. Wenn man beispielsweise unknackbare Tresore knackt.
[7a] Natürlich war der Zwerg Braggasch gemeint. Dieses Missverständnis kam oft vor. Auch unter Zwergen.
[9] Burkhards Sohn hatte auf dem Markt ein paar süße Karotten gekauft, in der Hoffnung, sie würden die gleiche Wirkung entfalten wie die mysteriösen Knollen von Rascaal. Das Gesöff, dass er erhalten hatte, als er sie ausgepresst und mit heißem Wasser aufgegossen hatte schmeckte zwar grässlich, aber immerhin hatte er bisher keine negativen Auswirkungen seines Verzichts auf Blut gespürt, deshalb schien es wohl zu funktionieren.
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