Dämonische Strafe

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von Gefreite Mindorah Giandorrrh (FROG), Gefreite Gina Van Dalismus
Online seit 29. 08. 2003
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 Außerdem kommen vor: Humph MeckDwarfRascaal OhnedurstIrina Lanfear

Die Rekruten Gina Van Dalismus und Mindorah Giandorrrh werden dazu verurteilt, unter Aufsicht des Oberleutnant Humph MeckDwarf eine Woche lang die wacheinternen Kurierdienste der Rohrpostdämonen Reggie, Aaps und Stuff zu übernehmen, um die Befolgung von Befehlen und Disziplin zu erlernen. Ihr Erlebnisse dabei haben die beiden Rekruten in einer gemeinsam zu schreibenden Coop mit einer jeweiligen Mindestwortzahl von 1000 Wörtern zu belegen.

Dafür vergebene Note: 10

***Mindorah Giandorrrh***

Ein lautes Quietschen ertönte, als die große Tür des Wachegebäudes aufschwang. Mindorah Giandorrrh stapfte müde hindurch. Dann blieb sie vorerst stehen, um ausgiebig zu gähnen und sich die grünen Augen zu reiben. Schließlich strich sie sich noch eine widerspenstige Strähne ihres Haares hinters Ohr und machte sich seufzend auf die Suche nach Oberleutnant Humph Meck Dwarf und ihrer Leidensgenossin Gina Van Dalismus. Von den Schlurfgeräuschen, die Mindorah erzeugte, aufmerksam geworden, streckte Humph seinen Kopf aus der Bürotür. Suchend schaute er sich um. Als er die Rekrutin erblickte, umspielte ein hämisches Grinsen seinen Mund.
"Da bist du ja", erkannte er und fügte noch gönnerhaft hinzu: "Gina ist auch schon da, ihr könnt also sofort anfangen!"
"Juhu, ich freue mich schon wahnsinnig", murmelte Mindorah mit einem eindeutig ironischen Unterton in der Stimme.
Hastig huschten die Pupillen in ihren Augen umher und suchten verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit, doch bei einem Blick in das Gesicht des Oberleutnants ereilte sie die entmutigende Erkenntnis, dass sie sich seinen Fängen nicht entziehen konnte. Sie schluckte und folgte Humph, dem das verschmitzte Grinsen immer noch groß und unübersehbar im Gesicht hing, in sein Büro.
Drinnen entdeckte sie Gina, die schlaff auf einem Stuhl hing und der die Müdigkeit mit Leuchtstift ins Gesicht geschrieben zu sein schien. Durch einen langen, durchdringenden Blickkontakt [1] begrüßten sich die Rekruten und teilten sich gegenseitig ihre Unlust gegenüber der folgenden Woche mit. Mindorahs Blick schweifte zum Schreibtisch, auf dem drei kleine, blau-weiß gestreifte Liegestühle aufgebaut waren. Drei kleine Gestalten räkelten sich darin. Ein freches Grinsen schmückte das Gesicht des Ersten. Er trug eine Sonnenbrille und war über und über muskelbepackt. Seine braunen Haare waren mit einem schwarzen, ausgefransten Band zu einem Pferdeschwanz gebunden. Einzelne Strähnen hingen ihm am Kopf herab. Seine kurze Hose war verwaschen und zerschlissen und an den Nähten standen die Fäden in Büscheln ab. Ein schwarzes Muskelschört bedeckte seine muskelbepackte Brust eher schlecht als recht. In der Hand hielt er ein für seine Verhältnisse großes Glas, gefüllt mit einer roten Flüssigkeit und geschmückt mit einem Papierschirmchen und einem langen Strohhalm. Die Gestalt in dem Liegestuhl daneben war etwas kleiner und dünner. Der Schädel war völlig kahl und wurde von einer vollverspiegelten Nickelbrille begrenzt, die die kleine Person trug. Auch er zeigte seine Zähne zu einem Grinsen. Ein Schlips lag über seinem sonst nackten Oberkörper. Besagtes "Kleidungsstück" war dunkelblau mit weinroten Punkten, was Mindorah als überaus lächerliches Muster befand. Der Blick der Rekrutin wechselte zu dem dritten Besetzer der Liegestühle, womit ihr Blickfeld mit Muskeln angefüllt war. Der kleine Kerl war kein Muskelpaket, er war ein ganzes Muskelpostamt. Ein weißes Schweißband mit einem roten Punkt in der Mitte umrundete seinen Kopf. Zottelige Haare kamen darüber zum Vorschein. Er schlürfte an einem roten Strohhalm, der wie ein Schilfhalm an einem Teich aus seinem Glas ragte. Langsam kroch die Flüssigkeit aus dem Glas den Halm hinauf, bis sie schließlich in seinem Mund verschwand. Schmatzend setzte er das Glas ab. Nun blitzten auch seine weißen Zähne bei einem breiten Grinsen. Mindys Blick fiel auf seinen Unterarm, auf dem ein paar gewundene Buchstaben tätowiert waren. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass sich die Buchstaben zu "Mutti" formierten.[2]
"Schlaf nicht ein, Dumpfbacke", rief der Muskelprotz der Rekrutin zu.
Empört suchte Mindorah nach Worten, um lauthals zu protestieren, da meldete sich ein Anderer zu Wort: "Wenn ihr unsere Arbeit übernehmen wollt, müsst ihr eure hässlichen, müden Äuglein aber aufmachen!"
"Ts", ließ Mindorah leise hören, "wenn wir eure Arbeit übernehmen wollen?" Verächtlich guckte sie die kleinen Geschöpfe an.
Mit einer kleinen Verbeugung intonierte Humph: "Darf ich vorstellen? Unsere drei Rohrpostdämonen und Ehrenmitglieder der Wache: Reggie, Aaps und Stuff." Währenddessen deutete er auf die Genannten.
Reggie erwiderte die Geste: "Und das ist Dumph Depp Dwarf, der Ehrengriesgram und Niveaudrücker der Wache!"
Als die Worte Ginas Gehirn erreichten, lösten sie ein Zucken ihrer Mundwinkel aus, was schließlich in ein breites Grinsen ausartete. Mindorah reagierte ähnlich, während Humphs Gesichtsausdruck sich schlagartig veränderte. Sein spöttischer Blick verschwand und die Mundwinkel schienen sich nach unten verflüchtigen zu wollen. Er kniff die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen und sein Gesicht verwandelte sich in eine Grimasse. Grimmig starrte er die Dämonen an. Diese ließen sich nicht stören und schlürften entspannt weiter ihre Drinks.
Wütend ballte Humph die Fäuste, begleitet von einer Menge von Flüchen, die hier in Beachtung des Jugendschutzgesetzes nicht näher ausgeführt werden. In seinem Ärger merkte der Oberleutnant nicht, wie er seine schmutzigen Fingernägel tief in die Haut seiner Hand bohrte. Gina verdrehte die Augen und schickte ihrer Mitrekrutin einen vielsagenden Blick. Mindorah nickte stumm und erwiderte den Augenkontakt. Mit der Aussicht auf den Anblick eines gehörigen Wutanfalls von Humph lehnte sie sich an eine der Bürowände. Belustigt studierte sie die verschiedenen Stadien der Rot-Töne in Humphs Gesicht. Als er bei einem dunklen Weinrot angelangt war und die Dämonen immer noch keine Notiz von ihm nahmen, drehte er sich zackig um und wendete sich an die Rekruten.
Aufgebracht brüllte er: "Steht da nicht so faul rum! Los! Bei Rince wartet ein Wächter-Memo auf euch!"
Dabei zog er Gina vom Stuhl hoch, wobei dieser laut über den Boden kratzte und kleine Schrammen in den Holzbohlen hinterließ. Grob schubste er beide Rekruten aus dem Zimmer. "Na los, ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf!"
"Bitten schon", grummelte Mindy.
Ohne darauf einzugehen, knallte der Oberleutnant die Tür zu. Laut hallte der Klang im Gang nach, was Tyriel Parra, der gerade heranstolperte, einen erschrockenen Ausdruck ins Gesicht zauberte. "Huch, da ist aber jemand sauer! Was ist denn mit dem los?"
"Pah", grummelte Gina verächtlich statt zu antworten, "der soll mal seine Laune nicht an uns auslassen!"
"Ich hab gehört, ihr müsst jetzt die Post austragen...?", erkundigte sich Tyriel neugierig.
Die finsteren Blicke der beiden Rekrutinnen richteten sich auf die Mumie.
"Naja, äh, ich muss weiter", erklärte Tyriel hastig, "Ikari wartet schon auf mich, stecke mitten in der Ausbildung..."
Und schon war er an Gina und Mindorah vorbei und eilte weiter den Gang entlang. Dabei flatterte eine lose Stoffbahn hinter der Mumie her.
Die beiden Wächterinnen setzten sich langsam in Bewegung und liefen auf das Büro des Kommandeurs zu. Ruhig und behutsam setzten sie einen Fuß vor den anderen. [3]
Schließlich stoppten sie fast synchron vor Rinces Büro. Neben der massiven Holztür war ein kleines Messingschild angebracht. Kratzer zogen sich über das Metall und Schmutzränder hatten sich um die Schrauben gebildet. Kleine Buchstaben waren in das Schild eingraviert. Sie ergaben den Schriftzug "Rince, Kommandeur".
Mindorah blickte auf Gina, die mit verschränkten Armen neben ihr stand. Nachdem sie eine Weile in ihrer Lustlosigkeit gebrütet hatten, hob Mindorah ihre bleiche Hand, um an die Tür zu klopfen. Plötzlich wurde ihr selbige unter der Hand weggerissen und ein übergewichtiger Mann kam hechelnd rausgestürzt. Mit voller Wucht prallte er gegen die erstaunte Rekrutin.
"Was macht ihr denn hier?", schnauzte er, während er sich den Staub von seiner Hose klopfte.
Hastig legte Mindorah die Hand an den Kopf und salutierte.
"Hallo Sör! Oberleutnant Meck Dwarf hat uns geschickt, wir sollen ein Wächter-Memo abholen", erklärte sie.
Angewidert musterte Gina den Kommandeur. Kleine Geruchswölkchen stiegen von seinen Achseln hoch. Schweißtropfen sammelten sich auf der Stirn und den buschigen Augenbrauen. Die massige Brust hob und senkte sich beim Atmen. Gina setzte ein abweisendes Gesicht auf. Betont langsam hob sie den Arm und salutierte.
"Na geht doch", stellte Rince grimmig fest. "Da auf dem Schreibtisch liegt das Wächter-Memo." Mit einer leichten Drehung des Kopfes deutete er nach hinten. Dann bahnte er sich einen Weg zwischen den beiden Rekrutinnen hindurch und eilte mit kleinen, gehetzt wirkenden Schritten und leisem Schnaufen den Gang entlang.
"Schön, dass der Kommandeur so motiviert und freundlich ist", murmelte Mindorah spöttisch während sie ihm nachsah.
Kopfschüttelnd drehte sie sich um und trat über die Schwelle in Rinces Büro. Ehrfürchtig sah sie sich um. Flüchtig tauchte ein Gedanke in ihrem Gehirn auf: Allein im Büro des Kommandeurs, was man da für Möglichkeiten...
Schnell verscheuchte sie die Idee. Stattdessen betrachtete sie den schlichten Raum. In der Mitte befand sich ein hölzerner Schreibtisch, auf dem sich Papierberge türmten. In den Tälern dazwischen fanden sich Schreibfedern, übersäht mit blauen und schwarzen Spritzern. Auch ein Tintenfass fand sich, halb verdeckt von einem Berg Formularen. Gina stand schon am Tisch und hielt einen Stapel Papier in den Händen, den sie kritisch musterte. Ihre Augen wanderten hin und her, Zeile um Zeile und ihre Lippen bewegten sich stumm. Schließlich ließ sie das Blatt sinken und blickte Mindorah an. In ihren Augen blitzte Wut auf. Sie nestelte einen einzelnen Zettel vom Stapel und hielt ihn der Rekrutin vor die Nase. Verwundert nahm Mindy ihn entgegen und las langsam. In großen, schwarzen Druckbuchstaben verkündete das Memo:
"Liebe Wächter/Innen,
ab heute übernehmen die Rekrutinnen Mindorah Giandorrrh und Gina Van Dalismus für eine Woche die Aufgaben der Rohrpostdämonen, da sie Disziplin zu lernen haben. Alle internen Kurierdienste laufen über die beiden Genannten. Keine Scheu oder falsches Mitleid, handhabt die Post wie immer. Nach lautem Rufen stehen sie euch jederzeit gerne zur Verfügung.
Gez.: Kommandeur Rince,
Oberleutnant Humph Meck Dwarf"
Mindorah hob den Kopf und zog verächtlich eine Augenbraue hoch. "Was hast du erwartet? Dass niemand von unserer Strafe weiß und wir uns im Eimer vergnügen können?"
Gina erwiderte nichts. Sie klemmte sich den Packen Papier unter den Arm und schritt an der Rekrutin vorbei in den Gang. Mindorah folgte ihr kopfschüttelnd und schloss die Tür hinter sich. Das einzelne Blatt noch in der rechten Hand haltend, trat sie hinter Gina, die vor der nächsten Bürotür stand und klopfte.
"Herein", ertönte eine helle Stimme.
Gina stieß die Tür auf und betrat das Büro. Die Gnomendame Lady Rattenklein saß im Schneidersitz auf der Schreibtischplatte, zu der eine kleine Treppe führte. Vor ihr lag ein Blatt Papier. Mit beiden Händen hielt sie mühsam eine Feder, die sie jedoch beiseite legte, als sie die Rekruten reinkommen sah. Fragend schaute sie zu ihnen hinüber.
Gina knallte ihr ein Wächter-Memo auf den Tisch.
"Ein Wächter-Memo von Rince und Humph", leierte sie herunter.
"Wieso kommt das denn von euch?", wunderte Ratti sich. Sie runzelte die Stirn. "Ach, war da nicht was mit 'ner IA-Anzeige?"
"Genau. Aber les am besten selbst, wir haben noch 'ne ganze Menge Büros zu besuchen...", antwortete Mindorah und seufzte.
Die Lady nickte mitleidig. "Macht das Beste draus!" Damit wendete sie sich wieder ihrer Arbeit zu.
"Na, Spaß bei der Arbeit?", erklang es plötzlich hinter den Rekruten.
Staunend drehten sich die beiden um und starrten in das Gesicht von Humph.
"Ja. SEHR. Wir können es kaum erwarten, weiter zu machen", zischte Mindorah nach dem ersten Schreck.
Die Rekrutinnen drängelten sich an dem Oberleutnant vorbei und liefen schnurstracks zur nächsten Tür.
"Pah", grummelte Humph, "die Jugend von heute...wenn WIR damals so unfreundlich gewesen wären..." Mit verschränkten Armen musterte er Gina und Mindy.
Ohne den Oberleutnant zu beachten, pochte Gina mit ihren Knöcheln an die Tür.
"Ja?", drang es dumpf aus dem Büro.
Die Rekrutin drückte die Klinke hinunter und öffnete die Holztür, die selbiges mit lautem Quietschen kommentierte. Rina Lanfear saß gähnend an ihrem Schreibtisch und guckte die Rekrutinnen aus müden Augen an.
"Was ist denn los?", wollte sie wissen und befürchtete schon quengelnde Rekruten, die sie, als Rekrutenmami, nervenaufreibend um Hilfe baten.
"Hier, ein Wächter-Memo", informierte Gina sie und hielt ihr eins der Blätter entgegen.
"Ach ja, ich erinnere mich, die IA-Strafe", murmelte Rina nachdem sie das Memo studiert hatte. Sie öffnete eine Schublade in ihrem verwitterten Holzschreibtisch und ließ das Blatt darin verschwinden. Dann sah sie die beiden Rekruten an, die tatenlos vor ihr standen.
"Ihr könnt wegtreten", forderte Rina sie auf.
Mindorah salutierte und verließ hinter Gina den Raum. Diese war schon unterwegs zum nächsten Büro.
Mindy runzelte die Stirn. "Vielleicht sollten wir uns aufteilen", schlug sie vor.
Abrupt drehte sich Gina um und drückte ihr die Hälfte der Blätter in die Hände. "Keine schlechte Idee", gab sie zu und wendete sich wieder der Tür zu.
Mindorah machte sich stattdessen auf den Weg zur anderen Seite des Wachegebäudes. Humph, der währenddessen noch immer mit grimmigem Gesicht vor Rattis Büro stand, folgte ihr.
Jetzt hab ich den auch noch am Hals, dachte die Rekrutin seufzend.

***

"Puh", ließ Mindorah sich vernehmen, als sie laut die letzte Tür schloss. Schweißtropfen standen ihr auf der Stirn und ihre Füße hatten schon vor einiger Zeit begonnen zu schmerzen. Mit einer schnellen Handbewegung wischte sie sich den Schweiß von der Stirn, wobei die Tropfen nur so spritzten. Geräuschlos landeten diese an der Wand und bildeten winzige Flecken auf dem gräulich-weißen Putz. Mindy wischte sich die nassen Hände an der Hose ab und lehnte sich geschafft an die Wand, mitten in die Schweißtropfen, die dadurch ihre Form verloren und übergangslos ins Muster des Schmutzes auf der Wand übergingen.
Schlurfende Schritte kündigten Gina und Humph, der sich ihr vor einiger Zeit angeschlossen hatte, an, die sich langsam näherten. Schließlich blieben sie vor Mindorah in dem düsteren Gang stehen.
"Anstrengender als ihr gedacht hattet, was?", fragte Humph scheinheilig.
Die Rekrutinnen antworteten mit eisiger Stille und finsteren Blicken.
"Aber ihr habt ja nur noch sechs Tage vor euch. Für heute habt ihr es ja beinahe geschafft", stellte der Oberleutnant mit aufgesetzter Fröhlichkeit fest und klopfte Gina und Mindy auf die Schultern. Danach drehte er sich um und schlenderte zu seinem Büro.
Mindorah verdrehte die Augen und ließ sich an der Wand entlang nach unten rutschen, was ein kratzendes Geräusch ergab, abgeschlossen von einem Plumpsen, das entstand, als die Rekrutin auf dem Boden landete.
'Klapp' ertönte es plötzlich. Gefolgt von einem lang gezogenen Schlürfen. Erstaunt richteten sich die Blicke der beiden Frauen nach oben. Die Klappe des Rohrpostsystems hatte sich geöffnet und Reggie sah sie misstrauisch daraus an. In der Hand hielt er das Glas samt Strohhalm. "Soso, ihr Schnarchtanten wollt also unsere Arbeit erledigen?"
Entsetzt guckten sich die beiden Rekruten an. "Nicht die auch noch", riefen sie fast einstimmig.
"Oh doch", erwiderte Aaps, der über Reggies muskulöse Schulter lugte.
"Hilfe, holt mich hier raus", flehte Gina.
"Wir dachten uns, wir geben euch mal ein paar Tipps, damit ihr es wenigstens ansatzweise schafft, die Post so gut auszutragen wie wir", erklärte Aaps gönnerhaft.
Ohne eine Antwort abzuwarten, begann der Dämon mit dem Vortrag: "Also erstens solltet ihr euren IQ etwa um...", Aaps kratzte sich am Kopf und schien zu überlegen, "...200 steigern. Dann wärt ihr ungefähr bei einem akzeptablen Wert."
Gina und Mindorah machten sich nicht die Mühe zu protestieren. Sie beobachteten, wie Aaps Reggie einen Wink gab. Dieser griff nach hinten und holte eine kleine Schautafel hervor. Darauf war ein winziges Gehirn abgebildet, welches mit vielen Pfeilen zu einem größeren hinführte. Geschmückt war das Ganze mit unsauber hingekritzelten Formeln.
"Ich habe das hier mal bildlich verdeutlicht", meinte Aaps und deutete auf die Schautafel. Nachdem er genügend Zeit zum Betrachten gelassen hatte, drehte er das Bild um und ein anderes kam zum Vorschein. Eine skizzierte Zeichnung eines Menschen ließ sich erkennen. Und wieder eine Menge Pfeile, die auf eine deutlich kleineren Menschen zeigten. Auch Formeln waren wieder rings herum geschmiert.
"Zweitens", setzte Aaps wieder an, "müsst ihr eure Körpergröße um ein Vielfaches verringern. So ungefähr bis zur Größe von uns." Mit einer deutlichen Geste auf sich und die beiden anderen unterstrich er den Satz. "Und das war's auch schon. Ist doch ganz einfach, oder nicht?"
Breit grinsend strahlte der Dämon die beiden Rekruten an.
"Ja. Tolle Idee! Ihr habt uns wirklich sehr geholfen", lobte Mindorah. Die Ironie schwang unüberhörbar in ihrer Stimme mit.
"Dann gehen wir auch wieder. Wir haben schon genug Zeit mit euch verschwendet. Womöglich steckt ihr uns noch mit Intelligenzschwund an!"
"Oh ja, ich merk's schon", Stuff hielt sich theatralisch die Hände an den Kopf, "eindeutig Verdummung!"
Und 'Klapp', waren die Dämonen auch schon wieder verschwunden und die Klappe saß fest auf dem Rohr.
"Was für liebenswerte Zeitgenossen", spottete Gina verächtlich.
Mindy richtete sich mit leisem Ächzen auf und machte Anstalten sich in Richtung Ausgang zu bewegen.
"Komm, lass uns gehen, ich hab vorerst genug von diesem Haufen...", meinte sie erschöpft.
Ihre Leidensgenossin nickte. "Und dieses Theater noch 'ne ganze Woche", seufzte sie und folgte der Rekrutin langsam.

***Gina Van Dalismus***

An den darauffolgenden zwei Tagen kam es den Wächterinnen so vor, als würden die Flure immer länger, als vermehrten sich die Packen mit Memos und die Büros in welchen die Rundschreiben abzugeben waren schlagartig.
Besonders Rascaal sah sich scheinbar gezwungen, einige äußerst wichtige Briefe aufzugeben, wie: 'Guten Morgen Wächter, ich wünsche euch einen effektiven Arbeitstag.'
Oder: 'Schönes Wetter heute, nicht?'
Die Knöchel wund vom Klopfen an Bürotüren, schleppten sich die beiden wortlos unter Oberleutnant Meck Dwarfs wachsamen Augen durch die Korridore und sahen sich gezwungen, mehr und mehr Pausen einzulegen, um die müden Arme zu entlasten.
Bei einer dieser Unterbrechungen; Seite an Seite an die Wand gelehnt; seufzte Mindorah: "Also, nicht nur, dass diese Arbeit furchtbar anstrengend ist, sie ist auch noch unfassbar langweilig, findest du nicht?"
Die andere Rekrutin nickte erschlagen. "Wir sollten das ganze irgendwie aufpeppen." Gedankenverloren blätterte sie in dem dicken Papierstapel. Plötzlich hielt sie inne. "Hey, wie wär's denn damit?", wisperte sie verschwörerisch, wobei sie ihrer Leidensgenossin einen verschlossenen Umschlag unter die Nase hielt, auf dem in dicken Lettern zu lesen war: GEHEIM!
Mindorah sah sie entsetzt an. "Hast du sie noch alle? Wenn sie uns dabei erwischen, können wir bis an unser Dienstende hier die Post austragen."
"Wie sollten sie das denn bemerken? Wir öffnen den Umschlag vorsichtig mit Wasserdampf und kleben ihn anschließend wieder zu. Humph macht Mittagspause, der läuft uns also sicher nicht über den Weg und die andern achten doch gar nicht auf uns", flüsterte Gina eindringlich. "Komm schon, ich sterbe vor Langeweile. Auf meine Verantwortung, in Ordnung?"
Zwar blickte sie noch immer skeptisch drein, doch die Neugier in Mindorahs Augen blitze unübersehbar auf.
Die Aussicht darauf, etwas Verbotenes zu tun, gab Gina den nötigen Energieschub, aufzuspringen und die andere Rekrutin auf die Beine zu ziehen. "Na los, bevor der Oberaufseher hier wieder rumschleicht!" drängte sie.

Wenige Minuten später standen die zwei über einen dampfenden Kochtopf gebeugt, stets auf Schritte lauschend, die einen Vorgesetzten ankündigen mochten und weichten den Umschlag behutsam auf.
Konzentriert fuhr Gina mit ihrem Dienstmesser Zentimeter für Zentimeter unter das Siegel und trennte es mit Sorgfalt vom Papier.
"Das ist keine gute Idee, überhaupt keine gute Idee!", murmelte Mindorah besorgt und nahm ihrer Kollegin das Dokument aus den Händen. "Aber es hat ja auch niemand behauptet das wir jemals gute Ideen hätten", grinste sie schließlich und entfaltete den Brief.
Gespannt lugte Gina über ihre Schulter und las:

Eingeweihte,
morgen findet um Mitternacht
ein Treffen im Aufenthaltsraum statt
um die geheime Sache zu besprechen!
Ich erwarte euch rechtzeitig,
dieser Brief zerstört sich 20 Sekunden
nach Öffnen des Siegels von selbst!


Bevor eine der Rekrutinnen einen verwunderten Kommentar abgeben konnte, fing das Papier an, sich zwischen Mindys Fingern aufzulösen und war binnen kürzester Zeit zu einem Häufchen Asche zerfallen.
"Scheiße!" Entsetzt starrten sie auf den kümmerlichen Rest des geheimnisvollen Schreibens.
"Verdammt, was machen wir denn jetzt?", rief Mindorah verzweifelt.
Unverständliches Zeug stammelnd betrachtete Gina das Siegel. Offensichtlich hatte das Öffnen irgendeinen winzigen Mechanismus ausgelöst, der dazu führte, dass eine ätzende Tinktur auf den Brief abgegeben wurde.
Was es auch war, sie saßen ordentlich in der Ankhbrühe!
"Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was wir jetzt tun sollen", gab sie kleinlaut zu. Schließlich gab sie sich einen Ruck und sagte entschlossen: "Erst mal müssen wir die Beweise vernichten, wozu sind wir Wächter geworden, wenn wir noch nicht mal so ein kleines Missgeschick vertuschen können?"
Da Mindorah nichts Besseres einfiel, fingen sie fieberhaft an, die Asche und den Kochtopf zu entsorgen, Fingerabdrücke zu verwischen und letzten Endes einfach nur hektisch hin und her zu laufen. Schweißüberströmt standen sie schließlich voreinander und entschieden, zunächst die Memos zu Ende auszutragen, damit Humph nicht misstrauisch würde und im Anschluss zu überlegen, was zu tun sei.

Von der Mittagspause erholt, war der Ausbilder überrascht, zu sehen, wie pflichtbewusst und eifrig die beiden Rekrutinnen ihre Aufgabe erfüllten. Zufrieden sah er sie ohne ein Wort der Beschwerde durch die Flure huschen; schließlich hatten die Disziplinarmaßnahmen also doch gefruchtet!

"Glaubst du, Humph hat was bemerkt?", fragte Mindy ihre Kollegin in einer unbeobachteten Minute besorgt.
"Pff, der doch nicht!", gab Gina verächtlich zurück. "Der klopft sich mit Sicherheit selbst auf die Schulter, weil wir so fleißig waren. Also, hier ist mein Vorschlag: die Mitteilung war geheim, nicht wahr?" Mindorah nickte besorgt. "Wenn also jemand bemerkt, dass die Nachricht ihren Empfänger nicht erreicht hat, wird derjenige wohl kaum durchs ganze Haus rennen und jeden anquatschen: `Hey, hast du 'ne Ahnung, warum das strenggeheime Schreiben nicht angekommen ist, dass ich verschickt habe? Das Schreiben, von dem nur die wenigsten wissen durften? Selbst wenn derjenige uns verdächtigt, kann er doch nicht zu uns kommen und uns danach fragen, oder?"
Die Wächterin schien nicht wirklich überzeugt zu sein, stimmte jedoch zögerlich zu. "Wenn es nun aber etwas wirklich Wichtiges war? Vielleicht sollten wir morgen Nacht hierher kommen, um nachzuschauen, von wem die Mitteilung kam und zur Not zugeben, dass wir daran Schuld sind, hinterher stammte die Nachricht von Rince oder so. Das brächte uns zwar jede Menge Ärger ein, aber immer noch besser, als wenn, was weiß ich", sie zuckte die Schultern, "als wenn das Schicksal der Stadt auf dem Spiel stünde."
Nun wäre es an Gina gewesen, zweifelnd zu schauen, jedoch gefiel ihr der Gedanke an eine abenteuerliche Nacht inklusive geheimer Verschwörung viel zu sehr, als dass sie ihrer Kollegin widersprochen hätte.

Am nächsten Tag waren die jungen Frauen so angespannt, dass sie kaum ein Wort miteinander wechselten, weder Humph eines Blickes, noch die angenehme Tatsache würdigten, dass die Dämonen sie kein einziges Mal bei der Arbeit störten.
Beide fieberten auf ihre Weise der Nacht entgegen; Mindorah eher ängstlich, Gina voller Vorfreude.
Als es endlich dämmerte und keine Memos mehr zu verteilen waren, schlichen sich die Rekrutinnen in eine spinnenwebenüberzogene Besenkammer, die allem Anschein nach in Vergessenheit geraten war.
"Das perfekte Versteck!", flüsterte Gina zufrieden und schloss sachte die Tür.
"Ein bisschen eng und dunkel vielleicht", bemängelte Mindy mit gedämpfter Stimme. Hustend fügte sie hinzu: "Und staubig."
Aufeinanderhockend warteten die beiden eine schier unendlich lange Zeit in der stickigen Dunkelheit, unterhielten sich leise, lauschten den Schritten, die ab und zu vor der Tür zu hören waren und warteten. Und warteten.
"Was meinst du, worum es bei dieser Sache geht?", murmelte Gina nachdenklich.
"Keine Ahnung, aber es muss sich um etwas wirklich Wichtiges handeln, wenn da so ein Geheimnis draus gemacht wird. Darum weiß ich eben nicht, ob sich das, was wir getan haben so leicht aus der Welt schaffen lässt, wie du dir das vorstellst."
Nach einer kurzen Pause gab Gina trotzig zurück: "Was soll schon großartig passieren?"
"Also, wenn der Patrizier im Spiel ist oder so, will ich das lieber gar nicht wissen", flüsterte Mindorah unheilvoll.
Das Gespräch verstummte und auch die Schritte kamen seltener, sodass schließlich allein die kleine Taschenuhr in Mindorahs Hand leise tickte. Und tickte.
Ginas Atem ging flach, ihre Hände waren schwitzig und ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Wenn doch nur endlich Mitternacht wäre!
Doch die Sekunden zogen sich in die Länge. Tick-Tack-Tick-Tack.
Nach viereinhalb Ewigkeiten raunte Mindy endlich: "Gleich ist es so weit, noch fünf Minuten bis zwölf, lass uns nachschauen gehen."
Mühsam richteten sie sich auf, streckten vorsichtig die steifen Beine. Als sie die Tür öffneten und erleichtert die frische, kühle Luft in ihre Lungen saugten, bot sich ihnen ein vollkommen ungewohntes Bild: An den Wänden waren Fackeln angebracht, die den dunklen Flur in ein gespenstisches Licht tauchten.
Ein kurzer Schreck glitt wie das Flackern des Feuers über ihre Gesichter. Nach einem ausgiebigen Räuspern bemerkte Gina wegwerfend: "Ist ja lächerlich, wie unheimlich, pff!" Doch das leichte Zittern ihrer Stimme ließ die Ironie nicht ganz überzeugend klingen.
"Welche Richtung?", wisperte Mindorah und sah sich um, als wolle sie weder die eine noch die andere Richtung einschlagen.
Gina wies nach links. "Da entlang!"
Im Abstand von etwa einem Meter waren Schilder aufgehängt, die unmissverständlich klarmachten, dass Unbefugten, die sich trotzdem Zugang verschaffen wollten, keine sehr erbauliche Zukunft bevorstand.
Mit jedem Schritt, den sie machten, wurden die Schilder bedrohlicher und ihre Schritte hallten lauter und lauter den Gang hinunter.
Verärgert stellte Gina fest, dass sie auf Zehenspitzen lief und den Atem angehalten hatte. Mühsam zwang sie sich zu normalen Bewegungen, indem sie sich daran erinnerte, wie sie hier nun schon seit Monaten morgens mit einem Kaffe entlang schlurfte und das einzig wirklich Bedrohliche ein Zusammentreffen mit Frau Willichnich darstellte.
"Da vorn ist der Aufenthaltsraum", hauchte Mindy und wies auf die Tür. "Bist du sicher, dass wir nicht lieber umkehren sollten?"
Ginas Blick folgte der ausgestreckten Hand und wurde von den schwarzen Augenhöhlen eines gewaltigen Totenschädels erwidert. Nachdem sie kurz zusammengezuckt war, erkannte sie, dass es sich nur um eine beträchtlich wirklichkeitsgetreue Zeichnung auf einem Pappschild handelte und nickte trotzig. "Klar, wir müssen herausfinden, was hier vor sich geht."
Vorsichtig schlichen die beiden sich an die Tür heran.
Gina legte die Hand langsam über die klinke und drückte sie vorsichtig herunter.
Die beiden Rekrutinnen hielten entsetzt den Atem an, als die langsam aufschwingende Tür laut quietschte. Mit zittrigen Knien machten sie einige behutsame Schritte in den dunklen Raum hinein und strengten sich furchtsam an, etwas zu erkennen.
Als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnten die beiden Wechterinnen eine schwarzumhüllte Gestalt in der Mitte des Zimmers ausmachen, die sich mit gespenstig großen Schritten auf sie zu bewegte.
Wie angewurzelt blieben die beiden stehen und starrten der Gestalt mit zitternder Atemlosigkeit entgegen.
Etwa einen Meter vor ihnen blieb der Riese stehen und es vergingen einige Sekunden angespannter Stille, als die Gestalt quälend langsam begann, ihren Mantel aufzuknöpfen.
Plötzlich schien sich der Körper des Wesens in drei Stücke zu teilen, die mit einem Ruck auf die kreischenden Rekrutinnen zusprangen:
Auf dem Boden gelandet, entbrannte ein erbitterter Kampf zwischen den beiden jungen Frauen und den Monstern, die in der Dunkelheit nur undeutlich zu erkennen waren, als mit einem mal das Licht anging.
Keuchend machten sich Gina und Mindy darauf gefasst, dem Grauen ins Gesicht zu blicken, da vernahmen sie ein piepsiges und doch dreckiges Lachen.
Ihr seid doch tatsächlich darauf reingefallen, wie kann man nur so blöd sein?" Aaps schlug sich grölend auf die kleinen Schenkel und auch Reggie bog sich vor lachen.
Fassungslos blickten die Wächterinnen erst einander und schließlich die schadenfrohen Dämonen an.
Der dritte im Bunde, Stuff, stieg mit seinen monströsen Stelzen über den am Boden liegenden Mantel hinweg und amüsierte sich über die Gesichter der beiden Frauen.
"Wie erwartet seid ihr auf unseren Plan vollends hereingefallen", er schüttelte mitleidig den Kopf. "Damit habt ihr das große Los gezogen und dürft uns nun dreimal im jahr eine Woche lang bei unserer Arbeit helfen, damit wir auch mal unseren wohlverdienten Urlaub bekommen." Er gebot den beiden, die gerade zu einem laut halsen Protest ansetzen wollten, mit einem Wink zu schweigen. "Die Alternative wäre, dass wir eure Vorgesetzten informieren. Schließlich habt ihr euch "geheime Unterlagen" angesehen und dann auch noch im Wachhaus rumgeschnüffelt. Meint ihr nicht, dass ihr euch damit eine noch größere strafe aufhalst?"
Mit einem schicksalsergebenen Seufzer willigten die Rekrutinnen in die Abmachung ein.

ENDE

[1] Was gar nicht so einfach zu bewerkstelligen ist, wenn die Augen noch halb von den Lidern bedeckt sind

[2]  Siehe im Archiv unter "Reggie", "Aaps" und "Stuff". Beschreibung teilweise von dort übernommen.

[3] Gesundheitsbewusst wie sie sind, wollten sie sich natürlich nicht überhetzen, das könnte schließlich bleibende Schäden hinterlassen




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