Morde mit religiösem Hintergrund geschehen. Werden Hauptmann MeckDwarf und Lance-Korporal Picardo den Fall lösen können?
Dafür vergebene Note: 13
Engel? Geflügel für Menschenfresser.
(Stanislaw Jerzy Lec, poln. Schriftsteller, 1909-1966)**** Hauptmann Humph MeckDwarf ****
Der Körper der Frau lag tot vor ihm, als er eine Orange ausschlürfte. Er betrachtete ihren Körper mit einem fast zärtlichen Blick und lächelte. Mit einem Wurf landete die Schale der Orange in einen Sack und er leckte sich den letzten Saft von seinen Lippen ab. Dann kniete er sich nieder, strich sanft über ihren Körper und zog sich dann die Handschuhe an. Er drehte sie herum, nahm das Messer, das noch immer Orangensaft an sich kleben hatte und fing langsam an, die Buchstaben einzuritzen. Blut vermischte sich mit dem Orangensaft und er fühlte diese leichte Ekstase in sich aufsteigen. Er unterdrückte sie, solange er noch schrieb, dann stand er auf und ließ einen erleichterten Seufzer von sich hören. Die Moral wird siegen. Er wusste das. Und er würde das Werkzeug dazu sein. Seine Finger tunkten in die Blutlache unter der Leiche und er malte damit noch eine Folge von Zeichen an die Wand im nächsten Zimmer. Zufrieden setzte er sich nieder, nahm eine weitere Orange und schnitt sie mit dem blutigen Messer auf. Seelenruhig begann er zu essen. Als er fertig war, schmiss er die Schale wieder in den Sack. Dann hob er diesen hoch, warf in sich über die Schulter und verließ das Haus.
"Kein schöner Anblick", sagte Humph und schlürfte an seinem Kaputtschino, den Blick nicht von der Leiche lassend.
"Wem sagst du das", erwiderte Larius de Garde und machte ebenfalls einen Schluck.
"Was gefunden, Sillybos?", fragte der Ausbilder. Er war erst vor kurzem wieder zu GRUND versetzt worden, hatte aber darauf bestanden diesen Fall noch zu bekommen. Es war der letzte der noch auf seinen Schreibtisch gelandet war, bevor er das Büro geräumt hatte.
"Nein, Sir. Hegelkant sucht noch.", sagte der philosophische Spurensicherer und nahm die Tasse mit heißem Kaffee von seinem Sklaven entgegen.
"Aha, na ja, vielleicht könntest du ihm helfen...", erwiderte Humph.
"Aber Sir..."
"Das ist ein Befehl, Korporal!"
Die Miene des Mannes verzog sich kurz, dann stellte er die Tasse hin und suchte den Raum ab.
"Wie könnt ihr zulassen, dass immer der Sklave alles macht?", fragte Humph, während er weiter an seiner Tasse nippte.
"Tja, andere Länder, andere Sitten", erwiderte Larius und blickte hinunter, wo Lady Rattenklein an seiner Hose zupfte.
"Lass mich mal hoch!", sagte sie lauter als notwendig.
Der Tatortsicherer verdrehte kurz die Augen, drückte Humph den Kaffee in die Hand und hob Lady auf seine Schulter.
"Was gibt's, Lady?", fragte Humph und gab deGarde die Tasse wieder.
"Die Leiche riecht nach Orangen. Zumindest das Wort, das in ihr eingeritzt wurde.", sagte die Gnomin.
"Welches Wort?"
"Verschandelung wurde mit einem Messer in den Körper eingeritzt."
"Oh, grausam.", Humph blickte wieder zu der Leiche und bemerkte erst jetzt, dass sie mit Tätowierungen übersät war. Einige schienen noch recht frisch.
"Woran sie wohl gestorben ist?", fragte Humph leise.
"Ich nehme an, daran, dass jemand meinte, sie unbedingt mit einer Tätowiernadel zu malträtieren.", kam eine Stimme von hinten und Humph drehte sich um, um Jack anzusehen, "Zumindest sind kreuz und quer Nadelstiche mit Tinte. Das KANN man gar nicht überleben. Ich schätze, man wird in der Tinte, die noch an ihr klebt auch ihr Blut finden."
Der Wächter blickte stumm in seinen Kaffee: "Ich glaub, jetzt ist mir schlecht."
Fünf Sekunden später nippte er wieder an dem Getränk und sah sich um.
"Sir?"
"Ja, Sillybos? Was gibt's?"
"Ich habe etwas gefunden, sehen sie mal.", irgend etwas sagte Humph, dass eigentlich Hegelkant der Finder gewesen war, aber er ließ sich trotzdem von dem Philosophen in den nächsten Raum führen.
"Da wurde etwas mit Blut an die Wand geschrieben, sehen sie?"
Humph nickte: "Aber damit kann ich nichts anfangen... Eze 15,6?"
"Das könnte auch Eca heißen, oder?", meinte Sillybos.
"Äh", Humph betrachtete es sich noch einmal genauer, "Nein, das denke ich nicht. Das heißt definitiv Eze. Wie kommst du auf Eca?"
Hegelkant zuckte für Sillybos mit den Schultern.
"Wie auch immer. Gut gemacht, Korporal, du weißt ja was du... ihr machen müsst."
Hegelkant nickte und Humph dachte sich nun nicht zum ersten Mal, dass der falsche von beiden die Marke trug.
Humph nickte Larius zu: "Hast du eine Ahnung, was Eze 15,6 heißen könnte?"
"Tut mir leid, keine Ahnung."
Humph seufzte. Warum auch leicht, wenn's kompliziert geht, dachte er.
"Gut, ich danke euch, macht den Tatort so schnell wie möglich fertig. Ich brauch Laborberichte, so schnell es geht."
Larius nickte: "Tschau, Humph."
"Tschüss."
Grübelnd saß Humph an seinem Schreibtisch und spielte mit einem seiner Wurfsterne. Die Bedeutung dieser Wörter war ihm noch immer nicht ganz klar. Er nahm die Tasse zur Hand und schlürfte ein wenig an dem Kaputtschino. Seit er mit Charlie auch privat mehr unterwegs war, gewöhnte er sich an dieses Getränk. Mehr noch, er ertappte sich sogar immer öfter dabei, wie er es unbewusst zu sich nahm. Aber das störte ihn kaum. Langsam lehnte er sich zurück und nahm die Ikonographie, die am Tisch lag. Es war ein Bild vom Tatort. Eine weitere Ikonographie fand ihren Weg in seine Hand und er betrachtete die Leiche. Das Wort "Verschandelung" war trotz der... nun sagen wir ungewöhnlichen... Schreibfläche mit einer sorgfältigen Schrift geschrieben worden. Humph ließ seine Hand zum Schreibtisch gleiten und nahm einen runden, rosa Kreis aus einer bunten Schachtel. "Schnapper's bunte Runde-Scheiben-mit-Loch" war auf der Schachtel zu lesen. Die Schwangerschaft seiner verstorbenen Ehefrau hatte ihn dazu geführt diese Dinger zu essen. Zuerst hatte sie immer mehr davon gewollt. Er hatte dann einen riesigen Vorrat für sie gekauft, aber plötzlich wollte sie es nicht mehr. Und dann... na ja... Er zwang sich nicht weiter daran zu denken. Seit dem aß er sie selbst. Schließlich mussten sie weg, sagte er sich und so schlecht waren sie nun auch wieder nicht. Bisschen zu süß fand er, aber in ihnen war etwas undefiniertes, dass irgendwie süchtig machte. Herzhaft biss er hinein und betrachtete wieder die Bilder vom Tatort. Dann nahm er die Akte vom Schreibtisch und blätterte sie auf.
"Eleanore Bildchen-Mach."
Komischer Name, dachte er bei sich und las weiter.
"Beruf: Tätowiererin."
Das war ja nicht überraschend. Allerdings, wie machte sie das bei sich selbst? Kurz glitten seine Gedanken wieder ab und blieben an Joschi hängen. Sie hatte auch solche Bildchen gehabt. An Stellen, wo er nicht mal wusste, dass man sie tätowieren konnte.
"Wenn du so weiter machst, kommst du nie weiter!", sagte plötzlich eine Stimme in ihm und er seufzte leise.
"Nerv nicht, Murphy. Der Fall ist kompliziert."
"Klar, aber an SOWAS zu denken macht's sicher nicht einfacher!"
"Jaja, ist ja schon gut. Hast du ne Ahnung was das heißen könnte?"
"Nein. Aber es ist ja auch nicht mein Job, das zu wissen."
"Du bist mir immer eine große Hilfe, Murphy, ich danke dir."
"Spar dir den Sarkasmus! Davon hör ich von deinem Vater genug!"
"Ich bin nicht sarkastisch sondern zynisch. Das ist ein Unterschied, Kobold!", sagte der dritte Geist des Humph MeckDwarf beleidigt.
[1]Humph seufzte. Manchmal verfluchte er die beiden. Allerdings war Murphy ruhiger seit sein Vater auch in ihm war. Die beiden stritten entweder in Ruhe oder Murphy war so damit beschäftigt den Vater zurückzuhalten, dass er nichts sagen konnte.
Leise, um die beiden nicht zu stören, blickte er wieder in die Akte. Er überflog die Sachen, die er sowieso wusste – also, so etwas wie Geschlecht, Adresse und Datum des Todes – und widmete sich den Sachen, die ihn interessierten.
"Orangengeruch am Körper; wenig Blut an den Buchstaben-Schnitten, daher sicher schon tot, bevor das Wort eingeritzt wurde; Tod durch unzählbare Einstiche mit einer Tätowiernadel"
Angewidert ließ Humph seinen Zucker-Kringel sinken. Das war ein grausamer und ekelhafter Tod.
Er stellte sich das gerade bildlich vor, als es an der Tür klopfte. Erschrocken fuhr er hoch, wobei der Kringel durch die Luft sauste und der Kaffee sich über seine Hose goss.
"VERDAMMT!... Äh, HEREIN!!!"
"Öhm, hallo, Humph. Stör ich gerade?", Charlie war herein gekommen.
"Ääääh, nein, ich bin nur bekleckert.", erwiderte er und versuchte sich den heißen Kaffee abzureiben, "Was gibt's?"
"Nun, äh, hättest du heut Abend vielleicht Zeit für mich? Ich wollte essen gehen..."
"Hm, ja sicher. Conzuela ist bei der Kleinen zu Hause, weil sie meint ich kümmere mich nicht um sie..."
Und damit hat sie recht, verdammt, dachte er still. Aber was sollte er tun, der Ausbildungsleiter-Job war hart. Und er war sowieso allein...
"Ich bin sowieso allein.", fuhr er fort und rieb noch immer, "Aber da müssen wir kurz bei mir zu Haus vorbei, Klamotten wechseln."
"Gut", Charlie lächelte leicht, "Der Kaffee-Fleck steht dir aber sehr gut."
Humph zeigte ihr die Zunge und meinte: "Raus hier, Kleine. Sonst versohl ich dir noch den Hintern!"
"Das hättest du wohl gern...", meinte sie kichernd und ging dann hinaus.
"Impertinente Jugend", murmelte er und versuchte weiterhin den Fleck hinaus zu bekommen.
Die Orangenschale landete in dem Sack und der Mann grinste. Er ging zu dem Sessel, wo der Körper angebunden war und blickte in die toten Augen. Sie waren voll Schrecken. Das gefiel ihm. Er kicherte leise und zerschnitt das Oberteil. Schwache Muskeln kamen zum Vorschein. Ein Messer glänzte orange im schwachen Licht des Mondes und langsam wurden an der Brust des toten Körpers rote Buchstaben sichtbar. Blut rann den Körper hinunter und des Mannes Finger tunkten in der Wunde ein. Er ging ins Schlafzimmer, schrieb mit dem Blut Zeichen an die Wand und setzte sich ins Bett. Eine Orange wurde in seiner Hand sichtbar und er teilte sie mit dem blutigen Messer. Herzhaft saugte er an der Orange, schmiss die Schale in den Sack, schulterte diesen und verließ das Haus.
"Larius, kommt's mir nur so vor, oder wird das schon zur Gewohnheit?", fragte Humph den Tatortsicherer.
"Es ist erst das zweite Mal, Humph...", erwiderte dieser und fächelte den Passanten zu weiter zu gehen, "Komm mit rein."
Humph und Larius deGarde betraten das Haus und betrachteten das Szenario.
Der Ausbilder schauderte. Der junge Mann war an einen Stuhl mit Lehnen gefesselt worden und sein Körper über und über mit Silberschmuck bestückt worden. Sein Körper sah wie ein einziger Silberklumpen aus. Mit einer Ausnahme: in der Brust des Mannes war soviel Platz gelassen worden, um das Wort "Schmucklos" hineinritzen zu können.
"Hm, wohl derselbe Täter, wie?", fragte Humph.
"Sieht fast so aus", sagte deGarde und nickte Sillybos und Hegelkant zu, die sich um die Spuren kümmerten.
"Wieder Zeichen an der Wand, Sir", wendete sich der Philosoph an Humph.
"Hm, was ist es diesmal?"
"Isch, 13,9, Hauptmann."
Humph notierte kurz: "Okay, blöd... Weder eine Zahl noch ein Buchstabe gleich. Das kann ich schon mal streichen..."
"Vielleicht zusammenzählen? Oder von einander abziehen?"
"Was hätte das für einen Sinn, Larius?"
"Keine Ahnung, bin ich der Mörder?"
"Gute Frage... Bist du es, Larius?", fragte Humph.
"Natürlich NICHT!"
"Hm, aber du bist immer am Tatort, wenn ich komme...", Humph zwinkerte ihm kurz zu.
"Sehr komisch..."
"Ja, so bin ich..."
"Ändere dich, Humph."
"Hm... Nein, ich glaube nicht...", Humph lachte laut auf.
"Bringst du mir wieder euren Bericht?", fügte er dann ernst hinzu. Larius nickte und Humph entfernte sich von dem Haus.
Nachdenklich nippte er wieder an seinem Kaputtschino und lehnte sich zurück. Kurz rieb er sich die Augen und suchte dann die kleine Schatulle in seiner Schreibtisch-Lade. Als er sie fand, öffnete er sie und nahm das kleine Metallgestell heraus. Er öffnete die Bügel und setzte sich das Gestell dann auf die Nase. Er blickte durch die Gläser und merkte sofort eine riesige Verbesserung, was seine Sicht anging. Das Bild in seiner Hand wurde schärfer. Obwohl, darauf hätte er verzichten können. Das Bild erinnerte ihn an Joschi. Auch sie hatte solchen Schmuck gemacht. Nur nicht gerade aus Silber, aber es gab ein Metall, das ähnlich aussah und Werwölfen nichts antat. Dieser Tod hatte ihn an ihren erinnert und der Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht.
Er seufzte leise, als es an der Tür klopfte.
"HEREIN", rief er und die Tür öffnete sich, "Oh, Hallo, Swires. Was gibt's?"
"Hallo, Humph! Ich hab nur eine kleine Information für dich, dann bin ich wieder weg."
"Oh, danke... Äh, wie bist denn du angezogen, sag mal??"
"Ui, gefällt's dir?", die Wichtelin hatte ihren spitzen Hut gegen einen grünen flacheren ausgetauscht, an dem ein Kleeblatt befestigt war. Weiters hatte sie einen grünen Anzug an und mehrere Kleeblätter waren angenäht.
"Du siehst aus wie ein... ausgeflippter Kobold.", er grinste.
"Pah, danke!"
"Nein, im Ernst, sieht gut aus. Aber warum?"
"Immer am 17ten Tag des dritten Monats steigt eine Party unter den Gnomen. Da wird der heilige Patriciel geehrt. Und da dessen Lieblingsfarbe grün war, ziehen sich alle Festbeteiligten grün an."
"Der heilige Patriciel? Ein geringer Gott?", fragte der Leutnant.
"Nein, ich glaube nicht. Eher ein Geist oder so was, keine Ahnung."
"Aber du bist kein Gnom!"
"Richtig, aber ein Gnom hat mich eingeladen. Ein ziemlich netter Gnom sogar", grinste sie.
"Gonzo? Harry?"
"Nein, nicht doch die! Die feiern das ja auch nie. Nein, den kennst du nicht."
"Aha, auch okay. Ich wünsch dir viel Spaß!"
"Danke!", erwiderte sie und gab ihm einen Zettel in die Hand, "Schönen Abend auch dir!"
Humph nickte ihr zu und öffnete den Zettel. "Der Quatan" stand darauf geschrieben, darunter stand "Das eine Buch". Er hob leicht die Augenbraue und überlegte die Bedeutung dieser Nachricht. Dann schrieb er einen kleinen Zettel und rief Reggie. Nach einer kurzen Diskussion mit dem Rohrpostdämon lieferte dieser die Nachricht aus.
Zehn Minuten später tauchte Hegelkant heftig atmend in seiner Tür auf.
Humph zog eine Augenbraue hoch: "Wo ist Sillybos. Soweit ich weiß, wollte ich ihn und nicht dich"
"Der... *keuch*... kommt gleich... *röchel*... er wollte nur...", er atmete tief ein, "er wollte nur, dass sie wissen, dass er hier her kommt."
"Wohl eher langsam schreitet, wie?"
"Das hat wohl etwas mit Würde zu tun, Hauptmann. Außerdem ist mein Herr der Meinung, dass man trotz verschiedenen Geschwindigkeiten einen Ort in derselben Zeit erreichen kann, wenn man es nur will. Er ist gerade im Grübeln über diesen Zustand."
"Aha", erwiderte Humph und bemerkte dann Sillybos, der langsam in sein Büro schritt.
"Ja, Sir?"
"Ah, da bist du ja! Ich habe eine Frage und nehme an, dass du bei uns der bist, der am meisten liest."
Sillybos nickte und hob fragend die Augenbrauen.
"Was sagt dir das?", fragte der Hauptmann und gab ihm den Zettel.
"Der Quatan? Hm, ja, hab ich gehört. Das soll eine heilige Schrift sein. Allerdings eine alte etwas seltsame Religion."
"Für mich sind alle Religionen alt und seltsam. Dieses Buch scheint etwas mit dem Fall zu tun zu haben. Kannst du es organisieren?"
"Hegelkant?", Sillybos sah seinen Begleiter an. Dieser nickte.
"Ja, können wir, Sir."
"Aber schnell, wenn's geht! Und in unserer Sprache!"
"Schon unterwegs... Hegelkant, komm schnell mit!"
Zu Humphs Überraschung kamen die beiden schon nach zwei Stunden wieder und Hegelkant gab ihm ein Buch.
"Wow, danke. Das ging aber schnell... Ihr könnt gehen, danke."
Hegelkant nickte und die beiden gingen aus dem Büro.
"Hmmm... sehen wir mal rein.", murmelte er, "Oh, ein Inhaltsverzeichnis. Sehen wir mal. Komisch sieht größtenteils aus wie Namen. Rasmuel, Teriel, Katiel, Ezechiel, Ischmael... Moment mal..."
Er blickte noch einmal die Namen an und grübelte. Dann sah er den Überpunkt zu ihnen: "Dhie Ahcht Änghel des ainzighen Gootes". Der Punkt darüber war anscheinend die Geschichte der Engel und wie man deren Bedeutung erkennt.
Fasziniert blätterte er vor und las einige Zeilen. Immer mehr interessierte es ihn und er las weiter, bis er an eine Stelle kam, die er mit Bleistift unterstrich: "Jeder dieser Engel steht auch für eine Todessünde" stand da.
"Ezechiel... Ischmael...", etwas in seinem Kopf machte Klick und er suchte sein Notizbuch.
"Eze 15,6... Isch 13,9... Hm, okay, die Buchstaben für die Namen und die Zahlen?"
Er blätterte etwas in dem Buch und entdeckte Zahlen auf der Seite. Kapitel waren bezeichnet und auch die jeweiligen Zeilen. Er blätterte bei Ezechiel und blieb bei Kapitel 15 stehen. Mit dem Finger glitt er langsam die Zeilen hinunter und entdeckte Zeile 6.
"'Und ohne Verschandelungen des Körpers sollst du verweilen, denn dies sagt dir Ezechiel, der Engel der Kunst'", las er laut und ringelte das Wort 'Verschandelungen' ein.
Schnell blätterte er weiter zu Ischmael und suchte Kapitel 13, Zeile 9.
"'Und schmucklos sollst du verweilen, denn dies sagt dir Ischmael, der Engel des Schmucks'", las er und ringelte 'schmucklos' ein.
Dann las er interessiert weiter, wobei er alsbald auf Patriciel, den nächsten Engel stieß. Irgendetwas klingelte in Humph bei diesem Namen. Den hatte er doch heute schon gehört. Er las weiter.
"'Denn grün war seine Lieblingsfarbe.'... hmmm... 'am 17ten des dritten Monats ist sein Ehrentag'... komisch, das ist heute... Vers 17, Zeile 3: 'Und nicht als Götzenbild sollst du ihn verehren, denn dies sagt Patriciel, der Engel der Ehre.'... Hmmm... Moment, 17.3., grün, Götze... SCHEISSE!!! Swires!", schrie er plötzlich und umringelte das Wort 'Götzenbild'. Dann sprang er auf und rannte schnell mit dem Buch zu SUSI, wo er Sillybos aufsuchte.
"Sir, was..."
"Keine Zeit! Hier! Lies das Buch! Such mir die Todsünden beziehungsweise die Verbote der Engel und markier sie mir!", sagte er erregt und rannte schnell aus dem Wachehaus.
Sillybos blickte verwirrt zu Hegelkant, der die Schultern zuckte.
"Nun, Hegelkant, du hast den Hauptmann gehört... such das raus..."
Der Ausbildungsleiter rannte durch die Ankh Morporker Strassen und suchte jedes Anzeichen nach Feiern. Das war zwar nicht besonders schwer, es gab immer Feiern, aber irgendwie immer die falschen. Irgendwann rutschte er keuchend aus und versuchte sich schnell hoch zu rappeln, als ihn eine bekannte Stimme anredete.
"Humph! Gott sei Dank! Schön dich zu sehen!", sagte Swires aufgeregt.
Schnell sah er auf und begann zu lächeln: "Gott sei Dank, dir ist nichts passiert!" Er nahm sie heftig in die Arme.
"Hey, du erdrückst mich ja!"
"Tut mir leid, ich freu..."
"Schon gut. Mir ist nichts passiert, aber Tony!"
"Tony?"
"Der Gnom der mich einlud."
"Ist er... tot?"
"Ja, woher..."
"Egal, bring mich sofort hin."
Sie nickte und führte ihn zu einem größeren Platz, wo ein großer Bottich stand.
"Da drin", sagte sie und zeigte auf den Bottich.
"Warum hat ihn noch keiner rausgeholt, verdammt?"
"Es traut sich keiner..."
"Toll...", schnell rannte er zu dem Bottich und zog an den kleinen Beinchen. Die "Suppe", anders konnte es Humph gar nicht nenne, in der der Gnom ertränkt worden war, war vollkommen grün. Genau wie der Gnom selbst. Quer über den kleinen Körper war ein Wort geschrieben: 'Götzenbild'
"Verdammt!!!", fluchte Humph und legte den Gnom auf den Boden.
"Geht's um deinen Fall, Humph?", fragte Swires.
Er nickte betrübt.
"Wie geht's ihr?", fragte der Hauptmann, als Araghast aus dem Büro kam.
"Sie ist Wächterin, also verkraftet sie das schon recht gut. Natürlich ist es nicht sehr schön, einen Freund so zu verlieren, aber..."
"Man gewöhnt sich daran, ich weiß", sagte Humph bitter und setzte sich auf einen Stuhl im Aufenthaltsraum.
"Schon eine Spur vom Mörder?", fragte Bregs und setzte sich dazu.
"Hm... na ja, es ist noch etwas kompliziert...", meinte Humph und sah zu dem Püschologen hoch, "Sieh mal...". Er gab Araghast Ikonographien.
"Hm, der Mörder hat Worte in die Körper der Toten geschrieben?", er blickte auf einen Gnomenkörper, der total grün war und auf dem Götzenbild geschrieben stand.
"Ja, und er scheint nach einem Buch einer alten Religion zu gehen."
"Hmhm...", erwiderte Bregs nur.
"Was meinst du?", fragte Humph und sah Bregs an.
"Religiöse Motivation ist komplex. Man müsste sich das Buch genauer ansehen."
"Wird gemacht. Sillybos sieht es sich genau an."
"Gut", erwiderte Araghast und sah sich dann noch einmal das Bild an, "Was ist das?"
"Was?"
"Das hier... ein Zeichen unter dem Wort. Nur klein, aber es ist da."
"Hmmm", machte Humph, "Du hast Recht... aber was für eins?"
"Ein alchimistisches Zeichen vielleicht? Vielleicht ein religiöser Alchimist?", fragte Bregs.
"Könnte sein. Fragt sich, warum er dann so ein Indiz hinterlässt."
"Er will gefunden werden?", Araghast sah Humph an, "Das finden wir zwar unlogisch, aber manche Mörder WOLLEN gefunden werden."
"Mhm... Wie find ich einen religiösen Alchimisten."
"Durch die Gilde...", der Püschologe gab Humph das Bild zurück.
"Also DOG", sagte Humph resignierend und steckte es ein, "Wunderbar."
**** Lance-Korporal Robin Picardo ****
Frühe Nachtschwärmer betraten und verließen im Minutentakt das alte Gebäude der Näherinnengilde, dass Eingeweihten als das
Boucherie Rouge, Sitz der Abteilung DOG der Stadtwache von Ankh-Morpork, bekannt war. Keckes Lachen und auffordernde Rufe drangen durch die dünnen Wände nach außen.
Im zweiten Obergeschoss standen der Abteilungsleiter der Dienststelle für die Observierung von Gildenangelegenheiten und sein junger Stellvertreter auf dem Flur.
"Wer hat einen Dobermann angefordert?!", fragte der frischgebackene Lance-Korporal ungläubig.
"Hauptmann MeckDwarf von GRUND!", wiederholte Hauptmann Daemon geduldig.
"Aber warum braucht der Abteilungsleiter GRUND einen Dobermann? Seine Rekruten können doch hier ihr Praktikum machen, deshalb muss ich doch nicht in die Kröselstrasse!"
"Darum geht es nicht:", beschwichtigte Daemon seinen Stellvertreter. "MeckDwarf hat wohl einen Fall mit zu GRUND genommen bei dem er jetzt deine Unterstützung braucht!"
"Hast du weitere Einzelheiten zu dem Fall?", hakte Picardo nach.
"Es geht wohl um irgendwelche Morde bei denen der Täter geschriebene Symbole am Tatort hinterlässt. Sie vermuten, dass es sich um alchemistische Zeichen handelt.", referierte der Abteilungsleiter.
"Na schön!", stöhnte der Gildenexperte theatralisch auf. "Ich pack nur noch meine sieben Sachen zusammen und mach mich dann auf den Weg."
Robin hatte bis jetzt nur keinen oder wenig Kontakt mit dem derzeitigen Abteilungsleiter von GRUND gehabt. Er wusste nur, dass der Hauptmann inzwischen viele Stationen innerhalb der Wache durchlaufen hatte und, gelinde gesagt, etwas exzentrisch sein sollte. Missmutig, ob des neuen Auftrages, verließ der Dobermann das
Boucherie Rouge und machte sich auf den Weg zu dem dunklen Wachhaus in der Kröselstrasse.
Mit angstvoll geweiteten Augen betrachtete der auf einen Tisch gebundene Mann seinen Peiniger der sich unaufhaltsam näherte. Fast zärtlich strich er ihm mit den blanken Fingern über die Wange, bevor er seine Handschuhe wieder anlegte.
Der ängstliche Blick änderte sich in Fassungslosigkeit, als der kalte Stahl beinahe sanft in sein Fleisch schnitt.
Ein dünnes Rinnsal Blut bahnte sich seinen Weg, der Scheibenanziehung folgend, über den Rippenbogen der Tischplatte entgegen. Erst langsam, aber immer stärker werdend arbeitete sich ein roter Strom über die Haut vor und bildete bald eine Pfütze auf der hölzernen Tischplatte.
Entsetzen paarte sich mit unglaublichen Schmerzen und Szenen seiner Kindheit zogen im Zeitraffer vor seinem geistigen Auge vorüber, bevor der gnädige Nebel Ohnmacht ihn umfing.
Es war gar nicht so einfach für Gottes Werk zu vollbringen und das Sternum des Ungläubigen zu durchtrennen, aber letztendlich wurde die harte Arbeit belohnt und der Heide lag geläutert und wie ein offenes Buch vor ihm. Mit geschickten Schnitten durchtrennte er Arterien und Muskeln, während ein wohliger Schauer seinen Rücken hinablief. Stolz betrachtete er das seiner Meinung nach gottgefällige Werk.
Liebevoll näherten sich der behandschuhte Zeigefinger der offenen Körperhöhle und nahm ein wenig von dem roten Lebenssaft auf, bevor er sich abwandte und an der nächstgelegenen Wand zu schreiben begann.
Die Weisung des Engels brannte wie Feuer in seinen Ohren während er das heilige Wort in die Haut der leblosen Hülle zu ritzen begann. Kritisch betrachtete er sein Werk und sah, dass es gut war. Langsam griff er in eine seiner Manteltaschen und zog eine Orange hervor.
"Sie haben einen Dobermann angefordert?", fragte Robin mehr rhetorisch als ernsthaft, nachdem er das Büro des Leiters der GRUND-Ausbildung betreten hatte.
"Hast du in GRUND nicht gelernt, wie man sich anständig bei einem Vorgesetzten meldet?", antwortete der kleine Wächter hinter dem Schreibtisch mürrisch.
"Oh,...ich wusste ja nicht, dass Sie es so förmlich wollen, Herr Hauptmann:", erwiderte Picardo während er halbherzig salutierte. "Bei DOG geht es in der Regel nicht so formell ab."
"Nur weil ihr nicht in einem der offiziellen Wachhäuser untergebracht seid, heißt das noch lange nicht, dass ihr euch
nicht an die üblichen Regulaarien halten müsst!", entgegnete MeckDwarf immer noch griesgrämig.
"Das dient nur dem Schutz unserer verdeckten Ermittler, Sör!"
"Lass mich mit dieser Argumentationskette bloß in Ruhe!", unterbrach ihn der Hauptmann. "Diesen Satz höre ich von jedem DOG, der die Dislozierung der Abteilung ins
Boucherie Rouge rechtfertigen will! Ich persönlich halte nichts davon, dass einigen Wächtern Extrawürste gebraten werden."
"
Mensch! Komm zur Sache!!, nörgelte Murphy im Kopf von Humph.
"Halt den Mund!!!"
"Ähm..., wie bitte, Sör?", Robin schaute ein wenig verwirrt.
"...Ich habe nicht dich gemeint!", antwortete der Hauptmann. "Schau dir mal die Ikonographie an! Es kommt mir besonders auf das Zeichen unter dem Text an!", MeckDwarf öffnete die Fallakte, zog ein Foto hervor und schlenzte es über den Tisch in Richtung des Dobermannes. "Und setz dich!"
Der DOG-Wächter zog sich den Stuhl heran und nahm Platz. Einen vertrauenserweckenden Eindruck machte der Hauptmann nicht auf ihn, und das bezog sich nicht nur auf den Geisteszustand seines Gegenübers. Im Allgemeinen traute Robin keinen kleinen Menschen in Führungspositionen
[2]. Er glaubte immer, diese Leute wollten Ihre fehlende Größe durch möglichst hohe Positionen in Hierarchien wettmachen oder wenigstens kompensieren. Im Allgemeinen waren Individuen dieser Sorte 'Jasager' oder 'Ellbogentypen', wobei Robin ersteren Typ bevorzugte. Der Dobermann konnte den vor ihm sitzenden Hauptmann noch in keine der oben genannten Schubladen stecken und beschloss den mentalen Ordner in seinem Gehirn mit der Beschriftung 'MeckDwarf' noch unter 'Fragwürdige Persönlichkeiten' einzuordnen und vorerst dort zu belassen.
Interessiert wandte sich der Gildenexperte nun der vor ihm liegenden Ikonographie zu.
"Araghast meinte bei dem Zeichen könnte es sich um ein alchemistisches Symbol handeln.", konkretisierte MeckDwarf seine vorhergehende Aussage.
Robin betrachte eingehend das vor ihm liegende Foto und erkannte sofort, was Bregs wohl meinte. Eine stilisierte Schlange bis sich in ihren Schwanz und bildete einen Kreis.
Trotzdem fragte er naiv nach. "Ist das etwa mit Blut geschrieben worden?"
"Wohl kaum mit Rascaals Knollensaft! Natürlich hat er es mit Blut an die Wand gepinselt!"
"Wie ich Ihrer Aussage entnehmen kann, sind Sie sich also schon sicher, dass der Täter männlichen Geschlechts ist?"
"Ja, Bregs hat diese These nach dem ersten Auswerten der Tatortberichte aufgestellt. Art und Ausführung schließen eine weibliche Person eigentlich aus.", antwortete der Hauptmann.
"Bregs...ähm Araghast ist wirklich gut in seinem Job. Auch mit dem Symbol hat er Recht!", lobte der Dobermann den FROG-Püschologen.
"Und was hat das Zeichen zu bedeuten?", fragte Humph interessiert nach.
"Wenn es wirklich das ist für das ich es halte handelt es sich hierbei um Ouroboros.", führte der Lance Korporal aus. "Der Drache der seinen eigenen Schwanz frisst!"
"Toll! Und WAS bedeutet es?!?", die selbstzufriedene und auch besserwisserische Art des jungen Wächter ging MeckDwarf so langsam auf die Nerven.
"Es ist das Symbol für die ewige, zyklische Natur des Universums.", Robin kramte kurz in seiner Sanitätstasche und zog den
'Almanach der modärnän Alchemie' hervor. Nach kurzem Blättern fand er das gesuchte und legte das Buch so auf den Tisch, dass der Hauptmann die aufgeschlagene Seite mit einsehen konnte.
"Von dem Einen zu dem Einen.", las der Dobermann vor. "Hier steht, dass die Farbgebung auch Bestandteil der Aussage des Symbols sei. Normalerweise grün und rot, aber unser 'Freund' benutzte nur die Zweite Farbe!"
"Na ja, nicht viele Spezies haben zweifarbiges Blut.", antwortete Humph und ließ zum ersten Mal so etwas, was man mit viel gutem Willen als Lächeln bezeichnen konnte, aufblitzen.
"Die Farbe Rot bedeutet hier 'das Ziel des Großen Werkes'", vollendete Picardo seinen Satz.
MeckDwarf war seine Stirn nachdenklich in Falten. "Hat es noch mehr Bedeutungen?"
"Ja, normalerweise versinnbildlicht es die vollkommene Ruhe und die vollkommene Bewegung."
"Hm, das hilft mir im Augenblick nicht viel weiter.", sagte der Hauptmann mehr zu sich selbst als zu dem vor ihm sitzenden DOG. "Wir haben es also auf alle Fälle mit einem irgendwie zumindest alchemistisch angebrüteten Verrückten zu tun?"
"Würde ich sagen. Das Symbol ist auf keinen Fall einem unbedarften Laien bekannt. Schon gar nicht dessen Bedeutung!"
"Na dann! Willkommen im Team, Lance-Korporal!"
"Sir?"
"Na, ab sofort ermitteln wir gemeinsam in dem Fall!", der Hauptmann fügte in Gedanken ein seufzendes 'leider' hinzu. "Ich werde sofort eine entsprechende Mitteilung an Daemon und einen offiziellen Antrag an Kommandeur Rince senden."
"Aber....."
"Kein 'aber'! Such dir ein freies Büro und zieh dort ein! Hier die Fallakte. Du kannst dich schon mal einlesen.", unterbrach ihn der Abteilungsleiter GRUND und schob ihm die beigefarbene Mappe mit den Einzelheiten des Falles herüber.
"Ja, Sir!", resignierte der Lance Korporal und nahm den Bericht entgegen. "Noch was, Sir?"
"Nein du kannst gehen! Ich erwarte aber in spätestens drei Stunden deine ersten Einschätzungen zu dem Fall."
Mit der Fallakte bewaffnet verließ der Dobermann das Büro seines neuen Chefs.
'Was für ein Trottel!!', ertönte eine Stimme in Humphs Schädel schrill.
'Und mit dieser Witzfigur willst du den Fall lösen?!?!'"Halt den Mund Murphy!", antwortete der Hauptmann laut dem Kobold in seinem Kopf. "Was verstehst du denn schon von moderner Wachearbeit?!"
'Genau soviel wie du! Ich lebe schließlich schon eine Weile in deinem Kopf!"Er ist aber der Einzige der sich mit den Alchemisten auskennt und nicht schon nach einer Woche Selbstmord begangen oder sich selbst in die Luft gesprengt hat."
Er ist trotzdem ne Pfeife!!, beendete Murphy das Gespräch.
Nach kurzer Zeit fand Robin ein kleines Büro, das auch frei war. Er rückte den Stuhl am Schreibtisch zurecht und fuhr halbherzig mit seiner Hand über die Staubschicht eines leeren Regals. Nachdem er seine Tasche abgestellt hatte machte er sich auf den Weg zum Taubenschlag des dunklen Wachhauses um seinem Zimmergenossen eine Nachricht zukommen zu lassen.
Ein ihm unbekannter Rekrut hatte heute die ehrvolle Aufgabe sich um die Tauben zu kümmern und wichtige Nachrichten an die Empfänger weiterzuleiten. Der Dobermann fand ihn schlafend vor dem vergitterten Taubenschlag vor. Der Wachenovizen saß auf einem alten Stuhl und sein Haupt des ruhte auf einem grobgezimmerten Tisch, der offensichtlich nicht zur Grundausstattung des Raumes gehörte, sondern nachträglich durch einen gewitzten Rekruten an diesen Platz geschafft wurde. Der Wächter schien zu schlafen. Ein untrügliches Zeichen hiefür war der charakteristische dünne Spuckefaden, der sich langsam aber stetig seinen Weg über die Wange in Richtung Tischplatte bahnte und dort eine peinliche Pfütze hinterließ.
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Dobermanns.
"WAS SOLL DENN DAS?!?", es war wirklich hart für Robin sich das Lachen zu verkneifen.
"....Wasn?!", der Rekrut zuckte zusammen als er ,nach dem Öffnen seiner Augen, einen Lance Korporal mit vorwurfsvoller Miene vor sich stehen sah. Wie eine Sprungfeder schnellte er von seinem Stuhl nach oben. "Tut mir Leid, Sir! Wir hatten gestern eine anstrengende Nachtausbildung. Ich muss wohl eingenickt sein."
"Das sehe ich! Na ja, ich will mal darüber hinwegsehen, aber das mir das nicht wieder vorkommt!", der Gildenexperte grinste innerlich.
Nachdem Robin dem jungen Rekruten noch einem kleinen Vortrag über Pflichtbewusstsein erteilt hatte, es war genau der Gleiche den er damals von Hauptmann Daemon erhalten hatte, schrieb er eine kleine Notiz an seinen Freund und Wächterkameraden Leopold von Leermach.
Lieber Leopold!
Das Ganze dauert hier wohl etwas länger, da ich bei den Ermittlungen in diesem Fall unterstützen soll.
Schick mir bitte meine Sachen mit dem nächsten Kurier rüber ins Wachhaus Kröselstrasse.
Grüße Robin
P.S.: Hauptmann MeckDwarf ist schon ein 'komischer' Vogel! Ich frage mich ernsthaft ob man nach der Erhebung in den Offiziersstand entweder faul oder mürrisch wird. Wahrscheinlich gehört dies zu der Aufnahmeprüfung des Offizierskorps.
P.P.S.: Falls mein Kontakt zur Alchemistengilde auftaucht - ihr Name lautet im übrigen Alice - sag ihr, dass ich an einem Fall arbeite und mich bei Gelegenheit melden werde.Nach einem kurzen Kampf Taube gegen Robin und Robin gegen die Tücken der Nachrichtenhülse, flatterte der Vogel mit einem leisen Gurren durch die geöffnete Dachgaube in den Nachmittagshimmel von Ankh-Morpork.
Bevor der Dobermann den Taubenschlag in Richtung seines Büros verließ, warf er dem Rekruten noch einen vorwurfsvollen Blick zu, nur um, nachdem er die Türe zum Verschlag geschlossen hatte, herzhaft zu lachen. Zu gut erinnerte er sich an die langen Nächte bei GRUND oder im Eimer. Auch sein Kopf ruhte des Öfteren sanft auf der Tischplatte des Wachetresens.
Als Picardo sein neues Büro betrat, lag neben der Fallakte auch schon ein dickes in Leder gebundenes Buch mit einer Vielzahl von gelben Zetteln, die nachträglich von einem sehr gewissenhaften Leser angebracht wurden, auf seinem Schreibtisch. Buchstaben waren kunstvoll in das Leder eingebrannt worden und bildeten das Wort Quatan. Nicht so sorgfältig war ein weiterer Wisch auf dem Deckel des dicken Wälzers angebracht, auf dem folgendes stand:
Übrigens, dieses Buch scheint die treibende Quelle für den Mörder zu sein! Sillybos hat die wichtigen Stellen markiert. Lies dich ein! Gez. Humph MeckDwarf "Das sehe ich!", sagte der Wächter zu sich selbst als er die vielen Zettelchen sah, die aus dem Buch hervorlugten und fügte ironisch hinzu. "Und vielen Dank, Herr Hauptmann!"
Robin nahm Platz und öffnete den Aktendeckel mit den Tatortberichten und den Ikonographien.
Bilder bis jetzt ungesehener Gewalt und des Hasses sprangen dem Dobermann förmlich entgegen als er die Fotos der einzelnen Opfer sah und verursachten ein ziemlich ungutes Gefühl in der Magengegend des Dobermanns. An jedem Tatort hinterlies der Irre - so nannte Robin den Täter ab jetzt - das Zeichen des Drachens. Akribisch genau war darunter der Buchstaben-/Zahlencode, den Humph laut dem Bericht schon als Textstellen aus dem Quatan identifiziert hatte, mit Blut geschrieben.
Robin legte sich seinen Notizblock zurecht und fing an seine Eindrücke und Rückschlüsse auf Papier zu bringen.
Als erstes vermerkte er den Namen und die alchemistische Bedeutung des Drachens und fügte in Klammern hinzu, dass er die tiefere Sinnhaftigkeit und auch den üblichen Verwendungszweck noch über seine Kontakte zur Gilde noch abklären musste. Des Weiteren vermerkte er das Wort Alchemie auf dem Blatt und versah es mit zwei Folgepfeilen, nach denen er die Worte Religion und Astronomie vermerkte, weil diese Themen traditionsgemäß eng miteinander verwoben waren. Nach kurzem Überlegen fügte er einen weiteren Pfeil an und schrieb das Wort Quatan dahinter, dass er zusätzlich mit einem Fragezeichen versah. Es folgten noch weitere Punkte, wie, dass der Täter sich wohl sicher fühlte und bis jetzt dem Anschein nach immer genügend Zeit für die Ausführung seiner Taten hatte, aber der Lance-Korporal wollte dies noch mit einem Püschologen abklären, der ihm bestimmt ein präziseres Bild des Täters aufzeichnen konnte. Für den Dobermann stand jedoch einwandfrei fest, dass offensichtlich eine religiöse Motivation des Täters vorlag, deshalb erweiterte er die Liste um den Punkt Tempel der geringen Götter.
Jetzt wandte sich der Lance-Korporal dem mächtigen Buch zu, schlug den schweren Buchdeckel zurück und begann zu lesen:
'Ich bin der einzige Gott. Alle Ungläubigen sollen in unsäglichen Qualen ihr Ende finden........Mit einem Ruck wurde die Tür zu Robins Büro aufgerissen und MeckDwarf betrat mit einer besorgten Miene den Raum.
"Es gibt ein weiteres Opfer!", sagte der Hauptmann mit gewichtigem Tonfall.
"Was, jetzt schon!? Unser 'Freund' mordet ja wie am Fließband!", entgegnete der Dobermann fassungslos.
Humph nickte.
"Freudenpflaster, Ecke Sirupminenstrasse. Nicht weit von hier. Die Kollegen von SUSI sind schon vor Ort."
Das Haus befand sich am Rande der Schatten. Wie immer hatte sich eine neugierige Menschenmenge vor dem betreffenden Haus eingefunden und versuchte einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Ein kleiner Gnom, mit einem zusammenfaltbaren Stock mit Ankhschlamm an seiner Spitze, hatte alle Mühe den gaffenden Pöbel zurückzuhalten.
Picardo und Hauptmann MeckDwarf umgingen die hastig aufgestellten Absperrungen auf der Strasse.
"Na alles im Griff, GeN?", fragte der Dobermann im Vorbeigehen.
"Der übliche Wahnsinn, Sör. Aber wir haben alles noch unter Kontrolle!", antwortete der Tatortsicherer, während er einem zu naherückenden Gaffer die Stockspitze unter die Nase hielt.
Die Ermittler betraten das Haus und sofort stieg ihnen der unangenehme Geruch von getrocknetem Blut in ihre Nasen.
"Oh Mann!", brummte der Dobermann und seine Gesichtsfarbe wurde eine Nuance heller.
"Noch nicht oft an solchen Tatorten gewesen?", fragte der Hauptmann und lächelte leicht.
"Doch, doch!", log der Lance-Korporal hastig. "Schon oft, Sör!"
Die Wächter folgten dem Geruch und den hastig ein- und ausgehenden Wächtern, bis sie schließlich in dem Küchenbereich des Gebäudes ankamen.
Der Raum unterschied sich nicht viel von den anderen Zimmern des Hauses. Spärliche Einrichtung wechselte sich mit allerlei unnützen Gegenständen ab. Hier und da lagen auch einige Hinterlassenschaften der ehemaligen Bewohner die auf einen eklatanten Missstand von Hygiene schließen ließen. Die zerbrochenen Fenster des Quartiers waren provisorisch mit alten Brettern vernagelt worden um Wind und Wetter draußen zu halten. Es handelte sich eindeutig um eines der wenigen Häuser in Ankh-Morpork, die trotz des Wohnungsmangels, leer standen und nur Ratten und Obdachlosen zeitweise Unterschlupf boten.
Ein großes Tuch verdeckte den Blick auf den Esstisch.
Die diensthabenden Spurensicherer hatten kleine Täfelchen mit Nummern an verschiedenen Stellen in dem Raum platziert.
Obergefreiter Leopold von Leermach ging von Ecke zu Ecke des Zimmer und ikonographierte Alles aus verschiedenen Blickwinkeln. Als er seinen Freund sah, entblößte er sein typisches Vampirlächeln.
"Ich habe mir gedacht, dass du bald auftauchen wirst.", rief ihm der untote Spurensicherer entgegen und ergänzte in Richtung MeckDwarf. "Hallo, Sör!"
Der Salut des Obergefreiten verunglückte ein wenig und der Ikonograph fiel mit einem Krachen zu Boden.
"Trottel!!!", drang eine leise Piepsstimme aus dem Inneren des Kastens.
"Ups...! Entschuldigung!", sagte der Vampir in Richtung des Apparates und rollte mit den Augen. Flüsternd ergänzte er. "Jetzt muss ich den Kleinen wieder den ganzen Tag 'bauchpinseln' um anständige Bilder zu bekommen."
"Und? Wie sieht's aus?", unterbrach MeckDwarf den Hasensauger. "Seid ihr hier schon fertig?"
"Beinahe, Sör! Wir haben es bald, aber sie können gerne schon das Opfer in Augenschein nehmen.", sprach's und entfernte mit einem Ruck den aufgestellten Sichtschutz.
Ein kurzer Blick genügte Robin.
Sein Magen ballte sich zur sprichwörtlichen Faust zusammen.
Der Dobermann machte auf den Hacken kehrt, stieß Humph MeckDwarf unsanft beiseite und rannte, eine Hand auf den Mund gepresst, aus der Küche.
So kam es, dass die gaffende Menge doch noch etwas zu sehen bekam. Es war zwar nicht der Anblick mit dem sie gerechnet hatten, aber ein sich übergebender Wächter ließ einige Rückschlüsse auf das Innere des Hauses zu.
Robins Aktion wurde mit einigen gemeinschaftlichen 'Aaahs' und 'Oooohs', gefolgt von einem spontanen Applaus, belohnt.
"Schon oft, Sör!", rief MeckDwarf dem flüchtenden Dobermann hinterher und verdrehte vorwurfsvoll die Augen, kam aber sofort auf das Wesentliche zurück. "Was für ein Buchstabenkürzel hat er dieses Mal hinterlassen?"
Leopold von Leermach entfernte ein weiteres Tuch, das die Spurensicherer an der gegenüberliegenden Wand angebracht hatten um möglichen Zerstörungen von Spuren vorzubeugen.
"Kat, 3,.7.", wiederholte der Hauptmann das Gelesene.
"Es ist alles wie bei den anderen Morden, Sör. Der Orangengeruch, das Buchstaben-/Zahlenkürzel, die Brutalität und kaum Spuren!", ergänzte der Hasensauger.
Eine in einen Umhang verhüllte Gestallt stand mitten in der Menge und lächelte.
Der Prophet betrachtete sein Werk und sah das es gut war.....Mit einer schwingenden Bewegung drehte sich der Verhüllte um und entschwand in einer der vielen dunklen Gassen.
Robin traute sich nach einiger Zeit wieder den Schauplatz des Verbrechens zu betreten. Mit einem mitgebrachtem Taschentuch entfernte er die Reste seiner vergangen Mahlzeit aus dem Gesicht.
"Irgendwas stimmte wohl mit meinem Essen nicht!", versuchte er halbherzig zu erklären.
MeckDwarf hob eine Augenbraue.
"Ach?!", antwortete der erfahrene Wächter ohne Mitleid.
"Gibt es neue Hinweise oder Spuren?", Robin wollte so schnell wie auf das eigentliche Thema zurückkommen.
**** Hauptmann Humph MeckDwarf ****
"Das übliche", erwiderte der Hauptmann und setzte seine Brille auf. Mittlerweile brauchte er sie immer öfter. Langsam fragte er sich, ob er dreiundzwanzig oder dreiundneunzig war. Dann ging er näher zur Leiche und sah sie sich genauer an. "Hm, treulos."
"Bitte, Sör?", schaltete sich Robin ein.
"Er hat das Wort 'Treulos' eingeritzt.", erwiderte Humph, als hätte der Lance-Korporal wissen müssen, was gemeint war, "Wie starb er?" Der Hauptmann sah zu dem Vampir.
"Jack ist gerade unterwegs ins Wachehaus, Sör. Es wird im Bericht stehen.", sagte dieser.
"Gut, sobald er fertig ist..."
"...gehört er Ihnen, Sör. Larius hat uns genaue Befehle gegeben."
"Sehr schön", sagte der Hauptmann und wandte sich zum Gehen. Kurz vor dem Ausgang blieb er stehen und drehte sich um. "Kommst du, Lance-Korporal?"
Der DOG-Wächter riss sich vom Tatort los: "Ja, Sör!"
Alchemie und Religion. Irgendwie finde ich, dass das nicht zusammenpasst, grübelte Humph, während die beiden Wächter auf dem Weg ins Wachehaus waren.
"Das Buch und das Zeichen ähneln sich sehr", sagte Robin plötzlich, als hätte er Humphs Gedanken gelesen.
Der Hauptmann blieb kurz stehen und sah verwundert zu dem Dobermann: "Wie meinst du das?"
"Die Religion predigt davon, dass am Anfang dasselbe wie am Ende sein wird."
"Vom Einen zum Einen sozusagen?", erwiderte Humph fragend.
"Genau, eben wie der Ouroboros. Die Religion und der alchemistische Begriff vereinigen sich also in ein und derselben Aussage."
"Hmmm... das klingt gut, Lance-Korporal. Es hilft uns zwar noch nicht ganz weiter, aber jedes Teilstück führt uns zum Bild.", Humph lächelte diesmal wirklich und klopfte dem DOG auf die Schulter. Dann gingen die Beiden weiter ins Wachehaus.
2 Stunden später saßen die Beiden im Ausbildungsleiter-Büro. Humph trank einen Kaputtschino, während Robin ab gewunken hatte. Er war der Meinung, sein Magen würde das wohl jetzt nicht vertragen. Vor dem Hauptmann lag der SUSI-Bericht.
"Na, dann hör mal zu", sagte er zu Robin und klappte den Bericht auf, "Name: Günther Lieblos. Überaus Sinn gebender Name, wenn man sich mal ansieht, was da zu Protokoll gegeben wurde. Beruf: Heiratsvermittler... Was ist denn das?"
"So was schießt momentan überall aus dem Boden, Sör. Das sind Stellen, wo man hingehen kann, um eine Frau oder einen Mann zu bekommen."
"Ach, so eine Art Näherinnen? Sind die lizensiert?"
"Nein, Sör. Keine Näherinnen, man schreibt sich dort ein, um jemanden zu finden, der einen heiratet."
"Klingt interessant, nur irgendwie nimmt das den Nervenkitzel weg, denke ich.", Humph schüttelte leicht den Kopf, dann wandte er sich wieder der Akte zu, "Was soll's, weiter im Text: Lassen wir mal Geschlecht, Größe und so weiter aus. Hm, Orangengeruch am Körper, am stärksten in den Wunden, wie auch bei den anderen. Todesursache. Hör dir das mal an: 'Der Tod trat wahrscheinlich ein, als der Täter den Körper öffnete, um das Herz des Opfers zu entfernen. Die Schnitte waren äußerst präzise und deuten darauf hin, dass sich der Täter auskannte'. Also ist er mittlerweile Priester, Alchimist UND Arzt.", Humph sah auf und Robin an.
Der junge Mann war bleich geworden und hatte die Finger leicht in seine Uniform gekrallt.
"Geht es, Lance-Korporal?", fragte Humph milde. Je länger er mit dem Dobermann zusammen arbeitete, desto mehr begann er ihn zu schätzen, auch wenn er es noch nicht offen zeigte. Außerdem wusste er, wie er sich gefühlt hatte, als er solche Sachen das erste Mal mitbekommen hatte dürfen.
"Ja... Ja, Sör", erwiderte sein Gegenüber und versuchte sich zusammen zu reißen.
"Na gut...", erwiderte Humph und schluckte das böse Grinsen hinunter, "'Das Opfer hat wahrscheinlich den Schnitt noch vollkommen bewusst mitbekommen.' Ich frage mich immer, wozu das noch im SUSI-Bericht mit drin steht, was meinst du, Lance-Korporal?... Lance-Korporal?". Er sah wieder auf und sah, dass seine Tür offen stand. Leicht grinsend las er für sich alleine weiter.
Schlürfend saugte er den Saft der Orange aus und blickte in das Feuer. Mit einem Wurf gelang die Schale in dem nahe gelegenen Sack. Sein Blick fuhr vom Feuer hoch und blickte die nackte Gestalt an, die darüber hing. Flehen stand in den Augen des Mannes, aber das interessierte ihn kein bisschen. Die Zeichen mussten gesetzt werden. Geduldig nahm er eine weitere Orange und schnitt sie durch. Wieder biss er fast zärtlich hinein und schlürfte. Dieses Mal würde es etwas länger dauern, das wusste er. Er sah wieder zu dem Mann, der sich in Qualen über dem Feuer wand und immer wieder in den Knebel schrie. Irgendwann würde er damit aufhören, das wusste der selbsternannte Prophet. Und dann würde er mit seinem Messer die Worte einritzen. Wie immer. Die Zeichen werden gesetzt.
Humph und Robin kamen am Tatort an und sahen, wie sich Alice gerade über den Boden beugte und Geräusche von sich gab, die unschwer zu erkennen waren.
"Ach, du meine Güte...", meinte Humph leise und sah mitleidig zur Spurensicherin.
"Sör?", sagte Robin fragend.
"Eine wichtige Regel, Lance-Korporal: Wenn schon die Spurensicherer sich übergeben, wird es äußerst hässlich.", er sah zu dem Unteroffizier, "Sicher, dass du mit reinkommen willst?"
Der jüngere Wächter nickte kurz, fragte sich aber, ob er das nicht gleich bereuen würde.
"Nun denn", sagte der Hauptmann und wappnete sich innerlich.
Sie kamen in ein kleines Haus, bei dem das Dach fehlte. Das Häuschen war offensichtlich wirklich als "Häuschen" benutzt worden, denn die Wände und der Boden hatten unverkennbare Flecken. Sie waren im Vorraum, wo Larius bereits auf sie wartete.
"Na, Larius, wieder selbst am Werk?", fragte Humph. Es sollte fröhlich klingen, aber diesmal scheiterte der Hauptmann. Auch in Larius Augen war ein Grauen zu sehen und so nickte der Tatortsicherer nur und ließ die beiden in das Hauptzimmer.
Auch dem Hauptzimmer fehlte das Dach, aber keinem fielen die wirklichen Besonderheiten des Raumes auf. Sofort wenn man herein kam, sah man nur eins. Und das drehte einem den Magen um.
Ein nackter Mann hing über einer offensichtlichen Feuerstelle, der Körper vom Feuer verbrannt und schwarz. Die Augen waren verdeckt, wofür Humph äußerst dankbar war. Er sah kurz zu Robs, der wieder völlig bleich geworden war, aber diesmal ging es dem Hauptmann wohl kaum anders. Er zwang sich näher zu dem Leichnam zu gehen, als er Sillybos entdeckte, der offensichtlich ungerührt seiner Arbeit nachkam. Schnell winkte er ihn her.
"Sir?", fragte der Korporal, als er bei Humph angekommen war.
"Was gibt's für Spuren", fragte der Hauptmann gepresst.
"Nun, auf dem Körper wurde mit einem Messer 'Leidenschaftslos' geritzt, Sir. Und natürlich gibt es wieder eine Inschrift", Sillybos zeigte auf eine Wand, "Ras 12, 5. Also wohl Rasmuel diesmal, Sir."
"Schön, dass du das Buch auswendig kennst, Sillybos.", erwiderte Humph. Er machte eine Kopfbewegung zu Robin und die beiden Wächter verließen den Raum.
"Larius, den Bericht sobald wie möglich auf meinen Schreibtisch, danke.", sagte er im Vorbeigehen, ohne auf das Nicken des SUSI-Stellvertreters zu achten.
An der frischen Luft angekommen holte er einen tiefen Zug, um sich ein wenig zu beruhigen. Er schloss ein wenig die Augen und atmete betont ruhig. Dann öffnete er sie wieder und sah zu Robin.
"Langsam geht mir der Kerl auf die Nerven", sagte er dann leise und verfiel in seine typische Grummelei.
Der Lance-Korporal schien sich ebenfalls bereits ein wenig erholt zu haben und trottete neben dem Hauptmann her, bis er sich doch noch traute etwas zu sagen: "Mir ist etwas aufgefallen, Sör."
"Sprich dich aus", erwiderte Humph unmotiviert.
"Der Mann scheint mit Methode vorzugehen."
Der Ausbildungsleiter sah zur Seite ohne seine Schritte zu verlangsamen: "Was?"
"Er geht anscheinend streng nach Reihenfolge vor. Im Buch sind die Engel in der Reihenfolge aufgelistet: Lotriel, Ezechiel, Ischmael, Patriciel, Katiel, Rasmuel, Teriel, Azadiel."
"Hm, der erste Mord war Ezechiel, soweit ich mich erinnern kann.", erwiderte Humph und bog um die Ecke.
"Ja, Sör, aber dann ging es streng nach Reihenfolge: Ezechiel, Ischmael, Patriciel,..."
"Katiel und Rasmuel, ja. Du hast Recht. Aber warum hat er den ersten ausgelassen, das macht doch keinen Sinn."
"Vielleicht passt die Todessünde nicht in sein Konzept?", fragte der Dobermann.
"Oder wir haben eine Leiche übersehen.", meinte Humph nachdenklich.
"Wie könnten wir, Sör?"
"Die Stadt ist groß, Lance-Korporal. Und es gibt einige Stellen, wo so gut wie nie Leute hingehen. Manchmal gibt es Zufälle wie spielende Kinder, die plötzlich eine Leiche finden, aber im Großteil der Fälle kann so ein Mord schon irgendwie 'verloren' gehen. Solche Sachen werden nach einiger als 'ungeklärte Fälle' zu den Akten gelegt. Oder gar nicht erst angezeigt.", langsam wusste Robin, wieso Humph mittlerweile Hauptmann und Ausbildungsleiter geworden war. Er hatte – für sein Alter wohl eher ungewöhnlich – manchmal eine fürchterliche Art, die Dinge oberlehrerhaft zu erklären. Aber er schien auch Ahnung zu haben, wovon er redete.
Allerdings hatte Robin diese Sachen auch selbst gewusst: "Ich meinte eher, dass er eben immer Orte nimmt, an dem die Leiche... 'frisch' gefunden wird. Warum sollte er bei der ersten anders vorgehen."
"Ich weiß es nicht, Lance-Korporal, aber wenn du Recht hast mit der Reihenfolge halte ich es für eher unwahrscheinlich, dass er den ersten 'vergessen' oder 'ignoriert' hat. So präzise wie er bisher vor ging."
Das leuchtete dem Unteroffizier ein.
Einige Stunden später saßen sie wieder im Büro des Ausbildungsleiters, wo Humph sich bereits den fünften Kaputtschino. Dann setzte er sich in seinen Sessel und lehnte sich seufzend zurück. Nach einigen Minuten Stille, in denen der Vorgesetzte die Augen geschlossen hatte, sah Humph Robin an.
"Weißt du, was das Schlimmste an solchen Serien-Mordsachen ist?", fragte er unerwartet.
"Sör?"
"Das Warten! Man überlegt und überlegt und wartet und wartet. Auf den Bericht von SUSI, auf den nächsten Mord, falls es einen weiteren geben sollte und wenn man noch keine Ahnung hat, woher man die Indizien nehmen sollte. Darauf, dass einem ENDLICH die zündende Idee kommt. Und doch ist es nur ein Geduldsspiel. Ich frag mich langsam, warum ich diesen Fall noch unbedingt mitnehmen musste. Siehst du den Aktenberg vor mir? Das sind alles Rekrutenanfragen und die Akten meiner Rekruten. Ich sollte längst damit angefangen haben, aber noch immer arbeite ich daran einen verrückten Alchemisten-Arzt-Priester zu finden. In einer Stadt wo kein Mensch so ein guter Arzt ist!"
Robin sah den Hauptmann an. Er wirkte müde. Kein Wunder, er arbeitete seit Tagen nur an diesem Fall.
"Das stimmt, Sör. In unserer Stadt könnte keiner ein Herz so gut entfernen. Ankh Morpork wimmelt vor Kurpfuschern und Tierärzten, aber so was wie Ärzte gibt es bei uns nicht. Vielleicht ist er Ausländer?"
"Mag sein, ich fürchte nur, dass uns das Wissen auch nicht weiter bringen wird.", meinte der Ausbildungsleiter resignierend, als die Tür aufging und Larius eintrat.
"Dein Bericht", sagte der Chief-Korporal und legte ihn auf den Tisch. Ein "Danke" folgte und der Mann verließ den Raum. Auch er schien bereits müde zu sein. Dabei war er jünger als Robin. Langsam wurde dem Lance-Korporal gewahr, dass sowohl SUSI als auch RUM und eben auch Humph seit Tagen nach dem Irren suchten. Er selbst hatte noch nie an etwas ganz so Großem gearbeitet und fragte sich, ob...
"Dobermann für die Alchimistengilde scheint ein ruhiger Job zu sein, hm?", fragte Humph, als hätte er den Gedanken gehört. Er schien eigentlich in der Akte vertieft zu sein.
"Nun..."
"Ich weiß, Lance-Korporal. Es gibt solche und solche Tage. In JEDEM Job. Egal, in welcher Abteilung man ist. Deine Fälle waren bisher vielleicht kleiner, aber nicht minder wichtig. Außerdem...", der Hauptmann hob den Kopf und lächelte seinem Gegenüber zu, "Außerdem kenn ich Dae nun lange genug, um genug Respekt vor DOG-Arbeit zu haben. Solang bist du ja noch nicht da, du kriegst schon noch große Brocken. Deine Arbeit war ja bisher immer hervorragend soweit ich weiß."
"Nun... danke, Sör. Aber eigentlich dachte ich gerade..."
Humph hob die Hand: "Macht nichts, ich bin einfach nur in einer Stimmung, in der ich mich gern reden höre.". Er grinste, was Robin zu einem kurzen Lachen brachte.
Dann wurde Humph wieder ernst und sah in die Akte.
"Name: Detlef Einfach. Beruf: Schreiber. Klingt nach eintönigem Leben."
"War es wahrscheinlich auch. Dem Wort auf seinem Körper zu urteilen, ging es um die Todsünde, keiner Leidenschaft zu frönen", meinte Robin.
"Ich sehe schon, du hast dich in das Buch richtig reingelesen."
"Wie Sie es wollten, Sir"
Humph nickte und fuhr fort: "Todesursache: Offensichtlich längeres Rösten über dem Feuer... Ich glaube, die Einzelheiten spar ich uns diesmal lieber."
"Das Feuer der Leidenschaft", sagte der Lance-Korporal.
"Anscheinend. Sehr symbolhaft ist unser Mörder da.", dann holte er etwas aus seinem Schreibtisch heraus und legte es auf den Tisch. Er nahm sich einen Stift, sah kurz in die Akte und zeichnete etwas ein.
"Verdammt", entfuhr es Humph.
"Sör?"
Der Hauptmann sah auf: "Oh, ich hatte in einer freien Minute eine Idee, die ich verfolgte. Komm her."
Robin stand auf und ging hinter den Schreibtisch, um über die Schulter des Mannes zu sehen.
"Eine Karte von Ankh Morpork?", fragte er.
"Ja.", erwiderte Humph und zeigte auf kleine rote Punkte, über denen Buchstaben prangten, "Das sind die Tatorte. Ich hab über jedem das jeweilige Kürzel geschrieben."
"Ich sehe es. Eze, Isch, Pat..."
"Sie befanden sich in einem Kreis. Ich hatte die Idee, dass dieses alchimistische Zeichen uns die Standorte zeigen könnten.", er machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort: "Aber die letzten beiden Punkte befinden sich nicht in dem Kreis, verdammt!"
"Hmmm... aber etwas zu zufällig ist es schön. Sehen Sie, die Punkte Eze und Pat haben dieselbe Entfernung zu Isch. Und Kat befindet sich, von Norden aus betrachtet, genau auf einer Linie mit Eze. Und dasselbe mit Ras und Isch. Außerdem sieht es so aus, als hätten die Punkte Kat und Ras denselben Abstand wie zum Beispiel Eze und Isch oder Pat und Isch...", Humph sah ungläubig auf die Zusammenhänge, die Robin ihm zeigte.
Dann maß er ab. Zwei Finger von Isch hinunter und zwei jeweils nach rechts oder links um zu den Punkten Eze beziehungsweise Pat zu kommen. Dann legte er bei Ras an. Zwei Finger hoch und zwei Finger nach rechts um zum Punkt Kat zu kommen.
"Wenn du Recht hast...", schloss er.
"Dann wäre der nächste Mord genau hier.", beendete Robin den Satz und zeigte auf ein Haus.
**** Lance-Korporal Robin Picardo ****
"Hm......", der GRUND-Leiter wirkte unendlich müde und sehr nachdenklich. "Was schätzt du, wie viel Zeit uns bis zum nächsten Mord bleibt?" MeckDwarf hatte begonnen sich seine Schläfen zu massieren.
"Wenn er in diesem Tempo weitermacht... dann nicht viel. Ich schätze in fünf bis sieben Stunden.....maximal!", antwortete der Dobermann traurig und ergänzte nachdenklich. "Als wolle er ans Ziel kommen..."
So langsam konnte er sich in die Person MeckDwarf hineinversetzen. Ein junger Mann, mit 'alten' Augen, die schon zuviel und vor allem Schreckliches gesehen hatten. Gerüchteweise hatte er von den herben Schicksalsschlägen gehört, die man sich in der Kantine hinter vorgehaltener Hand zuflüsterte. Er hatte eine steile Karriere innerhalb der Hierarchie der Wache hinter sich und so langsam dämmerte dem Lance-Korporal, dass es wohl auch nicht zu Unrecht geschah. Ein scharfer, analytischer Verstand wohnte hinter der Stirn des Hauptmannes. Robin zog seine geistige Schublade wieder einmal auf, um die 'Akte MeckDwarf' wieder einmal zu verlagern, dieses Mal in das Fach 'Raue Schale...' mit dem Zusatz 'Leute von denen man lernen kann'.
'Hatte er vorher nicht gelächelt?', der DOG verließ wieder den Mikrokosmos seines Seins und versuchte sich wieder auf den Fall zu konzentrieren. "Irgendetwas haben wir übersehen!"
"Nur was?", ergänzte MeckDwarf hoffnungslos.
"Der Mörder bricht nicht aus seinem Schema aus! Ich stimme Ihnen zu, dass wir wahrscheinlich das erste Opfer nur noch nicht gefunden haben."
Eine Eingebung ließ Humph von seinem Schreibtisch aufsehen.
"Wie heißt der erste Engel?!?", fragt er aufgeregt.
Robin klappte sein kleines Notizbuch auf.
"Lotriel! Der Engel Keuschheit."
"Priorisieren! Ich muss priorisieren!!!", entfuhr es dem Hauptmann.
"Wie bitte, Sör?"
"Was ist jetzt am Wichtigsten? Dem oder der ersten Unglücklichen ist nicht mehr zu helfen, also ist das im Augenblick nicht so wichtig!", der Abteilungsleiter unterbrach kurz, warf seine Stirn in Falten und schrieb mit hastigen Bewegungen Wörter auf einen kleinen Zettel. "Aaps!!! Ein Memo für FROG!"
Aus einer Röhre erschien das gelangweilte Gesicht des kleinen Rohrpostdämons.
"Was willst du denn jetzt wieder?", fragte der Dämon in einem Tonfall der, ohne darin enthaltene Kraftausdrücke, als Beleidigung aufgefasst werden konnte.
Mit einem Satz, den Robin dem kleinen Hauptmann gar nicht zugetraut hätte, stand MeckDwarf plötzlich vor der Nachrichtenröhre und packte den Dämon am Kragen.
"Hör mir zu!", der Tonfall MeckDwarfs gewann an Schärfe und hatte etwas Bedrohliches. "Ich habe keine Zeit und Lust auf irgendwelche Diskussionen! Du bringst jetzt, ohne weitere Kommentare, dieses Memo zur FROG-Einsatzleitung." Humph zog den kleinen Kurier noch ein bisschen näher zu seinem Gesicht, so dass sich die beiden Nasen beinahe berührten. Mit flüsterndem Tonfall ergänzte er.
".... renn um dein Leben, denn wenn diese Nachricht nicht rechtzeitig bei Veni ankommt stirbt ein Mensch.", Aaps immer noch verduzt von der Schnelligkeit des kleinen Offiziers wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, als MeckDwarf seinen Satz vervollständigte. "...und sollte dies geschehen dann...."
"Schon gut! Schon gut!", der kleine Adamsapfel des Rohrpostdämons sprang vor Aufregung auf und ab.
"Wir haben uns verstanden!", hauchte Humph und setzte Aaps vor der Röhre ab, der sofort darin entschwand
[3]"Sie wissen, was das für ein Gebäude ist?", Robins Finger deutete wieder die Stelle in der Karte wo er die nächste Tat erwartete.
Der Leiter der Abteilung GRUND nickte langsam, ganz so als würde sein Hals die Last seines Kopfes kaum zu tragen vermögen. "Es handelt sich um
Morporks Sonnenscheinheim für einsame Drachen! Genau dahin habe ich das Einsatzteam geschickt."
Der Dobermann hob überrascht die Augenbrauen.
"Was kann er gerade dort wollen? Oder besser gefragt warum will er dorthin?"
"Was hat der siebte Engel uns zu diesem Thema zu sagen?", MeckDwarf spie geradezu diese Gegenfrage aus.
Hastig öffnete der Lance-Korporal den Quatan.
'...und Teriel stieg hinab zu den Menschen und sprach mit flammender Zunge: Keinerlei Tier soll dem Menschen gleichgestellt sein. Verschwendet nicht eure Energie an diese unreine Individuen, denn sie sollen Eure Diener sein...Robin erschauderte als er die Textpassage zu Ende gelesen hatte.
"Ich möchte mir gar nicht vorstellen was er dieses Mal vor hat!", sagte Robin und erbleichte einmal mehr.
"Ich hoffe das FROG-Team schafft es rechtzeitig!", erwiderte Humph traurig.
"Mir fehlt noch ein Stück in diesem Puzzle. Das Bild ist nicht komplett! Ein religiöser Eiferer würde nicht so planvoll vorgehen. Was springt für ihn dabei raus?", Eifer war nun auch im Gesicht des Gildenspezialisten zu erkennen.
"Das übliche wahrscheinlich. Unsterblichkeit der Seele, das Paradies, was weiß ich.", tat der Hauptmann den Einwurf seines Kollegen ab.
"Da muss aber mehr dran sein. Ich meine ein, wie Sie sagten, 'Alchemisten-Arzt-Priester', der sich nachweislich in all diesen Gebieten auskennt, tötet meiner Meinung nach nicht für solch profane Dinge wie sein Seelenheil!"
Der Dobermann griff sich noch einmal das schwere Buch und betrachtete es. Neben den vielen gelben Zetteln mit den Namen der Engel, stach ihm ein weiterer Zettel in die Augen. Robin erkannte die säuberliche Schrift von Hegelkant, dem Sklaven von Sillybos. Auf dem gelben Papier stand: Die Wandelung des Propheten.
Robin schlug den Wälzer an der markierten Stelle auf und begann zu lesen.
....und der Prophet wird sich wandeln und herrschen über Himmel und Scheibe. Er wird weilen in Cori Celesti., Robin blätterte eine Seite zurück.
...befähigt zum Heilen, wissend um die Bausteine des Seins und ein Kenner der Heiligen Schriften, so soll der neue Prophet sein Werk beginnen um die Wandlung vom Mensch zum Göttlichen zu vollziehen., mit einem lauten Geräusch klappte der Dobermann das Buch zu und schaute erschreckt zu MeckDwarf.
"Er will zu einem Gott werden!", rief der Gildenexperte ungläubig.
"Er will ....was...?!", der Hauptmann hob erstaunt seinen Kopf.
"Ich bin mir sicher! Er will sich vom Propheten zum Gott wandeln, wie es im Quatan geschrieben steht."
"Das nenne einmal ich eine 'ausreichende' Motivation.", der bittere Unterton des Offiziers war nicht zu überhören.
Eine kleine Taube pickte am Fenster des Büros und erregte die Aufmerksamkeit der beiden Wächter.
"Ich hol sie schon, Sir!", der Lance-Korporal stand rasch auf und öffnete das Fenster. Der kleine Vogel schien den Weg zu kennen, flog direkt zum Schreibtisch MeckDwarfs und landete dort. Widerstandslos lies die kleine Übermittlertaube sich die Nachrichtenhülse abnehmen.
Humph entrollte das Pergament und las.
"Sie sind zu spät gekommen!"
***Morporks Sonnenscheinheim für einsame Drachen***Schnaufend erreichten MeckDwarf und Picardo den Schauplatz des Verbrechens.
Wie üblich lief die 'Maschinerie SUSI' bereits auf vollen Touren, denn Venezia hatte die Spurensicherer parallel zu den beiden Ermittlern informiert.
Absperrbänder hielten die gaffende Menge zurück.
Ein wenig abseits stand eine Gruppe grüngekleideter Wächter, die allesamt einen ziemlich frustrierten Eindruck machten.
Die Abteilungsleiterin der 'Freiwilligen Retter' saß auf der Schulter von Rogi Feinstich, der Kommunikationsexpertin und Sanitäterin der Abteilung.
"Wir sind zu spät gekommen!", sagte die Gnomin in Richtung Hauptmann MeckDwarf.
Humph nickte bedrückt.
"Wie sieht's da drinnen aus?"
"Ziemlich starker Tobak!", antwortete Venezia und ergänzte. "Ein total durch geknalltes Tier muss das sein!"
Langsam näherten sie sich dem Schauplatz des Verbrechens, der sich in den Stallungen der Sumpfdrachen befand.
Nervöse und explosive Rülpser der kleinen Drachen untermalte die Szene.
Eine Frau saß angebunden auf einem grobgezimmerten Schemel. Ihre leblosen Augen waren immer noch vor Angst geweitet und aus dem geöffneten Mund quoll eine schwärzlich-rote Masse.
Das Kleid der Bedauernswerten war mit einem Messer im Brustbereich aufgeschnitten worden und der Mörder hatte auf freiliegende Haut das Wort 'Verbrüderung' geritzt.
Robin wandte sich von der Szene ab und sofort stach ihm das Gesuchte ins Auge.
Augenscheinlich hatte der Irre mit der schwarz-roten Masse die Worte 'Ter. 12, 2' an die Wand der Stallung gezeichnet. Darunter prangte der Ouroboros und schien die Ermittler zu verhöhnen.
Der Dobermann hoffte diese Szenen jemals erfolgreich verdrängen zu können, der Anblick der toten Augen brannte sich direkt in seine Seele.
"Irgendwelche Spuren?", Humph wandte sich an Sillybos.
"Nun ja." begann der Spurensicherer langsam. "Dieses Mal scheint er weniger Zeit gehabt zu haben. Ich habe zwar keine konkreten Beweise, aber irgendwie scheint alles nicht so 'perfekt' wie bei den anderen Morden."
"Er weiß, dass wir ihm dicht auf den Fersen sind!", stellte MeckDwarf fest.
"...und Hegelkant hat dieses Mal sogar ein Stück der Orangenschale gefunden.", ergänzte der Philosoph.
"Was war die Todesursache?", Robin entschied sich einen aktiven Beitrag zu dem Gespräch zu leisten.
"Mit Bestimmtheit kann man das nur nach der Obduktion sagen, aber...", der Spurensicherer deutete auf mehrere mit Kohlen gefüllte Eimer."...Ich vermute er hat die Arme mit dem Drachenfutter gestopft bis ihr Magen geplatzt ist."
"Die vollständigen Berichte bitte unverzüglich nach Abschluss aller Maßnahmen zu mir!", unterbrach der Hauptmann und machte Robin damit klar, dass auch er sich hier nicht länger als notwendig aufhalten wollte.
'Den Propheten hält niemand auf!', dachte er voll Genugtuung während er die armen Wächterseelchen bei ihrem aussichtslosen Tun beobachtete.
Mit einer fließenden Bewegung verschwand der verhüllte Mann in der Menge.
Bedrückt betrat das Ermittlerteam wieder Humph MeckDwarfs Büro.
Mit einem tiefen Seufzer ließ sich der Hauptmann auf seinen Stuhl hinter seinen Schreibtisch sinken.
"Was haben wir nur übersehen?!", der Abteilungsleiter GRUND setzte seine Brille auf und blätterte zum tausendsten Mal in der immer dicker werdenden Fallakte.
Robin ging währenddessen zu der nun aufgestellten Karte auf der Fähnchen befestigt waren und vollbrachte eine traurige Aufgabe. Langsam nahm er ein weiteres und markierte den letzten Tatort. Der Dobermann trat einen Schritt zurück um das 'Bild' besser auf sich wirken zu lassen.
"Sör!?!", rief der Unteroffizier dem Hauptmann zu.
"Ja, Robin?", der Hauptmann nannte den Dobermann zum ersten Mal beim Vornamen.
"Wonach sieht das aus?", der Gildenexperte drehte das Kartengestell so, dass Humph bessere Sicht darauf hatte.
MeckDwarf war für einen Moment sprachlos.
Robin wusste, dass der Hauptmann dasselbe sah wie er, ergänzte aber trotzdem. "Was hat keinen Anfang und kein Ende und besitzt ein ungeheures magisches Potential?"
"Eine Acht!!! Der Mistkerl bildet eine Acht!"
"Ja, dass sehe ich auch so! Der erste und der letzte Mord geschehen oder geschahen an derselben Stelle."
Beide blickten wieder auf die Karte.
"Er weiß, dass wir kommen werden!", stellte MeckDwarf fest.
Robin nickte. "Und er will schneller sein!!"
"Was wird er von uns erwarten?", warf der erfahrene Hauptmann eine Frage in den Raum.
"Sir?"
"Ich meine, er weiß dass wir ihm dicht auf den Fersen sind, deshalb hat er sich bei seiner letzten Tat auch 'beeilt'. Ich meine er sieht unsere Schritte voraus."
"Ich würde jetzt wieder FROG aktivieren!", warf der Dobermann naiv ein.
"Ja genau das meinte ich! Er wird wissen wie wir uns verhalten werden, aber dieses Mal hat er sich geschnitten! Kein Großeinsatz! Keine Horde von Wächtern, die er schon fünf Häuserblöcke vorher hört!"
"Was dann?", fragte Robin nach.
"Ein kleines Team. Maximal zwei Wächter!"
"Wer sollen die beiden Wächter sein?"
MeckDwarf rollte theatralisch mit den Augen und Robin erblasste als ihn die Erkenntnis wie ein Peitschenhieb traf.
..... und die beiden Engel Lotriel und Azadiel stiegen Hand in Hand hinab auf die Welt und verkündeten das Wort des einzigen Gottes: Niemand soll feilbieten seinen Körper und kein anderer soll ihn kaufen zur Befriedigung der niederen Lust......Das Wächterduo betrat vorsichtig den alten Lagerhallenkomplex. Die untergehende Sonne strahlte vereinzelt durch
die morschen Schindeln des Daches. Das Licht reflektierte sich in dem aufgewirbelten Staub und gab der ganzen Szene etwas Gespenstisches. Ein paar Ratten schauten erbost auf, zogen es aber dann doch vor sich mit leisem Quieken in ihre sicheren Behausungen zurückzuziehen.
"Glaubst du er ist schon da?", flüsterte Robin Humph MeckDwarf zu und bemerkte dabei nicht, dass er den Hauptmann duzte.
"Ich denke nicht! Lass uns die erste Leiche finden.", wisperte der kleine Offizier zurück.
Der Hauptmann und der Dobermann hatten sich natürlich einen Plan zurechtgelegt. Sie wollten das erste Opfer finden und sich dort auf die Lauer legen. Dem püschologischen Profil nach, würde der Täter sein Opfer erst an der 'richtigen' Stelle 'läutern'...das behauptete zumindest der Püschologe und sie hofften das er recht behielt.
Einen Trugschluss mussten sich die Wächter aber schon jetzt eingestehen. Die Ausdehnung der Hallen sah auf der Karte wesentlich kleiner aus. Die Wächter arbeiteten sich langsam von einem Gebäude zum anderen Gebäude vor in einem immer verwirrend werdenden Labyrinth von Gängen, Räumen und Verbindungswegen.
"Wenn wir so weitermachen, dann dauert das noch bis zum nächsten Seelenkuchentag bis wir das erste Opfer finden.", zischte Humph Robin zu.
"Das denke ich auch, Sör.", war die leise Erwiderung des Lance-Korporals.
"Ok, dann werden wir uns jetzt trennen und einzeln suchen."
"Sir?"
"Wir treffen uns alle zehn Minuten genau hier wieder. Ich teile dir dann einen neuen Sektor zur Suche zu."
"Aber...."
"Du gehst nach Osten und ich beginne im Westen.", unterbrach der Ausbildungsleiter von GRUND den DOG.
Die Zeit saß ihnen im Nacken. MeckDwarf traf diese Entscheidung nicht gerne, sah aber keine andere Möglichkeit der Lösung.
Die Wege der Wächter trennten sich.
Alte Regale mit einer fingerdicken Staubschicht säumten Robins Weg.
Vorsichtig spähte der Dobermann zuerst in jeden Raum bevor er ihn betrat, während ächzende morsche Holzdielen jeden Versuch des Schleichens zunichte machten.
So leise wie möglich drückte der Dobermann eine große Flügeltüre auf, die nach kurzer Zeit seinen Bemühungen mit einem hölzernen Ächzen nachgab und sich öffnete.
Ein schmutziger Raum breitete sich vor dem DOG-Wächter aus. Allerlei Gerätschaften wurden von den Besitzern an den Wänden des Saals aufgereiht und augenscheinlich danach vergessen. In der Mitte des Raumes lag eine vergilbte Zeltplane, deren Mitte sich nach oben wölbte.
Ein leises Brummen war zu hören.
Vorsichtig näherte sich Robin der Plane. Sein Herz schlug ihm bis zu seinem Hals.
Langsam beugte er sich nach unten, nahm eine Ecke des groben Stoffes in seine Hand und zog.
Die Augen des Dobermannes weiteten sich vor Entsetzen.
Von dem Tuch gnädig eingesperrter Geruch breitete sich schlagartig in dem großen Raum aus und Hunderte von grünglänzenden Fliegen stiegen in die Luft empor.
Ein erstickter Schrei entfuhr der Kehle des Lance-Korporals.
Die offensichtlich weibliche Leiche schien sich trotz des persönlichen Mangels an Leben zu bewegen.
Besser gesagt, unter der Haut und dem verbliebenen Fleisches des Leichnams bewegte es sich.
Auf den verbliebenen Fragmenten von unversehrter Haut blitzte dem Dobermann das Wort 'käufli....' entgegen, mehr war nicht mehr zu entziffern.
Der Wächter drehte sich schnell von der Szene ab und ......stieß gegen einen massigen Brustkorb.
Erstaunt blickte der Lance-Korporal auf und blickte in ein Paar eisblaue Augen.
"Alleine?", hauchte der Mann, seine Hand zuckte in Richtung Robins Kehle und drückte erbarmungslos zu.
"......", Picardo erinnerte sich an die raren Stunden in Grund wo das Thema "Waffenlose Selbstverteidigung" behandelt wurde. Leider fiel ihm zu diesem Lehrinhalt nur der wichtigste Unterpunkt, nämlich das "Weglaufen" ein. Jetzt schien sich der Überlebensinstinkt des Dobermannes zu Wort zu melden und eine glänzende Idee entstand.
Robin zog eines seiner Knie kräftig in die Höhe.
Auch bei Humph MeckDwarfs Suche nahmen die zahllosen Räume kein Ende. Mit der Zeit hatte wilde Bautätigkeit viele der Hallen miteinander verbunden und niemand wusste mehr, wem welche Halle gehörte. So kam es das viele brachlagen und, außer von Ratten und Mäusen, ungenutzt dem Verfall anheim gestellt wurden.
Wieder und wieder öffnete der Hauptmann Tür um Tür und scheuchte einige Tauben auf, die mit einem Gurren aufstoben. Schweiß rann dem Offizier in Strömen über den Körper und hinterließ einen salzigen Geschmack auf seinen Lippen.
Mit sanftem Druck öffnete der Offizier ein weiteres Tor und erstarrte.
Inmitten eines weiteren schmutzigen Zimmers saß ein benommener nackter Mann gefesselt auf einem Stuhl.
Das Drachenzeichen war prangte auf Brust und Rücken des Delinquenten. In den geschlossenen Kreis wurde das Wort 'triebhaft' eingeritzt. Weitergehende Verletzungen konnte der GRUND-Leiter auf Anhieb nicht feststellen.
Er ändert seine Vorgehensweise, schoss es Humph durch den Kopf.
Dies soll wohl die Krönung seines Werkes werden!Mit schnellen Schritten trat der Hauptmann auf den Gefesselten zu und versuchte ihn mit leichten Schlägen auf die Wange zu Bewusstsein zu bringen. Trübe Augen blickten den Offizier an.
"I....Ic......Ich wollte ....doch ...nur ein wenig Spaß haben!", hauchte der Verletzte.
"Wo ist er?!", flüsterte MeckDwarf.
Mit letzten Kräften nickte der Mann in Richtung einer kleinen Türe, die in einen anderen Raum führen zu schien.
Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen.
Robins Knie bewegte sich in einem spitzen Winkel nach oben in Richtung der Stelle, an dem es dem männlichen Geschlecht am meisten schmerzt.
Der Anflug eines Lächelns breitete sich auf dem Gesicht des Wächters aus. Robin hob seinen Kopf und blickte zu seinem Erstaunen in ein Antlitz, das ebenfalls lächelte.
Die Zeit schien sich zu normalisieren und alles lief wieder in Echtzeit ab.
Das Knie des Dobermannes wurde von der zweiten Hand des Irren abgeblockt und traf wirkungslos die Leiste des Mannes.
Kalter Stahl blitzte auf.
"Nicht so, mein Freund.", hauchte der Prophet und stieß zu.
Fassungslosigkeit verdrängte Robins Lächeln. Er spürte einen Stich und kurz darauf breitete sich Nässe, die nur Blut sein konnte, auf seiner grauen Uniform aus.
"Zu dir kommen ich später.", Robin wurde weggeschleudert und blieb auf dem staubigen Boden wie eine Marionette mit durchgeschnittenen Fäden liegen.
"He!!!!!", der Prophet schwang herum zu der Quelle des Geräusches.
MeckDwarf reagierte schnell.
Die Blicke der Beiden trafen sich, doch dieses Mal zeichnete sich Erstaunen im Gesicht des irren Mörders ab.
Zwei scharfkantige Wurfsterne surrten durch die Luft und trafen den Kopf des wahnsinnigen Verkünders, der sofort zu Boden ging.
Humph überwand die Strecke zu Robin, vorbei an dem Niedergestreckten, in Rekordzeit.
Schlitternd kam er vor seinem verletzten Kameraden zum Halten.
"Robin!", es kam keine Reaktion von dem Angesprochenen.
Der Hauptmann öffnete die Uniform des DOG, betrachtete sich die Wunde und legte seine Hände auf.
Ein leises Stöhnen war die beinahe sofortige Reaktion des Unteroffiziers.
Langsam öffnete Picardo seine Augen.
"Es wird schon werden, Kleiner!", der Hauptmann sah das Entsetzen in der Miene des verletzten DOGs und wieder reagierte der kleine Offizier flink.
Ein Dolch wurde gezogen.
Mit einer Rolle zur Seite, verbunden mit einer geschmeidigen Bewegung drang Humphs Dolch in das weiche Fleisch ein.
Es folgte ein schmerzverzerrtes Keuchen; das war alles was Robin noch mitbekam bevor er ohnmächtig wurde.
Die Schleier der Ohnmacht begannen sich zu lichten.
Verschwommene Bilder wurden scharf.
Robin erkannte, dass er sich im Knahbenzimmer befand.
Leopold von Leermach zog nervöse Kreise um das Bett des Dobermannes, während Humph MeckDwarf auf einem Stuhl saß und sehr nachdenklich wirkte.
"Also wenn so das Paradies aussieht.....", sagte Robin schwach. ".....dann habe ich wohl etwas falsch gemacht....!"
"Robs!!!!!", der untote Spurensicherer fiel seinem Zimmerkameraden um den Hals
"Auu!"
"Tschuldige, Robs!"
"Haben wir den Mistkerl erledigt, Sör?", fragte der Wächter in Richtung des Hauptmanns.
"Ja, das haben wir!", und Humph MeckDwarf lächelte milde.
****Irgendwo auf der Sto-Ebene****"Du wirst einmal ein guter Arzt werden!", sagte der alte Heiler zu seinem jungen Lehrling.
"Ja ich hoffe es!" antwortete der junge Mann voll Demut.
"Was wirst du nach deiner Lehrzeit anfangen?"
"Ich werde mich dem Studium der Alchemie widmen, Meister.", der Mann lächelte hintergründig.
"Du bist sehr fleißig!"
Die beiden Männer gingen dem Sonnenuntergang entgegen.
Ein schweres Buch lugte aus dem Bündel des jungen Lehrlings, ganz so als wolle es ebenso den Sonnenuntergang betrachten.
++++ENDE ?++++
[1] Ja, dieses eine einzige Mal ist er noch da ;-)
[2] Zwerge und Gnome sind von dieser Aussage natürlich ausgeschlossen. Die vorgenannten Spezies verfügten in der Regel über genügend Selbstbewusstsein, dass in der Regel auch in einen zwei Meter großen Menschen passen würde.
[3] nicht ohne vorher doch noch eine eindeutig obszöne Geste in Richtung MeckDwarf zu machen. Dämonen haben eben nicht viel Angst vor irgendwelchen möglichen......Unfällen. In der Zukunft wunderte sich Humph immer wieder über den strengen Geruch der Memos die er erhielt.....manche waren sogar noch feucht.
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