Der entblößte Guru

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von Hauptgefreiter Humph MeckDwarf (FROG), Hauptgefreite Irina Lanfear (RUM)
Online seit 22. 09. 2001
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Die Worte Erretter und Erlöser sagen euch nichts?
Die Wächter MeckDwarf und Lanfear kann man damit jagen...

Dafür vergebene Note: 13

**Rina Lanfear**


Rina seufzte. Der heutige Tag hatte irgendwie etwas von einer Katastrophe gehabt. Sie war zuerst zu spät in den Dienst gekommen, hatte deswegen von Lewton, ihrem neuen Chef eine Rüge bekommen und war dann grübelnd über ein paar Akten gesessen, die sich in den letzten Tagen auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatten. Leider war ihr dabei auch keine Idee gekommen, wie sie den Fall, der ihr gerade eben erst übertragen worden war, lösen konnte. Statt dessen hatte sie eine Einladung zu einem Ball gefunden, die
irgendwie unter den Papierstoß gerutscht war. Dieser Fund wäre ja an sich nichts schlechtes gewesen, aber der Ball hatte schon vor ein paar Tagen stattgefunden:
Etwas später am Tag war dann auch noch Angie vorbeigekommen, die ihr erzählte, dass sie einen Informanten vermisste. Rina hatte ihrer neuen Freundin mitteilen müssen, das eben jener Informant erst vor einer Stunde von einem seiner Angehörigen identifiziert worden war, nachdem ein Mitglied des S.E.A.L.S-Teams seine Einzelteile in einem Karren unweit der Stadtgrenze gefunden hatte. Angie war von dieser Nachricht geschockt gewesen, denn der Tote war ein guter Freund von ihr, den sie im Zuge ihrer Arbeit als
Szenenkennerin kennen gelernt hatte. Rina hatte, während sich Angie furchtbar aufregte, betreten auf den Aktenstapel gesehen, denn sie wusste, dass auch dieser Fall bei ihr gelandet war und auf Aufklärung wartete.

Die Gefreite seufzte beim Gedanken an all diese unliebsamen Zwischenfälle erneut und bedauerte, das Ecatherina nicht mehr in ihrer Abteilung war. Mit ihr hätte sie jetzt in die Bahre gehen können, um etwas zu trinken und die Sorgen zumindest kurzfristig zu vergessen. Doch Eca hatte heute Nachtdienst und war mit ihren Kollegen von F.R.O.G wieder einmal irgendwo in einem Einsatz. Während Rina weiterüberlegte, was sie heute noch zu erledigen hatte, stürmte Trica Mc Millan in ihr Büro und rief: "Schön das du
noch hier bist. Willst du mit mir etwas trinken gehen? Ich bin heute befördert worden."
Rina sah auf und meinte: "Gratulation. Ich komme gerne mit. Können wir in die Bahre gehen? Ich hätte dort noch etwas zu erledigen."
Trica blinzelte kurz und erwiderte dann: "Warum nicht. Ich war schon länger nicht mehr dort."

Zehn Minuten später öffnete sich die Tür der Bahre und zwei Wächterinnen traten ein. Ein paar recht finster aussehende Gestalten schauten kurz auf, verloren aber sofort wieder das Interesse an den beiden, als sie Rina erkannten. Die Gefreite sagte zu Trica: "Wart kurz. Ich bin gleich wieder da." und spazierte zu einem Tisch, an dem ein etwas untersetzter Mann saß. Während sich Rina mit diesem Mann unterhielt, sah sich Trica neugierig um. Die meisten Gestalten kannte sie nicht, aber an einem der hinteren Tische sah sie jemand sitzen, der ihr bekannt vorkam.
In diesem Moment kam Rina zurück und meinte: "Und? Wie gefällt es dir hier?"
Trica antwortete: "Das weiß ich noch nicht. Sag mal kennst du den Kerl, der dort hinten sitzt und mit dem Mädchen flüstert? Er kommt mir bekannt vor."
Rina blickte kurz hinüber und meinte: "Das ist Humph MeckDwarf. Er hat mit mir die G.R.U.N.D.-Ausbildung gemacht. Seine Begleiterin kenne ich leider auch nur allzu gut."
In dem Moment sah Humph auf und entdeckte Rina. Er verdrehte die Augen, flüsterte Johanna etwas zu und lächelte dann gezwungen in die Richtung der beiden Wächterinnen, welche sich seinem Tisch näherten.
Rina und Johanna wollten gerade beginnen, sich wieder einmal anzugiften, als Tür aufging und ein alter Mann in den Raum stürmte. Er rief: "Preiset das Licht. Der Auserwählte wird uns retten."
Humph, Rina und Johanna stöhnten gleichzeitig: "Nicht schon wieder..."
Trica fragte neugierig: "Was ist denn los?"
Humph und Rina sahen sich an und meinten gleichzeitig: "Das ist eine lange Geschichte...."
Trica erwiderte: "Das ist mir egal. Fangt einfach einmal an."
Rina seufzte und meinte: "Ok, es fing damit an, dass ich wieder einmal verschlafen hatte................."

Rina öffnete die Augen und sah verschlafen auf ihren Wecker. "Gut, nur noch 5 Minuten zu spät, das wird ja noch...." dachte sie bei sich, bevor sie aus dem Bett sprang, zu ihrem Kleiderschrank raste und hektisch nach ihrer Uniform suchte. Als sie diese endlich gefunden und richtig herum angezogen hatte, polterte sie die Treppe hinunter ins Wohnzimmer, gab ihren Eltern einen flüchtigen Kuss, schnappte sich ein Brötchen, das auf ihrem Frühstücksteller lag und rannte im Laufschritt zur Tür hinaus. Im Vorbeihasten schmiss sie die Haustür zu und hörte zuerst ein Klirren, gefolgt von einem spitzen Schrei ihrer Mutter. Rina dachte bei sich, dass dieser Morgen wieder einmal eine teure Angelegenheit zu werden schien und nahm sich zum wiederholten Male vor, einmal ein ernstes Wörtchen mit ihrer Mutter über das Thema Zerbrechliche Gegenstände neben die Haustüre hängen zu reden.

Seltsamerweise schien der Tag aber dann doch noch besser statt schlechter zu werden. Ausbilder Gonzo verzichtete auf die inzwischen übliche Strafpredigt, da er einfach zuviel Arbeit vor sich liegen hatte und der Streifendienst, zu dem Rina eingeteilt war, verlief relativ ruhig. Dadurch hatte sie viel Zeit, über die Planung für ihren nächsten nächtlichen Streifzug nachzudenken. In Gedanken ging sie alle möglichen Varianten eines Fledermausabwehrsystems durch, da Panther sie in seiner zweiten Gestalt noch i
mmer beobachtete um sicherzugehen, dass sie nirgendwo einbrach. Eigentlich fand sie diesen Umstand sehr erheiternd, da sie sich sowieso noch nie für einfache Einbrüche erwärmen konnte, aber es wurde doch ab und zu lästig, darauf zu hoffen, dass er sie nicht doch noch irgendwann verriet. Was passieren würde, wenn ihre Tarnung aufflog, daran wollte sie lieber nicht denken. Dann half ihr vermutlich nur mehr ihre Fähigkeit, sich möglichst unauffällig irgendwohin weit weg vom Gefahrenherd zu verabschieden.

In Gedanken versunken marschierte Rina weiter ihre Route ab, bis sie mit einem etwas älteren Mann zusammenstieß. Dieser lächelte sie an und sagte: "Haben sie ein paar Minuten Zeit, um sich vom wahren Glauben überzeugen zu lassen?"
Die Wächterin runzelte misstrauisch die Stirn und fragte: "Wahrer Glauben? Welcher wahre Glauben?
"Der wahre Glauben des Lichtes. Wir glauben an die Wiedergeburt unseres Höchsten in Form eines Bürgers von Ankh-Morpork und suchen nach ihm. Sobald wir ihn gefunden haben, wird Frieden und Wohlstand einkehren. Bis dahin können wir nur seine Lehren predigen und gegen die teuflische Institution der Wache protestieren. Die Wache hindert nämlich die Bürger der Stadt an der Ausübung ihrer Interessen und versucht, uns von unserem geliebten Auserwählten fernzuhalten. Deshalb, Tochter, sage dich los von der Wurzel allen Übels und trete unserer Gemeinschaft bei. Du bist bei uns willkommen, den wir nehmen auch jene auf, die gefallen sind und erst nachträglich ihren Weg zum Licht gefunden haben."
Rina sah den Mann ungläubig an und meinte: "Auserwählter? Wurzel allen Übels? Die Stadtwache hindert wen? Ich versteh gar nichts mehr. Und ich bin nicht ihre Tochter!"
Der ältere Mann sah sie mitleidig an und erklärte: "Da siehst du, Tochter, wie tief du schon im Sumpf des Bösen steckst. Du weißt gar nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Unser Glauben gebietet uns, jeden tun zu lassen, worauf er gerade Lust hat, denn all diese Tätigkeiten sind von Ihm, unserem Auserwählten, gewollt. Die Stadtwache jedoch verhaftet die Leute und erklärt, dass sie das Gesetz gebrochen haben. Sag mir jetzt Tochter, wie können sie etwas Unrechtes tun, wenn doch alles Seinem Willen ent
spricht? Deshalb ist die Stadtwache die Wurzel allen Übels. Wir glauben, dass Er sich erst zu erkennen geben wird, wenn es dieses Böse nicht mehr gibt. Darum bitte ich dich nochmals, Tochter, sage dich von dem Bösen los und komm zu uns ins Licht."
Rina schüttelte den Kopf und entgegnete hastig: "Äh,.... ich denke nicht, dass ich vorhabe, ins Licht zu treten. Auch wenn ihre Vorstellungen vom perfekten ......äh.....Leben sehr verlockend klingen, bleibe ich doch lieber bei meinem althergebrachten Lebenswandel. Wenn sie mich jetzt entschuldigen würden, ich habe zu arbeiten." Mit diesen Worten eilte die Wächterin davon.
Der Mann sah ihr hinterher und rief. "Auch du wirst noch zum Licht kommen, Tochter. Wir warten auf dich."

Ein paar Strassen weiter blieb die Wächterin stehen und holte tief Luft. Dieser seltsame Typ war ihr eindeutig unheimlich gewesen. Sie versuchte sich vorzustellen, was passieren würde, wenn wirklich alle seinen Geboten folgen würden und erschrak angesichts der Vorstellung, dass es dann sicherlich mehr Leute geben würde, die wie sie unlizenziert einbrachen. Alleine bei der Vorstellung lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Sie kannte zwar ein paar "Arbeitskollegen", doch das waren Künstler wie sie, die einen guten Einbruch fast mehr schätzten als ihr eigene Gesundheit. So wie sie verabscheuten sie Pfuscher aus ganzem Herzen.
Rina seufzte und setzte ihren unterbrochenen Rundgang fort. An einigen Häuserwänden sah sie Plakate kleben, die die Aufschrift trugen: "Komm ins Licht. ER braucht dich!"
Sie dachte bei sich, dass diese Gemeinschaft des Lichts überaus fleißig gewesen war und widmete sich dann wieder ihren Plänen für einen neuen Einbruch.

In den nächsten Tagen schienen sich immer mehr Menschen für den wahren Glauben des Lichtes zu entscheiden. Die Plakate klebten inzwischen überall in Ankh-Morpork und es wurden erste Stimmen gegen die Wache laut. Die Bürger Ankh-Morporks begannen sich über ungerechtfertigte Verhaftungen und Willkür zu beschweren und auf ihre Bürgerrechte* zu pochen. Zu genau diesem Zeitpunkt war Rina wieder einmal auf Streifendienst. Sie schlenderte durch die Strassen und versuchte, die lauten Buhrufe, die hin und wieder zu ihr vordrangen, zu ignorieren. In Gedanken überlegte sie, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sich alle wieder beruhigt hatten. Derzeit schien kein Erretter in Sicht zu sein und wenn die Leute merkten, dass ihr Auserwählter wohl doch nicht kommen würde, fielen sie vielleicht wieder vom "wahren Glauben" ab........
Plötzlich wurden die Gedankengänge der Wächterin von einem lauten Schrei unterbrochen. Sie überlegte kurz und beschloss dann, der Sache doch lieber auf den Grund zu gehen. Vielleicht fiel es dem Opfer sonst später noch ein, sie zu verklagen, weil sie nicht geholfen hatte. Entnervt rannte Rina in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war und stoppte erst, als sie sich kurz vor der kleinen Gasse befand, aus der laute Hilferufe zu vernehmen waren. Vorsichtig spähte sie um die Ecke und sah, wie der alte Mann, der sie erst ein paar Tage zuvor zum wahren Glauben bekehren wollte, von vier Männern bedroht wurde.
Den Tag innerlich verfluchend, schrie die Wächterin laut: "Stadtwache! Ihr seid festgenommen. Eca, Humph, schneidet ihnen den Fluchtweg ab! Morn, hör auf mit deiner Axt zu fuchteln und hilf Pigeon! Aragorn, du deckst uns mit der Lady den Rücken!"
Die vier Männer ergriffen panisch die Flucht und ließen den alten Mann liegen. Rina rannte zu ihm hin und fragte: "Ist alles in Ordnung?"
Der Mann richtete sich halb auf und stammelte verzweifelt: "Sie haben den Auserwählten entführt, Tochter. Du und deine Kollegen müssen ihn retten, sonst sind wir alle verloren!"
Die Rekrutin grinste schief und antwortete: "Welche Kollegen denn? Das war doch nur ein Bluff."

* Um genau zu sein, forderten sie eine freie Ausübung aller Tätigkeiten, egal ob lizenziert oder unlizenziert. Die Anwaltsgilde prüfte gerade, ob eine Sammelklage gegen die Stadtwache möglich sei.

**Humph MeckDwarf**


Humph MeckDwarf war auf Streife. Er ärgerte sich gerade mit einem dieser Wahnsinnigen des neuen Glaubens, der ihm ein faules Ei in den Rücken geworfen hatte, als er einen Schrei hörte: "Eca, Humph, schneidet ihnen den Fluchtweg ab." Wenn er die Stimme nicht erkannt hätte, dann hätte er sich wohl gefragt, wie ihn jemand rufen konnte, ohne das er dort war. Aber da er Rina erkannte, wunderte er sich nicht, sie war nun mal verrückt und dagegen war wohl nichts mehr zu machen. Er stieß jetzt den Mann mit einer
abfälligen Bemerkung weg und rannte in die Richtung, in der er den Schrei gehört hatte.
Kurz darauf fand er Rina, die gerade mit einem Mann redete: "Sie haben den Auserwählten entführt, Tochter. Du und deine Kollegen müssen ihn retten, sonst sind wir alle verloren!"
Nachdem Rina etwas undeutliches erwidert hatte, sagte Humph hinter ihr: "Sieh an, so reich sieht dein Vater gar nicht aus, Tochter.", er grinste sie an.
Sie drehte sich um und warf ihm einen kurzen bösen Blick zu, als der Mann wiederholte: "Sie haben den Auserwählten entführt, Tochter. Du und deine Kollegen müssen ihn retten, sonst sind wir alle verloren!"
"Von wem redet er?"
"Ich schätze vom Erretter, der ja ach so toll sein soll und jetzt unter uns zu sein scheint."
"Na, toll, noch einer von diesen Vollidioten. Der letzte hat mich mit Eier beworfen."
"Na, da hat er ja erkannt, wofür du zunutze bist."
"Sehr witzig. Aber es ist irgendwie ein ironischer Zufall, daß jetzt wir, die böse, böse Wache den Erretter erretten sollen, findest du nicht?"
Sie lachte kurz auf und widmete sich dann wieder dem Mann: "Und wie sieht der Erretter aus?" Sie bekam eine sehr ungefähre Beschreibung, auf jeden Fall sollte er noch ein Junge sein.
"War ja klar, der Erlöser ist ein Kind. Wenn ich eine Großmutter hätte, würd ich sie dann als des Erlösers Omi deklarieren und ihr eine Krone basteln.", Humphs Worte trieften vor Sarkasmus.
"Ungläubiger, du wirst schon noch das Licht erkennen. Ihr werdet es beide erkennen, wenn ihr es seht! So sei es, sprach das Licht des Erlösers als es auf das Haupt meines alten Mentors Ronnie L. Hab-Art fiel. Und so wird es sein! Denn er wurde das Sprachrohr des Auserwählten, der ja bekanntlich stumm ist."
Die beiden Wächter blickten einander an und versuchten nicht laut loszulachen.
"Nun, Herr...." - "Josef Zwölf, Priester. Ihr dürft mich Eminenz nennen."
"Nun, Eminenz, wir werden alles was in unserer Macht steht tun, wenn sie dafür sorgen, daß die Massen uns in Ruhe lassen.", das Wort Eminenz klang äußerst sarkastisch aus Humphs Mund.
"Sie werden auf mich hören.", der Mann nickte und ging auf dem Hier-gibt's-alles-Platz um eine kleine Ansprache zu halten.

"Ihr werdet diesen Auftrag übernehmen! Beide!", Gonzo ließ keine Widerrede zu, "Alle Abteilungen sind derzeit mit diesen Spinnern beschäftigt und da ihr beide ja schon eingewilligt habt, könnt ihr das gleich verfolgen." Der Gnom grinste die Beiden an.
"Ja, Sir!", sie hatten schon versucht zu protestieren und erkannt, daß das nicht viel helfen würde.
"Gut, Rekruten, dann wünsch ich euch viel Erfolg. Wegtreten!"
Die beiden traten aus dem Büro heraus und blickten sich an.
"Naja, wie wärs mit einem kurzfristigen Waffenstillstand?", fragte Rina ihn.
"Klingt vernünftig. Da wir da draussen sowieso gehasst werden, sollten wir uns nicht auch noch selbst in den Haaren liegen."
"Ja, und die da draussen sind vollkommen geistesgestört."
"Da kann ich dir nur zustimmen, ich sag ja, Religion ist nur eine andere Form von Dummheit."
"Nicht jede, Humph."
"Nein, nicht jede, aber viele."

Die Beiden hatten keine Ahnung wo sie anfangen sollten, also gingen sie zu Herrn Hab-Art, vielleicht wußte der von potentiellen Feinden oder ähnlichem. Dort angekommen, klopften sie fest an der Tür. Eine Frau in Toga, welche nur eine Brust bedeckte, kam heraus und fragte nach dem Begehr der Beiden. Während in Humphs Augen ein ganz bestimmtes Begehr anfing zu glimmen, seufzte Rina und wünschte Herrn Hab-Art zu sprechen.
"Sie meinen die Stimme des Erlösers?"
"Ja, so hat man uns das gesagt."
"Die richtige Ansprechform ist Heiliger, wenn sie bei ihm sind."
"Wie sie meinen."
Die Frau führte die beiden Wächter in einen Raum, in dem sich eine weiße Türe mit goldenen Engeln befand.
"Wartet hier, Bruder und Schwester."
"Bist du mit der verwandt?", fragte Humph.
"Nicht das ich wüßte."
"Schade..... Was soll das hier?"
"Ich wünschte, ich wüßte es. Wir sollen ihn ´Heiliger´ nennen? Wozu?"
"Na, das er sich besser und wichtiger fühlt. Logisch, nicht?"
"Irgendwie schon."
Die Tür ging auf und ein junger Mann kam heraus: "Ihr dürft zu dem Heiligen vortreten. Küsset den Boden vor ihm und die Frau sollte ihn zwischen den Beinen kurz streicheln. So, tretet ein."
"Moment mal, was bitte soll ich tun????"
"Ihn streicheln. Anscheinend ist er liebesbedürftig auch noch.", Humph grinste sie breit an, "Komm schon, wir müssen was herausfinden, also sei nicht so prüde."
"Grmpf", war das einzige was sie erwiderte und sie gingen hinein. Der Raum war ganz in Weiß gestrichen, nur die Ecken waren mit stehenden Engeln verziert. Vor ihnen saß ein etwa 70-jähriger Mann, der nichts außer einen Mistelzweig in seinem Haar an hatte.
"Das ist doch nicht sein Ernst, oder?", zischte Rina Humph zu.
"Tu´s einfach und schau dabei weg.", raunte er ihr zu und die beiden taten wie ihnen geheißen.
"Ich grüße euch, edle Vorritter des neuen Zeittums. Ihr werdet bald erkennen, wie falsch die Wache ist und unserer Allianz beitreten. Was führt euch zu mir, meine Kinder."
"Ähm, eure Heiligkeit, wir würden gerne wissen, ob der Erretter vielleicht Feinde haben könnte."
"Wo denkt ihr hin? Wir haben keine Feinde und wenn, dann wären sie sein Wille und wir müßten uns mit ihnen abfinden. Dafür ist die heilige Allianz da, es sind die Ritter des Auserwählten und gleichzeitig seine Boten."
"Wer hätte dann den Jungen entführen sollen? Und wenn es denn sein Wille war, warum sollen wir ihn dann suchen?"
"Weil er noch nicht so weit ist, er ist noch zu jung, um nicht zu verzweifeln. Und wenn er verzweifelt bröckelt die Welt."
"Achja, ich verstehe. Herr Hab-Art........"
Der Mann fuhr hoch und schrie: "Keiner soll mich mehr mit diesem Namen ansprechen, ich bin der Heilige, nichts anderes und so werdet ihr mich nennen! Frevelt nicht in meinen Hallen der Vernunft!"
"Vernunft? Wo? Ich glaub, daß hab ich übersehen.", der Kobold klang fasziniert.
"Wem sagst du das, hier gewinnt das Wort Vernunft eine ganz andere Bedeutung, nicht?"
"Du solltest dem Schlappschw****..."
"Bleib jugendfrei, ja?"
"Okay, du solltest dem Würmchen...."
"Das war jetzt net viel besser, weißt du."
"Okay, okay, du solltest seiner Scheinheiligkeit mal ausrichten, daß man Drogen nur in bestimmten Mengen einnehmen sollte, sowas schädigt das Gehirn."
"Ich werd mich hüten, in den Hallen der Pestilenz seine Grenzdebilität zu beleidigen."
"WIE BITTE????". Er hatte es wieder mal lauter gesagt, als er wollte.
"Och, nichts, eure Schei.... äh, Heiligkeit, ich habe nur mit der Stimme der Vernunft ein Zwiegespräch geführt."
"Ihr wagt es...", der Mann plusterte sich geckenhaft auf, was in seiner Nacktheit überaus lächerlich aussah. "Schmeißt sie raus! Ich will sie nie wieder sehen! Der Erretter sei uns gnädig dafür, daß gerade sie ihn suchen sollen."

Die Wächter lachten. Sie lachten nun schon seit einer Viertelstunde (*1) und ein Ende war noch nicht in Sicht. Als sie doch fertig waren überlegten sie ihr weiteres Vorgehen.
"Sag mal, war nicht doch vielleicht jemand in der Nähe, als er entführt wurde?"
"Nicht das ich wüßte..... Moment! Schnapper!"
"Der? Was wollte der schon wieder? Ist der eigentlich überall?"
"Er hat glaub ich kleine Erretter-Misteln verkauft. Und faule Eier."
"Dann hab ich sowieso noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen!", meinte Humph und sie bewegten sich in Richtung des Hier-gibt's-alles-Platzes.

*1: Rina hatte zuvor nur kurz ihre Hände gewaschen.

*** Rina Lanfear ***


Schnapper war leicht zu finden. Die beiden Wächter hörten seine Stimme bereits, als sie den Hier-gibt-es-alles Platz betraten. Er pries wie immer seine Waren an und es hatte sich bereits eine beträchtliche Menschenmenge um ihn herum gebildet. Rina und Humph sahen sich kurz an, zuckten mit den Achseln und drängten sich dazwischen. Es dauerte einen oder zwei Momente, bis die Wächter endlich soweit waren, dass sie auch einen kleinen Teil vom Schnapper sehen konnten. Humph, der sich hinter Rina befand, fragte sich, warum seine Kollegin plötzlich laut loslachte und sich kaum mehr auf den Beinen zu halten schien. Doch als auch er endlich Schnapper sah, verstand er den Lachanfall seiner Mitrekrutin und stimmte mit ein. Der Händler, der immer behauptete, dass er sich mit diesen Preisen selbst in den Ruin triebe, schien auch zu dem neuen Glauben konvertiert zu sein. Er trug etwas, das vermutlich eine weiße Toga darstellen sollte, jedoch aussah, als wäre es ein schmutziges Tuch, dass einfach ein paar Mal um seinen dürren Körper geschlungen war. Seine Kleidung hatte er mit ein paar Schnüren befestigt, damit sie ihm nicht wegrutschte. Dazu hatte er sich ein vermutlich selbstentworfenes Amulett umgehängt, dass gelbgrau schimmerte und einige undefinierbare Zeichen zeigte. Um sein Ensemble zu vervollständigen, trug er einen Kranz aus Erretter-Misteln auf dem Kopf, der ihm wohl ein heiliges Aussehen garantieren sollte.
Die beiden Wächter brauchten ein paar Minuten, um sich wieder etwas zu erholen und machten sich dann daran, Schnapper zu befragen.
"Hallo Schnapper. Wie geht das Geschäft denn so?" begann Rina.
Der Händler sah sie hochmütig an und erklärte: "Für euch "Wächter" heißt es immer noch: erhabener Bruder des Lichtes. Schnapper dürfen mich nur Eingeweihte nennen." Seltsamerweise betonte er das Wort Wächter so, dass es fast wie Abschaum klang.
Humph schien der Geduldsfaden zu reißen. Smoll tolk war ihm immer schon zu langweilig gewesen. Er kam lieber gleich auf den springenden Punkt. Deshalb unterbrach er das Geplänkel und fuhr "den erhabenen Bruder des Lichtes" an: "Du wirst uns jetzt sagen, was du über die Entführung eures Auserwählten weißt. Wenn du das nicht tust, diskutieren wir auf der Wache über den Verkauf von faulen Eiern."
Schnapper schaute ihn beleidigt an und erklärte: "Wer wird denn gleich so grob sein? Natürlich helfe ich dem Gesetz sehr gerne. Was wollt ihr wissen?"
Rina seufzte und erwiderte: "Euer Auserwählter ist entführt worden. Er ist ein kleiner Junge, der in der Begleitung eines alten Mannes unterwegs war. Du hast in der Nähe diese Erretter-Misteln verkauft."
"Ah ja, die Erretter-Misteln. Frisch geschnitten im Wald von Skund. Einige meiner Lieferanten haben dabei ihr Leben riskiert. Für nur 5 AM$ gehören dir zwei Stück dieser lieblichen und glücksbringenden Pflanze. Damit treib ich mich selbst in den Ruin, denn ....."
Humph war am Ende seiner Geduld und schrie: "Schnapper...."
Der Händler stutze kurz und meinte dann: "Ach, die Entführung meint ihr. Der kleine Junge wurde von ein paar finsteren Gestalten gepackt, die alle einen dunkelroten Umhang trugen. Der Rest der Gruppe hat sich um den alten Mann "gekümmert". Die Entführer sind in Richtung Schatten verschwunden. Wollt ihr nicht doch ein paar Misteln? An faulen Eiern habt ihr wohl weniger Interesse."
Rina, die sah, wie Humph rot anlief, murmelte hastig: "Nein, danke erhabener Bruder. Wir müssen nun gehen." und zog ihren Kollegen mit sich. Hinter ihr rief Schnapper: "Das Licht möge euch leuchten. Will noch jemand ein paar Erretter-Misteln erwerben? Nur fünf AM$ das Stück und damit treib ich mich selbst in den Ruin."

Erst ein paar Meter weiter blieb sie stehen und ließ Humph wieder los. Der Wächter sah sie erbost an und fauchte: "Mach sowas nie wieder. Ich hasse es, durch die Gegend geschleppt zu werden und überhaupt..."
In dem Moment schien sich wieder einmal sein Kobold einzuschalten, denn Rina konnte beobachte, wie Humph sich mit der Luft stritt. Leider hörte sie nur einen, und zwar Humphs Teil, des Gesprächs:
"Nein, von ihr hätte ich mich auch nicht durch die Gegend schleppen lassen........Was glaubst du eigentlich, wer du bist?................Du solltest wieder einmal ein wenig schlafen. Ich muss in die Bahre."
Die Wächterin rief dazwischen: "Du kannst jetzt nicht in die Bahre. Wir müssen den Erretter suchen."
"Der Kobold nervt aber..."
"Ignorier ihn."
"Ja, sie hat Recht. Ignorier mich nur. Mal sehen, wie weit du damit kommst."
"Halt die Klappe!"
Rina sah auf und fragte: "Ich?"
"Nein, er!"
"Dann bin ich aber beruhigt."
"Ich kann doch gar nichts halten, was ich nicht habe."
"Ach, sei einfach ruhig."
Die Wächterin seufzte genervt: "Humph?"
"Ja?"
"Hat man als Rekrut Urlaubsanspruch?"
"Woher soll ich denn das wissen?"
"Lass uns einfach gehen."

Die Wächter gingen los. Nach ein paar Minuten fragte Humph: "Wohin gehen wir eigentlich?"
Rina antwortete: "Während du dich mal wieder mit deinem Kobold gestritten hast, habe ich überlegt, dass diese Gestalten ihre Umhänge ja irgendwo anfertigen haben lassen. Ich kenne da zufällig einen Schneider, der uns da weiterhelfen könnte."
"Ein Freund von dir?"
"So ungefähr."

"Roxys Bekleidungsladen" lag im feineren Viertel von Ankh Morpork. Rina lächelte fast unmerklich, als sie den Laden betrat. Sie wusste schon, was auf Humph zukommen würde.

Als Humph den Laden betrat, glaubte er seinen Augen kaum zu trauen. Ein, in bunte Tücher und Ketten, gehüllter Mann rannte auf Rina zu, umarmte sie und drückte ihr zwei Küsschen auf die Wange. Dann meinte er: "Schön, dich wiederzusehen, Irina. Hat dir das letzte Kleid gefallen, Schatz?"
Die Wächterin antwortete: "Es war einfach wundervoll. Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen. darf ich dir jemanden vorstellen? Das ist Humph MeckDwarf. Er arbeitet mit mir gerade an einem Fall."
Der Schneider starrte den Rekruten einen Moment lang an und meinte dann: "Er sieht ja ganz süß aus, aber bevor ich ihn dir abkaufe, müssen wir ihm dringend etwas anderes anziehen."
Humph schrie auf: "Was?"
Rina wurde rot und meinte: "Äh, Roxy....er ARBEITET mit mir zusammen. Er gehört mir nicht."
Roxy zwinkerte der Wächterin kurz zu und sagte dann: "Ich verstehe schon, Er ist so gut, dass du ihn nicht hergeben möchtest. Eigentlich schade, ich finde ihn ganz nett und hätte sicher viel Spaß mit ihm gehabt Was führt dich aber dann zu mir? Brauchst du wieder mal ein neues Kleid?"
Rina beachtete Humphs wütende Einwürfe nicht, sondern antwortete: "Ein Kleid wäre ganz nett. Doch ich suche jemanden, der dunkelrote Umhänge näht. Wir bearbeiten einen Fall, in dem die Tatverdächtigen solche Umhänge tragen."
"Meinst du ein eher dunkles Hellrot oder doch vielleicht eher eine Spur von Oberschin? Ich hätte da auch noch einen Hauch von Mystque. Ist eine ganz neue Rotkombination. Schau dir diesen Stoff einmal an."

Humph stand daneben, während Rina sich von diesem "Mann" verschiedene Stoffe zeigen ließ. Sein Kobold machte gerade wieder einmal äußerst unsinnige Witze über Männer, die Männer bevorzugte, als Humph einen einsamen, dunkelroten Umhang in einer Ecke hängen sah. Er fragte: "Wem gehört denn dieser Umhang?"
Der Schneider sah sich kurz um und antwortete: "Ich habe 26 Umhänge für eine Feier anfertigen müssen. Leider haben die Herrschaften dann doch nur fünfundzwanzig benötigt und ich bin auf einem sitzen geblieben. Dabei war das doch so ein teuerer Stoff.... einfach furchtbar."
Rina überlegte kurz und fragte dann: "Wer hat sie denn bestellt?"
"Ein Herr Astarius. Er meinte, er bräuchte die Umhänge für seine Weltuntergangsfeier."
Humph und Rina meinten gleichzeitig: "Weltuntergangsfeier?"
"Ja, Rina, du weißt doch, wie diese Leute hin und wieder sind. Die feiern einfach alles."
Der Kobold in Humphs Kopf erklärte: "Der ist noch verrückter als du."
Humph zischte zurück: "Ich bin überhaupt nicht verrückt. Nur mit dir gestraft."
"Jetzt wirst du beleidigend."
"Ich doch nicht, du bist das doch immer."

Rina hörte, dass Humph schon wieder mit seinem Kobold stritt und versuchte, Roxys Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie fragte: "Wärst du so lieb, mir den Umhang zu verkaufen? Ich denke ich habe ein Kleid, das farblich optimal dazu passt."
Der Schneider sah die Wächterin begeistert an und erwiderte: "Auf jeden Fall. Ich setz ihn dir einfach auf die Rechnung."
Die Rekrutin lächelte und erklärte: "Danke. Kannst du mir auch noch verraten, wo dieser Herr Astarius wohnt?"
Roxy beugte sich zu Rina hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die Wächterin lächelte, griff nach dem Umhang, bedankte sich bei dem Schneider und rief Humph zu: "Komm mit. Wir sind hier fertig."
Roxy winkte den beiden zu und erklärte: "Auf Wiedersehen, ihr zwei! Und Rina, falls du doch noch einmal anders entscheidest wegen ihm .....du weißt, wo ich zu finden bin."

Als Rina und Humph wieder auf der Strasse standen, schimpfte Humph: "Gib zu. Du hast gewusst, dass so etwas passiert."
"Ja, aber Roxy war der einzige, der uns helfen konnte. Reg dich nicht so auf. Schließlich ist ja nichts passiert."
"Er wollte mich kaufen."
"Hat er aber nicht."
"Was hat er jetzt eigentlich gesagt?"
"Er hat mir eine Adresse gegeben."

"Nun, ich konnte Roxy bisher immer vertrauen."
Sei standen vor einem äußerst baufälligen Haus, falls das überhaupt noch das Prädikat "Haus" verdiente.
"Ich finde nicht, daß das hier bewohnt aussieht."
"Naja, wir werden ja sehen.", erwiderte Rina und ging zur Tür. Kaum hatte sie angeklopft, fiel die Tür auch schon aus den Angeln und zeigte somit das Innere des Hauses. Es war leer. Leerer als leer. Nicht einmal die obligatorischen Spinnweben oder Rattenlöcher in den Wänden waren zu sehen. Sah das Haus außen noch vollkommen dreckig und zerstört aus, bestand der Raum aus völlig glatten und vor allem leeren Wänden. Kein Fenster, keine Leuchter; und trotzdem war der Raum in ein schwaches Licht getaucht.
"Woher kommt das Licht hier?"
"Gute Frage. Es scheint als würde es direkt von den Wänden kommen, nicht?", Humph blickte Rina an.
"Du meinst, die Wände sind mit irgendetwas bestrichen, das leuchtet?"
"Auto-Lumieneszinz, ja."
"Auto-was?"
"Das heißt "Selbst-leuchtend". Ich habe das irgendwann mal in einem von Ecas Bücher gelesen. Das mach ich hie und da, wenn in mir Langeweile aufkommt und Eca grad nicht da ist. Sie würde mich töten, wenn sie das wüßte."
"Verstehe. Und wozu?"
"Hm, vielleicht wollte jemand irgendjemand anderen beeindrucken?"
"Das klingt sogar einleuchtend!", Rina lächelte.
"Was heißt hier sogar?"
"Ach nichts. Wie gefiel dir mein Wortspiel?"
"Fantastisch, wenn es nicht gerade meine Intelligenz beleidigt hätte."
"Da gibt es nichts zu beleidigen."
"Ach ja? Zuerst schleppst du mich zu einem Was-weiß-ich-was-das-war und dann wirst du auch noch frech!", Humph blickte sie drohend an.
"Ähm, haben wir uns nicht auf etwas geeinigt."
"Grmpf, du hast angefangen."
"Süß, wie die kleinen Kinder.", der Kobold schaltete sich kurz mal ein.
"Schnauze!", kam es aus Humphs Mund.
Rina zog eine Augenbraue hoch, beließ es aber dabei und suchte nun die Wände ab.
"Verdammt, ich will nicht schon wieder in die Alchemistengilde. Dort bin ich mittlerweile Dauergast.", fluchte sie.
"Nun, wir müssen nicht unbedingt zur Alchemistengilde. Ich glaube sowieso nicht, daß er es von dort hat, wer immer er auch ist."
"Sollen wir etwas abkratzen und zu Lady Rattenklein bringen?"
"Nein, nicht notwendig, ich kenne das Zeugs und es gibt hier nur einen Laden, wo man es bekommt."
"Bitte, du weißt, wo es sowas gibt?"
"Ja", Humph lächelte, "Sieht aus, als würdest du diesmal mit mir zu nem Geschäft gehen müssen."

Humph öffnete die Tür und ging die Treppen hinunter, dicht gefolgt von Rina. Es war ein kleines, dunkles Geschäft, das anscheinend im Keller untergebracht war. Der Raum war klein und für Rina sah es aus, als wäre lauter Ramsch dort untergebracht. Sie blickte sich um und entdeckte eine junge Frau die auf einem Stuhl hockte und sich mittels eines Vergrößerungsdämons an einem kleinen Kasten werkelte. Sie hatte einen hautengen Anzug mit Hosenträgern an (Rina hatte gehört, daß dies eine neumodische Kleidung namens Latzhose war) und darunter nur ein knappes schwarzes Hemd. Der Anzug war anscheinend aus diesem glänzenden Material gemacht, daß sich direkt an den Körper anschmiegte (oder -klebte, kommt drauf an wie man es sieht). Ihr Gesicht schien voll Metall zu sein. Ein Stückchen über dem Auge, eines in der Nase und eines unter dem Mund. Und wenn man an ihr entlang blickte schien dies nicht unterhalb des Kopfes aufzuhören, da verräterische Beulchen sich im Anzug zeigten. Rina hatte von diesen neumodischen "Peersiengs" gehört und schauderte bei dem Gedanken, wie diese Metallstücke durch die Haut gestochen wurden. Außerdem hatte das junge Mädchen ein Halsband mit Stacheln um. Humph bewegte sich langsam zu ihr hin, umschlang dann ihre Taille, gab ihr einen Kuss auf die Wange und sagte: "Hallo, meine Liebe. Schön dich mal wieder zu sehen."
Sie drehte sich lächelnd um und - noch bevor er etwas weiteres sagen konnte - küsste sie ihn innig. "Was glaubst du, wie ich mich freue!", sagte sie und lächelte.
"Ääähm...."
"Könnten wir uns bitte wieder darauf konzentrieren, warum wir hierher gekommen sind?", fragte Rina genervt. Sie hatte die Szenerie mit hochgezogener Augenbraue verfolgt und dann die Augen verdreht, um nicht alles mitzubekommen. Währenddessen hatte sie sich gefragt, warum sich dieses Weib so schrecklich anzog.
Die junge Frau blickte zu ihr rüber und meinte: "Wo hast du denn diese Schreckschraube aufgegabelt, Humphie?"
"SCHRECKSCHRAUBE!!!"
"Äh, ruhig ihr beiden. Das ist meine Kollegin Rina Lanfear, wir beide ermitteln in einer bestimmten Sache. Rina, das ist Johanna Offenherz, ihres Zeichens Werwölfin und Besitzerin dieses Ladens."
Rina nickte beleidigt und kam wieder auf den Punkt: "Also, was ist jetzt mit dem Zeugs?"
"Ahja, Joschi, du verkaufst doch diese Farbe die von selbst leuchtet, richtig?"
"Du meinst Leuchtmoos-Weiß? Ja, hab ich im Sortiment."
"Gut, hast du in letzter Zeit eine größere Menge davon verkauft?"
"Jetzt, wo du danach fragst kann ich mich an einen etwas größeren Auftrag erinnern. Da war so ein zwielichtiger Bursche da und wollte das unbedingt haben."
"Ein Herr Astarius?", fragte Rina.
"Wie? Nein, der Herr hieß nicht Astarius, aber er murmelte etwas von ´Astarius Traum´."
"Kannst du uns nicht mehr darüber sagen, Joschi?"
Sie lächelte Humph an: "Du weißt ja, ich erfahre immer etwas mehr über meine Kunden, wenn mir etwas komisch vorkommt. Also ja, ich habe einige Erkundigungen eingezogen. Der Mann, er heißt übrigens Rael Silberstern, ist einer der Gründer der neuen Gegensekte dieser dummen Sekte, die sich bei uns ja wie Feuer ausbreitet. Diese Sekte nennt sich ´Astarius Traum´ und wie der Name schon sagt, wurde sie von einem Astarius ins Leben gerufen. Dieser hatte vor kurzem einen Traum. Dabei sah er ein Kind in einem Raum hängen, der anscheinend von selbst leuchtete. Außerdem vermeinte er dabei eine hohe Stimme zu hören, die von Weltuntergang sprach. Der Mann ist nicht ganz dich und will jetzt unbedingt den Weltuntergang herbeiführen. Da ich darin keine wirkliche Gefahr sah, hab ich ihnen das Zeug dann auch verkauft."
"Sie wollen das Kind HÄNGEN?", Rina war schockiert.
"Welches Kind?"
"Ein Kind wurde entführt, Joschi. Aus dem Grund sind wir auch in diesem Fall unterwegs."
"Oh, ich versteh, verdammt, daran hab ich nicht gedacht."
"Schon gut, wir tun alles, daß gerade das nicht passiert."
"Viel Glück, Humphie.", sagte Joschi, als sie gingen, "Und komm ruhig etwas öfter! Aber nimm bitte nicht wieder diese Schnepfe mit, sei so lieb!"
"SCHNEPFE???", Rina lief hochrot an.
"Scht, geh einfach weiter und laß es, Rina!", flüsterte Humph ihr zu.

"Wo zum Teufel hast du diese Wahnsinnige kennengelernt!"
"In der Bahre, da kommen und gehen Wahnsinnige, das solltest du wissen.", Humph lächelte Rina an, "Sie war bei diesem Konzert da. Nachdem ich sie davon überzeugen konnte, daß man draussen besser als in diesem Lärm reden kann, haben wir uns dann neben der Bahre etwas Bier genehmigt. Igor war sogar so nett und bewirtete uns draussen. Er wollte auch mal aus dem Lärm hinaus."
"Und da seid ihr euch näher gekommen?"
"Bitte? Ich weiß zwar nicht, was dich das angehen könnte, aber sie und ich haben nur eine kleine Übereinkunft über gewisse Dinge und sind vor allem gut befreundet."
"Ach, und Freunde küssen sich einfach so?"
"Na, das gehört zur Übereinkunft, aber wie gesagt, das geht dich nichts an."
"Ahja, und woher weiß sie soviel. Sie ist viel zu jung für so etwas."
"Sie ist genau so alt wie wir und Werwölfin. Viele Informationen holt sie sich selbst, indem sie durch die Gegend streicht, andere von Informanten. Die braucht sie in ihrer Braunsche."
"Welche Braunsche ist das eigentlich genau?"
"Sie handelt mit verschiedenen Sachen. Hast du ja gesehen."
"Auch mit gestohlenen?"
"Was? Nein! Naja, nicht immer, nur manchmal."
"Irgendwie die falsche Seite im Gesetz, nicht?"
"Das mußt gerade du sagen, Miss Ich-renne-auf-Dächern-und-stehle-aus-Spaß!"
"Schon gut, schon gut, nicht so laut! Ich kann solche Dinge geheimhalten."
Sie waren bereits auf den Weg zurück zu dem Haus, als Humph meinte: "Sag mal, wieviele Umhänge hat der Typ noch mal verkauft?"
"25, wieso?"
"Hör mal, wir sind zu zweit. Wenn wir jetzt dort warten, daß 25 Leute einen Jungen aufhängen wollen, wie wollen wir die dann aufhalten. Glaubst du, die werden einfach auf uns hören, wenn wir unsere Abzeichen herumfuchteln und ´Halt in Namen der Wache und des Patriziers´ rufen?"
"Hm, verdammt, da hast du recht, was machen wir? Die gesamte Wache ist wegen der anderen Sekte beschäftigt."
"Das ist mir bewußt. Aber trotz allem dürfte das Probleme machen."
"Tja, ich kann mich durch den Umhang bei ihnen einschleusen, aber wie wir dann das Kind retten ist eine andere Frage."
"Ich hab da eine Idee, aber das ist gefährlich für dich. Aber du bist das ja gewöhnt, nicht?"
"Was für eine Idee?"
"Schleuse dich bei ihnen ein und versuch das mit dem Kind hinauszuzögern. Ich hol Verstärkung, zwar keine von der Wache, aber immerhin besser als gar nichts. Vertrau mir!"
Rina seufzte: "Wenn ich sterbe, komm ich wieder und töte dich, das weißt du hoffentlich!"
"Wenn du stirbst, verbrenne ich deine Sachen und deinen Leichnam, da kannst du höchstens als Geist wiederkommen und dagegen hab ich sowas wie eine natürliche Resistenz." Er klopfte auf seinen Kopf und lächelte sie an. Dann rannte er in eine andere Richtung und war nach kurzer Zeit verschwunden.

Rina hatte sich den Umhang umgeworfen und hatte nicht lange warten müssen, bis die Mitglieder der Sekte zu dem Haus gepilgert waren. Kurze Zeit später waren - mit ihr gezählt - 26 Leute in dem baufälligen Haus versammelt. Der Anführer war leicht zu erkennen gewesen Er hatte einen goldenen Mistelkranz auf dem Kopf und lächelte wie ein König durch die Gegend. Sie sah sich um. Der Raum hatte sich nur wenig verändert. Das einzige das anders war, war das Seil das nun in der Mitte des Saals hing und eine Schlaufe am Ende aufwies. Und die Tür war erneuert worden. Allerdings gab es keine Anzeichen wo das Kind sein könnte.
Das Fest war nun schon etwas länger gelaufen, als plötzlich die Tür sich öffnete. Es traten drei Leute mit schwarzen Kutten und darüber wieder rote Umhänge ein. Also waren schon mehrere rote Umhänge gekauft worden. Sie trugen einen kleinen ruhigen Jungen, auf dem die Beschreibung ganz gut passte. Jetzt fingen die Leute einen Sing-Sang an und da ihr nichts besseres einfiel, stimmte sie mit ein. Geschockt sah sie zu, wie der Junge zu dem Strick gebracht wurde und dieser ihm langsam um den Hals gelegt wurde.
Einer der Schwarzkutten schien sich zu distanzieren und nur zuzusehen, während die anderen Beiden das "Gottesurteil", wie es der Sing-Sang nannte, vollzogen.
"NEIN!", schrie sie und stürzte in die Mitte des Raumes. Der Strick war schon um den Hals des Jungen und der Stuhl, auf dem er gestanden hatte, wurde eben weggekickt. Rina sprang hoch, hängte sich an dem Seil und nahm den Jungen in einen Arm, um ihn hochzuziehen. So erhoffte sie sich, daß er in ihrem Arm hing, den sie um seinen Körper geschlungen hatte und nicht an dem Seil um seinen Hals. Es schien zu auch zu funktionieren, aber die beiden Schwarzkutten waren schon dabei, sie wegzuziehen. Plötzlich wurde ihr ein silberner Stern gewahr, der über sie flog und das Seil zertrennte. Sie konnte sich gerade noch so drehen, daß der Junge auf sie fiel. Dann hörte sie einen Schrei: "Joschi! Jetzt!" und schon brach die Tür auf und mehrere Wölfe füllten den Raum. Durch das allgemeine Geknurre hörte man nur einen Schrei, der von einem der Schwarzkutten kam.

"Hallo, Rina. Ich bin noch rechtzeitig gekommen, scheint´s.", Humph lächelte sie an. Er hatte eine schwarze Kutte und einen roten Umhang an.
"DU!", schrie sie ihn an, "Du warst also der dritte! Du hättest mich ruhig vorwarnen können!"
"Das war nicht möglich, das hätten sie bemerkt.", er wandte sich an die Schwarzkutten, "So, meine Herren, keine falschen Bewegungen! Die Wölfe wissen, wo eure Kehlen sind und haben schon etwas Übung mit dem Beissen!"
Die Leute im Raum standen wie Statuen da und blickten ängstlich auf die Wölfe.
"Gut, also, schreiten wir zur feierlichen Enthüllung!" Humph schritt zu der ersten Schwarzkutte und riß ihn die Kapuze hinunter. Der alte Mann, der ihnen den Auftrag gegeben hatte, war darunter zu sehen. "Sieh an, und der zweite?" Der zweite erwies sich als seine Heiligkeit selbst, Ronnie L. Hab-Art.
"Nett, seine Scheinheiligkeit hat sich also entschlossen uns auch beizuwohnen, sieh mal Rina!"
"Langsam wird's kompliziert", meinte diese nur.
"Naja, ich ahne da schon etwas. Aber lassen wir das, wir erfahren es schon von ihnen. Sie sind alle verhaftet, die Wölfe werden euch zur Wache begleiten, also nicht glauben, daß ihr einfach gehen könnt."

Rina und Humph standen nun vor allen Abteilungsleitern, deren Stellvertretern und sogar dem Patrizier, dem die Sache sowieso sehr gegen den Strich gegangen war. Er mochte es nicht, wenn seine Stadt nicht so funktionierte, wie er es wollte. Aber er hatte sowieso dafür gesorgt, daß das endete. Er wollte nur noch den offiziellen Bericht der beiden Rekruten hören, die das bewerkstelligt hatten. Dementsprechend nervös waren die beiden auch.
"Also", fing Humph an, "Ronnie L. Hab-Art hatte diese Idee, wie er erstens viel Geld scheffeln könnte und zweitens nebenbei gleich die Stadt übernehmen zu können."
"Er gründete die Sekte um den Erlöser und weihte nur den alten Mann ein, ein ehemaliger Lehrer von ihm, als er noch ein einfacher Dieb gewesen war. Der Erlöser war schnell gefunden, da der alte Mann einen Enkel alleine aufzog, dessen Eltern bei einem Feuer umgekommen waren. Die Idee war, die Wache zu dis... diskre.. ähm, schlecht zu machen, um einmal diese auszuschalten und ihr viel Arbeit zu machen mit Wahnsinnigen, die die Stadt ins Chaos führen."
"Da aber noch viel zu viele Leute die Wache zumindest als nicht ganz unfähig hielten, kam den Beiden noch ein Plan. Sie kontaktieren einen Schwindler, der schon öfters Visionen vorgetäuscht hatte und erklärten ihm einen neuen Plan. Die zweite Sekte war geboren. Sie ließen das Kind entführen und versuchten es zu töten. So konnten sie gleichzeitig die Wache als unfähig erklären, indem sie uns den Auftrag gaben - den wir natürlich nicht meistern sollten - und hatten einen Mertürrer. Die Menschen hätten nach
Hab-Art gerufen, weil er sie vor der drohenden Weltuntergang retten sollte, wozu laut ihm nur er fähig hätte sein können."
Die Abteilungsleiter blickten die Beiden ungläubig an, während Lord Vetinari lächelte und anfing zum Klatschen.
"Gut, sehr gut! Das deckt sich völlig mit den Berichten die ich bekommen habe. Eure Leute werden besser! Herzlichen Glückwunsch an die gesamte Wache!" Die Abteilungsleiter murmelten aufgeregt, applaudierten dann auch kurz und sahen Vetinari nach, als dieser ging. Kommandeur Rince stand auf und meinte: "Gute Arbeit, Rekruten! Aus euch wird sicher mal was!" Hoff ich zumindest, dachte er nebenbei. "Ihr könnt alle wegtreten."
"Was machen wir jetzt? Wollen wir ausnahmsweise mal miteinander feiern?", fragte Rina.
"Ja, okay, wir treffen uns in einer Stunde in der Bahre. Ich muß mich nur noch kurz bei jemanden bedanken."
"Verstehe. Dank ihr auch von mir, wir sehen uns dann."

Lord Vetinari betrat das kleine Geschäft durch eine Wand (okay, da war ne kleine Tür drin, aber man sieht das nicht) und sah das Mädchen wieder einmal über etwas arbeiten. "Gut gemacht, Johanna!"
Sie blickte sich um und lächelte: "Danke, Eure Lordschaft, ich helfe euch gern."
"Schön, daß du dir Freunde in der Wache gefunden hast, das macht vieles leichter."
"Oh, ich hoffe nur, ihr glaubt nicht, daß ich nur deswegen den Kontakt mit ihm aufrecht erhalte."
"Nicht doch. Du scheinst ihn ja wirklich zu mögen."
"Ja, anscheinend", sie lächelte warm.
"Gut, weiter so, Johanna. Ich werde mich wieder melden, wenn nötig."
"Ja, Sir." Der Patrizier verließ den Raum wieder durch die Wand durch die er gekommen war und Johanna Offenherz widmete sich wieder ihrer Arbeit, als sie plötzlich ein Grummeln hinter sich hörte.
"Humphie! Schön, daß du da bist!"
"Ich hab irgendwie geahnt, daß du irgendetwas mit ihm zu tun hast."
"Äh, Humphie, nicht böse sein. Das ist nur ne Gelegenheitsarbeit. Ich hoffe du weißt, daß..."
"Das es geheim bleiben muß. Sicher, Joschi! Ich hab ja auch Geheimnisse.", er lächelte sie an.
"Eigentlich meinte ich, daß ich dich sehr mag."
"Das weiß ich auch.", er küsste sie kurz, "Aber darüber können wir noch später diskutieren. Ich geh jetzt in die Bahre. Danke, daß du uns geholfen hast und wir sehen uns schon noch. Ich wünsch dir noch einen schönen Tag." Er verschwand über die Treppe durch die Tür. Johanna lächelte kurz, überlegte was er mit diskutieren gemeint hatte und machte sich dann wieder an ihre Arbeit.


ENDE



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