Bisher hat keiner bewertet.
Angie und Ecatherina stürzen sich in ein mystisches Abenteuer ...
Dafür vergebene Note: 14
*** Angie LeFay ***
"Es gibt Geschichten über Menschen, über Tiere, über Reisen, über Ereignisse, über Abenteuer, über Lügen, über Wahrheit, über Familien, über alles mögliche. Mich nennt man Geschichtenerzähler und das nicht unbegründet. Ich habe schon viele Geschichten erzählt, doch heute will ich von einer ganz besonderen berichten. Warum sie so besonders ist? Weil es eine wahre Geschichte ist und erst vor kurzem geschehen. Wollt ihr sie wirklich hören? Ja? Okay dann beginn ich mal zu erzählen: ..."
Dies ist eine Geschichte über Flügel, allerdings nicht über irgendwelche Flügel, sondern es handelt sich um ganz besondere Flügel. In erster Linie ist dies aber eine Geschichte über zwei junge Frauen, die verschiedener kaum sein könnten, sich aber gemeinsam auf die Suche nach Identität machten.
Auf der Sonnenseite: Angie LeFay, ein lebensfroher Mensch, der es liebt im Mittelpunkt zu stehen, der Wesen jeder Art in seinen Bann zieht. Ein Mensch, der die Sonne liebt und der es schafft in allem und jedem das Positive zu erkennen (diese Eigenschaft könnte eventuell auch mit der unbegrenzten Naivität Angies zusammenhängen). Angie leidet an einer Krankheit, chronische Tollpatschigkeit genannt, die ihr das Leben nicht immer leicht macht.
Auf der anderen, der sogenannten Schattenseite: Ecatherina Erschreckja, ebenfalls ein Mensch, einer jener Menschen, die die Nacht lieben, die sich unentdeckt, vorsichtig und graziös in den Schatten bewegen, jene Menschen, die man kaum wahrnimmt und die der Sonne aus dem Weg gehen. Ecatherina versucht jede Art von Gesellschaft möglichst zu meiden und verbringt ihre Abende lieber hinter einem guten Buch anstatt sich tanzend und grölend in diversen Lokalitäten aufzuhalten - kurz gesagt, sie ist eine introvertierte Intellektuelle. Auch Ecatherina leidet an einer Krankheit, welche im Volksmund chronische Schüchternheit genannt wird.
Doch was ist es, was diese beiden Frauen oder eigentlich noch Mädchen miteinander verbindet? Ihr gemeinsamer Job bei der Wache? Die gemeinsame Wurzellosigkeit? Ihr Drang nach Freiheit und Selbständigkeit? Wir werden sehen.
Bevor wir mit unserer eigentlichen Geschichte beginnen wollen, lassen wir unsere Gedanken einige Tage in die Vergangenheit schweifen und erinnern uns an ein Bild vor unseren Augen, ein Bild welches nicht nur ein Bild, sondern vielmehr ein kurzer Auszug einer möglichen Realität ist. Wir sehen bzw. sahen die Kröselstraße; es war früher Nachmittag und die Stadt erwachte gerade aus ihrer kollektiven Siesta. Die Strasse war entzwei geteilt, wobei die eine Seite von prallem Sonnenlicht überflutet wurde und die andere sich im Schatten der Häuser ausruhte, dazwischen ein schmaler Streifen, eine Kontur, die den Kontrast zwischen Licht und Schatten verstärkte. Unser Bewusstsein konzentrierte sich auf jene Gestalt die gerade lustig und munter (mit ihren Flügel wackelnd) die Strasse hinunterspazierte, jene Gestalt wurde bzw. wird auch noch Angie LeFay genannt. Da wir in diesem Moment genaue Beobachter waren konnten wir feststellen, dass jenes etwas, dass neben Angie einige Zentimeter über den Boden zu schweben schien, eine riesige Reisetasche war, an deren Tragegriff sich Angie festhielt, bzw. Angie die Tasche festhielt. Da wir wissen bzw. wussten dass eine Tasche nicht so einfach über dem Boden schwebt, suchten wir nach weiteren Anhaltspunkten. Beim genaueren Betrachten der Schattenseite konnten wir feststellen, dass sich auf der anderen Seite der Tasche, nämlich jener die sich im Schattenbereich befand, jemand fortbewegte, der genauso wie Angie einen Griff der Tasche festhielt. Jene Person war bzw. ist noch immer
Ecatherina Erschreckja.
Hätten wir zu diesem Zeitpunkt Röntgenaugen besessen und hätten wir unseren Blick in das Innere des Wachhauses gleiten lassen, hätten wir gesehen, wie ein paar verdutzte Wächter und ein noch verdutzterer Ausbilder mit offenen Mund starr im Aufenthaltsraum standen und sich fragten: "Was war das jetzt?" oder "Wieso die beiden?" oder "Was wird da wohl noch rauskommen?" Aber da Gedanken ja eine sehr persönliche Sache sind, hätten wir wohl schon mehr als einen Röntgenblick benötigt um genau dahinter zukommen.
Lassen wir unsere Gedanken wieder in die Gegenwart unserer Geschichte gleiten und konzentrieren wir uns auf das Wesentliche:
Es war tiefe Nacht in Ankh Morpork. Ecatherina Erschreckja saß in ihrer kleinen Ecke in Angies Schlafzimmer. Sie ließ ihre Gedanken Revue passieren, zu dem Ereignis heute Nachmittag, dass Angie fast dazu veranlasste, Ecatherina vor Aufregung um den Hals zu fallen. Sie konnte sich gerade noch vor dieser ungewollten Umarmung retten. Sie war Angie zwar dankbar, dass sie für jene Zeit in der Frau Kuchen Renovierungsarbeiten an ihrem Haus vornehmen ließ, bei ihr unterkommen konnte und Angie war auch so nett, einen Teil ihrer bunten Wohnung mit schwarzen Tüchern für Ecatherina abzugrenzen, doch eine Umarmung, das wäre wohl etwas zu viel Nähe gewesen. Obwohl die Kollegen bereits am Tage der Übersiedlung Wetten abgeschlossen hatten, wie lang die beiden es wohl miteinander aushalten würden (und hier sollte dazugesagt werden, dass alle weit da runterlagen) schien das Zusammenleben hervorragend zu funktionieren. Angie respektierte die Privatsphäre von Ecatherina und umgekehrt. Ecatherina dachte darüber nach dass sie gestern das erste mal ohne Einladung aus ihrem Eck hervortrat und das Gespräch mit Angie suchte. Angie hatte ihr erzählt, dass sie oft gar nicht mitbekomme wie Ecatherina ginge oder komme, aber dass sie mittlerweile spüre, ob sie anwesend war oder nicht. Irgendwie war es unheimlich, Ecatherina hatte noch nie zusammen mit jemanden leben müssen und sie hatte es sich viel schlimmer vorgestellt. Als Angie sie einlud bei sich zu leben, wollte sie aus Höflichkeit nicht abschlagen, außerdem wusste sie nicht, wohin sonst. Sie plante, noch in der Nacht zu verschwinden und sich irgendeine Ausrede zu suchen. Da ihr keine einfiel blieb sie die Nacht und auch noch die nächste und mittlerweile hatte sie auch nicht mehr das Bedürfnis zu verschwinden. Na ja, heute hatte sie doch kurz einen Drang zu verschwinden, als Angie mit jenem Brief in der Wohnung auftauchte und Ecatherina knuddeln wollte. Aber sie würde dies sicherlich so schnell nicht wieder versuchen, nachdem sie bei diesem einmaligen Versuch mit ihrem Kopf das Fenster einschlug. Dafür konnte Ecatherina aber wirklich nichts. Angie wusste wie scheu sie war und musste damit rechnen, dass sie rechtzeitig entwischte. Aber wie dem auch sei, Angie hatte jeden Grund zur Freude, denn sie erhielt einen Brief von einem Unbekannten, der einen Hinweis zu ihrer Herkunft* bzw. zu der Herkunft ihrer Flügel** hatte.
* Angie wuchs als Findelkind bei einer Bauernfamilie auf, und bisher gab es keinen Hinweis, woher sie stammen könnte
** Jedem Neumond wachsen Angie zwei kleine Flügel am Rücken, die sie die Periode des zunehmenden Mondes über trägt. Diese Flügel sind nicht geeignet um sich in Lüft zu begeben, sondern dürften dem einzigen Zweck frönen, die Kleiderauswahl zu erschweren
*** Ecatherina Erschreckja ***
Ecatherina war gerade noch nur mit dem Schrecken davon gekommen. Noch nie zuvor hatte jemand versucht Ecatherina zu umarmen und sie hatte auch nicht vor, das jemals zuzulassen. Das mit dem Fenster tat ihr leid, sie hatte vor, sich dafür zu entschuldigen bzw. für den Schaden aufzukommen, wenn sie mal nicht so knapp bei Kasse war; immerhin war Angie schon fast so etwas wie ne Freundin. Aber als sie da vor sich hin saßen, kam sie gar nicht zum Reden, Angie lies ihr einfach keine Gelegenheit dafür, weil sie so aufgeregt war und nur noch von dem Brief und ihrer möglichen Herkunft fantasierte und Ecatherina hatte auch nix dagegen zu schweigen und nur hin und wieder ein "mhm" oder ein "wirklich" von sich zu geben. Sie hatte auch nichts dagegen zuzuhören. Es war zwar nichts gegen ein gutes Buch, aber man konnte wenigstens seine Augen ein wenig schonen und man erfuhr etwas neues, dass noch nicht in einem Buch stand. Nach einer Zeit verstummte Angie aber und fiel in eine Art "Nachdenkundschwärmtrance" und Ecatherina nahm ihr den Brief aus der Hand, um ihn einmal genauer zu inspizieren und fand in der unteren linken Ecke ein Zeichen.
"He, Angie, das Wappen kenn ich, das stammt aus Lancre."
"Ähm, was hast du gesagt?"
"Obwohl, ich bin mir nicht ganz sicher; hm, warte hier, ich komme gleich wieder."
"Von was redest du und wo gehst du hin?"
"In die Bibliothek."
"In welche Bibliothek denn?", fragte Angie verwundert.
"Na in die der Unsichtbaren Universität natürlich, es gibt keine bessere."
"Was?"
Ecatherina blieb plötzlich stehen und drehte sich verlegen um.
"Ähm, na ja, weißt du, die Bücher im Waisenhaus werden ziemlich schnell fad, wenn man sie zum dreißigstenmal durchliest und da ich vierzehn Jahre lang * nichts anderes zu tun hatte als zu Lesen musste ich ja nach Nachschub Ausschau halten und na ja, da bin ich halt auf die Universität gestoßen. Weißt du, es ist gar nicht schwer da rein zu kommen, man muss nur warten, bis die Novizen, die abgehaut sind, wieder zurückkommen und ihnen dann möglichst unbemerkt folgen; und da in der Bibliothek sowieso fast nie wer ist, kann man sich dort solange vergnügen wie man will; na ja, man muss halt auf den Bibliothekar aufpassen, der ist ziemlich gewitzt und der kennt fast alle Bücher die dort stehen. Ja, deswegen hat er mich einmal erwischt, aber da er ja Bücher so sehr liebt wie ich, haben wir eine stumme Übereinkunft, er lässt mich alle Bücher lesen die ich will, außer die gefährlichen natürlich, und ich schreib ihm hin und wieder ein paar Bücher. Aber das muss unter uns bleiben, verstehst du, es ist nämlich verboten in die Universität einzudringen, und ich hab keine Lust, mich mit den Magiern anzulegen."
"Wow, kann ich mitkommen?", Angie war von dem Redeschwall ziemlich fasziniert.
"Ähm, weißt du, einer allein ist zwar unauffällig, aber bei zweien könnte es dann schon Probleme geben.", sie sah auf Angies Hände, die sich gerade in den Vorhängen verfangen hatten und versuchten, sich wieder zu befreien.
"Ich bin aber gleich wieder da, ich weiß wo das Buch steht.", ohne auf eine Antwort zu warten verschwand sie in der Nacht.
Angie war bereits eingeschlafen als Ecatherina wieder auftauchte.
"Oh, hallo, du bist also wieder da?", nur mühsam konnte sie die Augen offen halten, noch dazu war es stockdunkel und Angie konnte überhaupt nichts sehen.
"Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken, ich war gerade dabei, die Geschichte von Lancre zu lesen, um zu erfahren, ob es schon mal Leute mit Flügeln gegeben hat."
"*gähn* Seit wann bist du denn wieder da?"
"Ach, so seit ca. zwei Stunden oder so. Der Bibliothekar wollte mir das Buch einfach nicht borgen. Ich hab versucht ihn davon zu überzeugen, dass ich es länger brauchen würde doch er war erst dann endlich einverstanden, als ich ihm die Wächtermarke zeigte. Er trennt sich nicht gern von seinen Büchern, weißt du."
"Und, hast du etwas gefunden?", schon langsam wurde sie wieder wach.
"Nein, leider. Keine Spur. Schaut so aus, als ob du selbst dahin reisen müsstest, wenn du was erfahren willst. Wenn wir Glück haben, treffen wir dort auch deinen anonymen Briefschreiber."
"Wir?", Angie fuhr auf einmal kerzengerade im Bett auf.
"Na ja, da du mir ja schon öfters geholfen hast und mich davor bewahrt hast die Wache zu verlassen, dacht ich mir, dass ich jetzt einmal dran wäre mit helfen.", Ecatherina lächelte freundlich, doch dass konnte wohl niemand sehen.
Angie wollte aufstehen und Ecatherina umarmen oder wenigstens freundschaftlich die Hand schütteln, stolperte aber im Dunkel über ein Tischbein.
"Warte ich helfe dir. Leg dich nur ruhig wieder schlafen, ich schau, ob ich was organisieren kann, denn reich sind wir ja wohl beide nicht.", Ecatherina wartete bis Angie sich schlafen legte (um helfen zu können, sollte sie nochmals irgendwo anrennen oder mit sonst etwas kollidieren) und machte sich dann auf, um in der Bahre ** eine zwielichtige Gestalt zu treffen.
Sie saß alleine, so wie sonst natürlich auch, auf einem kleinen Tisch in der Ecke, dort wo noch weniger Licht war als sonst im Raum (Igor hatte ihn extra für sie vor ein paar Jahren aufgestellt). Früher konnte sie nur mit Sachen bezahlen, die sie irgendwo fand oder finden wollte, jetzt, da sie der Wache angehörte, war sie erstens daran gebunden nichts mehr finden zu wollen und zweitens ihren Sold für Unterkunft und die Bewirtung in der Bahre auszugeben (und meistens reichte dieser überhaupt nicht aus). Doch aus der Zeit vor der Wache kannte sie noch ein paar Gäste die für ihr "Gefundenes" ziemlich gut bezahlten und sie versuchte nun, wieder auf diesem Weg der "Nicht-Ganz-Ehrlichkeit" eine Reisemöglichkeit nach Lancre zu bekommen. Nach kurzer Zeit, so wie fast geplant, kam ein Mann mit langem Umhang und verhülltem Gesicht herein und nahm in der gegenüberliegenden Ecke Platz. Als er sein Straßengewand ablegte und etwas zu trinken bestellte, konnte man zwei kleine, weiße, spitze Zähne erkennen die im Kerzenschein funkelten.
Ecatherina ging den Schatten an der Wand entlang und setzte sich vorsichtig zu ihm. Man konnte sehn, wie die beiden ein kurzes, reges Gespräch führten, wobei Ecatherina diejenige war, die weitaus weniger redete und dann sah man, wie die beiden ihre Hände schüttelten und Ecatherina sich aufmachte wieder zu gehen.
Am frühen Morgen weckte Ecatherina Angie auf, um ihr die frohe Nachricht zu überbringen und noch rechtzeitig packen zu können.
"He, wach auf, ich hab einen Weg gefunden, wie wir günstig und ziemlich bald nach Lancre kommen."
"Was, wirklich?", diesmal brauchte Angie nicht mehr so lange um munter zu werden.
"Ja, ich hab jemanden in der Bahre getroffen der heut Mittag Richtung Überwald fährt und er würde uns bis nach Lancre mitnehmen, auch wenn das für ihn einen kleinen Umweg bedeuten würde; dann hätten wir knappe drei Tage Zeit um unsere Erkundungen durchzuführen und dann würde er bzw. sein Fahrer uns wieder zurück nach Ankh-Morpork bringen. Ach ja, und er reist in einem Sarg, d.h. in der Kutsche wird es erstens ziemlich dunkel sein und zweitens keine Sitzbank geben, aber das ist kein Problem, dafür könnten
wir auf dem Sarg sitzen."
"Das ist ja super!", Angie sprang aus dem Bett und tanzte ein wenig herum.
"Hm, ja, es gibt nur einen kleinen Hacken an der Sache.", Ecatherina wirkte ein wenig verlegen. "Na ja, aus Gegenleistung dafür müssten wir auf der Heimreise ein wenig Platte mitnehmen und es dann anschließend an Chrysopras weitergeben."
"Was?", Angie blieb schockiert stehen.
"Na ja, es wär ja nicht viel und wir könnten es mit ein wenig harmlosen Zeug mischen, dann würde es auch ein wenig an Wirkung verlieren. Er meinte, dass wir als Wächter nicht kontrolliert werden und deswegen wären wir gute Lieferanten. Es würde auch niemand davon erfahren. Ähm, ja, und das Problem dabei ist, dass ich schon zu gesagt habe."
"Ecatherina, wie konntest du nur!", Angie wirkte ein wenig enttäuscht.
"Ich wollte ja nur helfen.", sie scherte ein wenig mit dem Fuß am Boden. "Und überhaupt haben wir ja nicht viel Zeit. Ich war heut früh bei Gonzo und der hat gemeint, das wir nur höchstens zwei Wochen Urlaub kriegen, und so eine Kutschenfahrt bis Lancre dauert so ca. 5 Tage, und so kurzfristig lässt sich da ja nicht viel planen."
"Na gut, wenn du meinst *seufz*, ich geh kurz packen und mich frisch machen. Wir sehen uns dann am Treffpunkt."
Auf der Reise wurde anfangs nicht viel gesprochen, Angie war noch zu enttäuscht gewesen und Ecatherina schämte sich ein wenig deswegen. Deshalb tat sie dass, was sie immer tut, wenn sie alleine ist, sie las ihr Buch.
Doch nach einiger Zeit wurde es Angie dann doch zu blöd und sie fing wieder ein Gespräch an: "Was tun wir eigentlich, wenn wir in Lancre ankommen?"
Ecatherina sah von ihrem Buch auf, überlegte kurz und gab dann als Antwort: "Hm, wir könnten zu Frau Ogg gehen. Ihre Verwandtschaft bevölkert halb Lancre und sie ist eine Hexe, sie könnte uns vielleicht weiterhelfen."
"Eine echte Hexe?", die Fröhlichkeit in Angies Stimme kam wieder zurück.
"Ja, in Lancre gibt es 3 ½ oder so. Eine davon ist die jetzige Königin und wird nicht mehr ganz als Hexe anerkannt, wenn ich das hier richtig verstanden habe. Der König war ein Narr, der in Ankh-Morpork ausgebildet wurde, den könnten wir im Notfall auch fragen."
"Mhm, steht da sonst noch was Interessantes drin?"
"Zur Zeit noch nicht, wenn ich was finde, sag ich dir Bescheid."
Ecatherina las weiter und Angie versuchte wieder zu schlafen und zu träumen.
Beide waren ziemlich froh als sie endgültig wieder festen Boden unter den Füßen hatten und nichts mehr ratterte. Die Stadt oder besser gesagt das Dorf schien ziemlich verlassen zu dieser späten Stunde. Sie gingen das Dorf ab und fanden dann endlich das Haus der vermeintlichen Hexe, doch es war niemand zu Hause. Ein wenig enttäuscht beschlossen sie, die Schmiede zu besuchen und dort nachzufragen (immerhin war sich Ecatherina sicher, dass er irgendwie mit jener Frau verwandt sein musste, wenn sie mit der halben Bevölkerung verwandt sein soll und er gleich nebenan wohnte). Nach kurzen Klopfen erschien auch schon seine Frau an der Tür und erklärte den beiden, das Nanny höchstwahrscheinlich bei Frau Wetterwachs sei und sie am besten warten sollten bis sie zurückkäme. Sie setzten sich auf eine Bank in der Nähe des Hauses, die im Schatten stand, und Angie nahm wieder ihren Brief zur Hand. Noch immer grübelte sie darüber nach, was dieses Rätsel eigentlich zu bedeuten habe. Aber mit Sicherheit konnte man schon sagen, dass es mit Lancre zu tun hatte und vielleicht sogar mit Nanny (wie ihre Schwiegertochter sie nannte), immerhin kannte sie hier alle Leute und soll auch die hiesige Hebamme sein. Vielleicht hatte sie Angie sogar zur Welt gebracht, an die kleinen Flügel musste sie sich doch erinnern. Angie drehte den Brief in ihren Händen, aber er wurde noch immer nicht klarer, dann fing sie an, ihn laut vorzulesen und hoffte damit, irgendetwas damit zu bewirken: "An Angie LeFay, wohnhaft in Ankh-Morpork. *** Solltest
du diesen Brief dein eigen nennen, wird es Zeit für dich deine Herkunft zu kennen. Dort, wo die Zeit nur langsam vergeht, die Realität verschwimmt und die Steine tanzen wirst du die Antworten auf deine Fragen erhalten. Doch , sei auf der Hut, es zählt nicht nur der Mut."
* richtig erkannt, sie kann seit ihrem 4. Lebensjahr lesen, ab ihrem 6. fing sie an, die Bücher der UU zu lesen, ab ihrem 10. lernte sie Ausländisch und seit ca. 4 Jahren schreibt sie Übersetzungsbücher, die aber nur in der UU zu finden sind.
** die Bahre und die UU waren die einzigen Plätze (außer dem Waisenhaus natürlich), die sie in Ankh-Morpork kannte bevor sie zur Wache kam.
*** zumindest wusste der/die Fremde ihren Namen und sogar, wo sie sich aufhielt.
**** Angie LeFay****
"Wer ist dieser oder diese Fremde und woher weiß er über meinen Aufenthaltsort bescheid?" überlegte Angie während sie versuchte ihre Zehen die zwischen den Ritzen der Bank steckengeblieben waren wieder zu befreien.
Ecatherina beobachtete Angie und fragte sich insgeheim, wie sie so was nur immer zusammenbrächte, dann ließ sie ihre Gedanken wieder zu dem Schriftstück schweifen. "Also der Absender will auf jeden Fall anonym bleiben" dachte sie, die Regelmäßigkeit der Schriftzeichen deuteten darauf hin dass dieser Brief mit einer Tippselmaschine* verfasst wurde.
Angie LeFay dachte an die Nacht vor ihrer Abreise. Nachdem Ecatherina verschwunden war um die Reise zu organisieren, schlich sich auch Angie davon und suchte jenen Jungen auf, der ihr den Brief übergab. Sie fand ihn in dem selben Haus, aus dem er bei der Übergabe gekommen war, doch er wirkte anders. In der Dunkelheit konnte sie nicht erkennen was los war, doch nachdem sie eine Fackel angemacht hatte, konnte sie sehen, was geschehen war und das hatte ihr so einen Schrecken eingejagt, dass sie noch nicht mal mit Ecatherina darüber sprechen konnte. Kurz vor der Abreise hatte sie ihrem Kollegen Sidney noch aufgetragen Kommandeur Rince einen Zettel zu überbringen, mit der Bitte, sich darum zu kümmern.
"Mist" dachte sie, "ich hätte ihn früher aufsuchen sollen, dann hätte ich dies wahrscheinlich verhindern können und er hätte vielleicht einen Anhaltspunkt auf den Absender liefern können .... und so was nennt sich Wächterin!!!"
Als Angie gerade noch tiefer in Selbstzweifel versinken wollte, wurde sie von Ecatherina unterbrochen: "Du Angie was ist los mit dir du wirkst so zerschlagen."
"Nein, geht schon, ich bin nur etwas müde."
Angie warf noch mal einen Blick auf den Brief. "wo die Steine tanzen ..., ich erinnere mich da vage an ein Volkslied, dass mir meine Mutter immer vorgesungen hatte, es ging dabei um tanzende Steine und Magie, aber ich kann mich nicht mehr an Text erinnern" meinte sie.
"Ich hab in dem Buch von Lancre darüber gelesen, die sollen sich hier irgendwo auf einem Hügel befinden und angeblich das Tor zu einer anderen Welt oder so bewachen, genaueres steht da auch nicht drinnen."
Ecatherina und Angie unterhielten sich noch eine zeitlang darüber was tanzende Steine und Lancre mit Angies Herkunft zu tun haben könnten, als plötzlich ein junger Mann, der in etwas steckte, dass vage Ähnlichkeit mit einer uralten rostigen Uniform aufwies, vor ihnen stand. "Guten Abend meine Damen, ich habe Sie hier noch nie gesehen, kommen Sie aus dem Ausland?"
Ecatherina zog sich noch etwas in den Schatten zurück und blickte schüchtern in das Gesicht des Fremden, sie war es nicht gewohnt einfach so angesprochen zu werden.
Angie antwortete: "Ja, wir kommen aus Ankh Morpork und warten hier auf Frau Ogg ..."
Viel weiter kam sie nicht als sie plötzlich von einem Redeschwall unterbrochen wurde:
"Wirklich, aus dem Ankh Morpork, dem Ankh Morpork am Ankh? Mein Boss war mal kurz dort, er ist jetzt König hier aber als er mal dort war, war er noch Hofnarr, er wird sich sicher freuen, Besuch aus dem Ausland und dann noch aus AM zu erhalten, wisst ihr, es kommen so selten Fremde zu uns und dann gehen uns die Geschichten aus, weil allzu viel passiert ja hier nicht, ihr müsst unbedingt mitkommen zum Schloss, der König wird sich freuen und die Königin erst, ich war ja selbst noch nie im Ausland, ,japs' dabei würd ich so gern die ganze Welt..."
Der junge Mann musste kurz Luft holen und Angie nutzte die Pause um einzuwerfen:
"Das ist sehr freundlich, aber wir haben nicht viel Zeit und warten auf Frau Ogg, wir benötigen einige Informationen ..."
"bereisen und dann hätt ich viel zu erzählen und meine Mutter wäre sicherlich stolz auf mich, aber kommt mal, wir können im Schloss darüber reden, Frau Ogg ist übrigens meine Mutter und die kommt heut sicherlich noch zum Schloss, die Königin benötigt heute auch ihre Hilfe..."
Der Fremde nahm Angie bei der Hand und zog sie mit sich und diese folgte wiederwillig und warf Ecatherina einen fragenden Blick zu. Diese nickte ihr zu und so wanderten die drei Gestalten zum Schloss. Angie war etwas aufgeregt, sie hatte sich noch nie in einem Schloss aufgehalten, außer einmal, kurz bevor sie nach Ankh Morpork kam, da wurde sie von einem Sklavenhändler an einen Harem verkauft, doch dort durfte sie nur das allgemeine Schlafzimmer betrachten. Während des Spazierganges malte sie sich aus, wie sie feierlich im Schloss empfangen wurden und ihnen schöne exotische Kleider angeboten wurden, solche mit wertvollen Steinen besetzt und weiten Röcken und so weiter, genau solche die sie in einigen der ausländischen Modemagazinen gesehen hatte. Ecatherina ging inzwischen den Befürchtungen von massenhaftem Personal, dass überall auftauchte und mit einem reden wollte und von geschäftigen Treiben, nach. Sie hoffte doch nur, dort Frau Ogg anzutreffen und dann möglichst bald wieder zu verschwinden. Zu Beginn der Reise hatte sie sich euphorisch hinreißen lassen, denn im Gegensatz zu Angie hatte sie Ankh Morpork noch nie verlassen und fand es interessant neues kennen zulernen. Doch sehr bald hatte sich herausgestellt, dass dies nicht unbedingt ihr Ding war, immer wieder musste man mit Leuten reden und insgeheim war sie sehr froh, Angie dabeizuhaben die diese Aufgabe gerne übernahm. Nun wanderte sie hinter den beiden - der junge Mann hatte sich mittlerweile als Shawn Ogg (Mitglied der Palastwache) vorgestellt - her und verfolgte bruchstückhaft die Unterhaltung der Beiden, welche sich vor allem um die Gemeinsamkeiten ihrer Berufe und Angies abenteuerliche Reise nach Ankh Morpork drehte. Auf Ecatherina dürften sie vergessen haben, was diese nicht sonderlich störte, denn wenn sie mit Angie allein war hatte sie doch meistens das Gefühl von ihr beobachtet zu werden und nun genoss sie die Momente des wahren allein seins.
Nachdem Shawn mit den beiden Reisenden im Schloss eingetroffen war bekamen diese ein üppiges Mahl vorgesetzt und der ganze Hofstaat (welcher zur Erleichterung von Ecatherina nicht so groß wie angenommen war) versammelte sich. Während sich Ecatherina in einen Winkel zurückgezogen hatte und die Szene als Beobachter wahrnahm, ging Angie inmitten der Gesellschaft auf wie Omas Germteig - viel zu lange hatte sie die Zeit nur mit Eca in einer Kutsche verbracht und wie sehr ihr die Menschenmassen gefehlt hatten merkten sie erst jetzt. Vor Aufregung hatte sie bereits einige rote Flecken im Gesicht und ihr Redeschwall wollte und wollte nicht abbrechen. Der König und die Königin lauschten interessiert ihren Erzählungen und Shawn war damit beschäftigt, jene Essensreste die Angie versehentlich am wertvollen Teppich verstreute, wieder aufzusammeln.
Nach ca. zwei Stunden tauchte zur Erleichterung Ecatherinas endlich Nanny Ogg auf. Doch sie hatte zu früh aufgeatmet, denn Frau Ogg machte keine Anstalten den Hof zu verlassen und Eca bemerkte in ihrem Tun eine gewisse Ähnlichkeit zu Angie. Die beiden fanden sich schnell und plauderten dies und das, nur über den Grund ihrer Reise nicht. Schliesslich platzte Ecatherina der Geduldfaden und meinte etwas genervt zu Angie: "Willst du nicht mal zum wesentlichen Punkt kommen und Frau Ogg unser Anliegen erklären?"
"Entschuldigen Sie meine Freundin, sie fühlt sich nicht sehr wohl in Gesellschaft und ich glaub für Ihre Verhältnisse hatten wir heute schon genug davon." Meinte Angie zu Frau Ogg gewandt.
Kurz darauf wanderten die drei durch den Schlosspark, welcher seltsamerweise aus Mais- und Weizenfelder bestand ("Lancre ist überhaupt ein seltsames Flecken Scheibe" dachte Angie bei sich) und Ecatherina präsentierte Frau Ogg den geheimnisvollen Brief. Angie erklärte dass sie vor ca. 18 Jahren von ihren Eltern an der Schwelle ihres Hauses gefunden wurde und von ihren Flügel die ihr regelmäßig wachsen und die aber keinem Zweck dienen dürften. Plötzlich wurde Nanny ganz blass im Gesicht und begann zu erzählen:
"Es muss jetzt ca. 18 Jahre her sein, da wanderte eine Gruppe Nomaden durch unser Dorf und lagerte oben bei den tanzenden Steinen. Wir hatten ihnen empfohlen ihren Lagerplatz zu wechseln und boten ihnen unsere schönsten Wiesen an, da dieser Ort voller, zum teil ungezähmter, Magie ist und man nie weiß was geschieht. Doch sie lehnten unser Angebot ab und blieben noch einige Nächte dort. Eines Tages zur Morgendämmerung wurde ich zu ihnen gerufen, eine Frau hatte in der Nacht ihre Kinder bekommen, zwei Stück, ein Junge und ein Mädchen und bei beiden konnte man kleine Knorpel am Rücken ertasten. Als ich ankam, war der Junge bereits Tod und wir begruben ihn unter dem großen Baum, das Mädchen war sehr geschwächt und ich machte mich auf um meine Kollegin Oma Wetterwachs zu holen, da ich mit meinem Latein am Ende war und dem kleinen Ding nicht mehr helfen konnte. Als ich endlich mit Oma zur Lichtung zurückkehrte war alles weg, die Wagen, die Esel, die Pferde, die Menschen, einfach alles, ohne eine Spur zu hinterlassen. Wir suchten die Lichtung ab, doch keine Spur von irgendwas. Gerade als ich vorschlagen wollte die Suche abzubrechen und nach Haus zu fliegen rief mich Oma zum Steinkreis. Im Zentrum von diesem fanden wir dann die Plazenta, den Mutterkuchen. Diesen nahmen wir und begruben ihn an der selben Stelle wo ich Stunden zuvor den Jungen begraben hatte, dieser befand sich auf jeden Fall nicht mehr dort wo er sein sollte. Ich hatte diese Geschichte schon vergessen, doch gerade jetzt fiel sie mir wieder ein."
"Und Sie meinen, dieses Mädchen könnte ich sein?" fragte Angie hoffnungsvoll.
"Ich weiß nicht" antwortete Nanny "aber die Ähnlichkeiten sind schon verblüffend. Es ist schon spät und ihr solltet schlafen gehen, ich werde noch mal einen Sprung bei Oma vorbeisehen und mit ihr darüber sprechen und morgen machen wir uns gemeinsam zu den Steinen auf, vielleicht finden wir ja einen Anhaltspunkt."
"Können wir nicht gleich zu den Steinen?" meinte Ecatherina, die Vorstellung diese Lichtung während des Tages zu besuchen gefiel ihr nicht sonderlich.
"Nein, ruht euch ein wenig aus, könnte anstrengend werden morgen" meinte Nanny in befehlendem Ton und stieg auf ihren Hexenbesen.
Als Nanny weg war meinte Ecatherina: "Komm machen wir uns auf zu den Steinen!"
"Aber Frau Ogg hat doch gemeint, das sei gefährlich, lass uns doch bis morgen warten ich würd doch so gern den Abend im Schloss verbringen."
"Hast du vergessen dass wir wenig Zeit haben, außerdem traue ich dieser Hexe nicht" erwiderte Ecatherina.
"Du traust doch niemanden" motzte Angie
"Komm lass uns jetzt gehen, was soll schon passieren? Meinst dass uns ein Wolf beisst oder so?" antwortete Ecatherina sarkastisch. "Wenn wir heute nichts finden können wir morgen immer noch mit den Hexen hinsehen."
Nachdem Ecatherina noch einige überzeugende Argumente lieferte hatte sie Angie weichgeklopft und sie machten sich heimlich auf zum Steinkreis. Als sie dort ankamen war es bereits stockdunkle Nacht, doch von den Steinen ging ein seltsames Leuchten aus.
"Hey, Angie komm mal hier her" rief Ecatherina die inmitten des Kreises stand "von hier aus sieht man die Sterne aus einer ganz besonderen Perspektive, sie wirken irgendwie viel näher, komm mal her, dass muss man gesehen haben."
Zögernd kam Angie näher: "Du Eca, komm doch wieder raus hier, Frau Ogg hat gesagt dass dies gefährlich ist."
"Ach was, seit wann bist du denn so ein Angsthase? Jetzt komm doch endlich, du verpasst echt was wenn du dies hier nicht siehst."
Angie kam noch einen Schritt näher und die Steine schienen noch intensiver zu glühen.
"Du Eca, irgendwie ist das verdammt unheimlich hier."
"Jetzt mach dir nicht in die Hose" meinte Ecatherina und grinste Angie ins Gesicht, "Feigling, Feigling."
Dies ließ sich Angie nicht ein drittes mal sagen und trat zwischen die Steine. Im selben Moment wurde Ecatherina von einem Energiestoß getroffen und aus dem Kreis geschleudert. Angie wurde inmitten des Kreises gezogen und kurz hatte Ecatherina das Gefühl sie würde lautlos explodieren. Angies Körper krümmte sich zusammen und zusammen und zusammen, eine Lichtkugel umgab ihn und bald konnte Ecatherina nichts anderes mehr erkennen. Die Kugel stieg auf plötzlich zerriss sie und zum Vorschein kam Angie LeFay, sie war nackt und sie hatte sich verändert, ihre Flügel, die wenn sie vorhanden waren normalerweise kleine hässliche Auswüchse darstellten waren auf einmal riesig, sie erreichten fast die gesamte Länge von Angies Körper und ließen Angie in der Luft gleiten, nein nicht gleiten, Angie schwebte, blieb am selben Punkt und eine blauschimmernde Lichtsäule umgab sie.
"Sch... " war Ecatherinas erster Gedanke "hoffentlich bleibt ihr das nicht so, wer weiß was die anstellt wenn sie jetzt auch noch fliegen kann."
* Es handelte sich dabei um eine uralte Erfindung die aber erst in den letzten Jahren einen größeren Umsatz verzeichnen konnte. Diese Maschine enthält für jeden geläufigen Buchstaben eine Taste, wobei jede wiederum mit einem Tippseldämon verbunden ist, der jenen Buchstaben dann auf einem eingespannten Blatt Papier verewigt.
*** Ecatherina Erschreckja ***
Sie Säule wurde immer blasser und dann verschwand sie samt Angie und ihrer überdimensionalen neuen Flügeln. Die Steine hörten auf zu glühen und alles wurde wieder stockdunkel. Das einzige was von Angie übrig blieb, war ihr Armband das an einem der komischen Steine heftete.
"Verdammt!", war das letzte was Ecatherina sagte, bevor sie wieder in den Kreis sprang. Sie wusste zwar nicht, was nun passieren würde, aber sie konnte sich entweder aussuchen, zur Stadt zurückzukehren um Nanny zu beichten, dass sie sich doch alleine aufgemacht hatten und dann vielleicht den Zorn der Hexe riskierte, oder selber nach Angie zu suchen und sie wieder zurückzuholen. Es konnte ja nicht so schwer sein, jetzt wo ihre Freundin fliegen konnte.
Sie hatte keine Ahnung, warum sie vorhin in den Kreis gegangen war und Angie davon überzeugte, mitzukommen; irgendwie war es komisch in ihrem Kopf gewesen und dieses Gefühl kehrte wieder zurück als auch sie in dem Kreis verschwand.
Als Ecatherina wieder zu Sinnen kam und ihre Augen öffnete, lag sie am Boden, hatte eine, wie es sich anfühlte, gebrochene linke Schulter und eine alte, dürre Frau starrte böse auf sie herab; daneben stand Nanny und war sichtlich besorgt. Es dürfte schon früher morgen gewesen sein, denn die ersten Anzeigen von Dämmerung waren zu erkennen.
"Esme, sei nicht böse. Sie kann doch nichts dafür. Du hast selber gesagt, dass sie sie reingeholt hat.", sagte Nanny, wobei ihre Stimme einen flehenden Unterton hatte.
"Dieses dumme Kind. Hätte erst gar nicht alleine hier her kommen dürfen. Hätte ich nicht bemerkt, das die Tiere nervös waren und hätte ich meinen Geist nicht her geschickt, wäre dieses Balg jetzt tot, und das geschehe ihr ganz recht.", die wütende Frau drehte sich um und ging weg.
"Aber Esme, sei nicht so hart. Es sind halt noch Kinder und die wissen es nicht besser; denk an Magrat.", Nanny beugte sich über Ecatherina und begutachtete ihre Verletzung.
"Mach dir nichts draus, sie kann hin und wieder ziemlich schroff werden.", sie versuchte ihre Schulter zu schienen, was sich aber als nicht so leicht herausstellte.
"Au! Das tut verdammt weh!"
"Das hättest du dir früher überlegen müssen, nicht nachher jammern.", hörte sie die alte Frau schimpfen.
"Wer ist eigentlich diese Frau?", fragte sie, als sie sich langsam wieder aufsetzte.
"Oh, das ist Oma Wetterwachs, hab euch doch schon von ihr erzählt, oder? Zumindest einer von euch, du warst ja nicht sehr an einem Gespräch interessiert und bist auch nicht gut im Zuhören, wie man merkt." sagte Nanny mit einem leichten vorwurfsvollen Unterton.
"Tut mir wirklich leid, Nanny. Ich wollte nichts schlimmes machen. Was ist eigentlich mit Angie passiert und wo ist sie jetzt?"
"Hm, dieses arme Ding. Wird es jetzt wohl nicht sehr leicht haben bei ihnen. Esme sucht gerade nach einem Weg sie da raus zu holen ohne nochmals in den Kreis gehen zu müssen. Es war schon anstrengend genug, dich lebend da raus zu bekommen. Sie schienen ziemlich überrascht gewesen zu sein, uns zu sehen, doch jetzt warten sie dort auf uns. Wäre eine unangenehme Sache wenn wir ihnen in die Hände fallen würden, wie du an deiner Schulter spüren kannst."
"Wer sind sie und was machen sie denn mit ihr und warum kann ich mich an nichts mehr erinnern?", Ecatherina sah sich um, sie waren noch immer in der Nähe der Tänzer, doch jetzt wirkte dieser Ort nicht mehr so bedrohlich (was wohl auch an Oma Wetterwachs lag, nichts konnte so furchteinflössend sein wie sie).
"So viele Fragen. Geh lieber ins Schloss und ruh dich aus, mein Kind."
"Was? Das kannst du doch nicht im Ernst meinen, ich kann Angie doch nicht im Stich lassen."
"Das hast du schon, als du sie hier her geführt hast. Ich wüsste nicht, wie du ihr jetzt noch helfen könntest. Du hast schon genug Schaden angerichtet, nun geh endlich!", Omas Stimme war so scharf, damit könnte man Eisen schneiden.
"Esme!"
Traurig machte sich Ecatherina auf zum Schloss. Sie wollte doch niemanden Schaden zu fügen und schon gar nicht Angie. Sie wusste nicht mehr, was passiert war, nachdem sie den Kreis betreten hatte, doch ihre verletzte Schulter gab ihr zu bedenken, dass es nichts Gutes war und dass bereitete ihr furchtbare Sorgen, und Gewissensbisse.
Plötzlich raschelte es im Gebüsch und Ecatherina schrak von ihren Gedanken auf; ein wildes Tier war das letzte was sie nun gebrauchen konnte. Noch zwei mal raschelte es, jedes Mal ein wenig stärker und dann war es auf einmal wieder vollkommen still. Irgendwie weckte das ihre Neugier und langsam schlich sie sich an die Stelle heran; doch als sie ankam war nichts weiter als ein Zettel am Boden zu erkennen. Sie hob in auf und erkannte ihn als den Brief von Angie wieder; aber diesmal waren ein paar Wörter unterstrichen, nämlich die letzten: "...es zählt nicht nur der Mut.". Was hatte das zu bedeuten und wer hatte den Brief hier versteckt, oder besser gesagt, wer wollte das sie ihn hier findet?
Aber wenn Angies Brief hier war, dann musste sie doch auch in der Nähe sein. Wenn es hier wirklich voller Magie wimmelte, dann konnte sie ja auch wo anders sein und musste nicht im Kreis verschwunden sein. Irgendeinmal hatte Ecatherina ein Buch von Druidenkunst gelesen, dort ging es unter anderem um fliegende Computer und solche Dinge. Sie konnte sich zwar nicht mehr genau daran erinnern, aber sie glaubte auch gelesen zu haben, das es dort auch hieß, das man mit Anziehungssteinen (sie wusste zwar nicht was das genau war, aber sie war sich sicher, das es sich darum um die Tänzer handelte) auch andere Dinge bewerkstelligen konnte, nämlich eine komplizierte Mätamorfosä einzuleiten (sie hatte zwar schon in mehreren Büchern gesucht, aber trotzdem noch nie die Bedeutung dieses Wortes herausgefunden).
Sie überlegte kurz und dann glaubte sie endlich die Lösung für das Rätsel gefunden zu haben. Sie rannte zurück zu den Tänzern und traf dort wieder auf die beiden alten Hexen. Sie ging zu den Steinen und versuchte das Armband mit einer Hand runterzuziehen.
"Was machst du denn schon wieder hier? Hab ich dir nicht gesagt, dass du ins Schloss gehen sollst?"; Nanny wandte sich ihr zu und auch Omas Aufmerksamkeit gewann sie zurück.
"Nanny, du musst mir helfen das Armband hier wegzunehmen. Ich glaube jetzt weiß ich was passiert ist. Angie ist nicht in den Kreis gezogen worden."
"Ach nein, wo denn sonst hin, du neunmal kluges Kind?", Oma war nicht sehr begeistert über ihre Anwesenheit.
"Du hast uns doch die Geschichte erzählt um das vermeidlichen Verschwinden der Nomaden. Und du hast gesagt, das ihr das Plazentading im Kreis gefunden habt."
"Plazenta reicht, ohne Ding, aber ja, das hab ich."
"Und dann, als ihr sie rausgefischt habt, hat man Angie wo anders lebend und putzmunter gefunden. Kann es nicht sein, dass sie nicht im Kreis sondern direkt in den Steinen gefangen sind. Als wir ankamen, haben die Steine geleuchtet. Es kann doch sein, das die Steine auf Angie gewartet haben. Sie ist wohl die einzige, die von damals noch übrig ist. Es kann ja sein, das sie zu einer Art Energiefeewesen umgewandelt worden ist und die Steine sie aufgesaugt haben, oder so. Und wir müssen sie retten."
"Ach ja, und wie willst du sie da wieder rausholen?"
"Naja, so wie ihr damals, dacht ich mir. Die Plazenta war ja mal mit ihr verbunden und als ihr sie von den Steinen weggebracht habt, ist Angie wieder aufgetaucht, nur wo anders halt. Das Armband hier hat sie auch schon ziemlich lange, soweit ich weiß, also ist es auch so gesagt ein Teil von ihr, wenn wir es runterkriegen und wegbringen, könnte das ein Tor zu unserer Welt öffnen, man bräuchte nur warten."
Es war zwar nur ein kleiner Hoffnungsschimmer, doch das einzige, was sie hatten und auch beide Hexen hatten nicht die Lust nochmals in den Kreis zu gehen. Mit vereinten Kräften zogen sie das Armband von dem Stein ab und Ecatherina nahm es in Gewahrsam. Sie ging zurück ins Schloss, legte sich schlafen und hoffte, das Angie wieder da war, wenn sie aufwachen würde; doch dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt. Sie erschien nicht, so wie auch die darauffolgenden Tage nicht. Ecatherina wurde in dieser Zeit immer stiller und stiller (noch mehr als sie bereits war). Dann kam der Tag, an dem Ecatherina abreisen musste, wenn sie nicht die Rückfahrt verpassen wollte.
Es gefiel ihr ganz und gar nicht, doch Nanny und die anderen hatten versprochen, dass sie Angie nach Hause schicken würden, wenn sie hier auftauchen würde und da noch eine geringe Chance bestand, das sie dort materialisierte wo man sie schon einmal vor vielen Jahren fand, machte sie sich dann doch auf den Weg.
Der Igor des Schmugglervampirs gab ihr gleich bei der erneuten Begegnung die Tüte mit Platte, wobei diese ziemlich voll war. Sie steckte sie ein und verschwendete kaum mehr Gedanken daran.
Sie waren schon ein paar Tage unter Wegs und Ecatherina wusste das sie bald in Ankh Morpork ankommen mussten. Sie hatte keine Ahnung wie sie es den anderen der Wache oder ihrer Adoptivfamilie (wobei sie nicht mal wusste, wo sich diese befand) beibringen sollte, das Angie auf einmal verschwunden war. Alle würden Fragen stellen, ziemlich viele Fragen. Sie hatten gerade Sto Kerrig passiert, als der Wagen auf einmal stoppte. Sie wunderte sich darüber und wollte gerade aus dem Fenster schauen als die Tür aufgerissen wurde und Angie ziemlich leicht bekleidet hereinstürmte.
"Verdammt noch mal, wo warst du, ich hab mir Sorgen gemacht! Und du hast auch keinen Schimmer, wie es ist, wenn man den Zorn von Frau Wetterwachs spüren muss."
"Ja ja, schon gut, aber jetzt lass mich rein, damit wir fahren können; ich habs eilig."
Der Wagen fuhr los und aus dem Fenster konnte Ecatherina sehen, wie ein paar Männer der Kutsche eine Zeit lang folgten, bevor sie endlich aufgaben.
"Also, was ist passiert?"
"Das wollt ich gerade dich fragen. Ich kann mich nur mehr daran erinnern, das du im Kreis standst und ich dann auch reingegangen bin; und dann wurde es irgendwie komisch das Ganze. Ich hab nichts mehr gesehen, sondern konnte nur mehr fühlen; es war so, als spürte ich die Gegenwart von anderen. Es war so, als wenn man nach langem Suchen endlich zu Hause ist und von seiner Familie begrüßt wird. So viele Empfindungen waren dort, so viel Freude. Und dann plötzlich bin ich mitten in dem Dorf nackt aufgewacht und alle haben mich angestarrt. Du weißt ja gar nicht, wie schwer es ist, da wieder raus zu kommen.", Angie wurde leicht rot im Gesicht und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster.
"Du hast nicht zufällig meine Sachen mitgebracht, oder?"
"Ähm, nein, leider nicht. Nur dein Armband. Irgendwie ist es dort geblieben und ich habs gefunden. Sonst war dort nichts, und ich weiß auch nicht was passiert ist.", Ecatherina spielte verlegen mit den Fingern; sie konnte zwar Angie sagen, was sie vermutete, doch hieße das vielleicht, das Angie sich überlegen würde, ob sich nicht wieder zurück gehen wollte und das konnte sie nicht zulassen; irgendwann wollte sie ihr davon erzählen, doch das war nicht jetzt.
In Ankh Morpork angekommen, holte Ecatherina Angie frische Kleidung von deren zuhause und dann gingen beide zum Wachhaus. Nachdem was sie in den letzten Tagen erlebt hatte, hatte Ecatherina beschlossen, ehrlich zu bleiben und den Schmugglervampir an die Wache zu verraten (sollte dass auch heißen, das die folgenden Nächte ziemlich gefährlich werden würden). Sie händigten Gonzo das Platte aus (wobei Ecatherina zwar ein wenig zögernde, doch Angie erleichterte ihr ihre Entscheidung, indem sie die Tüte an sich nahm) und dann gab Ecatherina ihm eine Personen- und Wohnortbeschreibung (immerhin kannte sie diesen Typen ja schon ziemlich lange und wusste wo er sich aufhielt bzw. wo man ihn oft antreffen konnte).
Danach beschlossen beide Frauen sich in ihre Betten zurückzuziehen und waren am diesem Tage nicht mehr gesehen.
Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster
und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.